Klinische Merkmale und Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem COVID-19-Schweregrad bei Patienten mit hämatologischen Malignomen

Klinische Merkmale und Risikofaktoren im Zusammenhang mit dem COVID-19-Schweregrad bei Patienten mit hämatologischen Malignomen in Italien: eine retrospektive, multizentrische Kohortenstudie

Quelle: Passamonti F et al. Clinical characteristics and risk factors associated with COVID-19 severity in patients with haematological malignancies in Italy: a retrospective, multicentre, cohort study. Lancet Haematol 2020, Published OnlineAugust 13, 2020https://doi.org/10.1016/S2352-3026(20)30251-9

Hintergrund

Es liegen mehrere kleine Studien über Patienten mit COVID-19 und hämatologischen Malignomen vor, die eine hohe Mortalität in dieser Population zeigen. Diese multizentrische, retrospektive Kohortenstudie umfasste erwachsene Patienten (im Alter von ≥18 Jahren) mit der Diagnose einer von der WHO definierten hämatologischen Malignität, die zwischen dem 25. Februar und dem 18. Mai 2020 in 66 italie­nischen Krankenhäuser eingewiesen wurden, mit laborbestätigtem und symptomatischem COVID-19. Der Datenschluss für diese Analyse war der 22. Juni 2020. Der primäre Endpunkt war die Mortalität und die Identifikation potenzieller prädiktiver Marker für Mortalität. Die Autoren berechneten standardisierte Mortalitätsverhältnisse zwischen dem beobachteten Tod in der Studienkohorte und dem erwarteten Tod, indem schichtspezifische Mortalitätsraten der italienischen Bevölkerung mit COVID-19 und einer italienischen Kohorte von 31993 Patienten mit hämatologischen Malignomen ohne COVID-19 (Daten bis zum 1. März 2019) zugrunde gelegt wurden. Das multi­variable Cox-Proportionalrisikomodell wurde verwendet, um Faktoren zu identifizieren, die mit dem Gesamtüberleben assoziiert sind. Diese Studie ist bei ClinicalTrials.gov, NCT04352556, registriert, und der prospektive Teil der Studie ist noch nicht abgeschlossen.

Resultate

536 Patienten wurden mit einem medianen Follow-up von 20 Tagen (IQR 10-34) zum Zeitpunkt des Datenschlusses aufgenommen, 85 (16%) davon wurden ambulant behandelt. 440 (98%) der 451 hospitalisierten Patienten schlossen ihren Krankenhausaufenthalt ab (wurden entweder lebend entlassen oder starben). 198 (37%) von 536 Patienten starben. Verglichen mit der italienischen Allgemeinbevölkerung mit COVID-19 betrug die standardisierte Mortalitätsrate in der gesamten Studienkohorte 2.04 (95% CI 1.77-2.34) und bei Personen unter 70 Jahren 3.72 (2.86-4.64). Im Vergleich mit der Nicht-COVID-19-Kohorte mit hämatologischen Malignomen betrug das standardisierte Mortalitätsverhältnis 41.3 (38.1-44.9). Älteres Alter (Hazard Ratio 1.03, 95% CI 1.01-1.05); fortschreitende Erkrankung (2.10, 1.41-3.12); Diagnose einer akuten myeloischen Leukämie (3.49, 1.56-7.81), eines indolenten Non-Hodgin-Lymphoms (2.19, 1.07-4.48), eines aggressiven Non-Hodgkin-Lymphoms (2.56, 1.34-4.89) oder einer Plasmazellneoplasie (2-48, 1.31-4.69), und schweres oder kritisches COVID-19 (4.08, 2.73-6.09) waren mit einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert.

Interpretation

Diese Studie ergänzt die Evidenz, dass Patienten mit hämatologischen Malignomen eine schlechtere Prognose aufweisen als sowohl die Allgemeinbevölkerung mit COVID-19 als auch Patienten mit hämatologischen Malignomen ohne COVID-19. Die hohe Sterblichkeitsrate bei Patienten mit hämatologischen Malignomen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, unterstreicht die Notwendigkeit aggressiver Strategien zur Infektionsprävention, zumindest solange, bis wirksame Impf- oder Behandlungsstrategien zur Verfügung stehen.

Prof. Dr. med.Markus G. Manz

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Alexandre Theocharides

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

Alexandre.Theocharides@usz.ch

Warum arbeiten beim TRIPEL-NEG Mammakarzinom eine immunsup-pressive Chemotherapie und ein Immunmodulator-Antikörper zusammen?

Warum arbeiten beim TRIPEL-NEG Mammakarzinom eine immunsup-pressive Chemotherapie und ein Immunmodulator-Antikörper zusammen?

Cortes J et al. Pembrolizumab plus chemotherapy versus placebo plus chemotherapy for previously untreated locally recurrent inoperable or metastatic triple-negative breast cancer (KEYNOTE-355): a randomised placebo-controlled double-blind phase 3 clinical trial. Lancet 2020; 396: 1817.

Zusammenfassung: first-line treatment of metastatic triple-negative breast cancer with pembrolizumab–chemotherapy showed a significant and clinically meaningful improvement in progression-free survival versus placebo.

Präoperative Chemotherapie beim Pankreaskarzinom: klare und unklare Daten

Kunzmann V et al. Nab-paclitaxel plus gemcitabine versus nab-paclitaxel plus gemcitabine followed by FOLFIRINOX induction chemotherapy in locally advanced pancreatic cancer (NEOLAP-AIO-PAK-0113): a multicenter randomised phase 2 trial. Lancet Gastroenterol Hepatol 2020; doi.org/10.1016/ S2468-1253(20)30330-7

Zusammenfassung: Nab-paclitaxel plus gemcitabine is similarly active and safe as nab-paclitaxel plus gemcitabine followed by FOLFIRINOX as induction chemotherapy for locally advanced pancreatic cancer. Although conversion to resectability was achieved in about a third of patients, additional evidence is required to determine whether this translates into improved overall survival.

Was lehrt uns die Coronavirus-Pandemie in der Onkologie?

Pennell NA et mult al. American Society of Clinical Oncology road to recovery report: learn-ing from the Covid-19 experience to improve clinical research and cancer care. J Clin Oncol 2020; doi.org/10.1200/JCO.20.02953

Zusammenfassung: This report provides a road map of actions that Congress, the Administration, ASCO, research sponsors, health systems, and other stakeholders in the healthcare system can take to help improve access to affordable and equitable care and clinical research, streamline excessive and unnecessary regulatory requirements in practice and research, and achieve improved outcomes for patients with cancer.

«Unhappy birthday to you! …»

Kato H, et al. Patient mortality after surgery on the surgeon’s birthday: observational study. Brit Med J 2020; 371: m4381

Zusammenfassung: Patients who received surgery on the surgeon’s birthday, experienced higher mortality compared with patients who underwent surgery on other days.

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch

Aktien von Novartis, Roche und Johnson & Johnson

Kombination von Immunotherapie mit Radiotherapie

Viel wurde und wird berichtet über die Potentiale der Kombination von immunmodulatorischen Behandlungen und Radiotherapie. Die experimentell im Vordergrund stehenden Mechanismen liegen dabei in der in-situ-Vakzinierung am Ort der Bestrahlung, der Unterstützung des T-Zell-Primings in den Lymphknoten bis hin zu der Verstärkung immuntherapeutischen Aktivität durch Veränderung des Tumor-Microenvironments (1). Neben direkten lokalen Bestrahlungs-Effekten können somit auch systemische Effekte erzielt werden – ein Phänom, welches schon seit den 1950er Jahren anhand von einzelnen Fallberichte identifiziert und als «abskopaler Effekt» bezeichnet wird. Da abskopale Effekte in der klinischen Routine, d.h. ohne begleitende immunmodulatorische Intervention, nur äusserst selten zu beobachten sind, liegt es nahe, die potentielle systemische Wirkung von Bestrahlung durch die Kombination mit immuntherapeutischen Strategien auszuloten.
Kürzlich berichteten McBride et al. über eine gut durchgeführte randomisierte Phase II Studie, deren Bedeutung über Kopf- und Hals-Tumoren (KHT) hinausgeht und sich mit grösseren Fragen der Kombinationstherapien im Zeitalter der Immuntherapie befasst (2). Patienten mit metastasierten KHT wurden 1:1 randomisiert der Anti-PD-1-Therapie (Nivolumab) allein respektive der Anti-PD-1-Therapie in Kombination mit stereotaktischer Körperbestrahlung (SBRT) zugeordnet, die simultan in 3 Fraktionen zu je 9 Gy verabreicht wurde. Dabei wurde nur 1 Läsion bestrahlt, und mindestens eine weitere unbestrahlte Läsion musste vorhanden sein, um die Induktion von systemischen Immuneffekten zu evaluieren. Die Studie war bezüglich primärem Endpunkt negativ: Es konnte keine Verbesserung des Tumoransprechens der Index-Läsion durch die Kombination von Nivolumab mit SBRT erzielt werden. Auch das Gesamtüberleben, das progressionsfreie Überleben und die Therapie-Ansprechdauer waren gleich. Somit konnten die ermutigenden Resultate in ähnlichem Setting beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (3) vorerst nicht bestätigt werden. Neben der hier diskutierten Studie sind weitere Trials zur Kombination von Radiotherapie mit PD-1 Inhibitoren bei KHT unterwegs, vornehmlich jedoch im kurativen Setting (z.B. RTOG 3507, Keynote 412).
Die exzellente Studiendurchführung, die ausgewogene Rekrutierung und die Biomarker-Zusatzuntersuchungen machen die McBride-Studie trotz primär negativem Resultat zu einem wichtigen Datensatz. Zum ersten bestätigt die Studie die Rolle sowohl der PD-L1-Expression als auch der Tumor-Mutations-Last (tumor mutational burden TMB) als prädiktive Biomarker für die Anti-PD-1-Antikörper-Therapie unabhängig von der Anwendung von SBRT. Zweitens liefert sie Hinweise zu den potenziellen Unterschieden zwischen Virus-assoziierter (EBV, HPV) und nicht-viraler KHT auf: die Zugabe von SBRT zu Anti-PD-1-Antikörper-Therapie scheint einen potenziellen differentiellen Nutzen bei nicht-viralen Tumoren zu zeigen. Dies ist primär Hypothesen generierend und basiert auf kleinen Zahlen, ist aber zusätzlicher Untersuchungen wert. Die Hinweise zielten auch in dieselbe Richtung wie die Resultate der PACIFIC-Studie (4) bei nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom – einer Tumorentität, die ähnliche biologische Merkmale wie nicht-virale KHT aufweist (z.B. häufiger Funktionsverlust von TP53 und CDKN2A).
Angesichts der Vielzahl der Kombinationstherapie-Variablen (z.B. Radiotherapie-Fraktionierung, Sequenz, Dosis, Volumen) und im weiteren Sinne von Kombinationen mit anderen Immuntherapien, zielgerichteter Therapien und traditionellen Mono- und Poly-Chemotherapieschemata sind wir aktuell schlecht gerüstet, um unsere Ansätze allein anhand von Messungen der klinischen Ergebnisse zu optimieren und die besten Kombinationen effizient zu identifizieren. Stattdessen sollte sich unser Schwerpunkt auf die Verwendung verbesserter, relevanterer Modellsysteme sowie auf die Entwicklung dynamischer und sensitiver Biomarker (z.B. blutbasierte Assays) verlagern, die frühere Wirksamkeitsanzeigen zu verschiedenen Zeitpunkten ermöglichen und auch potenzielle mechanistische Erkenntnisse liefern können. Die Chancen wären dann besser, die mechanistisch klar greifbaren Opportunitäten der Kombination von Immunotherapie mit Radiotherapie effizienter zu testen und die dafür geeigneten Patienten identifizieren zu können.
Prof. Dr. med. Daniel M. Aebersold

Inselspital
Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Radio-Onkologie
Freiburgstrasse
3010 Bern

1. Herrera, F. G., Bourhis, J., & Coukos, G. (2017). Radiotherapy combination opportunities leveraging immunity for the next oncology practice. CA Cancer J Clin, 67(1), 65–85. https://doi.org/10.3322/caac.21358
2. McBride, S., Sherman, E., Tsai, C. J., Baxi, S., Aghalar, J., Eng, J., … Lee, N. (2020). Randomized Phase II Trial of Nivolumab With Stereotactic Body Radiotherapy Versus Nivolumab Alone in Metastatic Head and Neck Squamous Cell Carcinoma. Journal of Clinical Oncology, JCO.20.00290. https://doi.org/10.1200/jco.20.00290
3. Theelen, W. S. M. E., Chen, D., Verma, V., Hobbs, B. P., Peulen, H. M. U., Aerts, J. G. J. V, … Welsh, J. W. (2020). Pembrolizumab with or without radiotherapy for metastatic non-small-cell lung cancer: a pooled analysis of two randomised trials. The Lancet Respiratory Medicine, 2600(20), 1–9. https://doi.org/10.1016/s2213-2600(20)30391-x
4. Antonia, S. J., Villegas, A., Daniel, D., Vicente, D., Murakami, S., Hui, R., … Özgüroğlu, M. (2018). Overall Survival with Durvalumab after Chemoradiotherapy in Stage III NSCLC. New England Journal of Medicine, 379(24), 2342–2350. https://doi.org/10.1056/nejmoa1809697

Vitrakvi (Larotrectinib)

Wirkmechanismus

Larotrectinib ist ein niedermolekularer hochselektiver Inhibitor der drei Tropomyosin-Rezeptor-Kinase-Proteine TRKA, TRKB und TRKC, die zur Schmerzregulierung, Propriozeption, Appetitsteuerung sowie Gedächtnisregulierung beitragen. Bei etwa einem Prozent aller soliden Krebsarten und in gut 1000 Fällen jährlich in Europa liegt ein Fusionsprotein vor, an dem eines der drei Gene der Tropomyosin-Rezeptor-Kinase-Proteine beteiligt ist. Die Gene heissen Neurotrophic receptor tyrosine kinase 1-3, abgekürzt NTRK 1-3. Die TRK-Fusion führt zur Überexpression dieser funktional pathogenen Proteine, was dann dauerhaft Liganden unabhängig den entsprechenden Signalweg aktiviert und ein unkontrolliertes Zellwachstum bewirkt. Daher wird auch von TRK-Fusionstumoren gesprochen.
Für Larotrectinib wurden konzentrationsabhängig eine starke sehr selektive Hemmung der TRK Proteine sowie eine Hemmung der Proliferation von Tumorzellen nachgewiesen. In Xenograft-Mausmodellen mit TRK-Fusion induzierte Larotrectinib eine signifikante Reduktion des Tumorwachstums. Nach Progression unter TRK-Inhibitoren wurden erworbene Resistenzmutationen beobachtet. Larotrectinib hatte minimale Aktivität in Zelllinien mit Punktmutationen in der TRKA-Kinasedomäne, einschliesslich der klinisch nachgewiesenen erworbenen Resistenzmutation G595R. Punktmutationen in der TRKC-Kinasedomäne, die eine klinisch relevante erworbene Resistenz gegenüber Larotrectinib verleihen, sind G623R, G696A und F617L.
Bisher sind ca. dreissig solide Tumorarten und Sarkome bekannt, bei denen TRK-Fusionen wiederholt nachgewiesen wurden. Die meisten gehören zu den Weichteilsarkomen aber auch papillären Schilddrüsenkarzinomen, Speicheldrüsenkarzinomen und Gliomen, für die es international auch bereits Zulassungen gab.

Klinische Wirksamkeit

Da das NTRK-Fusionsprotein bei verschiedenen weiteren Tumoren auftreten kann, wurden 3 Tumortyp-unabhängige sog. Basket-Studies durchgeführt, in die alle Patienten aller Alterskategorien mit einem TRK-Fusionsprotein-positiven Tumor, lokal fortgeschritten oder metastasiert, nach primär erfolgloser Standardtherapie eingeschlossen wurden.
Phase I Studie «LOXO-TRK-14001» (NCT02122913): Offene Dosis­eskalations- und expansionsstudie, welche erwachsene Patienten (≥18 Jahre) mit fortgeschrittenen soliden Tumoren einschloss (für die Expansionsphase war das Vorliegen einer NTRK Genfusion erforderlich). Es wurden 8 Patienten in die Wirksamkeitspopulation aufgenommen.
Phase II Studie «NAVIGATE» (NCT02576431): Offene Basket-Studie, welche erwachsene und pädiatrische Patienten (≥12 Jahre) mit fortgeschrittenen soliden Tumoren mit NTRK-Genfusion einschloss. Die verabreichte Dosis betrug 100 mg zweimal täglich. Aus dieser Studie flossen 65 Patienten in die gesamte Wirksamkeitspopulation ein.
Phase I/II Studie «SCOUT» (NCT02637687): Offene Dosiseskalations- und expansionsstudie, welche pädiatrische Patienten (≥28 Tage bis 21 Jahre) mit fortgeschrittenen soliden Tumoren oder primären ZNS-Tumoren einschloss (für die Expansionsphase war das Vorliegen einer NTRK Genfusion erforderlich). Die verabreichte Dosis betrug bis zu 100 mg/m2 zweimal täglich. Aus dieser Studie flossen 38 Patienten in die gesamte Wirksamkeitspopulation ein.
Primärer Endpunkt war die Gesamtansprechrate. In Tabelle 1 werden die Ansprechraten aus den drei Zulassungsstudien in Bezug auf die Art der Isoform des NTRK Fusionsproteins gezeigt.


In der Tabelle 2 sind das Ansprechen (ORR) und die Dauer des Ansprechens (DOR) der Patienten aus den drei Zulassungsstudien aufgelistet. Sie zeigten ein hohes und auch lange anhaltendes Ansprechen bei Erwachsenen und Kindern. Die Ansprechrate lag bei 81% für alle Altersgruppen nach medianen 7-18 Monaten und bei Kindern lag das Ansprechen bei 94%. Bei den 34 Kindern wurde in 35% eine komplette Remission, bei 59% eine partielle Remission und 6% eine Stabilisierung beobachtet.
Die Baseline-Charakteristika für die 18 Patienten mit primären ZNS-Tumoren mit einer NTRK-Genfusion, welche nicht in dieser Tabelle angeführt sind, lauten wie folgt: medianes Alter 10 Jahre (1-79 Jahre); 14 Patienten <18 Jahre, 4 Patienten ≥18 Jahre, 13 weiss, 8 männlich und 10 weiblich. Folgende Tumor-Typen lagen vor: Glio­blastom (6 Patienten), Gliom (4 Patienten), Glioneural (3 Patienten), nicht spezifiziert (3 Patienten) und Astrozytom (2 Patienten).
Alle Patienten hatten zuvor eine Behandlung für ihre Krebserkrankung erhalten (definiert als chirurgischer Eingriff, Radiotherapie oder systemische Therapie). Im Median hatten die Patienten 1 vorheriges systemisches Therapieregime erhalten.
Baseline-Charakteristika waren:
Folgende NTRK Genfusions-Isoformen sind bei den primären ZNS-Tumoren bestimmt worden: BCR-NTRK2 (bei 3 Patienten), SPECC1L-NTRK2 (bei 2 Patienten), ETV6-NTRK3, TPM3-NTRK1, AFAP-NTRK1, AGTPBP1-NTRK2, KANK2-NTRK2, AGAP1-NTRK2, BCR-NTRK3, GKAP1-NTRK2, KANK-NTRK2, KCDT8-NTRK2, NTRK2-AGAP1, TNS3-NTRK2, sowie nicht bestimmt (bei je 1 Patient). Zum Zeitpunkt des Cut-off waren 14 der 18 aufgenommenen Patienten mit primären ZNS-Tumoren für das Ansprechen auswertbar. Ein komplettes Ansprechen wurde bei 1 Patienten beobachtet, eine partielle Remission bei 3 Patienten und bei 6 Patienten wurde eine stabile Erkrankung über mindestens 16 Wochen beobachtet. Die Gesamtansprechrate betrug 29% (95% Konfidenzintervall: 8%, 58%). Zum Zeitpunkt des Cut-off lag die Behandlungsdauer bei 0.03 bis 16.6 Monaten und wurde bei 13 von 18 Patienten fortgesetzt.

Unerwünschte Wirkungen

Die Sicherheit von Vitrakvi wurde an total 208 Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten soliden Tumoren (unabhängig vom NTRK-Genfusionsstatus) beurteilt, welche mindestens eine Dosis Vitrakvi in einer der drei klinischen Studien «LOXO-TRK-14001», «NAVIGATE» und «SCOUT» erhalten hatten. Die gesamte Sicherheitspopulation umfasste Patienten mit einem medianen Alter von 42 Jahren (28 Tage bis 82 Jahre), wobei 27% der Patienten pädiatrische Patienten (28 Tage bis 18 Jahre) waren. Die Mehrheit (82%) der Erwachsenen (ab 18 Jahren) erhielt 100 mg Vitrakvi zweimal täglich als Anfangsdosis. Die mediane Behandlungsdauer für die gesamte Sicherheitspopulation betrug 4,1 Monate (Spanne: 0,03 bis 40,7).
Die am häufigsten gemeldeten unerwünschten Wirkungen unter Vitrakvi waren Fatigue (36%), Schwindelgefühl (29%), Übelkeit (28%), Obstipation (27%), ALT erhöht (26%), AST erhöht (26%), Anämie (26%), Erbrechen (24%), Myalgie (16%), Gewichtszunahme (14%), Muskelschwäche (13%), Neutrophilenzahl erniedrigt (12%), Leukozytenzahl erniedrigt (11%). Die meisten unerwünschten Wirkungen waren von Grad 1 oder 2. Die höchsten für Vitrakvi gemeldeten Grade waren erniedrigte Neutrophilenzahl und erhöhte ALT (Grad 4) sowie Anämie, Fatigue, Schwindelgefühl, Gangstörung, Parästhesie, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Myalgie, AST erhöht, Alkalische Phosphatase im Blut erhöht, Leukozytenzahl erniedrigt und Gewichtszunahme (Grad 3). Es wurden keine unerwünschten Wirkungen Grad 5 berichtet. Die meisten Ereignisse, die zu einer Dosisreduktion führten, traten innerhalb der ersten drei Behandlungsmonate auf. Zum dauerhaften Absetzen von Vitrakvi aufgrund behandlungsbedingter unerwünschter Wirkungen des Prüfpräparats kam es bei 2% der Patienten (ALT erhöht, AST erhöht, Muskelschwäche, Übelkeit, Enterokutanfistel und Amylase erhöht).

Kommentar

Es handelt sich um die zweite Zulassung, welche «tumor agnostic» erfolgt, d.h. dass nicht primär eine Indikation für eine einzelne organdefinierte Erkrankung, sondern für ein hochspezifisches Target verschiedener maligner Erkrankungen gleichzeitig erfolgt. Die erste solche Zulassung betraf Patienten mit einer «microsatellite instability-high (MSI-H) or mismatch repair deficient (dMMR)» Konstellation, welche von einer Pembrolizumab Therapie profitieren konnten.
Hier nun liegt ein für NTRK-Fusionsproteine hochselektives Medikament vor, welches eine klassische Orphan-Disease Situation betrifft. Es werden pro Jahr in Europa etwa 1000 solche Neuerkrankungen erwartet. Die aktuell bereits ersichtliche Wirksamkeit ist klinisch bedeutsam und ohne Alternative für diese Patientengruppen. Die Nebenwirkungen sind nach bisheriger Erfahrung moderat. Allerdings ist angesichts der Seltenheit dieser Tumorerkrankungen die Datenlage noch sehr schmal und entsprechend laufen die Studien weiter. Damit es gelingt, die Sicherheit hoch zu halten, sollten solche Therapien nur an Zentren zur Anwendung kommen, wo solche Therapien regelmässig zur Anwendung kommen, damit eine genügende Erfahrung zur weiteren Optimierung erlangt werden kann. Die seit Januar 2020 auch in der Schweiz nun mögliche zeitlich befristete Zulassung nach Art. 9a des Heilmittelgesetzes wird in den folgenden Jahren zeigen müssen, ob die aktuelle Datenlage durch Langzeiterfahrungen bestätigt wird und somit diese frühe Zulassung von Vitrakvi aufrechterhalten werden kann.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Der Autor hat keine Interessenskonflikte
im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Swissmedic genehmigte Fachinformation zu Vitrakvi Kapsel 2020

Neoadjuvante immun-modulierende Radiotherapie in Kombination mit Immuntherapie

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organi­sation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für die hier vorgestellte Studie oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienverantwortlichen (Coordinating Investigator) oder den Studienkoordinator (Clinical Project Manager).

Neoadjuvante immun-modulierende Radiotherapie in Kombination mit Immuntherapie bei nicht-klein-zelligem Lungenkrebs im Stadium III

Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs im Stadium III können in kurativer Absicht behandelt werden. Dennoch ist die Rezidivrate hoch. Im Rahmen der Studie SAKK 16/18 wird untersucht, ob die Kombination einer Immuntherapie mit einer immun-modulierenden Radiotherapie, die zusätzlich zur Standardtherapie erfolgt, die Prognose verbessern kann.

Für Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Bronchuskarzinom (NSCLC) im Stadium III mit Befall der N2-Lymphknoten (St. III(N2)) stehen verschiedene multimodale Therapieoptionen zur Verfügung. In der Schweiz besteht die Standardbehandlung für operable Patienten mit einem resezierbaren NSCLC im Stadium III(N2) aus einer neoadjuvanten Chemotherapie (Cisplatin/Docetaxel) mit anschliessender Tumoroperation. Doch obwohl die Behandlung mit kurativer Intention erfolgt, erleiden die meisten Patienten ein Rezidiv. Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt daher nur ca. 40%. In der soeben abgeschlossenen Studie SAKK 16/14 wurde untersucht, ob eine zusätzliche perioperative Immuntherapie mit dem PD-L1 Inhibitor Durvalumab die Prognose verbessert. Es konnte gezeigt werden, dass die Anzahl der Patienten ohne «Ereignis» (Tumorprogress oder Tod, «event-free survival») nach 12 Monaten im Vergleich zu einer historischen Kontrollgruppe mit alleiniger neo­adjuvanter Chemotherapie (SAKK 16/00) um mehr als 50% zunimmt (von 48 auf 73%).

Verbessert eine zusätzliche immun-modulierende Radiotherapie die Prognose?

Aus präklinischen Studien und klinischen Beobachtungen gibt es Hinweise, dass eine Bestrahlung der Tumorzellen die antitumorale Immunantwort und damit auch die Wirksamkeit einer PD-L1 Blockade verbessern kann. Es ist aber nicht bekannt, mit welchem Radiotherapieprotokoll (Gesamtdosis, Fraktio­nierung) dieser «immun-modulierende» Effekt am besten erzielt wird. In der Studie SAKK 16/18 wird untersucht, ob eine zusätzliche immun-modulierende Radiotherapie, welche gleichzeitig mit der präoperativen Immuntherapie mit dem anti-PD-L1 Antikörper Durvalumab appliziert wird, die Prognose im Vergleich zu einer historischen Kontrolle weiter verbessern kann. Hierbei werden nur der Primärtumor oder Anteile davon bestrahlt, um das Risiko zusätzlicher Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten und um die in den zentralen (N2-) Lymphknoten ablaufende Aktivierung des Immunsystems nicht zu beeinträchtigen. Immun- und Radiotherapie erfolgen zusätzlich zur Standardtherapie (neoadjuvante Chemotherapie und Operation). An der Studie können 90 Patientinnen und Patienten mit NSCLC im lokal-fortgeschrittenen Stadium III(N2) teilnehmen.

Behandlung in vier Phasen

Die Therapie innerhalb der Studie gliedert sich in vier Phasen:
1. Standardtherapie: drei Zyklen neoadjuvante Chemotherapie mit Cisplatin und Docetaxel (à je 3 Wochen)
2. Studientherapie: einmalige intravenöse Gabe von Durvalumab und gleichzeitig Beginn der immun-modulierenden Radiotherapie. Die teilnehmenden Patienten werden in drei unterschiedliche Radiotherapie-Gruppen randomisiert – das Ziel ist herauszufinden, ob sich die drei verschiedenen Bestrahlungsprotokolle in der Wirksamkeit unterscheiden:
a) 20 Bestrahlungen à 2 Gray während 4 Wochen
b) 5 Bestrahlungen à 5 Gray während 1 Woche
c) 3 Bestrahlungen à 8 Gray während 1 Woche
3. Standardtherapie: Tumoroperation.
4. Studientherapie: adjuvante Immuntherapie mit Durvalumab, welches nochmals für 1 Jahr alle 4 Wochen intravenös verabreicht wird (insgesamt 13 Infusionen).

Lebenslange Nachbeobachtung

Anschliessend an die Studientherapie folgt die Nachbeobachtungsphase mit regelmässigen Nachkontrollen:

  • In den ersten zwei Jahren alle drei Monate,
  • In den nächsten drei Jahren alle sechs Monate,
  • Ab dem sechsten Jahr nach Therapieabschluss einmal jährlich (lebenslang).

Studienname: Immune-modulatory radiotherapy to enhance the effects of neoadjuvant PD-L1 blockade and neoadjuvant chemotherapy in patients with stage III(N2) non-small cell lung cancer (NSCLC). A multicenter single-arm phase II trial.

Teilnehmende Zentren: Kantonsspital Aarau, Kantonsspital Baden, Claraspital Basel, Universitätsspital Basel, EOC – Istituto Oncologico della Svizzera Italiana, Inselspital Bern, Kantonsspital Graubünden, Hôpital Fribourgeois – Hôpital Cantonal, Hôpitaux Universitaires de Genève, Kantonsspital St. Gallen, Spital STS AG Thun, Kantonsspital Winterthur, Hirslanden Klinik Zürich, UniversitätsSpital Zürich

Coordinating Investigator: Dr. med. Laetitia Mauti, Kantonsspital Winterthur, laetitia.mauti@ksw.ch

Clinical Project Manager: Eloïse Kremer, SAKK Koordinations­zentrum Bern, eloise.kremer@sakk.ch

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Von der Nationalen Strategie gegen Krebs zum Oncosuisse Forum

Im Interview erklärt Michael Röthlisberger, wie die Arbeit der Nationalen Strategie gegen Krebs (NSK) weitergeführt wird.

Michael Röthlisberger, weshalb endet die Nationale Strategie gegen Krebs? Braucht es diese Initiative nicht mehr?

Die NSK endet, weil es von Anfang an ein zeitlich begrenzter Auftrag vom Bund (EDI) und den Kantonen (GDK) war. Der ursprüngliche Zeitraum 2014–2017 konnte verlängert werden bis 2020. Für eine weitere Verlängerung sind die Voraussetzungen seitens Bund und Kantone nicht gegeben. Diese Initiative endet also aus administrativen Gründen. Das heisst aber nicht, dass es sie inhaltlich nicht mehr
braucht – im Gegenteil! Es braucht unbedingt weiterhin ein gemeinsames Voranschreiten der Akteure im Krebsbereich auf nationaler Ebene, um die Herausforderungen anzugehen.

Also mehr Neuanfang als Ende?

Neuanfang oder vielleicht noch besser «nächster Schritt» auf Basis des Erreichten. Dies ist übrigens der dritte oder vierte solche Schritt, wenn man so will: Auf das 2001 gestartete «Nationale Krebsprogramm I» folgte das «Nationale Krebsprogramm II», dann die NSK inklusive Verlängerung und jetzt eben Oncosuisse Forum. Das grundsätzliche Ziel bleibt das Gleiche. Auch Oncosuisse Forum ist ideell eine «nationale Strategie», einfach in veränderter Form und unter anderer Bezeichnung.

Was hat die NSK in diesen sieben Jahren erreicht?

Wenn man es auf zwei Worte reduzieren möchte: Vernetzung und Zusammenarbeit. Eine Rückmeldung, die wir häufig erhalten haben, ist, dass es die NSK braucht, um Akteure mit unterschiedlichen Haltungen und Ansprüchen quasi auf «neutralem Grund» zusammenzuführen, um gemeinsam Projekte und Aktivitäten zu entwickeln – und umzusetzen. Insgesamt wurden von den zahlreichen Projekten die meisten beendet und in allen davon bedeutende Fortschritte erzielt.
Wenn man auf einzelne Beispiele eingehen will, sind sicherlich die Zusammenarbeit im Rahmen der «Charta Darmkrebs-Früherkennung» oder auch die Erarbeitung und Einführung der nationalen Krebsregistrierung gute Beispiele. Die Krebsregistrierung ist zwar Sache des BAG und der ausführenden Stellen, die Entwicklung hat aber zu wichtigen Teilen auch in NSK-Arbeitsgruppen stattgefunden. Auch was gemeinsames politisches Handeln wie beispielsweise eine konzertierte Ein&ussnahme auf krebsrelevante Vernehmlassungen angeht, hat das «Gefäss» NSK beziehungsweise die Oncosuisse sicherlich geholfen. Wichtig ist zu betonen, dass die NSK vor allem unterstützend gewirkt hat, den «Lead»in den Projekten hatten in den meisten Fällen die Akteure.

Und was soll man sich unter dem neuen «Oncosuisse Forum» vorstellen?

Wir haben bewusst den Begriff des Forums gewählt. Ein Forum ist ein Ort, an dem Ideen und Meinungen ausgetauscht werden. Wie eben erwähnt, war dies bereits in der NSK sehr wichtig, wir möchten aber noch mehr Gewicht auf diesen Aspekt legen. Kernstück von Oncosuisse Forum werden denn auch themenspezi%sche Plattformen sein, welche dem Austausch unter den Akteuren sowie dem Entwickeln von Ideen und Aktivitäten dienen sollen. Hierfür möchten wir die Akteure noch breiter und vollzähliger als bisher einbinden. Auch die Initiative «Zugang zu neuen Krebsmedikamenten» (den Involvierten auch als «die Lernspirale» bekannt, da diese Methodik im Mittelpunkt steht) ist stark von diesem Austausch-Charakter geprägt und wird im Rahmen von Oncosuisse Forum weitergeführt. Dafür werden wir nicht 15 Projektaktivitäten parallel führen können wie in der NSK.

Viel Arbeit für die Zukunft…

In der Tat, ja! Der Anfang wird vom Aufbau und vom Etablieren der neuen Strukturen geprägt sein. Allerdings muss man sagen, dass wir im Team mit Kathrin Kramis, Catherine Gasser und Nuria del Rey schon viel Vorarbeit geleistet haben. Nun schauen wir gespannt und vorfreudig vorwärts und hoffen, dass möglichst viele Akteure sich im Oncosuisse Forum einbringen möchten, denn je mehr Personen und Institutionen am gleichen Strick in die gleiche Richtung ziehen, umso mehr können wir bewegen! So hoffen wir auch, dass möglichst viele Organisationen aus dem Krebsbereich bei den Themenplattformen mitmachen werden – die Einladung dazu folgt und wer auf dem Laufenden bleiben will, kann sich auch sehr gerne für unseren Newsletter einschreiben unter www.oncosuisse.ch.

Lars Haefner

Oncosuisse ist der Verbund von neu acht Institutionen im Krebsbereich (Krebsliga Schweiz, Krebsforschung Schweiz, Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK), Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Onkologie, Schweizerische Gesellschaft für Hämatologie, Schweizerische Pädiatrische Onkologie Gruppe, NICER und seit 1. Januar 2021 neu auch Onkologiep&ege Schweiz). Die Geschäfts- und Koordinationsstelle von Oncosuisse/Oncosuisse Forum befindet sich in Bern.

Für Fragen zu Oncosuisse & Oncosuisse Forum: m.roethlisberger@oncosuisse.ch Schweizer Krebsbulletin Nr. 1/2021