Topische Phytopharmaka in der Gynäkologie

Gerade in der Gynäkologie besitzt die Phytotherapie einen hohen Stellenwert, fragen Patientinnen doch oftmals gezielt nach «natürlichen» Alternativen oder Ergänzungen ihrer Behandlung, z.B. bei Wechseljahresbeschwerden oder PMS. Auch topisch angewandt haben Arzneipflanzen mit ihren Vielstoffgemischen in der Gynäkologie Einiges zu bieten und lassen sich bei diversen Beschwerden vielseitig, effizient und direkt am Wirkort einsetzen.

La phytothérapie est particulièrement importante en gynécologie, car les patientes demandent souvent des alternatives ou des compléments « naturels  » à leur traitement, par exemple dans le cas de plaintes relatives à la ménopause ou au syndrome prémenstruel. Même en application topique, les plantes médicinales avec leurs mélanges de substances multiples ont beaucoup à offrir en gynécologie et peuvent être utilisées pour diverses affections de manière polyvalente, efficace et directe sur le site d’action.

Bei hormonell bedingten trockenen und atrophen Schleimhäuten kommen fette Pflanzenöle mit Phytosterolen, die die Schleimhäute hydratisieren und regenerieren, zum Einsatz, allenfalls in Kombination mit hormonausgleichenden, regenerierenden und wundheilenden ätherischen Ölen.

Hormonähnliche Inhaltsstoffe: Granatapfelkern- und Sanddornfruchtfleischöl

Granatapfelkernöl (Punica granatum) (Abb. 1) enthält diverse Phytoöstrogen-Komponenten wie z.B. Coumestrol oder Estron (1, 2), sowie andere hormonähnlich wirkende Stoffe wie Phytosterole, Flavonoide und β-Sitosterol, und hat daher eine hormonausgleichende Wirkung (2, 3). Ferner weist das Öl einen hohen Gehalt an Punicinsäure auf, welche durch ihre inhibierende Wirkung auf die Lipoxygenase und die Cyclooxygenase (COX) entzündungshemmend wirkt (2). Das Öl kann formuliert in Ovula, in halbfesten Zubereitungen oder in Ölmischungen als tägliche Pflege benutzt werden, beispielsweise in Kombination mit Nachtkerzen- oder Johannisöl, sowie eventuell mit regenerierenden oder hormonell ausgleichenden ätherischen Ölen wie Rosengeranie (Pelargonium grav.), Sandelholz (Santalum album), Muskatellersalbei (Salvia sclarea) oder Rose (Rosa damascena) (1).
Sanddornfruchtfleischöl (Hippophae rhamnoides) eignet sich aufgrund seines hohen Gehaltes an Palmitoleinsäure, die auch Bestandteil unseres hauteigenen Fettes ist, besonders für die Behandlung von diversen (Schleim-)Hautkrankheiten. Ebenfalls in hoher Konzentration vorhanden sind Tocopherol und Carotinoide, welche eine zellregenerierende Wirkung aufweisen, sowie das hormonähnliche β-Sitosterol (2). Gerade bei Erosionen, Läsionen und Rissen im Genitalbereich, welche unter anderem auf einen Mangel an B-Carotin und Tocopherol zurückzuführen sind, eignet sich Sanddornfruchtfleischöl als Inhaltsstoff in einer geeigneten Zubereitung (2). Zu beachten ist die starke orange Färbung des Öls.
Andere hormonausgleichende Pflanzenöle sind beispielsweise Lein-, Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl, auch sie können lokal pur oder in Rezepturen angewendet werden, oder zur systemischen Therapie trockener (Schleim-)Haut innerlich eingenommen werden.
Eine von vielen GynäkologInnen verschriebene Rezeptur für trockene und juckende Schleimhäute mit Infektionstendenz ist die Vaginalcreme nach Rina Nissim (4) (Rezeptur 1).

Sonderfall Lichen sclerosus

Essentiell ist bei diesem Beschwerdebild die intensive Pflege (5), idealerweise mit obengenannten zellregenerierenden fetten Pflanzenölen in einer Ölmischung oder halbfesten Zubereitung. Bei Rötungen und Reizungen kann der Creme beruhigendes und reizmilderndes Lavendelöl (6) beigegeben werden, je nach Verträglichkeit 1-2%ig. Versuchsweise kann ätherisches Rosmarinöl (Rosmarinus officinalis ct cineol) 5-10%ig in einer rückfettenden Grundlage zur Durchblutungsförderung eingesetzt werden (5), am besten wird die Creme jeweils morgens angewendet. Bei Verletzungen durch Kratzen oder akuten entzündlichen Zuständen kommen Waschungen mit verdünnter Calendula- oder Kamillentinktur infrage, oder auch Sitzbäder mit entzündungshemmenden Arzneipflanzen (s. unten).

Bei Entzündungen Gerbstoffdrogen und entzündungshemmende Arzneipflanzen

Gerbstoffdrogen wie Eichenrinde (Quercus cort.), Hamamelis (Hamamelidis cort./fol.) oder Taubnesselblüten (Lamii albi flos) weisen adstringierende, entzündungshemmende und juckreizstillende Eigenschaften auf und eignen sich für nässende, entzündliche oder mit Sekretion verbundene Zustände (z.B. Fluor albus) (7). Taubnessel wirkt dabei aufgrund der Iridoïde über eine Hemmung der Zyklooxygenase zusätzlich entzündungshemmend (7). Die Pflanzen kommen als Waschungen oder Sitzbäder zur Anwendung. Dazu kombiniert werden kann die entzündungshemmende und keimhemmende Kamille (Matricariae flos) oder Schafgarbe (Millefolii flos) (8) (Rezeptur 2). Bei starker Entzündung kann dem Sitzbad zur Wirkungsverstärkung 10-30 ml Kamillenextrakt oder Ringelblumentinktur beigegeben werden. Des Weiteren können im Handel erhältliche Hamamelis-Hämorrhoidalzäpfchen auch vaginal eingeführt werden (z.B. Hametum®) (6); auch Eichenrindenovula in diversen Konzentrationen können magistral hergestellt werden.
Achtung: Eichenrindenauszug ist kräftig gefärbt; es empfiehlt sich, die Badewanne sofort nach Gebrauch zu reinigen (7).

Infektionen im Intimbereich: Ätherische Öle und ihr antimikrobielles Potential

Ätherische Öle wirken je nach Zusammensetzung stark antibakteriell, antiviral und antimykotisch und werden bei diversen Infektionen der Haut sowie in der Wundbehandlung eingesetzt (9). Sie eignen sich gut zur kausalen Behandlung von Mykosen und anderen Infekten im Vaginalbereich.
Bei immer wiederkehrenden Infekten kann mittels eines Vaginalabstriches in einem spezialisierten Labor ein Aromatogramm erstellt und nach den Resultaten eine personalisierte Rezeptur formuliert werden (10).

Teebaumöl & Co bei Vaginalmykosen und bakteriellen Infekten

Viele ätherische Öle zeigen schon in niedrigen Konzentrationen eine fungizide Wirkung (10). Das gut untersuchte Teebaumöl (Melaleuca alternif.) ist aufgrund seiner ausgeprägt fungiziden Wirkung eines der wichtigsten Öl bei (Schleim-)Hautmykosen und kommt insbesondere auch bei chronischen Candidainfektionen zum Einsatz (11). Ihm eigen ist die stark austrocknende Wirkung, eine pflegende Grundlage ist daher wichtig (Rezeptur 3). Monoterpenolhaltige Öle wie Lavendel (Lavandula off.), Thymian Linalool (Thymus vulg. ct linalool), Rosengeranie (Pelargonium grav.) sowie Palmarosa (Cymbopogon martinii) eignen sich ebenfalls gut für (Candida-)Mykosen und sind daneben auch überaus hautpflegend. Palmarosa zeigt auch entzündungshemmende sowie analgetische Wirkungen (11). Für chronisch rezidivierende Pilzinfektionen haben sich Ovula mit dem stark wirksamen Thymian thymol (Thymus vulg. ct thymol) bewährt, die Dosierung pro Ovulum à 3g beträgt maximal 40mg (4). Des Weiteren sei noch Lemongrass (Cymbopogon flex.) erwähnt, das eine gute Wirksamkeit bei diversen Pilzerregern zeigt (10, 11).

Alle genannten Öle weisen neben der fungiziden auch eine breite antibakterielle Wirkung auf und können bei bakteriellen Infekten eingesetzt werden (11).
Allergien auf ätherische Öle sind häufig auf nicht richtig gelagerte Öle und die damit verbundene Bildung von Peroxyden zurückzuführen, welche ihrerseits Auslöser für Dermatitiden oder allergischen Reaktionen sein können (7). Diese Proble-matik ist insbesondere für das vielbenutzte Teebaumöl bekannt, eine gute Ätherisch-Öl-Qualität ist essentiell (9, 11).

Cineolreiche Öle bei viralen Infekten

Bei Genitalherpes (HSV-2) sowie HPV-Infekten können adjuvant antiviral wirkende ätherische Öle eingesetzt werden. Neben Teebaum (Melaleuca alternif.) eignen sich auch Niaouli (Melaleuca viridifl.) sowie Cajeput (Melaleuca leucadend.) (11). Auch Ravintsara (Cinnamomum camph. ct cineol), Eukalyptus (Eucalytus globulus/smithii) und Rosmarin (Rosmarinus off.
ct cineol) wirken antiviral, dies v.a. über ihren hohen Cineolgehalt. Cineol wirkt überdies lokal anästhesierend und analgetisch (10, 11). Dazu kombiniert werden können Lavendel (Lavandula off.), Sandelholz (Santalum album), Rosengeranie (Pelargonium grav.), welche entzündungshemmend, schleimhautregenerierend und epithelisierend wirken, Sandelholz zusätzlich antiviral (5, 11).
Eichenrindenbäder können die Wirkung unterstützen (5). Fertigpräparate mit antiviraler Wirkung enthalten wässrigen Melissenextrakt oder Grünteeextrakt (Camellia sinensis) und können insbesondere bei Condylomen eingesetzt werden (5).

Magistralrezepturen mit ätherischen Ölen

In der Regel werden Ovula zu 100-200mg an ätherischen Ölen dosiert. Dabei empfiehlt es sich, mindestens 2 bis 3 verschiedene Öle zu kombinieren, da ätherische Öle in Mischungen durch Synergiebildung effizienter sind als Einzelöle (11). Bewährt haben sich Vaginalovula à 3g, da so genügend Ovulagrundmasse vorhanden ist, um die betroffenen Schleimhäute ausreichend zu benetzen und den Wirkstoff optimal zu verteilen. Je nach Lokalisation kommen auch Cremes zum Einsatz, in einer Konzentration von 2-5% maximal.
Gerade im sensiblen Vaginalbereich muss ausserdem der Grundlage Beachtung geschenkt werden. Es gilt das Therapieprinzip: Feucht auf feucht – Fett auf trocken. Ein Austausch mit dem herstellenden Apotheker kann sinnvoll sein, damit die jeweils optimale galenische Grundlage für die betreffende Indikation gefunden werden kann.

Zweitabdruck aus «der informierte arzt» 05_2020

Karoline Fotinos-Graf

eidg. dipl. Pharm., FPH Phytotherapie
Schweizerische Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie SMGP
Diesbachstrasse 11
3012 Bern

k.fotinos@smgp.ch

Die Autorin hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Diverse ausgewählte Arzneipflanzen mit breitem Wirkungsspektrum (hormonähnlich und -ausgleichend, antiphlogistisch, analgetisch, antipruriginös, antiinfektiös, adstringierend, wundheilungsfördernd) stehen für die topische Behandlung von leichten bis mittelschweren Beschwerden des Vulvovaginalbereichs zur Verfügung, als alleinige Therapie oder adjuvant zu einer bestehenden Therapie
  • Von Bedeutung ist insbesondere das grosse antimikrobielle Potential von ätherischen Ölen, was gerade in Zeiten erhöhter Antibiotika- und anderen Resistenzen von grossem Wert sein kann
  • Es stehen ebenfalls diverse antiviral wirkende Phytotherapeutika für die (adjuvante) Behandlung von Genitalherpes oder Condylomen zur Verfügung
  • Dem Arzt, der Ärztin stehen neben einigen pflanzlichen Fertigpräparaten zahlreiche Arzneipflanzen und ätherische Öle in der ALT (Arzneimittelliste mit Tarif) zur Verschreibung einer Magistralrezeptur zur Verfügung, welche über die Grundversicherung vergütet werd

Messages à retenir

  • Diverses plantes médicinales sélectionnées, à large spectre d’ action (similaires aux hormones et les équilibrant, antiphlogistiques, analgésiques, antiprurigineuses, anti-infectieuses, astringentes, favorisant la cicatrisation) sont disponibles pour le traitement topique des problèmes légers à modérés de la zone vulvo-vaginale, en tant que monothérapie ou adjuvant à une thérapie existante.
  • Le grand potentiel antimicrobien des huiles essentielles est particulièrement important, ce qui peut être d’ une grande valeur, surtout en temps de résistance accrue aux antibiotiques et d’ autres résistances.
  • Il existe également divers agents phytothérapeutiques antiviraux pour le traitement (adjuvant) de l ’herpès génital ou des condylomes.
  • En plus de certaines préparations à base de plantes prêtes à l’ utilisation, le médecin a accès à de nombreuses plantes médicinales et huiles essentielles figurant sur la liste LMT (Liste des médicaments avec tarif) pour la prescription des formules magistrales, qui sont remboursées par l’assurance de base.

1. Von Braunschweig, R. Pflanzenöle. Wiggensbach : Stadelmann Verlag, 2018.
2. Krist, S., Buchbauer, G. und Klausberger, C. Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. Wien : Springer, 2008.
3. Fischer, H. Punica granatum. Zeitschrift für Komplementärmedizin 08(02). 2016, S. 52-53.
4. Fischer, H. Sanfte Hilfe bei Scheideninfekten. Naturarzt. 20. Februar 2008, S. 18-20.
5. Fischer, H. Juckreiz und Schmerzen im äusseren Intimbereich. Naturarzt. 17. April 2014, S. 11-13.
6. Widmer, R. Einsatz von Phytotherapeutika bei Vulvovaginalbeschwerden. Schweiz Z Ganzheitsmed (29). 18. Januar 2017, S. 22-24.
7. Schilcher, Heinz, et al. Leitfaden Phytotherapie. München : Elsevier GmbH, 2016.
8. Bäumler, Siegfried. Heilpflanzenpraxis heute: Rezepturen und Anwendung. München : Elsevier Urban & Fischer, 2013. Bd. 2.
9. Fotinos-Graf, Karoline. Ätherische Öle in der Wundheilung und Entwicklung von geeigneten Rezepturen. www.smgp.ch. [Online] 5. November 2014. [Zitat vom: 31. Januar 2020.] http://www.smgp.ch/smgp/homeindex/faehigkeitsprogf/zertifikatsarbeiten/Fotinos-GrafKaroline.pdf.
10. Steflitsch, W., Wolz, D. und Buchbauer, G. Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Wiggensbach : Stadelmann Verlag, 2013.
11. Wabner, Dietrich und Beier, Christiane. Aromatherapie. München : Elsevier GmbH, 2009.

Ultraschallbasierte Trisomie 21- Organ­diagnostik im ersten Trimenon

Stetig besser werdende Möglichkeiten der pränatalen Dia­gnostik und ein steigendes Alter schwangerer Frauen führen dazu, dass im Ersttrimesterscreening (ETT), einem integralen Bestandteil der Schwangerenvorsorge, häufiger die Diagnose eines intermediären bis erhöhten Risikos für das Vorliegen einer Trisomie 21 beim Feten resultiert. Eine erneute Beurteilung der Morphologie kann in diesem Rahmen Hinweise für das Vorliegen einer Aneuploidie erhärten und teils auch relativieren, da etliche Veränderungen beim Vorliegen einer Trisomie 21 bereits im ersten Trimenon sichtbar sind. Daher lohnt es sich oftmals hier schon ein frühes Organscreening durchzuführen oder auch eine zweite Meinung einzuholen.

Ein erhöhtes Risiko im ETT bedeutet nicht, dass eine Störung vorliegen muss, sondern lediglich, dass ab einem kalkulierten Risiko von ≥ 1:1000 in einer ergebnisoffenen Beratung weitere Abklärungen angeboten werden. Dass das Vorliegen eines erhöhten Risikos im ETT für werdende Eltern eine grosse psychische Belastung darstellt, versteht sich von selbst. Spätestens dann stellt sich für sie die Frage, wie damit umgegangen werden soll.
Das Ersttrimesterscreening auf Trisomie 13, 18 und 21 basiert auf einer Risikoberechnung aufgrund des mütterlichen Alters, der Bestimmung der Weite der Nackentransparenz und der Messung der Hormone β-HCG und PAPP-A und hat eine Sensitivität von 90%. Die morphologische Beurteilung des Fetus basiert auf den aktuellen Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe (SGUMGG) von 2019, in welchen die notwendigen Standardebenen zur Durchführung des Schwangerschaftsultraschalls vorgegeben sind (1). Durch die zusätzliche Beurteilung der Morphologie des Fetus kann die Sensitivität der Detektion für die Trisomie 21 auf 95% erhöht werden (2). Dabei korreliert die Breite der Nackentransparenz stark mit dem Risiko einer genetischen Erkrankung, liegt bei einer Nackentransparenz über 4,5 mm bei über 30% und steigt mit zunehmender Breite weiterhin an (3).
Abhängig vom kalkulierten Risiko kann den Betroffenen – vorausgesetzt es besteht der Wunsch nach weiterer Abklärung – die Durchführung einer Nicht invasiven Pränataldiagnostik (NIPT) oder eine invasive Karyotypisierung durch eine Chorionzottenbiopsie, beziehungsweise Amniozentese angeboten werden.

Die Durchführung eines NIPT erscheint in Anbetracht eines Risikos für einen Abort von 0,5% im Rahmen einer invasiven Diagnostik zunächst als attraktive Alternative, zumal viele Schwangere den Schritt hin zu einer Punktion berechtigterweise scheuen. Zu bemerken ist, dass die Durchführung eines NIPT sich empfiehlt, wenn ein intermediäres Risiko im ETT von ≥1:1000 ohne Hinweise auf fetale Auffälligkeiten vorliegt. Klare Empfehlungen für das Vorgehen und die weitere Beratung der Betroffenen können im Algorithmus des Expertenbriefes der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) eingesehen werden (4). Falls es im ersten Ultraschallscreening Hinweise für das Vorliegen von Fehlbildungen gibt oder das Risiko im ETT mit ≥1:380 hoch ist, bietet es sich an, gezielt zu screenen. Zum einen, weil sich nicht selten charakteristische Veränderungen bei detaillierter Betrachtung des Feten finden, die auf das Vorliegen einer Trisomie 21 hinweisen. Zum anderen, weil die vorgängige Durchführung einer NIPT häufig zu einer Verzögerung der endgültigen Diagnosestellung führt. Zusätzlich muss jeder auffällige NIPT-Befund durch eine invasive Diagnostik bestätigt werden, bevor beispielsweise ein Schwangerschaftsabbruch mit dem Paar diskutiert wird. Diese Verzögerung von bis zu einer Woche führt für die Betroffenen durch die Zeit des wiederholten Wartens auf das Resultat zu einer erheblichen emotionalen Belastung und birgt nach 15 Schwangerschaftswochen erhöhte Risiken für die Durchführung eines späteren Schwangerschaftsabbruchs.
Die Erkennung einer Trisomie 21 im Ultraschall im ersten Trimenon ist häufig schwierig, bedarf einiger Übung und vernünftiger Ultraschallbedingungen. Sie gehören auch im hier beschriebenen Detail nicht zu den von der SGUMGG geforderten Standard­ebenen der Ersttrimesteruntersuchung. Dennoch gibt es jenseits der Nackenfaltenmessung wie bereits erwähnt eine ganze Reihe an sonographischen Hinweiszeichen, von denen die meisten Veränderungen aus den Ultraschalluntersuchungen im zweiten Trimenon bekannt sind, welche in der folgenden Tabelle aufgelistet sind (Tab. 1).
Teilweise ist die Prävalenz der oben aufgeführten Befunde bei Trisomie 21 gegenüber euploiden Feten nur geringfügig erhöht. Eine negative a-Welle im Ductus venosus, eine Trikuspidalklappeninsuffizienz oder ein hypoplastisches bzw. fehlendes Nasenbein in Kombination mit einem auffälligen Gesichtsprofil hingegen haben eine höhere Prävalenz. Wie so oft ist es die Summe der Befunde, die ähnlich bei den sonographischen Softmarkern im zweiten Trimenon, das Risiko mit zunehmender Anzahl der Stigmata erhöht. Die falsch-positiv-Rate für die Prädiktion der Trisomie 21 liegt auch in der Kombination von ETT mit Ductus venosus, Nasenbein und Fehlbildungsausschluss immerhin noch bei 2 % (5). Die Detektionsrate für Fehlbildungen beträgt nach einer deutschen Studie mit 6879 Schwangerschaften 44% zwischen 11-14 Schwangerschaftswochen. In einem Expertensetting betrug die Detektionsrate 83,7% (6). Die Rate an Fehlbildungen war 1% bei einer NT< 2.5 mm und 19.3 % für eine NT> 2,5 mm.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Carolin Blume

Chefärztin Geburtshilfe Kantonsspital Graubünden
Frauenklinik Fontana
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

carolin.blume@ksgr.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Immer bessere Ultraschallgeräte und durch eine Vielzahl fundierter Fort- und Weiterbildungsangebote immer besser ausgebildeter Gynäkologen schärfen das Bewusstsein für die Durchführung und Beratung pränataler Untersuchungen.
  • Neben der routinemässigen Ersttrimesterdiagnostik nach SGUMGG gibt es eine Vielzahl an möglichen Auffälligkeiten, die beim Vorliegen einer Trisomie 21 im ersten Trimenon sichtbar sein können. Diese Untersuchungen gehören nicht zum Standard der Ersttrimesterdia­gnostik. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Anforderungen mit dem besseren Geräte- und Ausbildungsstand stetig komplexer geworden und gestiegen sind.
  • Finden sich Ultraschallbefunde, die auf eine Chromosomenstörung Hinweiszeichen geben, ist eine frühzeitige Überweisung an einen Experten für pränatale Medizin empfehlenswert, um den Weg zur Diagnose möglichst kurz und schlank zu halten. Hier ist ein NIPT
    primär nicht indiziert, da ein erhöhtes Risiko für Chromosomenstörungen oder nicht chromosomale genetische Erkrankungen, welche nicht von einem NIPT erfasst werden, besteht.

1. Empfehlungen zur Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft; 4. Aktualisierte Auflage; Standardkommission für Schwangerschaftsultraschall der Schweizerischen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (SGUM) 2019
2. Wagner P, Sonek J, Hoopmann M et al. First-trimester screening for trisomies 18 and 13, triploidy and Turner syndrome by detailed early anomaly scan. Ultrasound Obstet Gynecol 2016; 48: 446–451
3. Souka AP, Krampl E, Bakalis S, Heath V, Nicolaides KH. Outcome of pregnancy in chromosomally normal fetuses with increased nuchal translucency in the first trimester; Ultrasound Obstet Gynecol. 2001 Jul;18(1):9–17
4. SGGG Homepage, Expertenbrief No 52: Pränatale nicht-invasive Risikoabschätzung fetaler Aneuploidien; März 2018
5. Tekesin I: The Value of Detailed First-Trimester Ultrasound Anomaly Scan for the Detection of Chromosomal Abnormalities; Ultraschall Med 2019; 40(06): 743-748
6. Syngelaki A, Chelemen T, Dagklis T. et al. Challenges in the diagnosis of fetal
nonchromosomal abnormalities at 11–13 weeks. Prenatal diagnosis 2011; 31: 90-102

Die späte Schwangerschaft

Am 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe 2019 widmete sich Prof. Dr. med. Olav Lapaire, Basel, dem immer wichtiger werdenden Thema der späten Schwangerschaft.

Im Jahr 1970 waren 33.1 % der Mütter unter 25-jährig und nur 11.3% 35 Jahre alt oder älter. Im Jahr 2018 waren dagegen nur 5.9% unter 25- jährig und 33% 35-jährig oder älter. Die Gründe dafür sind Multiparität, Lifestyle Choice, Berufstätigkeit und Vereinbarkeit, stellte Prof. Dr. med. Olaf Lapaire, Basel, fest. Obwohl die Fekundität (Anzahl erfolgreicher Schwangerschaften pro Frau) bereits ab 25 Jahren zu sinken beginnt, ist in einem Alter von 35 Jahren der Wendepunkt erreicht, an dem die Fekundität steil abfällt und die Spontanabortrate stark zuzunehmen beginnt (Moffat R et al. Swiss Med Forum. 2018;18(43):875-880). Bis zum 30. Lebensjahr werden noch 400 von 1000 Frauen pro Jahr Mutter, während die Fekundität im Alter von 45 Jahren auf unter 50 von 1000 Frauen pro Jahr absinkt. Wichtig ist ein ausführliches Beratungsgespräch und das Ersttrimester-Screening zur Bestimmung des Risikos für eine Trisomie 21 anhand der Nackenfaltenmessung.

Präeklampsie

Ferner ist dem Risiko für eine Präeklampsie Rechnung zu tragen, wie der Referent ausführte. Die Präeklampsie gilt als Hauptursache mütterlicher und perinataler Morbidität und Mortalität. Als Risikofaktoren gelten: Frauen mit einer Präeklampsie in der Vorgeschichte haben ein 4-fach höheres Risiko für eine spätere Hypertonie und ein 2-fach höheres Risiko für eine ischämische Herzerkrankung, einen Schlaganfall oder Thromboembolien. Dieses Risiko scheint insbesondere erhöht, wenn die Präeklampsie vor der 34. Schwangerschaftswoche auftritt.
Es gilt als erwiesen, dass die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) einer Präeklampsie vorbeugen kann. Die prophylaktische Gabe von ASS ergibt eine Senkung der Inzidenz einer frühen Präeklampsie (< 32 SSW) um 82% und eine Senkung der Inzidenz einer frühgeburtlichen Präeklampsie um 62% (< 37 SSW), wie der Referent darlegte.
Mit dem mütterlichen Alter und mit dem Gestationsalter nimmt auch die Wahrscheinlichkeit eines intrauterinen Fruchttods zu und zwar bis zum fünffachen Wert, wie der Referent zeigte.

Aetiologie einer Intrauterinen Wachstumsretardierung (IUGR)

Die Ursachen für eine fetale Wachstumsretardierung sind vielfältig und können im Wesentlichen in mütterliche, plazentäre und fetale Ursachen gegliedert werden.
Foetal: Malformationen, Aneuploidien, Syndrome, Infekte, Mehrlinge, konstitutionell, Entbindung Kaiserschnitt.
Plazentär: Plazentationsstörung, Insertio velamentosa, Infarkte, Lösung, Pl. praevia, Uterusmalformation.
Maternal: Extrinsisch: Medikamente, Nikotin, Alkohol etc. Intrinsisch: konstitutionell, arterielle Hypertonie, Präeklampsie, Thrombophilie, Autoimmunerkrankungen, Diabetes mellitus, maternales Alter.

Relatives Risiko einer Kaiserschnittgeburt

Das fortgeschrittene mütterliche Alter ist mit mehreren ungünstigen Schwangerschaftsausgängen verbunden, weshalb diese Schwangerschaften als «hohes Risiko» betrachtet werden. Dazu gehören Ineffizienz des alternden Myometriums, verringerte Anzahl von Oxytocin-Rezeptoren, medizinische Krankheiten wie Präeklampsie und Gestationsdiabetes, klinische Schwellenwerte für geburtshilfliche Eingriffe, Hoch-Risiko-Bezeichnung und Mütterliche Ängste, sowie medizinisch-rechtliche Bedenken., wie der Referent zeigte (Bayrampour H and Heaman M, Birth 2010;37:219-26).

Fazit

  • Präkonzeptionelle Beratung – Folsäure Gabe.
  • Beachte: Abfall der Fertilität und Anstieg der Abortrate!
  • Ausführliche Beratung (inkl. Ersttrimester Screening, NIPT, invasive Diagnostik, Präeklampsie-Screening, Aspirin Gabe).
  • Beachte Risiken (Präeklampsie, Gestationsdiabetes, IUGR (intrauterine Wachstumsretardierung), Frühgeburtlichkeit).
  • Anstieg des IUFD (intrauteriner Fruchttod) Risikos am Termin – Einleitung diskutieren.
  • Ausführliche Besprechung der Geburtsmodalität.
  • Cave: Risiko einer postpartalen Hämorrhagie.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Quelle: 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe, 7.-8. November 2019, Näfels

Zink – ein bedeutsames Spurenelement

Zink ist nach Eisen das für den Menschen quantitativ bedeutsamste Spurenelement und hat strukturelle, regulatorische und katalytische Aufgaben bei einer Vielzahl von Enzymen. Klinisch ist es wichtig für Wachstum und Entwicklung, testikuläre Reifung, neurologische Funktionen, Wundheilung und Immunabwehr. In diesem Artikel werden aktuelle Aspekte zu Zink präsentiert.

Als Spurenelemente werden gewöhnlich Mineralstoffe definiert, die von Erwachsenen in Mengen von 1 bis 100 mg/Tag benötigt werden. Dazu gehören u.a. Kupfer, Mangan und Zink. Zink ist ein Übergangsmetall und liegt in organischen Verbindungen vorwiegend als zweiwertiges Kation vor. Historisch gesehen wurde ein schwerer Zinkmangel als Ursache für endemischen Hypogonadismus und Zwergwuchs im ländlichen Iran anerkannt und damit Zink als essentielles Spurenelement identifiziert. In den letzten Jahren hat die Beobachtung, dass ein subklinischer Zinkmangel die Inzidenz von Durchfall und Infektionen der oberen Atemwege sowie deren Morbidität und Mortalität signifikant erhöhen kann, grosses Interesse geweckt. Neben Mangel an Eisen, Jod und Vitamin A ist der Zinkmangel weltweit einer der wichtigsten Mikronährstoffmängel.
Nahrungsmittel tierischer Herkunft sind ausgezeichnete Zinkquellen, ebenso wie Nüsse und Linsen. Demgegenüber finden sich in Gemüse, Obst und Produkten aus Weissmehl nur geringe Mengen Zink. In der westlichen Ernährung werden Nahrungsmittel deshalb oft mit Zink angereichert, und diese Produkte stellen eine zunehmend wichtige Zinkquelle dar. Dabei spielt zur Bedarfsdeckung des Menschen nicht nur der absoluten Zinkgehalt der Nahrungsmittel eine Rolle, sondern in grossem Ausmass dessen Bioverfügbarkeit. Da vegetarische Kostformen hohe Mengen an Phytat, Nahrungsfasern und Kasein enthalten, ist bei diesen die Bioverfügbarkeit wegen der Bildung von unlöslichen Zinkkomplexen gering (1). Eine Zusammenstellung der Ernährungsmuster, die die Bioverfügbarkeit von Zink beeinflussen, findet sich in Tabelle 1.

Die empfohlene diätetische Referenzzufuhr (DRI) für Zink variiert je nach Alter und Geschlecht und steigt von 3 mg täglich in der frühen Kindheit bis zu 8 mg täglich bei erwachsenen Frauen und 11 mg täglich bei erwachsenen Männern (4). Während der Schwangerschaft und Stillzeit ist der Bedarf etwas höher. Von einer Zinkzufuhr von über 25 mg pro Tag wird abgeraten. Global gesehen haben ungefähr 45 Prozent der Erwachsenen eine unzureichende Zinkaufnahme (5). In Drittweltländern sind etwa 2 Milliarden Menschen von Zinkmangel betroffen, vor allem in den Ländern, in welchen Zerealien die Hauptnährstofflieferanten darstellen (6). Hingegen hat der Zinkverbrauch in der Schweiz mit 13,2 mg pro Tag wie auch der angenäherte Verzehr mit 12,5 mg pro Tag gegenüber der Abnahme gemäss dem 5. Schweizerischen Ernährungsbericht wieder leicht zugenommen und der angenäherte Verzehr liegt über der gewichteten empfohlenen Zufuhr, womit für die Schweiz insgesamt von einer ausreichenden Zinkversorgung ausgegangen werden darf (7).
Während der Verdauung wird das in der Nahrung enthaltene Zink freigesetzt und bildet Komplexe mit verschiedenen Liganden. Diese Zink-Ligand-Komplexe werden hauptsächlich im Zwölffingerdarm und im Jejunum sowohl aktiv als auch passiv absorbiert. Die Zinkabsorption kann bei einer Pankreasinsuffizienz beeinträchtigt sein, da Pankreasenzyme für die Freisetzung von Zink aus der Nahrung notwendig sind. Zink teilt einige gemeinsame absorbierende Komponenten mit Eisen und Kupfer, und die drei Mineralien können um die Absorption konkurrieren. Wie erwähnt verringert Phytinsäure die Zinkabsorption (1) und es konnte nachgewiesen werden, dass die Einnahme und Plasmakonzentration von Zink bei Menschen unter habitueller vegetarischer Ernährung signifikant tiefer ist als unter nicht-vegetarischer Ernährung (9) .
Der Gesamtkörperzinkgehalt beträgt bei Erwachsenen im Durchschnitt 1,5 bis 2,5 g (10), ähnlich dem von Eisen. Im Serum finden sich lediglich 0,1% des Gesamtkörperzinks, 2⁄3 an Albumin und 1⁄3 an alpha-2-Makroglobulin gebunden. 98% des Zinks sind intrazellulär lokalisiert. Ein grosser Teil davon befindet sich in Knochen- und Muskelpools mit langsamen Umsätzen, weiter finden sich hohe Konzentrationen in der Leber, in den männlichen Reproduktionsorganen sowie in Retina und Iris (2).
Der Hauptweg der Ausscheidung von Zink erfolgt über den Magen-Darm-Trakt. Bis zu 10 Prozent des zirkulierenden Zinks wird auch über den Urin ausgeschieden. Die Zinkhomöostase wird durch eine Kombination von Veränderungen der fraktionierten Absorption und der endogenen fäkalen Zinkausscheidung aufrechterhalten.

Biologische Rolle von Zink

Zink verdankt seine biologische Rolle der Fähigkeit, enge Bindungen mit bestimmten Aminosäuren, insbesondere Histidin und Cystein, zu bilden. Ungefähr 250 Proteine enthalten Zink. Dazu gehören Enzyme wie das Angiotensin-Converting-Enzym, alkalische Phosphatase, Carboanhydrase, DNA- und RNA-Polymerasen, Kupfer-Zink-Superoxiddismutase und Metallothionein sowie eine grosse Familie von Zinkproteinen, die an der Gentranskription beteiligt sind. Auf molekularer Ebene erfüllt Zink strukturelle, regulatorische und katalytische Aufgaben bei einer Vielzahl von Enzymen und ist für die Konfiguration nichtenzymatischer Proteine von Bedeutung. Zink hat damit strukturelle, regulatorische und katalytische Funktionen. Es spielt eine wichtige Rolle sowohl bei der Zellteilung als auch bei der Apoptose (programmierter Zelltod) und spielt somit eine Rolle bei Wachstum, Entwicklung, Gewebereparatur / Wundheilung und bei neurologischen Funktionen. Es ist auch am Lipid- und Glukosestoffwechsel sowie an der Immunität und der Reaktion auf Infektionen beteiligt (11).

Welche Vorerkrankungen und welche klinischen Symptome lassen an Zinkmangel denken?

Im Wesentlichen unterscheiden wir einen primären von einem sekundären Zinkmangel.
Die seltene primäre Acrodermatitis enteropathica (AE) ist eine autosomal rezessive Erkrankung, bei der die Zinkabsorption beeinträchtigt ist (12). Die AE ist durch Durchfall, Dermatitis, Alopezie, schlechtes Wachstum, Reizbarkeit und Lethargie und eine schlechte Immunfunktion gekennzeichnet, welche gewöhnlich nach dem Abstillen auftreten und unbehandelt zu Tod führen können. Die zeitlich unlimitierte hochdosierte orale Supplementation mit Zink (30 bis 45 mg pro Tag) führt zur Remission der Symptome.

Sekundäre Ursachen für einen Zinkmangel sind bedingt durch verminderte Zufuhr, Malabsorption, erhöhte Ausscheidung und Verluste (Tab. 2).
Im klinischen Alltag können mit Zinkmangel assoziierte Symptome gehäuft bei chronischen Erkrankungen wie Malabsorptionssyndromen (wie z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen) gefunden werden, nach Schwangerschaft und sehr langem Stillen. Eine verminderte Zinkabsorption und -speicherung sowie gelegentliche Fälle von symptomatischem Zinkmangel wurden auch bei Patienten nach Magenbypass infolge morbider Adipositas nachgewiesen (13). Patienten mit einer alkoholischen Zirrhose weisen häufig niedrige hepatische Zinkkonzentrationen auf.

Alle Formen von Mangelernährung können zu Zinkmangel führen. Im Rahmen einer Anorexia nervosa scheint eine wechselseitige negative Beeinflussung des Krankheitsverlaufs zu existieren, in dem die Fehlernährung zum Zinkmangel und dieser umgekehrt zu einer Überaktivierung des NMDA-Rezeptors führen kann. Dies führt zu hohen Glutamatspiegeln mit der Folge einer Störung der Synapsenbildung und der synaptischen Plastizität (14). Bei der Anorexie des alten Menschen mit schlechter Ernährungsqualität kann der ernährungsbedingte Zinkmangel durch Medikamente, die den Zinkverlust im Urin erhöhen, einschliesslich Thiazide, Schleifendiuretika und Angiotensin-Rezeptorblocker, zusätzlich akzentuiert werden (15).
In der orthomolekularen Medizin wird die sogenannte Kryptopyrrolurie als Ursache für einen kombinierten Zink- und Vitamin-B6-Mangel postuliert, die zu vielfältigen Symptomen von Nervensystem, Psyche, Augen, Verdauungsorgane und Bewegungsapparat führen sollen (16). Seit dem Nachweis, dass Kryptopyrrol im Urin gar nicht vorkommt, ist jedoch belegt, dass es keine Krankheit Kryptopyrrolurie gibt (17) und dementsprechend fehlen auch jegliche Studien dazu.

An klinischen Symptomen stehen dermatologische Veränderungen im Vordergrund, welche vor allem an den Extremitäten oder im Bereich von Körperöffnungen auftreten und häufig durch erythematöse, vesiculo-bullöse und pustulöse Läsionen gekennzeichnet sind. Weiter Haarausfall mit Veränderung der Haarfarbe und leichter Zupfbarkeit der Haare, Geruchs- und Geschmacksstörungen, die über Appetitverlust eine Mangelernährung verschlimmern können. Zinkmangel beeinträchtigt das Wachstum und kann zu verzögerter Geschlechtsreifung führen, zu Impotenz, Hypogonadismus, Oligospermie, Alopezie, Nachtblindheit. Zudem sind eine Immunschwäche mit Infektionsanfälligkeit und eine verzögerte Wundheilung von Bedeutung. Sowohl beim Typ 1- wie auch 2-Diabetes kann eine Hyperzinkurie vorliegen, die möglicherweise eine Rolle bei der mit Diabetes mellitus assoziierten Immundysfunktion spielt.

Beurteilung des Zinkstatus

Da die Plasmakonzentration von Zink nicht gut mit den Gewebespiegeln korreliert, können Personen mit Zinkmangel nicht zuverlässig identifiziert werden. Obwohl die Plasmakonzentration im Allgemeinen ein guter Index für den Zinkstatus bei gesunden Personen ist, ist sie bei entzündlichen Krankheitszuständen erniedrigt. Erythrozyten-Konzentrationen von Zink können ein nützlicheres Mass für den Zinkstatus während akuter oder chronischer Entzündungszustände liefern (18). Mehrere funktionelle Indizes können auch zur indirekten Beurteilung des Zinkstatus verwendet werden. Die Aktivität der alkalischen Phosphatase kann als unterstützender Marker für den Zinkstatus dienen (4). Da das meiste Zink an Albumin gebunden ist, kann die Plasmakonzentration bei Patienten mit Hypalbuminämie falsch tief sein (19).
In Anbetracht dieser Schwierigkeiten bewährt sich ein pragmatischer Ansatz zur Einschätzung eines Zinkmangels: typische Symptome eines Zinkmangels erkennen und anamnestisch erfassen, Messung der Serumzinkkonzentration zusammen mit dem CRP (als Mass für die Akutphasenreaktion, d.h. bei hohen CRP-Plasmakonzentrationen kann die Zinkplasmakonzentration falsch tief sein), «Bestätigung» durch einen tiefen Wert, Zinksupplementation mit Verschwinden der Symptome und Ansteigen der Serumzinkkonzentration. Angesichts des geringen Risikos einer Zinkersatztherapie kann eine solche je nach klinischem Kontext bei Patienten mit niedrigen Zinkspiegeln unabhängig vom Albuminstatus indiziert sein (19).

Potenzielle therapeutische Verwendung von Zink

Entzündungskrankheiten der Atemwege

Obwohl Zinkpräparate den Schweregrad und die Dauer der Symptome bei Erkältungen verringern können, ist deren Einsatz wegen unsicherer Vorteile und bekannter unerwünschter Wirkungen, insbesondere irreversibler Anosmie bei intranasaler Verabreichung, nicht empfohlen. In einem systematischen Review, der 17 Studien umfasste, reduzierte Zink zwar die Symptomdauer (mittlerer Unterschied -1,65 Tage, 95% CI -2,5 bis -0,8) bei Erwachsenen; es gab jedoch eine signifikante Heterogenität zwischen den Studien (20). Unerwünschte Wirkungen, einschliesslich schlechten Geschmacks und Übelkeit, waren in der Zink-Gruppe in allen Studien häufig.
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sind eine Reihe von Publikationen erschienen, die einen günstigen Effekt von Zink auf den Verlauf der Erkrankung hypothetisieren – einerseits infolge der bekannten Wirkung von Zink auf das Immunsystem; ein Bericht über 4 konsekutive Fälle beschreibt eine deutliche symptomatische Besserung innert 24 Stunden nach Beginn einer Therapie mit Zink in hoher Dosis (21). Und andererseits wegen möglicher Synergie bei der Behandlung von COVID-19 mit Chloroquin (22). Mangels eigentlicher Studien besteht aber keinerlei Evidenz für die postulierte günstige Wirkung von Zink.
Schlussendlich sei eine Meta-Analyse erwähnt, die bei schwer verlaufender Pneumonie eine signifikante Reduktion der Mortalität nachweisen konnte (23).

Altersbedingte Makuladegeneration

Zink scheint eine wichtige Rolle in der Pathogenese der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) zu spielen. Dafür spricht, dass von AMD betroffene Retinabereiche hohe Zinkkonzentrationen aufweisen und im Alter der Zinkgehalt und die Aktivität einiger zinkabhängiger Enzyme in der Retina abnehmen (2). Die Frage, ob eine Zink Supplementation das Erkrankungsrisiko resp. die Krankheitsprogredienz einer AMD günstig beeinflussen könnte, wurde in verschiedenen Studien widersprüchlich beantwortet. In einer Cochrane-Analyse wurden fünf Placebo-kontrollierte Studien über den Einsatz von Zink in der Behandlung einer AMD zusammengestellt (24). Die Dauer der Supplementation und Nachsorge reichte von sechs Monaten bis zu sieben Jahren. Bei Personen, die Zinkpräparate einnehmen, war die Wahrscheinlichkeit eines Fortschreitens zu einer späten AMD (OR 0,83, 95% CI 0,70 bis 0,98; 3790 Patienten; 3 RCTs), zu einer neovaskulären AMD (OR 0,76, 95% CI 0,62 bis 0. 93; 2442 Patienten; 1 RCT) oder zu Visusverlust (OR 0,87, 95% CI 0,75 bis 1,00; 3791 Patienten; 2 RCTs) bei kleiner bis höchstens mässiger Evidenz um relativ 13 bis 24% reduziert, so dass der klinische Nutzen absolut im Vergleich zu den aktuellen Behandlungsmöglichkeiten kaum relevant sein dürfte.

Möglicher Einsatz in der Dermatologie

Zellwachstum, Zellvermehrung und Wundheilung sind direkt von Zink abhängig. Seit den frühen 1960er Jahren wurden immer wieder Versuche unternommen, die wundheilungsfördernde Wirkung von Zink nachzuweisen und es zeigte sich, dass eine systemische Zinksupplementation nur bei nachgewiesenem Zinkmangel erfolgreich ist (2). Die Datenlage ist insgesamt bescheiden. Eine Cochrane-Analyse fand in 6 kleineren Studien mit insgesamt 183 Patienten keinen Effekt einer oralen Zinksupplementation auf die Heilungsrate von arteriellen und venösen Beinulzera (25). Wird Zink aber lokal angewendet, kann mit einer hohen Zinkkonzentration im Wundgebiet gerechnet werden. Die topische Zinkapplikation führt zu einem «Autodebridement», ist antiinfektiös wirksam und unterstützt die Granulation und Epithelialisierung (2, 26). So wurde in einer Placebo-kontrollierten Studie nach einer Pilonidalsinusoperation die mittlere Heilungszeit von 62 um 8 auf 54 Tage reduziert, und nur 3 der lokal mit Zinkoxyd behandelten Patienten mussten mit Antibiotika behandelt werden gegenüber 12 unter Placebo (OR 0,16, % CI 0,03 bis 0,71, p = 0.007) (27). Weitere Studien bei topischer Applikation von Zink wären möglicherweise erfolgversprechender als die systemische Anwendung.
In einem Review-Artikel wurde kürzlich ein interessanter potenzieller Einsatz von Zink lokal vorgeschlagen: die Akne vulgaris. Sie ist eine chronische Erkrankung der Talgdrüsen, die sich als entzündliche oder nicht entzündliche Läsionen bei Personen jeden Alters zeigen kann. Die derzeitigen Standardbehandlungen können ein breites Spektrum an unerwünschten Wirkungen hervorrufen, darunter Trockenheit, Schälen, Erytheme und sogar fetale Defekte und embolische Ereignisse. Die Autoren kamen aufgrund der vorliegenden, leider insgesamt kleinen Studien zum Schluss, dass Zink gleich oder weniger wirksam war als orales Tetracyclin, gleich wirksam oder wirksamer als Erythromycin und Clindamycin und weniger wirksam als orales Minocyclin. Damit erwies sich topisches Zink als ebenbürtig mit Erythromycin und Clindamycin und könnte aufgrund seiner geringen Kosten, seiner Wirksamkeit und des Fehlens systemischer Nebenwirkungen eine vielversprechende Alternative zu anderen Aknebehandlungen darstellen (28).

Toxizität

Menschen sind tolerant gegenüber einer kurzfristigen hohen Zinkaufnahme von bis zu 100 mg/Tag (29). Mega-Dosis-Supplementierung oder hohe Zinkaufnahme aus kontaminierten Lebensmitteln oder Getränken wurde mit unspezifischen gastrointestinalen Symptomen wie Bauchschmerzen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen in Verbindung gebracht (10). Zink kann die Kupferabsorption stören, und eine hohe Zinkaufnahme (> 150 mg/Tag) kann zu Kupfermangel führen (8), was für die Behandlung der Wilson-Krankheit ausgenutzt werden kann. Als oberer Wert einer langfristig sicheren Gesamtzufuhr aus Nahrung und Supplementen gilt eine Aufnahme von 25 mg/Tag Zink.

Zusammenfassend

kann für Zink wie für Vitamine und andere Spurenelemente die Erkenntnis gewonnen werden, dass ein Mangel diverse Körperfunktionen und damit den Gesundheitszustand gefährdet und deshalb detektivisch gesucht, identifiziert und mit geeignetem Ersatz behoben werden soll. Hingegen besteht zu wenig Evidenz für einen therapeutischen Einsatz bei Personen mit normalem Zinkbestand.

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Zink ist nach Eisen für den Menschen quantitativ das bedeutsamste Spurenelement.
  • Gute Zinkquellen sind Muskelfleisch, Hartkäse, Innereien, Schalentiere, Vollgetreide, Hülsenfrüchte wie Linsen und Sojabohnen, Nüsse, Mandeln und Samen. Demgegenüber finden sich in Gemüse, Obst und Produkten aus Weissmehl nur geringe Mengen Zink.
  • Zink ist wichtig für Wachstum und Entwicklung, testikuläre Reifung, neurologische Funktionen, Wundheilung und Immunabwehr.
  • Auf molekularer Ebene erfüllt Zink strukturelle, regulatorische und katalytische Aufgaben bei einer Vielzahl von Enzymen.
  • Ein pragmatischer Ansatz zur Einschätzung eines Zinkmangels: typische Symptome eines Zinkmangels, Messung der Serumzinkkonzentration zusammen mit dem CRP, «Bestätigung» durch einen tiefen Wert, Zinksupplementation mit Verschwinden der Symptome und Ansteigen der Serumzinkkonzentration.
  • Es besteht keine ausreichende Evidenz für eine Wirkung von Zink bei Erkältungskrankheiten. Bei der altersbedingten Makuladegeneration konnte eine Zinksupplementation das Risiko für eine Progression statistisch signifikant aber klinisch in geringem Ausmass reduzieren.
  • Wundheilung: Die topische Applikation von Zink hat möglicherweise einen günstigen Effekt.

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Situationen, in denen Natrium essentiell ist

Zur Vorbeugung von Bluthochdruck und seinen Komplikationen wird die Einnahme von 5-6 g NaCl pro Tag empfohlen. Es gibt jedoch klinische Situationen, in denen eine höhere tägliche Salzzufuhr erforderlich ist. Dies ist z.B. der Fall bei Patienten, die ohne antihypertensive Medikation unter einer orthostatischen Hypotonie leiden oder bei Personen, die sich körperlich anstrengen oder Hochleistungssport betreiben. Es wird empfohlen, die perkutanen Wasser- und Salzverluste nach dem Training auszugleichen, aber es stellt sich die Frage, ob die Kompensation vollständig erfolgen soll.
In der Schweiz wird im Rahmen der Prävention von Jodmangel und dessen klinischen Folgen dem Kochsalz Jod zugesetzt. Die Jodaufnahme der Bevölkerung steht daher in engem Zusammenhang mit dem Salzkonsum. Jüngste Daten haben gezeigt, dass bei rund 14% der Schweizer Frauen ein Jodmangel besteht. Diese Situation könnte sich im Falle einer salzarmen Ernährung (<5 g NaCl/Tag) potenziell verschlechtern. Junge Frauen im gebärfähigen Alter und ihre Kinder sind besonders gefährdet, Komplikationen durch Jodmangel zu entwickeln.

Natrium ist ein wesentlicher Elektrolyt für die Zellfunktionen, für die Regulierung der Körperflüssigkeitskompartimente und für die Regulierung des Blutdrucks (BD). Heute empfehlen praktisch alle medizinischen Fachgesellschaften eine massvolle tägliche Einnahme von Natrium resp. Speisesalz in erster Linie zur Vorbeugung der Entwicklung einer altersbedingten Hypertonie und der mit der Hypertonie verbundenen kardiovaskulären und renalen Komplikationen (1). Die tägliche Salzzufuhr (NaCl) sollte 5-6 g pro Tag betragen. Tatsächlich liegt der durchschnittliche Salzkonsum in der Schweiz (2), wie in Europa und den Vereinigten Staaten, bei etwa 9-11 g/Tag, wobei die Einnahme bei Männern (10,5 g/Tag) etwas höher ist als bei Frauen (7,5 g/Tag). In allen Bevölkerungsstudien gibt es eine signifikante lineare Beziehung zwischen der täglichen Salzaufnahme und dem Blutdruck, wobei die Auswirkungen auf Personen mit Bluthochdruck stärker ausgeprägt sind als bei Normotonikern.
In der Debatte über die empfohlene Salzzufuhr stellt sich immer wieder die Frage: Ist eine salzarme Ernährung für alle Menschen gut oder ist sie für bestimmte Personen oder Personengruppen mit Risiken verbunden? Diese Frage wurde durch mehrere Publikationen neu aufgeworfen, die darauf hindeuten, dass eine zu geringe Salzzufuhr mit einer erhöhten Gesamtmortalität verbunden ist, ohne dass die Mechanismen dieser erhöhten Mortalität wirklich gut verstanden sind. Über diese spezifische Debatte hinaus ist es offensichtlich, dass es klinische Situationen gibt, in denen eine höhere tägliche Salzzufuhr notwendig ist. Zweck dieses Artikels ist es, die häufigsten klinischen Situationen zu erörtern, in denen der Salzbedarf höher ist als der empfohlene Bedarf für die Allgemeinbevölkerung und insbesondere für Bluthochdruckpatienten.

Orthostatische Hypotonie

Nach den neuesten Empfehlungen der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie ist die orthostatische Hypotonie (OH) definiert als ein abnormaler Abfall des Blutdrucks vom Sitzen zum Stehen um ≥ 20 mmHg systolisch oder ≥ 10 mmHg diastolisch oder auf weniger als systolisch 90 mmHg (3). Die Prävalenz der OH nimmt mit dem Alter zu. Hypovolämie und nächtlicher renaler Salzverlust sind zwei Merkmale der Pathophysiologie der orthostatischen Hypotonie bei oft jungen Personen ohne Therapie gegen Bluthochdruck. In diesen Fällen wird dringend empfohlen, das zirkulierende Volumen zu erhöhen, um hypotonen Zuständen vorzubeugen. Dies kann auf zwei Arten geschehen: zum einen durch eine erhöhte Wasseraufnahme und zum anderen durch eine erhöhte Salzzufuhr, was den Durst erhöht und die Wasser- und Natriumretention fördert und das zirkulierende Volumen erhöht. Daher wird den Patienten in dieser Situation empfohlen, mehr als 2 Liter Flüssigkeit pro Tag zu trinken und 10 Gramm Salz pro Tag einzunehmen, also das Doppelte der Empfehlungen. Dieser nicht-pharmakologische Ansatz bei der OH vermag häufig die Symptome des Druckabfalls zu reduzieren. Sie kann jedoch bei Patienten mit Herzinsuffizienz wegen des Risikos einer Überlastung und eines akuten Lungenödems nicht angewendet werden.
Bei akuter Hypotonie besteht eine einfache Möglichkeit, den Blutdruck zu erhöhen, darin, ein Glas (ca. 250-500 ml) kaltes Wasser zu trinken, welches das sympathische Nervensystem aktiviert und den Blutdruck erhöht.

Salzarme Ernährung und Jodmangel

Jod ist ein wesentliches Element für alle lebenden Organismen. Jodmangel ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts als eine der Hauptursachen für Kropf und Kretinismus anerkannt (4). Selbst mässiger Jodmangel wird heute meist mit Hirnentwicklungsstörungen und kognitiven Problemen bei Kindern in Verbindung gebracht. In der Schweiz ist der Konsum von Jod untrennbar mit dem von Salz verbunden. Seit 1922, als eine eidgenössische Kommission für die Kropfprophylaxe (4) beschlossen hatte, der Bevölkerung Jod zu verabreichen, wird Salz mit Jod in ständig steigenden Konzentrationen angereichert: 3,75 mg/kg im Jahr 1922, 15 mg/kg im Jahr 1980 und 25 mg/kg im Jahr 2014. Um die von der WHO empfohlenen Jodwerte im Urin (100 µg/Tag) zu erreichen, ist es notwendig, mehr als 5 g Salz pro Tag zu sich zu nehmen. In der zwischen 2010 und 2012 durchgeführten Schweizer Studie zum Salzkonsum, wurde die Jodausscheidung im Urin gemessen (5). Es wurde festgestellt, dass 14% der Frauen und 2% der Männer Jodmangel hatten (Abb. 1). Der Mangel war bei Frauen stärker ausgeprägt, da sie insgesamt weniger essen als Männer und daher eine geringere Natrium- und Jodzufuhr haben. Diese Daten führten dazu, dass der Jodgehalt des Salzes 2014 weiter angehoben wurde. Aufgrund dieser Beobachtung stellt sich daher die Frage, ob eine allgemeine Senkung des Salzkonsums in der Bevölkerung zur Vorbeugung von Bluthochdruck relevant ist, insbesondere bei jungen Frauen, die zumindest bis zu den Wechseljahren ein eher geringes Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.

Körperliche Betätigung und Salzkonsum

Moderate, regelmässige körperliche Bewegung wird durch die internationalen Empfehlungen zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark gefördert und ist Teil der nicht-medikamentösen Ansätze zur Behandlung von Bluthochdruck (1). Körperliche Aktivität, selbst mässige, führt zu Dehydrierung und vermehrtem Schwitzen, was je nach Intensität und Dauer der Anstrengung und je nach Umgebungsbedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit usw.) zu einem relevanten Salzverlust führen kann. So kann eine Person nach leichter körperlicher Anstrengung (45% der VO2max) etwa 600 mg Natrium und ebenso viel Chlor über die Haut verlieren, und bei mässiger Intensität (65% der VO2max) kann der Verlust 1,5 g Natrium und 3 g Chlor betragen. Ebenso variiert der Flüssigkeitsverlust von Mensch zu Mensch stark und beträgt 0,5 bis 1,5 Liter. Heutzutage lautet die Ernährungsempfehlung für Personen, die sich körperlich fit halten oder Sport treiben wollen, dass sie ihre Salzzufuhr vor, während und nach der körperlichen Aktivität etwas erhöhen sollten, um ihr hydro-elektrolytisches Gleichgewicht zu erhalten. Bei leichten Anstrengungen reicht die übliche Ernährung aus, um dieses Gleichgewicht beizubehalten. Bei mässigen bis intensiven Anstrengungen ist es vorzuziehen, die Wasser- und Natriumverluste mit leicht gesalzenen Getränken auszugleichen, um das Risiko einer Hyponatriämie und ihre neurologischen Folgen zu vermeiden.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob es langfristig wirklich vorteilhaft ist, das Salz zu ersetzen, das während des Trainings durch die Haut verloren geht, zum Beispiel bei Bluthochdruckpatienten. In der Tat ist inzwischen klar erwiesen, dass eine salzreiche Ernährung bei Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes und Niereninsuffizienz Natrium in der Haut anreichert. Körperliche Bewegung erhöht den kutanen Natriumverlust und hilft dadurch, die Salzspeicherung in Geweben wie Muskeln und Haut zu verringern. Es ist zum Teil auf diesen Mechanismus zurückzuführen, dass Bewegung positive Auswirkungen auf den Blutdruck hat. Daher kann eine vollständige oder übermässige Kompensation der kutanen Natriumverluste nach dem Training sowohl die Vorteile des Trainings als auch den Nutzen einer reduzierten täglichen Salzzufuhr einschränken. Diese Frage wurde kürzlich in einem interessanten Review diskutiert, der die Vorteile eines vollständigen Natriumersatzes nach körperlicher Betätigung in Frage stellt (6). Bei körperlicher Aktivität von geringer Intensität ist es, wie die internationalen Hypertoniegesellschaften empfehlen, voraussichtlich vorzuziehen, den Natriumverlust nicht auszugleichen, wohl aber bei intensiver sportlicher Betätigung.

Andere klinische Situationen, die eine hohe Natriumzufuhr erfordern

In den vorhergehenden Abschnitten haben wir die häufigsten klinischen Situationen diskutiert, in denen eine Beschränkung der Salzzufuhr auf 5-6 g/Tag sich als problematisch erweisen könnte. Es gibt mehrere andere Nieren- und endokrine Pathologien, bei denen eine hohe Salzzufuhr notwendig ist, unter anderem zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks. Dies ist der Fall bei Kindern und Erwachsenen mit Gitelman- oder Bartter-Syndrom, die aufgrund von Salzverlust über die Nieren einen zu tiefen Blutdruck haben. Beide dieser genetisch bedingten Nierenerkrankungen sind durch renalen Natriumverlust aufgrund von Mutationen in bestimmten tubulären Natriumtransportern gekennzeichnet. Eine weitere seltene klinische Situation ist die Nebenniereninsuffizienz. In diesem Zusammenhang führt eine Nebennierenrinden-Insuffizienz zu einem Salzverlust aufgrund von Aldosteronmangel, mit der klinischen Folge einer Hypotonie und Symptomen wie Heisshunger auf Salz (salt craving). In Ermangelung einer adäquaten Mineralokortikoid-Kompensation ist eine salzreiche Ernährung zur Aufrechterhaltung des Blutdrucks notwendig. Die Salzzufuhr sollte jedoch reduziert werden, wenn eine Medikation zur Kompensation der Nebennieren­unterfunktion wirksam ist.

Schlussfolgerungen

Die Reduktion des Salzkonsums in der Bevölkerung auf 5-6 g pro Tag, wie von den Gesellschaften für Kardiologie und Bluthochdruck empfohlen wird, ist ein wichtiger Schritt in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aus diesem Grund wird diese Empfehlung auch von grossen Gesundheitsorganisationen wie der WHO unterstützt, die ebenfalls darauf hinweist, dass die Jodzufuhr in vielen Ländern nicht vergessen werden sollte. Der Verzehr von weniger Salz hat jedoch auch ausserhalb des kardiovaskulären Bereichs positive Auswirkungen, zum Beispiel auf das Auftreten von Nierensteinen, den Knochenstoffwechsel, die Inzidenz von Magenkrebs und möglicherweise auch auf Asthma und die Entwicklung von Grauem Star (7). Tatsächlich gibt es klinische Situationen, in denen eine Salzzufuhr erforderlich ist, welche über die Vorgaben in den Empfehlungen hinausgeht, wie in diesem kurzen Überblick erörtert wurde. Diese Situationen sind jedoch relativ selten und haben einen eher geringen Einfluss auf die Gesamtmortalität im Vergleich zu den kardiovaskulären Komplikationen, die durch übermässige Salzzufuhr hervorgerufen werden.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Arlène Ghajarzadeh Würzner

Abteilung für Nephrologie und Hypertonie, CHUV
Rue du Bugnon 17
1011 Lausanne

Prof. em. Dr. med. Michel Burnier

Abteilung für Nephrologie und Hypertonie, CHUV
Rue du Bugnon 17
1011 Lausanne

michel.burnier@chuv.ch

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Eine Salzzufuhr (NaCl) von 5 bis 6 Gramm pro Tag wird für die gesamte Bevölkerung empfohlen.
  • Im Falle einer orthostatischen Hypotonie wird empfohlen, nach Absetzen der blutdrucksenkenden Medikamente pro Tag 10 g Salz einzunehmen und mindestens 2 Liter zu trinken, bevor man Mittel verschreibt, die den Blutdruck erhöhen.
  • In der Schweiz wird jungen Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen, mindestens 6 Gramm Salz pro Tag einzunehmen, um einem Jodmangel vorzubeugen.
  • Bei Personen mit mittlerer bis hoher körperlicher Aktivität oder im Leistungssport müssen Natriumverluste durch eine höhere Salzzufuhr ausgeglichen werden. Die Kompensation sollte jedoch nicht vollständig sein.

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Pulmonale Hypertonie

Die pulmonale Hypertonie (PH) ist eine chronisch verlaufende Erkrankung, welche alleine oder in Assoziation mit anderen Krankheiten vorkommen kann und unbehandelt eine hohe Mortalität aufweist. Das Leitsymptom der PH ist die anstrengungsabhängige Atemnot. Eine Vielzahl der Patienten wird aufgrund der anfänglich in Ruhe fehlenden und unspezifischen Symptomen erst spät diagnostiziert, die Beschwerden werden von Patienten und behandelnden Ärzten häufig zuerst auf «Trainingsmangel» zurückgeführt.

Die aktuellen Empfehlungen zur Klassifikation, Diagnostik und Therapie basieren auf den gemeinsamen Guidelines der ERS und ESC, die im Jahr 2015 veröffentlicht wurden und den Proceedings aus der PH-Weltkonferenz in Nizza 2018 (1-3).

Klassifikation

Die pulmonale Hypertonie wird nach den immer noch geltenden ERS/ESC-Guidelines definiert als ein gesteigerter mittlerer pulmonal-arterieller Druck (mPAP) ≥ 25 mmHg in Ruhe, invasiv ermittelt in einer Rechtsherzkatheter-Untersuchung. Normalerweise beträgt der mPAP in Ruhe 14 + /- 3 mmHg mit einer geschätzten oberen Grenze von ca. 20 mmHg (4). Deshalb wurde in der internationalen Expertenkonferenz in NIZZA 2018 vorgeschlagen, die Schwelle auf > 20 mmHg zu senken (2).
Zur weiteren hämodynamischen Unterteilung erfolgt die invasive Messung des «gemittelten» pulmonal arteriellen Wedge-Druckes (PAWP) (Tab. 1). So ist eine «präkapilläre PH» definiert als PAWP ≤ 15 mmHg. Nach dem Weltsymposium in Nizza beinhaltet die neu vorgeschlagene Definition der präkapillären PH neben dem mPAP > 20mmHg und dem PAWP ≤ 15 mmHg neu auch einen pulmonal-vaskulären Widerstand (PVR) ≥ 3 WU.


In die Gruppe der präkapillären PH fallen die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), PH aufgrund von Lungenerkrankungen, die chronisch-thromboembolische PH sowie die PH mit unklarem oder multifaktoriellem Mechanismus (Tab. 2 und 3).

Bei Vorliegen eines PAWP > 15 mmHg spricht man von einer «postkapillären PH». Diese kommt im Rahmen von Linksherzerkrankungen vor. Auch hier wurde neu vorgeschlagen, die Grenze auf > 20mmHg zu senken (2). Die postkapilläre PH wird anhand des PVR weiter unterteilt in die «isolierte postkapilläre» bei einen PVR < 3 WU und in die «kombinierte postkapilläre und präkapilläre PH» bei einem PVR ≥ 3 WU.
Die klinische Unterteilung erfolgt in fünf Gruppen («Nizza-Klassifikation»), die in den Tabellen 2 und 3 aufgelistet sind.
Inwieweit somit ein mPAP zwischen 21 und 24 mmHg oder ein PVR zwischen 2-3 WU klinisch relevant ist, ist noch nicht gänzlich geklärt. Dieser Grenzbereich wird auch «Borderline-Erhöhung» genannt und spielt vor allem für Patienten eine Rolle, die einem erhöhten Risiko unterliegen eine manifeste PAH zu entwickeln. Dazu zählen v.a. Patienten mit einer Kollagenose, insbesondere der Sklerodermie, oder Familienangehörige von Patienten mit hereditärer PAH. In diesen Risikogruppen sollten Verlaufskontrollen konsequent erfolgen. Eine frühe medikamentöse Therapieeinleitung wird generell empfohlen (5).
Zur Definition einer Belastungs-induzierten pulmonalen Hypertonie fehlen verlässliche Daten, insbesondere zur Klassifikation und Prognose, weshalb diese Entität nicht in den PH-Leitlinien aufgenommen wurde. Es konnte aber bereits nachgewiesen werden, dass es unter Belastung zu einem abnormen pulmonalen Druckanstieg im Verhältnis zum Fluss kommt. Dieser starke pulmonale Druckanstieg kann auf eine Erhöhung des PVR sowie des links-atrialen Drucks zurückzuführen sein. Eine «belastungsinduzierte pulmonale Hypertonie» könnte laut Studien bei einem mPAP ≥ 30 mmHg, einem Herzminutenvolumen < 10 l/min resp. mPAP/CO > 3 mmHg/l/min vorliegen/definiert werden (6).

Diagnostik

Die klinische Präsentation ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Das Leitsymptom ist die Belastungsdyspnoe, für welche bis anhin keine Ursache gefunden werden konnte und die reduzierte körperliche Leistungsfähigkeit. In fortgeschrittenen Stadien kann es zu Synkopen, Thoraxdruck (ähnlich der Angina pectoris), Rhythmusstörungen und Beinödemen bis hin zum Rechtsherzversagen kommen. Ein Leitbefund ist die Sauerstoffdesaturation unter Belastung, elektro- und echokardiografische Zeichen der Rechtsherzbelastung und ein erhöhtes (NT-pro-)BNP. Daneben können auch der Nachweis einer tiefen Diffusionsstörung in der Lungenfunktion sowie typische Befunde in der Spiroergometrie hinweisend für eine pulmonale Drucksteigerung sein und eine weitere Differenzierung der Ätiologie erlauben (7). In der Diagnostik soll auch ein klinisches und laborchemisches Autoimmun-Screening zum Nachweis einer rheumatologischen Grunderkrankung, ein HIV-Test, eine Leberwert- und Sonografie-Untersuchung, die Ventilations-Perfusions-Szintigraphie zur Suche einer möglichen CTEPH sowie das HRCT-Thorax zur Suche einer zugrundeliegenden Lungenparenchymerkrankung (z.B. ILD, Emphysem) durchgeführt werden (7).
Durch die Beurteilung des funktionellen Status, der Leistungsfähigkeit, des hämodynamischen Schweregrades und den Resultaten weiterer apparativer Diagnostik mittels Echokardiographie, Spiroergometrie, NT-pro-BNP kann eine Risikostratifizierung erfolgen (Tab. 4). Da das Mortalitätsrisiko sehr hoch ist, sollte diese in regelmässigen Abständen erfolgen. Daraus ergeben sich wichtige Informationen zur Prognose resp. Mortalität mit daraus resultierenden diagnostischen Massnahmen und Therapieanpassungen bei Krankheitsprogression. Ziel ist das Erreichen eines niedrigen Mortalitätsrisikos mit einer Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und RV-Funktion.
Die Echokardiographie gilt als wichtigste nicht invasive Screeningmethode zur Detektion einer pulmonalen Drucksteigerung (7).
Gemäss ESC/ERS-Leitlinien wird empfohlen, die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer PH anhand der Trikuspidalklappen-Regurgitationsgeschwindigkeit und anderer echokardiographischer Hinweise in hoch, intermediär und gering zu graduieren, um eine Rechtsherzkatheter- Untersuchung zur Bestätigung zu veranlassen.

Hierbei ist aber zu bedenken, dass die Ergebnisse der Echokardiographie Untersucher- und Patientenkonstitutionsabhängig variieren und in 10-30 % der Fälle die Diagnose trotz symptomatischen Patienten entgeht (1, 8). Deshalb sollte bei ungeklärter Dyspnoe nichtsdestotrotz die Verdachtsdiagnose einer PH in Betracht gezogen werden. Die Rechtherzkatheter-Untersuchung gilt in jedem Fall als «Goldstandard» zur Diagnose einer PH und sollte, aufgrund des niedrigen Risikos insbesondere bei Risikopatienten niederschwellig durchgeführt werden. Zu beachten ist hier jedoch, dass diese Untersuchung sehr komplex ist und daher in einem erfahrenen Zentrum durchgeführt werden soll. Idealerweise erfolgen Messungen der hämodynamischen Parameter inklusive repetitiver Bestimmung des Herzauswurfes mittels direktem Fick oder Thermodilution in Ruhe und bei Belastung. Bei jedem Patienten mit V.a. PH sollte dringend eine Vasoreagibilitätsmessung (mittels NO / Stickstoffmonoxid oder Prostazyklinen) durchgeführt werden, da dies für die Therapie eine klare Konsequenz hat. Responder (Abfall des mPAP < 40 mmHg, und um 10 mmHg im Vergleich zum Ausgangswert, bei unveränderten oder angestiegenen Herzzeitvolumen) müssen mit einem Kalziumantagonisten behandelt werden (9). Es ist jedoch sehr wichtig, dass diese Patienten regelmässig im PH-Zentrum nachkontrolliert werden, um die dauerhafte Response sicherzustellen.

PH-spezifische Therapie

Medikamentös

Die gezielte Therapie bei Vorliegen einer PAH erfolgt bei Nachweis einer Vasoreagibilität mit Kalziumantagonisten; bei Fehlen einer Vasoreagibilität mit Phosphodiesterase-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil), Stimulatoren der löslichen Guanylatcyclase (Riociguat), Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (Ambrisentan, Bosentan, Macitentan), parenteralen Prostazyklinen (Epoprostenol, Iloprost, Treprostinil) oder einem oralen Prostazyklin-Rezeptor-Agonist (Selexipag). Kombinationstherapien werden bereits von Beginn an aufgrund nachgewiesener Verbesserung des funktionellen Status und verzögerter Verschlechterung und dadurch wahrscheinlich verbessertem Überleben empfohlen (9).
Nebenwirkungen dieser Medikamente beinhalten Kopfschmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Arthralgien, Myalgien, Kieferschmerzen und Veränderungen der Blutwerte, weshalb diese komplexen Kombinationstherapien nur in enger Zusammenarbeit mit einem PH-Zentrum erfolgen sollten.
Die Therapie der Wahl bei Vorliegen einer CTEPH ist, falls die Lungengefässveränderungen technisch operabel sind, die pulmonale Endarteriektomie (10). Bei Inoperabilität werden Patienten medikamentös und/oder mit einer interventionellen Ballon-Angioplastie behandelt. Die Ultima ratio bei therapierefraktärem Verlauf einer PAH bleibt die Lungen-Transplantation.
Die Wertigkeit einer Therapie mit PH-spezifischen Medikamenten bei «Borderline-PH», einer nur belastungsinduzierten PH ist aktuell mangels Evidenz ausserhalb von Forschungsprojekten nicht empfohlen, dasselbe gilt für die hochprävalenten Gruppen der PH bei Linksherz- oder Lungenkrankheiten. Umso wichtiger ist es, die Datenlage diesbezüglich zu verbessern und Patienten, wenn immer möglich, an ein spezialisiertes Zentrum mit der Möglichkeit von Studien zuzuweisen.

Allgemein

Regelmässige körperliche Aktivität ist für die Lebensqualität und für den allgemeinen Krankheitsverlauf sehr positiv, sollte aber unbedingt dosiert Symptom-orientiert und gegebenenfalls auch im Rahmen einer stationären Rehabilitation bei Dekonditionierung erfolgen. In der Schweiz wurde ein spezifisches PH-Rehabilitationsprogramm in der Klinik Barmelweid unter Anleitung des Europäischen Pionier-Rehabilitationsprogramms in Heidelberg implementiert. Exzessives Training sollte vermieden werden (11). Schwangerschaften bei PAH sind mit einer deutlich erhöhten Mortalitätsrate assoziiert und sind, wenn überhaupt, nur bei unter Therapie im Alltag normal leistungsfähigen Patientinnen mit normalisierter Hämodynamik unter engmaschiger interdisziplinärer Begleitung im zuständigen PH-Zentrum möglich. Dem Grossteil der Patientinnen muss jedoch dringend abgeraten werden (11). Aufgrund des erhöhten Operationsrisikos sollten Eingriffe, wann immer möglich, in lokaler oder epiduraler Anästhesie in einem Zentrumsspital mit Erfahrung und der Möglichkeit einer ECMO, Herzanästhesie und spezifischen intensivmedizinischen Betreuung erfolgen (11).
Die Empfehlungen einer oralen Antikoagulation bei PAH sind nicht eindeutig und teilweise kontrovers, bei PAH assoziiert mit Sklerodermie klar nicht empfohlen. Bei IPAH, hereditärer und medikamentös-toxischer PH wird im Einzelfall nach Nutzen- Risiko-Abwägung entschieden, ob diese erfolgen soll.
Die Indikation zur oralen Antikoagulation beim Vorliegen einer CTEPH ist lebenslang gegeben (Ziel INR 2-3), selbst nach erfolgreicher chirurgischer Therapie. Dabei kommen Kumarin-Derivate oder andere orale Antikoagulation in Frage, wobei für die Wahl welcher Antikoagulation die Datenlage zur Behandlung der CTEPH gering ist (11).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. univ. Diana Mandler

Klinik für Pneumologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

diana.mandler@usz.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Zusammenfassend ist die PH im Allgemeinen, die PAH im Speziellen eine chronisch verlaufende Erkrankung, die trotz Fortschritten in der Diagnostik in den letzten Jahren häufig immer noch relativ spät diagnostiziert wird.
  • Bei Dyspnoe bislang ungeklärter Ätiologie sollte deshalb immer differentialdiagnostisch an eine PH gedacht werden und weitere Abklärungsschritte im spezialisierten PH-Zentrum inklusive Rechtsherzkatheter frühzeitig in Erwägung gezogen werden.
  • Die Behandlung der PH gehört aufgrund der Komplexität in die Hände eines Zentrumsspitals.

1. Galie N, Humbert M, Vachiery JL, et al. 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the European Respiratory Society (ERS): Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC), International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT). Eur Respir J 2015;46:903-75.
2. Simonneau G, Montani D, Celermajer DS, et al. Haemodynamic definitions and updated clinical classification of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2019;53.
3. Rosenkranz S, Diller GP, Dumitrescu D, et al. [Hemodynamic Definition of Pulmonary Hypertension: Commentary on the Proposed Change by the 6th World Symposium on Pulmonary Hypertension]. Dtsch Med Wochenschr 2019;144:1367-72.
4. Kovacs G, Berghold A, Scheidl S, Olschewski H. Pulmonary arterial pressure during rest and exercise in healthy subjects: a systematic review. Eur Respir J 2009;34:888-94.
5. Galie N, Channick RN, Frantz RP, et al. Risk stratification and medical therapy of pulmonary arterial hypertension. Eur Respir J 2018.
6. Kovacs G, Herve P, Barbera JA, et al. An official European Respiratory Society statement: pulmonary haemodynamics during exercise. Eur Respir J 2017;50.
7. Frost A, Badesch D, Gibbs JSR, et al. Diagnosis of pulmonary hypertension. Eur Respir J 2019;53.
8. Coghlan JG, Denton CP, Grunig E, et al. Evidence-based detection of pulmonary arterial hypertension in systemic sclerosis: the DETECT study. Ann Rheum
Dis 2014;73:1340-9.
9. Hoeper MM, Apitz C, Grunig E, et al. Targeted therapy of pulmonary arterial hypertension: Updated recommendations from the Cologne Consensus Conference 2018. Int J Cardiol 2018;272S:37-45.
10. Wilkens H, Konstantinides S, Lang IM, et al. Chronic thromboembolic pulmonary hypertension (CTEPH): Updated Recommendations from the Cologne Consensus Conference 2018. Int J Cardiol 2018;272S:69-78.
11. Grunig E, Benjamin N, Kruger U, et al. General measures and supportive therapy for pulmonary arterial hypertension: Updated recommendations from the Cologne Consensus Conference 2018. Int J Cardiol 2018;272S:30-6.