Spitzensportlerinnen mit Störungen der Geschlechtsentwicklung

1932 wurde die Frage erstmals debattiert, ob Sportlerinnen, die gemäss ihrer Geburtsurkunde Frauen, aber nach ihren Chromosomen Männer sind, an Spitzenwettkämpfen teilnehmen dürfen. Damals hatte eine Polin mit männlichen Geschlechtschromosomen olympisches Gold gewonnen. Seither haben immer wieder Athletinnen mit nicht-eindeutig weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmalen und meist XY-Chromosomen bestimmte Laufsportarten dominiert, insbesondere Mittel- bis Langstrecken. Heute wird aus gesellschaftspolitischen Gründen das Gender- gegen das Sex-Geschlecht ausgespielt.

La question, si une athlète, femme d’ après son acte de naissance, mais homme selon ses chromosomes, pouvait être autorisée à participer à des compétitions de haut niveau, a été débattue pour la première fois en 1932. Cette année-là, une athlète polonaise avec des chromosomes masculins avait gagné l’ or olympique. Depuis, de manière répétée, des athlètes avec des caractéristiques sexuelles secondaires non-clairement féminines et pour la plupart aux chromosomes XY, ont dominé la course à pied, surtout de demi-fond et de longue distance. Ainsi, pour des raisons socio-politiques, le genre (identité subjective) et le sexe biologique sont mis en opposition.

Seit wenigen Jahren ist diese Frage wegen zweier aktueller gleichartiger Fälle erneut in allen Medien. Eine betroffene südafrikanische Sportlerin hat einen Entscheid des Internationalen Sportgerichts TAS an die nächsthöhere Instanz weitergezogen. Dieser Entscheid hatte eine Regelung des Leichtathletik-Weltverbandes für rechtlich zulässig erklärt, die eine Testosteron-Limite für Mittelstreckenläuferinnen mit intersexuellen Anlagen festsetzt. Die betroffenen Athletinnen und deren Verbände haben mit der Begründung dagegen appelliert, die Athletinnen seien sozial Frauen (Gender weiblich), und sie beharren auf der unbeschränkten Zulassung dieser. Umgekehrt fordern Sportlerinnen mit XX-Chromosomen und deren Vertreter ein Verbot der Zulassung intersexueller Sportlerinnen zu Weltklasse-Wettkämpfen mit dem Argument, diese seien «biologisch männlich».

Gender gegen Sex?

Dieser rechtlichen Auseinandersetzung liegt die Frage zugrunde, wem der Vorrang gelten soll: der Gender-Identität oder der Sex-Identität.
Gender ist ein subjektives, form- und veränderbares selbst wahrgenommenes soziales Konstrukt, welches die individuelle Genderrrolle und -orientierung eines Individuums definiert. Ausgelöst durch biologische, persönliche und gesellschaftliche Formen kann die willentliche Expression des Gender praktisch jede Form annehmen (zwei Genders, kein Gender, ein drittes Gender etc). Grenzen sind nur durch die Vorstellungskraft gesetzt. Die soziale Ausprägung und Akzeptanz von «Gender» wird zunehmend durch die Politik mitbestimmt («Recht auf Gender»).
SEX ist ein objektiver spezifischer biologischer Zustand, mit unterschiedlich fixierten Fakten: Diese umfassen genetische, chromosomale, gonadale und hormonale Gegebenheiten, die Genitalien und die phänotypische Ausprägung der Person. All diese Kriterien haben eine charakteristisch definierte binäre Form. Beim Gesunden sind alle Facetten des Sexes gleichgerichtet angelegt, so dass die Zuteilung zu einem Geschlecht bei der Geburt eindeutig ist.
Gender und biologischer Sex stimmen in der Regel von Geburt an überein. Medizinisch gilt dies als Norm. Kollidieren zwei oder mehr Merkmale des biologischen Sexes und sind sie entgegengerichtet ausgeprägt, wird dies als Störung der Geschlechtsentwicklung (Disorder of Sex Development, DSD) bezeichnet (früher: Intersexualität oder Hermaphroditismus). Heute wird dieses Dilemma meist durch die soziale und berufliche Integration in die Gruppe des Gender-Geschlechts gelöst. Dies ist unbestritten, so lange das darunterliegende biologische Geschlecht (Sex-Geschlecht) zu keinem konfliktuellen Vorteil führt. Genau hier liegt das Problem beim Spitzensport.

Störungen der Geschlechtsentwicklung oder DSD (1)

Disorders (or Differences) of Sex Development» (Kasten I und II).
DSD sind nach ICD-10/2019 als Krankheit definiert. Zu den DSD gehören v.a.

  • die verschiedenen Formen des Androgen-Resistenz-Syndroms (inkl. Testikuläre Feminisierung)
  • der 5-alpha-Reduktase-Mangel.

DSD sind selten. Die Inzidenz eines uneindeutigen Genitales bei Geburt wird auf etwa 1:4500 bis 1:5500 geschätzt und findet sich also nur bei ca. 0,007 Prozent der Neugeborenen. Zum Vergleich: Von einem PCOS sind in Europa 6-16% der Frauen betroffen.

A) Komplette Androgen-Insensivität (CAIS): kongenitaler Rezeptor-Defekt «Testikuläre Feminisierung» (2-6):

  • externe Genitalien weiblich
  • Testes; produzieren ab der Pubertät Testosteron (T) mit Serumwerten im männlichen Bereich)
  • T-Rezeptoren bei der klassischen Form zu 100% defekt (gilt auch für Rezeptoren der Skelettmuskulatur)
  • Mullerian Inhibiting Hormone (MIH) normal, das innere Genitale (Uterus, innere 2/3 der Vagina) bildet sich zurück
  • da aus Testosteron über die periphere Aromatisierung normal Oestradiol gebildet wird, ist der klinische Phänotyp weiblich (Brustentwicklung, Körperproportionen). Das sekundäre weibliche Behaarungsmuster fehlt wegen des T-Rezeptordefekts («hairless women»)

B) Partielles Androgen-Insensitivitäts-Syndrom (PAIS) (7-9)

Das PAIS kann klinisch bei Neugeborenen mit 46,XY-Gonaden je nach Ausmass der Androgen-Insensivität im Sinne eines phänotypischen Kontinuums unter dem Bild «weiblicher» äusserer Genitalien mit Klitorishypertrophie bis zu demjenigen einer Hypospadie beim Knaben auftreten.
In der Mehrzahl der Fälle liegt dem Syndrom ein Defekt der 5-alpha-Reduktase zu Grunde. Chromosomal liegt eine XY-Konstellation vor. Familiär oder sporadisch auftretende Fälle eines 5-alpha-Reduktasedefekts finden sich vor allem in der Dominikanischen Republik (ca. 50 Familien), dann im Mittelmeerraum, in Mexiko und Neuguinea.
Die häufigste Form ist ein 5-alpha-Reduktase Typ 2-Mangel mit einer Mutation im codierenden Gen SRD5A2. Betroffen ist eine von drei Isoformen der Steroid-5α-Reduktase Typ 2.
Die Mutation blockiert die Umwandlung von Testosteron (T) zu Dihydrotestosteron (DHT). Damit differenzieren sich alle DHT-abhängigen Organ- und Gewebeteile vor der Geburt nicht männlich, sondern bleiben phänotypisch weiblich.

Intrauterin kommt es zum Ausbleiben

  • der normalen Maskulinisierung der chromosomal männlichen Föten.
  • einer Penis- und Skrotum-Bildung
  • dem Deszensus der Hoden in den Hodensack (bleiben im Bauchraum liegen oder enden «unterwegs», zum Bsp. im Leistenkanal)

In weniger als einem Drittel der Fälle ist die Ursache ein inkompletter Androgen-Rezeptor Defekt, dessen Mechanismen zum Teil noch ungeklärt sind. Der Phänotyp hängt massgeblich vom Ausmass der noch verbleibenden Aktivität der Androgen-Rezeptoren ab.
Differentialdiagnostisch kann ein PAIS sehr selten bei einem 17-beta-Hydroxysteroid-Dehydrogenase-Mangel Typ 3 auftreten, der als Folge der konsekutiven Testosteron-Synthesestörung zu einem klinisch identischen Bild führt.

Physiologische und soziale Folgen

Die meisten der betroffenen Neugeborenen werden bei Geburt als Mädchen registriert und in Kindheit als Mädchen erzogen und sozialisiert. Die Pubertät kann die klinische und manchmal auch die soziale Identität massiv verändern. Kinder mit 5-alpha-Reduktase Typ 2-Mangel durchlaufen eine endokrin typisch männliche Pubertät. Die Hoden produzieren Testosteron im normalen männlichen Bereich. Es kommt zu einer Maskulinisierung:

• Muskulatur, Skelett und nicht-DHT-abhängige Hautregionen entwickeln ein männliches Muster
• Stimmabsenkung
• Phalluswachstum -> (Mikro-) Penis
• Hoden: mit der Pubertät ist ein später Deszensus möglich
• Hämoglobinanstieg (besserer Sauerstofftransport).
• Psyche wird männlich geprägt
Somit kann bei bestimmten Formen durch das Überwiegen des männlichen Phänotyps als Erwachsener nach einer Kindheit als Mädchen ein sozialer Rollenwechsel zum Mann möglich werden. Dies ist die Regel in bestimmten Familien in der Dominikanischen Republik. Trotz einer Unterentwicklung der Prostata sind diese Männer meist fruchtbar (9).

Folgen einer DSD für den Spitzensport

Spitzensportlerinnen aus dem Formenkreis des 5-alpha-Reduktase-Mangels weisen dank dem Einfluss von Testosteron auf Muskulatur und Hämoglobinkonzentration gegenüber XX-Frauen einen Vorteil auf. Dieser Wettkampf-Vorteil bei Individuen mit erhöhten Testosteron-Werten wurde in einem RCT auch experimentell bestätigt (10). Nach einer anderen Studie (11) schneiden bei Wettbewerben auch gesunde Frauen mit höheren Testosteronwerten innerhalb des weiblichen Normbereiches besser ab als Frauen mit tieferem Testosteron. Der Testosteron-Grenzwert zwischen den beiden Gruppen liegt bei 2nmol/l.
Der beim PAIS ab der Pubertät resultierende «ergogene Effekt» (Wirkung auf die Leistung) ist somit relevant (12). Athletinnen mit weiblichem Gender und männlichem Sex besitzen durch ihre stärkere Muskulatur, ihr höheres Hämoglobin (besserer O2-Transport) und ihre grössere Aggressivität einen Wettbewerbsvorteil, wie dies bei Läuferinnen und Schwimmerinnen nachgewiesen wurde. Die Grösse der Klitoris kann als «Bioassay» verwendet werden. Im Wettkampf ist bei Menschen mit DSD und 46,XY ein messbar höherer Wert von 10-12% gegenüber 46,XX als Vorteil ausreichend (12).

Fairness im Spitzensport

Zur Fairness im Spitzensport müssen unter dem Aspekt der DSD folgende drei Grundregeln gelten:
1. Wenn Spitzenwettkämpfe als die organisierte Durchführung von sportlichen Wettbewerben nach bestimmten Regeln definiert werden, so müssen als erstes klare Teilnahme-Bestimmungen darüber entscheiden, dass Fairness und Chancengleichheit garantiert sind.
2. Wenn Gender die alleinige Basis für die Zulassung zum Wettbewerb wäre, so könnten Athletinnen nach ihrem subjektiven Gefühl frei wählen, wo sie antreten möchten. Dies gälte dann auch in nach Sex (46,XX resp. 46,XY) ausgeschriebenen Wettbewerben, wie dies bei Olympiaden und Weltcups der Fall ist. Nach dem oben Gesagten verletzt dies die Chancengleichheit.
3. Bei Gesundheitsstörungen mit Krankheitsdefinition müssen daher zur Garantie der Chancengleichheit klare Grenzen festgelegt werden. Bei DSD ist dies ein Grenzwert für Testosteron zwischen dem normalen weiblichen und dem normalen männlichen Bereich bei Erwachsenen.

Etablierung eines soliden Testosteron-Grenzwertes

Der im neuen Reglement festgelegte Testosteron-Grenzwert wurde durch eine Studie bei normalen gesunden Spitzenläuferinnen (Distanzen: 400 m bis 1500 m) ermittelt (10). Die statistischen Analysen bei 1102 Athletinnen ergaben mit einem p-Wert = 0.003 eine hoch signifikante Korrelation zwischen T-Spiegeln und Wettkampf-Resultat.
Gestützt auf diese Studien (10, 11) lautet der Vorschlag einer Expertengruppe zur Festsetzung eines Testosteron-Grenzwertes für den Entscheid über eine Zulassung zum Wettbewerb:

1. Der Grenzwert liegt bei < 5nmol/l Testosteron (T)
2. Entscheidend dafür ist der Vertrauensbereich des Grenzwertes bei Frauen mit PCO-S:
Obere VI-Limite für Serum T bei Frauen mit PCO-S:
Vertrauensintervall (VI) Wahrscheinlichkeit
99.99% 1 :10 000
SD one-side two-sided
3.72 4.77 4.95
3. Somit ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine 46,XX-Frau auch mit einem PCO-S über dem Grenzwert von < 5 nmol/l liegt, und als falsch-positiv für ein DSD erfasst wird, äusserst gering.
4. Der Testosteron-Grenzwert von < 5 nmol/l unterscheidet sich klar vom Wert von > 8 nmol/l, dem Testosteronwert, der in der männlichen Pubertät erreicht wird, und der die pubertäre Virilisierung beim Knaben bestimmt.
5. Die Voraussetzungen dafür, dass dieser Grenzwert für den Entscheid über die Teilnahme an Wettkampf angewendet werden darf, sind folgende: alle methodischen Grundregeln sind eingehalten. Dazu gehört bei der Hormonbestimmung die Beachtung altersabhängiger, zyklusabhängiger und circadiane Unterschiede. Die Hormon-Bestimmung erfolgt mittels «liquid chromatography-tandem mass spectrometry», die Reproduzierbarkeit ist gewährleistet, individuelle Unterschiede werden berücksichtigt.
6. Dopingregeln dürfen nicht unbesehen auf eine endogene hormonelle Anomalie angewendet werden. Findet sich bei aussergewöhnlich guter Leistung ein hoher endogener Testosteronwert, so muss immer gesichert sein, dass die Leistung der Sportlerin allein darauf zurückzuführen ist, und sie nicht noch andere Merkmale hat, welche die erzielte Spitzenleistung erklären können. Diese Abklärung hat zu erfolgen, bevor irgendwelche Massnahmen gegen sie ergriffen werden.

Die Einführung eines Grenzwertes hat vor allem zwei indirekte Folgen:

Es entsteht ein «Zwang» zu einer kompletten Abklärung. Zudem besteht bei Überschreiten des Testosteron-Grenzwertes der «Zwang» zu einer hormonell-medikamentösen Senkung des Serum-Testosterons (Pille, GnRH-Analoge etc.), um an Wettbewerben starten zu können. Diese «Zwänge» werden von einigen Athletinnen mit DSD als unzumutbar angesehen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. em. Dr. med. Martin Birkhäuser

Gartenstrasse 67
4052 Basel

martin.birkhaeuser@bluewin.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Wie gezeigt wurde, bringt das Vorliegen eines DSD messbare Wettbewerbsvorteile gegenüber gesunden Frauen mit 46,XX. Aus Gründen der Chancengleichheit innerhalb der für Frauen reservierten Wettkampfkategorien ist daher vor allem im Laufsport die Anwendung von Testosteron-Grenzwerten bei Verdacht auf DSD aus endokrinologischer Sicht sinnvoll, in der Praxis nicht zu vermeiden und für die Athletinnen zumutbar.
  • Trotz des Festlegens eines wissenschaftlich korrekt ermittelten
    soliden Grenzwertes für Testosteron, der die endokrine Fairness bei der Zulassung zu internationalen Spitzenwettkämpfen garantiert, erheben Athletinnen und ihre Supporter (Verbände) Einsprache gegen eine Teilnahme-Sperre, die auf diesen objektiven medizinischen Kriterien beruht. Sie begründen dies mit ihrem Recht auf das subjektive «Gender»-Geschlecht, und lehnen alles ab, was ihre objektive Sex-Identität («biological male or female») mit Fakten wie Chromosomenanalysen oder Bestimmung von Hormonwerten beweisen könnte.
  • Damit wird aus gesellschaftspolitischen Gründen das Gender- gegen das Sex-Geschlecht ausgespielt. Oder sollte hier im Hintergrund noch ein anderer nicht-hormonaler Faktor, nämlich Preisgelder und Marketingverträge, eine Rolle spielen?

Messages à retenir

  • Comme développé dans l’  article, le fait de présenter un DSD (Disorder of Sex Development) apporte à la femme concernée un avantage quantifiable dans la compétition par rapport à une femme saine 46,XX. Pour des raisons d’ égalité des chances dans les compétitions internationales réservées aux femmes, surtout dans les disciplines de course à pied, l’ application d’ une valeur limite pour la testostérone en cas de suspicion de DSD est judicieuse du point de vue endocrinologique. Elle est inévitable dans la pratique et supportable pour les athlètes concernées.
  • Cette valeur limite a été établie de manière scientifique et sur des bases solides. Elle garantit l’ équité du point de vue endocrinien pour l’ admis-sion à des compétitions internationales de haut niveau. Malgré cela,
    des athlètes ainsi que leurs associations (leurs supporters) font recours contre le refus d’être admise, quoique celui-ci repose sur des critères médicaux objectifs. L’ argument avancé est leur droit à l’ identité sexuelle subjective (genre, « sexe subjectif », angl. gender sex). Elles refusent de se soumettre à toutes investigations (analyse des chromosomes, détermination de taux hormonaux) qui pourraient prouver leur identité sexuelle objective («biologiquement masculin ou féminin», « sexe biologique »).
  • De ce fait, pour des raisons socio-politiques, le sexe biologique et le genre (sexe subjectif) sont instrumentalisés l’ un contre l’ autre. On ne peut pas s’ empêcher de supposer que des intérêts autres qu’ endocrinologiques, à savoir financiers (primes en cas de victoire, contrats de marketing etc.) puissent y jouer un rôle.

1. Gomez-Lobo V. et al. Disorders of Sexual Development in Adult Women. Obstet Gynecol 2016;128: 1162-1173. doi: 10.1097/AOG.0000000000001672
2. Calderon, MG et al. Complete Androgen Insensitivity Syndrome and Literature Review . J Hum Growth Dev. 2019; 29:187-191. DOI: http://doi.org/10.7322/jhgd.v29.9418 187
3. Mongan NP et al. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2015;29:569-80. doi: 10.1016/j.beem.2015.04.005.
4. Oakes MB et al. Complete androgen insensitivity syndrome–a review. J Pediatr Adolesc Gynecol. 2008;21:305-10. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jpag.2007.09.006
5. Ahmed SF et al. Phenotypic features, androgen receptor binding, and mutational analysis in 278 clinical cases reported as androgen insensitivity syndrome. J Clin Endocrinol Metab. 2000;85:658-65.
6. Rutgers JL and Scully RE. The androgen insensitivity syndrome (testicular feminization): a clinicopathologic study of 43 cases. Int J Gynecol Pathol. 1991;10:126–44.
7. Griffin J. E. and J. D. Wilson. The androgen resistance syndromes: 5a-reductase deficiency, testicular feminization, and related disorders. In: The Metabolic Basis of Inherited Disease. C. R. Scriver, A. L. Beaudet, W. S. Sly, and D. Valle, editors. McGraw-Hill, New York. 1989: 1919-1944.
8. Wilson JD et al. Steroid 5 alpha-reductase 2 deficiency. Endocr Rev. 1993;14:577-93.
9. Kang HJ et al. The effect of 5a-reductase-2 deficiency on human fertility. Fert Ster 2014;101:310–316 http://dx.doi.org/10.1016/j.fertnstert.2013.11.12
10. Hirschberg AL et al. Effects of moderately increased testosterone concentration on physical performance in young women: a RCT http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2018-100525
11. Bermon St et al. Serum androgen levels are positively correlated with athletic performance and competition results in elite female athletes. Br J Sports Med: first published as 10.1136/bjsports-2018-099700 on 7 July 2018
12. Handelsman D et al. Circulating testosterone as the hormonal basis of sex differences in athletic performance. Endocr Rev. In Press. 2018.

Therapie des Mammakarzinoms

Am diesjährigen San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS 2019) kamen die eindrucksvollsten Daten aus zwei Studien zum metastasierten HER2 positiven Mammakarzinom, die zusätzlich zu den Standardregimen mit Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 neue Hoffnung geben. Bei der Therapie des Hormonrezeptor-positiven, metastasierten Mammakarzinoms gehören die CDK 4/6 Inhibitoren zum neuen Standard. Neben der guten Verträglichkeit sind sie den Standard-Chemotherapien bezüglich progressionsfreiem Überleben (PFS) sogar überlegen. Die Immuntherapie hat sich beim triple negativen Mammakarzinom (TNBC) weiter etabliert. Nach den letztjährigen Daten der IMpassion130 Studie in der Metastasierung, könnten sie auch in der Neoadjuvans zum Standard werden, wie die präsentierten Daten zur pathologischen Komplettremission (pCR) zeigen konnten.

Le San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS 2019) de cette année a présenté les données très impressionnantes de 2 études sur le cancer du sein métastatisé HER-2-positif. Elles ajoutent un espoir supplémentaire aux résultats obtenus avec les régimes standard avec Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1. Pour les cancers métastatisés récepteurs-positifs, les inhibiteurs CDK 4/6 font désormais partie du nouveau standard thérapeutique. Ils sont bien tolérés et dépassent même les chimiothérapies standards dans la survie sans progression (PFS). Pour les cancers triple négatifs (TNBC) l’immunothérapie s’établit de plus en plus. D’après les données de l’étude IMpassion130 (présentées il y a une année) pour les tumeurs métastatisées et de celles présentées actuellement (taux de rémissions histologiques complètes (pCR) amélioré), l’immunothérapie ne tardera pas à devenir le standard dans la situation néo-adjuvante.

Das Hormonrezeptor-positive Mammakarzinom

Verlängerte adjuvante endokrine Therapie mit Letrozol

Auch dieses Jahr wurden die Empfehlungen zur Dauer der endokrinen Therapie mit Aromatasehemmer (5 Jahre oder 10 Jahre) diskutiert.
Dr. Mamounas von der NRG Oncology Gruppe präsentierte die 10-Jahres Daten der NRG Oncology/NSABP B-42 Studie. Nachdem am SABCS 2016 noch kein signifikanter Vorteil auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei verlängerter Letrozol Gabe gezeigt werden konnte, ist das DFS nach 10 Jahren nun signifikant (HR 0.84). Die Subgruppenanalyse zeigte den positiven Effekt auf das DFS insbesondere bei nodal positiven Patientinnen. Weiterhin statistisch nicht signifikant verbessert ist das Gesamtüberleben.
Daher bleibt die Entscheidung zur Verlängerung der endokrinen Standardtherapie mit AI weiterhin eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung. Hierbei sollten die Faktoren wie Tumorcharakteristika, Alter, Nodalstatus, Komorbiditäten, Informationen zur Knochendichte, Verträglichkeit von AI in den ersten 5 Jahren einbezogen werden.
Betreffend Sicherheit kam es nicht zu einer signifikanten Erhöhung osteoporotischer Frakturen oder arteriell-thrombotischer Ereignisse.

Die Rolle der CDK 4/6 Inhibitoren in der (Neo-) Adjuvans

Basierend auf den Daten der PALOMA 3, MONALEESA 3 und MONARCH 2 Studie mit CDK 4/6 Inhibitoren (1, 2, 3) mit hervorragenden Resultaten in Bezug auf das krankheitsfreie und Gesamtüberleben, werden die Substanzen nun in mehreren Phase III Studien in der Adjuvans evaluiert (z.B. NATALEE, PALLAS und PENELOPE-B).
Der Frage, wie durch Einsatz dieser Substanzen die Chemotherapie weiter deeskaliert werden kann, stellte sich J Gavilà vom Valencia Institut of Oncology. Er präsentierte die Daten der SOLTI-1402 CORALLEEN Phase II Studie zur neoadjuvanten Therapie mit Ribociclib plus Letrozol versus Chemotherapie bei den durch PAM50 definierten Luminal B Mammakarzinomen. Die Gruppe der Hormonrezeptor-positiven, HER2 negativen Mammakarzinome ist klinisch und biologisch sehr heterogen. Der PAM50 luminale Subtyp B macht ca. 30-40% aus und wird bis heute grösstenteils mit einer Chemotherapie behandelt (4). In der Studie wurden postmenopausale Frauen 1:1 randomisiert, entweder zum neoadjuvanten Standardregime AC-T (Adriblastin und Cyclophosphamid gefolgt von Paclitaxel) versus Letrozol und Ribociclib über 6 Monate gefolgt von der operativen Therapie. Dabei wurde der Risk of Recurrence Score (ROR score), berechnet aus Subtyp, Proliferation (Ki-67) und Tumorgrösse bei Behandlungsbeginn, nach 14 Tagen sowie vor der operativen Therapie analysiert. Es konnte gezeigt werden, dass unter neoadjuvanter Therapie mit Ribociclib und Letrozol bei Hochrisiko Luminal-B Mammakarzinomen zum Zeitpunkt der Chirurgie hohe Raten an ROR score low erzielt wurden. Dies wird durch die Chemotherapie ebenso erreicht, jedoch bei höherer Toxizität.

Wieviel Chemotherapie braucht es beim Luminal B/ HER2 nega-tiven, nodal negativen frühen Mammakarzinom und für wen?

Die Veröffentlichung der Daten aus der TAILORx Studie änderte die Praxis zur Entscheidungsfindung betreffend adjuvanter Chemotherapie anhand der prognostischen Information aus dem Recurrence Score (RS) (5). Frauen mit einem niedrigen RS von zwischen 0-10 profitieren nicht von einer Chemotherapie. Bei hohem RS > 25 besteht ein klarer Vorteil für die adjuvante Chemotherapie. Neue Daten aus der TAILORx Studie zeigen, dass auch bei intermediärem RS zwischen 11 und 25 auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann. Allerdings steht die Subgruppe der prämenopausalen Patientinnen mit intermediärem RS und einem Alter ≤ 50 Jahre immer wieder in Diskussion, da hier ein kleiner Vorteil durch die zusätzliche Chemotherapie gezeigt werden konnte. Ob der Benefit allein durch die zusätzliche Chemotherapie bedingt ist oder durch die chemotherapie-induzierte Menopause, konnte bisher nicht abschliessend geklärt werden und wurde am SABCS 2019 erneut durch Dr. Sparano diskutiert. Die Daten aus der TEXT/SOFT Studie unterstützen die These bezüglich der chemotherapie-induzierten Menopause. Prämenopausale Frauen aus der TAILORx Studie erhielten überwiegend Tamoxifen und die TEXT/SOFT Studie konnte bei prämenopausalen Frauen einen signifikanten Vorteil der ovariellen Funktionssuppression (OFS) in Kombination mit Aromatasehemmer zeigen (6, 7). Die Kombination von klinischem Risiko (CR), basierend auf Tumorgrösse und Grading, und genomischem Risiko (RS) führt zu einer besseren prognostischen Präzision betreffend Rückfall (8).
Abbildung 1 liefert eine mögliche Strategie zum Therapieentscheid bei prämenopausalen Patientinnen.

Das HER2 positive Mammakarzinom

Adjuvante Therapie des frühen HER2 positiven Mammakarzinoms

In der adjuvanten Therapie des HER2 positiven, operablen Mammakarzinoms wurde in der APHINITY Studie zwischen Trastuzumab + Pertuzumab (n = 2400) versus Trastuzumab + Placebo (n = 2405) randomisiert, wobei sich nach gut 3 Jahren Nachbeobachtung in Bezug auf das invasive Krankheit-freie Überleben (IDFS) ein statistisch signifikanter Vorteil für die duale HER2-Blockade zeigte (9). Dieser Vorteil war bei den Hormonrezeptor-negativen- sowie den nodal positiven Mammakarzinomen am bedeutendsten, was zur limitierten Zulassung der dualen Antikörperblockade beim Hochrisiko-HER2 positiven Mammakarzinom in der Adjuvans führte.
Martine Piccard vom Jules Bordet Institut in Brüssel präsentierte am SABCS 2019 die Interim Gesamtüberleben Analyse der APHINITY Studie nach 6 Jahren Nachbeobachtung. In der APHINITY Studie wurde die Wirksamkeit der dualen Blockade beim HER2- positiven Mammakarzinom als adjuvante Therapie für insgesamt 12 Monate untersucht. Dabei zeigte sich nun mit längerem Follow-up nicht nur für die ER-negativen HER2-positiven Karzinome mit pN+, wie initial im 2017 berichtet wurde, sondern auch für die ER-positiven HER2-positiven Karzinome ein signifikanter Vorteil der dualen Blockade in Bezug auf das IDFS mit einem absoluten Vorteil von 4.5% (95% CI). Betreffend Sicherheit wurden auch unter dualer Antikörperblockade weniger als 1% kardiale Ereignisse verzeichnet. Obwohl weniger Todesfälle in der Pertuzumab-Gruppe verzeichnet wurden, waren die Daten zum Gesamtüberleben aber noch unreif und werden für 2022 erwartet.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass – wenn immer möglich – Patientinnen mit frühen HER2 positiven Mammakarzinom, wenn nodal positiv oder T2, neoadjuvant behandelt werden sollten. Einerseits, um ein Downstaging zwecks weniger radikaler Chirurgie zu erreichen, andrerseits um das Risiko optimal zu stratifizieren. Patientinnen ohne komplettes Ansprechen haben eine schlechtere Prognose, profitieren aber von einer Eskalation der anti-HER2-gerichteten Therapie nach der neoadjuvanten Behandlung mit T-DM1 anstelle von Trastuzumab (10). Pertuzumab soll in neoadjuvanten Regimes auch ausserhalb von Studien immer enthalten sein, wobei der Nutzen von Pertuzumab bei nodal negativen Patientinnen unklar ist. Ein potenzieller Nutzen besteht in der Erhöhung der pathologischen Komplettremissionsrate (pCR), was die Notwendigkeit von adjuvantem T-DM1 reduzieren könnte. Eine Übersicht zum aktuellen Behandlungsstandard des frühen, HER2 positiven Mammakarzinoms gibt die Abbildung 2.

Das metastasierte HER2 positive Mammakarzinom

Einer der Hot Topics, die HER2CLIMB-Studie, wurde durch Rashmi K. Murthy vom MD Anderson Cancer Center in Texas präsentiert. Beim metastasierten, HER2 positiven Mammakarzinom nach Vortherapie mit Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 liegt kein weiteres Standardregime mit vergleichbarer Wirksamkeit vor. Zudem entwickelt die Hälfte der HER2 positiven metastasierten Mammakarzinom-Patientinnen Hirnmetastasen.
Tucatinib ist ein oraler Tyrosinkinase-Inhibitor, ähnlich dem seit längerem zugelassenen Lapatinib, zeigt aber eine viel spezifischere Hemmung von HER2. Die Studie randomisierte 2:1 Tucatinib (n = 410) versus Placebo (n = 202) in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabine bei Patientinnen mit oder ohne Hirnmetastasen. Dabei lag die Ansprechrate mit 41% fast doppelt so hoch wie im Placebo Arm mit 23%. Der Vorteil auf das PFS war auch unter der Subgruppe mit Hirnmetastasen konsistent und signifikant. Der Tyrosinkinase-Inhibitor ist hoch selektiv für die Kinase-Domäne des HER2 mit minimaler Hemmung von EGFR (HER1) und zeigt zudem eine bessere Verträglichkeit verglichen mit Neratinib oder Lapatinib betreffend Diarrhoe, eine der Hauptnebenwirkungen von Tyrosinkinaseinhibitoren. Es ist die erste randomisierte Studie, die unter den Teilnehmerinnen mit HER2 positivem, metastasiertem Mammakarzinom auch Patientinnen mit unbehandelten, vortherapierten oder progredienten Hirnmetastasen einschloss. Somit könnte die Kombinationstherapie bei dieser Population zum neuen Behandlungsstandard werden.
Ian Krop, MD vom Dana-Faber Cancer Institut Boston präsentierte die DESTINY-BREAST01 Phase II-Studie (n = 243). Diese kann den Behandlungsstandard in der Metastasierung von HER2 positiven Mammakarzinom Patientinnen zukünftig entscheidend beeinflussen. Hierbei wurde bei T-DM1 vortherapierten Patientinnen mit Trastuzumab-Deruxtecan (DS-8201) therapiert. Behandelte oder stabile Hirnmetastasen waren zum Studieneinschluss erlaubt. Dabei handelt es sich wie bei T-DM1 um einen neuartigen Antikörper-Medikamenten-Konjugat, bestehend aus Trastzumab, dem Topoisomerase-Inhibitor Deruxtecan und einem spaltbaren Linker. Die Studienpopulation war mit im Mittel 6 Vortherapielinien stark vortherapiert, was die mediane Gesamtansprechrate von 60.9% umso eindrucksvoller macht (Abb. 3). Die Zahlen zum ereignisfreien Überleben (median 16.4 Monate) und Gesamtüberleben müssen aufgrund der Phase II Studie mit Vorsicht interpretiert werden. Zudem sind die Daten in einem nicht randomisierten Studiendesign erhoben und noch unreif, um Angaben zum Gesamtüberleben zu machen.
Das Nebenwirkungsprofil zeigte leichte gastrointestinale Beschwerden und hämatologische Nebenwirkungen. Die kardiale Toxizität ist mit Trastuzumab oder T-DM1 vergleichbar. Ein Risiko stellt die interstitielle Pneumonitis oder Interstitial Lung Disease (ILD) dar, an der in dieser Studie 4 Patientinnen (1.1%) verstarben. Notwendig ist eine gezielte Patientenaufklärung über die Symptome sowie ein sofortiges Sistieren des Medikamentes mit zeitgleichem Beginn von Steroiden.
Es laufen mehrere Phase III Studien zu Trastuzumab-Deruxtecan, worauf wir auf die DESTINY-BREAST04 Studie im Speziellen hinweisen möchten. Hierbei wird bei vortherapierten, metastasierten Patientinnen mit HER2 low (Immun-Histochemie: HER2 1 +, 2 + / ISH negativ) zwischen Trastuzumab-Deruxtecan versus chemotherapy of physicians choice 2:1 randomisiert. Das Universitätsspital Zürich wird ab Januar 2020 Patientinnen in die Studie aufnehmen können.

Immuntherapie im Vormarsch beim triple negativen Mammakarzinom (TNBC)

Die Prognose ist bei diesem aggressiven Subtyp bekannterweise schlecht, mit möglicherweise frühzeitiger Metastasierung und rascher Resistenzentwicklung gegenüber Chemotherapeutika. Die Chemotherapie des frühen Mammakarzinoms wurde in den letzten Jahren, basierend auf den Standardregimes, immer mehr eskaliert, um die Rate an pathologischer Komplettremission (pCR) und somit das Outcome zu verbessern (11, 12). Neben den Standardregimes wurde in vorhergehenden Studien durch die Eskalation mit Bevacizumab und Carboplatin zwar eine Erhöhung der pCR Rate erreicht, jedoch ohne Verbesserung des ereignisfreien Überlebens (EFS). Zunehmend wird beim TNBC die Immuninfiltration untersucht. Durch die Blockade der Immunsystem-«Bremsen» PD-L1 und PD1 kann ein dauerhaftes Ansprechen ermöglicht werden. In der metastasierten Situation konnte in der IMpassion130 Studie ein verbessertes PFS unter Hinzunahme des PD-L1 Antikörpers Atezolizumab zu nab-Paclitaxel bei PD-L1 positiven TNBC gezeigt werden (13). Metastasierte Tumorzellen scheinen jedoch immunologisch inerter zu sein. Beim primären Karzinom ist die Anzahl tumor-infiltrierender Lymphozyten (TILs) höher. Ebenso die Expression von PD-L1 (14). Dies stellt die Rationale für neoadjuvante Studiendesigns mit Checkpoint-Inhibitoren dar.
Prof. Dr. med. Peter Schmid vom Barts Cancer Institute London präsentierte die Daten zur KEYNOTE-522 Phase III Studie. Dabei wurden die Patientinnen mit Stadium IIA-IIIB 2:1 randomisiert. Das Standardregime war Carboplatin mit Paclitaxel, gefolgt von Doxo- oder Epirubicin mit Cyclophosphamid. Zusätzlich erhielten die Patientinnen durchgehend Pembrolizumab oder Placebo. Nach der Operation wurde im Pembrolizumab-Arm dieses Regime adjuvant während 1-9 Zyklen weitergeführt versus Placebo. In der Pembrolizumab-Gruppe zeigte sich sowohl eine verbesserte pCR Rate (64.8 vs.51.2%) als auch ein Trend zu verbessertem ereignisfreien Überleben (EFS). Die Wirksamkeit ist umso besser, je grösser die Tumorlast und der nodale Befall sind (13). Mehr Therapie bedeutet auch mehr Nebenwirkungen. Unter der Hinzunahme der Immuntherapie kommt es zu vermehrtem Auftreten von immunvermittelten Nebenwirkungen wie Hypo- und Hyperthyreose, Hautreaktionen, Nebenniereninsuffizienz, Pneumonitis, Kolitis. Dies muss bei kurativer Therapieabsicht sicher kritisch betrachtet werden. Insbesondere bei Patientinnen mit sonst relativ guter Prognose (nodale negative und kleine Tumore).

Dr. med. Denise Vorburger

Brustzentrum
Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstr. 10
8091 Zürich

denise.vorburger@usz.ch

PD Dr. med. Konstantin Dedes

Brustzentrum
Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstr. 10
8091 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Die verlängerte Therapie mit einem Aromatasehemmer über 10 Jahre kann bei den nodal positiven Patientinnen empfohlen werden, bleibt aber weiterhin eine Abwägung von Nutzen und Risiko bei bisher fehlendem Vorteil für das Gesamtüberleben.
  • Beim HER2 positiven frühen Mammakarzinom entscheidet das klinische Stadium (cT und cN) sowohl über die Sequenz der Primärbehandlung (Operation oder Chemo zuerst), als auch über die Eskalation oder Deeskalation der Chemoimmuntherapie.
  • Beim metastasierten HER2 positiven Mammakarzinom zeigen zwei neue Substanzen (Tucatinib und Trastuzumab-Deruxtecan) bei schwer vortherapierten Patientinnen eine hohe Ansprechrate einschliesslich derer mit cerebraler Metastasierung.
  • Die Immuntherapie könnte beim triple negativen Mammakarzinom künftig als Neoadjuvans Einzug halten und lässt bei diesem aggressiven Subtyp durch die höheren pCR Raten, insbesondere bei nodal positiven Karzinomen, auf eine verbesserte Prognose hoffen.

Messages à retenir

  • Le traitement avec un inhibiteur de l’aromatase prolongé sur 10 ans peut être proposé pour les cancers nodal-positifs. Vu qu’à l’heure actuelle un avantage sur la survie globale manque, l’indication sera toujours posée au cas par cas en pesant individuellement les bienfaits et les risques.
  • En cas de cancer précoce HER2-positif, c’est le stade clinique (cT et cN) qui est déterminant soit pour la séquence de la thérapie primaire (opération. ou chimio d’abord), soit pour l’escalation voire la désescalation de la chimio-immunothérapie.
  • En cas de cancer métastatisé HER2-positif lourdement prétraité, deux nouvelles substances (Tucatinib und Trastuzumab-Deruxtecan) montrent un taux de réponse élevé, en particulier chez les patientes avec métastases cérébrales.
  • L’immunothérapie pourrait faire son entrée comme traitement néo-adjuvant pour les cancers triple négatifs. Dans ce sousgroupe agressif, l’espoir d’une amélioration du pronostic est permis du fait d’un taux plus important de rémissions complètes histologiques (pCR), surtout en cas de tumeurs nodal-positives.

1. Turner C. N., M.D., Slamon D. J, M.D., Ro J., M.D. et al. N Engl J Med 2018;
379:1926-1936
2. Im S-A., M.D., Lu Y-S, M.D., Ph.D., Bardia A., M.D. et al. N Engl J Med 2019; 381:307-316
3. Sledge G., M.D., Toi M., Neven P. et al. ESMO 2019 Congress
4. Cejalvo JM, Pascual T, Fernandez-Martinez A et al. Cancer Treat Rev 67 (2018) 63-70
5. Sparano J.A., MD, Gray R.J., PhD, Makower D.F., MD et al. N Engl J Med 2018; 379:111-121
6. Pagani O, MD, Regan M.M., Sc.D, Walley B.A., MD et al, N Engl J Med 2014; 371:107-118
7. Francis P.A., MD, Pagani O, MD, Fleming G.F. MD et al. N Engl J Med 2018; 379:122-137
8. Sparano J.A. MD, Gray R.J., PhD., Ravdin P.M., MD et al. N Engl J Med 2019; 380:2395-2405
9. Von Minckwitz, M.D., Procter, Ph.D., de Azumbuja M.D. et al. N Engl J Med 2017;377:122-131
10. Von Minckwitz, M.D., Huang, M.D., Ph.D., Mano, M.D., Ph.D. et al N Engl J Med 2019; 380:617-628
11. Cortazar P, Zhang L, Untch M et al. Lancet 2014; 384:164-72
12. Prowell T.M. MD and Pazdur R. MD N Engl J Med 2012; 366:2438-2441
13. Schmid P, MD, PhD, Adams S, MD, Rugo H, MD et al. N Engl J Med 2018; 379:2108-2121
14. Szekely B, Bossuyt v, Li X et al. Annals of Oncology 29: 2232-2239, 2018

Polyhydramnion bei Einlingsschwangerschaften – ein Symptom, viele Ursachen

Das Polyhydramnion ist eine häufig gestellte Diagnose in der Schwangerschaft. Es beschreibt eine übermässige Frucht-wassermenge und tritt in ca. 2% aller Schwangerschaften auf. Die Ursachen können vielfältig sein und gehen des Öfteren mit einem erhöhten Risiko für die Mutter oder den Fetus einher. Die diagnostischen Abklärungen bei einem Polyhydramnion nach 20 Schwangerschaftswochen sollten ein Diabetesscreening, eine detaillierte fetale Ultraschalldiagnostik mit Echokardiografie zum Ausschluss von Fehlbildungen, sowie eine TORCH-Serologie beinhalten.

Physiologie und Pathophysiologie

Während der Frühschwangerschaft wird das Fruchtwasser vermutlich aus drei Quellen gebildet: vom Amnionepithel, durch Ultrafiltration des mütterlichen Plasmas und durch Sekretion der embryonalen Oberfläche. Ab dem II. Trimenon wird das Fruchtwasser zum einen überwiegend durch den Urin des Fetus und zum anderen durch die Sekretion der fetalen Lunge gebildet. Zudem beginnt der Fetus das Fruchtwasser zu schlucken und führt es seinem eigenen Kreislauf wieder zu. Ist dieser Regelkreislauf durch eine verminderte Aufnahme oder eine übermässige Ausscheidung gestört, kann ein Polyhydramnion entstehen. Die Menge des Fruchtwassers hat eine relativ grosse Bandbreite und verändert sich abhängig vom Gestationsalter. Sie misst zu Beginn mit Schwangerschaftswochen (SSW) um 25 ml, um 20 SSW ca. 400 ml und hat ihren Peak um 28 SSW mit 800  ml, um dann gegen Ende der Schwangerschaft wieder auf 400 ml abzunehmen.

Messmethoden

Die gängigsten Methoden zur Bestimmung der Fruchtwassermenge sind die 4 Quadranten-Messung ( Abb. 1) mit einem oberen Normwert von 25 einerseits und die Messung des tiefsten Fruchtwasserdepots (Abb. 2) mit dem jeweils grössten vertikalen Ausmass andererseits, wobei ein Wert über 8 einem Polyhydramnion entspricht. In einer Übersichtsarbeit, in der randomisierte Studien über den Vergleich zwischen Fruchtwasserindex und tiefstem Fruchtwasserdepot analysiert wurden, konnte gezeigt werden, dass die Messung des Fruchtwasserindex mehr vermeintliche Fälle mit einem Oligohydramnion identifizierte (1).
Dies hatte zur Folge, dass signifikant häufiger Interventionen wie Geburtseinleitung und Kaiserschnitt erfolgten, wodurch das fetale Outcome hierdurch allerdings nicht verbessert werden konnte.
Erfahrene Untersucher nehmen nicht selten eine subjektive Schätzung vor, jedoch ist eine Reproduzierbarkeit durch andere Unter-sucher oder im Verlauf erschwert.

Verlauf und Outcome

In 50-60% tritt ein Polyhydramnion idiopathisch auf (3). Auch wenn in vielen Fällen keine Ursache gefunden werden kann, ist ein Polyhydramnion grundsätzlich ein Risikofaktor für einen ungünstigen perinatalen Verlauf, beispielsweise einen niedrigen Apgar Score oder pH-Wert (4). Auch transiente isolierte Polyhydramnions, die in der 28.-32. SSW sonographisch entdeckt wurden, sind ein unabhängiger Risikofaktor für geburtshilfliche Interventionen während der Geburt (5).
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Fruchtwassermenge und dem Outcome der Schwangerschaft. Je ausgeprägter, desto signifikanter ist der Zusammenhang mit angeborenen Fehlbildungen, Aneuploidien, einem schlechteren Outcome durch Frühgeburtlichkeit und perinataler Mortalität (6).

Diagnostik

Nach der Feststellung eines Polyhydramnion sollte eine umfassende Diagnostik erfolgen (Tab. 1), da etwa in einem Drittel der Fälle eine mütterliche oder fetale Ursache zugrunde liegt (Abb. 3). Diese sollte neben einem differenzierten Organscreening den Ausschluss eines Gestationsdiabetes und serologische Untersuchungen zum Ausschluss spezifischer Infektionen umfassen (7).
Letztere erfolgt durch die Bestimmung einer TORCH Serologie (Toxoplasmose, Röteln, Cytomegalie, Herpes Simplex, Syphillis, Varizella Zoster, Parvovirus B19), wobei hier die Cytomegalie und die Parvovirus B 19-Infektion die häufigsten Auslöser sind (8).
Fetale Ursachen die zu einer gestörten Fruchtwasserzirkulation führen sind vielfältig: Neben den intrauterinen Infektionen, kommen auch fetale Anämien mit immunologischem Hydrops, Chromosomenstörungen, neuromuskuläre Erkrankungen und verschiedene strukturelle Fehlbildungen in Betracht (Tab. 2). Vor allem wenn eine Kombination von Polyhydramnion und fetaler Wachstumsretardierung vorliegt sollte eine fetale Fehlbildung ausgeschlossen und eine Karyotypisierung angeboten werden.
Vorteilhaft und hilfreich für die detaillierte Ultraschalldiagnostik ist die häufig sehr gute Darstellbarkeit bei gutem Ultraschallfenster (Abb. 4).

Risiken und Therapie

Ein Polyhydramnion kann im Verlauf der Schwangerschaft relevante Komplikationen verursachen. Neben Raumforderungs- und Atembeschwerden kommt es häufiger zu Frühgeburtsbestrebungen, bedingt durch eine vorzeitige Zervixverkürzung und Kontraktionen. Infolgedessen ist auch das Risiko für einen frühzeitigen Blasensprung sowie einen Nabelschnurvorfall erhöht. Nicht selten findet sich aufgrund des Bewegungsspielraumes eine fetale Lageanomalie, welche wiederum ein Geburtsrisiko darstellen kann. Ausserdem steigt durch den erhöhten Binnendruck das Risiko einer vorzeitigen Plazentalösung. Peripartal kann es aufgrund der übermässigen uterinen Dehnung gehäuft zu atonen Blutungen und zu Fruchtwasserembolien kommen.
Konservative Therapiemassnahmen bei drohender Frühgeburtlichkeit umfassen die Tokolyse bei vorzeitiger Wehentätigkeit zur Durchführung einer Lungenreifungsinduktion bei drohender Frühgeburtlichkeit, die Sanierung des Vaginalmilieus Im Falle einer Dysbiose und die vaginale Applikation von Progesteron. Bei ausgeprägten Raumforderungsbeschwerden kann eine Entlastungspunktion zur Prolongation der Schwangerschaft durchgeführt werden. Risiken hierbei sind die Auslösung eines vorzeitigen Blasensprungs und von vorzeitigen Wehen. Ein seltenes Risiko hierbei ist die vorzeitige Plazentalösung, welche nach sehr raschem intrauterinen Druckabfall erfolgen kann (9).

Dr. med. Carolin Blume

Chefärztin Geburtshilfe Kantonsspital Graubünden
Frauenklinik Fontana
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

carolin.blume@ksgr.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Die Diagnosestellung eines Polyhydramnions erfolgt per Ultraschall mit und nach dem Organscreening mit 20 SSW.
  • Eine Quantifizierung der Fruchtwassermenge ist sinnvoll zur Verlaufsbeurteilung und zur Risikoeinschätzung.
  • Mögliche Ursachen sollten abgeklärt werden: ein Gestationsdiabetes, eine Infektion oder eine fetale Fehlbidlung kommen in insgesamt ca. einem Drittel aller Fälle vor.
  • Die Therapie erfolgt symptombezogen und umfasst konservative Massnahmen zur Symptomkontrolle sowie die Entlastungspunktion zur Reduktion des Fruchtwassers.

1. Nabhan AF, Abdelmoula YA (2009) Amniotic fluid index versus single deepest vertical pocket: a meta–analysis of randomized controlled trials. Int J Gynaecol Obstet 104:184–188
2. Brace R. Physiology of Amniotic Fluid Volume Regulation
Clinical Obstetrics and Gynecology: June 1997 – Volume 40 – Issue 2 – p 280-289
3. Magann EF, Chauhan SP, Doherty DA et al. A review of idiopathic hydramnios and pregnancy outcomes. Obstet Gynecol Surv 2007; 62: 795–802
4. Biggio JR Jr,Wenstrom KD et al. Hydramnios prediction of adverse perinatal outcome. Obstet Gynecol 1999; 94: 773–777
5. Berezowsky A, Ashwal E, Hiersch L, Yogev Y, Amir Aviram; Ultraschall in Med 2019; 40: 749–756
6. Pri-Paz S, Khalek N et al: Maximal amniotic fluid index as a prognostic factor in pregnancies complicated by polyhydramniosUltrasound Obstet Gynecol 2012; 39: 648–653
7. Kollmann M, Voetsch J, Koidl C, Schest E, Haeusler M, Lang U, Klaritsch P: Etiology and Perinatal Outcome of Polyhydramnios; Ultraschall in Med 2014; 35: 350–356
8. Kishore J, Misra R, Paisal A et al. Adverse reproductive outcome induced
a. by Parvovirus B19 and TORCH infections in women with high-risk
b. pregnancy. J Infect Dev Ctries 2011; 5: 868–873
9. Dickinson JE, Tjioe YY, Jude E, et al. Amnioreduction in the management of polyhydramnios complicating singleton pregnancies. Am J Obstet Gynecol; 2014;211:434.e1-7.

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