Deutlich variierende PQ-Zeiten

Bei einem 31-jährigen Berufsmilitaristen, Angehöriger einer Spezialeinheit, fiel anlässlich einer medizinischen Untersuchung im Fliegerärztlichen Institut (FAI/AeMC) das EKG auf. Es fand sich eine PQ-Zeit von 0.50 sec (Abb. 1), wobei unmittelbar danach in weiteren EKG’s normale PQ-Zeiten vorlagen (PQ-Zeit 0.19 sec bzw. 0.22 sec bei Frequenzen von 66/min bzw. 53/min).

Auch in früheren, im Fliegerärztlichen Institut in Dübendorf vorgenommenen EKG’s waren die PQ-Intervalle normal gewesen. Der Militarist wurde zur kardiologischen Evaluation überwiesen. Er ist sportlich bestens trainiert und hatte nie kardiale Probleme, so auch nie Phasen mit Palpitationen oder Schwindelattacken. Das EKG war normal, es fand sich eine PQ-Zeit 0.22 sec bei einer Frequenz von 44/min (Abb. 2).

Es fanden sich auch weder in einem 5 Minuten-EKG-Rhythmusstreifen noch während des Belastungstests ein AV-Block I bzw. eine verlängerte PQ-Zeit. Die Echokardiographie war normal. Ein 24 h-EKG konnte aus administrativen Gründen erst später vorgenommen werden. Dabei fanden sich nun abrupte Wechsel von zwei Arten von PQ-Intervallen, normalen und deutlich verlängerten. Der Wechsel von einer kurzen PQ-Zeit zu einer langen PQ-Zeit wurde entweder durch eine ventrikuläre Extrasystole (VES) oder durch eine Verlangsamung des Rhythmus induziert. Und umgekehrt war oft auch eine VES der Auslöser für den Übergang von der langen PQ-Zeit in diejenige mit kurzer PQ-Zeit (Abb. 3). Die Diagnose war nun bestätigt, die man im Prinzip bereits vor der Durchführung dieses Langzeit-EKG’s vermutet hatte.

Diagnose und deren Bedeutung:

Es muss sich um eine duale AV-Knoten-Physiologie handeln, d. h. im AV-Knoten existiert neben einer normal leitenden noch eine zweite, langsam leitende Bahn im Sinne einer dualen AV Knoten Physiologie. Wenn der Stromimpuls den Weg über den slow pathway nimmt, wird die PQ-Zeit verlängert. Offensichtlich leitet diese Bahn im vorliegenden Fall aber sehr langsam, deshalb kommt es zu dieser extrem langen PQ-Zeit von 0.50 sec.
Das Vorliegen einer Dualität im AV Knoten ist die Basis für AV-Knoten-Reentry-Tachykardien (AVNRT) (1, 2) und auch für die Möglichkeit, mit zwei deutlich unterschiedlich langen PR-Intervallen überzuleiten. Der fast pathway wird bei der Überleitung über den slow pathway jeweils retrograd penetriert («concealed conduction»), was ihn mit jeder Überleitung für die folgende wieder refraktär macht. Der Wechsel vom fast auf den slow pathway erfolgt oft durch Extraschläge oder rasche Veränderungen des autonomen Tonus. Der Rhythmus mit Leitung über den slow pathway wird nicht selten mit einem junktionalen Rhythmus verwechselt, da die P-Wellen sich auf der T-Welle oder im QRS-Komplex verstecken können. Die AV-Dyssynchronie verursacht in 2/3 der Fälle milde bis mässige Symptome im Sinne eines Schrittmachersyndroms, was mit einer Ablation des slow pathways behoben werden kann (3). Es hängt von den Leiteigenschaften der Bahnen ab, ob es ebenfalls zu AVNRT kommt und falls ja, bestimmen die Leiteigenschaften, wie hoch die entsprechende Herzfrequenz bei Vorliegen der AVNRT ist. Eine duale AV-Knoten-Physiologie kommt recht häufig vor, es wird eine Prävalenz von 10 bis 35% beschrieben (4). Sie ist aber im Oberflächen-EKG meist nicht sichtbar und hat häufig keine Konsequenzen, d. h. sie geht oft ohne tachykarde Rhythmusstörungen einher. Eine EKG-Manifestation, wie wir sie in unserem Fall vorgefunden haben, findet sich selten. Meist wird die duale AV-Knoten-Physiologie erst in der elektrophysiologischen Abklärung bei der Abklärung von paroxysmalen Tachykardien entdeckt (1, 3, 5, 6, 7).

Beurteilung des Patienten bezüglich seiner Tauglichkeit als professioneller Militarist für Sondereinsätze:

Der Kardiologe schrieb an das FAI/AeMC folgendes: «Rein theoretisch können bei diesem Patienten tachykarde Rhythmusstörungen durch einen Reentry-Mechanismus ausgelöst werden. Der Patient hat bisher keine Phasen von Palpitationen bzw. nie ein Herzrasen gehabt. Im Prinzip könnte bei ihm eine solche Rhythmusstörung in Zukunft auftreten. Diese würde aber nicht sehr tachykard sein, denn die erwähnte lange Überleitungszeit im slow pathway verhindert eine sehr hohe Frequenz. Dies bedeutet wiederum, dass der Patient höchstens oligosymptomatisch sein würde, falls er eine solche Rhythmusstörung haben sollte, und dass diese keineswegs beispielsweise zum gefährlichen Zustand einer «Sudden incapacitation» führen würde. Und dies bedeutet auch, dass der Patient aktuell keine elektrophysiologische Abklärung benötigt, und dass er in seiner militärischen beruflichen Tätigkeit als uneingeschränkt tauglich deklariert werden kann.»

Dr. med. René Maire
Kardiologische Praxis
Bahnhofstrasse 20, 8708 Männedorf
<maire@hin.ch>

Dr. med. Yannic Mathieu
Dr. med. Denis Bron
Fliegerärztliches Institut FAI/AeMC
Bettlistrasse 16, 8600 Dübendorf

PD Dr. med. Christian Binggeli
HerzGefässZentrum Zürich
Kappelistrasse 7, 8002 Zürich

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Dr. med. René Maire

Kardiologische Praxis
Bahnhofstrasse 20
8708 Männedorf

maire@hin.ch

Die Autoren haben im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

◆ Ein Holter EKG mit zwei verschieden langen P-R Intervallen (intermittierender AV Block I) mit plötzlichem Wechsel ist sehr verdächtig für das Vorliegen einer dualen AV-Knoten Physiologie. Milde bis mässige Symptome wie intermittierend auftretender Schwindel, Leistungsintoleranz oder thorakaler Druck sind dabei oft mit der Leitung über den slow pathway assoziiert und können therapiert werden (Ablation).

1. Brugada J, Katritsis D G, Arbelo E et al. 2019 ESC Guidelines for the management of patients with supraventricular tachycardia. Eur Heart J 2020;41:655-720
2. Carrizo A G, Ballantyne B, Baranchuk A. Atrioventricular node reentrant tachycardia. Book: Reference Module in Biomedical Sciences 2017/12/31
3. Badhwar N, Scheiman M M. Duality of AV nodal conduction. J Am Coll Cardiol EP 2016;2:375-6
4. Mani B C, Pavri B B. Dual atrioventricular nodal pathways physiology: A review of relevant anatomy, electrophysiology, and electrocardiographic manifestations. Indian Pacing and Electrophysiology Journal 2014;14:12-25
5. Kanjwal K. A rare evidence of a dual atrioventricular nodal physiology in a patient with narrow complex tachycardia. J Innov Cardiac Rhythm Manage 2018;9:3425-6
6. Park J S, Hwang H J, Young B et al. Clinical and electrophysiologic characteristics before and after radiofrequency ablation of sustained slow atrioventricular nodal pathway conduction. J Am Coll Cardiol EP 2016;2:367-74
7. Hartmann J, Jungen C, Stec S et al. Outcomes in patients with dual antegrad conduction in the atrioventricular node: Insights from a multicentre observational study. Clinical Research in Cardiology 2020;109:1025-34

Die renale Denervierung

Bluthochdruck zählt zu den Hauptrisikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt. Wird er nicht entsprechend behandelt, können die Nervenbahnen zwischen Niere und Gehirn überaktiv werden. Mit der renalen Denervierung wurde eine neue Möglichkeit der Regulation einer Hypertonie geschaffen, die von einer Medikamenteneinnahme unabhängig ist und zu einer dauerhaften Blutdrucksenkung führt. Die renale Denervierung ist ein sicheres endovaskuläres Verfahren ohne signifikante kurz- oder langfristige unerwünschte Wirkungen, basierend auf Daten, die bis zu 3 Jahre zurückliegen. Sie gilt mittlerweile als evidenzbasierte Option zur Behandlung des Bluthochdrucks zusätzlich zu Lebensstiländerungen und, falls notwendig, blutdrucksenkender Medikation. Sie ist keine konkurrierende Behandlungsstrategie, sondern eine Alternative oder Ergänzung zu bestehenden Behandlungsmöglichkeiten.

Herr Prof. Valgimigli, die renale Denervierung ist eine innovative Therapie zur Behandlung von Patienten mit hohem Blutdruck. Können Sie uns genauer erklären, worum es sich dabei handelt und worin der Nutzen für den Patienten besteht?

Prof. Valgimigli: Bei der renalen Denervierung handelt es sich um ein perkutanes, minimalinvasives Verfahren, bei dem Energie an die Nerven um die Nierenarterien herum abgegeben wird. Die Nieren sind Teil des Blutdruckkontrollmechanismus des Körpers. Eine Überaktivität der Nerven, die zu den Nieren führen, kann hohen Blutdruck verursachen. Diese Nerven können herunterreguliert werden, damit die Nieren den Blutdruck besser kontrollieren können. Da die arterielle Hypertonie ein bekannter kardiovaskulärer Risikofaktor ist, der mit Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzinsuffizienz in Verbindung gebracht wird, trägt eine bessere Kontrolle des arteriellen Drucks dazu bei, das Risiko für diese unerwünschten Ereignisse zu verringern.

Was halten Sie von dem neuen ESH-Positionspapier (PP) zu RDN? Was sind die wichtigsten Erkenntnisse/Botschaften aus diesem Papier?

Dieses aktuelle Positionspapier unterstreicht die Tatsache, dass diese Behandlung funktioniert und mit einer Senkung des ambulanten Blutdrucks um 10 mmHg verbunden ist. Es wird erwartet, dass dieser Behandlungseffekt zu einer signifikanten und klinisch bedeutsamen Senkung des kardiovaskulären Risikos führt. In der Vergangenheit herrschte eine gewisse Verwirrung über die objektive Wirksamkeit dieser Behandlung. Neuere Daten haben gezeigt, dass diese Behandlung wirksam ist und sowohl kurz- als auch langfristig sicher ist.

Können wir auf der Grundlage dieser Arbeit sagen, dass RDN als Therapie zur Senkung der Hypertonie funktioniert? Ist sie sicher?

Sie wirkt und ist zweifelsfrei sicher.

Wie wichtig ist die Patientenpräferenz und wie sollte sie in die Diskussion einbezogen werden?

Die Patientenpräferenz ist natürlich von grösster Bedeutung. Der Patient muss die mit der arteriellen Hypertonie verbundenen Risiken vollständig verstehen. In den meisten Fällen akzeptieren die Patienten nicht, dass die Erstlinienbehandlung in einer Umstellung der Ernährung und des Lebensstils besteht. Daher werden Massnahmen wie eine Reduzierung des Salzkonsums und ein gesünderer Lebensstil einschliesslich der Aufgabe des Rauchens, ein eingeschränkter Alkoholkonsum und regelmässige körperliche Betätigung von den Patienten nicht konsequent umgesetzt, obwohl dies als Erstbehandlung empfohlen wird. Ebenso wenig akzeptieren die Patienten die Notwendigkeit einer lebenslangen täglichen Einnahme von Medikamenten zur Blutdrucksenkung und deren Folgen. Daher wird eine Behandlung wie die renale Denervierung, die zwar invasiv ist, aber einen einmaligen Eingriff darstellt, als sehr gute Option angesehen. Letztendlich ist es nicht wichtig, wie man eine bessere Kontrolle des Blutdrucks erreicht, solange man die Ziele auf die eine oder andere Weise erreicht.

Wie wählt man den richtigen Patienten für die RDN aus?
In welchen Fällen sollte RDN verschrieben werden?

Diese Behandlung ist meines Erachtens den Patienten vorbehalten, die trotz Änderungen des Lebensstils und der Medikamente keine stabil niedrigen Blutdruckwerte erreichen oder beibehalten können oder andere Behandlungsmöglichkeiten ablehnen.

Für welche Patientenkategorien würden Sie RDN in Betracht ziehen: jung/alt, Patienten mit kardiovaskulärem Risiko, Patienten, die bereits starke Medikamente einnehmen?

Ich glaube nicht, dass das Alter bei der Auswahl der Patienten eine grosse Rolle spielt, aber natürlich würde man die Behandlung eher Patienten anbieten, deren Lebenserwartung mehr als 5 bis 10 Jahre beträgt und bei denen man davon ausgeht, dass die Auswirkungen der Behandlung auf das Ergebnis grösser sind. Aber auch bei älteren Menschen, die trotz medikamentöser Behandlung unter hohen oder sehr hohen Druckwerten leiden, sollte die Behandlung in Erwägung gezogen werden, wenn man bedenkt, dass ein schwerer Bluthochdruck den Patienten auch kurzfristig einem Risiko für Schlaganfälle und intrakranielle Blutungen aussetzt.

Kann RDN bei Patienten, die ihre medikamentöse Behandlung nicht einhalten, also nicht-adhärenten Patienten, verschrieben werden?

Ja, es ist eine gute Option für diese Patienten. Die Schwierigkeit besteht oft darin, dass der Patient ehrlich zugibt, dass er die verordneten Medikamente nicht regelmässig annimmt. Viele Patienten nehmen die Tabletten erst kurz vor den Arztbesuchen ein und brechen die Behandlung zwischen den Konsultationen ab.

Sollte RDN als Erstlinientherapie verschrieben werden?
Wenn ja, in welchen Fällen?

Ich denke, nur bei Patienten, die andere Behandlungen ganz klar ablehnen. Sie funktioniert als Erstlinientherapie, und die jüngsten Erkenntnisse sprechen für ihren Einsatz in diesem Bereich. Allerdings handelt es sich dabei um eine teure und invasive Behandlung, die nicht routinemässig bei nicht selektierten Patienten als Erstlinientherapie eingesetzt werden kann.

Haben Sie einen Vorschlag für Ihre Kollegen, die mit der RDN beginnen möchten?

Meine Empfehlung ist, diese Behandlung anzubieten. Es gibt immer noch Skepsis in der Gemeinschaft, aber sobald man damit anfängt, merkt man, dass die Behandlung für die Patienten von Nutzen ist und von diesen sogar leichter akzeptiert wird, als die Ärzte vielleicht denken.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Cardio & Metabolic Update pour la pratique

La formation Cardio & Metabolic Update pour les médecins généralistes qui a été organisée plusieurs fois en ligne par Medworld, a été très bien accueillie. Il y avait toujours plus de 80 personnes connectées en direct. Deux orateurs de renom ont fait part de leurs expériences pratiques avec les NOAC et comment davantage de patients peuvent atteindre les niveaux de cholestérol définis dans les nouvelles directives.

NOAC – recommandations issues de la pratique quotidienne

En guise d’  introduction, le PD Dr méd. Alexander Breitenstein, Hôpital universitaire de Zurich, a fait référence à une publication récente (1), la dernière version d’ un guide sur l’ utilisation des anticoagulants oraux non dépendants de la vitamine K dans la pratique quotidienne. Il a présenté l’ organigramme de l’ approche de la fibrillation auriculaire telle qu’ elle est décrite dans les lignes directrices de l’ ESC proposées l’ année dernière (2). Celui-ci devrait conduire à une décision pour ou contre l’ anticoagulation orale en fibrillation auriculaire. La décision se fonde d’ une part sur le score CHA2DS2-VASc pour évaluer le risque d’ accident vasculaire cérébral, et d’ autre part sur le score HAS-BLED pour évaluer le risque d’ hémorragie. Aujourd’ hui, la décision va directement aux anticoagulants oraux directs non dépendants de la vitamine K (NOAC), qui, par rapport aux antagonistes de la vitamine K, sont désormais utilisés de préférence. On ne distingue pas si la fibrillation auriculaire est paroxystique ou permanente. Il existe des données provenant de grandes études de registre qui suggèrent que les patients souffrant de fibrillation auriculaire paroxystique ont un risque potentiellement plus faible d’ accident vasculaire cérébral. Ceci est également évident dans la mortalité (3). L’ administration d’ anticoagulation en fonction de la fréquence de la fibrillation auriculaire n’ a jamais été randomisée. C’ est pourquoi elle n’ a pas été incluse dans les lignes directrices. La fréquence de la fibrillation auriculaire ne compte pas dans le processus de décision pour ou contre l’ anticoagulation.

NOAC versus les antagonistes de la vitamine K

L’ orateur a brièvement évoqué la cascade de coagulation et a rappelé l’ auditoire que les antagonistes de la vitamine K interagissent avec la production de certains facteurs de coagulation, tandis que les NOAC interagissent avec les substances activées déjà formées. Il existe des inhibiteurs directs du facteur Xa (l’ apixaban, l’ edoxaban le rivaroxaban) et l’ inhibiteur direct de la thrombine, le dabigatran. Chacune de ces 4 substances a été testée contre les antagonistes de la vitamine K dans de grandes études portant sur plus de 10 000 patients. En termes d’ efficacité et de protection contre l’ AVC ou l’ embolie systémique, les NOAC étaient au moins aussi bons que les antagonistes de la vitamine K, voire encore meilleurs. La percée a eu lieu par le fait que les NOAC étaient plus sûrs que les antagonistes de la vitamine K. Moins d’ hémorragies ont été observées. C’ est particulièrement vrai pour les redoutables hémorragies intracrâniennes, qui étaient beaucoup moins fréquentes et dont la fréquence était cliniquement moins pertinente. Entre-temps, ces données issues d’ essais randomisés pourraient également être utilisées dans de grands registres, c’ est-à-dire chez des patients vus dans la pratique clinique quotidienne. Une comparaison en Suède en 2012, où principalement des antagonistes de la vitamine K ont été utilisés, avec l’ année 2017, alors que le passage aux NOAC était presque terminé, montre un taux d’ AVC significativement plus faible en 2017 qu’ en 2012, indépendamment de l’ âge et du CHA2DS2-VASc score. De même le taux d’ hémorragie était significativement plus faible en 2017 qu’ en 2012 (4).
Une autre question est de savoir ce que les patients attendent de l’ anticoagulation orale. Il a été démontré qu’ environ 60 % des patients veulent à la fois une bonne protection contre les accidents vasculaires cérébraux et un faible risque d’ hémorragie, ce risque augmentant avec les connaissances sur l’ AVC (5). Les deux comptent donc pour les patients : prévenir les accidents vasculaires cérébraux et avoir le moins de saignements possible. Au cours des dernières années, on a de plus en plus abordé ce problème en se concentrant sur ces deux critères distincts : les événements ischémiques et les événements hémorragiques, qui sont désormais considérés ensemble dans ce qu’ on appelle le «bénéfice clinique net». Cela a également été étudié pour les NOAC, et il s’ est avéré que l’ avantage net pour les NOAC était encore plus élevé que le bénéfice pour les paramètres individuels (6).

Le risque d’ hémorragie

Cela a encore pris de l’ importance. La stratification du risque dans la fibrillation auriculaire pour ou contre l’ anticoagulation est basée uniquement sur le score CHA2DS2-VASc. Parallèlement, le risque d’ hémorragie doit être déterminé à l’ aide du score HAS-BLED. Cela n’ a jamais été étudié dans un essai randomisé pour prévenir l’ anticoagulation. Le but de son utilisation n’ est pas de prévenir l’ anticoagulation, mais d’ identifier les facteurs qui augmentent le risque de saignement, afin de les éliminer. Ces facteurs comprennent l’ âge, la pression artérielle, l’ état après l’ AVC, l’ état après l’ hémorragie ou la prédisposition à l’ hémorragie, l’ INR instable, les médicaments (AINS, ASA, etc.), l’ alcoolisme ou la toxicomanie.

Aspects particuliers

  • L’ Hémorragie gastro-intestinale
    La percée des NOAC s’ est accompagnée d’ une augmentation de la sécurité, à savoir moins de saignements pertinents. Ceci doit être légèrement relativisé, car au moins le nombre de saignements gastro-intestinaux était plus élevé dans certaines études. Cependant, les études ne peuvent toutefois pas être directement comparées entre elles, car elles portent sur des populations différentes. Le score CHA2DS2-VASc était différent, tout comme le risque de saignement. La tendance à une augmentation des saignements gastro-intestinaux a également été confirmée dans les méta-analyses (7). Le nombre d’ événements hémorragiques majeurs était plus faible avec les NOAC qu’ avec les antagonistes de la vitamine K. La recommandation est que les facteurs conduisant à une augmentation des saignements doivent être éliminés. Si cela n’ est pas possible la question est de savoir s’ il faut ou non reprendre l’ anticoagulation. Si ces facteurs ne sont pas présents, l’ anticoagulation peut être reprise après un certain temps.
  • L’ anticoagulation en cas de valeurs extrêmes de l’ IMC
    Les NOAC fonctionnent en fait pour toutes les valeurs d’ IMC. Aucune différence statistiquement significative n’ a été observée ni dans le risque d’ accident vasculaire cérébral ni dans le risque d’ hémorragie (1). Les NOAC peuvent donc être utilisés sans scrupules avec un IMC de 17-40 au dosage recommandé. Pour les valeurs d’ IMC plus élevées, il faut passer à des antagonistes de la vitamine K ou à la mesure des taux plasmatiques des NOAC. Cela vaut également pour les valeurs d’ IMC particulièrement basses.
  • L’ anticoagulation dans la population âgée
    Les études d’ homologation des 4 NOAC ont montré de manière cohérente que les patients plus de 75 ans bénéficient encore plus de l’ anticoagulation avec les NOAC que ceux de moins de 75 ans. Dans le cas d’ une hémorragie, c’ est plus ou moins la même chose. Le «bénéfice clinique net» se manifeste davantage chez les plus de 75 ans que chez les plus jeunes.

Conclusions

La protection contre l’ AVC en cas de fibrillation auriculaire est la priorité absolue.
De nos jours celle-ci est recommandée par l’ utilisation d’ anticoagulants oraux non dépendants de la vitamine K (recommandation de classe IA).
Ne pas considérer séparément les événements thrombotiques et hémorragiques → Les deux créent un handicap pour nos patients.
Plus le risque est élevé, plus le bénéfice est important (par exemple, dans la population âgée).

Comment faire en sorte que davantage de patients atteignent les valeurs cibles de cholestérol ?

L’ athérosclérose reste la première cause de mortalité à un âge avancé, également en Suisse, comme le montrent les chiffres de l’ Office fédéral de la statistique, ainsi le Pr Dr méd. Georg Noll, Clinique Hirslanden de Zurich. L’ athérosclérose est un processus qui dure toute la vie. Les vaisseaux changent, et un dysfonctionnement endothélial ainsi que des plaques athéromateuses qui contiennent du cholestérol se produisent. Ces dépôts de cholestérol entraînent des modifications vasculaires fonctionnelles et structurelles. Les patients deviennent symptomatiques lorsque la vasoconstriction équivaut à environ 50 % de la lumière. Un accident coronarien aigu se produit lorsque les plaques se rompent, ce qui active la coagulation et conduit à la formation de thrombus. Les facteurs inflammatoires y jouent également un rôle. Nous savons que l’ athérosclérose dépend des facteurs de risque, a déclaré l’ orateur. Le cholestérol joue un rôle très important. Dans l’ étude INTERHEART (5), le rapport de l’ Apo B/Apo A-I, qui correspond approximativement au rapport de LDL-C/HDL-C, multiplie le risque cardiovasculaire par 3,3 chez les patients affectés par ce facteur de risque.

Risque global et valeurs cibles

Cependant, les lignes directrices recommandent d’ évaluer le risque global plutôt que de prendre en compte un seul facteur de risque. Le groupe de travail «Lipides et athérosclérose» de la Société suisse de cardiologie a adapté les recommandations de la Société européenne de Cardiologie pour la Suisse et les a reproduites dans des guides de poche. Selon le risque global, 4 catégories de risque sont définies : risque très élevé, risque élevé, risque modéré et risque faible. L’ évaluation du risque détermine également la thérapie. Dans les lignes directrices des sociétés européennes de cardiologie et d’ athérosclérose (8), qui ont été publiées l’ année dernière, de nouvelles valeurs cibles ont été définies sur la base de diverses études cliniques : pour un risque très élevé, une valeur LDL-C < 1,4 mmol/l, pour un risque élevé < 1,8 mmol/l, pour un risque modéré < 2,6 mmol/l,
et pour un risque faible une valeur < 3,0 mmol/l est recommandée et, dans chaque cas, une réduction du cholestérol LDL d’ au moins 50 %, alors que dans la catégorie à faible risque, notamment des changements de mode de vie sont recommandés pour atteindre ces valeurs. Le risque d’ événements cardiovasculaires au cours des 10 prochaines années peut être facilement estimé avec le calculateur de risque AGLA (AGLA.ch).

Les patients présentant un niveau de risque cardiovasculaire très élevé et élevé

Il est important que ces patients soient identifiés, surtout ceux qui présentent une athérosclérose cliniquement manifeste, c’ est-à-dire les patients ayant des événements cardiovasculaires, infarctus du myocarde ou accident vasculaire cérébral, mais aussi les patients atteints d’ hypercholestérolémie familiale. L’ hypercholestérolémie familiale est encore insuffisamment diagnostiquée en Suisse. L’ orateur a souligné que chez les patients dont les valeurs de LDL-C sont supérieures à 5 mmol/l, tous les parents au moins au premier degré doivent également être testés. L’ insuffisance rénale grave (eGFR <30), le diabète avec des lésions d’ organes terminales ou 3 autres facteurs de risque supplémentaires ou bien un diabète de type 1 présent depuis plus de 20 ans sont également associés à un risque très élevé. Les patients à haut risque ne sont pas nécessairement déjà symptomatiques. Il s’ agit de patients qui ont des preuves documentées par exemple par tomographie coronarienne, une procédure extrêmement sensible qui permet aujourd’ hui une détection plus précise des changements artériosclérotiques.
Les patients présentant une augmentation marquée d’ un seul facteur de risque, par exemple un taux de cholestérol supérieur à 8 mol/l ou un taux de LDL-C supérieur à 5 mmol/l, ont également un risque très élevé. Pour eux, le score global de risque moyen ne s’ applique pas.

Traitement médicamenteux

Les médicaments ne sont toutefois pas la panacée, a souligné l’ orateur. Il est important de recommander aux patients des changements de mode de vie, notamment l’ arrêt du tabac et l’ augmentation de l’ activité physique, mais aussi des changements alimentaires, moins de sel, plus de légumes et de fruits, du poisson deux fois par semaine et surtout 30 g de noix par jour. L’ alcool n’ est pas recommandé mais autorisé.
Toutefois, les modifications du mode de vie sont insuffisantes en cas d’ élévation grave du taux de LDL-C et de risque cardiovasculaire élevé. Dans ces cas, il faut recourir à des médicaments.
Une réduction du LDL-C de 1mmol/l entraîne une réduction de 23 % des événements coronariens et de 21 % des événements vasculaires (9). Plus le taux de cholestérol LDL est bas, plus le risque cardiovasculaire est faible. Cela est vrai pour tout type de réduction des lipides et pour tous les patients, à l’ exception de ceux souffrant d’ insuffisance cardiaque, quel que soit le taux de cholestérol LDL de départ.
Même dans les groupes de patients qui commencent avec un taux médian de cholestérol LDL de 1,6 mmol/l et atteignent un taux médian de 0,5 mmol/l, on observe une réduction constante du risque relatif d’ événements vasculaires graves par modification du taux de cholestérol LDL de 21 % en moyenne, sans qu’ aucun effet indésirable ne soit observé. Ces données suggèrent qu’ un abaissement supplémentaire des taux de LDL-C au-delà des objectifs actuels les plus bas permettrait de réduire davantage le risque cardiovasculaire (10).

Les médicaments hypolipidémiants et leurs effets

Les statines sont les hypolipidémiants les plus couramment utilisés. Elles sont probablement les médicaments les mieux documentés au monde. Les statines réduisent le taux de cholestérol LDL jusqu’ à 50 %. Les fibrates sont des médicaments anciens qui réduisent efficacement les triglycérides d’ environ 30 %). Ils sont utilisés chez les patients dont le taux de triglycérides ne peut être abaissé de manière significative malgré un régime alimentaire et qui présentent un risque accru de pancréatite. Les résines d’ échange telles que le colestipol ne sont guère utilisées aujourd’ hui en raison de leurs effets secondaires. L’ ézétimibe réduit le cholestérol LDL d’ environ 20 %. Il est principalement utilisé en association avec des statines, où il a un effet similaire à celui d’ une triple dose. Les anticorps contre le PCSK9 réduisent le cholestérol LDL d’ environ 60 %. Ils réduisent également la Lp(a) athérogène d’ environ 25 %.
Les deux essais pivots avec les inhibiteurs de PCSK9, FOURIER avec l’ évolocumab et ODYSSEY OUTCOMES avec l’ alirocumab, ont également montré une réduction des événements cardiovasculaires d’ environ 15 % (11, 12). L’ acide bempédoïque est un nouveau médicament dont le remboursement sera bientôt autorisé en Suisse. Comme les statines, il interfère avec la synthèse du cholestérol. L’ acide bempédoïque (Nilemdo®) réduit le cholestérol LDL d’ environ 20 %. Il sera également lancé sous une forme combinée avec l’ ézétimibe (Nustendi®), qui réduit le cholestérol LDL d’ environ 40 %.

Atteindre les valeurs cibles du LDL

Le traitement de la dyslipidémie dépend du risque cardiovasculaire. L’ orateur a montré les algorithmes de traitement pour les risques élevés et très élevés (voir le Guide de poche 2020 de l’ AGLA). Dans l’ étude DAVINCI (13), la réalisation des objectifs était sous-optimale. Dans l’ ensemble, seule la moitié environ (54 %) des patients ont atteint leur objectif basé sur le risque de la directive ESC/EAS 2016, et ce pourcentage était encore plus faible (33 %) pour les objectifs de la directive ESC/EAS 2019. Chez les patients atteints d’ ASCVD, l’ atteinte de l’ objectif était encore plus faible ; alors que 30 % d’ entre eux avaient un taux de LDL-C <1,8 mmol/L, seulement 18 % – moins d’ un sur cinq – ont atteint un taux de LDL-C <1,4 mmol/L. Si l’ on évalue la réalisation de l’ objectif ESC/EAS en 2016 (LDL-C <1,8 mmol/L), on constate qu’ elle a augmenté comme prévu avec l’ utilisation de statines d’ intensité faible à élevée (19-4 %) et davantage avec la thérapie combinée (54 % avec l’ ézétimibe et 67 % avec les inhibiteurs de PCSK9). Lorsque l’ objectif était plus difficile à atteindre, c’ est-à-dire <1,4 mmol/L (objectif ESC/EAS 2019), chaque régime incluant un traitement combiné avec de l’ ézétimibe a permis à environ un cinquième des patients d’ atteindre l’ objectif.
Dans l’ essai SPUM en Suisse (14), avec 2521 patients, 93,2 % étaient traités par des statines (53 % par des statines de haute intensité) et 7,3 % par de l’ ézétimibe à 1 an. 54,9 % présentaient une maladie cardiovasculaire athérosclérotique à très haut risque. Des taux de LDL-C inférieurs à 1,8 mmol/l et inférieurs à 1,4 mmol/l à 1 an ont été observés chez 37,5 % et 15,7 % des patients, respectivement. Une réduction de 50 % du LDL a été obtenue par un nombre encore plus restreint de patients. Après modélisation des effets de l’ intensification des statines et de l’ ézétimibe, ces chiffres sont passés à 76,1 % et 49 %, respectivement. Avec un traitement maximal par statine plus ézétimibe, 39 % des patients auraient atteint une valeur de LDL-C comprise entre 1,4 et 2,6 mmol/l (c’ est la fourchette dans laquelle, selon la Limitatio aucun inhibiteur de la PCSK9 ne peut être prescrit). 51 % des patients présentaient une valeur en dessus de 1.4mmol/l.

Âge

Lorsque l’ on compare le traitement par statine chez les patients de plus de 75 ans et chez les patients de moins de 75 ans, on constate que la réduction du risque relatif chez les patients âgés est à peu près la même que chez les patients plus jeunes. La réduction du risque absolu est encore plus importante chez les patients âgés que chez les jeunes.

Conclusions

Le taux de cholestérol LDL est essentiellement déterminé par la génétique → Dépistage en cascade dans l’ hypercholestérolémie familiale.
Le cholestérol LDL est un facteur de risque traitable.
Les valeurs cibles doivent être atteintes (plus elles sont basses, mieux c’ est), si nécessaire avec un traitement combiné.
En cas d’ intolérance aux statines ou valeur cible du LDL-C non atteinte malgré statines + ézétimibe, des inhibiteurs de la PCSK9 peuvent être prescrits.
Prescription d’ inhibiteurs de la PCSK9 par un cardiologue .

Source : Formation en ligne Cardio & Metabolic Update pour la pratique, 06.05.2021.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Steffel J et al. 2021 European Heart Rhythm Association Practical Guide on the use of non-vitamin K antagonist oral anticoaguants in patients with atrial fibrillation. Eurospace 2021;00:1-65
2. Hindricks G et al.ESC Scientific Document Group. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS). Eur Heart J. 2021;42:373-498
3. Link Ms et al. Stroke and Mortality Risk in Patients With Various Patterns of Atrial Fibrillation.Circ. Arrhythm Electrophysiol. 2017; 10: e004267
4. Forslund et al. Improved Stroke Prevention in Atrial Fibrillation After the Introduction of Non–Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants. Stroke 2018 ;49 :2122-2128
5. Lane DA et al Atrial fibrillation patient preferences for oral anticoagulation and stroke. Clin Cardiol 2018 ;41 :855-861
6. Patti et al Net Clinical Benefit of Non-Vitamin K Antagonist vs Vitamin K Antagonist Anticoagulants in Elderly Patients with Atrial Fibrillation. 2019;132:749-757
7. Ruff CT et al. Compariskon of the efficacy and safety of new oral anticoagulants with warfarin in patients with atrial fibrillation: a meta-analysis of randomised trials. Lancet 2014 ;383 :955-962-
8. Mach F et al. 2019 ESC/EAS guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J 2020 ;41 :111-188
9. Baigent C et al, CTT Collaborators. Efficacy and safety of cholesterol-lowering treatment : prospective meta-analysis of data from 90056 participat in 14 randomised trials o statins. Lancet 2005 ;366 :1267-1278
10. Sabatine MS et al
11. Giulgliano RP et al. Clinical efficacy and safety of achieving very low LDL-cholesterol concentrations with the PCSK9 inhibitor evolocumab a prespecified secondary analysis of the Fourier trial. Lancet 2017 ; 390 :1962-1971
12. Schwartz GG et al. Alirocumab and cardiovascular outcomes after acute coronary syndrome. N Engl J Med 2018 ;379 :2097-2107
13. Ray K.K. et al. EU-wide cross-sectional observational study of lipid-modifying therapy use in secondary and primary care: the DAVINCI study.Eur J Prev Cardiol. 2020; https://doi.org/10.1093/eurjpc/zwaa047
14. Koskinas KC et al. Eligibility for PCSK9 inhibitors based on the 2019 ESC/EAS and 2018 ACC/AHA guidelines. Eur J Prev 2021 ;28 :59-65;

Progrès, défis et options de traitement du diabète de type 2

Lors de l’Update Refresher à Lausanne le 12.02.2021, les spécialistes du CHUV ont donné des conférences sur les maladies de la thyroïde, les maladies de l’hypophyse et des glandes surrénales, ainsi que sur le diagnostic et le traitement des complications diabétiques. Ce rapport résume l’exposé sur les progrès, défis et options de traitement du diabète de type 2.

Les patients atteints de diabète sont plus exposés aux complications macrovasculaires et microvasculaires. La prévalence des maladies coronariennes est de 14 à 21 %, celle de l’  insuffisance cardiaque de 19 à 26 %, celle de la maladie artérielle périphérique de 16 à 29 % et celle des accidents vasculaires cérébraux de 8 à 12 %. Parmi les maladies microvasculaires, la prévalence de la rétinopathie est de 34 %, celle de la neuropathie cardiaque autonome de 31 à 73 % et celle de la néphropathie de 29 à 61 %, a indiqué la Pre Anne Wojtusciszyn, Service d’ endocrinologie, diabétologie et métabolisme du CHUV.
« Optimisez le time in range chez les patients avec diabète de type 2 (DT2) pour minimiser les complications microvasculaires ! », a-t-elle proposé. Avec moins de 51 % de time in range, la prévalence de la rétinopathie diabétique altérant la vision est de 9,7% ; avec un time in range de plus de 86 %, elle est à 3,5 %.

Complications et diabète – les défis

La morbidité/mortalité cardiovasculaire a baissé chez le DT2 depuis 1998/1999 – 2012/2013. Elle reste pourtant supérieure à celle d’ un patient témoin non diabétique. MACE prend principalement en compte les décès d’ origine cardiovasculaire, les accidents vasculaires cérébraux et les infarctus du myocarde. Cependant, les deux complications prédominantes chez les patients diabétiques semblent être l’ artériopathie périphérique et l’ insuffisance cardiaque, a expliqué l’ oratrice.

Diabète type 2 et NAFLD/NASH

On estime à 18,2 millions le nombre de personnes vivant avec le DT2 et la stéatose hépatique non alcoolique (NAFLD) aux États-Unis, dont 6,4 millions souffrent de stéatohépatite non alcoolique (NASH). Le coût sur vingt ans de la NAFLD chez ces patients s’ est élevé à 55,8 milliards de dollars. Au cours des 20 prochaines années, la NASH dans le DT2 sera responsable de 65 000 transplantations, de 1,37 millions de décès liés à la maladie CV et 812 000 décès liés au foie, a indiqué l’ oratrice.

Diabète type 2 et COVID-19

Le risque global de décès ou de traitement par COVID-19 en unité de soins intensifs est sensiblement plus élevé chez les personnes atteintes de DT2 que dans la population générale. Le risque de décès par COVID-19 ou par traitement en soins intensifs, et donc la nécessité de mesures de protection spéciales, varie considérablement d’ un patient diabétique à l’ autre, mais peut être raisonnablement prédit en utilisant l’ histoire clinique. (McGurnaghan SJ et al. Lancet Diabetes Endocrinol. 2021;9:82-93.)

Les progrès

De nouveaux sous-groupes de DT2 chez l’ adulte

Le diabète est actuellement classé en deux formes principales, le DT1 et le DT2, ce dernier en particulier étant très hétérogène. Une classification affinée pourrait fournir un outil puissant pour individualiser les schémas de traitement et identifier les individus présentant un risque accru de complications au moment du diagnostic (Ahlqvist E et al Lancet Diabetes and Endocrinology 2018; 6:361-369). Les auteurs ont identifié cinq groupes reproductibles de patients diabétiques qui présentaient des caractéristiques et des risques de complications diabétiques très différents (fig. 1). En particulier, les individus du groupe 3 (le plus résistant à l’ insuline) présentaient un risque significativement plus élevé de maladie rénale diabétique que les individus des groupes 4 et 5, mais ils avaient tous reçu un traitement similaire contre le diabète. Le groupe 2 (carence en insuline) présentait le plus grand risque de rétinopathie. Pour soutenir ce regroupement, les associations génétiques dans les groupes étaient différentes de celles observées dans le DT2 traditionnel. Cette nouvelle classification pourrait permettre d’ adapter le traitement précoce aux patients qui en bénéficieraient le plus, ce qui représente un premier pas vers une médecine de précision dans le domaine du diabète.

Effet des GLP-1 RA sur les complications macrovasculaires

Les GLP-1 RA ont montré un bénéfice significatif sur l’ infarctus du myocarde et l’ accident vasculaire cérébral et la mortalité cardiovasculaire dans l’ étude LEADER (liraglutide) et dans l’ étude HARMONY (albiglutide). Dans l’ étude SUSTAIN 6 le taux de mortalité cardiovasculaire, d’ infarctus du myocarde non mortel ou d’ accident vasculaire cérébral non mortel était significativement plus faible chez les patients recevant le GLP-1 RA sémaglutide que chez ceux recevant un placebo. Dans l’ étude REWIND, le dulaglutide a réduit de manière significative le critère d’ évaluation combiné MACE-3 dans une population d’ étude dont la majorité des patients présentaient des facteurs de risque cardiovasculaire mais aucune maladie cardiovasculaire manifeste.

Effet des inhibiteurs SGLT-2 sur l’ insuffisance cardiaque

L’ année 2020 est l’ année des inhibiteurs SGLT-2 comme thérapie dans l’ insuffisance cardiaque chez les patients non diabétiques. Les inhibiteurs SGLT-2 se sont révélés être efficaces pour prévenir l’ insuffisance cardiaque et le dysfonctionnement rénal, même chez les patients non diabétiques, comme le démontraient les études DAPA HF (dapagliflozine) et EMPA REG (empagliflozine), l’ étude DAPA CKD et l’ étude EMPEROR, respectivement. Dans ces essais, 50 % des patients n’ étaient pas diabétiques. La canagliflozine a également réduit le risque d’ insuffisance rénale et d’ événements cardiovasculaires chez les patients atteints de DT2 et de maladies rénales par rapport au placebo dans l’ étude CREDENCE, avec un suivi médian de 2,62 ans.

Les progrès en 2020

  • Une pratique plus personnalisée, axée sur les besoins du patient.
  • Metformine en première ligne.
  • En association rapide les inhibiteurs SGLT-2 ou les GLP-1 RA sans regarder l’ HbA1c en fonction des facteurs de risque.
  • Les inhibiteurs SGLT-2 font la démonstration de leur efficacité pour prévenir l’ insuffisance cardiaque et la dégradation de la fonction rénale, y compris chez les non-diabétiques.
  • En troisième ligne les GLP-1 RA ou les SGLT-2 inhibiteurs – les nouvelles «stars» de nos ordonnances !
  • Selon les nouvelles recommandations suisses, 3 questions doivent être posées en premier lieu : 1) Déficience en insuline ? 2)
  • Traitement ou prévention de l’ insuffisance cardiaque ? 3) Fonction rénale (eGFR) ?

Les principales recommandations pour les médecins généralistes sont les suivantes : Motivation pour un changement de mode de vie, traitement multifactoriel : l’ hypertension, les lipides, le sevrage tabagique et le diabète.

Les options (nouveautés pharmacologiques)

L’ insuline

Insuline hebdomadaire (insuline Icodec) pour le DT2 sans traitement préalable à l’ insuline. Ce traitement a eu une efficacité hypoglycémiante et un profil de sécurité similaire à celui de l’ insuline glargine U100 à prise unique quotidienne chez les patients atteints DT2 (Rosenstock J et al. N Engl J Med. 2020;383:2107-2116).

Le tirzepatide

Dans le traitement du DT2, le tirzepatide est un agoniste du double récepteur GIP-GLP-1 qui est un peptide synthétique basé sur la séquence GIP native (GIP = peptide insulinotrope glucose-dépendant). Il est administré une fois par semaine en raison de sa demi-vie de 5 jours. Dans les études PROGRESS de phase 1 et de phase 2, le tirzepatide a démontré une réduction de l’ HbA1c proportionnelle à la dose jusqu’ à 2,4% et une réduction du poids corporel jusqu’ à 11,3 kg chez les patients atteints DT2. L’ efficacité clinique du tirzepatide est supérieure à celle du GLP-1 RA dulaglutide.

Le système de surveillance du glucose en continu (CGMS)

L’ utilisation du CGMS (continuous glucose monitoring system) continue à devenir de plus en plus courant dans la pratique clinique. En tant que composante de l’ autogestion du diabète, son utilisation quotidienne permet d’ obtenir un retour d’ information immédiat sur les taux de glycémie actuels ainsi que sur la direction et les changements des taux de glycémie. Ces informations permettent aux personnes diabétiques d’ optimiser leur consommation alimentaire et leur activité physique, de prendre des décisions de traitement éclairées concernant les repas et la correction du dosage d’ insuline et, surtout, de réagir immédiatement et de manière appropriée pour atténuer ou prévenir les événements glycémiques aigus.

Le CGMS et le DT2 – publications au congrès de l’ American Diabetes Association (ADA)

E. Miller : 84-LB – ADA 2020 : évaluation des niveaux d’ HbA1c avant, à 6 et 12 mois après le régime libre dans le DT2 sous insuline ou NON dans 3 ensembles de données croisées (FSL/Quest/DRG).
E. Wright : 78-LB – ADA 2020 : évaluation du taux d’ HbA1c après un régime libre dans les cas de DT2 ne se situant pas dans la fourchette cible (HbA1c > 8 %) d’ après une autre base de données IBM explorée (n = 1034). La valeur de l’ HbA1c était de 10,11 % avant la prescription d’ un régime libre, 8,63% après la prescription. Avec insuline 10,13 % avant et 8,98 % après, sans insuline 10,11 % avant et 8,49 % après. L’ effet était encore meilleur sans insuline.

CGMS et santé publique

E. Miller 85-LB-ADA 2929 : Evaluer s’ il existe un registre continu des complications liées au diabète (hypo/hyper, DKA, HPA ou coma) et des hospitalisations dans le DT2 sans insuline rapide. Evénements de diabète aigu avant vs. après : HR 0,70 (0,57-0,85), p < 0,001. Le total des hospitalisationsv : avant vs. après HR 0,87 (0,78-0,98) p = 0,025.
R. Bergenstal 69-OR-ADA2020. Evaluer s’ il existe un registre continu des complications liées au diabète (hypo/hyper, DKA, HPA ou coma) et des hospitalisations dans le DT2 sous insuline rapide. (« Ancien » diabète avec comorbidités) (n = 2463). Evénements de diabète aigu avant vs. après HR 0,40 (0,31-0,51), p<0,001. Le total des hospitalisations avant vs. après HR 0,67 (0,58-0,77), p < 0,001.

CGMS et patients âgés

L’ étude DIAMOND rapporte une amélioration de l’ HbA1c (100 patients 67 + /- 5 ans), et dans l’ étude WISDOM (203 patients en dessus de 60 ans, 30% >70 ans), le glucose self monitoring (SGM) a été testée vs le CGMS pendant 6 mois. Les résultats ont été une amélioration de l’ HbA1c, une réduction du temps d’ hypoglycémie, une hypoglycémie moins sévère et moins de fractures (p = 0.08) pour le CGMS.

Conclusion

  • La prévention du diabète, le dépistage et l’ éducation des patients continuent à être au centre du traitement initial et de la prévention des complications. Cela est particulièrement vrai pour les personnes à risque dans le contexte de l’ épidémie de SRAS-CoV-2.
  • Les GLP-1 RA oraux hebdomadaires confirment leur efficacité dans la prévention de la maladie cardiovasculaire athéromateuse.
  • Les inhibiteurs SGLT-2 ont prouvé un effet préventif dans les maladies athéromateuses, l’ insuffisance rénale ainsi que l’ insuffisance cardiaque, ceci également chez les sujets non-diabétiques.
  • L’ embuscade de l’ agoniste du double récepteur GIP-GLP-1 a montré un effet spectaculaire sur l’ HbA1c, le poids, et la NASH.
    Plus que la pharmacologie, la technologie va également révolutionner le traitement des personnes atteintes de DT2.

Source : FOMF Update Refresher Médecine interne, Endocrinologie et diabète, Lausanne 12.02. 2021.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Inclisiran – eine vielversprechende Option zur Behandlung erhöhter LDL-Cholesterinwerte

Der Einsatz von PCSK9-Inhibitoren in der Behandlung von erhöhtem LDL-Cholesterin hat sich erfolgreich etabliert. siRNA-Moleküle, die PCSK9 hemmen, zeichnen sich als die nächste Generation der Medikamente ab, die PCSK9 entgegenwirken.

Die Inhibition der hepatischen Synthese von Proprotein-Convertase-Subtilisin-Kexin Typ 9 (PCSK9) hat sich in der Senkung erhöhter Plasma LDL-Cholesterinwerte als sehr effizient erwiesen. Studien mit den monoklonalen Antikörpern gegen PCSK9, Alirocumab und Evolocumab, haben nicht nur eine eindrückliche Senkung des LDL-Cholesterins, sondern auch eine signifikante Senkung der klinischen Ereignisse mit diesen Medikamenten gezeigt (1,2).
Kleine interferierende RNA-Moleküle (siRNA) stellen nun die nächste Generation von Arzneimitteln dar, die PCSK9 hemmen. Inclisiran ist eine für PCSK9 spezifische siRNA, die die Translation der PCSK9-Messenger-RNA verhindert, was zu geringeren Konzentrationen des Proteins und damit zur Reduktion von LDL-Cholesterin führt. Das klinische Entwicklungsprogramm von ORION umfasst mehrere abgeschlossene und laufende klinische Studien, in denen die Sicherheit und klinische Wirksamkeit von Inclisiran untersucht wird.

Das Orion Entwicklungsprogramm von Inclisiran

In den verschiedenen ORION-Studien wurden klinische und regulatorische Strategien verfolgt. ORION 1 und 2 waren Phase II Studien zur LDL-Cholesterinsenkung, In Orion -1 wurden Patienten mit ASCVD (Atherosclerotic Cardiovascular Disease) oder heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie (HEFH) untersucht (3), In dieser randomisierten klinischen Studie senkte eine Dosis am Tag 1 und eine Dosis am Tag 90 den zeitlich gemittelten LDL-C-Spiegel über ein Jahr dosisabhängig um 29,9% bis 46,4%. Eine 50-prozentige LDL-C-Reduktion wurde nach 2 Dosen von 300 mg an Tag 1 und Tag 90 für mindestens 6 Monate aufrechterhalten.

In der ORION-2-Pilotstudie (4) wurden vier Patienten mit homozygoter familiärer Hypercholesterinämie (hoFH) untersucht, die bereits eine intensive lipidsenkende Therapie mit Statinen und Ezetimibe erhielten. Sie wurden mit Inclisiran 300 mg behandelt und anschliessend 180 Tage lang beobachtet. Bei drei Patienten kam es zu einer deutlichen Senkung des LDL-Cholesterinspiegels, die auch nach 180 Tagen noch anhielt, wobei die größte Senkung bei einem Patienten am Tag 120 mit 43% verzeichnet wurde. Beim vierten Patienten wurde trotz Senkung von PCSK9 keine Reduktion von LDL-C beobachtet. Dieser Patient sprach auch gegen PCSK9 Antikörper schlecht an.

In ORION-3, einer open-label Extension von ORION-1, wurden die Patienten zweimal pro Jahr mit Inclisiran behandelt, wobei eine Reduktion von 51% erreicht wurde (5). ORION-4 ist eine laufende doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte Phase-3-Studie, die die Auswirkungen von Inclisiran auf die klinischen Ergebnisse bei Patienten mit ASCVD untersuchen wird. Die Studie wurde im Oktober 2018 begonnen und wird voraussichtlich im Dezember 2024 abgeschlossen sein. Der primäre Endpunkt ist definiert als die Zeit bis zum ersten Auftreten von Tod durch koronare Herzkrankheit, eines Myokardinfarkts, (MI) eines tödlichen oder nicht tödlichen ischämischen Schlaganfalls oder einer dringenden koronaren Revaskularisation. Zu den sekundären Endpunkten gehört eine Kombination aus KHK-Tod oder MI und kardiovaskulärem Tod.

ORION-7 war eine Studie zur Nierenfunktion. Es hat sich dabei gezeigt, dass die Nierenfunktion weder die Sicherheit noch die Wirksamkeit von Inclisiran beeinflusst. Eine Dosisadaptierung war nicht notwendig (6).
In den Phase-3-Studien ORION-9, ORION-10 und ORION-11 senkte Inclisiran zweimal jährlich den LDL-C-Wert bei Personen mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie oder ASCVD/ASCVD-Äquivalenten um mindestens 50% (7,8). Insgesamt wurden 1561 bzw. 1617 Patienten in ORION-10 eingeschlossen. Die durchschnittlichen LDL-Cholesterinwerte betrugen zu Studienbeginn 2,71 ± 0,99 mmol/l) bzw. 2,73 ± 1,01 mmol/l. Am Tag 510 senkte Inclisiran den LDL-Cholesterinspiegel in der ORION-10-Studie um 52,3% und in der ORION-11-Studie um 49,9% mit entsprechenden zeitbereinigten Senkungen von 53,8% und 49,2% (P<0,001 für alle Vergleiche gegenüber Placebo). Unerwünschte Ereignisse waren im Allgemeinen in den Inclisiran- und Placebogruppen in jeder Studie ähnlich, obwohl unerwünschte Ereignisse an der Injektionsstelle unter Inclisiran häufiger auftraten als unter Placebo. Diese Reaktionen waren im Allgemeinen leicht, und keine waren schwerwiegend oder anhaltend.
Die verschiedenen Studien des ORION-Programms und ihre Charakteristika sind in der Tabelle 1 wiedergegeben.

Schlussfolgerungen

  • Die Hemmung von PCSK9 mit Inclisiran ist ein sehr vielversprechender und ist möglicherweise der einfachste und wirksamste Ansatz LDL-C, die Ursache der Atherosklerose, weiter zu senken
  • Mit Inclisiran, das alle 6 Monate subkutan verabreicht wird, wurde eine Senkung des LDL-Cholesterinspiegels um etwa 50% erreicht. Zwischen den seltenen Injektionen bleibt die Wirkung anhaltend
  • Die Belastung durch die Injektion wird erheblich reduziert
  • Inclisiran ermöglicht die Therapietreue der Patienten zu verbessern
  • Die Phase-II- und die Phase-III-Studien haben eine solide Langzeitwirksamkeit ohne Sicherheitsprobleme gezeigt
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Intressenskonflikte: Advisory Boards und Vortragshonorare von Amgen, Sanofi-Aventis, Daiichi-Sankyo, MSD, AstraZeneca, Recordati, Novartis

Management von Hypophyseninzidentalomen

Durch vermehrten Einsatz von zerebralen Bildgebungsverfahren, nimmt die Inzidenz der Hypophyseninzidentalome zu. Die interdisziplinäre Evaluation durch eine/n erfahrene/n Neuroradiologin/-en, Neurchirurgin/-en, Endokrinologin/-en und ggf. Neuroophtalmologin/-en ist für jede Läsion notwendig und für das korrekte Management entscheidend.

Hypophysenzindentalome sind, wie der Name suggeriert zufällig (inzidentell) nachgewiesene Veränderungen im Bereich der Hypophyse. Die initiale Bildgebung wurde somit nicht aufgrund der Vermutung einer Läsion durchgeführt. In der westlichen Ländern werden die Bildgebungen häufig im Rahmen von Kopfschmerzabklärungen (40%), gefolgt von Schädel-Hirntraumata und cerebrovaskulären Ereignissen, Sinusitiden, Abklärungen von Beschwerden der Halswirbelsäule bzw. Schwindel und Synkopen durchgeführt (1). Die Prävalenz der Hypophyseninzidentalome unterscheidet sich in den Bildgebungsserien je nach Bildgebungsverfahren und liegt bei ca. 10% (zwischen 4-38%, häufiger in den MRI-Serien gegenüber CT-Serien). Anhand der Grösse der Läsion unterscheidet man Mikro- (<1cm) von Makroinzidentalomen (≥1cm), wobei die letzteren seltener vorkommen (2). Aufgrund der steigenden Verfügbarkeit und Tendenz Bildgebungen durchzuführen in den letzten Jahren, ist eine weiterhin steigende Inzidenz von inzidentellen Hypophysenläsionen zu erwarten, wodurch der Bedarf an Wissen und Kompetenz zur adäquaten Beurteilung und für ein adäquates Management notwendig ist. In der Abbildung 1 wird ein Fall aus der interdisziplinären Hypophysensprechstunde des Universitätsspitals Zürich dargestellt.

Was verbirgt sich hinter einem Hypophyseninzidentalom?

Die Ätiologie der Läsion ist vielfaltig (Tab. 1) (1, 3, 4). Nicht so selten handelt sich bei den Läsionen um bildtechnischen Artefakten ohne morphologischen Korrelat, sowie um anatomischen oder physiologischen (z.B. Zyklusabhängig bei Frauen) Varianten ohne pathologischer Bedeutung.

Die meisten Läsionen sind gutartig und werden selten für die Betroffenen krankheitsrelevant. Deswegen ist es wichtig maligne Läsionen, die häufigste davon sind Kraniopharyngeomen, rechtzeitig zu entdecken. Zudem ist es wichtig Raumforderung zu identifizieren, welche eine hypophysären Hormonfunktionsstörung, sowohl Überfunktion durch beispielweise hormonsezernierenden Adenome, sowie auch eine partielle Unterfunktion durch Mangel an Hormonsekretion des komprimierten hypophysären Gewebe, verursachen. Hinter einem Inzidentalom können sich auch subjektiv unbemerkte kompressionsbedingte neurologische Defizite verbergen, die häufigste davon betreffen die angrenzende Seebahnen, welche für den Patienten und Management relevant sind (1, 2).

Interdisziplinäre Evaluation

Jedes Hypophyseninzidentalom sollte interdisziplinär evaluiert werden.
Die Evaluation startet mit der korrekten Beurteilung und Interpretation der vorhandenen Bildgebung (1, 3). Anhand des Vorliegens bestimmter Merkmale, wie dem Verhalten der Läsion in unterschiedlichen MRI Gewichtungen oder nach Kontrastmittelgabe, bzw. das konkomittierende Vorliegen von Kalzifikationen, kann der beschriebene Befund einer, der in der Tabelle 1 aufgelisteten Entitäten zugeordnet werden. Häufig ist eine erneute oder ergänzende dezidierte Bildgebung mit spezifischen Protokollen für die Sellaregion hierfür notwendig. Eine histologische Evaluation des Befundes, mittels Biopsie-/Teilentfernung, ist nur in seltenen Fällen notwendig und wird im individuellen Fall interdisziplinär festgelegt. Ausserdem ist in der radiologischen Beurteilung von grosser Relevanz, dass in der Bildgebung die Affektion der umliegenden Strukturen, insbesondere der Hirnnerven, evaluiert und beschrieben wird.

Ein weiterer Bestandteil der initialen Evaluation ist die endokrinologische Aufarbeitung (Tab. 2) (2, 3, 5). Eine fachspezifische Anamnese, klinische Untersuchung sowie adäquate Laboranalyse, bei Bedarf mit dynamischer Testung (Funktionstests), sind notwendig um eine Übersekretion oder einen Mangel der hypophysären Hormone festzustellen bzw. auszuschliessen.
Während die vollständige Untersuchung nach Hormonhypersekretionen nur bei Adenom-verdächtigen Läsionen vorgenommen werden sollte, soll die Bestimmung des Prolaktins bei jeder Raumforderung erfolgen.

Eine Hyperprolaktinämie kann in diesen Fällen zwei verschiedenen Ursachen haben. Einerseits kann eine autonome Prolaktin Sekretion durch ein Hypohysenadenom (Prolaktinom) bedingt sein. Andererseits kann das durch eine kompressions-bedingte fehlende physiologische Hemmung der Prolaktinsekretion (die dopaminerge Innervation, welche für die Hemmung der Prolaktinsekretion notwendig ist, verläuft von Hypothalamus ausgehend durch den Hypophysenstiel zu den Prolaktin-sezernierenden Zellen der Hypophyse) zu einer sogenannten «Enthemmungs-Hyperprolaktinämie» kommen. Dies wird auch «Stiel-Effekt» genannt. Die Prävalenz der hormonaktiven Adenome liegt zwischen 0.04 bis 1 pro 1000 Patienten, wobei eine Enthemmungs-Hyperprolaktinämie in bis zu 15% bei Vorliegen von Makroinzidentalomen beschrieben wird (2).
Häufiger hingegen und in 10 bis 40% der Fälle beschrieben ist ein zumindest partielles Defizit der hypophysären Hormone. Am häufigsten betrifft dieses die Gonaden-Achse, gefolgt von der thyreotropen, corticotropen und somatotropen Achse (2).
Eine neuroophtalmologische Beurteilung, inklusive statischer und dynamischer Gesichtsfeldtestung, ist nur in solchen Fällen notwendig, bei der die Raumforderung Kontakt mit den Sehbahnen hat bzw. diese komprimiert.

Management: Chirurgie oder Follow-Up?

Das weitere Management richtet sich nach den interdisziplinär erhobenen Evaluationsbefunden (1-3, 5, 6). Deshalb ist die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Spezialisten im Rahmen spezialisierter Sprechstunden («Hypophysensprechstunde») sowie auch interdisziplinärer Kolloquien («Hypophysenboard») für die weiteren Entscheidungen von Vorteil.

Bei radiologischem Verdacht auf ein Kraniopharyngeom oder eine maligne Erkrankung wird eine Chirurgie angestrebt. Die Chirurgie ist ebenfalls dann die Therapie der Wahl falls ganz unabhängig von der Ätiologie des Inzidentaloms eine Kompression der Sehbahnen mit nachweisbarem neuroophtalomologischem Defizit vorliegt. Dasselbe gilt auch für Adenome mit Hormonaktivität (z.B. Morbus Cushing), mit der Ausnahme von Prolaktinomen, welche primär medikamentös behandelt werden (3, 5). Die moderne Hypophysenchirurgie hat die komplette Entfernung der Raumforderung mit Erhaltung des gesunden Gewebes und der Hypophysenfunktion sowie der neurologischen Funktionen des Patienten zum Ziel (5). Hierzu werden primär minimal-invasive Verfahren über den transnasalen und transphenoidalen Zugang bevorzugt. Diese machen heute bei Hypophysenadenomen insgesamt über 95% aller Eingriffe aus. Die transkranielle Operation hingegen wird nur in Ausnahmefällen vorgenommen, in denen der Erfolg bzw. die Risiken gegenüber einem transnasalen transphenoidalen Zugang überlegen sind, beispielsweise aufgrund der Grösse und besonderen Tumorlage (meistens supra- und parasellär). Um den Resektionserfolg zu steigern und Risiken zu minimieren, setzten moderne Hypophysenzentren auf intraoperative Neuronavigation zur Referenzierung der präoperativ durchgeführten MRI-Bildgebung, sowie den Einsatz von intraoperativen hochauflösenden MR-Bildgebung, was eine Resektionskontrolle und bei Bedarf eine Nachresektion während des Eingriffs ermöglicht (5).

Komplikationen solcher Eingriffe sind relativ selten. Sie erfassen Liquorlecks (0-6%), intrazerebrale Blutungen (<1%), Meningitiden (< 1%) sowie endokrine Störungen wie eine Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (2-14%) oder ein Diabetes insipidus centralis bei Verletzung des Hypophysenstiels (3-6%). Die operative Mortalität ist gering (< 0.6%) (5).
Hingegen werden radiologische nicht-suspekte Befunde, welche für ein hormon-inaktives Adenom oder eine zystische Läsion (z.B. eine Rathke-Tasche Zyste) sprechen, ohne Hormonaktivität und unauffälligem neuroophtalmologischem Befund, verlaufsbeobachtet. Eine radiologische sowie auch endokrinologische Verlaufsbeurteilung («Follow Up») ist allerdings in jedem Falle indiziert, da Auffälligkeiten auch erst im Verlauf neu auftreten können (7-10).

In den wenigen uns zur Verfügung stehenden Studienergebnissen wird eine Grössenzunahme der Läsionen in ca. 5-15% der Fälle beschrieben, wobei der Zeitpunkt der Grössenzunahme in Median zwischen 3.4 – 4.3 Jahren liegt. Als möglicher Risikofaktor wird die initiale Grösse der Läsion beschrieben. Momentan liegen keine weiteren prognostischen Merkmale vor, sodass das Intervall der Verlaufskontrollen in Abhängigkeit von Grösse, Lokalisation der Läsion mit insbesondere Beachtung der Nähe zu umliegenden Strukturen (z.B. Seebahnen), die vermutete Ätiologie und die Gesamtsituation des Patienten und dessen Komorbiditäten individuell nach interdisziplinärer Besprechung festgelegt wird. Schnell wachsende Tumoren bzw. das Auftreten von neuen kompressions-bedingten neurologischen Defiziten stellen die Indikation für eine Chirurgie da.
Das endokrinologische Follow-up dient vor allem der Erkennung von Mangeln hypophysärer Hormone. In einer Fallserie wurden in einer Verlaufsbeobachtungszeit von 10 Jahren in bis zu 25% der Fälle neu aufgetretene partielle Defizite beschrieben (8). Da die Evidenzlage auch hier spärlich ist, sind auch hier neue Register- und Beobachtungsstudien in der Zukunft notwendig.

Unabhängig davon, ob eine Chirurgie oder ein Follow-Up angestrebt wird ist die Hormonsubstitution bei nachgewiesenem Defizit immer indiziert. Ebenso kann sich ggf. die Indikation für eine medikamentöse Behandlung einer Enthemmungs-Hyperprolaktinämie in Spezialfällen (z.B. Fertilitätsbehandlung) ergeben.

PD Dr. med. Zoran Erlic

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie
und Klinische Ernährung
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

zoran.erlic@usz.ch

PD Dr. med. Carlo Serra

Klinik für Neurochirurgie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstrasse 10
8091 Zürich

carlo.serra@usz.ch

Es liegt kein Interessenkonflikt vor in Verbindung mit dem vorgelegten Manuskript.

◆ Jedes Hypophyseninzidentalom soll interdisziplinär evaluiert werden und ein individuelles Management festgelegt werden. Auch grundsätzlich benigne Läsionen können durch ihr Wachstum und eine Kompression der umliegenden Strukturen (Hirnnerven, gesunde Hypophyse) sowie Hormonfunktionsstörungen krankheitsrelevant werden und somit zur Morbidität des Patienten beitragen.

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