«ASCO-GI Symposium 2020» San Francisco

Zwischen dem 22. und 24. Januar 2020 fand das jährliche Symposium der ASCO zu den gastrointestinalen Tumoren statt. Kongressthema war «Accelerating Personalized Care». Das Symposium wurde durch 3500 internationale Teilnehmer in San Francisco besucht. Wie auch in den letzten Jahren wurden parallel dazu die Virtual Meeting Präsentationen in persönlicher Atmosphäre auf dem Uetliberg über Zürich verfolgt und interdisziplinär diskutiert. Die nachfolgende Zusammenfassung der wichtigsten Abstracts basiert auf der Einschätzung ihrer klinischen Relevanz und folgt in der Listung gemäss der Einteilung des Symposiums:

Tumore des Oesophagus und des Magens

Die Rolle einer Erhaltungstherapie mit einem Checkpoint Inhibitor bei Karzinomen des Magens und des gastroösophagealen Übergangs wurde in der Javelin Gastric 100-Studie untersucht. In dieser internationalen Phase III-Studie wurden bislang unbehandelte, lokal inoperable oder metastasierte Her-2-negative Magenkarzinome bzw. Karzinome des gastroösophagealen Übergangs mit einer mindestens stabilen Tumorsituation nach einer 12-wöchigen Induktionsphase mit einem FOLFOX/XELOX-Regime randomisiert zw. einer Erhaltungstherapie mit Avelumab bzw. Fortführung des bisherigen Chemotherapie-Regimes. Primärer Endpunkt dieser Studie war das Gesamtüberleben für die Gesamtpopulation sowie für die PD-L1-positive Subgruppe. Eine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch eine Erhaltungstherapie mit Avelumab konnte nicht gezeigt werden (medianes OS mit Avelumab 10.4 Monate vs. 10.9 Monate mit Chemotherapie, HR 0.91; 2 Jahres OS: Avelumab 22.1% vs 15.5% mit Chemotherapie). Auch in der Subgruppe der PD-L1 positiven (cutoff ≥ 1% der Tumorzellen), die ca. 12% der Studienpopulation umfasste, fand sich keine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch eine Erhaltungstherapie mit Avelumab. In den sekundären Endpunkten PFS und ORR zeigte sich ebenso keine sign. Verbesserung, jedoch eine längere duration of response durch Avelumab.
In der EXPEL-Studie wurde der Nutzen einer extensiven, peritonealen Lavage mit 10 Liter Kochsalzlösung gegenüber dem Standard einer Lavage mit < 2 Liter nach kurativ intendierter Gastrektomie beim Magenkarzinom untersucht. Der primäre Endpunkt dieser Phase III- Studie war das Gesamtüberleben. Hierbei zeigte sich im Gesamtüberleben nach 3 Jahren kein Unterschied (3 J OS: Lavage 23.1%, Standard 23.3%, HR 1.09). Auch die sekundären Endpunkte DFS und peritoneale Rezidivrate waren nicht unterschiedlich. Dieses rein mechanistische Vorgehen einer ausgiebigen Lavage nach Gastrektomie hat sich nicht als nützlich erwiesen und kann somit nicht empfohlen werden.

Eine Phase III-Studie untersuchte die Wirksamkeit einer Eskalation der Strahlendosis bei der definitiven kombinierten Radio-/Chemotherapie des Oesophaguskarzinoms. Die 2002 publizierte INT 0123 RTOG-Studie, welche eine Standarddosis von 50.4 Gy gegenüber einer höheren Strahlendosis von 64.8 Gy untersuchte, konnte keine Verbesserung der lokalen Kontrolle oder des Gesamtüberlebens zeigen. In der holländischen ARTDECO-Studie wurde die Frage erneut untersucht. Lokal fortgeschrittene Oesophaguskarzinome (T2-4a, N0-3, M0) wurden entweder mit der Standarddosis von 50.4 Gy oder im experimentellen Arm mit 61.6 Gy bestrahlt. Es erfolgte eine 3D-konformale Bestrahlungstechnik, hauptsächlich IMRT/VMAT, radiosensibilisierend wurden 6 Gaben einer wöchentlichen Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel verabreicht. Primäres Studienziel war die Verbesserung der lokalen Kontrolle. Die lokale Tumorkontrolle nach 3 Jahren betrug 71% im Standardarm und 73% im experimentellen Arm und war somit nicht signifikant unterschiedlich. Auch nach Aufschlüsselung gemäss histologischem Subtyp ergab sich kein Benefit durch die höhere Strahlendosis. Im Therapiearm mit 61.6 Gy waren die G3 und G4 Toxizitäten leicht erhöht (75% vs. 66%), ebenso fand man eine leicht erhöhte therapieassoziierte Mortalität. Somit bleibt die empfohlene Standarddosis der definitiven Radio-/Chemotherapie des inoperablen Oesophaguskarzinoms 50.4 Gy.

Tumore der Bauchspeicheldrüse, Gallenwege und Leber

In einer randomisierten Phase II-Studie wurden 50 nicht vorbehandelte Patienten mit BRCA 1/2 oder mit PALB2-mutierten Pankreaskarzinom in eine wöchentliche Chemotherapie mit Cisplatin (25 mg/m2) und Gemcitabin (600 mg/m2) alleine oder mit dem PARP-Inhibitor Veliparib randomisiert. 47 Patienten hatten eine BRCA-Keimbahnmutation, die meisten davon eine BRCA-2-Mutation. Die RECIST-Remissionsraten lagen bei 65% und 74%, das mPFS bei 10.1 bzw. und bzw. 9.7 Monaten. Die mediane Überlebenszeit betrug 16 Monaten. Die Erkenntnis aus dieser relativ kleinen Studie ist folgende: Der Einsatz einer platinhaltigen Chemotherapie bei frühzeitiger Diagnose einer BRCA 1/2-, oder einer PALB2-Mutation ist wirksam. Der ergänzende Nutzen eines PARP-Inhibitors erscheint gesamthaft klein zu sein. Die geringe Zahl an BRCA1/2-Mutationen rechtfertigt jedoch eine routinemässige Untersuchung aller Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom nicht.
Die IMbrave150-Studie ist eine internationale Phase III-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC und erhaltener Leberfunktion (Child A). Randomisiert wurde in Sorafenib oder in eine Kombinationstherapie mit Atezolizumab und Bevacizumab. Erste Resultate dieser Studie wurden bereits am ESMO Asia Meeting im Herbst 2019 vorgestellt. In dieser Studie konnte erstmalig eine Überlegenheit einer Immun-Kombinationstherapie gegenüber Sorafenib festgestellt werden. Obgleich die Ergebnisse noch früh sind (mediane Nachbeobachtungszeit 8 Monate), zeigt sich eine stat. Überlegenheit beim gesamt- als auch beim progressionsfreien Überleben. Ergänzt wurden die Ergebnisse durch umfangreiche PRO- und Lebensqualitätsanalysen, die die klinische Überlegenheit der Kombinationstherapien weiter unterstützen.

Tumore von Kolon und Rektum

In der vorzeitig abgebrochenen Phase III-Studie JCOG1007 study (iPACS) wurde erstmals randomisiert untersucht, ob Patienten mit synchron aufgetretenen nicht resezierbaren Metastasen eines kolorektalen Karzinoms von einer Resektion des Primarius, vor Einleitung einer palliativen Chemotherapie, profitieren. Bisher gab es dazu retrospektive Analysen, die eine Prognoseverbesserung nach einer Resektion des Primärtumors suggerierten. Das mediane OS lag in beiden Gruppen bei 26 Monate. Es kam zu drei Todesfällen aufgrund von postoperativen Komplikationen. In dieser Studie konnte klar gezeigt werden, dass bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom, die bezüglich des Primärtumors asymptomatisch sind, die primäre Tumorresektion kein Vorteil bringt. Weitere Resultate zu diesem Thema werden aus einer deutschen Phase III-Studie erwartet.
Die BEACON CRC-Studie war eine randomisierte, dreiarmige Phase III-Studie (vgl. Vollpublikation Kopetz S et al. N Engl J Med 2019; 381:1632-43), welche bei Patienten mit BRAF V600E-Mutationen in der Zweitlinienbehandlung eine zielgerichtete Therapie mit einem Triplet (Encorafenib+Binimetinib + Cetuximab) oder die Doublette (Encorafenib + Cetuximab) gegenüber einer Chemotherapie mit Irinotecan oder FOLFIRI-Schema + Cetuximab untersuchte.
Es konnte zusammengefasst gezeigt werden, dass die beiden zielgerichteten Therapien zu einer signifikanten Verbesserung des OS und des Tumoransprechens führt.
Neben einem Update der Studienhauptresultate wurden Ergebnisse zur Lebensqualität vorgestellt.
Die Lebensqualität wurde in verschiedenen Messungen untersucht. Hierbei zeigte sich eine signifikant längere Zeit bis zur Verschlechterung in den beiden Armen mit zielgerichteter Therapie – ein weiteres wichtiges Argument für den Einsatz von Präzisionsmedizin bei Patienten mit BRAF-mutiertem Kolorektalkarzinom.
Ein Update zur Phase 2 CheckMate 142-Studie wurde bei Patienten mit metastasiertem mikrosatelliteninstabilem (MSI) Kolorektalkarzinom vorgestellt. In der Erstlinientherapie wurde Nivolumab (3 mg/kg) und Ipilimumab (1 mg/kg) eingesetzt. Die ORR lag bei 60%. Die Remissionen waren lange anhaltend. 16% der Patienten hatten Grad 3-4 Nebenwirkungen. Eindrucksvolle Resultate für eine Immunkombinationstherapie in der Erstlinie.

Dr. med. Melanie Löffler

St. Claraspital
Kleinriehenstrasse 30
4058 Basel

Dr. med. Catherine Schill

St. Claraspital
Kleinriehenstrasse 30
4058 Basel

Prof. Dr. med. Dieter Köberle

St. Claraspital AG
Tumorzentrum
Kleinriehenstrasse 30
4058 Basel

tumorzentrum@claraspital.ch

Le carfilzomib dans le traitement du myélome agressif

Le carfilzomib est un inhibiteur sélectif du protéasome considéré comme un traitement ciblé et bien établi des patients atteints de myélome multiple. Il induit une réponse rapide et profonde tout en étant généralement bien toléré (1, 2). Les patients présentant un risque
cytogénétique élevé, une rechute précoce et/ou un tableau clinique avancé ont particulièrement besoin d’ un traitement rapide offrant une réponse profonde en première rechute. Un schéma thérapeutique contenant du carfilzomib leur permet de bénéficier d’ un délai d’ action rapide combiné à un effet puissant.

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Behandlung mit Carfilzomib bei aggressiver Myelom-Erkrankung

Der selektive Proteasominhibitor Carfilzomib ist eine etablierte zielgerichtete Therapie für Patienten mit multiplem Myelom. Carfilzomib bewirkt ein schnelles und tiefes Ansprechen bei insgesamt guter Verträglichkeit (1, 2). Insbesondere Patienten mit hohem zytogenetischen Risiko, mit frühem Rezidiv und/oder hoher Krankheitslast benötigen im ersten Rezidiv eine schnell wirksame Behandlung mit tiefem Ansprechen und können von dem raschen und ausgeprägten Wirkungseintritt unter einem Carfilzomib-haltigen Regime profitieren.

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Schmerzen leitliniengerecht behandeln

Schmerzen sind und bleiben eine der wichtigsten Domänen ärztlicher Kunst. Bei vielen der in der Arztpraxis erscheinenden Patienten lässt sich mit rezeptfrei erhältlichen Schmerzmitteln eine effektive Schmerzlinderung erzielen. Martina Hagen und John Alchin haben in einem Review im Journal Pain Management untersucht, welche Empfehlungen hierzu die massgeblichen Leitlinien für die Behandlung gängiger Schmerzzustände geben. Lesen Sie hier eine Zusammen-
fassung des Artikels.

Klinische Leitlinien geben evidenzbasierte Empfehlungen und unterstützen damit die Entscheidungsfindung für die geeignete Therapie. Damit verbessern sie die Dienstleistungen im Gesundheitssystem und den Behandlungserfolg der Patienten. Die Verfügbarkeit wirksamer rezeptfrei erhältlicher Schmerzmittel hat Patienten die Möglichkeit zur eigenständigen Behandlung und Kontrolle ihrer Schmerzen gegeben. Dennoch ist weiterhin ärztlicher Rat gefragt – insbesondere, wenn es um Fragen zu Komorbiditäten, Begleitmedikationen und Nebenwirkungen geht. Hier bedarf es einer sorgfältigen und individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung.
Die derzeit am häufigsten eingesetzten Analgetika sind Paracetamol, Acetylsalicylsäure und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR). Auch wenn diese nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen sind, so haben sie doch den Vorteil, keine unerwünschten sedierenden oder die Kognition beeinträchtigenden Nebenwirkungen zu verursachen und keine Abhängigkeit zu erzeugen. Die folgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über die Empfehlungen nationaler und internationaler evidenzbasierter Leitlinien zum Einsatz nicht-verschreibungspflichtiger Analgetika.

Für die Übersicht verwendete Leitlinien

Für die nachfolgende Übersicht wurden Webseiten von medizinischen Fachgesellschaften, Gesundheitsinstitutionen und -organisationen zum Thema Schmerz sowie medizinische Datenbanken (PubMed, ProQuest, Embase, Google und Google Scholar) nach nationalen und internationalen evidenzbasierten klinischen Praxisleitlinien zur Behandlung gängiger Schmerzformen durchsucht. Die Recherche umfasste alle verfügbaren Leitlinien bis April 2019. Berücksichtigt wurden dabei nur aktuelle Versionen von Leitlinien und nur diejenigen, die auf das Thema «nicht-verschreibungspflichtige Analgetika» eingehen. Herangezogen wurden ausschliesslich Leitlinien in englischer Sprache. Insgesamt sind Informationen aus 114 relevanten Leitlinien für erwachsene Schmerzpatienten, vier Leitlinien zum Thema Schmerzen während der Schwangerschaft, 11 Leitlinien zu Schmerzen bei pädiatrischen Patienten und 5 Leitlinien zu Schmerzen bei älteren Patienten in die Übersicht eingeflossen.

Häufigste Schmerzformen in der Primärversorgung:

  • allgemeine Schmerzen
  • akute Rückenschmerzen (1)
  • Schmerzen aufgrund degenerativer Gelenkerkrankungen
  • Dysmenorrhö
  • Zahnschmerzen
  • Spannungskopfschmerzen (2)
  • Migräne (2)
  • postoperative Schmerzen

Leitlinienempfehlungen zur Behandlung häufiger Schmerzformen bei Erwachsenen mit nicht verschreibungspflichtigen Analgetika

Erstlinientherapie

Paracetamol und orale NSAR werden in den meisten Leitlinien als Erstlinientherapie für sämtliche Schmerzformen bei erwachsenen Patienten (insbesondere zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Schmerzen) empfohlen. In bestimmten Fällen (z. B. bei degenerativen Gelenkerkrankungen (3) und postoperativen Schmerzen (4, 5)) werden diese beiden Gruppen auch zur Behandlung schwerer Schmerzen empfohlen. In neueren systematischen Reviews wird die Wirksamkeit von Paracetamol in bestimmten Indikationen allerdings in Zweifel gezogen (6 – 9).

Zweitlinientherapie

Falls Paracetamol oder orale NSAR als Monotherapie nicht ausreichen, wird z.B. in der Zahnheilkunde nach Nutzen-Risiko-Abwägung eine Kombination aus beiden Analgetika empfohlen (10 – 18).

Topische NSAR

Topische NSAR werden derzeit vor allem zur Behandlung von Schmerzen bei degenerativen Gelenkerkrankungen empfohlen (oft sogar vor der Einnahme oraler NSAR, da sie vergleichbar wirksam sind und mit einem geringeren Risiko systemischer Nebenwirkungen einhergehen).

Andere Analgetika-Kombinationen

Manche Leitlinien empfehlen eine Kombination aus topischen NSAR und Paracetamol (19 – 26). Bei stärkeren Schmerzen aufgrund degenerativer Gelenkerkrankungen können topische NSAR mit oralen NSAR kombiniert werden (27). Ausserdem wird zur Behandlung solcher Schmerzen eine Kombinationstherapie aus Glucosamin und Chondroitin empfohlen. Zur Therapie primärer Kopfschmerzen werden Kombinationen aus Paracetamol und/oder NSAR mit Koffein als analgetischem Adjuvans empfohlen und für wirksamer gehalten als eine Monotherapie mit nur einem dieser Wirkstoffe (28).

Spezifische Empfehlungen zur Einnahme von NSAR

Manche Leitlinien empfehlen die Einnahme oraler NSAR in verschreibungspflichtigen Dosen, vor allem bei starken oder schwer behandelbaren Schmerzen wie beispielsweise Rückenschmerzen oder Migräne. Oft werden hierzu in den Leitlinien keine Dosisempfehlungen gegeben, sondern es wird lediglich geraten, orale NSAR in der niedrigsten wirksamen Dosis und über die kürzest mögliche Zeitdauer einzunehmen, um das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen zu minimieren (Abb. 1).
Die in den Leitlinien am häufigsten erwähnten oralen NSAR sind Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen. Im Allgemeinen wird kein Unterschied zwischen den verschiedenen Substanzen gemacht. Die verfügbaren Belege deuten darauf hin, dass sich die mittlere analgetische Wirksamkeit der einzelnen NSAR kaum unterscheidet (29). Individuelle Patientendaten legen allerdings nahe, dass die Wirksamkeit von Patient zu Patient verschieden sein kann (29) und man daher möglicherweise nach dem «Versuch-und-Irrtum-Prinzip» vorgehen muss, um die geeignetste Substanz für den jeweiligen Patienten zu finden.

Patientengruppen, bei denen besondere Vorsicht geboten ist:

Bei Schwangeren

Im Falle einer Schwangerschaft ist es besonders wichtig, die niedrigste wirksame Dosis einzunehmen, um das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen für die Mutter und das ungeborene Kind zu senken (30, 31). In allen klinischen Leitlinien besteht Einigkeit darüber, dass die Einnahme von Paracetamol während der Schwangerschaft als relativ sicher gilt. Orale NSAR sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Falls solche Analgetika zur Behandlung stärkerer Schmerzen notwendig sind, sollten sie während des ersten Trimenons mit Vorsicht eingenommen und spätestens bis zur 32. Schwangerschaftswoche abgesetzt werden (32).

Bei Kinder

Schmerzen bei Kindern werden ebenfalls mit Paracetamol und oralen NSAR behandelt, allerdings in niedrigerer Dosierung als bei Erwachsenen. Die Dosierung sollte dem Gewicht des Kindes und nicht dem Alter angepasst werden.

Bei ältere Patienten

Bei älteren Patienten (> 60 Jahre) kommen Schmerzen häufig vor (33, 34, 35). Zugleich sind in dieser Patientengruppe verschiedene Faktoren wie beispielsweise altersbedingte physiologische Veränderungen, Begleitmedikationen und Komorbiditäten (z. B. kardiovaskuläre Erkrankungen, kognitive Beeinträchtigung) zu berücksichtigen, die das Risiko unerwünschter Medikamentenreaktionen erhöhen können (36, 37). Daher ist die Schmerztherapie bei älteren Patienten oft schwierig und komplex (38, 39).
In den Leitlinien zum Schmerzmanagement bei älteren Patienten wird vor allem Paracetamol empfohlen. Auch orale NSAR können eingesetzt werden. Allerdings ist in dieser Patientengruppe ganz besonders darauf zu achten, orale NSAR nur in der niedrigsten wirksamen Dosis und über die kürzest mögliche Zeitdauer einzunehmen und die Patienten auf das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen hin zu überwachen. Bei Schmerzen aufgrund degenerativer Gelenkerkrankungen sollten zunächst topische NSAR angewendet werden. Erst wenn deren analgetische
Wirkung nicht ausreicht, wird die Einnahme oraler NSAR empfohlen (23, 40).

Dr. Martina Hagen

GlaxoSmithKline Consumer Healthcare S.A.
Category Medical Affairs Pain Relief
Route de l’Etraz 2
1260 Nyon

martina.x.hagen@gsk.com

Dr. John Alchin

Pain Management Centre, Burwood Hospital, CDHB
Burwood, Christchurch 8083, Neuseeland

Daniela Deutsch

GSK Consumer Healthcare
Medical Affairs Pain Relief
Barthstrasse 4
D-80339 München

Martina Hagen und Daniela Deutsch sind Angestellte bei GlaxoSmithKline Consumer Healthcare. John Alchin ist Angestellter bei Canterbury District Health Board, Christchurch, Neuseeland und Mitglied des Global Pain Forum von GSK CH, keine anderen Interessenkonflikte.

  • Die meisten Leitlinien stimmen darin überein, dass Paracetamol und NSAR die besten Therapieoptionen zur initialen Selbstmedikation darstellen. Bei Schwangeren und älteren Patienten sollte die Einnahme oraler NSAR mit Vorsicht erfolgen.
  • Falls orale NSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden, ist Paracetamol die erste Therapieoption.
  • Falls beide Medikamentenklassen allein zur Behandlung stärkerer Schmerzen nicht ausreichen, kann eine Kombinationstherapie versucht werden. Bei Schwangeren ist hiervon abzusehen.
  • Bei Schmerzen aufgrund degenerativer Gelenkerkrankungen sollte vor Einnahme oraler NSAR die Anwendung topischer NSAR erwogen werden, um das Risiko systemischer Nebenwirkungen zu minimieren – vor allem bei älteren Patienten. Bei solchen Schmerzen können topische NSAR auch mit Paracetamol kombiniert werden.
  • Bei Patienten mit Lebererkrankungen ist die Einnahme von Paracetamol nicht zu empfehlen. Die Einnahme oraler NSAR kann bei Patienten mit Nierenerkrankungen, kardiovaskulären Erkrankungen oder Magengeschwüren mit Risiken einhergehen.

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Publikationsort des kompletten Artikels von Martina Hagen und John Alchin:
Hagen M, Alchin J. Nonprescription drugs recommended in guidelines for common pain conditions. Pain Manag. 2019 Dec 20. doi: 10.2217/pmt-2019-0057. [Epub ahead of print]w

Chirurgische Behandlungsmöglichkeit der Refluxkrankheit

Die chirurgische Antirefluxtherapie zeichnet sich durch eine Vielzahl technischer Varianten aus. Neben unterschiedlichen Möglichkeiten der Fundoplicatio als Goldstandard der chirurgischen Refluxtherapie, finden nun auch andere operative Therapien Beachtung. In diesem Artikel werden sowohl die Grundlagen der Indikationsstellung für ein operatives Vorgehen als auch die unterschiedlichen operativen Techniken kurz dargestellt.

Die Indikation zur chirurgischen Therapie der gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) basiert auf verschiedenen Kriterien, die auf dem Boden einer stabilen Datenlage formuliert sind (1, 2).
Erstes Kriterium ist die sogenannte aktive Form der GERD. Diese ist definiert durch das Vorliegen typischer Symptome (Sodbrennen, Regurgitation), den Nachweis von Funktionsdefekten (Hiatushernie, inkompetenter unterer Ösophagussphinkter) und das Vorhandensein komplizierender struktureller Schäden der Speiseröhre (Ösophagitis, Barrett-Ösophagus). Auch die Notwendigkeit einer Dosissteigerung eines Protonenpumpeninhibitors (PPI) zum Erreichen einer Beschwerdefreiheit ist hier zu nennen.
Zweites Kriterium ist das Vorliegen säureunabhängiger Symptome trotz ausreichender Medikation mit PPI. Zu nennen ist hier insbesondere der sogenannte «Volumenreflux», der in der Impedanzmessung objektiviert werden kann.
Drittes Kriterium ist das erneute Auftreten der Symptomatik im Rahmen eines Auslassversuches einer initial erfolgreichen medikamentösen Therapie.
Die im deutschsprachigen Raum publizierten Leitlinien zur Behandlung der gastroösophagealen Refluxkrankheit (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-013.html) fassen diese Kriterien für die Indikationsstellung einer Antirefluxchirurgie in folgender Auflistung zusammen:

1. Typische Symptome (Anamnese)
2. Jahrelange Refluxanamnese (Anamnese)
3. Präsenz einer Hiatushernie (Endoskopie)
4. Inkompetente Antirefluxbarriere (Manometrie,
High-Resolution-Manometrie)
5. Pathologische Säureexposition mit Symptomkorrelation
(pH-Metrie, Impedanz-pH-Metrie, Symptom- Association Probability)
6. Positives Ansprechen auf PPI- Therapie (PPI-Response)
7. Notwendige PPI-Dosissteigerung
8. Reduzierte Lebensqualität

Es ist offensichtlich, dass das Ansprechen auf eine Medikation mit PPI für die Indikation einer chirurgischen Therapie eine wichtige Rolle spielt. Allerdings wurde diesbezüglich in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel vollzogen: Früher wurden insbesondere Patienten, die nicht oder nicht mehr auf eine PPI-Medikation ansprachen, für eine operative Behandlung ihres Refluxes in Betracht gezogen. Heute hingegen weiss man, dass vor allem diejenigen Patienten am meisten von einer operativen Intervention profitieren, die durch eine medikamentöse Blockade der Säureexposition eine deutliche Besserung ihrer Beschwerden erfahren. Dieser Indikationswandel ist in der interdisziplinären Diskussion mit den Kollegen der Gastroenterologie zu beachten und im Rahmen der fachlichen, datenbasierten Therapieentscheidung unbedingt zu berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund der mittlerweile gut dokumentierten und zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen einer für gewöhnlich lebenslang notwendigen Langzeittherapie mit PPI (z.B. höhere Inzidenz einer Osteoporose mit erhöhter Gefahr hüftgelenksnaher Femurfrakturen, dokumentierte Veränderung des gastrointestinalen Mikrobioms), ist die chirurgische Therapie der Refluxkrankheit also nicht bloss eine zusätzliche Therapiealternative, die diskutiert werden kann, sondern eine Option, die interdisziplinär diskutiert werden muss (3, 4).

Die laparoskopische Fundoplicatio

Über viele Jahre hinweg war die Klärung der Pathophysiologie einer GERD Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen. Als gesichert gilt, dass ein anatomischer bzw. funktioneller Defekt an der Zwerchfellschlinge und am unteren Ösophagussphinkter die Entstehung einer GERD begünstigt. Deshalb ist das Ziel der chirurgischen Therapie, den Druck in diesem Bereich der Antirefluxbarriere zu erhöhen. Unabhängig davon, wie diese Druckerhöhung erzielt wird, wird die zusätzliche Versorgung einer meist gleichzeitig vorhandenen Hiatushernie verlangt (5). Ob diese Versorgung mit oder ohne Netz-Verstärkung erfolgen sollte, ist weiterhin Gegenstand intensiver fachlicher Diskussionen und soll hier nicht weiter beleuchtet werden.
Als Goldstandard der operativen Druckerhöhung im Rahmen einer chirurgischen Antireflux-Therapie gilt nach wie vor die klassische laparoskopische Fundoplicatio (6). Die minimal-invasive Technik der Fundoplicatio hat sich in der Zwischenzeit gegenüber den offenen Verfahren eindeutig durchgesetzt. Die Vorteile nach minimal-invasivem Vorgehen sind eine schnellere postoperative Rekonvaleszenz und bessere Kosmetik bei mindestens gleich guter symptomatischer Refluxkontrolle. Dies gilt insbesondere auch für Revisionseingriffe, da hierbei eine wesentlich bessere Visualisierung der anatomischen Situation gewährleistet werden kann. Die gebräuchlichen laparoskopischen Techniken zur Verbesserung der Schliessfunktion des unteren Ösophagussphinkter sind die Fundoplicatio nach Toupet mit einer partiellen posterioren 270° Manschette und die Fundoplicatio nach Nissen mit einer 360° Vollmanschette, jeweils immer in Verbindung mit der Versorgung einer meist gleichzeitig vorliegenden axialen Hiatushernie (Abb. 1 – 3). In ihrer Wirksamkeit wurden beide Techniken im Rahmen von randomisierten Studien mehrfach gegen die medikamentöse Therapie mit PPI getestet. Gefunden wurde, dass in allen Untersuchungen die laparoskopische Fundoplicatio der medikamentösen Therapie mit PPI nicht nur gleichwertig, sondern im kurz- und mittelfristigen Beobachtungsfenster hinsichtlich Symptomkontrolle und Patientenzufriedenheit auch überlegen zu sein scheint (7). Ein kritischer Aspekt der laparoskopischen Antireflux-Chirurgie ist sicherlich die immer wieder diskutierte Rate postoperativer Dysphagie und Unmöglichkeit des Aufstossens (sog. gas bloat Syndrom), beides für betroffene Patienten höchst unangenehme Zustände. Die Datenlage ist unklar, es zeichnet sich aber eine zumindest tendenziell deutlich niedrigere Dysphagierate nach einer Toupet-Fundoplicatio (270°-Manschette) im Vergleich zu einer Nissen-Fundoplicatio (360°-Manschette) ab (8). Aus diesem Grund wird erstgenannte Technik in vielen Zentren, so auch in unserem, als Goldstandard betrachtet.
Zweifelsohne ist die medikamentöse Therapie der Refluxkrankheit mittels PPI hoch effektiv. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere die Langzeit-PPI-Therapie mit Nebenwirkungen assoziiert ist, die zumindest zur Kenntnis genommen werden müssen. Auch wird die PPI-Therapie nicht von allen betroffenen GERD-Patienten vertragen, so dass hier chirurgische Therapiealternativen in Betracht gezogen werden müssen. Festzuhalten bleibt, dass bei Beachtung der oben genannten Indikationskriterien und nach Durchführung einer umfassenden, interdisziplinären Diagnostik in einem selektierten Patientengut (ca. 40-50% aller GERD-Patienten) die chirurgische Antireflux-Therapie mittels laparoskopischer Fundoplicatio sicher und erfolgreich durchgeführt werden kann und somit empfohlen werden sollte.

Neuere chirurgische Techniken

In den letzten Jahren wurden weitere interventionelle und chirurgische Techniken zur Behandlung der Refluxkrankheit entwickelt, die zum Teil auch bereits ausserhalb klinischer Überwachungsstudien zur Anwendung kommen. Die wichtigsten werden im Rahmen
dieser Darstellung genannt.

1. Das LINX-System

Hierunter versteht man ein aus kleinen Titanplättchen bestehendes Magnetband, welches laparoskopisch um den unteren Ösophagussphinkter platziert wird und der Weite bzw. Dicke des jeweiligen Ösophagus individuell angepasst wird. Bei geschlossenem Magnetband soll der Ruhedruck am unteren Ösophagussphinkter so eingestellt sein, dass kein Reflux vorliegt. Bei Passage von Nahrungsbrei wird durch den Bolus das Magnetband gedehnt und nimmt nach Passage wieder die ursprüngliche, Reflux-vermeidende Position ein. Die Sicherheit und Wirksamkeit dieses Verfahrens ist in mehreren Studien belegt und 5-Jahres Ergebnisse liegen mit einer guten Symptomkontrolle und akzeptabler Dysphagierate von 6% vor (9, 10).

2. Das EndoStim®-System

Auch dieses System wird laparoskopisch eingebracht. Nach Präparation des unteren Ösophagus werden am Ösophagussphinkter zwei Elektroden angebracht, die mit einem subkutan platzierten Schrittmacher verbunden sind. Der untere Ösophagussphinkter wird elektrisch stimuliert mit dem Ziel, den Ruhedruck in diesem Bereich zu erhöhen und somit einen gastroösophagealen Reflux zu vermeiden. Bei gleichzeitigem Vorliegen einer axialen Hiatushernie wird diese in gleicher Operation mit einer Hiatoplastik versorgt. Da es sich hierbei nicht um eine direkte kontraktile Stimulation der Muskulatur des unteren Ösophagussphinkters handelt, ist frühestens nach drei Monaten mit einer objektivierbaren Besserung der Refluxproblematik zu rechnen (11). Daher ist eine überlappende Medikation mit PPI notwendig. In der Zwischenzeit liegen auch hier 2-Jahres Daten vor, die eine sehr gute Symptomkontrolle und Patientenzufriedenheit dokumentieren (12). Allerdings ist der Hersteller aktuell in wirtschaftliche Schieflage geraten, so dass der weitere Einsatz des Verfahrens mehr als fraglich erscheint.

3. Das RefluxStop™-System

Dies ist ein neues operatives Verfahren, bei dem nach laparoskopischer Versorgung der Hiatushernie ein Silikonwürfel von gut 2 cm Kantenlänge in unmittelbarer Nachbarschaft des unteren Ösophagussphinkters in eine Art Serosatasche fixiert wird und dafür sorgen soll, dass der untere Sphinkter unterhalb des Zwerchfellschenkels verbleibt und ohne Beeinträchtigung der Nahrungspassage eine suffiziente Refluxbarriere entsteht. Erste vielversprechende 1-Jahres Ergebnisse liegen vor, weitere Untersuchungen sind aber notwendig.

PD Dr. med. Andreas Thalheimer

Stv. Chefarzt Viszeralchirurgie
Spital Männedorf
Asylstrasse 10
8307 Männedorf

a.thalheimer@spitalmaennedorf.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die GERD ist eine sehr häufige Erkrankung. Grundlage der Therapie ist nach entsprechender Diagnostik (Funktionsdiagnostik inkl. Endoskopie des oberen Gastrointestinaltraktes, Impedanz-pH-Metrie und High-Resolution Manometrie) die medikamentöse Behandlung mit PPI.
  • Unter Berücksichtigung bestimmter Selektionsparameter ist in einer gut definierten Subgruppe der Patienten eine chirurgische Therapie indiziert.
  • Idealerweise erfolgt die Indikationsstellung für eine Operation im interdisziplinären Kontext zusammen mit den Kollegen der Gastroenterologie.
  • Goldstandard der operativen Therapie ist auch weiterhin die laparoskopische Fundoplicatio. Bei Berücksichtigung der genannten Selektionskriterien ist eine sehr gute Symptomkontrolle und Patientenzufriedenheit auch im langfristigen Verlauf nach operativer Therapie zu erreichen.

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Medikamentöse Therapie der chronischen Herzinsuffizienz

Die medikamentöse Therapie der chronischen Herzinsuffizienz hat sich in den letzten Jahren durch den Miteinbezug neuer Medikamenten-Klassen in die Behandlungsrichtlinien stark weiterentwickelt. Der vorliegende Artikel fasst die aktuellen Empfehlungen kurz zusammen und geht insbesondere auf neue Studienergebnisse seit der Veröffentlichung der aktuellen Herzinsuffizienz-Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) von 2016 näher ein (1).

Die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz hängt nach wie vor entscheidend von der linksventrikulären Auswurffraktion (left ventricular ejection fraction, LVEF) ab, auch wenn wir wissen, dass die LVEF kein perfektes Mass für die systolische linksventrikuläre Funktion ist.
Gemäss den aktuellen ESC-Leitlinien werden gemäss LVEF drei Herzinsuffizienz-Kategorien unterschieden (Tab. 1): 1) Herzinsuffizienz mit reduzierter LVEF <40% (Heart Failure with reduced Ejection Fraction, HFrEF), 2) Herzinsuffizienz mit erhaltener LVEF (LVEF ≥50%; Heart Failure with preserved Ejection Fraction, HFpEF), und 3) eine seit 2016 definierte Zwischenkategorie der Herzinsuffizienz mit mässig eingeschränkter LVEF (LVEF 40-49%; Heart Failure with mid-range Ejection Fraction, HFmrEF). Im vorliegenden Artikel werden die Neuigkeiten der medikamentösen Therapie in Bezug auf die verschiedenen Herzinsuffizienz-Kategorien getrennt dargestellt.

Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF)

Für die HFrEF existieren mehrere symptomatisch und prognostisch wirksame Behandlungsmassnahmen (Abb. 1), deren sequentieller Einsatz durch die Datenlage bzw. die aktuellen Leitlinien relativ gut definiert ist (1). Die Basis-Therapie besteht dabei neben einer symptomatischen Therapie mit Schleifendiuretika (Prinzip: «so viel wie nötig, so wenig wie möglich») immer aus einer Kombination eines ACE-Hemmers (ACE-I) oder Angiotensin-II Rezeptor-Blocker (ARB; nur bei ACE-I-Unverträglichkeit) und einem Betablocker, wobei die Reihenfolge des Einsatzes der beiden Medikamentenklassen unwesentlich ist, aber beide möglichst maximal dosiert werden sollen. Bleibt die LVEF trotz dieser Basistherapie ≤35%, und ist der Patient weiterhin zumindest leicht symptomatisch (NYHA ≥II), kommt zusätzlich ein Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonist (MRA; Spironolacton oder Eplerenon) zum Einsatz. Bei weiterhin persistierender Symptomatik bestehen danach drei weitere Therapie-Optionen, die einzeln oder bei passender Indikation sequentiell kombiniert zur Anwendung kommen sollen:
1) Wechsel des ACE-I/ARB auf einen Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI), sofern weiterhin ein erhöhtes B-type natriuretic peptide (BNP) resp. N-terminales proBNP (NT-pro BNP) nachweisbar ist. 2) Einsatz von Ivabradin bei Sinusrhythmus mit HF ≥70/min unter maximal tolerierter Betablocker-Dosis.
3) Implantation eines kardialen Resynchronisations-Devices (CRT) bei verbreitertem QRS-Komplex (bester Effekt wenn QRS≥150 ms) und typischer Linksschenkelblock-Morphologie. Bei persistierender Dyspnoe NYHA ≥II kommen individuell weitere, weniger gut etablierte Optionen wie Digoxin und H-ISDN (Hydralazin und
Isosorbid-Dinitrat) in Frage. Als letzte Optionen stehen bei einem sehr ausgewählten Patientengut ventrikuläre Assist-Devices und die Herztransplantation zur Verfügung.

HFrEF-Therapie mit einem Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor (ARNI)

Kurz vor Erscheinen der aktuellen ESC-Leitlinien von 2016 (1) wurden die Resultate der PARADIGM-HF Studie (2) veröffentlicht. Dabei zeigte sich bei Patienten mit HFrEF und NYHA II-IV unter Therapie mit Sacubitril/Valsartan gegenüber der Therapie mit Enalapril eine 20% Reduktion des primären kombinierten Endpunktes (kardiovaskulärer Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz). Durch dieses Studienresultat fand die ARNI-Therapie mit einer Klasse IB Indikation Eingang in die Leitlinien.
In der Zwischenzeit konnte in verschiedenen Analysen gezeigt werden, dass der relative Benefit von Sacubitril/Valsartan gegenüber Enalapril auch bei Patienten mit tiefen Ausgangs-Blutdruckwerten (3) und bei nötiger Dosisreduktion (4) bestehen bleibt. Da Patienten mit diesen beiden Eigenschaften eine Population mit fortgeschrittener HFrEF repräsentieren und deshalb auch eine allgemein gesehen höhere Ereignisrate aufweisen, profitieren diese Patientengruppen absolut gesehen sogar am meisten von einer Therapie mit Sacubitril/Valsartan. Andererseits sind das genau die Patienten, bei denen die Etablierung einer ARNI-Therapie auf Grund der relativ stark hypotensiven Wirkung besonders schwierig ist. In dieser Population ist es umso wichtiger, dass vor Therapieumstellung eine allfällige diuretische Therapie auf die minimal nötige Dosis reduziert wird und nicht-prognostisch wirksame Komedikationen mit blutdrucksenkender Wirkung abgesetzt werden.
Weitere Analysen der PARADIGM-Studie haben folgendes gezeigt: 1) Sacubitril/Valsartan verlangsamt gegenüber Enalapril die Verschlechterung der Nierenfunktion bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (5) und führt zu weniger schweren Hyperkaliämien. 2) Der Effekt von Sacubitril/Valsartan ist innerhalb des HFrEF-Spektrums unabhängig von der LVEF (6) und 3) Sacubitril/Valsartan kann im Vergleich zu Enalapril das Risiko eines plötzlichen Herztodes reduzieren (7).
Bisher wurden Patienten gemäss Guidelines bei chronischer HFrEF meist im ambulanten stabilen Setting auf ARNI umgestellt. Kürzlich konnte die PIONEER HF Studie zeigen, dass eine solche Therapieumstellung auch bei auf Grund einer dekompensierten Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten nach hämodynamischer Stabilisierung ohne wesentliche Risiken gut möglich ist und vielleicht sogar zu einem besseren klinischen Verlauf führt (8, 9).

Diabetes mellitus und HFrEF-Therapie

Die Gruppe der Sodium-Glucose Cotransporter 2-Inhibitoren (SGLT2-Inhibitoren), welche über eine gesteigerte Glucosurie zur Reduktion des Blutglucose-Spiegels führen, hat in letzter Zeit in kardiologischen Kreisen grosses Aufsehen erregt. In den grossen, von den Behörden verlangten kardiovaskulären Sicherheitsstudien für Empagliflozin (10), Canagliflozin (11) und Dapagliflozin (12) zeigte sich das überraschende Resultat einer signifikanten Reduktion der Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz bei diabetischen Patienten. Die genauen, diesen Resultaten zugrundeliegenden Mechanismen sind bis anhin nicht gänzlich geklärt. Unter anderen kommen sie durch eine diuretische Wirkung, sowie eine Reduktion der Vor- und Nachlast zu Stande. Nebst der Klärung dieser Wirkmechanismen stellte sich die Frage, ob die SGLT 2-Inhibitoren auch als primäre Herzinsuffizienztherapie bei HFrEF Patienten ohne Diabetes mellitus eine prognostische Wirkung zeigen können. Die erste von mehreren gross angelegten diesbezüglichen Studien wurde kürzlich publiziert (13): Dapagliflozin zeigte gegenüber Placebo neben einer 26%igen Risikoreduktion des kombinierten Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, Herzinsuffizienz-Hospitalisationen, dringende Herzinsuffizienz-Therapie mit i.v. Therapie) auch eine signifikante Reduktion der herzinsuffizienzbedingten Hospitalisationen um 30%. Wesentlich ist, dass in dieser Studie nur 50% der Patienten einen Diabetes aufwiesen, und dass die Effekte bei Diabetikern und Nicht-Diabetikern in gleichem Masse ausfielen.
Aufgrund dieser Daten haben die SGLT 2-Inhibitoren in der Diabetestherapie bei Patienten mit hohem kardiovaskulärem Risiko oder bereits etablierten kardiovaskulären Erkrankungen respektive HFrEF eine zentrale Rolle erlangt. Ob und wie die SGLT 2-Inhibitoren auch als primäre Herzinsuffizienztherapie bei Patienten ohne Diabetes in der Klinik in Zukunft eingesetzt werden, wird sich mit der Überarbeitung der Herzinsuffizienz-Richtlinien 2021 zeigen. Nicht zuletzt wird dies auch von den Resultaten weiterer kurz vor Abschluss stehender Studien abhängen (z.B. EMPEROR-Reduced).

Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF)

Im Gegensatz zur HFrEF konnte bei HFpEF noch für keine medikamentöse Therapie eine Reduktion der Mortalität nachgewiesen werden. Die Leitlinien (1) halten für das Management von HFpEF fest, dass, 1) eine diuretische Therapie bei hypervolämen Patienten indiziert ist und 2) dass Komorbiditäten (z.B. Übergewicht, Lungenerkrankungen, Schlafapnoe) systematisch gesucht und wenn vorhanden rigoros behandelt werden sollen.
Allerdings muss festgehalten werden, dass in den letzten Jahren das Wissen über HFpEF durch zahlreiche Studien zu verschiedenen Therapieansätzen deutlich erweitert werden konnte (14). Zusätzlich ergaben sich wichtige neue Aspekte zur randomisierten, multinationalen TOPCAT Studie (15), welche die Wirkung von Spironolacton bei HFpEF untersucht hat. Vorangegangen waren mechanistische Studien, welche günstige Effekte von Spironolacton auf die diastolische LV-Funktion und die Leistungsfähigkeit dokumentiert hatten. Die TOPCAT-Studie fiel zwar bezüglich des primären kombinierten Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, überlebter plötzlicher Herztod, Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz) und Mortalität insgesamt neutral aus. Allerdings konnte eine Reduktion der Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz für Spironolacton gezeigt werden, was für die alten und polymorbiden HFpEF-Patienten ein wichtiges Ergebnis ist. Auf Grund einerseits sehr unterschiedlicher Ereignisraten und andererseits unterschiedlicher Therapieeffekten in den USA/Kanada gegenüber Russland wurden im Verlauf verschiedene Analysen durchgeführt, welche suggerieren, dass in Russland ein relevanter Anteil der eingeschlossenen Patienten wahrscheinlich keine HFpEF hatte (viel besserer Outcome als in den USA) und wahrscheinlich keine Spironolacton-Therapie erhielt (kein Nachweis von Spironolacton-Metaboliten im Urin und keine Veränderungen des Serum-Kaliums unter Therapie) (16). Wenn man dies berücksichtigt, könnte TOPCAT doch auf eine günstige Wirkung von Spironolacton bei HFpEF hinweisen.
Die kürzlich publizierte PARAGON-HF Studie (17), welche eine Therapie mit Sacubitril/Valsartan versus einer Therapie mit Valsartan bei Patienten mit LVEF >45% untersuchte, verfehlte es knapp, einen statistischen Benefit bezüglich Herzinsuffizienz-Hospitalisationen und kardiovaskulärem Tod zu zeigen. Subgruppen-Analysen suggerieren jedoch, dass vor allem Frauen und Patientinnen und Patienten mit tiefnormaler oder leicht eingeschränkter LVEF doch profitieren könnten (17, 18).
Aktuell noch ausstehend sind diverse grosse Studien, welche die Wirkung der SGLT 2-Inhibitoren bei HFpEF untersuchen (u.a. EMPEROR-Preserved, DELIVER).

Herzinsuffizienz mit mässig eingeschränkter Auswurffraktion (HFmrEF)

Bisherige Herzinsuffizienztherapiestudien haben sich auf die zwei Entitäten HFrEF (Einschlusskriterium jeweils meist LVEF <40% oder <35%) und HFpEF beschränkt, wobei die Einschlusskriterien für HFpEF variabel waren (LVEF >40% bis LVEF ≥50%). Die in den aktuellen Leitlinien neu geschaffene Kategorie der HFmrEF wurde somit bisher nie allein studiert, sondern nur innerhalb von HFpEF-Studien. Es ist somit unklar, ob HFmrEF-Patienten von einer HFrEF-Therapie profitieren oder eher wie HFpEF-Patienten auf die Therapie reagieren.
In einer grossen Metaanalyse (19) zeigten sich bei HFmrEF intermediäre Patienten-Charakteristika bezüglich kardiale und nicht-kardiale Komorbiditäten, Alter und Geschlecht verglichen mit Patienten der beiden anderen Herzinsuffizienz-Kategorien. Jedoch war die koronare Herzkrankheit als Ursache der Herzinsuffizienz bei HFmrEF signifikant häufiger als bei HFpEF-Patienten und von der Häufigkeit sogar vergleichbar mit derjenigen der HFrEF Populationen. Dies kann auf gewisse Ähnlichkeiten der HFmrEF Population mit der HFrEF Population auch im Hinblick auf mögliche Therapieoptionen hindeuten.
Einige post-hoc Analysen grösserer Herzinsuffizienzstudien suggerieren, dass eine HFrEF-Therapie auch im Setting einer HFmrEF einen Benefit haben könnte. In der TOPCAT Studie (Spironolacton vs Placebo bei HFpEF (15)) wurden Patienten mit LVEF >45% eingeschlossen. Der stärkste therapeutische Benefit von Spironolacton fand sich in der Subgruppe der Patienten mit LVEF 45-50%, was damit wiederum auf einen Nutzen bei HFmrEF Patienten hindeutet (20). Des Weiteren zeigte auch eine Analyse der CHARM-Studie (21), welche alle drei Herzinsuffizienz-Typen eingeschlossen hat, eine vergleichbare signifikante Reduktion des primären Endpunktes (bestehend aus kardiovaskulärer Mortalität und Hospitalisation aus Herzinsuffizienz-Gründen) unter Candesartan bei HFmrEF- und HFrEF-Patienten, während bei HFpEF kein Benefit dokumentiert werden konnte. Wie oben bereits dargelegt gibt es auch für Sacubitril/Valsartan erste Daten, die ein Therapieansprechen bei Patienten mit leicht eingeschränkter LVEF suggerieren (18).
Insgesamt gibt es somit gute Hinweise, dass Patienten mit HFmrEF von einer HFrEF-Therapie profitieren könnten. Zukünftig sind prospektive Studien nötig, um diese Daten zu bestätigen.

Dr. med. Marc Buser

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

marc.buser@kssg.ch

Prof. Dr. med. Hans Rickli

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Prof. Dr. med. Micha T. Maeder

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Dr. Buser: Referentenhonorare von Novartis und Boehringer, Dr. Maeder: Advisory Board Tätigkeit für Novartis. In direktem Zusammenhang mit diesem Artikel haben die Autoren keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die etablierte medikamentöse HFrEF-Therapie ist prognostisch hoch wirksam und beinhaltet neben einem ACE-Hemmer/Angiotensin
    II-Rezeptor-Antagonisten einen Betablocker und einen Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten. Zusätzlich haben heute auch der Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Antagonist Sacubitril/Valsartan sowie Ivabradin ihren Stellenwert in der HFrEF Behandlung. SGLT 2-Inhibitoren scheinen eine positive Wirkung bei HFrEF zu haben. Laufende Studien werden zeigen, ob diese Substanzen in Zukunft auch in der primären Herzinsuffizienz-Therapie (ohne Diabetes mellitus) einen Stellenwert erlangen.
  • Auch wenn in den letzten Jahren durch zahleiche Studien zur HFpEF-Therapie das Wissen stark erweitert werden konnte, gibt es weiterhin kein Medikament, welches das Überleben dieser Patienten verbessert.
  • In einigen post-hoc Analysen scheint ein gewisser Benefit einer HFrEF-Therapie (mit Spironolacton und Candesartan respektive auch Sacubitril/Valsartan) bei HFmrEF-Patienten zu bestehen. Prospektive Studien sind auf diesem Gebiet nötig, um die präliminären Daten zu bestätigen oder zu widerlegen.

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