Update der ICD Therapie

Die ICD (interner Cardiverter Defibrillator) Therapie stellt eine sehr wirksame Prävention des plötzlichen Herztodes dar. Entscheidend ist eine sorgfältige Indikationsstellung hierfür, denn trotz der eindrücklichen Wirksamkeit der ICD-Therapie gibt es damit verbundene Risiken. Neuerdings können bei geeigneten Patienten subkutan liegende ICD Systeme implantiert werden, welche theoretische Vorteile diesbezüglich aufweisen könnten. Zur Überbrückung bis zur Implantation eines ICD Systems ist ferner die LifeVest verfügbar.

Le traitement par DCI (défibrillateur cardiaque interne) est un moyen très efficace de prévenir la mort cardiaque subite. Une indication minutieuse est cruciale, car malgré l’  efficacité impressionnante du traitement par DCI, des risques y sont associés. Depuis peu, des systèmes de DCI sous-cutanés peuvent être implantés chez les patients appropriés, ce qui pourrait présenter des avantages théoriques à cet égard. Le LifeVest est également disponible pour faire la transition jusqu’  à ce qu’  un système de DCI puisse être implanté.

Obschon die kardiovaskuläre Mortalität durch bessere Behandlungsmöglichkeiten der koronaren Herzkrankheit (KHK) und der Herzinsuffizienz abgenommen hat, stellt der plötzliche Herztod (sudden cardiac death, SCD) weiterhin eine der häufigsten Todesursachen dar. Man schätzt, dass ein Viertel der kardiovaskulären Mortalität auf einen SCD zurückzuführen ist (1). Die effektivste Methode zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes ist der Implantierbare Cardioverter Defibrillator (ICD), welcher der medikamentösen antiarrhythmischen Therapie in der Sekundärprophylaxe als auch der Primärprophylaxe des SCD bei Patienten mit entsprechendem Risikoprofil überlegen ist (1).

Funktionsweise eines ICD

Der ICD setzt sich aus mindestens einer Elektrode in der rechten Herzkammer und einem Impulsgenerator zusammen (Abbildung 1). Beim CRT-D (Cardiale Resynchronisations-Therapie mit ICD-Funktion) wird nebst der rechtsventrikulären Elektrode eine linksventrikuläre Elektrode und meist auch eine Vorhofelektrode implantiert, um zusätzlich zum ICD eine Herzinsuffizienztherapie mittels Resynchronisation der linken und der rechten Herzkammer sowie den Vorhöfen mit den Kammern durchzuführen. Obwohl jeder ICD die Möglichkeit der kardialen Stimulation analog einem Herzschrittmacher besitzt, liegt die Hauptfunktion eines ICD in der Therapieabgabe im Falle einer lebensbedrohlichen ventrikulären Rhythmusstörung (Abbildung 2). Die Schockabgabe ist für den Patienten schmerzhaft, falls er noch bei Bewusstsein ist, für umstehende Personen besteht dagegen keine Gefahr, selbst wenn ein direkter Hautkontakt mit dem Patienten besteht. Zusätzlich zur Schockfunktion bieten die ICDs die Möglichkeit, langsamere Kammertachykardien mittels Antitachykardie-Pacing (ATP) zu überstimulieren, was vom Patienten meist nicht verspürt wird. Um inadäquate Therapien, zum Beispiel bei einer Sinustachykardie oder einem tachykarden Vorhofflimmern, zu vermeiden, sind bei den ICDs Diskriminatoren programmierbar, welche eine ICD-Therapie im Falle einer Tachykardie supraventrikulären Ursprungs zurückhalten können.

Indikationen in der Primärprophylaxe

Die Daten für einen primärprophylaktischen ICD sind bei Patienten mit KHK besser als für Patienten mit nicht-ischämischer Kardiopathie (NICM). Die MADIT-Studie war die erste grosse prospektive, randomisierte Studie, die sich mit der primärprophylaktischen ICD Implantation bei Patienten mit KHK befasste (2). Die Patientenselektion war strikt: Lediglich Patienten ≥ 3 Wochen nach einem Myokardinfarkt mit einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) ≤ 35% und asymptomatischen nicht anhaltenden sowie induzierbaren anhaltenden (> 30 sek) Kammertachykardien, die nicht mittels Procainamid supprimierbar waren, wurden zu einer medikamentösen antiarrhythmischen Therapie oder zur ICD-Implantation randomisiert. Nachdem die Gesamtmortalität in der ICD-Gruppe nach 27 Monaten um 54% tiefer lag, wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Die MADIT II Studie war bezüglich Patientenauswahl weniger selektiv und erlaubte die Teilnahme bei Patienten mit einem Myokardinfarkt vor über einem Monat und einer LVEF ≤30% (3). In dieser Studie konnte die kardiale Mortalität um 31% (relatives Risiko) gesenkt werden. Die DINAMIT- und IRIS- Studien haben aber gezeigt, dass die primärprophylaktische ICD Implantation nicht innerhalb des ersten Monats nach einem akuten Myokardinfarkt erfolgen sollte. In dieser Zeit unmittelbar nach einem Myokardinfarkt bietet sich für Risiko-Patienten (z.B. mit LVEF im ICD-Bereich) als temporäre Lösung ein trabgarer Defibrillator (LifeVest) an.

Der absolute Nutzen einer ICD Therapie ist in einem Kollektiv von Patienten mit KHK grösser als in einem Kollektiv von NICM, da das absolute Arrhythmierisiko höher ist. Zudem ist die Evidenz für den primärprophylaktischen ICD bei NICM weniger überzeugend. Auf diesem Hintergrund randomisierte die DANISH Studie 1116 Patienten mit einer NICM zu einer konventionellen Herzinsuffizienz-Therapie resp. einer konventionellen Herzinsuffizienz-Therapie plus ICD (4). Interessanterweise war die Gesamtmortalität bei einem medianen Follow-up von 5.6 Jahren nicht unterschiedlich in den beiden Gruppen, obschon die SCD- Mortalität in der ICD-Gruppe signifikant tiefer war. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Patientenpopulation ein absolut gesehen so tiefes SCD-Risiko hatte, dass der SCD eine sehr seltene Todesursache war, d.h. dass die Patienten, welche den primären Endpunkt erreichten (Tod), an anderen Ursachen verstorben waren. Ein Charakteristikum dieser Studie war die umfassende «Background»-Therapie der Herzinsuffizienz inkl. kardialer Resynchronisationstherapie (in ca. 60% der Studienpopulation), welche bekanntermassen ebenfalls das SCD-Risiko substanziell senkt; eine solch optimale Therapie ist im Gegensatz zu Studien-Bedingungen im Real-Life-Setting kaum gegeben. Eine Subgruppenanalyse zeigte zudem einen signifikanten Nutzen einer ICD-Therapie bezüglich Mortalität bei jüngeren Patienten, sodass aus der DANISH-Studie nicht gefolgert werden darf, dass Patienten mit NICM nicht von einer primärprophylaktischen ICD-Implantation profitieren.

Die meisten Studien zur primärprophylaktischen ICD-Therapie sind älteren Datums und zwischenzeitlich erfolgten eindrückliche Verbesserungen der Herzinsuffizienztherapie und Revaskularisationsstrategien für Patienten mit KHK. Man kann sich daher fragen, wie gut die Anwendbarkeit der älteren Studiendaten auf die zeitgemässe Population zu übertragen ist. Diesbezüglich haben kürzlich publizierte, grosse Registerstudien den Nutzen einer primärprophylaktischen ICD Implantation bezüglich Gesamtmortalität in gemischten Kollektiven von KHK und NICM mit zeitgemässer Background-Therapie bestätigt (5, 6), sodass die älteren Studienresultate getrost auf die moderne Population übertragen werden dürfen.

Indikationen in der Sekundärprophylaxe

Bei Patienten, die bereits einen Herzstillstand, eine hämodynamische Beeinträchtigung oder eine Synkope aufgrund von ventrikulären Tachyarrhythmien überlebt haben, wird die Implantation eines ICD als Sekundärprophylaxe bezeichnet. Mehrere frühe randomisierte ICD-Studien haben den Nutzen eines ICD in dieser Situation belegt (Tabelle 1). In einer Metaanalyse der drei Sekundärpräventionsstudien zeigte sich eine 28-prozentige Reduktion der Gesamtmortalität und eine 50-prozentige Reduktion der Arrhythmie-Mortalität durch die ICD-Therapie im Vergleich zu einer Amiodarone-Therapie, unabhängig von der zugrunde liegenden Herzerkrankung oder Arrhythmie (7).

Subkutaner ICD

Wenn kein kardiales Pacing nötig ist, kann gemäss Europäischen Guidelines mit einer Empfehlungsstärke IIa ein subkutaner ICD (SICD, Abbildung 3) implantiert werden (1). Das Gerät wird durch einen submammären Hautschnitt zwischen den M. latissimus dorsi und den M. serratus anterior eingebracht, die Elektrode wird subkutan am Rand des Brustbeins zum manubriosternalen Übergang tunneliert.

Der Vorteil liegt beim SICD im Fehlen von intravaskulärem Fremdmaterial, was aus infektions-prophylaktischen Gesichtspunkten insbesondere bei jungen Patienten mit mehreren erwarteten Generatorwechseln in Zukunft günstig ist. Ein weiterer Vorteil liegt in der tieferen Elektrodenbeanspruchung bei extrathorakaler Elektrode, liegt doch bei transvenösem System die Rate von Elektrodenproblemen im Bereich bis 20% innerhalb von ca. 10 Jahren (8). Ein Nachteil ist die fehlende Möglichkeit der Stimulation, sei es zur Überstimulation von Kammertachykardien oder zur antibradykarden Stimulation. Ferner ist die Rate an inappropriaten Therapien erwähnenswert, welche aber gemäss den neuesten Daten nicht relevant erhöht sein dürfte gegenüber einem transvenösen System (9). Damit ist der SICD bei Patienten, welche auf ein Pacing und/oder eine kardiale Resynchronisation verzichten können eine attraktive Alternative zu den transvenösen ICDs.

LifeVest

Die LifeVest («wearable cardioverter defibrillator») ist streng genommen kein ICD, da sie extern getragen wird, soll hier aber wegen der zunehmenden Verbreitung trotzdem eine kurze Erwähnung finden. Die LifeVest ist eine tragbare Weste, welche den Herzrhythmus kontinuierlich überwacht und bei Detektion einer lebensbedrohlichen Arrhythmie einen Schock abgibt, sofern diese Therapie nicht vom Patienten manuell inhibiert wird. Durch einen Alarm wird der Patient aufgefordert, die Therapie durch Knopfdruck zurückzuhalten, was natürlich nur gelingt, wenn der Patient bei Bewusstsein ist. Die LifeVest bietet keine Möglichkeit der Überstimulation von langsamen Arrhythmien und ist nur dann wirksam, wenn die Weste auch wirklich rund um die Uhr getragen wird. Sie stellt lediglich eine Überbrückung bis zur definitiven ICD Implantation (zum Beispiel nach einem kürzlich erlittenen Herzinfarkt oder nach Extraktion eines ICDs infolge eines Infekts) oder bis zum Zeitpunkt, wo ein reversibles Arrhythmierisiko (zum Beispiel bei Myokarditis oder peripartaler Kardiopathie) signifikant abgenommen hat.

Zusammenfassung

Der Nutzen einer ICD-Therapie nach einem überlebten SCD oder nach einer hämodynamisch instabilen Kammertachykardie ist gut belegt und intuitiv nachvollziehbar. Die primärprophylaktische ICD Therapie ist ein etablierter Bestandteil einer umfassenden Herzinsuffizienztherapie, sowohl bei KHK als auch bei NICM mit eingeschränkter linksventrikulärer Auswurffraktion (LVEF <35%). Trotz eindrücklicher Fortschritte in der Herzinsuffizienztherapie in den letzten Jahren mit entsprechenden Auswirkungen auf das SCD Risiko hat die ICD-Therapie ihren Nutzen nicht verloren. In Situationen, in denen kein Pacing und keine Notwendigkeit der Überstimulation einer Kammertachykardie erwartet wird, kann ein SICD erwogen werden. Zur Überbrückung bis zu einer definitiven ICD-Therapie oder bis zur Erholung der LVEF (im Falle einer reversiblen Ursache) steht die LifeVest zur Verfügung.

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Dr. Dr. med. Roman Brenner

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
9007 St.Gallen

Roman.brenner@kssg.ch

Der Autor hat im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

◆ Patienten, die einen plötzlichen Herztod überlebt haben (Sekundärprophylaxe), profitieren nachgewiesenermassen vom Schutz eines ICDs vor weiteren tödlichen Arrhythmie-Ereignissen. Bei entsprechendem klinischem Kontext ergibt sich daher eine gute Indikation für die ICD-Implantation.
◆ Die Selektion von Patienten, die für einen plötzlichen Herztod gefährdet sind, aber noch nie lebensbedrohliche ventrikuläre Arrhythmien erlitten haben (Primärprophylaxe), richtet sich hauptsächlich nach der linksventrikulären Auswurffraktion. Ein Cut-off von 35% hat sich etabliert, sowohl für Patienten mit koronarer Herzkrankheit als auch für Patienten mit nicht-ischämischer Kardiopathie.
◆ Da die transvenös implantierten ICDs Nachteile mit sich bringen (intravasales Fremdmaterial, Anfälligkeit der Elektroden für mechanische Belastung etc.), wurden subkutan implantierbare Alternativen verfügbar gemacht. Diese zeigen bei selektionierten Patienten vielversprechende Ergebnisse in den neusten Studien.

Messages à retenir
◆ Il a été démontré que les patients qui ont survécu à une mort cardiaque subite (prévention secondaire) bénéficient de la protection
d’ un DCI contre d’ autres événements arythmiques mortels. Dans un contexte clinique approprié, il existe donc une bonne indication pour l’ implantation d’ un DCI.
◆ La sélection des patients présentant un risque de mort subite d’ origine cardiaque mais n’  ayant jamais souffert d’ arythmies ventriculaires potentiellement mortelles (prévention primaire) est principalement basée sur la fraction d’ éjection ventriculaire gauche. Un seuil de 35 % a été établi, tant pour les patients souffrant de coronaropathie que pour les patients souffrant de cardiopathie non ischémique.
◆ Les DCI implantés par voie transveineuse présentant des inconvénients (corps étrangers intravasculaires, sensibilité des électrodes aux contraintes mécaniques, etc.), des alternatives implantables par voie sous-cutanée ont été mises à disposition. Ceux-ci montrent des résultats prometteurs chez des patients sélectionnés dans les études les plus récentes.

1. Priori, S.G. and C. Blomstrom-Lundqvist, 2015 European Society of Cardiology Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death summarized by co-chairs. Eur Heart J, 2015. 36(41): p. 2757-9.
2. Moss, A.J., et al., Improved survival with an implanted defibrillator in patients with coronary disease at high risk for ventricular arrhythmia. Multicenter Automatic Defibrillator Implantation Trial Investigators. N Engl J Med, 1996. 335(26): p. 1933-40.
3. Moss, A.J., et al., The multicenter research group. Ann Noninvasive Electrocardiol, 2002. 7(3): p. 271-7.
4. Kober, L., et al., Defibrillator Implantation in Patients with Nonischemic Systolic Heart Failure. N Engl J Med, 2016. 375(13): p. 1221-30.
5. Zabel, M., et al., Clinical effectiveness of primary prevention implantable cardioverter-defibrillators: results of the EU-CERT-ICD controlled multicentre cohort study. Eur Heart J, 2020. 41(36): p. 3437-3447.
6. Schrage, B., et al., Association Between Use of Primary-Prevention Implantable Cardioverter-Defibrillators and Mortality in Patients With Heart Failure: A Prospective Propensity Score-Matched Analysis From the Swedish Heart Failure Registry. Circulation, 2019. 140(19): p. 1530-1539.
7. Connolly, S.J., et al., Meta-analysis of the implantable cardioverter defibrillator secondary prevention trials. AVID, CASH and CIDS studies. Antiarrhythmics vs Implantable Defibrillator study. Cardiac Arrest Study Hamburg . Canadian Implantable Defibrillator Study. Eur Heart J, 2000. 21(24): p. 2071-8.
8. Lambiase, P.D., et al., Worldwide experience with a totally subcutaneous implantable defibrillator: early results from the EFFORTLESS S-ICD Registry. Eur Heart J, 2014. 35(25): p. 1657-65.
9. Gold, M.R., et al., Primary Results From the Understanding Outcomes With the S-ICD in Primary Prevention Patients With Low Ejection Fraction (UNTOUCHED) Trial. Circulation, 2021. 143(1): p. 7-17.
10. Antiarrhythmics versus Implantable Defibrillators, A comparison of antiarrhythmic-drug therapy with implantable defibrillators in patients resuscitated from near-fatal venticular arrhythmias. N Engl J Med, 1997. 337(22): p. 1576-83.
11. Kuck, K.H., et al., Randomized comparison of antiarrhythmic drug therapy with implantable defibrillators in patients resuscitated from cardiac arrest: the Cardiac Arrest Study Hamburg (CASH). Circulation, 2000. 102(7): p. 748-54.
12. Connolly, S.J., et al., Canadian implantable defibrillator study (CIDS): a randomized trial of the implantable cardioverter defibrillator against amiodarone. Circulation, 2000. 101(11): p. 1297-302

Neue ESC-Leitlinie 2021 zur kardiovaskulären Prävention

Individualisiertes Management, bessere Abstimmung auf den Patienten und seine Bedürfnisse und eine neues Stufenprinzip zur Erleichterung der Umsetzung in der Praxis – dies sind die wesentlichen Grundzüge der neuen ESC Richtlinie zur kardiovaskulären Prävention (1).

Une prise en charge individualisée, une meilleure adéquation au patient et à ses besoins, et un nouveau principe à plusieurs niveaux pour faciliter la mise en œuvre dans la pratique, telles sont les principales caractéristiques de la nouvelle ligne directrice de l’ESC sur la prévention cardiovasculaire (1).

Die neuen Richtlinien zur kardiovaskulären Prävention sind mehr auf die Bedürfnisse der Patienten fokussiert und die vorgegebenen Ziele sollen leichter in der Praxis umgesetzt werden können. Dazu wurde ein neues Stufenkonzept entwickelt.

Stufe 1 (für alle Patienten)

In einer ersten Stufe wird dem Patienten, falls er raucht, ein Rauchstopp nahelegt und ein gesunder Lebensstil empfohlen (vermehrte körperliche Aktivität, Ernährung und Körpergewicht). Ferner soll ein systolischer Blutdruck < 160 mmHg angestrebt werden. Diese Präventionsmassnahmen gelten für alle Patienten, sowohl für die scheinbar gesunden, als auch solche mit Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen. Darüber hinaus wird die Abschätzung des kardiovaskulären 10-Jahres-Risiko des Patienten und die Ableitung der entsprechenden Behandlungsziele empfohlen. Diese Behandlungsziele sind vom Patienten und seiner Grundkonstellation abhängig. Dabei wird unterschieden zwischen gesunden Personen, Patienten mit Diabetes, solchen mit spezifischen Risikofaktoren wie familiäre Hypercholesterinämie, chronische Niereninsuffizienz oder manifeste, atherosklerotische, kardiovaskuläre Erkrankungen (ASCVD).

Stufe 2 Intensivierung

In einem zweiten Schritt sollen die Präventionsmassnahmen intensiviert werden. Dabei soll neben dem kardiovaskulären 10-Jahres-Risiko vorhandene Komorbiditäten, Gebrechlichkeit sowie mögliche (unerwünschte) Behandlungseffekte und die Präferenz des Patienten im Sinne eines «Shared-Decision»-Prozesses miteinbezogen werden.

Risikobeurteilung in der Primärprävention mit neuem Score

Während in Stufe 1 Präventionsziele für alle, d.h. für Gesunde, wie für Patienten mit Diabetes oder kardiovaskulären Erkrankungen empfohlen werden, wird in Stufe 2 entschieden, ob aufgrund des kardiovaskulären 10-Jahresrisikos weitere Behandlungsziele angestrebt werden sollen. Dazu wurde der bisherige ESC-Score für die Primärprävention durch einen neuen Score ersetzt, den SCORE2. Der Score2 hat Gültigkeit bis zu einem Alter von 70 Jahren. Für über 70-Jährige wurde neu der SCORE2-OP etabliert.
An den Faktoren zur Risikostratifizierung hat sich grundsätzlich nichts geändert. Sie hängt wie vorher von Geschlecht, Alter, Raucherstatus, dem systolischen Blutdruck und dem LDL-Cholesterin der Patienten ab. Die entsprechenden Flow Charts sind an die Flow Charts der Vorversion angelehnt, wobei LDL-Cholesterin in den Charts durch Non-HDL-Cholesterin ersetzt wurde.
SCORE2 berücksichtigt das vorherrschende kardiovaskuläre Grundrisiko des Landes, in dem der Patient lebt. Dabei wurden die EU-Länder in 4 Risikokategorien eingeteilt: Niedrig, moderat, hoch und sehr hoch. Die Schweiz gehört mit Belgien, Dänemark, Frankreich, Israel, Luxembourg, Norwegen, den Niederlanden, dem UK und Spanien zu den Niedrigrisiko-Ländern.

Eine wichtige Neuigkeit ist ferner, dass die aus dem Score geschätzten Risikokategorien vom Alter der Patienten abhängig sind (Tabelle 1).

Das Alter ist nach wie vor der stärkste kardiovaskuläre Risikofaktor. Durch diese altersspezifische Einteilung sollen auch junge Patienten, die aufgrund des früheren ESC-Scores allein wegen ihres Alters nicht in eine behandlungsbedürftige Risikokategorie gefallen wären, ebenfalls behandelt werden, wenn sie ein hohes Lebenszeit-Risiko aufweisen.

Zusätzlich zu dieser Risikokategorisierung sind Faktoren, die das Risiko in die eine oder andere Richtung verschieben können (Risikomodifizierer) miteinzubeziehen. Dazu gehören hauptsächlich Stress und psychosoziale Faktoren, der koronare Calcium-Score (CAC) und die Ethnizität. Andere potenzielle Risikomodifizierer wie genetische Risikoscores, Urinmarker oder Bildgebungsmethoden mit Ausnahme des CAC-Scores werden nicht empfohlen (III/B).

Nutzen der Senkung des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l

Ein weiteres Werkzeug, welches in der Kommunikation mit dem Patienten nützlich sein könnte, ist der Nutzen, der durch eine LDL-Cholesterinsenkung um 1 mmol/l entsteht. Dies kann dem Patienten zeigen, wie viel ihm eine lipidsenkende Behandlung an Lebenszeit bringen würde. Der mögliche Lebensgewinn an Jahren durch Senkung des LDL-Cholesterins um 1mmol/l ist dabei anschaulicher als das 10-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Krankheit.

Spezielle Patientengruppen

Die neuen Richtlinien enthalten eigene Kapitel für Patienten mit speziellen Risikofaktoren. Hier werden die entsprechenden Behandlungsziele in Abhängigkeit des individuellen Risikos, wofür spezielle Scores konzipiert wurden, erläutert. Die Empfehlungen für Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie und chronischer Niereninsuffizienz sind grossenteils unverändert geblieben.
Einige Neuerungen gab es für Patienten mit Typ-2-Diabetes. Beim Screening liegt jetzt der Fokus auf dem HbA1c und dem Nüchternblutzucker. Der orale Glukosetoleranztest (oGGT) wird nicht mehr aufgeführt.

Therapiempfehlungen bei Typ-2-Diabetes

Metformin wird weiterhin als Erstlinientherapie empfohlen (I/B). SGTL2-Inhibitoren oder GLP-1-Analoga können ebenfalls als jeweils erste Monotherapie oder in Kombination eingesetzt werden.

Bei Patienten, die neben Diabetes noch an einer atherosklerotischen Erkrankung leiden, sollten bevorzugt entweder SGTL2-Inhibitoren oder GLP-1-Analoga eingesetzt werden (I/A). Im Falle einer Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) sind SGLT2-Inhibitoren die Standardtherapie (I/A). Das gilt auch für Patienten mit Diabetes und Niereninsuffizienz (I/A).

Empfehlungen für Sekundärprävention

Die Behandlungsziele für die Sekundärprävention haben sich ebenfalls nicht geändert. Diesen Patienten wird aber neu auch das Stufenkonzept zur Zielerreichung empfohlen. Die Ziele der jeweiligen Stufen sind allerdings andere als in der Primärprävention. Zur Stufe 1 gehören eine Blutdrucksenkung auf 140 bis 130 mmHg (Klasse I), eine LDL-C-Reduktion auf < 1.8mmol/l und > 50%ige Reduktion (Klasse I) und eine antithrombotische Therapie (Klasse I) zusätzlich zu den Lebensstilinterventionen (Klasse I). Die Stufe 2 umfasst ein Blutdruckziel < 130 mmHg (Klasse 1) sowie eine LDL-C-Senkung < 1.4mmol/l (Klasse I).

Wenn trotz optimaler Standardtherapie weiterhin ein hohes Risiko besteht, sind in der neuen Leitlinie weitere Behandlungskonzepte aufgeführt, die eingesetzt werden können. Dazu gehören eine duale Plättchenhemmertherapie (DAPT), die Omega-2-Fettsäure Eicosapentaensäure (EPA) und eine antiinflammatorische Therapie mit Colchicin – für alle drei gilt eine Klasse-IIb-Empfehlung. Bei ausgewählten Hochrisikopatienten kann eine Niedrigdosis-Therapie mit Colchicin (0,5 mg/Tag) in Betracht gezogen werden. Dies aufgrund der Studienresultate von CANTOS (2), COLCOT (3) und LoDoC02 (4).

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Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Advisory Boards und finanziell unterstützte Vorträge für Amgen, AstraZeneca, Daiichi-Sankyo, MSD, Novartis, Recordati, Sanofi-Aventis.

◆ Ein schrittweiser und personalisierter Ansatz – das ist der wesentliche Inhalt der Leitlinien 2021 zur kardiovaskulären Prävention.
◆ Ein neuer stufenweiser Ansatz, ein überarbeiteter Rechner mit zwei Scores, nämlich SCORE2 und SCORE2-OP mit altersabhängigen Risikokategorien und unter Einbezug des Lebenszeitrisikos, sollen die Risikovorhersage verbessern und die Umsetzung in die klinische Praxis erleichtern.
◆ Ausserdem wird Europa in 4 verschiedene Risikokategorien eingeteilt (Regionen mit niedrigem, mittlerem, hohem und sehr hohem Risiko).
◆ Die Schweiz gehört zu den Ländern mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko.

Messages à retenir
◆ Une approche progressive et personnalisée – tel est le contenu essentiel des lignes directrices 2021 sur la prévention cardiovasculaire.
◆ Une nouvelle approche par étapes, un calculateur révisé avec deux scores, à savoir SCORE2 et SCORE2-OP avec des catégories de risque dépendant de l’ âge et l’ inclusion du risque à vie sont destinés à améliorer la prédiction du risque et à faciliter la mise en œuvre dans la pratique clinique.
◆ En outre, l’ Europe est divisée en 4 catégories de risque différentes (régions à risque faible, moyen, élevé et très élevé).
◆ La Suisse fait partie des pays à faible risque cardiovasculaire.

 

Anti-inflammatorische Therapie bei kardiovaskulären Krankheiten

Atherosklerose ist eine komplexe Erkrankung, bei der viele Komponenten des Gefäss-, Stoffwechsel- und Immunsystems beteiligt sind. Obwohl Low-Density-Lipoprotein (LDL) der wichtigste Risikofaktor für Atherosklerose bleibt, haben Immun- und Entzündungsmechanismen der Atherosklerose in den letzten 20 Jahren enorm an Interesse gewonnen.

L’ athérosclérose est une maladie complexe impliquant de nombreux composants des systèmes vasculaire, métabolique et immunitaire. Bien que les lipoprotéines de basse densité (LDL) restent le facteur de risque le plus important de l’ athérosclérose, les mécanismes immunitaires et inflammatoires de l’ athérosclérose ont suscité un énorme intérêt au cours des 20 dernières années.

In den letzten Jahren konnten nun erstmals grosse klinische Studienprogramme zeigen, dass eine Immunmodulation durch eine Interleukin-1β-Antikörper-Therapie beziehungsweise durch Colchicin die klinische Progression bei Patienten mit atherosklerotischer Gefässerkrankung und einem akuten Koronarsyndrom reduzieren kann.

Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study (CANTOS)

In der CANTOS-Studie wurde eine spezifische anti-inflammatorische Therapie mittels Canakinumab, einem monoklonalen Antikörper, der Interleukin-1β blockiert, getestet. Canakinumab wurde bei Patienten mit Herzinfarkt in der Vorgeschichte und erhöhten hsCRP-Werten (hochsensitives C-reaktives Protein, > 2 mg/l) im Serum getestet (1). Die CANTOS-Studie zeigte Superiorität von Canakinumab (150 mg) gegenüber Placebo in Bezug auf Prävention von kardialen Ereignissen.

Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder Canakinumab 50 mg (n = 2.170), Canakinumab 150 mg (n = 2.284), Canakinumab 300 mg (n = 2.263) oder Placebo (n = 3.344). Das Medikament wurde alle drei Monate subkutan appliziert. Die mittlere Follow-up-Zeit betrug 3,7 Jahre und das mittlere Alter 61 Jahre. Der Frauenanteil betrug 26%. Patienten wurden von der Studie ausgeschlossen, wenn sie an chronischen oder wiederkehrenden Infektionen litten, ein hohes Risiko für Tuberkulose oder HIV hatten, wenn sie Krebs in der Vorgeschichte hatten, in immunkompromittiertem Zustand waren und/oder systemische inflammatorische Medikamente einnahmen. Als primäre Ereignisse der Studie zählten Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursache, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Davon traten 4,11 pro 100 Personenjahre bei der Gruppe mit 50 mg auf, 3,86 in der 150 mg-Gruppe, 3,9 in der 300 mg-Gruppe und 4,5 pro 100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe (p = 0,02 für 150 mg gegenüber Placebo). Bei den sekundären Ereignissen wurde eine dosisabhängige Reduktion von hsCRP durch Canakinumab beobachtet (p < 0,001 für alle Gruppen gegenüber Placebo). Tödliche Infektionen oder Sepsis zeigten sich in 0,31 pro 100 Personenjahre in der kombinierten Canakinumab-Gruppe gegenüber 0,18 pro 100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe (p = 0,02). Patienten, in welchen hsCRP trotz Behandlung bei ≥ 2 mg/l lag, zeigten auch keine Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse. Zusätzlich hatte Canakinumab einen modulierenden Effekt auf Interleukin-6, was ebenso mit einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse verbunden war.

Zusammenfassend führte die Behandlung mit Canakinumab 150 mg subkutan alle drei Monate bei Patienten nach Herzinfarkt und anhaltend erhöhtem hsCRP (> 2 mg/l) zu einer Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse über eine mittlere Zeitspanne von 3,7 Jahren. Canakinumab war trotz Ausschluss von Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Infekten mit einem leicht höheren Risiko für schwerwiegende Infektionen und/oder Sepsis assoziiert.

Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT)

Die CIRT-Studie hat gezeigt, dass niedrig-dosiertes Methotrexat weder inflammatorische Marker (IL-1β, IL-6, hsCRP) noch kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit bekannter koronarer Herzerkrankung, Diabetes und/oder metabolischem Syndrom reduziert (2).

In der CIRT-Studie wurden Patienten 1:1 randomisiert und erhielten entweder niedrig-dosiert Methotrexat 15–20 mg wöchentlich (n = 1.716) oder Placebo (n = 1.695). Die Methotrexatdosis wurde basierend auf Laborwerten und Symptomen im Verlauf angepasst.
Der primäre Endpunkt waren schwerwiegende kardiovaskuläre Komplikationen, welche in der niedrig-dosierten Methotrexatgruppe vergleichbar wie in der Kontrollgruppe bei 3,4 pro 100 Personenjahre auftraten (Hazard Ratio 1,01, 95% CI 0,82–1,25, p = 0,91). Methotrexat veränderte nicht die Blutwerte für Interleukin-1β, Interleukin-6 oder hsCRP. Patienten unter Metho-trexat hatten mehr Infektionen (62% gegenüber 56%, p = 0,004).

Zusammenfassend zeigte diese Studie keinen Effekt auf inflammatorische Parameter und kardiovaskuläre Ereignisse, führte aber zu Nebenwirkungen als Folge der Immunsuppression. Im Gegensatz zur CANTOS-Studie war eine residuale Entzündung keine Bedingung zur Teilnahme an der Studie. Eine optimale Patientenselektion sowie vor allem die Auswahl eines geeigneten anti-inflammatorischen Therapieprinzips wird somit einen kritischen Punkt für den zukünftigen Einsatz immun-modulierender Therapien bei Patienten mit atherosklerotischer Gefässerkrankung darstellen.

Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT)

COLCOT ist eine weitere Studie zur immun-modulierenden Therapie bei Patienten nach akutem Myokardinfarkt (innerhalb von 30 Tagen) (3). Die Patienten (n = 4.745) erhielten entweder niedrig-dosiertes Colchicin (0,5 mg einmal täglich) oder Placebo. Der primäre Endpunkt (für kardiovaskuläre Ereignisse) wurde signifikant weniger (5,5 %) bei Patienten in der Colchicin-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe (7,1%; p = 0,02) beobachtet. Unter Colchicin-Therapie wurde häufiger eine Pneumonie berichtet (0,9% vs. 0,4%; p = 0,03).

LoDoCo2 (Low-Dose Colchicine vs. Placebo in Patients With Chronic Coronary Disease

LoDoCo2 (4) ist eine vom Prüfarzt initiierte, doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte Studie, die untersucht, ob niedrig dosiertes Colchicin kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit chronischer koronarer Erkrankung verhindert. In die Studie wurden 5522 klinisch stabile Patienten randomisiert, die eine Colchicin-Dosis von 0,5 mg täglich während einer 30-tägigen, offenen Run-in-Phase tolerierten. Die meisten von ihnen wurden zusätzlich mit lipidsenkenden und thrombozytenaggregationshemmenden Medikamenten behandelt.

  • Während einer medianen Nachbeobachtungszeit von 29 Monaten reduzierte Colchicin den primären Endpunkt, ein Kompositum aus kardiovaskulärem Tod, spontanem (nicht-prozeduralem) Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder ischämiebedingter koronarer Revaskularisation, signifikant um 31% (2,5 Ereignisse/100 Personenjahre in der Colchicin-Gruppe vs. 3,6 Ereignisse/100 Personenjahre in der Placebo-Gruppe). Der vorteilhafte Effekt zeigte sich früh und akkumulierte sich im Laufe der Zeit.
  • Insgesamt erwies sich Colchicin als sicher, ohne statistisch signifikante Unterschiede bei den schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen im Vergleich zu Placebo. Allerdings traten nicht-kardiovaskuläre Todesfälle bei den mit Colchicin behandelten Patienten häufiger auf als bei denen, die Placebo erhielten (53 bzw. 35).

Eine systematische Übersicht (5) über 10 Studien zu Colchicin, drei bei chronisch koronarer Herzkrankheit LoDoCo, LoDoCo2 und CCS Untergruppe bei COLCHICIN-PCI (n = 6654), drei bei ACS (COLCOT, COPS, AVS Untergruppe von COLCHICINE-PCI (n = 5654) und fünf (n = 532) über hsCRP-Änderungen von der ersten Woche bis zu zwölf Monaten bei chronischem Koronarsyndrom und/oder ACS zeigten, dass Colchicin das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse bei chronischem Koronarsyndrom gegenüber Placebo beinahe halbiert. Colchicin war zudem mit einer nicht signifikanten Risikoreduktion von 23% bei ACS assoziiert und einem nicht signifikanten Trend zu einer grösseren Reduktion von hsCRP.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Der Autor hat keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

◆ Die klinische Studie Canakinumab Anti-inflammatory Thrombosis Out-comes Study (CANTOS) ergab, dass die Behandlung mit Canakinumab, einem Anti-Interleukin-1β-Wirkstoff, zu einer Verringerung von nicht-tödlichen Myokardinfarkten, nicht-tödlichen Schlaganfällen oder Tod führte.
◆ Dies lieferte Beweise für die Entzündungshypothese der koronaren Herzkrankheit (KHK). Canakinumab ist jedoch nicht kosteneffektiv für eine breitere Anwendung.
◆ Der Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT), der Colchicine Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT) und die Low-Dose Colchicine 2 (LoDoCo2) Studie sind neuere klinische Studien, die das Verständnis der Entzündungshypothese der KHK erweitert haben.
◆ Kostengünstige Therapien, die auf Entzündungen abzielen, sind on Top von Lipidsenkern die Zukunft der präventiven Behandlung kardiovasku-lärer Erkrankungen.

Messages à retenir

◆ L’ essai clinique CANTOS (Canakinumab Anti-inflammatory Thrombosis Outcomes Study) a révélé que le traitement par le canakinumab, un agent anti-interleukine-1β, entraînait une réduction des infarctus du myocarde non mortels, des accidents vasculaires cérébraux non mortels ou des décès.
◆ Cela a fourni des preuves de l’  hypothèse inflammatoire de la maladie coronarienne. Cependant, le canakinumab n’ est pas rentable pour un traitement généralisé et des traitements plus rentables sont justifiés.
◆ Le Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT), le Colchicine
Cardiovascular Outcomes Trial (COLCOT) et le Low-Dose Colchicine 2
(LoDoCo2) sont des essais cliniques récents qui ont permis de mieux comprendre l’ hypothèse de l’inflammation dans les maladies coronariennes.
◆ Les thérapies peu coûteuses ciblant l’inflammation, en plus des agents hypolipidémiants, sont l’avenir du traitement préventif des maladies
cardiovasculaires.

1. Ridker PM, Libby P, MacFadyen JG et al. Modulation of the interleukin-6 signalling pathway and incidence rates of atherosclerotic events and all-cause mortality: analyses from the Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study (CANTOS). European heart journal. 2018;39:3499-3507.
2. Ridker PM, Everett BM, Pradhan A et al. Low-Dose Methotrexate for the Prevention of Atherosclerotic Events. The New England journal of medicine. 2019;380:752-762.
3. Tardif JC et al. Efficacy and Safety of Low-Dose Colchicine after Myocardial Infarction. N Engl J Med 2019; 381:2497-2505.
4. Nidorf SM et al. The effect of low-dose colchicine in patients with stable coronary artery disease: The LoDoCo2 trial rationale, design, and baseline characteristics. Am Heart J. 2019 Dec;218:46-56.
5. Aimo A, et al. Effect of low-dose colchicine in acute and chronic coronary syndromes: A systematic review and meta-analysis. Eur J Clin Invest. 2021;51:e13464.

DGK Hybridkongress, WorldCCBonn

Ende September/Anfang Oktober fand der alljährliche ausgezeichnete 3-tägige Hybrid-Kongress der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie statt. Es wurde live aus 14 Sälen übertragen: Über 1 000 Vorträge aus 165 wissenschaftlichen Sitzungen, Posterpräsentationen und Industriesymposien. Mitglieder können einen Grossteil der Sitzungen im Nachhinein «on demand» über www. kardiologie.org besuchen. Hier sind einige der vielen Highlights dieser Herztage für die Praxis zusammengefasst.

Zum Thema CCS (chronisches Koronarsyndrom) fanden mehrere sehr gute Sessions statt. In der Session «Ergometrie bei CHK – Wann sinnvoll?» wurden von Dr. Th. Klingenheben aus Bonn folgende wichtigen Aussagen gemacht: Die ESC Guidelines 2019 zum Thema CCS haben im Gegensatz zu 2013 der Ergometrie als Tool der Ischämiediagnostik bei Verdacht auf eine obstruktive CHK bei stabiler koronarer Herzkrankheit ihre bisherige Bedeutung abgewertet. Eine Klasse IC Indikation besteht nur in der Beurteilung der Belastungstoleranz, zur Beurteilung von Symptomen, Arrhythmien, BD-Verhalten und einer Risikobeurteilung bei selektionierten Patienten. Stehen keine anderen Bildgebungsverfahren zur Verfügung, so besteht noch eine Klasse IIb Indikation. Ebenso zur Symptom- und Ischämie-Kontrolle (vgl. Abbildung 1; ESC-Guidelines CCS).

Obwohl die diagnostische Wertigkeit einer Ergometrie limitiert ist, bedeutet eine ST-Senkung bei tiefer Belastungsstufe bei zusätzlichen Symptomen wie Angina pectoris oder Dyspnoe, eine schlechte Belastungsfähigkeit, komplexe VES, weitere Arrhythmien, ein fehlender sign. Herzfrequenzanstieg und ein abnormales BD-Verhalten ein erhöhtes Risiko bezüglich kardialer Mortalität. Eine post hoc Analyse der SCOT-Heart Study hat bei 3 283 Patienten mit stabiler Angina pectoris die Bedeutung der Ergometrie im klinischen Alltag mituntersucht. Dabei war der primäre Endpunkt nach 5 Jahren Tod wegen KHK resp. nicht tödlicher Myokardinfarkt. Eine pathologische Ergometrie hat betreffend obstruktiver KHK eine Sensitivität von 39% und eine Spezifität von 91%. Bei einer Hauptstamm-Stenose von > 50%, einer koronaren 3-Gefässerkrankung oder einer 2-Gefässerkrankung mit proximaler RIVA Stenose besteht eine Sensitivität von 77% bei einer Spezifität von 86% bei einem NPV von 96%. Diese Zahlen erinnern an die Studien aus den 70-er und 80-er Jahren, wo die Ergometrie einen signifikant höheren Stellenwert bei ähnlichen PatientInnen-Kollektiven hatte. Aus klinischer Sicht bedeutet dies, dass ein Belastungs-EKG vor allem dann hilfreich ist, wenn es pathologisch ausfällt bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit! Bei einem normalen oder nicht eindeutigen Befund sollte der Arzt bei Verdacht auf eine mögliche CHK eine weitere Abklärung einleiten. Die Koronar-CT ist hier eine sehr zielführende Untersuchung, insbesondere bei der heutigen deutlich tieferen Vortestwahrscheinlichkeit. Heute qualifizieren mehr Patienten für ein Koro-CT, welches eine KHK sehr gut anatomisch ausschliessen kann. Auch die funktionellen bildgebenden Verfahren zum Nachweis resp. Ausschluss einer Ischämie wie Stressecho, Szintigraphie, MRI und PET-Untersuchung sind bei der richtigen Fragestellung im kardiologischen Praxisalltag nicht mehr zu missen. Das korrekte Belastungs-EKG bleibt somit als erste Stufe mit der richtigen individuellen klinischen Einschätzung und Erfahrung sehr hilfreich. Es wird daher im Praxisalltag weiterhin gezielt eingesetzt.

Der «Stellenwert der Koronar-CT-Untersuchung» bei der koronaren Herzkrankheit wurde in einem sehr informativen Vortrag beleuchtet. Bei Patienten mit Angina pectoris und oder Dyspnoe und Verdacht auf eine CHK ist eine nicht invasive Bildgebung zum Ausschluss einer Ischämie oder ein Koronar-CT bei eher tiefer VTW eine Klasse IB Indikation als initialer Test (Abb. 2). Bei einer bekannten CHK sollte kein CT der Koronarien durchgeführt werden! Starke Verkalkungen an den Koronarien schränken die Aussage deutlich ein; es bedarf dann eines Stresstests. Die Koronar-CT-Untersuchung ist das ideale Testverfahren wegen der hohen diagnostischen Genauigkeit (Sens. 97%, Spez. bei 90%, NPV bei 96%) und der hohen prognostischen Aussagekraft. Auch ist die Untersuchung kosteneffizient. Anhand der Plaquelast kann auch das jährliche Risiko für Myokardinfarkt resp. Tod abgeschätzt werden (Abb. 3). Die Prognose kann bei nicht obstruktiven Plaques mit einer Statintherapie mit einer sign. LDL-Senkung nach Zielwerten verbessert werden.

In einem weiteren sehr guten Vortrag bezüglich «Therapie des Postinfarktpatienten» wurde auf die verschiedenen Veränderungen des LV eingegangen. Die Routinebehandlung ist die Gabe eines Betablockers (IIaB) und die Gabe eines ACE-Hemmers (IIaA), sofern keine KI vorliegt. Bei hochgradig reduzierter EF und manifester HI bei konservativ oder spät interventionell behandeltem STEMI oder einem grossen VW-Infarkt, einer Mehrgefässerkrankung oder einem Diabetes bedarf es ebenfalls obiger Kombinationstherapie (IA). Bei einer ACE-H.-Unverträglichkeit könnte Valsartan eingesetzt werden. Bei einer EF ≤40% zusätzliche Gabe eines MRA. Entresto® zeigt in der PARADISE-MI Studie nur tendenzielle Vorteile (HR 0,90), man kann daher beim ACE-H. bleiben. Bei diesen Patienten ist auch ein SGLT2-H. erfolgreich. Bei den Patienten mit einem nachteiligen (adversen) Remodeling bringt diese Therapie eine deutliche Verbesserung und verhindert eine manifeste Herzinsuffizienz (Abb. 4 und 5).

Weiter möchte ich über ein anderes praktisches Thema, die «somatische Belastungsstörung», berichten. Diese kann sich z.B. als subjektiv stark störende harmlose Extrasystolen äussern. 1/5 der Praxispatienten leidet an somatoformen Störungen. Diese Patienten haben ein 2-fach erhöhtes Risiko einer frühzeitigen Ischämie, eine erhöhte Sterberate (sterben 5-10 Jahre früher) und eine hohe Komorbidität mit Depressionen, Angst oder Persönlichkeitsstörungen. Durch den hohen Leidensdruck ist die Lebensqualität beeinträchtigt. Oft wird der Patient arbeitsunfähig und muss in Frührente gehen. Das Gesundheitssystem wird häufig mit vielen und wiederholten Abklärungen belastet. Die Ursache liegt gemäss Abbildung 6 in einer durch Stress bedingten Aktivierung der Amygdala und dadurch einer Aktivierung des Sympathikus und des Entzündungssystems mit vorzeitiger Atherosklerose.

Diese somatische Belastungsstörung sollte vom Kardiologen nach sorgfältiger Abklärung zum Ausschluss einer organischen Genese z.B. mit dem einfachen PHQ-9-Fragebogen rasch erkannt und der/die Patient/-in einer Psychosomatischen Praxis oder einem Zentrum via HAz überwiesen werden. Dadurch kann das erhöhte kardiovaskuläre Risiko frühzeitig gesenkt werden. Auch ist die Depression eine häufige und klinisch relevante Komorbidität bei der chronisch koronaren Herzkrankheit und bei der Herzinsuffizienz (Prävalenz 21%). Sie hat ein erhöhtes Mortalitätsrisiko.

Mehrere sehr gute Vorträge zum Thema «Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz» wurden an den Herbsttagen präsentiert. Rund 30-50% der Patienten mit einer HFrEF oder einer HFpEF entwickeln ein VHFli. Bei VHFLi besteht ein 3-fach erhöhtes Risiko für eine HI. Bis zu 42% der VHFli-Patienten entwickeln über die Zeit Symptome der HI. Dadurch kommt es zu einer erhöhten Gesamtmortalität. Eine frühe Rhythmuskontrolle ist auch bei einer Herzinsuffizienz mit VHFli wichtig. Durch eine Ablation kann die Sterblichkeit, die Re-Hospitalisations- und Strokerate der HFrEF-Patienten deutlich reduziert und die Herzinsuffizienz signifikant verbessert werden (CASTLE AF + CABANA-HF letztere bei vorwiegend HFpEF Patienten). Am wenigsten von einer Ablation profitieren >80 Jahre alte + multi-morbide Patienten, Patienten mit persistierendem langanhaltendem VHFLIi mit grossen Vorhöfen und Patienten mit einer LV-EF <20%. Prinzipiell sollte man aber bei einer Herzinsuffizienz die Ablation anbieten; der SR ist am besten!! Der positive Effekt ist von einer erfolgreichen Ablation mit wenig AF-Burden abhängig; auch Kombination mit einem Antiarrhythmika. «Geben Sie alles» I. Deisenhofer TUM München. Bei alten und multimorbiden Patienten ist ein biventrikuläres Pacing und eine Ablation des AV-Knotens eine sehr gute Option.

Nach der EAST-AFNET4 Studie von P. Kirchhof et al. sollte bei einem VHFLi ≤1 Jahr auch bei einer HI eine moderne Rhythmus erhaltende Therapie (Antiarrhythmika u./od. PVI) mit der oralen Antikoagulation eingeleitet werden. Dies bei symptomatischen-, asymptomatischen-, aber auch Herz-insuffizienten Patienten. Diese Massnahmen verbessern die Chance eines SR, welcher möglichst erhalten werden sollte! Nur 10-15% der Patienten erhielten in dieser Studie eine PVI. Als modernes AAR wurden (je nach Zentrum) Amiodaron, Dronedaron, Klasse I-AAR unter Beachtung der KI erfolgreich eingesetzt. ¾ der Patienten waren ohne Ablation mit AAR auch nach 2 Jahren noch im SR mit deutlich besserer Prognose! Mit einer Rhythmus erhaltenden Therapie konnte die Mortalität (HR 0,72) und die Strokerate (HR 0,65) signifikant gesenkt werden. Nach der ATTEST Studie bei paroxysmalem VHFLi entwickelten nach 2 Jahren 20% der mit einem AAR behandelten Patienten und nur 2% der mit einer PVI behandelten Patienten ein persistierendes VHFLi. Wichtig ist somit, die Progression der Erkrankung zu bremsen. Je früher und offensiver desto besser das Outcome!
Wichtig ist auch die frühe Diagnose einer Tachykardiomyopathie, eine Arrhythmie (meist persist. tachykardes VHFli) bedingte systolische Dysfunktion. Die Symptome, die eingeschränkte LV-Funktion, die leicht vergrösserten Kammern, das erhöhte BNP und die Lebensqualität verbessern sich signifikant durch die Therapie des tachykarden VHFli. Es bedarf einer medikamentösen Herzinsuffizienztherapie nach den aktuellen ESC-Guidelines 2021, einer Frequenzreduktion auf <100-110/min (61-81/min) mit Betablocker, eines EKV-Versuchs, der Gabe von Amiodaron und der Diskussion einer Pulmonalvenenisolation. Nach Prof. R. Tilz, UKSH Lübeck, ist die Ablationstherapie die effektivste Therapie, sie reduziert die Mortalität und ist die Therapie der Wahl bei VHFli mit einer HI (Kl. I) – «hit hard and early»!

In einem sehr guten Referat von PD Dr. M. Martinek zum Thema «Reduziert die Katheterablation das Demenzrisiko?» zeigte sich: VHFli ist mit einem Langzeitrisiko für kognitiven Abbau und Demenz assoziiert. Die orale Antikoagulation ist wirksam gegen die Demenz bei VHFli, aber Vorhofflimmern ist ein unabhängiger Risikofaktor für Demenz. Eine erfolgreiche Pulmonalvenen­isolation verringert das Risiko der Entstehung einer Demenz über 10  Jahre (Kohortenstudien).

In einem sehr instruktiven Vortrag von Prof. Dr. D. Thomas aus Heidelberg zum Thema «Vorhofflimmern und metabolisches Syndrom» wurde dargestellt, dass eine Senkung des BMI (>10%) und eine konsequente Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren zur Rhythmuskontrolle nach einer Katheterablation beitragen – dies zeigen mehrere Beobachtungsstudien. Auch nach den ESC-Guidelines ist dies eine IB Indikation. Bei deutlichem Übergewicht (BMI ≥40) gibt es auch mehr periprozedurale Komplikationen. Die Patienten sollten daher diesbezüglich aufgeklärt und motiviert werden! Das Übergewicht führt neben erhöhten BD-Werten zu einem Remodeling des LA. Eine alleinige Gewichtsreduktion bei einem BMI >27 wirkt antiarrhythmisch!
Es empfiehlt sich, die verschiedenen sehr informativen Vorträge «on demand» unter www.dgk.org zu besuchen.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Sportlerherz oder Kardiomyopathie?

Sportlerherzen können eine Kardiomyopathie vortäuschen. Meist ist das aber nur bei Hochleistungssportlern der Fall. Um ein Sportlerherz von einer Kardiomyopathie abgrenzen zu können, ist eine umfangreiche Diagnostik incl. der Bestimmung der ventrikulären Belastungsreserve erforderlich.

Durch die aktuellen Geschehnisse bei der diesjährigen Fussball-EM hat das Thema «Akuter Herztod bei Sportlern» wieder einmal grosse mediale Aufmerksamkeit erfahren. Die wichtigste Ursache des plötzlichen Herztodes bei Athleten ist die hypertrophe Kardiomyopathie gefolgt von den Kanalopathien wie dem Long-QT- oder dem Brugada-Syndrom. «Aber auch die dilatative, die restriktive, die arrhythmogene rechtsventrikuläre und die Non-Compaction-Kardiomyopathie können der Grund dafür sein, dass ein Sportler plötzlich zusammenbricht», erläuterte Prof. Arno Schmidt-Trucksäss. Meistens sei ein solch tragisches Ereignis die Erstmanifestation der Erkrankung, die Patienten waren vorher nicht aufgefallen. Gerade bei Sportlern könne die Kardiomyopathie aber leicht übersehen, d.h. die Veränderungen als Sportlerherz fehlinterpretiert werden, was fatale Folgen haben kann.

Ähnlichkeiten mit Kardiomyopathien

Die sportinduzierte intermittierende Druck- und Volumenbelastung kann zu einer Dilatation aller vier Herzkammern führen. Es kommt zu einer linksventrikulären Hypertrophie, wobei eine Korrelation zum Trainingsvolumen besteht. Diese Veränderungen gehen nicht selten mit EKG-Veränderungen einher, wobei die Abgrenzung zu einer Kardiomyopathie schwerfallen kann. Besonders bei Ausdauerathleten können sich Veränderungen in Form einer rechtsventrikulären Dysplasie entwickeln. Der rechte Ventrikel ist oft dilatiert, hat aber noch eine fast normale rechtventrikuläre Ejektionsfraktion. Im EKG zeigt sich häufig ein Rechtsschenkelblock oder T-Negativierungen über der Vorderwand. Das kann zunächst schon wie eine arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie aussehen.

Kriterien der ARVC

Bei der ARVC handelt es sich um eine genetisch bedingte Erkrankung, d.h. es besteht eine Mutation in dem Gen, das für die Desmosomen kodiert. Dabei kommt es zu einem Verlust der Myozyten und zu einer Fibrosierung des Myokards mit Fetteinlagerungen. Im EKG zeigen sich unterschiedliche Veränderungen, nicht selten ein Linksschenkelblock. Für die Diagnosestellung werden Maior- und Minor-Kriterien gefordert. Dazu gehören die Abnahme der EF des rechten Ventrikels, der Nachwies von Wandbewegungsstörungen und/oder eine rechtsventrikuläre Dilatation und EKG-Veränderungen. Das Problem ist, dass viele Sportler diese Kriterien erfüllen, ohne krank zu sein. Allein das rechtsventrikuläre Volumen liegt bei Hochleistungssportlern oft bei 230 ml, was eigentlich ein Kriterium für die ARVC darstellt. Doch eine Epsilon-Welle wurde bisher bei Sportlern noch nie beschrieben. Dagegen können biphasische T-Negativierungen und eine rechtsventrikuläre oder auch biventrikuläre Dilatation auch bei Sportlern vorkommen, so dass anhand dieser Kriterien allein die Diagnose ARVC nicht gestellt werden kann.
Zur weiteren Abklärung kann eine Stress-Echokardiographie durchgeführt werden und zwar mit der Fragestellung, ob der rechte Ventrikel bei Zunahme der Belastung seine Funktion anpassen kann oder ob eine reduzierte Belastungsreserve vorliegt. Letzteres spricht eher für eine ARVC.

Empfehlungen für die Praxis

In der Praxis haben sich zwei Parameter zur Unterscheidung Sportlerherz vs. ARVC bei Nachweis einer rechtsventrikulären Dilatation bewährt:

  • Richtungsweisend, ja sogar entscheidend ist, wie viel Sport getrieben wird. Bei Sportlern, die nicht mehr als 3 oder 4 Stunden pro Woche trainieren, ist eine rechtsventrikuläre Dilatation als Ausdruck einer sportlichen Belastung eher unwahrscheinlich. Es dürften schon 20 Stunden wöchentlich bei voller Ausbelastung notwendig sein, um eine rechtsventrikuläre Dilatation als Ausdruck des Sportlerherzens auszulösen.
  • T-Negativierungen über der Vorderwand sind bei Sportlern sehr häufig und können deshalb nicht als ARVC-Kriterium benutzt werden. Doch bei symptomatischen Sportlern oder bei Sportlern mit entsprechender Familienanamnese bzw. unerklärtem plötzlichen Herztod sollte bei Nachweis eines auffälligen rechten Ventrikels an eine ARCV gedacht und diese durch einen Gentest verifiziert werden.
Dr. med.Peter Stiefelhagen

Fallstricke bei der Interpretation

Die Bestimmung des Kreatinins gehört zum Routinelabor. Es gilt als Marker der Nierenfunktion. Doch der Marker ist in vielen Situationen unzuverlässig und unterliegt vielen Störfaktoren, d.h. bei der Interpretation muss vieles bedacht werden.

Das Kreatinin selbst st nicht toxisch, es entsteht aus dem Muskelabbau und wird über die Niere eliminiert. Daraus ergibt sich seine Bedeutung bei der Beurteilung der GFR. Ein Anstieg des Kreatinins ist ein häufiges Phänomen. Von einem relevanten Kreatinin-Anstieg spricht man, wenn innerhalb von 48 Stunden der Wert um ≥ 26,4 mmol/l ansteigt. Im ambulanten Bereich sind 4-5%, im stationären Bereich bis zu 60% der Patienten betroffen. Häufigste Ursachen im stationären Bereich sind Sepsis, kardiogener Schock, Hypovolämie, grössere operative Eingriffe und Nephrotoxizität bei Medikamenten.

Kreatinin ist ein schlechter Marker für die Nierenfunktion

«Das Kreatinin ist zwar ein Marker für die Nierenfunktion, aber ein schlechter», so Privatdozentin Patrizia Amico. Der Kreatinin-Wert steigt erst an, wenn die GFR um 50% abgenommen hat. Auch nimmt die GFR altersbedingt physiologischerweise um 7 bis 10 ml/min/1.73 m2 pro Dekade ab, wobei die Arteriosklerose, die Glomerulosklerose, die interstitielle Fibrose und die Tubulusatrophie eine pathophysiologische Rolle spielen. Dazu kommt, dass der Kreatininwert verschiedenen Einflussfaktoren unterliegt: Alter, Geschlecht, Genetik, Muskelmasse und Ethnizität. «Die Nieren altern mit», so Amico.

Der Kreatinin-Wert ist auch keine konstante Grösse, er schwankt wie die Aktienkurse an der Börse. Deshalb ist es wichtig, den Trend zu analysieren und zugleich die Einflüsse zu erfassen, die zu einer anhaltenden Verschlechterung der Nierenfunktion beitragen. «Man sollte aber berücksichtigen, dass das Kreatinin hinten nachhinkt», so Amico. Es braucht eine gewisse Zeit von Stunden bis Tagen, bis die Veränderung der GFR auch im Kreatinin-Wert erkennbar wird.

Prä-, intra-oder postrenale Ursache?

Um die Dringlichkeit des Handelns bei einem Kreatininanstieg abschätzen zu können, müssen die Vorwerte bekannt sein. Nur bei einem raschen anhaltenden Anstieg besteht sofortiger dringender Handlungsbedarf. Vorrangig ist die Ursachenabklärung. In 30-60% ist die Ursache prärenal, in 20-40% renal und in 1-10% postrenal. Prärenale Ursachen sind die Volumendepletion und die Vasokonstriktion. Die renalen Ursachen können glomerulär, vaskulär oder tubulo-interstitiell sein. Als postrenale Ursache kommen Obstruktionen im Bereich der ableitenden Harnwege in Betracht.

Diagnoseweisend kann bei einer Hypovolämie bereits das klinische Bild sein. Unverzichtbar vor allem in Hinblick auf postrenale Ursachen sind auch die Sonographie und die Urinanalyse. In Einzelfällen z.B. bei einem nephritischen Syndrom oder einer grossen Proteinurie kann auch eine Nierenbiopsie indiziert sein. Eine Notfall-Dialyse ist indiziert bei einer Hypervolämie oder einer Hyperkaliämie oder einer schweren metabolischen Azidose oder bei Urämie-Komplikationen.

Dr. med.Peter Stiefelhagen