Demenz-Biomarker in Plasma und Liquor

Die Suche nach neuen Behandlungen, die auf die asymptomatische Periode vor dem Beginn einer kognitiven Beeinträchtigung und Demenz abzielen, ist, in Kombination mit Studien zu diagnostischen und prognostischen Biomarkern, ein vielversprechender Weg für die Zukunft. Wir geben einen Überblick über die Demenz-Biomarker, die für den aktuellen klinischen Einsatz validiert sind und zeigen, in welche Richtungen sich die Praxis in diesem Bereich orientieren kann.

Wissenschaftliche Fortschritte führen zu einem «klinisch-biologischen» Ansatz bei der Diagnose von Demenz unter Verwendung von Biomarkern, die eine genauere und frühere Diagnose von Demenz vor dem Auftreten von kognitiven Störungen ermöglichen (1). Das Interesse einer frühzeitigen Diagnose besteht darin, eine pharmakologische Behandlung und angemessene Unterstützung für den Patienten und sein Umfeld einsetzen zu können (2). Aus diesem Grund wird die Entwicklung neuer Behandlungen, die auf die asymptomatische, aber biologisch aktive Periode der Krankheit abzielen, von Studien zu diagnostischen und prognostischen Biomarkern begleitet.
Die Entwicklung von Biomarkern für Demenz hat sich seit Mitte der 2000er Jahre deutlich weiterentwickelt, vor allem durch die Identifizierung und Validierung von Liquor (LCR)-Biomarkern für die Alzheimer-Krankheit (AD) (3). Das Ziel dieses Artikels ist es, eine Zusammenfassung der aktuellen klinischen Anwendung der Demenz-Biomarker sowie einige vielversprechende Wege für die Zukunft zu präsentieren (Tab. 1).

Alzheimer-Krankheit und Liquor

Die AD ist die häufigste neurodegenerative Erkrankung. Sie macht 60% aller Demenzerkrankungen aus (1). Die Neuropathologie umfasst die Bildung von extrazellulären Aggregaten des Peptids β-Amyloid42 (Aβ42), die als Amyloid-Plaques bezeichnet werden, und die neurofibrilläre Degeneration, die aus intraneuronalen Clustern von hyperphosphorylierten Tau-Proteinfilamenten besteht. Es besteht eine Korrelation zwischen dem Ausmass der neurofibrillären Degeneration und dem Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung, im Gegensatz zu den Amyloid-Plaques-Ablagerungen, die zu Beginn der Symptome oft diffus sind (1).
Drei Haupt-Biomarker im Liquor sind bei AD anerkannt und wurden in zahlreichen Studien untersucht. Dies sind Aβ42, dessen Konzentration aufgrund seiner Akkumulation in kortikalen Plaques abnimmt, das Gesamt-Tau-Protein (Tau) und das phosphorylierte Tau (p-Tau); hohe Konzentrationen der beiden letztgenannten Marker korrelieren jeweils mit neuronalem Verlust und neurofibrillärer Degeneration. Ihre Sensitivität und Spezifität erreichen 85-90% (4). Solche Konzentrationen werden auch im Liquor von Patienten mit Alzheimer im Stadium der leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI) gefunden. Bei letzterer sind kognitive Störungen nicht mit einer signifikanten Beeinträchtigung der Autonomie des Patienten verbunden wie bei Demenz. In der Tat geht die Senkung von Aβ42 im Liquor der kognitiven Beeinträchtigung der AD um mindestens 10 Jahre voraus (4). Allerdings treten Amyloid-Plaques mit zunehmendem Alter häufiger auf, so dass dieser Marker ab einem Alter von 80 Jahren weniger spezifisch ist.

Kontraindikationen für Liquor-Biomarker-Tests sind solche, die mit der Durchführung der Lumbalpunktion im Zusammenhang stehen, wie z.B. intrakranieller Bluthochdruck, Krampfanfälle, erhöhtes Blutungsrisiko (einschliesslich gerinnungshemmender Behandlungen) oder Hautinfektionen an der Punktionsstelle. Das Risiko des Absetzens der Antikoagulation für eine Lumbalpunktion sollte immer sorgfältig abgewogen werden. Die Daten in der Literatur divergieren hinsichtlich der Überlegenheit von Liquor-Biomarkern im Vergleich zu anderen Biomarkern, die auf strukturellem, funktionellem oder Amyloid-Neuroimaging (MRT, 18F-FDG-PET oder Amyloid-PET) basieren. Daher gibt es keine Empfehlung für die bevorzugte Verwendung eines bestimmten Biomarkers. Vielmehr hängt die Wahl von den Kosten und der Verfügbarkeit der Untersuchung sowie von der lokalen Expertise der Memory Clinic ab.
In der aktuellen klinischen Praxis sind Biomarker der AD im Liquor nützlich für die Diagnose der AD, insbesondere im milden Stadium und bei der Differenzialdiagnose atypischer Krankheitsbilder (frühes Alter, vor allem Beeinträchtigungen, die nicht das Gedächtnis betreffen etc.) (Tab. 2).

Andere Demenzerkrankungen und Liquor-Biomarker

Die klinische Verwendung von Liquormarkern für AD in der Differentialdiagnose von Demenz ist in Tabelle 3 zusammengefasst.
Schliesslich sei hier noch an seltenere Erkrankungen wie Creutzfeldt-Jakob erinnert, für die das Vorhandensein des 14-3-3-Proteins im Liquor eine grosse diagnostische Hilfe darstellt, sowie an Autoimmun-, paraneoplastische und infektiöse Enzephalitiden, bei denen spezifische Antikörper im Liquor gefunden werden können. Obwohl diese Assays in der Praxis verfügbar sind, sind sie nicht Gegenstand der täglichen Routine, vervollständigen jedoch das Vorgehen bei einem auffälligen Krankheitsbild.

Andere Biomarker sind bei bestimmten kognitiven Pathologien erhöht, wie z.B. das Leichtketten-Neurofilament (L-CNF), das die axonale Zerstörung widerspiegelt, oder Entzündungsmarker wie die Matrix-Metalloprotease 9 (5, 6).
Die Parkinson-Krankheit und die Lewy-Körper-Demenz sind das Ergebnis aus der Anhäufung von Alpha-Synuclein (α-syn) im Gehirn in Einschlüssen, die «Lewy-Körper» genannt werden und bei Patienten mit diesen beiden verwandten Krankheiten beobachtet werden (7). Amyloid-Plaques und neurofibrilläre Degeneration sind ebenfalls häufig vorhanden (bei bis zu 40% der Fälle). Die Bestimmung der α-syn-Konzentration im Liquor erlaubt keine Differenzialdiagnose zwischen den Synucleinopathien. Es werden jedoch verminderte Gesamt-α-syn-Konzentrationen und erhöhte oligomere und phosphorylierte α-syn-Konzentrationen bei Parkinson-Patienten im Vergleich zu Kontrollen beobachtet, die mögliche Marker in der zukünftigen klinischen Praxis darstellen.

Diese Mischformen mit der AD unterscheiden sich in der Prognose; niedrige Konzentrationen von Aβ42 im Liquor sind mit der Entwicklung von kognitiven Beeinträchtigungen bei Patienten mit Parkinson-Krankheit verbunden. Bei der Lewy-Körper-Demenz sind die Tau-Konzentrationen höher als bei der Parkinson-Krankheit, aber niedriger als bei der Alzheimer-Krankheit, wobei ein Zusammenhang zwischen der gefundenen Konzentration und dem Schweregrad der Demenz besteht. Derzeit ist die Verwendung dieser Marker ausserhalb der Diagnose von AD nicht klinisch validiert.

Biomarker für Demenz im Plasma

Sie haben Vorteile gegenüber Liquormarkern, wie z.B. die einfache Durchführung eines Bluttests in verschiedenen Umgebungen (Büro, Krankenhaus, zu Hause), die Annehmlichkeit, den Assay zu anderen Markern hinzufügen zu können, die bereits Teil der üblichen Gesundheitsuntersuchung sind, mit einem weniger invasiven und potenziell weniger teuren Verfahren als Positronen-Emissions-Tomographie (PET-Amyloid, PET-Tau).
Bislang sind sie nur Gegenstand von Forschungsprotokollen, und keiner der genannten Marker ist ausreichend genau, standardisiert und reproduzierbar, um in der klinischen Praxis eingesetzt zu werden. Darüber hinaus haben Biomarker, die die Aktivität des zentralen Nervensystems widerspiegeln, eine sehr niedrige Konzentration im peripheren Blut und können das Produkt einer Aktivität ausserhalb des Gehirns sein oder entsprechend einer Störung ihrer Clearance schwanken.
Die meisten bisherigen Studien haben sich auf die klassischen Marker der AD konzentriert: Aβ, Tau und p-Tau, gefolgt von genetischen Markern und Biomarkern, die auf anderen Mechanismen basieren, die mit der Demenz zusammenhängen, wie Entzündung, Immunantwort, oxidativer Stress, DNA-Schäden, mitochondriale Dysfunktion und neuronale oder mikrovaskuläre Schäden. Derzeit gibt es über 150 Blut-Biomarker. Wir fassen hier diejenigen mit dem grössten Potenzial für den klinischen Einsatz zusammen:
1. Aβ42, Aβ40 und das Aβ42/Aβ40-Verhältnis: Mehrere Studien haben zunehmend niedrigere Plasmaspiegel von Aβ42, Aβ40 und Aβ40/Aβ40 bei Menschen mit subjektivem kognitivem Abbau, einer MCI und Demenz aufgrund von AD im Vergleich zu Menschen ohne Erkrankung oder kognitive Beschwerden dokumentiert. Dennoch gibt es eine grosse Variabilität mit schlechter Übereinstimmung zwischen den verschiedenen vorgeschlagenen Techniken. Die periphere Expression von Aβ, insbesondere diejenige sekundär zur Freisetzung von Aβ-Peptiden aus Thrombozyten und Endothelzellen, hauptsächlich in der 40-Aminosäure-Version des Peptids (Aβ40), sowie andere Serumproteine sind zusätzliche Störfaktoren, die die Nützlichkeit dieser Tests verringern (8).

2. Tau und p-Tau: Der Test mit dem grössten klinischen Potenzial ist der p-Tau-Assay, der am besten mit den Liquorwerten korreliert. Zwei Isoformen zeigen die ermutigendsten Ergebnisse: p-Tau181 und p-Tau217. Letzteres hat sich in einer kürzlich durchgeführten Studie als überlegen erwiesen, die zeigte, dass p-Tau217 eine Sensitivität und Spezifität von 91% bei der Differenzierung von Demenz aufgrund von AD im Vergleich zu anderen neurodegenerativen Ätiologien aufweist. Dies ist das signifikanteste Ergebnis aller bisher untersuchten Plasmamarker, erfordert aber eine Validierung auf Ebene der Gesamtbevölkerung (9, 10).

3. Nf-L: Dies ist ein Protein, das ausschliesslich im neuronalen Zytoplasma vorkommt und als sensibler, aber unspezifischer Marker für axonale Verletzungen bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen beschrieben und in Liquor und Plasma gemessen wird. Erhöhte Serumspiegel wurden bei Menschen mit Alzheimer, aber auch in Fällen von vaskulärer Demenz einschliesslich Post-Schlaganfall, frontotemporale Demenz, atypische Parkinson-Syndrome, Normaldruckhydrozephalus und Schädel-Hirn-Trauma gefunden. Bei AD würde Nf-L den neuronalen Verlust in Verbindung mit Amyloid wie dem p-Tau-Protein, aber auch mit anderen Mechanismen widerspiegeln und wäre somit ein globaler Marker für den Schweregrad des neuronalen Verlusts (11).

4. Amyloid-Vorläuferprotein-Spaltungsenzym 1 von β (BACE1): Dies ist das Enzym, das für die erste Spaltung verantwortlich ist, die die Aβ-Peptide verursacht. Die im Plasma gemessene Enzymaktivität ist progressiv erhöht bei Patienten mit MCI, bei denen die Erkrankung im Verlauf eines 3-Jahres-Follow-up zu einer Demenz vom Alzheimer-Typ fortgeschritten ist (12).

5. Sonstiges: Mikro-RNAs (miRNAs) sind kleine RNAs (18-25 Nukleotide), die die Expression anderer Gene auf der post-transkriptionellen Ebene regulieren. Eine Klasse von miRNAs, die mit verschiedenen an der AD beteiligten Genen assoziiert sind, weist in der RT-PCR-
Analyse eine verminderte Serumexpression auf und ist daher ein potenzieller Marker im Prodromalstadium (13).
Die Unterexpression anderer Klassen von mRNAs ist bei vaskulärer Demenz und der Lewy-Körperchen-Krankheit beschrieben worden (14).
Mehrere entzündliche Biomarker sowie Moleküle, die an der endothelialen Dysfunktion und
der Kaskade der Koagulation beteiligt sind, werden auch bei vaskulärer Demenz und AD untersucht (6). Auf ähnliche Weise wie bei den Liquor-Biomarkern werden die Plasmaspiegel von Gesamt-, phosphoryliertem und aggregiertem α-syn bei der Lewy-Körper- und der Parkinson-Krankheit untersucht (17).

Schlussfolgerungen

Der klinisch-biologische Ansatz in der Demenzdiagnostik sowie therapeutische Studien, die auf die präsymptomatischen Phasen der Erkrankungen abzielen, haben die Suche nach Biomarkern in Plasma und Liquor beschleunigt.
Obwohl in der gegenwärtigen Praxis nur Biomarker für die Alzheimer-Krankheit im Liquor verwendet werden, besteht die Aussicht, verschiedene Panels von Plasma- und Liquor-Biomarkern zu entwickeln, die sowohl die Ätiologie(n) der Demenz genau bestimmen können, als auch den Schweregrad der Krankheit widerspiegeln und daher zur Therapieüberwachung eingesetzt werden können.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Emilie Gaud-Lüthi

Service de Gériatrie, Département des Réadaptations et Gériatrie
Hôpitaux Universitaires de Genève
Hôpital des Trois Chêne
Chemin du Pont-Bochet 3
1226 Thônex

Dr. med. Aline Mendes

Service de Gériatrie, Département des Réadaptations et Gériatrie
Hôpitaux Universitaires de Genève
Hôpital des Trois Chêne
Chemin du Pont-Bochet 3
1226 Thônex

Aline.mendes@hcuge.ch

Die Autorinnen haben keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit dem Artikel zu deklarieren.

◆ Der «klinisch-biologische» Ansatz zur Demenzdiagnose mit Hilfe von Biomarkern ermöglicht es, zeitigere Diagnosen zu stellen, vor oder zu Beginn von kognitiven Störungen. Dies ist besonders wichtig bei der Suche nach neuen pharmakologischen Behandlungen.
◆ Liquor-Biomarker sind in einem frühen Stadium der Alzheimer-Krankheit verändert und ihre Realisierung ist derzeit in atypischen klinischen Situationen und zur Bestätigung der Ätiologie angezeigt.
◆ Biomarker im Plasma sind Gegenstand mehrerer Forschungsprotokolle und haben in letzter Zeit einige ermutigende Ergebnisse geliefert, aber ihre Verwendung in der klinischen Praxis ist nicht validiert.

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Monoklonale Gammopathien

Der Einsatz von monoklonalen Antikörpern (mAbs – aus dem englischen «monoclonal antibodies») in der Medizin hat eine lange und faszinierende Geschichte, welche mit der Entwicklung der Hybridom-Technik nach Köhler und Milstein in den 70er-Jahren ihren Ursprung hat (1). Seitdem haben sich mAbs in mehreren Bereichen der Medizin, insbesondere auch als Arzneimittel, etabliert. Trotz nunmehr langjähriger Anwendung im klinischen Alltag wurden Interferenzen durch therapeutische mAbs bei labormedizinischen Abklärungen erst im letzten Jahrzehnt erkannt. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick des heutigen Kenntnisstands präsentiert.

L’utilisation des anticorps monoclonaux (mAbs) en médecine a une longue et fascinante histoire, qui trouve son origine dans le développement de la technique de l’hybridome selon Köhler et Milstein dans les années 1970 (1). Depuis lors, les mABs ont été établis dans plusieurs domaines de la médecine, notamment en tant que médicaments. Malgré de nombreuses années d’utilisation dans la pratique clinique quotidienne, les interférences des mABs thérapeutiques dans les examens médicaux de laboratoire n’ont été reconnues qu’au cours de la dernière décennie. Nous présentons ci-après un bref aperçu de l’état actuel des connaissances.

Die ursprünglichen therapeutischen mAbs wurden aus Maus- und Ratten-Hybridomen erstellt (–momab). 1986 wurde Muromomab-CD3 als erster mAb zur Behandlung akuter Abstossungsreaktionen nach allogener Nieren-, Herz- oder Lebertransplantation zugelassen. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit und der ausgeprägten Immunogenität, fand die erste Generation limitierten Eingang in den klinischen Alltag. Durch moderne biotechnologische Verfahren konnte die mAb-Struktur humanisiert werden. Es entstanden zunächst chimäre (-ximab), später humanisierte (-zumab) und humane (-umab) Antikörper mit verbesserter Pharmakokinetik, Antigen-Spezifität und reduzierter Immunogenität. Infolgedessen wurden therapeutische Antikörper zur prädominanten Klasse neuentwickelter Arzneimittel und Bestsellern der Pharmaindustrie mit einem geschätzten jährlichen Umsatz von ca. 115 Milliarden US$ im Jahr 2019 und erwarteten 300 Milliarden US$ bis 2025(2, 3) (Abb. 1).


Interferenzen durch therapeutische mAbs bei labormedizinischen Abklärungen wurden erst in jüngerer Zeit erkannt. Störungen unterschiedlicher analytischer Methoden können bei Laborabklärungen in der Transfusions- und Transplantationsmedizin sowie Hämato-Onkologie auftreten (4), wie in den folgenden Abschnitten dargestellt wird:

Interferenz bei Histokompatibilitätsprüfung (Crossmatch Testing)

Bei Transplantatempfängern vorkommende Antikörper gegen HLA-Antigene (HLA-Allele) des Spenders können zu einer Transplantatabstossung führen. Vor einer Transplantation erfolgt daher ein sogenannter HLA-Crossmatch, bei dem das Serum des Empfängers gegen B- und T-Lymphozyten des Spenders im lymphozyto­toxischen Test untersucht wird, um zu überprüfen, ob beim Empfänger zyto­toxische HLA-Antikörper vorhanden sind. Für eine erfolgreiche Transplantation wird ein negativer Crossmatch vorausgesetzt (5). Die Anwesenheit von bestimmten therapeutischen mAbs (z.B. Rituximab; anti-CD20) im Empfängerserum kann durch Bindung an CD20-Antigene auf B-Lymphozyten zu einem falsch-positiven Crossmatch und demzufolge zur Ablehnung des Transplantatspenders führen. Dank einer rechtzeitigen Mitteilung der aktuellen Medikation, kann das HLA-Labor durch Vorbehandlung des Patientenserums die Interferenz beseitigen und eine fehlerhafte Interpretation der Resultate vermeiden. Weitere therapeutische mAbs, die im Crossmatch interferieren, sind Daclizumab (anti-CD25) und Alemtuzumab (anti-CD52). Beide Arzneimittel werden für die Reduktion des Risikos einer Graft-versus-Host-Reaktion eingesetzt.

Interferenz beim Antikörpersuchtest und der Verträglichkeitsuntersuchung

Störungen von Laboruntersuchungen in der Transfusionsmedizin durch Daratumumab-Behandlung wurden schon während Phase-I/II-Studien erkannt. Daratumumab und das neu zugelassene Isatuximab sind humane monoklonale IgG-Kappa-Antikörper mit einer hohen Affinität zum Oberflächenantigen CD38, welche immer häufiger für die Therapie des Multiplen Myeloms (MM) eingesetzt werden. Da CD38 auch auf der Erythrozytenoberfläche exprimiert wird, kann die Behandlung mit anti-CD38 mAbs bis zu sechs Monate nach der letzten therapeutischen Gabe zu Interferenzen bei Antikörpersuchtests, Antikörperdifferenzierungen und Kreuzproben führen. Daher sollte bei diesen Patienten vor Beginn der Behandlung eine umfassende Bestimmung transfusionsrelevanter Blutgruppen erfolgen, um eine möglichst rasche Freigabe kompatibler Erythrozytenkonzentrate zu ermöglichen.

Interferenz in der Serum-Elektrophorese und Immunfixation

Seit 2016 sind Daratumumab (anti-CD38) und Elotuzumab (anti-SLAMF-7) sowie seit 2020 Isatuximab (anti-CD38) für die Behandlung des MM in der Schweiz zugelassen. Als neue Option wurde kürzlich Belantamab (anti-BCMA) Mafodotin zur Monotherapie bei rezidiviertem, refraktärem MM für die EU bestätigt – die Schweiz könnte nachziehen (6). Als humane monoklonale IgG-Kappa-Antikörper können diese mAbs sowohl mittels Serum-Protein Elektrophorese (SPE) als auch durch Immunfixations-Elektrophorese (IFE) nachgewiesen werden (Abb. 2). Beide Methoden werden routinemässig für das Screening (Gammopathie-Abklärung) und die Überwachung eines endogenen monoklonalen Proteins (M-Protein) angewendet (7). Diese Interferenz ist stark von der Pharmakokinetik der einzelnen mAbs abhängig. Bei Patienten mit einem endogenen IgG-Kappa-Myelomprotein unter Behandlung mit Daratumumab kann die Überwachung des Therapieansprechens erschwert und eine komplette Remission maskiert werden. Umgekehrt kann bei Myelom-Patienten in Remission ein Rezidiv oder sogar eine Progression der Erkrankung vorgetäuscht werden. Spezielle Analysenansätze erlauben heute die Unterscheidung zwischen endogenem und thera­peutischem monoklonalen M-Protein bei Daratumumab-Behandlung (8). Ob ein solch aufwändiger Ansatz erforderlich ist, kann nur durch das durchführende Labor aufgrund der elektrophoretischen Migrationseigenschaften des endogenen M-Proteins beurteilt werden.
Darüber hinaus können weitere therapeutische mAbs, hauptsächlich Rituximab und Bevacizumab (9), als niedrig-konzentriertes monoklonales IgG-Kappa-M-Protein bei einer Gammopathie-Abklärung nachgewiesen werden. Bei fehlenden Angaben zu einer mAb-Behandlung werden solche Fälle in der Regel als MGUS (monoklonale Gammopathie unbekannter Signifikanz) diagnostiziert, eine klinisch asymptomatische klonale Plasmazellproliferation ohne Malignitätskriterien und ohne Therapiebedarf. Nichtdestotrotz stellt eine MGUS die Vorstufe einer malignen lymphoproliferativen Erkrankung (MM, lymphoplasmozytisches Lymphom, Non-Hodgkin-Lymphom) dar und hat klinische Folgen. Weiterführende Abklärungsuntersuchungen, jährliche serologische Verlaufskontrollen und eine unnötige psychische Belastung der Patienten müssten in Kauf genommen werden. Um das Risiko einer Interferenz bei der Abklärung einer Gammopathie zu minimieren, sollte die entsprechende Blutentnahme frühestens zwei Tage nach der Gabe monoklonaler mAbs durchgeführt werden.

Durch die rasante Zunahme an neuen therapeutischen mAbs und deren potenziellem kombinierten Einsatz wird in näherer Zukunft der Umgang mit Interferenzen bei Laboruntersuchungen komplexer werden. Neue Labormethoden, die nicht durch therapeutische mAbs gestört werden, sind schon in Entwicklung (10). Ob diese Einsatz im Routinelabor finden werden, ist noch unklar. In der Zwischenzeit können die Kenntnis potenzieller Risiken und der systematische Informationsaustausch zwischen Klinikern und Labor die beschriebenen Interferenzen grossteils vermeiden.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. sc. nat. Luca Bernasconi

Institut für Labormedizin
Kantonsspital Aarau AG
Tellstrasse 25
5000 Aarau

luca.bernasconi@ksa.ch

Cand. FAMH Peter Neyer

Institut für Labormedizin
Kantonsspital Aarau AG
Tellstrasse 25
5000 Aarau

Dr. sc. ETH Gregoire Biollaz

Freiguterstr. 12
8022 Zürich

LB gibt an, von der Firma Sebia GmBH innerhalb der letzten 5 Jahre einmalig ein Vortrags-Honorar bekommen zu haben.
Die beiden anderen Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

◆ Die Behandlung mit therapeutischen mAbs führt zur Störung verschiedener Laboruntersuchungen.
◆ Interferenzen können durch eine sorgfältige Planung der Blutentnahmezeit vermieden oder anhand geeigneter Labormethoden beseitigt werden.
◆ Der Informationsaustausch zwischen Klinikern und Labor (und vice versa) erlaubt es, den meisten Interferenzen aus dem Weg zu gehen.

Take-Home Message
◆ Le traitement par des mABs thérapeutiques entraîne des interférences avec divers tests de laboratoire.
◆ L’interférence peut être évitée en planifiant soigneusement le temps de prélèvement du sang ou éliminée en utilisant des méthodes de laboratoire appropriées.
◆ L’échange d’informations entre les cliniciens et le laboratoire (et vice versa) permet d’éviter la plupart des interférences.

 

Metastasierendes Endometriumkarzinom

Das Endometriumkarzinom ist der häufigste gynäkologische Tumor in der westlichen Welt, mit zunehmender Inzidenz. Dies ist hauptsächlich dem zunehmenden Übergewicht und Alter geschuldet (1). Die meisten Endometriumkarzinome treten bei postmenopausalen Frauen auf und führen durch eine Postmenopausenblutung zu früher Diagnostik, was die günstige Prognose erklärt. Das relative 5-Jahres-Überleben ist über 80% (2). Kommt es zu einem Rezidiv, ist die Prognose ungünstig. Es stellt sich die Frage: Können wir Patientinnen identifizieren, die trotz niedrigem Initial-Stadium und biologisch günstigen Eigenschaften rezidivieren werden?

Le carcinome de l’endomètre est la tumeur gynécologique la plus fréquente dans le monde occidental, avec une incidence croissante. Cela est principalement dû à l’augmentation de l’obésité et de l’âge. La plupart des carcinomes de l’endomètre surviennent chez les femmes ménopausées et permettent un diagnostic précoce grâce aux saignements post-ménopausiques, ce qui explique le pronostic favorable. La survie relative à 5 ans est supérieure à 80 %. En cas de récidive, le pronostic est défavorable. La question est la suivante : peut-on identifier les patients qui vont récidiver malgré un stade initial bas et des caractéristiques biologiquement favorables.

Neue Definition der Risikogruppen

Die Einteilung aufgrund histologischer Subtypen (früher Typ 1: endometrioid, verbunden mit Übergewicht, Hormonrezeptor-Überexpression, günstiger Prognose, sowie Typ II: hauptsächlich seröse Histologie, schlechte Prognose) ist ungenügend, um das Rezidivrisiko akkurat abschätzen zu können (3). Das hat zur Weiterentwicklung der Bestimmung molekularer Eigenschaften des Endometriumkarzinoms geführt. Das Ziel ist, die Prognose dieser Patientinnen zu verbessern und die Therapien masszuschneidern. Im Sinne einer De-Eskalation werden möglicherweise sogenannte Standard-Therapien nicht (mehr) indiziert werden. Die Subgruppe der Patientinnen mit Polymerase epsilon (POLƐ)-Mutationen haben zum Beispiel eine exzellente Prognose und werden, wenn nicht als solche identifiziert, möglicherweise überbehandelt (Tab. 1). Ob die günstige Prognose allerdings aufgrund des sehr guten Therapie-Ansprechens oder der Verlauf tatsächlich auch spontan hervorragend wäre, ist zur Zeit unklar. Andererseits sind Tumoren mit p53-Dysfunktion prognostisch ungünstig mit genomischer Instabilität und rascher Tumorprogression (4).

Molekulare Subgruppen, Rezidivrisiko

Im Jahr 2013 wurde der Cancer Genome Atlas (TCGA) zum Endometriumkarzinom publiziert, ein Durchbruch in der Klassifikation des Endometriumkarzinoms (5). Vier molekulare Subklassen mit unterschiedlicher Prognose wurden identifiziert. Retrospektive Untersuchungen an Adjuvant-Studien beim Endometriumkarzinom (Post-Operative Radiation Therapy in Endometrial Carcinoma PORTEC- 1, 2 und 3-Studien) entsprechend der molekularen Subtypsierung konnten zeigen, dass histologisch aggressive Tumore bei POLƐ-Mutation eine sehr gute Prognose mit geringem Rückfallrisiko aufweisen gegenüber anderen Subtypen mit gleicher Histologie (4). Betrachtet man ausschliesslich die G3-Tumoren, findet sich eine POLƐ-Mutation in 12%, eine MMMR-Defizienz in 40%, p53-Mutation in 18% und NSMP in 30% aller Karzinome (6).

2021 wurden die aktualisierten ESGO-ESTRO-ESP – Guidelines zur Behandlung des Endometriumkarzinoms publiziert , worin die neuen Definitionen der Risikogruppen bereits aufgenommen wurden. Diese prognostischen Faktoren sind von grosser Bedeutung. Noch stehen uns keine robusten Daten zu prädiktiven Aussagen zur Verfügung. Die retrospektive Analyse der PORTEC3-Studie zeigte beispielsweise bei MMRd-Patientinnen mit adjuvanter Radiotherapie keine Prognoseverbesserung durch die Zugabe einer adjuvanten Chemotherapie. Diese Daten basieren jedoch auf der geringen Zahl von 2 x 70 Patientinnen. Diese wichtigen Daten werden zur Zeit in grossen Phase III-Studien erhoben, wie zum Beispiel in der PORTEC 4a-Studie (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03469674) (8). In dieser internationalen, prospektiven Studie werden Patientinnen mit high-intermediate Risiko-Endometriumkarzinomen randomisiert zu einer individuellen Behandlung, basierend auf molekularpathologischen Eigenschaften, versus der Standardbehandlung, welche auf herkömmlichen kliniko-pathologischen Empfehlungen beruht (s. Abb. 1). Die Patientinnen werden nach der Operation entweder weiter beobachtet ohne Therapie oder erhalten eine Brachytherapie oder eine perkutane Radiotherapie. Im weiteren sollen die molekularen Erkenntnisse aus der PORTEC 3-Studien-Population (TransPORTEC ) in einem komprehensiven internationalen Projekt bezüglich molekularer Risikostratifizierung unterschiedlichen, eben personalisierten adjuvanten Therapien zugeführt werden (Refining Adjuvant treatment IN endometrial cancer Based On molecular features (RAINBO Projekt), TransPORTEC platform trials). Die Planung und Finanzierung dieser grossen internationalen Studie läuft auf Hochtouren. Erste Patientinnen sollen 2022 eingeschlossen werden können. In der Schweiz wird dies im Rahmen unserer kooperativen Forschungsgruppe, der Schweizerische Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung (SAKK), möglich sein. Alle diese Resultate werden mit Ungeduld erwartet und werden uns der Präzisionsmedizin grosse Schritte weiterbringen.

Histologische Subtypen des Endometriumkarzinoms

Die prognostisch ungünstigen serösen Endometriumkarzinome treten in ca 10% auf und sind häufig p53 mutiert. Die Wirksamkeit der Erstlinienchemotherapie ist gleich wie bei den übrigen Histologien, mit allerdings einem Trend zu geringerem Ansprechen. Hellzellige Histologie ist ein Prädiktor für schlechteres progressionsfreies Überleben (HR, 1,52) (9). Ungefähr 30% der Endometriumkarzinome zeigen eine HER2- Überexpression. In einer randomisierten Phase II-Studie konnte die Zugabe von Trastuzumab zu Paclitaxel und Carboplatin eine Verbesserung des medianen progressionsfreien Überlebens von 4.6 Monaten in der metastasierten Situation zeigen (10).
Karzinosarkome sind keine Sarkome. Gemäss der aktuellen WHO-Klassifikation (2020) sind sie, molekularpathologisch charakterisiert, eine aggressive Variante des Endometriumkarzinoms. In den Metastasen finden sich üblicherweise Karzinomanteile vorherrschend. Der Terminus « Maligner Müller’scher Mischtumor» wird nicht mehr verwendet.

Anforderungen an die Pathologie

Die Bestimmung der vier molekularen Subgruppen des Endometriumkarzinoms gemäss TCGA-Atlas ist kostspielig und aufwändig. Talhouk et al. entwickelten einen pragmatischen Algorithmus, den Proactive Molecular Risk Classifier for Endometrial Cancer (ProMisE). Hiermit lassen sich, validiert, molekular verschiedene Subgruppen ähnlich der TCGA-Klassifizierung identifizieren (11). Die vier Gruppen beinhalten:

  • POLƐ Exonuclease Domain Mutationen (POLƐ EDMs)
  • MMR-Defizienz (MMRd)
  • p53 Abnormal / Wildtyp
  • NSMP: kein spezifisches molekulares Profil

Ausser der POLƐ-Hotspot-Analyse (mittels NGS (next generation sequencing) / Sanger-Sequenzierung) werden diese Bestimmungen kostengünstig mittels Immunhistochemie durchgeführt. Sehr selten (ca 5%) finden sich bei Endometriumkarzinomen nicht nur p53 Mutationen, sondern auch POLƐ-Mutationen oder eine MMR-Defizienz.

Wie gehen wir praktisch vor?

Diese molekulare Klassifizierung wird bereits vielerorts routinemässig durchgeführt. Die Daten, welche uns leiten in der Auswahl der adjuvanten Systemtherapie nach molekularen Subgruppen, werden in prospektiven Studien allerdings erst generiert. Folgende Untersuchungen sind in der metastasierten Situation empfohlen:

  • ER (Östrogen-) und PgR (Progesteronrezeptoren) bei allen Typen
  • Immunhistochemische Biomarker wie Programmed death ligand-1 (PD-L1), MSI, evtl tumor molecular burden (TMB)
  • HER2-Status bei den serösen Endometriumkarzinomen

Etwa 3% aller Endometriumkarzinome und kolorektale Karzinome entstehen im Rahmen eines Lynch-Syndromes (HNPCC, hereditäres non-polyposis colorectal carcinoma). An unserem Zentrum testen wir alle Endometriumkarzinome immunhistochemisch bei Primärdiagnose auf Mismatch-Reparatur-Defizienz in den Genen MLH1, MSH2, MSH6, und PMS2. Falls ein Expressionsverlust vorliegt (MMRd) und zusätzlich in MLH1 eine sog. Promotor-Hypermethylierung ausgeschlossen werden konnte, werden diese Tumoren zusätzlich auf Mikrosatelliten-Instabilität untersucht. Bestehen anamnestisch Risikofaktoren auf ein Lynch-Syndrom, werden nach genetischer Beratung zusätzlich die MSI-Untersuchungen ergänzt auch bei den Patientinnen ohne MMR-Defizienz. Findet sich eine Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H), werden molekulargenetische Untersuchungen an der Keimbahn angeschlossen zur Abklärung eines Lynch-Syndroms.

Wie wichtig das molekulare Profil der Endometriumkarzinome ist, sehen wir am gezielten und erfolgreichen Einsatz der Immuntherapie in der metastasierten Situation. Eine PD-L1-Überexpression qualifiziert für eine Checkpoint-Inhibitor-Therapie. Speziell MSI-H und hoher molecular tumor burden (TMB) sind hier prädiktiv (13).
Ein weiterer immunhistologisch bestimmbarer prognostischer Parameter ist das L1-cell adhesion molecule (L1-CAM). Seine Überexpression zeigt sich in zahlreichen Studien als wichtiger Prognose-Faktor (14). Es fehlen uns bis dato prädiktive Ansätze. Die Kombination von histopathologischen (lymphovaskuläre Invasion LVSI und L1-CAM) und neuen molekularen Faktoren werden wohl in Zukunft die die höchste prognostische Aussagekraft haben.

Erstlinienbehandlung des metastasierten Endometriumkarzinoms

Palliative endokrine Therapie

Eine antihormonelle Systemtherapie kann ein oft längeres Therapie-Ansprechen bei über der Hälfte der Patientinnen zeigen. Progestagene (Medroxyprogesteron-Azetat 200 (–300) mg und Megestrol-Azetat 160 mg tgl sind empfohlen (letzteres in der Schweiz nicht mehr erhältlich)). Den Nebenwirkungen wie gehäuft thrombo-embolischem Geschehen sowie relevanter Gewichtszunahme muss Rechnung getragen werden (15). Low grade Tumore mit langsamer Wachstumstendenz mit Hormonrezeptor-Positivität scheinen den grössten Nutzen einer endokrinen Therapie zu haben. Allerdings kann die endokrine Behandlung auch bei hormon-rezeptor-negativer Erkrankung indiziert werden (16).

Eine Steigerung der endokrinen Wirksamkeit konnte mit der Kombination von Aromatasehemmern und Everolimus erzielt werden. Auch hier gilt das spezifische (dosis-abhängige) Nebenwirkungsspektrum von Everolimus zu beachten (Mucositiden, interstitielle Pneumonitiden) (17). Am europäischen Onkologie-Kongress ESMO 2020 wurden Phase II- Daten präsentiert zu einer Kombination von Aromatasehemmern (Letrozol) und CDK4/6-Inhibitor (Palbociclib), wodurch eine klinisch bedeutsame Verbesserung des progressionsfreien Überlebens (PFS) erreicht wurde, mit den erwarteten Nebenwirkungen (18). Diese Resultate sollen in einer Phase III-Studie bestätigt werden. Palliative Chemotherapien in der ersten Therapie-Linie waren ursprünglich anthracyklin-basiert. Doxorubicin wurde allein versus Kombinationen mit Cyclophosphamid und auch Cisplatin untersucht (19). In der GOG-209- Studie konnte gezeigt werden, dass TAP (Paclitaxel, Doxorubicin, Cisplatin) vs Carboplatin/Paclitaxel bei fast 1400 Patientinnen mit fortgeschrittenen oder metastasierten Endometriumkarzinomen non-inferior war zu TAP mit gleichen Gesamtüberlebensraten (20). Carboplatin/Paclitaxel bleibt die Standardbehandlung in der ersten Linie.
Die Kombinationsbehandlungen mit Bevacizumab zeigten eine Verbesserung der Wirksamkeit, gering auch im Gesamtüberleben (21). Allerdings wurde von der FDA keine Zulassung für Bevacizumab erteilt.

Zweitlininenbehandlung

In der Auswahl der Zweitlinien-Therapie besteht kein Standard. Die Behandlung im Rahmen klinischer Studien ist deshalb immer zu prüfen. Vor der Einführung der Immuntherapie wurde im erneuten Rezidiv eine weitere platin-basierte Therapie versucht, wobei hier das Ansprechen > 60% betrug, allerdings nur nach längerem platin-freien Intervall (>24 Monate) (22). Platin- und taxanfreie Regimes zeigten geringe Aktivität.

Verschiedene PD-1- und Anti PD-L1 Checkpoint-Inhibitoren wurden in den letzten wenigen Jahren beim metastasierten Endometriumkarzinom er-folgreich eingesetzt. Man kann von einem wahren Durchbruch in der Rezidiv-Behandlung sprechen, wo zuvor kaum wirksame Therapieoptionen bestanden. Programmed death-1 (PD-1) ist ein Immuncheckpoint Rezeptor, welcher von tumor­infiltrierenden T-Zellen exprimiert wird. Wird er durch PD-L1 aktiviert, ist die T-Zell Aktivität gehemmt und begünstigt dadurch eine Immun-Evasion. Liegt eine Defizienz in der Mismatch -Reparatur (MMRd) vor, kann dies den Tumor sensitiv auf Anti-PD-L1 – Therapien machen (23). Das Nebenwirkungsspektrum mit den immun-assoziierten Veränderungen muss hier beachtet werden, zumal ein Grossteil unserer Patientinnen älter und häufig ko-morbide ist. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen unter Pembrolizumab sind Fatigue, Pruritus, Diarrhoe, Übelkeit mit vermindertem Appetit, Hautausschlag, Fieber, Husten, Atemnot sowie muskulo-skelettale Schmerzen. Die immun-vermittelten Nebenwirkungen wie Pneumonitis, Colitis, Hepatitis, Endokrinopathien und Nephritis sind selten, aber potentiell fatal. Infusionsreaktionen werden öfters beobachtet. Es konnten langdauernde Remissionen beobachtet werden (24). 2017 wurde Pembrolizumab als erste Substanz tumor-agnostisch von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassen. Dies erfolgte aufgrund Phase II-Daten bei soliden Tumoren mit Mikrosatelliten-Instabilität-high (MSI-H)/MMRd, nach Progression auf eine konventionelle Therapie. Es wurde eine signifikante Wirksamkeit gezeigt mit Gesamt-Ansprechraten (ORR) von 34% .(25) 2019 wurde dann die Kombination von Pembrolizumab mit Lenvatinib, einem oralen VEGFR1-3 Hemmer, von Makker et al erfolgreich eingesetzt (26). Noch im selben Jahr wurde diese Behandlung von der FDA als breakthrough in der Zweitlininenbehandlung zugelassen, und zwar bei biomarker-unselektierten Patientinnen. 85% waren mikrosatelliten-stabil, nur 25% waren PD-L1-positiv. Es konnten hohe Ansprechraten (RR) von 36% in dieser vorbehandelten Population erzielt werden, insbesondere auch bei serösen Histologien. Fast 40% hatten ein langdauerndes Ansprechen. Die Nebenwirkungen waren leider beträchtlich, so litten fast 70% aller Patientinnen an einer G3/4-Toxizität (hpts. Nausea, Diarrhoe, art. Hypertonie, Fatigue). Dosis-Anpassungen waren in 70% notwendig.

Es ist bemerkenswert, dass diese Zulassungen ohne Daten aus randomisierten Phase III-Studien erfolgten. Ob die Krankenkassen unseren Patientinnen Kostengutsprache für diese Therapien erteilen, kommt mehr denn je einer Lotterie gleich. Zahlreiche Studien sind unterwegs mit weiteren Checkpoint-Inhibitoren, so zum Beispiel die italienische Phase III-Studie AtTEnd (NCT03603184), in der MMR-unabhängig Carboplatin/Taxol +/- Atezolizumab untersucht wird. Pembrolizumab/Lenvatinib wird in einer Phase III-Studie untersucht werden versus Doxorubicin oder Paclitaxel (ClinicalTrials.gov Identifier: NCT03517449).
Dostarlimab (Jemperli®), ein weiterer Anti-PD-1-Antikörper, wurde in der GARNET-Studie (NCT02715284, multizenter, open-label Studie für Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren) bei Patientinnen mit MMRd rezidiviertem Endometriumkarzinomen untersucht. Bei den 71 eingeschlossenen Patientinnen waren die Resultate so beeindruckend, dass die Zulassung im April 2021 durch die FDA beschleunigt erfolgte für Patientinnen mit MMR-defizientem Endometriumkarzinom nach Progression auf eine platin-haltige Chemotherapie. Ebenso wurde der entsprechende diagnostische Test mittels VENTANA MMR RxDx Panel zugelassen . Dostarlimab wird weiter in einer Phase III-Studie untersucht in Kombination mit Carboplatin/Paclitaxel (NCT03981796, RUBY).
Jemperli® wurde in einer Dosierung von 500 mg iv alle 3 Wochen für 4 Dosen, gefolgt von 1000 mg iv alle 6 Wochen, verabreicht. Die overall response rate (ORR) war bei diesen vor-behandelten Patientinnen hoch mit 42.3% (95% CI: 30.6%, 54.6%), die mittlere Dauer des Ansprechens (duration of response DOR) war nicht erreicht; 93.3% der Patientinnen zeigten nämlich ein Ansprechen ≥ 6 Monate (Range: 2.6 – 22.4 Monate, es war ongoing beim letzten Assessment). Die Nebenwirkungen waren mit 34% SAE’s erheblich, in ≥ 20% wurde Müdigkeit, Asthenie, Nausea, Diarrhoe und Anämie rapportiert. Immun-assoziierte Reaktionen wurden im erwarteten Rahmen beobachtet.

Was bringt die Zukunft?

Wenn auch gerade in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in der Behandlung des metastasierten Endometriumkarzinoms erzielt werden konnten, muss unser Verständnis dieser heterogenen Krankheit stetig wachsen. Ein Fokus wird auf ihrer präzisen Klassifizierung bleiben sowie der weiteren aufwändigen Untersuchung in randomisierten klinischen Studien. Daten aus der PORTEC 4-a-Studie (NCT03469674) sowie Resultate der Phase III-Studie mit Paclitaxel, Carboplatin und Pembrolizumab (NCT02549209) werden unser Verständnis für diese Krankheit hoffentlich verbessern und uns die Therapie- Empfehlungen individuell gestalten lassen. Kombinationsbehandlungen mit Immuntherapie, Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP)-Inhibitoren, anti-angiogenen Substanzen sowie mit Radiotherapie, werden untersucht.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Ursula Hasler-Strub

Stv. Leitende Ärztin Medizinische Onkologie
FMH Medizinische Onkologie
Kantonsspital Graubünden
Loestrasse 170
7000 Chur

ursula.hasler-strub@ksgr.ch

Die Autorin hat im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

◆ Patientinnen mit metastasiertem Endometriumkarzinom haben eine ungünstige Prognose.
◆ Eine palliative endokrine Therapie (Megestat) ist oft langdauernd wirksam und gut verträglich. Wenn die Krankheit nach einer palliativen Chemotherapie mit Carboplatin/Paclitaxel voranschreitet, bestehen neu Therapieansätze mit Immuntherapien: Pembrolizumab bei PD-L1-positiven MMRd (Mismatch Repair defizienten) Patientinnen sowie Pembrolizumab/Lenvatinib bei PD-L1-negativen Patientinnen.
◆ Dostarlimab, ein weiterer PD-L1-Antikörper, wurde kürzlich von der FDA für MMRd rezidivierte Endometriumkarzinome zugelassen. Hier muss eine sorgfältige Auswahl der Patientinnen erfolgen wegen potentiell schwerwiegender Nebenwirkungen.
◆ In Zukunft werden vielversprechende Weiterentwicklungen (zB Immuntherapien in Kombination mit Radiotherapie) erwartet.

Messages à retenir
◆ Les patientes atteintes d’un carcinome endométrial métastatique ont un pronostic défavorable.
◆ Le traitement endocrinien palliatif (mégestat) est souvent de longue durée et bien toléré. Si la maladie progresse après une chimiothérapie palliative au carboplatine/paclitaxel, il existe de nouvelles approches thérapeutiques avec des immunothérapies : Pembrolizumab pour les patients PD-L1 positifs MMRd (mismatch repair deficient) et pembrolizumab/lenvatinib pour les patients PD-L1 négatifs.
◆ Le dostarlimab, un autre anticorps PD-L1, a récemment été approuvé par la FDA pour le cancer de l’endomètre récurrent MMRd. Une sélection rigoureuse des patients est nécessaire en raison des effets secondaires potentiellement graves.
◆ De nouveaux développements prometteurs (par exemple, les immunothérapies en combinaison avec la radiothérapie) sont attendus à l’avenir.

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Liposomales Doxorubicin für Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren – eine Phase-I-Studie

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organi­sation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für die hier vorgestellte Studie oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienverantwortlichen (Coordinating Investigator) oder den Studienkoordinator (Clinical Project Manager).

Das Chemotherapeutikum Doxorubicin ist gegen viele solide Tumoren wirksam, löst aber auch viele Nebenwirkungen aus – eine der wichtigsten ist die Kardiotoxizität. Wird Doxorubicin in einer liposomalen Formulierung verabreicht, wirkt es deutlich weniger kardiotoxisch. Eine liposomale Formulierung von Doxorubicin ist in der Schweiz unter dem Markennamen Caelyx® auf dem Markt. Die Wirksamkeit von Caelyx® ist vergleichbar mit derjenigen des üblichen Doxorubicins, allerdings tritt als Nebenwirkung einer Behandlung mit Caelyx® oft das Hand-Fuss-Syndrom auf, was die Therapie erschwert oder sogar verunmöglicht.

In der Studie SAKK 65/16 wird eine neue Form von liposomalem Doxorubicin geprüft. Präklinische Studien mit diesem Medikament (Talidox) weisen darauf hin, dass es weniger Nebenwirkungen auslösen könnte als bisherige Formulierungen von liposomalem Doxorubicin. Bei SAKK 65/16 handelt es sich um eine Phase-I-Studie, dessen primäres Ziel im ersten Teil der Studie darin besteht, die optimale Dosierung von Talidox zu bestimmen. Sekundäre Endpunkte sind Sicherheit, antitumorale Wirksamkeit und Pharmakokinetik von Talidox. Im zweiten Teil der Studie wird zusätzlich zur Dosisfindung der Plasmaspiegel von TLD-1 mit dem Plasmaspiegel des bereits auf dem Markt erhältlichen Produktes Caelyx® verglichen (vergleichende Pharmakokinetik). Dazu wird dem Patienten in einem randomisierten Crossover-Studiendesign in einem Zyklus (Zyklus 1 oder 2) Caelyx® verabreicht.

Bei Brustkrebs-Patientinnen vergleichbare Wirkung wie Docetaxel

Im ersten Teil der Studie (Dosisfindung), der bereits für den Einschluss von Patienten geschlossen ist, wurden 30 Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren behandelt, die auf keine Standard-Therapie mehr ansprachen oder für die keine Standard-Therapie zur Verfügung steht. Im zweiten Teil der Studie (vergleichende Pharmakokinetik) werden 14 Patienten mit fortgeschrittenem oder rezidiviertem Brust- oder Eierstockkrebs eingeschlossen. Alle Studienteilnehmer werden ambulant behandelt und erhalten randomisiert im ersten Zyklus entweder Talidox oder Caelyx mit x-over im zweiten Zyklus (Dauer je 28 Tage). Ab Zyklus 3 erhalten alle Patienten Talidox alle 21 Tage. Die Therapie mit Talidox wird so lange durchgeführt, wie sie der Patient gut verträgt und es nicht zu einem Progress der Tumorkrankheit kommt, jedoch maximal während 6 Zyklen (für Patienten mit vorgängiger Anthracyclin-Therapie) resp. 9 Zyklen (für Patienten ohne vorgängige Anthracyclin-Therapie).

Studienname: TLD-1, a novel liposomal doxorubicin, in patients with advanced solid tumors. A multicenter open-label single-arm phase I trial.
Coordinating Investigator: Frau Dr. med. Dagmar Hess, dagmar.hess@kssg.ch, Kantonsspital St. Gallen.
Supporting Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Markus Jörger, markus.joerger@kssg.ch, Kantonsspital St. Gallen.
Clinical Project Manager: Dr. Katrin Eckhardt, katrin.eckhardt@sakk.ch, SAKK Bern.
Teilnehmende Zentren: Chur/Kantonsspital Graubünden EOC – Istituto Oncologico della Svizzera Italiana Kantonsspital St. Gallen

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Krebsliga begrüsst Empfehlungen zum Gebärmutterhalskrebs-Screening

Das Expertengremium Krebsfrüherkennung (Cancer Screening Committee) hat Mitte August einen Bericht zum Gebärmutterhals-Screening in der Schweiz publiziert. Die Krebsliga begrüsst die evidenzbasierten Empfehlungen und fordert basierend darauf, dass die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten der HPV-Tests für das Screening in der Zielgruppe im Alter von 30 bis 70 Jahren deckt.

Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen – und eine der wenigen Krebsarten, die mit Screenings und HPV-Impfungen eliminiert werden könnte. In der Schweiz erkranken jährlich rund 260 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, etwa 70 sterben daran. Die Krebsliga begrüsst deshalb, dass ein interdisziplinäres Expertengremium die Screening-Methoden für diese Krebsart in der Schweiz erstmals systematisch untersucht hat. Die Resultate bestätigen, dass es ausreichend ist, wenn die Zielgruppen (Frauen, non-binäre Personen und Transgender-Männer mit Gebärmutterhals) alle drei Jahre zur Früherkennungsuntersuchung gehen. Ein jährliches Screening bringe demnach keinen Mehrwert.

Kostenübernahme der HPV-Tests

Das Gebärmutterhalskrebs-Screening beruht auf einem regelmässig entnommenen Gebärmutterhals-Abstrich. Seit einigen Jahren gibt es zwei Methoden, diesen zu untersuchen: Zum einen die Untersuchung auf Zellveränderungen («Pap-Test»), die hierzulande meistens zum Einsatz kommt. Fast alle Tumoren des Gebärmutterhalses gehen auf eine Infektion mit sogenannten Humanen Papillomaviren (HPV) zurück. International wird deshalb der Abstrich vermehrt auf diese Viren untersucht («HPV-Test»). Diese neuere Untersuchungs-Methode schlägt das Expertengremium nun für die 30- bis 70-Jährigen der Zielgruppe vor. Aktuell deckt die obligatorische Grundversicherung jedoch die Kosten für diese Screening-Anwendung nicht. Daher fordert die Krebsliga die Kostenübernahme der HPV-Tests im Rahmen von Screenings für diese Altersgruppe.

Information und Chancengleichheit

Das Expertengremium betont, dass für die Umsetzung der Empfehlungen eine Informationskampagne sämtlicher Zielgruppen nötig ist. Dazu gehört die Information an GynäkologInnen und weitere Akteure im Gesundheitswesen. Auch die Krebsliga weist auf die Bedeutung einer umfassenden Information und Aufklärung hin, zumal damit bestehende Ungleichheiten im Zugang zum Screening reduziert werden können. Im Sinne der Zugangsgerechtigkeit fordert die Krebsliga die Kantone auf, organisierte Screenings von Gebärmutterhalskrebs in Form von Programmen in Betracht zu ziehen. Solche Screening-Programme können die Chancengleichheit für alle Zielgruppen verbessern, zur Harmonisierung der Praktiken beitragen und die Qualität sicherstellen.

HPV-Selbstabstriche als künftige Option?

Ob und in welchem Rahmen allenfalls HPV-Selbstabstriche zum Screening geeignet sind, hat das Gremium nicht untersucht. Solche Selbsttests könnten aber die mit dem Screening verbundenen Belastungen reduzieren und Zielgruppen erreichen, die heute nicht am Screening teilnehmen.

HPV-Impfung für 11- bis 26-Jährige

Auch die HPV-Impfung war nicht Untersuchungsgegenstand des Gremiums. Nebst dem Screening spielt sie aber eine zentrale Rolle, um Gebärmutterhalskrebs längerfristig zu eliminieren. Die Krebsliga empfiehlt deshalb allen jungen Menschen zwischen 11 und 26 Jahren, sich gegen die HP-Viren impfen zu lassen. Dabei ist es wichtig, nicht nur Mädchen und junge Frauen zu impfen, sondern auch Buben und junge Männer. Die Impfung ist in der Schweiz im Rahmen von kantonalen Impfprogrammen für diese Altersgruppe kostenlos. Trotzdem sind lediglich 50 bis 60 Prozent der Mädchen und jungen Frauen geimpft. Ein Wert, der in den nächsten Jahren erhöht werden muss. Damit dies gelingt, braucht es nun den entsprechenden politischen Willen und Impfprogramme in allen Kantonen. Die Krebsliga begrüsst deshalb, dass der Bund die HPV-Impfung für alle empfohlenen Altersgruppen im Rahmen der kantonalen Programme von der Franchise befreit hat. Für einen niederschwelligen Zugang wäre es wichtig, dass schweizweit auch Apotheken die HPV-Impfung im Rahmen dieser Programme durchführen können. Doch zuerst muss das Parlament die nötigen rechtlichen Grundlagen schaffen. Die Debatte dazu könnte im Rahmen des zweiten Kostendämpfungspakets geführt werden.

www.cancerscreeningcommittee.ch
www.krebsliga.ch/gebaermutterhalskrebs

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

Niederschwellige Anlaufstelle bei Fragen rund um Krebs

Krebsbetroffene müssen sich im Behandlungsdschungel zurechtfinden und Antworten auf unzählige Fragen suchen. Das Krebstelefon unterstützt sie und ihr Umfeld auf diesem Weg. Vor gut 25 Jahren nahmen die Beraterinnen der Krebsliga den ersten Anruf entgegen. Seither steigt die Nachfrage stetig an.

Was meinte die Onkologin genau mit Rezidivrate? Wie rede ich mit meinen Kindern über die Krebsdiagnose? Muss ich die Zahnarztkosten während der Behandlung selbst tragen? Seit 25 Jahren beantworten speziell ausgebildete Fachpersonen diese und weitere Fragen rund um das Thema Krebs. «Wir setzen dort ein, wo offene Fragen oder Unsicherheiten meistens auftauchen: zuhause. Mit unserem niederschwelligen Angebot begleiten wir die Betroffenen und ihr Umfeld nicht nur fachlich, sondern auch emotional», sagt Anna Zahno, Leiterin des Krebstelefons. Im Unterschied zu den sehr eng getakteten Sprechstunden der Spezialistinnen und Spezialisten, können sich die Beraterinnen des spendenfinanzierten Dienstes dabei auch die nötige Zeit nehmen.

Längst mehr als ein Telefon

1995 startete das Krebstelefon als telefonischer Beratungs- und Informationsdienst für die deutsche und die französische Schweiz. An fünf Abenden konnten Betroffene und Angehörige zwischen 16 und 19 Uhr den anonymen Service in Anspruch nehmen. Aus dem Pilotprojekt wurde bald eine etablierte Dienstleistung der Krebsliga, die über die telefonischen Beratungen hinausgeht und sich den Bedürfnissen der Nutzer angepasst hat: E-Mail-Anfragen haben die Briefpost weitgehend ersetzt, der Live-Chat mit einer Fachberaterin wird rege genutzt und im Krebsforum tauschen sich Betroffene, Nahestehende und Fachpersonen zu bestimmten Themen aus.

Steigende Nachfrage

Die Zahlen zeigen es: Das Bedürfnis nach Beratung und Information ist da. Die Anfragen an das Krebstelefon aus der ganzen Schweiz nehmen kontinuierlich zu. Waren es 1995 noch 1550, stieg die Zahl 2019 auf 5900 Beratungen pro Jahr und erreichte im vergangenen Jahr mit 6152 Anfragen einen neuen Höhepunkt. Noch nie im 25-jährigen Bestehen des Krebstelefons gingen so viele Anfragen ein wie 2020. Das hängt einerseits damit zusammen, dass die Anzahl der Krebsbetroffenen in der Schweiz zunimmt, insbesondere jene der Cancer Survivors. Doch auch die Coronapandemie gab Anlass zu einem erhöhten Bedarf an Beratungen: So stiegen beispielsweise die Anfragen im Vergleich zum Vorjahr in den Monaten März und April 2020 um ein Viertel an. Krebsbetroffene wenden sich beispielsweise mit Fragen zur Corona-Impfung an die Beraterinnen des Krebstelefons.

Drei grosse Themenfelder

Doch die meisten Gespräche drehen sich nicht nur um Fragen rund um Krebs und Corona, sondern sind sehr vielschichtig. Grundsätzlich können sie aber in drei grosse Themenblöcke eingeteilt werden: Einerseits sind das Fragen zum Krankheitsbild, den Therapien und Folgen davon, andererseits Fragen zur Bewältigung einer Krebserkrankung, zum Beispiel wie man mit Angst, Verunsicherung, Schmerzen und Körperbildveränderungen umgehen kann. Unter den dritten Themenblock fallen Fragen zu finanziellen Belangen, Sozialversicherungsrecht und weiteren Unterstützungsmöglichkeiten.
Medizinische Fragen zur Erkrankung und den Therapien bilden einen festen Bestandteil der Anfragen. Die heute zu weiten Teilen vorherrschende partizipative Entscheidungsfindung betreffend Therapiewahl bedingt eine gute Information der Betroffenen. Der Arzt, die Ärztin hat die Aufgabe, den Patienten oder die Patientin so aufzuklären, dass er oder sie zu einer begründeten Entscheidung befähigt wird. Betroffene Menschen und die Nahestehenden haben darüber hinaus einen Informationsbedarf und suchen Unterstützung im Prozess der Entscheidungsfindung. Die Fachberaterinnen geben jedoch keine Therapieempfehlungen ab.

Fragen zu Leben und Sterben mit Krebs

Fragen und Probleme rund um die Thematik «Leben und Sterben mit Krebs» sind die häufigsten Bestandteile der Beratungen. Das zeigt: Beratungsgespräche zu existentiellen Themen und Sinnfragen entsprechen einem Bedürfnis. Die Zunahme kann Ausdruck davon sein, dass immer mehr Menschen mit einer Krebsdiagnose während längerer Zeit mit der chronischen Krankheit leben und den veränderten Alltag bewältigen müssen, was zu einem erhöhten Beratungsbedarf in diesem Themenbereich führen kann. Der Aspekt der Arbeit in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung wird zunehmend thematisiert, da ein nicht unwesentlicher Anteil der Betroffenen noch im Arbeitsleben ist. Die Aufgabe, Betroffene und Angehörige als Informationsdrehscheibe mit weiteren wichtigen Akteuren im Gesundheitswesen zu vernetzen, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Themen rund um Prävention, Früherkennung und Krebsrisiken nehmen dagegen bei den Anfragen prozentual ab und auch Anfragen zu komplementären und alternativen Therapien werden seltener gestellt.

Mamma-, Kolon- und Prostatakarzinome

Eindeutig die meisten Anfragen werden zum Mammakarzinom gestellt, fast ein Viertel aller Anfragen betrifft diese Krebsart. Zum Kolonkarzinom stehen vor allem Fragen zur Früherkennung im Vordergrund. Eine Zunahme im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich beim Prostatakarzinom sowie anderen urogenitalen Tumoren. Auch Krebsarten endokriner Organe wie das Pankreaskarzinom werden vermehrt thematisiert. Einen Anstieg verzeichnen auch jene Anfragen, die keine spezifische Tumorerkrankung betreffen, sondern sich allgemein um Fragen in Bezug auf Krebserkrankungen, Prävention oder Therapien handeln.

Nicht nur für Betroffene

Doch wer sind die Menschen, die zum Hörer greifen und die kostenlose Nummer des Krebstelefons wählen oder dort schriftlichen Rat suchen? Der Grossteil der Anfragen stammt von krebsbetroffenen Menschen oder ihren Nahestehenden. Die Tatsache, dass sich fast gleich viele Nahestehende wie Betroffene beim Krebstelefon melden, bildet das deutliche Bedürfnis ab, die Krankheit Krebs zu verstehen und auch für sich selber Information und Beratung zu suchen. Es wenden sich aber auch Fachpersonen, Mitarbeitende der kantonalen und regionalen Ligen und weitere am Thema Krebs interessierte Personen an das Krebstelefon. Deutschsprachige Anfragen machen mit gut 70 Prozent zwar den grössten Anteil aus, aus der lateinischen Schweiz erreichen das Krebstelefon allerdings zunehmend mehr Anfragen.

Immer mehr Anfragen von Männern

Die Anzahl der anfragenden Männer steigt; sie sind mit 28 Prozent der Anfragenden jedoch nach wie vor in der Minderzahl. Auffallend ist, dass sich Männer in der Hälfte der Fälle nicht für sich selber, sondern als Nahestehende an das Krebstelefon wenden. Das erklärt auch, warum Männer nebst dem Prostatakarzinom insbesondere an Informationen zum Mammakarzinom interessiert sind. Im Vergleich zu Frauen suchen sie den Kontakt etwas häufiger schriftlich (per E-Mail oder im Chat), jedoch bleiben auch in dieser Zielgruppe die Telefonanrufe die häufigste Form der Kontaktaufnahme.

Ausbau der digitalen Angebote

Betroffene und Nahestehende scheinen sich gerne über Online-Angebote informieren und beraten zu lassen in Ergänzung zu den Beratungsdienstleistungen der kantonalen und regionalen Krebsligen vor Ort. Die Zunahme der Online-Beratungen ist wohl auf die vermehrte Mobilität von Menschen im virtuellen Raum zurückzuführen. Viele Menschen suchen sich die Unterstützung dort, wo sie niederschwellig angeboten wird. Die E-Mail-Beratung Helpline und der Chat Cancerline sind hierfür gute Beispiele. Das Krebsforum als virtuelle Peer-to-Peer-Austauschplattform für Betroffene und Nahestehende zeigte 2020 eine grosse Zunahme der Seitenzugriffe. Für das Krebstelefon bedeutet dies, dass in Zukunft die Online-Angebote gestärkt werden sollen.

Krebsliga Schweiz, helpline@krebsliga.ch

Das Krebstelefon in Zahlen

2020 beantworteten die Beraterinnen des Krebstelefons über 6000 Anfragen, davon 70% von Frauen, 28% von Männern und ein Prozent von Kindern und Jugendlichen. Die häufigsten Fragen kamen per Telefon: Fast 60% wandten sich telefonisch an die Fachpersonen, knapp ein Drittel der Anfragen ging per E-Mail ein und etwa fünf Prozent erfolgten per Chat. Ein Telefongespräch dauert im Schnitt etwa 20 Minuten, eine schriftliche Beratung benötigt in der Regel mindestens doppelt so lange.