Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Eltrombopag in Kombination mit Immunsuppression bei der schweren aplastischen Anämie

Quelle: Eltrombopag Added to Immunosuppression in Severe Aplastic Anemia, R. Peffault de Latour, et al, N Engl J Med 2022;386:11-23

Hintergrund

Die erworbene aplastische Anämie ist eine Autoimmunerkrankung mit T-Zell-mediierter Destruktion hämatopoetischer Stammzellen. Die Therapie ist mit immunsuppressiver Therapie oder Stammzelltransplantation. Mehrere Studien haben die Kombination von Cyclosporin A und Anti-Thymozyten Globulin (ATG + CyA) als Standardtherapie etabliert. Eltrombopag (Epag) ist ein Thrombopoetin Analogon, somit ein Wachstumsfaktor und in der Therapie der Immunthrombopenie etabliert. Da dieser Wachstumsfaktor auch bei den Stammzellen angreift, wurde Eltrombopag in der Behandlung der aplastischen Anämie untersucht und Phase II Studien haben die Wirksamkeit bei rezidivierten oder refraktären Patienten sowie als Zusatz bei der ATG + CyA Therapie untersucht. Diese Studie hier ist eine randomisierte Studie, welche ATG + CyA mit ATG + CyA + Epag vergleicht.

Methode

Dies ist eine randomisierte Multizenter Phase III Studie der Erstlinientherapie von Patienten mit schwerer aplastischer Anämie, durchgeführt durch Zentren der Europäischen Stammzelltransplantationsgesellschaft (EBMT). Primärer Endpunkt war die Anzahl von Patienten mit kompletter Remission 3 Monate nach Therapie.

Resultate

Immunsuppression mit ATG + CyA wurde 101 Patienten (Gruppe A), ATG + CyA + Epag (Gruppe B) 96 Patienten verabreicht. 10% der Patienten in Gruppe A und 22% in Gruppe B hatten eine komplette Remission nach 3 Monaten. 6 Monate nach Therapie hatten 41% in der Gruppe A und 68% in der Gruppe B eine komplette oder partielle Remission. Das Intervall bis zum Ansprechen war 8.8 Monate in der Gruppe A und 3 Monate in der Gruppe B. Die Häufigkeit von schweren Nebenwirkungen war vergleichbar. Patienten mit aplastischer Anämie haben nach immunsuppressiver Therapie ein Risiko sekundärer klonaler Anomalien wie zB Übergang in ein myelodysplastisches Syndrom. Medianes Follow-up ist 24 Monate und die Häufigkeit genetischer Anomalien war vor Beginn der Therapie 29% und 31% und stieg nach Therapie auf 66% und 55%, ohne dass das Ansprechen oder das Ueberleben davon betroffen war. Das event-freie Überleben, d.h. Überleben ohne Rückfall, ohne klonale Evolution und mit Ansprechen auf die Erstlinientherapie war 34% und 46% in Gruppe A und B.

Schlussfolgerung

Die Zugabe von Eltrombopag zur Standard immunsuppressiver Therapie führt zu einem schnelleren und besseren Ansprechen.

Interleukin-1 verursacht das Mikrobiom-vermittelte inflammatorische Altern der Blutstammzellen in Mäusen

Quelle: IL-1 mediates microbiome-induced inflammaging of hematopoietic stem cells in mice, Larisa V. Kovtonyuk et al., Blood. 2022 Jan 6;139(1):44-58. doi: 10.1182/blood.2021011570. PMID: 34525198

Hintergrund

Dies ist eine grundlagenwissenschaftliche Arbeit zur Alterung der Hämatopoese unter dem Einfluss inflammatorischer Reize im Zusammenhang mit dem intestinalen Mikrobiom aus der Arbeitsgruppe von Prof. Manz an der Universität Zürich. Alterung führt zu einer eingeschränkten hämatopoetischen und immunologischen Funktion. Dies zeigt sich in einer reduzierten Fitness der hämatopoetischen Stammzellen (HSZ). Eine Stärkung der myeloischen Differenzierung auf Kosten der lymphatischen Differenzierung der HSZ wird beobachtet. Die Mechanismen dieser Alterung der Hämatopoese sind nicht gut bekannt.

Methoden und Resultate

In dieser Studie wurden ältere und jüngere Mäuse untersucht. Ältere Mäuse produzierten mehr Interleukin 1a und 1b (IL-1a/b), und dieses Zytokin kommt hauptsächlich von myeloisch differenzierten Knochenmarkszellen. Im Blut dieser Mäuse fanden sich je nach Alter mehr mit mikroben assoziierte molekulare Muster, insbesondere TLR4 und TLR8 (Toll Like Rezeptor; Rezeptoren, welche mikrobielle Molekäle erkennen) Liganden. Myeloische Zellen von älteren Mäusen produzierten mehr IL-1b in vitro und Stimulation mit Lipopolysacchariden führte zu einer stärkeren und länger anhaltenden IL-1a/b Antwort. Interleukin-1 Rezeptor knockout Mäuse hatten ein deutlich abgeschwächtes altersassoziiertes inflammatorisches Muster. HSZ von Interleukin-1 Rezeptor knockout Mäusen und von pathogen-frei aufgezogenen Mäusen behielten eine hämatopoetische Differenzierung ohne Zeichen dieser Alterung. Ebenso konnte die medikamentöse Blockade der IL-1 Signale sowie die antibiotische Reduktion des intestinalen Mikrobioms den Myelopoese Bias der HSZ von älteren Mäusen vermindern.

Schlussfolgerung

Diese Arbeit zeigt, dass das Mikrobiom und die Interleukin-1 – Interleukin 1 Rezeptor Achse ein wichtiger und therapeutisch partiell reversibler Bestandteil des inflammatorischen Alterns sind (Abb. 1).

Behandlungsresultate bei älteren Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie mit und ohne allogene Stammzelltransplantation: Eine Beobachtung über 10 Jahre am USZ.

Quelle: Real-world outcomes in elderly ALL patients with and without allogeneic hematopoietic stem cell transplantation: a single-center evaluation over 10 years. Hofer KD et al, Ann Hematol. 2022 Feb 19. doi: 10.1007/s00277-022-04793-z. Online ahead of print. PMID: 35182191

Hintergrund

In einer weiteren Arbeit aus dem USZ wurden die Behandlungsresultate der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) bei älteren
Patienten untersucht.

Die ALL ist der häufigste Tumor im Kindesalter und vieles in der Behandlungserfahrung der ALL ist demzufolge von pädiatrischen Protokollen inspiriert.

Die ALL kommt in allen Alterskatergorien vor, hat einen zweigipflichen Häufigkeitsverlauf, mit einer Spitze im Kindesalter und einem geringeren Häufigkeitsgipfel im Alter. Die Behandlung der ALL beruht auf komplexen Chemotherapieprotokollen mit alternierend eingesetzten Substanzen und hat zu einer hohen Heilungsrate bei Kindern geführt. Die Umsetzung dieser Therapiekonzepte im Alter sind dementsprechend schwieriger.

Im Allgemeinen gilt die Prognose der ALL bei Patienten über 60 Jahren als schlecht. Intensive pädiatrische Protokolle und die Stammzelltransplantation werden in dieser Alterskategorie nur zurückhaltend eingesetzt, die Datenlage ist dementsprechend ungenügend und über hohe behandlungsassoziierte Mortalität ist berichtet worden.

Methoden

In dieser retrospektiven Analyse eines einzelnen Zentrums wurden die Daten aller Patienten mit einer De-novo-Diagnose von ALL zwischen 2009 und 2019 analysiert, die an der Abteilung für Medizinische Onkologie und Hämatologie des Universitätsspitals Zürich, Schweiz, behandelt wurden. Burkitt-Lymphom/Burkitt-Zell-Leukämie wurden nicht in die Analyse einbezogen. Ausgeschlossen wurden Patienten, die jünger als 18 Jahre waren oder sich weigerten, eine allgemeine Forschungsgenehmigung zu erteilen. Die Ergebnisse von Patienten mit T-ALL wurden aufgrund der geringen Anzahl von Patienten im EP nicht detailliert untersucht.

Resultate

In dieser Studie wurden 130 ALL Patienten zwischen 2009 und 2019 untersucht, 26 waren ältere Patienten (zwischen 60-76 Jahre alt). Intensive Induktions-Kombinationschemotherapien konnten bei 65% der älteren Patienten durchgeführt werden. Bei 87% konnte eine komplette Remission erreicht warden, im Vergleich dazu bei 88.0% der jüngeren Erwachsenen. Frühmortalität wurde bei 7% der älteren Patienten beobachtet. Das Dreijahresüberleben der älteren ALL Patienten ohne Philadelphia Chromosom war klar schlechter als bei den jüngeren
Patienten (30% vs 78%, p ≤ 0.001). Eine allogene Stammzelltransplantation wurde bei 49 Patienten, darunter 8 älteren Patienten durchgeführt mit einem Dreijahresüberleben von 87%. Ältere Patienten ohne Stammzelltransplantation hatten ein medianes Ueberleben von 9 Monaten. Bei Patienten mit Philadelphia Chromosom positiver ALL war das Dreijahresüberleben bei den Älteren 60% und 71% bei den Jüngeren. Die behandlungsassoziierte Mortalität (14%) und die Rate an Infektionen (12%) waren insgesamt tief bei den älteren Patienten.

Schlussfolgerung

Diese Daten zeigen, dass bei einem Teil der älteren Patienten mit ALL eine intensive Polychemotherapie möglich ist und dass auch ältere Patienten von Dosisintensität und Stammzelltransplantation profitieren können.

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch

Elektrische Felder in der Onkologie

Worldwide, cancer remains one of the leading causes of death. Many cancers eventually become resistant to common therapeutic approaches, justifying the need for novel therapeutic approaches. Tumor Treating Fields (TTFields) represent one of those new modalities. They are alternating electric fields with a low-level intensity (1-3 V/cm) and a frequency of 100-300 kHz which are orthogonally applied to the skin around the tumor by means of four transducer arrays to form two current fields. Preclinical research shows that cell death occurs mainly during metaphase and cytokinesis and further mechanisms of action are progressively discovered. A phase III randomized trial showed that TTFields improved progression-free overall survival in newly diagnosed glioblastoma compared to standard therapy. This promising therapeutic approach is now being evaluated with encouraging preliminary results in other indications including mesothelioma and ovarian, lung and pancreatic cancer.

Weltweit ist Krebs nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen. Viele Krebsarten werden mit der Zeit resistent gegen gängige Therapieansätze, was den Bedarf an neuen Therapieansätzen rechtfertigt. Tumor Treating Fields (TTFields) stellen eine dieser neuen Anwendungen dar. Dabei handelt es sich um elektrische Wechselfelder mit geringer Intensität (1-3 V/cm) und einer Frequenz von 100-300 kHz, die mit Hilfe von vier Transducer Arrays orthogonal auf die Hautoberfläche rund um den Tumor aufgebracht werden, um zwei Stromfelder zu bilden. Die präklinische Forschung zeigt, dass der Zelltod hauptsächlich während der Metaphase und der Zytokinese eintritt, und weitere Wirkmechanismen werden nach und nach entdeckt. Eine randomisierte Phase-III-Studie zeigte, dass TTFields das progressionsfreie Gesamtüberleben bei neu diagnostiziertem Glioblastom im Vergleich zur Standardtherapie verbessert. Dieser aussichtsvolle therapeutische Ansatz wird nun mit vielversprechenden vorläufigen Ergebnissen in anderen Indikationen wie Mesotheliom, Eierstock-, Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebs untersucht.
Key Words: Tumor Treating Fields (TTFields), Glioblastom, PFS, OS

Es ist seit langem bekannt, dass die elektrische Aktivität eine Schlüsselrolle bei einer Vielzahl von biologischen Prozessen spielt. Bei sehr niedrigen Stromfrequenzen (<1 KHz) werden erregbare Zellen, wie z. B. Neuronen und Muskelzellen depolarisiert. Dieser Effekt wird beispielsweise für die Anwendung von Neurostimulatoren und Herzschrittmachern genutzt. Sehr hohe Frequenzen erzeugen Wärme im Gewebe und werden für die Radiofrequenz angewendet. Bei mittleren Frequenzen (zwischen 10 und 1000 KHz) und wenn eine ausreichende Stromstärke angelegt wird, konnten verschiedene biologische Effekte nachgewiesen werden, darunter eine spezifische Blockade der Zellteilung. Da die Zellteilung zu jedem beliebigen Zeitpunkt stattfinden kann, ist eine längere Exposition gegenüber elektrischen Feldern von entscheidender Bedeutung, um diese Effekte beobachten zu können.

Präklinische Experimente an Zellkulturen und Tiermodellen zahlreicher Krebslinien mit sogenannten Tumor Treating Fields (TTFields, 1-3 V/cm, 100-500 kHz) haben eine Wirkung auf die mitotische Spindel gezeigt, indem sie auf Moleküle mit wichtigen Dipolen wie Septine und Mikrotubuli der Spindel abzielen: TTFields verhindern die Polymerisation der Mikrotubuli und blockieren die mitotische Spindel, wodurch die Zellteilung und die Trennung der Chromosomen gefährdet werden. TTFields wirken auch, indem sie bestimmte Gene blockieren, die für Mechanismen zur Korrektur von DNA-Schäden verantwortlich sind, wie z.B. das Gen für die Fanconi-Anämie. Zellen, die TTFields ausgesetzt sind, weisen auch eine erhöhte Autophagie und Zelltod durch Nekroptose auf, was durch einen Anstieg der Autophagosomen, die Erweiterung des endoplasmatischen Retikulums und abnormale mitochondriale Strukturen nachgewiesen wird. Die Zellmembranen, die den elektrischen Feldern ausgesetzt sind, werden auch durchlässiger, wodurch die Chemotherapie-Moleküle stärker eindringen können und somit synergistisch wirken. Darüber hinaus können TTFields die Zellmigration blockieren (1).

Um das klinische Potenzial von TTFields zu bewerten, wurde ein tragbares Gerät mit Akku entwickelt (Optune®, Novocure, Haifa, Israel). Die elektrischen Felder werden mithilfe von 4 Transducer Arrays angelegt, die auf die rasierte Haut geklebt und alle 3-4 Tage ausgetauscht werden.

Klinische Erfahrungen mit TTFields

Die ersten klinischen Versuche wurden an Patienten mit Haut­metastasen von Melanomen oder Brustkrebs durchgeführt und konnten eine Reduktion oder sogar deren vollständiges Verschwinden zeigen. Die Behandlung mit TTFields ist jedoch eine lokal-regionale Behandlung und aus diesem Grund wurden Glioblastome, die fast ausschließlich im Gehirn rezidivieren, schnell als ideale Kandidaten identifiziert, um das Potenzial der TTFields in prospektiven Studien abschließend zu demonstrieren. Außerdem ist die Anbringung der Transducer Arrays auf der rasierten Kopfhaut relativ einfach. Die Sicherheit und Durchführbarkeit wurde zunächst in einer kleinen Pilotstudie nachgewiesen. Anschließend wurden zwei Phase 3 randomisierte klinische Studien abgeschlossen, zunächst in Situationen mit rezidivierendem Glioblastom (Studie EF-11) und dann auch in Ergänzung zu einer herkömmlichen Radiochemo­therapie beim neu diagnostizierten Glioblastom (Studie EF-14).

TTFields bei rezidivierendem Glioblastom

In der EF-11-Studie wurden 237 Patienten 1:1 zwischen einer konventionellen Chemotherapie und einer Behandlung mit alternierenden elektrischen Feldern randomisiert, wobei der primäre Endpunkt das Gesamtüberleben war. Aufgrund eines medianen Überlebens von nur 6,0 versus 6,6 Monaten war der Unterschied zwischen den beiden Gruppen statistisch nicht signifikant. Durch ihr Design wies diese Studie jedoch eine Reihe intrinsischer Einschränkungen auf, darunter eine unbegrenzte Anzahl früherer Behandlungslinien, was zu einer sehr heterogenen Population und Patienten mit fortgeschrittener Krankheit und geringerer Lebenserwartung führte. Interessanterweise wurden jedoch bei 14% der Patienten unter TTFields vs. 9,6% der Patienten unter Chemotherapie objektive radiologische Ansprechen beobachtet.

TTFields beim neu diagnostizierten Glioblastom (EF-14-Studie)

In dieser internationalen Phase-III-Studie wurden 695 Patienten (1:2) mit Glioblastom in der ersten Behandlungslinie randomisiert, um entweder Temozolomid zur Erhaltung allein (Kontrollgruppe) oder in Kombination mit elektrischen Wechselfeldern (Experimentalgruppe) zu erhalten. Der primäre Endpunkt dieser Studie war das progressionsfreie Überleben. Die Patienten wurden standardgemäss, nach dem Grad der Resektion (Biopsie, partielle & komplette Resektion) und dem Methylierungsstatus des MGMT-Promotors stratifiziert. Die Patientencharakteristika waren zwischen den beiden Gruppen homogen in Bezug auf Alter, Geschlechterverteilung sowie Leistungs- und MGMT-Status. Eine vorspezifizierte Zwischenanalyse, bei der 315 Patienten randomisiert wurden und eine mediane Nachbeobachtungszeit von 18 Monaten hatten, zeigte eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens und rechtfertigte die Entscheidung des Data Safety Monitoring Board (DSMB), das Ende der klinischen Studie zu empfehlen und allen Patienten, die sich noch in der Kontroll–gruppe in Behandlung befanden, die TTFields-Therapie anzubieten (2). Die endgültige Analyse, die 2017 veröffentlicht wurde, zeigte eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von 4,0 Monaten auf 6,7 Monate unter Optune®. Das mediane Überleben wurde ebenfalls verbessert und stieg von 16,0 Monaten auf 20,9 Monate. Der Prozentsatz der Patienten, die nach 3 und 5 Jahren noch am Leben waren, verbesserte sich ebenfalls signifikant von 16% auf 26% bzw. von 5% auf 13%. Die Behandlung mit TTFields wurde gut vertragen und es traten keine signifikanten Nebenwirkungen auf, abgesehen von geringfügigen Hautreaktionen im Zusammenhang mit den Transducer Arrays. Die Analysen zur Lebensqualität zeigten, dass die zusätzliche TTFields-Behandlung keine negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patienten hatte, abgesehen von Hautjucken (3), das leicht durch topische Pflege oder eine vorübergehende Unterbrechung der TTFields Therapie behandelt werden konnte (4).

Nach ihrer Veröffentlichung lösten die Ergebnisse in der neuroonkologischen Fachwelt heftige Diskussionen aus, vor allem angesichts des völlig neuartigen Ansatzes. Kritik wurde auch geäußert, insbesondere wegen des Fehlens einer doppelblinden Randomisierung, der Wahrnehmung, dass diese Behandlung für die Patienten eher umständlich sei und dass die Wirkungsmechanismen von TTFields nur teilweise geklärt seien. Im Laufe der Zeit konnten diese Kritikpunkte jedoch ausgeräumt werden, insbesondere weil in der Neuroonkologie bislang keine zugelassene Behandlung doppelblind getestet wurde, die Messungen der wahrgenommenen Lebensqualität während der klinischen Studie EF-14 keine negativen Auswirkungen der Behandlung zeigten und die Wirkungsmechanismen der TTFields immer besser aufgeklärt werden. Aus diesen Gründen wird in den Leitlinien für die Behandlung des Glioblastoms vorgeschlagen, die Hinzufügung dieser Behandlung zur Temozolomid-Erhaltungsbehandlung in Betracht zu ziehen (5, 6). Seit April 2021 wird Optune® von den Grundversicherungen in der Schweiz für die Behandlung des neu diagnostizierten Glioblastoms erstattet.

Die Ergebnisse der EF-14-Studie liefern Evidenz der Klasse I, die zeigt, dass TTFields das Tumorwachstum bei Glioblastomen positiv beeinflussen und das Überleben der Patienten verbessern können. Diese Ergebnisse ermöglichen es, TTFields auch in anderen onkologischen Situationen zu testen, die von einer lokoregionalen Behandlung profitieren könnten, wie z.B. im Mesotheliom, Hirnmetastasen, Lungen-, Eierstock- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Erste ermutigende Daten liegen bereits vor: So zeigte eine Phase-II-Studie, dass die Zugabe von TTFields zu einer Gemcitabin-Therapie bei Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs eine partielle Ansprechrate von 30% und ein medianes progressionsfreies Überleben von 8,3 Monaten erzielte. Vor kurzem empfahl eine DSMB-Überprüfung der Interimsdaten der Phase-III-Studie LUNAR, die nach dem Einschluss von 210 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs im Stadium IV, die mit einer Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren oder Docetaxel mit oder ohne Zusatz von TTFields behandelt wurden durchgeführt wurde, den Einschluss von 534 auf 276 Patienten zu verringern. Diese Zahl wird ihrer Ansicht nach ausreichen, um die statistische Aussagekraft zu erreichen, die zur Bestätigung der primären und sekundären Endpunkte der Studie erforderlich ist.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Rita de Micheli

Départements d’Oncologie, de Radiothérapie et
des Neurosciences Cliniques, UNIL-CHUV
Rue du Bugnon 46
1011 Lausanne

Dr. med. Luis Schiappacasse

Départements d’Oncologie, de Radiothérapie et
des Neurosciences Cliniques, UNIL-CHUV
Rue du Bugnon 46
1011 Lausanne

PD Dr. med. Andreas Hottinger

Départements d’Oncologie, de Radiothérapie et
des Neurosciences Cliniques, UNIL-CHUV
Rue du Bugnon 46
1011 Lausanne

RDM und LS haben keine Interessenkonflikte. AFH hat von Novocure einen Grant für wissenschaftliche Forschung erhalten, der an das CHUV gezahlt wird.

◆ Mit diversen vielversprechenden Ergebnissen erweisen sich TTFields als eine neue, wirksame Behandlungsmethode, die in Kombination
mit dem gesamten bereits vorhandenen Therapiearsenal eingesetzt werden kann und deren Anwendungsbereich weit über den Bereich der Neuroonkologie hinausgehen wird.

1. Karanam, NK, Story, MD: An overview of potential novel mechanisms of action underlying Tumor Treating Fields-induced cancer cell death and their clinical
implications. Int J Radiat Biol 2021, 97:1044-1054.
2. Stupp, R, Taillibert, S, Kanner, AA, Kesari, S, Steinberg, DM, Toms, SA, Taylor, LP, Lieberman, F, Silvani, A, Fink, KL et al. : Maintenance Therapy With Tumor-Treating Fields Plus Temozolomide vs Temozolomide Alone for Glioblastoma:
A Randomized Clinical Trial. JAMA 2015, 314:2535-2543.
3. Taphoorn, MJB, Dirven, L, Kanner, AA, Lavy-Shahaf, G, Weinberg, U, Taillibert, S, Toms, SA, Honnorat, J, Chen, TC, Sroubek, J et al: Influence of Treatment With Tumor-Treating Fields on Health-Related Quality of Life of Patients With Newly Diagnosed Glioblastoma: A Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Oncol 2018,
4. Lacouture, ME, Davis, ME, Elzinga, G, Butowski, N, Tran, D, Villano, JL, DiMeglio,
L, Davies, AM, Wong, ET: Characterization and management of dermatologic adverse events with the NovoTTF-100A System, a novel anti-mitotic electric field device for the treatment of recurrent glioblastoma. Semin Oncol 2014, 41 Suppl 4:S1-14.
5. Mohile, NA, Messersmith, H, Gatson, NT, Hottinger, AF, Lassman, A, Morton,
J, Ney, D, Nghiemphu, PL, Olar, A, Olson, J, Perry, J, Portnow, J, Schiff, D,
Shannon, A, Shih, HA, Strowd, R, van den Bent, M, Ziu, M, Blakeley, J. Therapy for Diffuse Astrocytic and Oligodendroglial Tumors in Adults: ASCO-SNO Guideline. J Clin Oncol. 2021 Dec 13. Online ahead of print. PMID: 34898238.
6. Roth, P, Hottinger, AF, Hundsberger, T, Läubli, H, Schucht, P, Reinert, M,
Mamot, C, Roelcke, U, Pesce, G, Hofer, S, Weller, M: A contemporary perspective on the diagnosis and treatment of diffuse gliomas in adults. Swiss Med Wkly 2020, 150:w20256.

Leben mit Katastrophe und Wissenschaft

In der aktuellen sehr angespannten und deprimierenden politischen Lage in Europa mit Krieg in der Ukraine, einer humanitären Katastrophe und gewaltigen Migrationsproblemen und deutlichen globalen wirtschaftlichen Veränderungen mit zukünftiger Neuordnung der euro­päischen Sicherheitslage soll diese Ausgabe unsere Gedanken mit bedeutenden Themen der Kardiologie kurzfristig positiv beeinflussen und unsere tägliche klinische Arbeit bei unseren Patienten unterstützen.
Prof. Dr. med. Otmar Pfister aus Basel beleuchtet die neuen ESC Guidelines zur Herzinsuffizienz und Prof. Dr. med. Micha T. Maeder aus St. Gallen die pulmonal Hypertonie bei Erkrankungen des linken Ventrikels. Prof. em. Dr. med. Hansjakob Müller aus Basel berichtet aus der Genetik Sprechstunde am spannenden Beispiel der Dilatativen Kardiomyopathie (DCM).

Die neue Herzinsuffizienz–Leitlinie erwartet insbesondere von den Strategieänderungen – mit gleichzeitigem Einsatz eines ARNI/ACE-Hemmers, Betablockers, SGLT2-Hemmers und eines MRA sowie einer klinisch gesteuerten Diuretisierung – eine deutliche Prognoseverbesserung der chronischen Herzinsuffizienz (HI) mit reduzierter systolischer EF. Eine überzeugende Empfehlung zur Behandlung der HFpEF mit einem SGLT2-Hemmer bedarf noch der ausstehenden Zulassung bei diesem Krankheitsbild. Die SGLT2-Hemmung führt zu einer Verminderung der RAAS- und Sympathikus-Aktivität und zu einer Reduktion des oxydativen Stresses und der Entzündungsreaktion. Eine rasche Kardio- und Nephroprotektion dieser Substanz bei Diabetes II resp. bei einer Herzinsuffizienz ist ein überzeugendes Argument für deren frühen Einsatz. Der Ausschluss eines Eisenmangels und wenn nötig die i.v.-Behandlung mit Ferri-Carboxymaltose führen zur Reduktion der HI-Hospitalisationen, zu einer Verbesserung der Belastbarkeit und Lebensqualität. Auch der Stellenwert von Vericiguat mit Verbesserung des NO-sGC-cGMP Signalweges wird ausführlich erläutert.

Sehr schön zusammengefasst ist das Thema der postkapillären pulmonal-arteriellen Hypertonie (PH Typ II) bei Links-Herz-Erkrankungen (Herzinsuffizienz, Klappenerkrankungen), der häufigsten Form der pulmonalen Hypertonie. Die pathophysiologische Sequenz besteht in einer Rückwärtsübertragung pathologisch erhöhter Füllungsdrucke vom linken Herzen über die pulmonale Zirkulation bis zum rechten Herzen. Zahlreiche Studien belegen, dass das Ausmass einer PH sowie das Vorhandensein und Ausmass einer rechtsventrikulären Dysfunktion entscheidenden Einfluss auf die Prognose von Patienten mit chronischer HI haben.

Die molekulargenetische Abklärung bei Verdacht auf eine familiäre DCM sollte gemäss dem Beitrag von Prof. em. Dr. med. H. Müller allen Personen jeden Alters mit nicht-ischämischer DCM angeboten werden. Dank einer frühzeitigen Diagnose und dem sofortigen Einleiten der kardiologischen Behandlung kommt es zu einer Verbesserung des Langzeitergebnisses mit Verhinderung von Komplikationen. Interdisziplinarität ist bei der Erfassung und Beurteilung von Kardiomyopathien angesichts der zahlreichen involvierten Gene und deren Varianten angezeigt – Stichwort: «Kardioboards». So haben viele Krankheitsbilder der Kardiologie auch einen genetischen Hintergrund, welcher in Zukunft an Bedeutung stark gewinnen wird.

Wir wünschen eine spannende Lektüre und verbleiben mit den herzlichsten Wünschen für eine bessere globale Zukunft.

Dr. med. Urs Dürst, Forch
u.n.duerst@ggaweb.ch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Pulmonalen Hypertonie bei Linksherzerkrankungen

Die pulmonale Hypertonie (PH) bei Linksherzerkrankungen (pulmonary hypertension in left heart diseases; PH-LHD) ist die mit Abstand häufigste Form der PH (1). Bei Patienten mit Linksherzerkrankungen, das heisst Herzinsuffizienz (HF) mit dem ganzen Spektrum der Auswurffraktion (left ventricular ejection fraction, LVEF) und Klappenerkrankungen, ist das Vorliegen einer PH mit besonders schwerer Symptomatik, stark reduzierter Leistungsfähigkeit und ungünstiger Prognose assoziiert (2, 3). In der vorliegenden Übersicht werden Definition, aktuelle pathophysiologische Konzepte, Diagnostik und die Prinzipien der Therapie kurz zusammengefasst.

Abstract: Pulmonary hypertension in left heart diseases (PH-LHD) is by far the most common form of PH (1). In patients with left heart disease, that is, heart failure (HF) with the full spectrum of left ventricular ejection fraction (LVEF) and valvular disease, the presence of PH is associated with particularly severe symptoms, severely reduced exercise capacity, and unfavorable prognosis (2, 3). This review briefly summarizes the definition, current pathophysiological concepts, diagnosis, and principles of therapy. Key Words: Pulmonary hypertension in left heart diseases (PH-LHD), heart failure, left ventricular ejection fraction (LVEF)
Key Words: Pulmonale Hypertonie bei Linksherzerkrankungen, Herzinsuffizienz, left ventricular ejection fraction (LVEF

Definition

Gemäss den 2015 Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und der Europäischen Pneumologie Gesellschaft (ERS) ist jede PH definiert als ein mittlerer Druck in der Arteria pulmonalis (mean pulmonary artery pressure; mPAP) ≥25 mmHg (4). Die PH-LHD ist die einzige relevante PH mit einem post-kapillären Mechanismus (Tab. 1). Eine post-kapilläre PH wird durch einen mittleren pulmonalarteriellen Verschlussdruck (mean pulmonary artery wedge pressure; mPAWP) >15 mmHg von einer prä-kapillären PH abgegrenzt (Abb. 1A). Die post-kapilläre PH wird basierend auf dem Vorliegen einer pulmonal-vaskulären Komponente zusätzlich differenziert in kombiniert prä- und post-kapillär (combined pre- and post-capillary PH; CpcPH) und isoliert post-kapillär (isolated post-capillary PH; IpcPH). Eine CpcPH ist definiert durch einen pulmonalvaskulären Widerstand [pulmonary vascular resistance, PVR; PVR = (mPAP minus mPAWP) / Cardiac Output] > 3 Wood units (WU) und/oder einen diastolischen Druckgradienten (diastolic pressure gradient; DPG; DPG = diastolischer pulmonaler Druck minus mPAWP) ≥ 7 mmHg. Die IpcPH ist definiert als PVR ≤3 WU und/oder DPG < 7 mmHg (Abb. 1A). Diese Definition ist problematisch, da PVR und DPG oft diskordant sind, was viele PatientInnen mit dieser Definition unklassifizierbar macht. Am 2018 Weltsymposium für PH wurde eine neue PH Definition vorgeschlagen (5, 6), welche vermutlich auch in den nächsten ESC/ERS Leitlinien (erwartet 2022) übernommen werden wird: die post-kapilläre PH ist neu definiert als mPAP > 20 mmHg (statt ≥25 mmHg) und mPAWP ≥ 15 mmHg (Abb. 1B). Für die Unterscheidung zwischen CpcPH und IpcPH wird aufgrund der Problematik des DPG (oft negative Werte, oft diskordent zu PVR, Daten über prognostischen Wert nicht konsistent) nur noch das PVR-Kriterium verwendet: CpcPH: PVR ≥ 3 WU (statt > 3), IpcPH: PVR < 3 WU (statt ≤ 3 WU).

Pathophysiologie

Die PH im Rahmen von Linksherzerkrankungen ist immer eine post-kapilläre PH, also eine Situation, wo ein erhöhter mPAP die Folge eines erhöhten mPAWP ist (Tab. 1) (1). Die Erhöhung des mPAWP kann verschiedene Mechanismen mit den hauptsächlichen «Hindernissen» auf verschiedenen Ebenen der Zirkulation haben, wie dies in Abbildung 2 schematisch dargestellt ist. Die Einteilung der PH-LHD gemäss 2018 Weltsymposium umfasst HFrEF, HFpEF, Klappenerkrankungen und angeborene Kardiopathie (ausser Shuntvitien) (5). Untenstehend werden einige spezifische Aspekte von verschiedenen zugrundeliegenden Entitäten diskutiert. In Abhängigkeit vom Ausmass und der Chronizität der linksatrialen Druckerhöhung bzw. der Erhöhung des mPAWP kann es sekundär zu Veränderungen der pulmonalen Vaskulatur mit Anstieg des PVR kommen, d.h. aus einer IpcPH kann sich eine CpcPH entwickeln. Dies ist sehr wichtig, da das Vorliegen einer CpcPH ein prognostisch sehr ungünstiger Marker ist. Die zugrundliegende Pathophysiologie ist sehr unvollständig verstanden. Die Gefässveränderungen scheinen primär die Venulen zu betreffen, während die pulmonalarterielle Hypertonie durch Läsionen der Arteriolen gezeichnet ist. Die Kombination eines erhöhten mPAWP mit einem erhöhten PVR führt zu einer oft ausgeprägten Erhöhung des mPAP und einer starken Belastung des rechten Ventrikels (RV). Der RV ist schlecht geeignet eine Druckbelastung zu bewältigen, und die Güte der Adaption des RV (d. h. die RV-Funktion in Relation zur Nachlast, RV to pulmonary artery coupling) ist prognostisch sehr wichtig (2).

Herzinsuffizienz mit reduzierter LVEF (HFrEF)

Patienten mit HFrEF bei Koronarer Herzkrankheit oder nicht-ischämischer Kardiomyopathie haben aufgrund einer eingeschränkten systolischen und diastolischen linksventrikulären Funktion, einer funktionellen Mitralinsuffizienz und einer linksatrialen Funktionsstörung im Rahmen einer Dekompensation sehr häufig eine PH. Diese ist nach Optimierung der medikamentösen Therapie und Erreichen der Euvolämie häufig regredient bzw. nicht mehr nachweisbar. Patienten mit fortgeschrittener HFrEF haben aber oft eine chronische PH, wobei sich aufgrund der chronischen Erhöhung des mPAWP dann eine CpcPH etablieren kann.

Herzinsuffizienz mit erhaltener LVEF (HFpEF)

Patienten mit HFpEF haben in Ruhe oft normale oder nur wenig erhöhte Füllungsdrücke, zeigen aber unter Belastung aufgrund der steilen end-diastolischen Druck-Volumen-Beziehung des linken Ventrikels einen schnellen Anstieg von linksventrikulärem end-diastolischem Druck (LVEDP) und mPAWP. Bei fortgeschrittener HFpEF ist eine PH aber nicht selten. Die Vorhofsdilatation bei HFpEF ist typischerweise weniger ausgeprägt als bei HFrEF. Andererseits ist die linksatriale Compliance bei HFpEF schlechter. Bei HFpEF kann sich ebenfalls eine funktionelle Mitralinsuffizienz entwickeln, welche im Gegensatz zur linksventrikulären Dilatation und Geometriestörung bei HFrEF durch die Vorhofsdilatation und Dilatation des Mitralannulus bedingt ist («atriale Mitralinsuffizienz»). Auch eine dynamische Komponente der Mitralinsuffizienz ist bei HFpEF möglich. Interessanterweise scheinen HFpEF-PatientInnen eine stärkere Neigung zur Entwicklung einer CpcPH zu haben, indem der PVR für einen bestimmten mPAWP bei HFpEF höher ist als bei HFrEF. Auch HF mit leicht reduzierter LVEF (HFmrEF) kann mit PH assoziiert sein, wobei detaillierte Studien fehlen (2).

Klappenerkrankungen

Alle Vitien der Aorten- und Mitralklappe können mit einer PH assoziiert sein (3). Das aktuell am besten untersuchte Setting ist die schwere Aortenklappenstenose (Abb. 3). Die chronische Druckbelastung des linken Ventrikels führt zu initial kompensatorischen, später maladaptiven Veränderungen des linken Ventrikels, des linken Vorhofs, der Mitralklappe und schliesslich auch der Lungenstrombahn (7). Eine PH ist ein spätes Stadium dieses «kardialen Schadens», und eine CpcPH bzw. eine rechtsventrikuläre Dysfunktion sind prognostisch sehr ungünstig, auch wenn ein Aortenklappenersatz durchgeführt wird. Das Ausmass der PH und insbesondere das Vorliegen einer CpcPH vor Klappenersatz sind prädiktiv für die Persistenz einer PH nach Klappenersatz (8).

Diagnostik

Während jede Gruppe 1 PH als Grundlage für eine (teure) spezifische Therapie mittels Rechtsherzkatheter dokumentiert werden muss, trifft dies für PatientInnen mit PH-LHD nicht zu. Wie weiter unten ausgeführt, gibt es aktuell keine Indikation für eine spezifische Therapie bei PH-LHD (1). Die Diagnose einer PH-LHD kann oft nicht-invasiv, d.h. echokardiografisch gestellt werden, auch wenn dies wie oben ausgeführt definitiv nur mittels invasiver Hämodynamik erfolgen kann. Gemäss 2015 ESC/ERS Leitlinien (4) liegt eine hohe Wahrscheinlichkeit einer PH vor, wenn die maximale Geschwindigkeit der Trikuspidalinsuffizienz (peak tricuspid regurgitant velocity, peak TRV) > 3.4 m/s beträgt, oder wenn die peak TRV 2.9-3.4 m/s beträgt, und gleichzeitig indirekte Zeichen einer relevanten PH (RV Dilatation, rechtsatriale Dilatation, «D-shape» des linken Ventrikels, kurze pulmonale Akzelerationszeit) vorliegen. Es gibt verschiedene nicht-invasive Hinweise, die bei der Differenzierung einer prä-kapillären versus einer post-kapillären pulmonalen Hypertonie helfen können (Tab. 2).

Falls die Gesamtkonstellation suggestiv ist für eine PH-LHD, kann auf einen Rechtsherzkatheter zunächst verzichtet werden, und die mutmasslich zugrunde liegende Linksherzerkrankung kann behandelt werden. Der Verlauf der PH kann nicht-invasiv verfolgt werden, und eine Regredienz der PH wird die Hypothese bzw. Diagnose indirekt bestätigen. Die einzige Klasse I-Indikation für einen Rechtsherzkatheter bei Herzinsuffizienz ist die Abklärung vor Transplantation/Assist Device-Implantation (9). Nicht immer ist die Situation aber offensichtlich, und die Abgrenzung einer PH-LHD von einer prä-kapillären PH (z.B. PH im Rahmen einer Lungenerkrankung/einer chronischen Hypoxämie oder PH bei chronischen Lungenembolien) ist bei Vorliegen mehrerer Pathologien schwierig. In solchen Situationen ist ein Rechtherzkatheter zur Identifizierung des führenden hämodynamischen Mechanismus hilfreich, insbesondere wenn eine Gruppe 1 PH (pulmonarterielle Hypertonie) differentialdiagnostisch im Raum steht (therapeutische Konsequenzen). Gemäss den 2021 ESC Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung der Herzinsuffizienz ist ein Rechtherzkatheter auch bei Patienten mit Klappenvitien oder anderen strukturellen Defekten und gemäss Echokardiografie wahrscheinlicher PH indiziert (9). Im Kontext der schweren Aortenklappenstenose ist der prognostische Wert der invasiven Hämodynamik bei PatientInnen, die sich einem Aortenklappenersatz unterziehen, nun gut belegt (7). Ein Rechtsherzkatheter ist eine sichere Untersuchung, welche oft via eine periphere Vene durchgeführt werden kann. Allerdings sind die Druckmessungen und deren Interpretation nicht trivial und erfordern Erfahrung. Zu beachten ist, dass mPAWP und mPAP im Katheterlabor bei nüchternen PatientInnen tiefer als im Alltag sein können. Bei grenzwertigen mPAWP-Werten um 12-14 mmHg kommt eine «okkulte» post-kapilläre PH in Frage, die durch eine Volumenbelastung (NaCl-Infusion) demaskiert werden kann. Falls der mPAWP nicht zuverlässig gemessen werden kann, muss eine Bestimmung des LVEDP (zusätzlicher arterieller Zugang) in Betracht gezogen werden, wobei zu beachten ist, dass mPAWP und LVEDP nicht das gleiche messen und insbesondere bei Vorhofflimmern deutlich differieren können. Auch weniger häufige Ursachen einer PH müssen gesucht werden, beispielsweise ein «stiff left atrium» (linksatriale Dysfunktion nach wiederholten Katheterablationen) oder eine Pulmonalvenenstenose (Abbildung 2). Um diese Konstellationen hämodynamisch zu erfassen muss neben dem mPAWP zwingend auch LVEDP gemessen werden (analog Mitralstenose). Zudem müssen immer auch unerkannte Shunt-Vitien (Vorhofseptumdefekt, falsch mündende Lungenvenen) als Ursache einer PH ausgeschlossen werden.

Therapie

Die Therapie der PH-LHD ist grundsätzlich immer die Therapie der zugrundeliegenden Linksherzerkrankung (1, 2). Die optimale Behandlung der Grundkrankheit ist effektiv zur Behandlung und Prävention einer PH (zusammengefasst in Tabelle 3). Zu beachten ist aber, dass eine chronische PH bei später Therapie der Grundkrankheit gelegentlich nicht mehr beeinflusst werden kann. Ein klassisches Bespiel sind Klappenvitien mit CpcPH, wo auch nach Klappenersatz eine PH persistiert, da das pulmonalvaskuläre Remodeling nicht mehr voll reversibel ist. Angesichts der beschriebenen pulmonalvaskulären Komponente bei chronifizierter PH-LHD sind verschiedene Studien mit spezifischen Vasodilatatoren (spezifische Therapie der pulmonalarteriellen Hypertonie) durchgeführt worden (1, 2, 6). Diese Studien waren mehrheitlich neutral oder sogar negativ (Verschlechterung der Symptome, mehr Herzinsuffizienz-Ereignisse), so dass diese Therapien bei Patienten mit PH-LHD nicht indiziert sind. Allerdings ist die Datenlage immer noch kontrovers, vor allem für Phosphodiesterase-Inhibitoren.

Während Sildenafil in einer Studie bei PatientInnen mit HFpEF und IpcPH oder milder CpcPH keinen Effekt hatte gegenüber Plazebo, war die Substanz in einer anderen Studie bei HFpEF mit höherem PVR und eingeschränkter RV-Funktion effektiv. Andererseits hatte Sildenafil keinen Effekt bei PatientInnen mit persistierender PH nach Sanierung eines Aorten- und/oder Mitralvitiums. Eine weitere Studie zu Sildenafil bei HFpEF und CpcPH (PASSION) läuft aktuell und wird die Situation möglicherweise klären [Daten zusammengefasst in (2)]. Attraktive Daten liegen für das intraatriale Shunt-Device («Neo-Vorhofseptumdefekt») vor, welches bei selektionierten PatientInnen mit HFpEF und HFmrEF untersucht wurde: Diese Therapie führt zu einer Reduktion des mPAWP in Ruhe und unter Belastung und somit auch des mPAP. Interessanterweise war der erhöhte pulmonale Blutfluss mit einer Reduktion des PVR verbunden.

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Prof. Dr. med. Micha T. Maeder

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Der Autor hat im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

◆ Die PH-LHD ist die häufigste Form der PH und die einzig relevante post-kapilläre PH.
◆ Die Diagnose erfolgt primär nicht-invasiv. Bei unklarer hämodynamischer Konstellation ist ein Rechtsherzkatheter aber sinnvoll.
◆ Das Vorliegen einer prä-kapillären Komponente (kombiniert prä- und post-kapilläre PH) ist prognostisch ungünstig.
◆ Die Therapie der PH-LHD besteht immer aus der optimalen Therapie der primären zugrunde liegenden kardialen Erkrankung. Eine Indikation für spezifische PAH-Therapeutika bei PH-LHD existiert aktuell nicht.

1. Maeder MT, Schoch OD, Kleiner R, Joerg L, Weilenmann D, Swiss Society For Pulmonary H. Pulmonary hypertension associated with left-sided heart disease. Swiss Med Wkly. 2017;147:w14395.
2. Maeder MT, Weber L, Buser M, Brenner R, Joerg L, Rickli H. Pulmonary Hypertension in Patients With Heart Failure With Mid-Range Ejection Fraction. Front Cardiovasc Med. 2021;8:694240.
3. Maeder MT, Weber L, Buser M, Gerhard M, Haager PK, Maisano F, et al. Pulmonary Hypertension in Aortic and Mitral Valve Disease. Front Cardiovasc Med. 2018;5:40.
4. Galie N, Humbert M, Vachiery JL, Gibbs S, Lang I, Torbicki A, et al. 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Heart J. 2016;37(1):67-119.
5. Simonneau G, Montani D, Celermajer DS, Denton CP, Gatzoulis MA, Krowka M, et al. Haemodynamic definitions and updated clinical classification of pulmonary hypertension. Eur Respir J. 2019;53(1).
6. Vachiery JL, Tedford RJ, Rosenkranz S, Palazzini M, Lang I, Guazzi M, et al. Pulmonary hypertension due to left heart disease. Eur Respir J. 2019;53(1).
7. Maeder MT, Weber L, Rickli H. Pulmonary hypertension in aortic valve stenosis. Trends Cardiovasc Med. 2020.
8. Weber L, Rickli H, Haager PK, Joerg L, Weilenmann D, Chronis J, et al. Hemodynamics Prior to Valve Replacement for Severe Aortic Stenosis and Pulmonary Hypertension during Long-Term Follow-Up. J Clin Med. 2021;10(17).
9. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Bohm M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-726.

Dilatative Kardiomyopathie: Liegt eine Veranlagung vor?

Personen, die von einer dilatativen Kardiomyopathie (DCM) betroffen sind, zeigen oft erst bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf Symptome. Das Einleiten einer frühzeitigen Behandlung wäre für die Verbesserung des Langzeitergebnisses und die Verhinderung von Komplikationen hingegen essentiell. Entsprechend wichtig ist die Erkenntnis, ob ein genetisch bedingtes Risiko vorliegt, um zeitnah zielführende Präventions- und Behandlungsmassnahmen einzuleiten. Dieser Artikel erklärt den Fall einer 40-jährigen Patientin.

Individuals affected by dilated cardiomyopathy (DCM) often do not show symptoms until disease progression is advanced. However, initiating early treatment would be essential to improve long-term outcome and prevent complications. Accordingly, it is important to know whether there is a genetic risk in order to initiate timely and targeted prevention and treatment measures. This article explains the case of a 40-year-old female patient.
Key Words: dilated cardiomyopathy, genetic risk, cardiogenetics, cardiomyopathy

Die dilatative Kardiomyopathie (DCM = Dilated Cardiomyopathy) ist durch eine Vergrösserung des linken Ventrikels und eine eingeschränkte myokardiale Kontraktion charakterisiert. Sie manifestiert sich meistens zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr, kann aber in jedem Alter auftreten. Personen mit einer DCM können lange asymptomatisch bleiben; klinische Manifestationen treten häufig erst bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf auf, dies mit Zeichen einer Herzinsuffizienz (Stauungssymptome und/oder Müdigkeit, Belastungsdyspnoe) sowie Erkrankungen des Reizleitungssystems oder Arrhythmien.

Eine DCM kann erworben oder veranlagungsbedingt, also genetisch sein. Im Hinblick auf die Veranlagung ist zwischen syndromalen oder nicht-syndromalen Formen zu unterscheiden. Unter «syndromal» sind jene DCMs zu verstehen, die als Komplikation eines umschriebenen Syndroms oder einer Erbkrankheit wie den Muskeldystrophien Duchenne und Becker auftreten, wobei Überträgerinnen dieser X-gonosomal vererbten Muskelkrankheiten auch eine isolierte DCM aufweisen können. Bis zu 40% der DCM-Fälle gehören zu den nicht-syndromalen Formen. Auf sie wird in diesem Fallbeispiel eingegangen. Die Veranlagungen werden meistens autosomal-dominant vererbt.

Fallbeispiel: Verdacht auf nicht-syndromale DCM

Eine knapp 40-jährige Frau wird von ihrer Hausärztin zur genetischen Beratung überwiesen, weil der Verdacht besteht, dass sie eine Veranlagung für die dilatative Kardiomyopathie geerbt haben könnte. Anamnestisch lassen sich keine Umwelteinflüsse feststellen, die die Entstehung einer DCM begünstigen würden. Sie sei immer gesund gewesen und hätte nie über längere Zeit Medikamente eingenommen. Alkohol trinkt sie nur gelegentlich. Hinweise für ein genetisches Syndrom bestehen nicht. Eine ischämische Verletzung hat sie nie erlitten. Herzklappenfehler/angeborene Herzerkrankungen wurden bei einer spezialärztlichen Abklärung ausgeschlossen. Sie berichtet aber, dass während ihrer Militärdienstleistungen in Mazedonien neben einem tiefen Blutdruck gelegentlich Arrhythmien festgestellt wurden. Bei der klinischen Untersuchung ist ebenfalls der recht niedrige Blutdruck aufgefallen.

Die Familienanamnese hat die Ratsuchende in das ihr vorgängig zugesandte Stammbaumschema eingetragen (1). Ihre Mutter verstarb angeblich 62-jährig an den Folgen einer DCM, ebenso 68-jährig einer deren beiden Brüder. Diesbezügliche medizinische Dokumente sind nicht verfügbar. Auch die Grosseltern mütterlicherseits hätten an Herzproblemen gelitten. Väterlicherseits sind keine Herzprobleme bekannt. Der 12-jährige Sohn ist gesund.

Somit besteht der Verdacht, dass die Mutter der Ratsuchenden an einer nicht-syndromalen DCM, einer familiären DCM, gelitten hat. Demzufolge hat ihre Tochter formalgenetisch ein Risiko von 50%, diese Veranlagung geerbt zu haben. Die Arrhythmien und der niedrige Blutdruck sind zudem Hinweise dafür, dass eine DCM-Veranlagung vorliegen könnte.

Über 50 Gene sind bekannt, deren Varianten (Mutationen) zu einer DCM prädisponieren. Für deren molekulargenetische Analyse werden Multigen-Panels angeboten. Eine Liste bekannter DCM-bezogener Gene, geordnet nach Stärke der ClinGen-Klassifikation (Clinical Genome Resource DCM Gene Curation Expert Panel), findet sich bei Jordan et al. 2021 (2). Die molekulargenetische Abklärung sollte allen Personen jeden Alters mit nicht-ischämischer DCM angeboten werden (3). Das kardiovaskuläre Screening von asymptomatischen Familienmitgliedern ersten Grades einer Person mit DCM ermöglicht eine frühzeitige Dia­gnose, die sofortige Einleitung der Behandlung und eine Verbesserung der Betreuung (Häufigkeit des kardiovaskulären Screenings).

Auf Wunsch der Ratsuchenden wurde bei ihrer Krankenkasse ein Kostengutsprach-Gesuch für einen Genpanel gemäss «Orphandisease»-Position für 11-100 Gene gestellt und in diesem auch die relevante wissenschaftliche Literatur genannt. Dieses wurde mit der Begründung abgelehnt, dass die Beurteilung des Vertrauens­arztes ergeben habe, «dass es sich bei der beantragten Genpanel-Analyse nicht um eine Pflichtleistung der Grundversicherung handelt, da eine familiäre Häufung der Erkrankung bereits vorliegt und die Durchführung einer genetischen Untersuchung nichts am medizinischen Management ändert, welches sich auf das Verhindern einer Herzinsuffizienz konzentriert. Somit sind keine relevanten, beziehungsweise richtungsweisenden diagnostischen und therapeutischen Konsequenzen einer definitiven Diagnosestellung durch weitere genetische Untersuchungen zu erwarten». Ein Wiedererwägungsgesuch des Antrags ist zur Zeit in Bearbeitung.

Zusatz: Welche Resultate werden vermutet?

Befürchtet wird das Vorliegen einer pathogenen Variante eines jener Gene (LMNA, FLNC, RBM20, SCN5A, DES, PLN oder DSP), die neben der DCM auch zur Arrhythmie und Erkrankung des Reiz­leitungssystems prädisponiert. Diese haben eine schlechtere Pro­gnose als andere Ursachen. Bei einem positiven Befund würde ein spezialisierter Kardiologe / eine spezialisierte Kardiologin zugezogen, um angezeigte therapeutische Massnahmen einzuleiten. Falls medikamentös oder mit einem Herzschrittmacher nicht geholfen werden kann, steht die Herztransplantation zur Diskussion.

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Prof. em. Dr. med. Hansjakob Müller

Schönbeinstrasse 40
4031 Basel

hansjakob.mueller@unibas.ch

Der Autor hat keinen Interessenskonflikt in
Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die molekulargenetische Abklärung einer Person mit Verdacht auf eine familiäre DCM ermöglicht dank einer frühzeitigen Diagnose das sofortige Einleiten der Behandlung und eine Verbesserung des Langzeitergebnisses (Verhinderung von Komplikationen) (3). Die Prognose der arrythmogenen Erkrankung hängt wesentlich von der zugrunde liegenden ursächlichen Mutation ab (4). Eine Zusammenfassung der für jedes Gen verfügbaren Daten kann über GeneReviews® und OMIM abgefragt werden.
◆ Interdisziplinarität ist bei der Erfassung und Beurteilung von Kardiomypathien angesichts der zahlreichen involvierten Gene und deren Varianten angezeigt, um deren Bedeutung für die medizinische Überwachung und Behandlung der betroffenen Personen zu erfassen und verstehen zu lernen. Analog zu den etablierten Tumorboards, die zunehmend durch «Molecular Tumour Boards» ergänzt werden, sind daher an grösseren Klinken auch Kardioboards einzurichten. Diese können Anträge für Kostengutsprachen zuhanden von Krankenkassen einreichen.
◆ Für Veranlagungen von Krebskrankheiten wurde in den
letzten Jahren dank international koordinierten Forschungsbemühungen grosse Fortschritte in der medizinischen Betreuung von Anlageträgerinnen/-trägern erzielt. Es ist zu hoffen, dass dies dank einer konzertierten genetischen Abklärung von Personen mit Kardiomyopathien ebenso der Fall sein wird und dass die diesbezüglichen Veranlagungen in Fachbüchern und Fachzeitschriften mehr Aufmerksamkeit gewinnen werden.
◆ Der Vertrauensarzt hat bei einer negativen Einschätzung eines Antrags zur Vergütung einer Orphan Disease-Position der Analysenliste gemäss den Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Genetik (SGMG) und der Schweizerischen Gesellschaft der Vertrauens- und Versicherungsärzte (SGV) zu dessen Beurteilung einen Experten der SGMG zuzuziehen, was offensichtlich nicht geschah.

 

1. unispital-basel.ch/medizinische-genetik (Reiter: Formulare Medizinische Genetik»)
2. Jordan E, Hershberger RE. Berücksichtigung der Komplexität bei der genetischen Bewertung der dilatativen Kardiomyopathie. Herz 2021; 107: 106 -112
3. Hershberger RE et al: Genetische Bewertung der Kardiomyopathie: eine klinische Praxisressource des American College of Medical Genetics and Genomivs (ACMG) Genet Med. 2018; 20: 899-909

17. Cardio Update 2022

Auch dieses Jahr fand wieder ein ausgezeichnetes DGK CARDIO UPDATE in Mainz resp. Berlin statt. Die 2-tägige Veranstaltung wurde auch online übertragen. Wir versuchen wie letztes Jahr einige Highlights in dieser und in der folgenden Ausgabe
wiederzugeben.

Eines der diesjährigen HOT-TOPIC Themen war der kardialen Rehabilitation gewidmet. Referent war Prof. Dr. B. Schwaab aus der Curschmann Klinik in der Nähe von Lübeck. Die Grundlage des Vortrages findet man in den AWMF S3-Leitlinien «Kardiologische Rehabilitation 2020 Nr. 133-001» (www.dgpr.de; www.awmf.org). Zuerst wurde auf die wichtige Bedeutung des Lebensstils bei der koronaren Herzkrankheit (KHK) und beim Vorhofflimmern (VHFLi) eingegangen. Grundlage bildete die grosse Interheart und die Nurses Health Study. Die KHK Inzidenz kann dadurch um -83% RRR gesenkt werden. Die 4 Säulen – Lebensstil, Antikoagulation, Herzfrequenz und Rhythmuskontrolle – tragen neben der Optimierung der kardialen Risikofaktoren gemäss AHA zum Erfolg der VHFLi-Therapie bei. Durch regelmässige Bewegung, Gewichtsreduktion und praktisch keinen Alkohol kommt es zu einer signifikanten Senkung der Vorhofflimmerlast. Somit bedarf es einer multiprofessionellen Rehabilitation (Abb. 1).

Nach einer Metaanalyse von 22 randomisierten, kontrollierten Studien nach akutem MI kann mit einer trainingsbasierten, multidisziplinären kardiologischen Rehabilitation die Gesamt- und die kardiovaskuläre Mortalität wie auch der SCD signifikant gesenkt werden. Auch kommt es zu einer besseren Lebensqualität und einer besseren Belastbarkeit. Die körperliche Aktivität und eine Trainingstherapie sind in den aktuellen ESC Präventions-Guidelines eine I A Indikation. Eine gute und anhaltende Entspannung, welche den Stress vermindert, führt nach unzähligen Studien über 2 Jahren bei Patienten nach einem Myokardinfarkt zu einer sign. Abnahme von Morbidität und Mortalität. Auch diese Massnahme der Stressreduktion und Krankheitsverarbeitung ist eine IA Indikation. Der Nikotin Stopp ist die wirksamste Einzelmassnahme: Die Gesamtmortalität kann um 65% über 10 Jahre gesenkt werden. E-Zigaretten sind keine Alternative!

Eine kardiale Rehabilitation durch ein multiprofessionelles Team beinhaltet bei der KHK:

  • Ein rasches Erkennen und korrektes Behandeln von früh postoperativen Problemen
  • Eine Optimierung der präventiven Medikation
  • Eine körperliche Aktivität und Bewegungstherapie
  • Eine psychosoziale Unterstützung (Angst, Depression)
  • Eine Schulung im Umgang mit der Erkrankung (Adhärenz)
  • Ein Erlernen eines gesunden Lebensstils (Ernährung)
  • Eine berufliche und soziale Wiedereingliederung

So ist z.B. der heutige LDL-Zielwert in der Sekundärprävention von < 1,4mmol/l nach einer zur Publikation eingereichten Studie nach 12 Monaten Follow-up nur in 15% und ein LDL-Wert <1,8mmol/l nur in 40% vorhanden.

Durch eine gute kardiale Rehabilitation kann die Gesamtmortalität in vielen Studien nach einem ACS signifikant gesenkt werden. Ebenso nach einer ACBP-Operation und bei operierten Klappen­patienten. Auch die Rehospitalisationsrate wird gesenkt. Es besteht somit eine prognostische Indikation. Auch Diabetiker profitieren. Leider nehmen in DL nur 52,7% der Patienten gemäss Herzbericht 2020 an einer kardiologischen Rehabilitation teil. Faktoren, welche eine Reha verhindern, sind: Alter, Frauen, NSTEMI und Komorbiditäten. Auch chron. Herzinsuffizienz Patienten profitieren deutlich von einer kardialen Rehabilitation über 21-28 Tage. Es kommt zu einer signifikanten Steigerung der körperlichen Belastbarkeit und Verbesserung der Lebensqualität. Die Ziele sind eine Optimierung und Auf-Titration der HI-Medikation nach ESC Guidelines neben den gleichen oben erwähnten Punkten bei der KHK. Eine kardiale Rehabilitation kann je nach Patient, Komorbiditäten und Umfeld ambulant oder stationär durchgeführt werden. Ältere und Frailty Patienten erlangen eine deutlich bessere Belastbarkeit.
Das nachfolgende Slide (Abb. 2) gibt eine gute Zusammenfassung über den sehr guten Vortrag.

Im Beitrag von Prof. Dr. T. Lewalter aus München zum Thema Supraventrikuläre Rhythmusstörungen wurde zur Beendigung einer hämodynamisch stabilen supraventrikulären Tachykardie als erste Massnahme auf das korrekte modifizierte vagale Manöver (Im Sitzen 45 Grad kräftiges Pressen in 10 er Spritze mind. 15 Sekunden + anschliessend OK flach + Beine hoch) hingewiesen.

Als 2. Schritt dann i.v. Bolus Gabe von Adenosin. Eine supraventrikuläre Tachykardie in der SS kann bei hämodyn. Instabilität, fetaler Beeinträchtigung oder einem VHFLi bei Präexcitation ebenfalls mit Hilfe einer EKV behandelt werden. Cave Reflux! Bei stabiler SS-Patientin: modif. Vagusmanöver, gefolgt von Adenosin, dann einem B-1 selektiven Blocker. Eine Ablationstherapie ist möglich. Bei einer EKV eines Vorhofflimmerns soll nach einer Arbeit aus dem Circulation 2021 bei insgesamt 468 Patienten die antero-laterale Elektrodenlage signifikant besser sein als die antero-posteriore Lage zur Erlangung eines SR bei 1-4 Schockabgaben (54 vs 33%).

Bei einem «Elektrischen Sturm» sollte nach erfolgloser Anti­arrhythmikatherapie als nächster Schritt eine tiefe Sedation (Anästhesie mit Intubation) durchgeführt werden. Dadurch konnte der elektrische Sturm in 47% in weniger als 15 Minuten beendet werden. Die Non-Responder hatten ein sehr hohes Mortalitäts Risiko u. bedürfen einer speziellen Therapie. Bei typischem Vorhofflattern besteht ein hohes Risiko für ein späteres Vorhofflimmern (VHFLi) wenn man im Ruhe-EKG im SR in Abl. II oder in V1 bei neg. P eine P-Wellendauer von >120ms und bei der neg. Flatterwellenkomponente >100 ms misst. In diesem Falle kann eine Vorhofflatterablation und gleichzeitig eine Pulmonalvenenisolation ggf. durchgeführt werden. Bei Vorhofflattern besteht ein Risiko von ca. 60%, in den folgenden vier Jahren ein VHFLi nachzuweisen. Somit sollte auch eine OAK bei einem CHADS-VASc Score von ≥2 eingeleitet werden. In der Abbildung 3 sind die Risikofaktoren für ein VHFLi sehr schön zusammengefasst:

Ein regelmässiger «Standard-Drink», Alkoholaufnahme (median 3g/die), bewirkt über die Jahre ein erhöhtes Risiko von +16% für ein VHFli. Koffein ist hingegen kein Risikofaktor gemäss einer neuen grossen Metaanalyse mit 361 143 Patienten. Es besteht auch ein Beziehungsgeflecht von Mamma-Karzinom, Vorhofflimmern, Thromboembolie und Blutung und eine dadurch bedingte erhöhte Mortalität. Eine Mitralinsuffizienz und ein VHFli stehen in einem «negativen» Dialog. Der Stellenwert und die Technik eines VHFLi-Screenings mit Wearables ist in der aktuellen Datenlage noch unklar. Faktoren, welche für eine Rhythmuskontrolle (Medikamente, PV-Ablation) sprechen sind: Jüngeres Lebensalter und kürzere VHFLi Anamnese, Tachymyopathien ohne Klappenvitium oder schwere KHK, ein kleiner Vorhof, ein paroxysmales VHFli, die Patientensymptomatik und die Patientenwahl. Eine Rhythmuskontrolle hat prognostische Vorteile, dies unabhängig von den Symptomen! In einem dänischen Register konnte bei 2576 antikoagulierten Patienten mit einer unteren GI-Blutung 140x ein kolorektales Karzinom nachgewiesen werden. Die orale Antikoagulation (OAC) ist somit ein «Stresstest» für eine potentielle Blutungsquelle im Darm (auf okkultes Blut im Darm testen?!). Der Vorhofsohrokkluder ist eine diskutable Alternative zur OAC bei Hochrisikopatienten. Es besteht eine hohe anatomische Variabilität (Vorplanung-Imaging). Ein Direktverschluss trotz LAA-Thrombus ist möglich. Selten gibt es auch einen Device related Thrombus (3,5%). Hier kann eine Genotypen geführte antithrombotische Therapie hilfreich sein. Der chirurgische LAA-Verschluss bei einer notwendigen Herzoperation führt bei einer Beobachtungsdauer von 3 Jahren zu einer sign. Abnahme von Schlaganfällen und art. Embolien von 33%.

Im Vortrag von Prof. Dr. L. Eckardt aus Münster zum Thema ventrikuläre Extrasystolen wurde auf die Problematik COVID-19 und Rhythmusstörungen (RHS) eingegangen. Sein Fazit: Pulmonale Erkrankungen stehen im Vordergrund. Eine kardiale Beteiligung ist selten. Arrhythmien werden gehäuft bei kritisch kranken COVID-19 Patienten berichtet. Sie sind am ehesten Ausdruck einer systemischen Infektion und kein direkter Virusinfekt. In einer grossen Metaanalyse von 17 435 stationären COVID Patienten betrug die mittlere Inzidenz von RHS 17%. Eine grosse Arbeit ergab 40 zusätzliche Myokarditiden/Mio nach einem SARS-CoV-2 Infekt vs 1-10/Mio nach einer Impfung. Bei ICD Patienten wurde ein möglicher protektiver Effekt der Lockdown Massnahmen auf VT beobachtet, mit einer Abnahme von 30%. Somit lautet das Fazit in der Abbildung 4:

Bei der heutigen modernen medikamentösen HI-Therapie hat der plötzliche Herztod (SCD) in den vergangenen 20 Jahren um 44% abgenommen. Nach der aktuellen Studie DAPA-HF reduziert Dapagliflozin bei Patienten mit einer HI NYHA II-IV und einer EF≤ 40% unter einer etablierten optimalen Therapie die VT und den SCD um weitere 21%.

Bei der Trias HI, AV-Blockierungen und ventrikuäre Tachykardie (VT) muss man an eine kardiale Sarkoidose denken (ca. 5% ausschliesslich klinisch manifeste kardiale Beteiligung). Die VT-Ablation gewinnt hier an Bedeutung, ist aber bislang nicht prognoserelevant. Die Risikostratifikation bei Brugada Syndrom bleibt sehr schwierig. Hier gibt es einen neuen Score – vgl. brugadariskscore.com. Es gibt neue Daten zu Flecainid bei einer stabilen KHK und Z.n. Revaskularisation bei der Therapie eines VHFli. Hier ist eine Gefährdung nicht nachgewiesen. Bei einem Post-Infarkt Patienten mit VES oder NSVT ist dieses Medikament aber weiterhin kontraindiziert; insbesondere bei NSTEMI/ACS und bei einer EF≤30%.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch