Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie

Bis zur Jahrtausendwende war die chronische myeloische Leukämie (CML) eine meist letal verlaufende Krankheit mit einer mittleren Überlebenszeit von etwa 7 Jahren. Durch die Einführung der Tyrosinkinase-Hemmer (TKI) steht heute eine orale Therapie zur Verfügung, welche für die Mehrzahl der Betroffenen eine normale Lebenserwartung ermöglicht. Bei einem Teil der Patienten kann die Therapie nach einigen Jahren sogar abgesetzt werden, ohne dass es zu einem Rezidiv kommt. Für einen guten Behandlungserfolg sind insbesondere ein gutes Monitoring des molekularen Ansprechens und Kenntnisse über das Nebenwirkungs-Profil der verschiedenen TKIs erforderlich.

Die CML war die erste Krankheit, bei der ein erworbener chromosomaler Defekt als Treiber für eine maligne transformierte Hämatopoiese entdeckt wurde. Durch eine Translokation zwischen den Chromosomen 22 und 9 entsteht das nach dem Ort seiner Entdeckung benannte Philadelphia-Chromosom. Daraus resultiert das pathologische Fusionsgen BCR-ABL, welches für ein Protein codiert, das die hämatopoietischen Zellen in eine ungebremste Teilungsaktivität bringt. Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung eines Medikamentes, welches direkt die Expression des BCR-ABL Gens inhibiert. Der Tyrosinkinase-Inhibitor Imatinib (Glivec®) wurde im Jahr 2000 verfügbar und revolutionierte die Behandlung der CML. So zeigten die Verlaufskontrollen nicht nur ein kontinuierliches Verschwinden des Philadelphia-Chromosoms, sondern auch des viel präziser messbaren BCR-ABL Gens, es kam zu molekularen Remissionen. Zudem war der orale TKI wesentlich besser verträglich als die zuvor verabreichten Interferon-Behandlungen. In der IRIS-Studie mit 553 Patienten auf dem Imatinib-Arm waren nach 10 Jahren 84% am Leben, lediglich 9% waren an den Folgen der CML verstorben.
In der Zwischenzeit sind nebst Imatinib drei weitere TKIs für die Erstlinientherapie zugelassen. Diese haben eine etwas stärkere Wirkung und führen schneller zu einer guten molekularen Remission. Alle TKIs unterscheiden sich aber wesentlich in ihrer Toxizität. Deshalb empfehlen alle aktuellen Guidelines, den TKI der Erstlinientherapie aufgrund der Komorbidität und auch des CML-Risiko-Scores auszuwählen.

Therapieindikation

Im Gegensatz zur chronischen lymphatischen Leukämie ist bei der CML immer die Indikation für eine Therapie gegeben, also auch bei fehlenden Allgemeinsymptomen, normaler Milzgrösse oder nur geringfügigen Blutbildveränderungen. Das Aufschieben der Therapie könnte einen Übergang in eine akzelerierte Phase oder Blastenkrise begünstigen und damit die Prognose deutlich verschlechtern.

Therapiewahl

In den meisten Fällen liegt bei Diagnose eine chronische Phase der CML vor. Dafür sind vier TKIs zugelassen. Die robustesten Daten zur Langzeit-Toxizität gibt es für Imatinib, weshalb die meisten Experten zumindest bei niedrigem CML-Risiko-Score die Therapie damit beginnen. Der CML Risiko-Score basiert auf dem Patientenalter, der Milzgrösse unter dem Rippenbogen sowie der Blasten- und Thrombozytenzahl im Blut. Unter https://www.leukemia-net.org/content/leukemias/cml/elts_score/index_eng.html findet sich ein online-calculator für den aktuell gebräuchlichen ELTS-Risiko-Score. Liegt eine CML mit hohem Risiko-Score vor, wird aufgrund der schnelleren und stärkeren Wirkung ein TKI der 2. Generation, also Dasatinib (Sprycel®), Nilotinib (Tasigna®) oder Bosutinib (Bosulif®) bevorzugt. Bei der Medikamentenwahl ist aber stets die Komorbidität des Patienten zu berücksichtigen. So sind aufgrund der spezifischen Toxizität gewisse TKIs bei gewissen Patienten kontraindiziert (Tab. 1).
Im Verlauf der CML können sich molekulare Mutationen einstellen. Dadurch verändert sich die sterische Konfiguration der BCR-ABL-Tasche, in der die TKIs angreifen. Dies kann die Wirkung beeinträchtigen oder verunmöglichen. Bisher sind über 200 Mutationen beschrieben worden. Bei der Mutation T315I ist ausschliesslich der TKI Ponatinib (Iclusig®) wirksam. Eine Mutationsanalyse soll vor allem bei Nicht-Erreichen der therapeutischen Meilensteine und bei verloren gegangener Wirkung, sowie bei akzelerierter Phase oder Blastenkrise bereits initial veranlasst werden.
In der Zeit vor den TKIs war die CML die häufigste Indikation für eine allogene Stammzell-Transplantation. Heute müssen CML-Patienten nur noch selten transplantiert werden, etwa bei Blastenkrise oder akzelerierter Phase, bei ABL1-Mutationen, die mit einer Resistenz auf TKI einhergehen oder bei Intoleranz aller TKIs.

Monitoring

Das molekulare Monitoring ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine optimale Therapiesteuerung und Prognose. Die aktuellen Guidelines definieren die therapeutischen Meilensteine, die zu erreichen sind. So muss das BCR-ABL nach 3 Monaten auf 10%, nach 6 Monaten auf 1% und nach 12 Monaten auf 0,1% (= MR3) abfallen. Ist dies nicht der Fall, liegt ein Warnsignal oder ein Therapieversagen vor. Dies impliziert eine erhöhte Wachsamkeit, bzw. eine Mutationsanalyse und einen Therapiewechsel.
Durch Erreichen einer stabilen MR3 ist die Gefahr einer Transformation in eine akzelerierte Phase oder Blastenkrise gebannt. Damit kann man sich aber noch nicht zufrieden geben. Das nächste Ziel ist eine tiefe Remission (MR4, MR4.5 oder MR5), denn nur so kann später ein Absetzen der Therapie in Betracht gezogen werden.

Therapiestopp

Bereits vor 10 Jahren wurden erste Resultate von Patienten publiziert, die den TKI aus eigenem Antrieb abgesetzt hatten. Es zeigte sich, dass etwa die Hälfte der Patienten nicht rezidivierte, sofern sie den TKI über mehrere Jahre eingenommen und eine tiefe molekulare Remission erreicht hatten. Mittlerweile sind Daten solcher Absetzstudien mit weit über 2000 Patienten publiziert und definierte Kriterien zum Therapiestopp haben in den Guidelines Aufnahme gefunden. Bei Einhaltung dieser Kriterien bleiben etwa 50% der Patienten ohne Therapie dauerhaft rezidivfrei.
Als Voraussetzungen für einen Therapiestopp gelten gemäss Oncopedia-Guidelines eine TKI-Einnahme von mindestens 5 Jahren und das Erreichen einer tiefen molekularen Remission (mindestens MR4 = BCR-ABL < 0,01%) während der letzten 2 Jahre.
In der therapiefreien Zeit ist ein engmaschiges molekulares Monitoring im ersten Jahr monatlich, danach alle 2-3 Monate zwingend nötig. Kommt es zu einem molekularen Rezidiv (Verlust einer MR3) muss die TKI-Therapie wieder aufgenommen werden. Allenfalls kann ein späterer Absetzversuch erfolgreich verlaufen.
Eine therapiefreie Remission spart nicht nur erheblich Kosten, sondern vor allem auch Toxizität, die durch eine lebenslange Therapie früher oder später zu erwarten ist. Es sollte deshalb kein CML-Patient lebenslang auf Autopilot unter einer TKI-Therapie stehen.

CML und Kinderwunsch

Angesichts der ausgezeichneten Prognose der CML unter einer TKI-Therapie, kann in der Sprechstunde die Familienplanung zum Thema werden. Neuere Daten zeigen, dass die Zeugung eines Kindes unter einer TKI-Behandlung nicht zu einer erhöhten Missbildungs- oder Abortrate führt, sodass werdende Väter die Therapie beibehalten können. Für Schwangerschaften ist die Datenlage weniger klar. Zwar wurden in neuerer Zeit zahlreiche Kasuistiken über problemlose Schwangerschaften, die unter TKI-Therapie begannen, berichtet. Im Tierversuch erwiesen sich die TKIs jedoch als teratogen, sodass diese vor der Schwangerschaft abgesetzt werden sollten. Da vor einer Schwangerschaft eine stabile tiefe molekulare Remission bestehen sollte, dürfte in den meisten Fällen eine Therapiepause während der Schwangerschaft vertretbar sein. Ist dies nicht der Fall, bietet sich ab dem 2. Trimenon eine Interferon-Behandlung an. Falls dies nicht geht und eine Therapie unabdingbar ist, kann allenfalls ein nicht Placenta-gängiger TKI (Imatinib, Nilotinib) in Betracht gezogen werden.

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Dr. med. Urs Hess

Benslistrasse 6a
9034 Eggersriet

Urs.Hess1@bluewin.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die TKIs haben die Therapie der CML revolutioniert. CML Patienten in chronischer Phase können mit diesen Medikamenten in den allermeisten Fällen mit einer normalen Lebenserwartung rechnen.
  • Die Wahl des TKI für die Erstlinientherapie sollte aufgrund des CML Risiko-Scores und der Komorbidität erfolgen.
  • Für den Behandlungserfolg ist es wichtig, dass die molekularen Verlaufskontrollen gemäss Guidelines durchgeführt werden und dass bei Nicht-Erreichen der therapeutischen Meilensteine oder Verlust des Ansprechens eine Mutationsanalyse und eine Therapieanpassung erfolgt.
  • Unter der Therapie sollte eine tiefe molekulare Remission (mindestens MR4) angestrebt werden. Bei einer TKI-Einnahme von mindestens 5 Jahren und einer MR4 von mindestens 2 Jahren kann nach Therapiestopp etwa die Hälfte der Patienten rezidivfrei weiterleben.
  • Bei jüngeren CML-Patienten mit tiefem molekularem Ansprechen kann eine Familienplanung zum Thema werden.

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4. Schmid, H.-P., et al. Embolisation der Prostataarterien bei benigner Prostatahyperplasie und beim lokalisierten Prostatakarzinom. Leading Opinions Urol, 2018 8:9.
5. Hamdy, F.C., et al. 10-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Localized Prostate Cancer. N Engl J Med, 2016. 375: 1415.
6. Wilt, T.J., et al. Follow-up of Prostatectomy versus Observation for Early Prostate Cancer. N Engl J Med, 2017. 377: 132.
7. Bill-Axelson, A., et al. Radical Prostatectomy or Watchful Waiting in Prostate Cancer – 29-Year Follow-up. N Engl J Med, 2018. 379: 2319.
8. Grimm, P., et al. Comparative analysis of prostate-specific antigen free survival outcomes for patients with low, intermediate and high risk prostate cancer treatment by radical therapy. Results from the Prostate Cancer Results Study Group. BJU Int, 2012. 109 Suppl 1: 22.
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15. Valerio M. et. al. New and Established Technology in Focal Ablation of the Prostate: A Systematic Review. Eur Urol. 2017. 71: 1
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Einsatz von Opioiden aus der Sicht des Schmerztherapeuten

Die Opioidkrise in den USA gipfelte 2015 in einem starken Anstieg von Opioidabhängigen und damit verbundenen Todesfällen. Ein aggressives Marketing mit einer Opioid-verharmlosenden Strategie einiger Pharmafirmen führte dazu, dass schnell anflutende Opioide einer breiteren Patienten-klientel verschrieben wurden. In einem ersten Teil des Artikels (1) wurden der Stellenwert einer Opioidtherapie sowie das rationale und praktische Vorgehen bei einer analgetischen Therapie mit Opioiden in Bezug auf schweizerische Verhältnisse kritisch diskutiert. Im aktuellen Teil werden hierzulande zugelassene Opioide vorgestellt, Überlegungen zur Opioid-Sicherheit in der Schweiz präsentiert sowie die Eingangsfrage nach einer drohenden Opioidkrise in der Schweiz eingehend erörtert.

Im Hinblick auf einen angemessenen Einsatz von Opioiden unter Vermeidung von Überverordnung, aber auch Vermeidung von nicht sinnvoller Vorenthaltung von Opioiden, ist es sinnvoll, die Wirkstoffe zu kennen, die derzeit in der Schweiz zur Verfügung stehen (Kasten 1).

Droht nun der Schweiz, analog zu den USA, eine Opioidkrise?

Die Antwort vorweg: Wir wissen es nicht, haben es aber als Schmerztherapeuten in der Hand, dies zu verhindern.
Opioidverschreibungen und Opioidgebrauch nehmen auch in der Schweiz in den letzten Jahren massiv zu (2). Dies in Einklang mit anderen europäischen Ländern. Die Indikationen, für die Opioide nun vermehrt verschrieben werden, sind auch hierzulande die Nicht-tumorbedingten Schmerzzustände, obwohl eine diesbezügliche Risiko-/Nutzenabwägung nicht immer positiv ausfällt. Zwischen 2006 und 2013 verzeichnet sich in der Schweiz eine Zunahme der Verschreibung schwacher Opioide per 100 000 Personen um 13% und um 121% für starke Opioide. Unter den starken Opioiden wurde Fentanyl meistgebraucht mit einem Anstieg zwischen 2006 und 2013 um 91%, gefolgt von Buprenorphin und Oxycodon. Der höchste proportionale Anstieg in der Einnahme von Morphinäquivalenten pro 100.000 Personen wurde für Methadon (+ 1414%) und Oxycodon (+ 313%) verzeichnet. Dabei existieren starke geographische Unterschiede in verschiedenen Kantonen. Im Spitzenreiter Fribourg beispielsweise hat die Verschreibung starker Opioide in diesem Zeitraum um 270% zugenommen, im Kanton Jura um 260%, in Basel-Stadt um 219%, in Uri um 220% und in Schaffhausen um 201% (2). Übrigens zog auch die Verschreibung von Nicht-Opioidanalgetika in diesem Zeitraum rasant an: Schweizweit für Metamizol beispielsweise um 324%, NSAIDs (+ 124%). Besorgniserregend ist, dass bei den Opioiden vor allem kurzwirksame galenische Formen wie orale (+ 509%) oder sublinguale (+301%) Formulierungen häufiger verschrieben wurden.
Zum Vergleich: In den vergangenen 20 Jahren liess sich in den USA ein 14-facher Anstieg der Verschreibung starker Opioide verzeichnen. Dieser ging einher mit einem erhöhten Risiko unintentioneller Überdosierungen. In Europa war dies weniger zu beobachten und das Risiko, durch eine chronische Opioidverschreibung abhängig zu werden, wird hierzulande als gering eingestuft (3). Ausnahme bildet vor allem die Fentanyl-Überdosierung, die sich in (Ost-)Europa häufiger für Todesfälle verantwortlich zeigt. In den USA waren dies v.a. Kombinationen aus Oxycodon oder Hydrocodon und Alprazolam. Die Toten, die in den Statistiken zur Opioidkrise in den USA erfasst werden, haben in 75% der Fälle Opioide in Kombination mit Sedativa wie Alkohol, Benzodiazepinen oder Antihistaminika konsumiert. In Europa wird die Opioidkrise auch als Phänomen der ökonomischen Misere in den deindustrialisierten Gegenden der USA wahrgenommen (4).
Genau zu differenzieren ist in diesem Kontext, ob Abhängigkeit und Überdosierung durch illegalen Drogengebrauch oder im Kontext einer schmerztherapeutischen Behandlung entstanden und erfasst sind. In Europa wird bei Eintritt in eine Entzugsbehandlung Heroin von 80% der Patienten als Droge konsumiert. Dies gefolgt von Methadon (8%), Buprenorphin (5%), Fentanyl (0,3%) und anderen Opioiden (7%) (5). Heroin hat in der Schmerztherapie in Europa keinen wesentlichen Platz, so dass davon ausgegangen werden kann, dass der Grossteil von Abhängigkeitserkrankungen im Rahmen eines illegalen Abusus und nicht einer Schmerztherapie vorkommt.
Eindeutig festzustellen ist aber, dass vor allem schnell anflutende Opioide wie Oxycodon oder das Folgepräparat Oxycontin, welche neben rascher Schmerzlinderung auch stärker das zentrale Belohnungszentrum aktivieren, eher abhängig machen als retardierte Präparate – sogar Dr. House, der es besser wissen sollte, war davon betroffen. Oxycodon wurde 1919 erstmalig in der Schmerztherapie verwendet. In Europa war die Substanz schnell reguliert, nur auf Betäubungsmittelrezept erhältlich und zwischenzeitlich aufgrund erhöhter Suchtgefahr sogar vom Markt genommen. In den USA hingegen war Oxycodon ununterbrochen auf dem Markt, gefolgt vom Folgepräparat der Familie Sackler, Oxycontin. Dessen Abhängigkeitspotenzial wurde verharmlost und die Substanz intensiv beworben, immense Geldsummen flossen in aktive Bewerbung und Zuwendungen an verschreibende Ärzte. Von seiner Markteinführung 1996 bis zum Jahr 2000 hatte seine Verordnung schon um das 18-fache zugenommen. Und Drogenabhängige entdeckten, dass man die Substanz gemörsert auch intravenös verwenden konnte – was zu zahlreichen akzidentellen Intoxikationen und Todesfällen führte. Eine positive Drogen-anamnese zählt bei uns demnach auch zu den von den Leitlinien definierten Kontraindikationen für einen Einsatz von Opioiden. Nach dem Skandal um die Firma Purdue und Rekordstrafen, die sie wegen der unerlaubten Vermarktung von Oxycontin eingefahren hat, wird man in Europa kaum die gleichen Fehler machen (6). Schon aus regulatorischen Gründen wäre eine ähnliche Vermarktungspraxis hierzulande unmöglich.
Leider lesen wir momentan eine Flut an Kommentaren mehr oder weniger in der Schmerztherapie bewanderter Therapeuten, Opioide seien gefährlich, verantwortlich für eine Flut an vermeidbaren Todesfällen und man solle diese Substanzklasse komplett verbieten. Auffällig, dass diese Kommentare häufig von Therapeuten kommen, welche alternativmedizinisch arbeiten und so ihre Angebote promoten und/oder wenig mit der Behandlung chronischer und schwer betroffener Schmerzpatienten zu tun haben. Dazu ein simpler Vergleich: Antibiotika, Benzodiazepine oder Insulin sind wertvolle Medikamente, solange man sie indikationsgerecht, gezielt, wohldosiert und gemäss geltenden Therapierichtlinien einsetzt. Bei einem Zuviel oder bei unkritischer Verwendung sind diese Sub-stanzen gefährlich − dennoch würde niemand behaupten, diese Substanzen seien so riskant oder schädlich, dass man sie nicht mehr verwenden dürfe. Analog gilt für Opioide: Diese Substanzklasse ist wirksam und bei kundiger Anwendung (welche sowohl einen informierten Arzt als auch einen informierten Patienten bedingen) halten sich die Gefahren in Grenzen.

Ein häufiger Spezialfall: Die analgetische Behandlung des alten Patienten

Diese Situation stellt den Schmerztherapeuten vor grosse Herausforderungen. Demografisch bedingt suchen uns immer mehr alte Patienten im schmerztherapeutischen Setting auf. Nicht-Opioidanalgetika sind bei Alten häufig kontraindiziert oder deren Langzeitanwendung bei chronischem Schmerz nicht untersucht. Eine Übersicht über den Einsatz und die Gefahren von Nicht-Opioidanalgetika beim geriatrischen Patienten findet sich unter (7).
Opioide werden mit breiter Evidenz vor allem bei alten Krebspatienten eingesetzt. Allerdings scheinen sich die Erwartungen der Patienten an ihre Schmerztherapie zu wandeln: Heute sind ein aktiver Lifestyle mit der Möglichkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben wichtiger denn je zuvor. Viele Patienten machen in Europa bzgl. Ihres Schmerzes daher eher Zugeständnisse zugunsten einer erhaltenen Funktionalität. Transdermale Fentanyl- oder Buprenorphin-Systeme zur Schmerzcoupierung werden von diesen Patienten häufig bevorzugt.
In der Behandlung von Nicht-Karzinomschmerzen fehlen Langzeitstudien für Opioide bei geriatrischen Patienten. Sicherheit und Verträglichkeit sollten mit individueller Titration und regelmässiger Monitorisierung von Leber- und Nierenfunktion gewährleistet werden. Neuropathischer Schmerz benötigt meist höhere Opioiddosen als nozizeptiver Schmerz und besonders neuropathischer Schmerz scheint gut auf Buprenorphin anzusprechen. Als einziges Opioid ist die Elimination von Buprenorphin nicht durch eine verminderte Nierenfunktion eingeschränkt, so dass diese Substanz in der geriatrischen Patientenklientel zu bevorzugen ist. Bei anderen Opioiden sollten die Dosen ggf. verringert und auf mehrere Einzelgaben verteilt werden.
Opioide und Atemdepression: Besonders bei Patienten mit eingeschränkter pulmonaler Reserve oder bei solchen, welche mehrere zentral depressive Substanzen einnehmen, müssen Opioide sorgfältig und zurückhaltend eingesetzt werden. Auch hier bieten transdermale Systeme Vorteile (8).

Opiatsicherheit in der Schweiz

Dass sich in den USA die Opioidkrise entwickeln konnte, ist eine traurige, aber im Nachhinein nachvollziehbare Tatsache. Es stellt sich die Frage, was wir aus den gemachten Erfahrungen lernen und verhindern können, dass sich in der Schweiz gleiches wiederholt? Nehmen wir dazu drei Positionen ein: Diejenige des Arztes, des Patienten und des Gesetzgebers.

Was kann der Arzt tun, damit nicht zu viele Opioide verschrieben werden?
Der informierte Arzt stellt die Indikation für Opioide eng, d.h. nach geltenden Therapieempfehlungen und nach Ausschöpfung aller verfügbaren und sinnvollen Optionen, welche pharmakologische und nicht-pharmakologische Therapien umfassen. Er vereinbart mit dem Patienten klare und erreichbare Therapieziele sowie regelmässige Konsultationen zur Reevaluation. Retardpräparate, welche nach einem fixen Dosierungsschema eingenommen werden, sind schnell anflutenden Galeniken vorzuziehen. Diese sollten als Reservemedikation Schmerzspitzen vorbehalten sein. Über potenzielle unerwünschte Wirkungen und Risiken muss der Patient ausführlich aufgeklärt werden, dies inklusive des Suchtrisikos. Es wird Kontakt zu mitbehandelnden Ärzten gesucht und vereinbart, in wessen Hand die Pharmakotherapie liegt (Kasten 2).

Was kann der Patient tun, damit er nicht abhängig wird?
Wichtig ist, dass Behandlungsziele zu Beginn der Behandlung abgemacht werden, dies möglichst schriftlich. Ist die dann durchgeführte Behandlung nicht zielführend – die eingesetzten Opioide beispielsweise nicht ausreichend schmerzlindernd – soll ein neues Therapieregime angewendet werden.
Der Patient muss realistische Therapieerwartungen haben – bei langjährigen schweren Schmerzerkrankungen ist eine völlige Schmerzfreiheit ein unrealistisches Ziel. Schmerzreduktion, Funktionalitätsverbesserung oder manchmal auch nur eine bessere Schmerzverarbeitung sind oft die realistischen Ziele.
Zudem darf der Patient nicht an verschiedenen Orten Medikamente beziehen, sich nicht von mehreren Ärzten Medikamente verschreiben lassen. Der behandelnde Arzt ist darüber genau zu informieren, wer bisher in die Therapie einbezogen ist und welche Massnahmen getroffen wurden. Offene Kommunikation und eine intakte Patient-/Arztbeziehung sind mandatorisch.
Und der Patient darf, was selbstverständlich sein sollte, keine illegalen Substanzen zusätzlich konsumieren. Auch über einen Cannabis-Konsum sollte der Behandler informiert sein.

Was kann der Gesetzgeber tun, damit Opioide nicht übermässig verschrieben werden?
Die Opioidverschreibung in der Schweiz ist klar geregelt und findet eine optimale Balance zwischen der kontrollierten Verschreibung und problemloser Erhältlichkeit für medizinische Zwecke. Erleichternd wäre, wenn Informationen zur Verschreibung auf einer Patientenkarte gespeichert würden, aus denen ersichtlich ist, was der Patient im individuellen Fall schon von wem verschrieben bekommen hat – nicht nur in Bezug auf Opioide, sondern auch auf andere, möglicherweise interagierende Substanzen, von denen der Verschreiber wissen sollte. Eine erhöhte Transparenz könnte hier zu verbesserter Arzneimittel- und damit Patientensicherheit führen. Pharmazeuten und Versicherer arbeiten schon lange an entsprechenden Lösungen, welche v.a. aus datenschutzrechtlichen Gründen bisher nicht realisiert sind.

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Dr. med. Antje Heck

Fachärztin für Klinische Pharmakologie und Toxikologie FMH
Fachärztin für Anästhesie FMH, Schmerzspezialistin SGSS
Leiterin Sprechstunde Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit
Oberärztin Psychiatrische Klinik Königsfelden
Postfach 432
5201 Brugg

antje.heck@pdag.ch

Prof. Dr. med. Eli Alon

Facharzt für Anästhesiologie FMH, Schmerzspezialist SGSS
Professor für Anästhesiologie und Schmerzmedizin an der
Universität Zürich
Praxis für Schmerztherapie
Arzthaus Zürich City
Lintheschergasse 3
8001 Zürich

eli.alon@arzthaus.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Opioide nehmen einen unverzichtbaren Stellenwert in einer modernen, multimodalen Schmerztherapie ein.
  • Angst ist bei der Handhabung von Opioiden fehl am Platz – ein gesunder Respekt des Verschreibers allerdings angebracht.
  • Gezielte Diagnosestellung, das Beherrschen des pharmakologischen Armamentariums, Behandlungsempfehlungs-gerechte Behandlung und Definition verbindlicher Therapieziele sind ebenso Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie des chronischen Schmerzpatienten wie das Ausschöpfen nicht-pharmakologischer Behandlungsoptionen, wie z.B. Psychotherapie, Physiotherapie und physikalischer Methoden.
  • Ebenso helfen nicht-Opioidanalgetika und Koanalgetika wie Antiepileptika und Antidepressiva, den Opioidbedarf zu minimieren. Denn auch hier sollte gelten: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
  • Der Funktionalität und der Lebensqualität des Patienten gilt dabei mindestens gleich grosse Aufmerksamkeit wie der Schmerzreduktion.
  • Regelmässige Kontrolluntersuchungen mit engmaschiger Begleitung des informierten Patienten sind Voraussetzungen, das Risiko eines unkontrollierten Opioidgebrauchs mit entsprechenden Folgen, wie sie sich in der Opioidkrise der USA gezeigt haben, zu verhindern.

1. Heck A, Alon E: Einsatz von Opioiden aus der Sicht des Schmerztherapeuten (Teil 1). Der informierte arzt 2020;10(4):10-12
2. Wertli M et al: Changes over time in prescription practices of pain medications in Switzerland between 2006 and 2013: an analysis of insurance claims. BMC Health Serv Res. 2017 Feb 27;17(1):167
3. Hess B et al: Relevance and Application if Opioids in the Treatment of Chronic Pain in Switzerland- a National Survey. PRAXIS 2015;104 (11):557-63
4. Daniel Ryser 16.10.2018. Wir haben keine Opioid- Krise. Wir haben eine Krise der Ignoranz. Republik.ch
5. INCP Annual Report 2018
6. Zeit online: Oxycontin. Die Pillendreher. Nr 49/ 2017
7. Heck A, Alon E: Nicht-Opioid-Analgetika in der Geriatrie. Der Informierte Arzt 2019;9(9):33-37
8. Pergolizzi J et al: Opioids and the management of chronic severe pain in the elderly: consensus statement of an International Expert Panel with focus on the six clinically most often used World Health Organization Step III opioids (buprenorphine, fentanyl, hydromorphone, methadone, morphine, oxycodone). Pain Pract. 2008 Jul-Aug;8(4):287-313.
9. Häuser W eta al: Clinical practice Guideline: Long- term opioid use in non- cancer pain. Dtsch Arztebl. Int 2014; 111: 732-40.
10. Häuser W et al: Untying chronic pain: prevalence and societal burden of chronic pain stages in the general population- a cross- sectional survey. BMC Public Health 2014;14: 352.
11. Kissin I: Long-term opioid treatment of chronic nonmalignant pain: unproven efficacy and neglected safety? Journal of Pain Research 2013:6 513–529.
12. Alon E: Opioide sind nicht 1. Wahl, aber häufig unverzichtbar. Beilage Medical Tribune 49/2018.
13. Kraus M et al: Consensus and Controversies Between Pain and Addiction Experts on the Prevention, Diagnosis, and Management of Prescription Opioid Use Disorder. J Addict Med. 2020 Jan/Feb;14(1):1-11.
14. The Opioid Crisis and the Future of Addiction and Pain Therapeutics. J Pharmacol Exp Ther 371: 396-408; Nov 2019.

COVID-19 und das Herzgefäss-System

COVID-19, die durch das SARS-CoV-2-Virus verursachte Krankheit, dominiert gegenwärtig unser berufliches Tun. Deshalb versuche ich anstelle eines Editorials eine Zusammenfassung der Beteiligung respektive der Auswirkung von COVID-19 auf das Herzkreislaufsystem zu geben.

Obwohl COVID-19 vor allem die oberen Luftwege und die Lunge befällt, kommt es bei einigen Patienten zur schweren kardialen Mitbeteiligung. Zudem werden kardiovaskuläre Faktoren für die Pathogenese und den Krankheitsverlauf mitverantwortlich gemacht. Das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2) dient als Rezeptor und Eintrittspforte für das SARS-CoV-2-Virus in die Zelle. Ob ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptoren-Blocker (ARB) das ACE-2 modifizieren und dadurch die Infektion begünstigen, ist nicht sicher geklärt. Für den Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion könnte die vermehrte Expression von ACE-2 aber eine günstige Wirkung haben. Das von ACE-2 produzierte Angiotensin-(1-7) wirkt dem schädlichen Effekt von Angiotensin-II entgegen und vermindert den Lungenschaden. Die Schädigung des Myokards durch COVID-19 kann direkt oder indirekt erfolgen. Da auch Myozyten ACE-2-Rezeptoren exprimieren, kann es zu einer direkten Infektion des Herzens im Sinne einer Myokarditis kommen. Im Verlauf der schweren COVID-19-Infektion mit ARDS kann eine von Zytokinen vermittelte myokardiale Schädigung auftreten, welche mit einem schlechten Verlauf einhergeht. Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen gelten als besonders gefährdet und zählen zur Risikogruppe für eine COVID-19-Infektion. Der Einfluss kardiovaskulärer Vorerkrankungen auf die Infektanfälligkeit oder auf den Verlauf der COVID-19-Krankheit ist aber weitgehend unklar.

Klinische Manifestation von COVID-19

COVID-19 wird durch das Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) verursacht. Es ist das siebte bekannte, für den Menschen pathogene Coronavirus. Vier Coronaviren (229E, OC43, NL63 und HKU1) verursachen einen «gewöhnlichen» Schnupfen. Drei Coronaviren können mit einer, wie es im Namen ausgedrückt ist, schweren Lungenentzündung einhergehen. Das SARS-CoV-Virus war für das Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) des Jahres 2002 und das MERS-CoV-Virus für das Middle East Respiratory Syndrome (MERS) des Jahres 2012 verantwortlich. Das SARS-CoV-2 hat mit dem SARS-CoV- und dem MERS-CoV-Virus gemeinsam, dass es wahrscheinlich von Fledermäusen über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde. Beim SARS-CoV-2-Virus ist möglicherweise das malaiische Schuppentier dieser Zwischenwirt (1, 2). Zwei Oberflächenproteine der menschlichen Zellen interagieren mit dem SARS-CoV-2-Virus vor dessen Eintritt in die Zelle. Das erste ist eine Proteinase, die transmembrane Proteinase Serin 2 (TMPRSS2), das zweite das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2) (3). Die Proteinase (TMPRSS2) aktiviert am Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus die sogenannte rezeptorbindende Domäne. ACE-2 ist eine membrangebundene Aminopeptidase, deren Aufgabe die Spaltung von Angiotensin-II ist. Im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 dient es aber als Rezeptor für das aktivierte Spike-Protein des Virus. Der ACE-Virus-Komplex gelangt mittels Endozytose in die Zelle. ACE-2 wird in hohem Masse in den alveolären epithelialen Zellen und den Endothelzellen der Lunge, dem Herz, aber auch im Epithel des Magendarmtrakts, dem Endothel und der Niere exprimiert. Das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus sitzt übrigens wie eine Zacke auf der ovalen Oberfläche des Virus. Im Elektronenmikroskop ergibt dies ein Bild ähnlich einer Krone mit Zacken, daher der Name Coronavirus.
Es wird angenommen, dass die Übertragung vorwiegend über Tröpfchen des Atemsystems erfolgt, ähnlich wie bei der Influenza (4). Die Inkubationszeit variiert zwischen 2-14 Tagen. Angesteckte Individuen bleiben infektiös, d. h. können die Krankheit zwischen acht bis 37 Tage übertragen. Bei über 90% der Infizierten können aber 10 Tage nach Ausbruch der Symptome keine Viren mehr nachgewiesen werden. Wie allgemein bekannt, variiert die Klinik der Krankheit stark und die Schwere der Krankheit ist altersabhängig. Ein unbekannter, vielleicht beträchtlicher Teil der angesteckten Personen kann asymptomatisch bleiben. Interessanterweise finden sich aber auch bei asymptomatischen Patienten in 50% in einer CT-Untersuchung der Lunge die Zeichen der Infektion mit typischen retikulären Zeichen und Verschattungen. Die klinischen Symptome sind in der Tabelle 1 zusammengefasst. Die Krankheit beginnt meist mit Symptomen einer Infektion der oberen Luftwege und des Nasenrachenraums. Selten können Übelkeit und Durchfall die ersten Symptome sein (5). Eine Pneumonie mit Dyspnoe entwickelt sich meist über Tage. Damit einhergehend steigt das Fieber an, welches am Anfang der Infektion fehlen kann. Ausgeprägte Hustenattacken provoziert durch die Passage der Nahrung im Rachenraum kann die Nahrungsaufnahme bei einigen Patienten praktisch verunmöglichen. Hohes Fieber, Tachypnoe und Sättigungsabfall deutlich unter 90% sind die häufigsten Gründe für eine Hospitalisation. Von den wegen der Tachypnoe und Hypoxämie hospitalisierten Patienten müssen 75% intubiert und beatmet werden. Bei 30% der wegen des ARDS beatmeten Patienten kommt es im Verlauf zu einem Nierenversagen, welches eine Hämodialyse erfordert. Gegenwärtig laufen viele klinische Studien mit Medikamenten, die den Krankheitsverlauf in den verschiedenen Stadien günstig zu beeinflussen versuchen. Die wichtigsten sind in der Tabelle 2 aufgeführt. Die Beherrschung der Infektion ist aber schlussendlich nur durch einen potenten Impfstoff möglich.

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und COVID-19

Initiale Berichte über eine erhöhte Prävalenz von COVID-19 bei Patienten mit Hypertonie haben Spekulationen geschürt, dass die Therapie mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptoren-Blockern (ARB) die Infektiosität erhöht durch eine Hochregulation des ACE-2 (6). Von einigen Wissenschaftlern, und von der Presse deutlich verstärkt, wurde empfohlen ACE-Hemmer und ARBs durch andere antihypertensive Medikamente zu ersetzen, um die Pandemie zu verlangsamen (6). Die Wirkung des RAAS-Systems und seine Regulation ist jedoch komplex, indem gegen jeden Wirkmechanismus systemeigene gegenregulatorische Mechanismen vorhanden sind. Darum ist ein direkter Zusammenhang zwischen ACE-2-Expression und Infektanfälligkeit nicht so einfach herzustellen. Das ACE-2 ist ein Schlüsselenzym der protektiven Achse des RAAS. Seine Rolle in der COVID-Infektion kann vielleicht am besten als zweischneidiges Schwert bezeichnet werden (7).
Um dies verständlich zu machen, müssen wir uns den Wirkmechanismus des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems vor Augen halten. Das RAAS wird in der Infektion angeregt und es kommt zur üblichen Spaltung von Angiotensin-I zu Angiotensin-II durch das Angiotensin-Converting-Enzyme. Das Angiotensin-II bindet sich an den AT1-Rezeptor und führt so zu den bekannten Wirkungen, d.h. Vasokonstriktion, Erhöhung der vaskulären Permeabilität, Fibrose, Zellproliferation, Entzündung und damit zu akutem Lungenschaden und unvorteilhaftem myokardialem Remodeling. Diesen Effekten des Angiotensin-II stehen zwei gegenläufige Regelkreise gegenüber. Zum einen bindet sich das Angiotensin-II nicht nur an den AT1-Rezeptor, sondern auch an den AT2-Rezeptor, welcher gegenteilige Effekte auslöst, z.B. zu einer Vasodilatation und Antiproliferation führt. Der wichtigere gegenregulatorische Regelkreis läuft aber über das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2). Die Aufgabe von ACE-2 ist es, Angiotensin-II in Angiotensin-(1-7) zu spalten, welches über den Mas-Rezeptor den Wirkungen des Renin-Angiotensin-Systems entgegenwirkt. Das Angiotensin-(1-7) via Mas-Rezeptor hat eine antihypertrophe, antifibrotische, vasodilatierende, antiinflammatorische und antioxidative Wirkung (7). Im Rahmen der SARS-CoV-2-Infektion vermindert es die alveoläre Zellapoptose, die endotheliale Zellaktivierung, die Ödembildung und begrenzt die Bildung von proinflammatorischen und profibrotischen Zytokinen (8). In der COVID-19-Krankheit wird das ACE-2-Regelsystem aber folgendermassen nachhaltig gestört. Das SARS-CoV-2-Virus tritt als Komplex mit dem ACE-2 in die Zelle ein. Durch die gemeinsame Endozytose wird das ACE-2 von der Zelloberfläche entfernt. Dadurch wird potentiell die Wirkung des Angiotensin-II verstärkt und dies kann den Lungenschaden bei der COVID-19-Krankheit verstärken. In der SARS-Krankheit wurde der protektive Effekt von Angiotensin-(1-7) und des ACE-2 als wichtig für einen günstigen Krankheitsverlauf erkannt (9). Es ist gut möglich, dass eine Hochregulation des ACE-2 auch in der COVID-19-Krankheit protektiv ist (7, 10). In Tiermodellen konnte jedenfalls gezeigt werden, dass die Virusinfektion zu einer Abnahme des ACE-2 in den Zellmembranen führte und dass eine erhöhte Angiotensin-II-Aktivität zum Gewebeschaden beitrug. Dieser Gewebeschaden konnte experimentell mit ARBs vermindert werden. Des Weiteren hat die Gabe von rekombinantem ACE-2 in präklinischen Studien zu einer Abnahme des Lungenschadens geführt (11). Dazu sind nun klinische Studien im Gang. Ebenso sind Studien am Laufen, um bei hospitalisierten und nicht hospitalisierten Patienten mittels Losartan den Krankheitsverlauf der COVID-19-Infektion zu verbessern (5) (siehe Tab. 2).

Insgesamt spricht die Evidenz also eher dafür, dass die Therapie mit ACE-Hemmern und ARBs eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Krankheit hat und dementsprechend haben die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie und die Schweizerische Gesellschaft für Hypertonie sowie praktisch alle grossen Fachgesellschaften empfohlen, dass diese Medikamente nicht abgesetzt resp. kein Wechsel auf ein anderes antihypertensives Medikament vorgenommen werden soll.

Akuter Myokardschaden

Die COVID-19-Krankheit kann mit einem Myokardschaden einhergehen. Es lassen sich zwei unterschiedliche Muster abgrenzen. Zum einen geht mit der allgemeinen Erkrankung des respiratorischen Systems auch eine kardiale Mitbeteiligung einher. Bei etwa 7-17% der COVID-19-Patienten liegt bei Eintritt eine leichte Troponin-Erhöhung vor. Der Anstieg und die erreichte Höhe des Troponins korrelieren mit der Mortalität der Patienten (12, 5, 13). Obwohl bei einigen Patienten auch elektrokardiographische Veränderungen und in der Echokardiographie eine abnehmende Pumpfunktion festgestellt werden konnten, ist die Ursache der kardialen Mitbeteiligung pathophysiologisch nicht geklärt. Es kann zu einer direkten Infektion der Myozyten kommen, wahrscheinlicher aber sind zytokininduzierte Schädigungen des Myokards (12). Da bei vielen Patienten bei ARDS und Schockzustand eine Niereninsuffizienz auftritt und eine Dialyse nötig ist, kann die Niereninsuffizienz zum Anstieg des Troponins beitragen.
Das SARS-CoV-2-Virus kann auch direkt das Myokard schädigen. Etwa 5-10% der Patienten zeigen denn auch als initiale Symptome Palpitationen und Thoraxschmerzen (13, 12). Bei einigen Patienten kommt es zur fulminanten Myokarditis (14). Die fulminante Myokarditis muss entsprechend einer akuten schweren Herzinsuffizienz behandelt werden. Nach Abklingen der Infektion kann sich die Pumpfunktion wieder normalisieren (14). In einigen Fällen scheint sie allerdings zum Tod zu führen (12).

Kardiovaskuläre Vorerkrankungen und Risiko der COVID-19-Krankheit

In den Berichten aus China werden kardiovaskuläre Vorerkrankungen, insbesondere die Hypertonie, als Risikofaktoren aufgeführt. Allerdings betrug die Prävalenz der Hypertonie in der grössten Studie (15) bei COVID-19-Patienten 15%, was unter der Prävalenz der normalen Bevölkerung in der berichteten Altersgruppe in China liegt.
Dass die Prävalenz der kardiovaskulären Vorerkrankungen und der Hypertonie bei den COVID-19-Patienten nicht höher als in der allgemeinen Population ist spricht eher dafür, dass sie nicht wesentlich die Gefahr einer Ansteckung erhöhen. Es bleibt die Frage zu klären, ob kardiovaskuläre Erkrankungen und die Hypertonie den Krankheitsverlauf beeinflussen. Auch in diesem Bereich gibt es keine guten Daten. Wenn die Patientencharakteristika einer multivariaten Analyse unterzogen wurden, war höheres Alter, aber nicht die kardiovaskulären Risikofaktoren und insbesondere nicht die Hypertonie mit dem Entwickeln eines ARDS in der COVID-19 Krankheit assoziiert (16). Des Weiteren hatten Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen keine erhöhte Sterblichkeit gezeigt, ausser Patienten, welche durch die Krankheit einen zusätzlichen akuten Myokardschaden erlitten haben (17). Die durch die Entzündung direkte und durch die Zytokin induzierte indirekte myokardiale Schädigung kommt bei Patienten mit und ohne kardiovaskulären Vorerkrankungen gleich häufig vor und ist ein prognostisch schlechtes Zeichen.

Akutes Koronarsyndrom und COVID-19

Entzündliche Krankheiten begünstigen einen akuten Myokardinfarkt. Bis jetzt gibt es allerdings nur wenige Fallberichte von COVID-19-Patienten, die einen akuten Myokardinfarkt erlitten haben. Ausnahmsweise präsentieren sich COVID-19-Patienten aber mit den klassischen Symptomen eines akuten Koronarsyndroms (ACS) mit Palpitationen, thorakalem Druckgefühl und gelegentlich leicht erhöhtem Troponin. Sollten Zeichen eines respiratorischen Infekts vorliegen oder keine Hinweise auf eine koronare Ursache der Beschwerden gefunden werden, muss eine SARS-CoV-2-Infektion ausgeschlossen werden. Umgekehrt sollen COVID-19-Patienten mit leicht ansteigendem Troponin nicht zum Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit invasiv untersucht werden.
Interessanterweise ist es in den ersten Wochen der Pandemie in allen Ländern zu einem deutlichen Abfall der Myokardinfarktrate gekommen. Es wird vermutet – und die Vermutung kann durch die eigene Erfahrung unterstützt werden – dass Patienten aus Angst vor der COVID-19-Krankheit nicht ins Spital gekommen sind, insbesondere wenn die Symptome des Myokardinfarktes etwas atypisch waren. Es ist im Rahmen der COVID-19-Krankheit aber nicht nur zu einem spürbaren Anstieg des sogenannten patient delay gekommen, es ist vielerorts auch ein system delay eingetreten. Da die Prozesse auf dem Notfall auf die Corona-Epidemie ausgerichtet sind, kann es zu verzögerter Diagnose und zur verzögerten Behandlung beim ST-Hebungsinfarkt kommen (18). Es gilt also wachsam zu sein, um neben der Corona-Epidemie akute Koronarsyndrome rechtzeitig zu erkennen.

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Zweitabdruck des in info@herz+gefäss 02-2020 erschienenen Originalartikels.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

  • Die Rolle von ACE-2 bei der SARS-CoV-2-Infektion ist noch nicht geklärt. ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptoren-Blocker haben aber eher eine günstige Wirkung und sollen nicht abgesetzt werden.
  • Patienten mit typischen Symptomen eines akuten Koronarsyndroms sollen ermutigt werden, sich trotz der Angst vor COVID-19-Krankheit auf die Notfallstation zu begeben.
  • SARS-CoV-2 kann eine akute fulminante Myokarditis auslösen.
  • Hypertonie und kardiovaskuläre Vorerkrankungen erhöhen die Infektanfälligkeit nicht. Hingegen führen kardiovaskuläre Vorerkrankungen zu einem schweren Verlauf und sind zusammen mit hohem Alter mit einer schlechten Prognose verbunden.

1. Andersen K, Rambaut A, Lipkin W, Holmes E and Garry R. The proximal origin of SARS-CoV-2. Nat Med. 2020;doi: 10.1038/s41591-020-0820-9.

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Aktuelle antidiabetische Therapie bei Herzerkrankungen

In den letzten Jahren gab es enorme Fortschritte im Bereich der Therapie von Diabetes mellitus Typ 2. Dies ist unter anderem durch die neu entwickelten Medikamente bedingt, welche in kardiovaskulären Endpunktstudien bewiesen, dass sie die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren, die Entwicklung einer Herzinsuffizienz verlangsamen und die Nierenfunktion schützen.

Diabetes mellitus betrifft weltweit geschätzt einen von elf Erwachsenen. Von den verschiedenen Folgeerkrankungen bei Menschen mit Diabetes kommt der koronaren Herzerkrankung und der Herzinsuffizienz eine immer grössere Bedeutung zu. Die koronare Herzerkrankung hat in den letzten Jahrzehnten bei Diabetes mellitus kontinuierlich abgenommen, ist aber immer noch höher als bei Menschen ohne Diabetes mellitus. Demgegenüber hat sich die Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Personen mit Diabetes während dieser Zeitspanne verdreifacht und der Prozentsatz der Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz beträgt mindestens 25% (1).

Es gibt zwei Arten der Herzinsuffizienz:

  • Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurfsfraktion (HFPEF, «heart failure with preserved ejection fraction»): diese Form macht ¾ aller Fälle von Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes aus und zeigt eine linksventrikuläre Auswurfsfraktion > 40%. Die Diagnose in der Praxis von Allgemeininternisten ist aber schwierig, weil sich diese Form praktisch nur mit einer Doppler-Echokardiografie des Herzens durch den Kardiologen zweifelsfrei diagnostizieren lässt.
  • Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurfsfraktion (HFREF, «heart failure with reduced ejection fraction»), welche ¼ der Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes betrifft und häufig symptomatisch ist mit Anstrengungsdyspnoe, Orthopone, sowie Vorhofflimmern.

Obwohl mittlerweile viele wirksame Medikamente verfügbar sind, erreicht lediglich die Hälfte der an Diabetes mellitus erkrankten Patienten ihr individuelles HbA1c-Ziel (2). Gründe hierfür sind vielfältig und umfassen nicht nur die von vielen Patienten praktizierte fehlende Adhärenz zu den verordneten Medikamenten. Auch die mannigfaltigen Therapiemöglichkeiten und Kombinationen machen die medikamentöse Behandlung komplex. Der vorgestellte Behandlungsalgorithmus basiert auf den Empfehlungen der «Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie» (SGED), welche 2020 verabschiedet wurden (www.sgedssed.ch).

Kardiovaskuläre Endpunktstudien mit den neueren Medikamentengruppen seit 2008

SGLT2-Hemmer
SGLT2-Hemmer hemmen den Natrium/Glukose-Cotransporter 2 (SGLT2) in den proximalen Tubuli der Nieren, was die Rückresorption von Glukose aus dem Primärurin reduziert. Sie führen nicht zu Hypoglykämien und gehen mit einem Gewichtsverlust einher.
Mit folgenden Substanzen konnten wesentliche Vorteile in Bezug auf 3-Punkte MACE, kardiovaskuläre Mortalität und Herzinsuffizienz gezeigt werden: Empagliflozin (Jardiance®), Canagliflozin (Invokana®) und Dapagliflozin (Forxiga®) (3-6). Ertugliflozin (Steglatro®) wurde als vierter SGLT2-Hemmer zugelassen. Die Wirksamkeit konnte in der «VERTIS MONO» Studie gezeigt werden (7). Die Resultate der «VERTIS CV» Studie zur Beurteilung der kardiovaskulären Sicherheit sind noch ausstehend.
Hinsichtlich renaler Endpunkte zeigte sowohl die «EMPA-REG OUTCOME» Studie für Empagliflozin als auch die «CREDENCE» und «CANVAS» Studien für Canagliflozin eine signifikant langsamere Progression von Nierenerkrankungen. Die «EMPA-REG OUTCOME» und «CREDENCE» Studien zeigten den sicheren Einsatz bis zu einer eGFR von 30 ml/min (8, 9) .
Aufgrund dieser Studienlage kann zum aktuellen Zeitpunkt von einem Klasseneffekt in Bezug auf die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität, respektive von einem positiven Effekt auf die Herzinsuffizienz und Nierenfunktion ausgegangen werden.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten
Die GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1 RA) binden wie das körpereigene Inkretin GLP-1 an die GLP-1-Rezeptoren und führen zu einer erhöhten Insulinausschüttung und Hemmung der Glukagonsekretion. Daneben hemmen sie den Appetit und führen zu einem Gewichtsverlust.
Die «LEADER» Studie konnte 2016 zeigen, dass Liraglutid (1× täglich, Victoza®) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und hohem kardiovaskulärem Risiko zu einer signifikanten Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen und der Gesamtmortalität führt (10). Im gleichen Jahr zeigte sich bei Semaglutid (1× wöchentlich, Ozempic®) in der «SUSTAIN-6» Studie eine signifikante Reduktion von nicht-tödlichen Schlaganfällen, jedoch keine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität (11). Hinsichtlich der kardiovaskulären Ereignisse war die neu entwickelte orale Gabe von Semaglutid in der «PIONEER 4» der subkutanen Gabe nicht unterlegen (12, 13).
Dulaglutid (1× wöchentlich, Trulicity®) senkte in der «REWIND» Studie kardiovaskuläre Ereignisse, hatte jedoch ebenfalls keine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität zur Folge (14), aber eine deutliche Reduktion der Apoplexie (15, 16).
Sowohl Liraglutid in der «LEADER» Studie als auch Dulaglutid in der «REWIND» Studie zeigten bessere renale Endpunkte (17, 18). Hinsichtlich der Sicherheit bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion können GLP-1-Rezeptor-Agonisten auch bei schwer eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 30 ml/min) eingesetzt werden und sind in dieser Situation somit eine Alternative zu DPP-4-Hemmern (17).
Im Wesentlichen konnten die humanen GLP-1-Rezeptor-Agonisten positive Effekte in den Endpunktstudien aufweisen, während die kurzwirksamen, von Exenatid abgeleiteten Medikamente, dies nicht belegen konnten. Deshalb sind GLP-1 RA aufgrund der stärkeren Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patienten empfehlenswert (eine Kostenrückerstattung erfolgt nur bei einem BMI ≥ 28 kg/m2 und in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen).

DDP-4-Hemmer
Die Hemmung der Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4) führt analog zu den GLP-1-RA zu einer verlängerten Inkretin-Wirkung. Aufgrund dessen macht wegen des gleichen Wirkungsmechanismus eine Kombination mit einem GLP-1 RA keinen Sinn.
Insgesamt wiesen die DPP-4-Hemmer Alogliptin (Vipidia®), Linagliptin (Trajenta®) und Sitagliptin (Januvia®) einen neutralen Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse auf (19-22). Zu beachten ist, dass Saxagliptin (Onglyza®) in der «SAVOR-TIMI 53» Studie als bisher einzigen DDP-4-Inhibitor zu häufigeren Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz führte (23). Vorteile der DPP-4-Hemmer sind die Verabreichung selbst bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz und die fehlenden Nebenwirkungen.

Therapieempfehlungen bei Typ 2 Diabetes mellitus

Wie auf Abbildung 1 ersichtlich ist, ist die primäre Therapie für alle Patienten mit Typ 2 Diabetes eine frühe Kombination von Metformin und SGLT-2 Hemmern oder Metformin und GLP-1-Rezeptor-Agonisten. Diese Empfehlung gilt unabhängig davon, ob der Patient bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung hat, denn Patienten mit Typ 2 Diabetes mit einem geringen oder mässigen kardiovaskulären Risiko existieren praktisch nicht (Patienten < 50 Jahre mit einer Diabetesdauer < 10 Jahre) (24).

Initiale Wahl: SGLT2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten?
Während beide Klassen die sogenannten 3-Punkte MACE (schwere kardiovaskuläre Komplikationen definiert als nicht tödlichen Schlaganfall, nicht tödlichen Myokardinfarkt und kardiovaskulären Tod) reduzieren, können die Unterschiede gezielt für eine personalisierte Therapie genutzt werden. Wie in Tabelle 1 ersichtlich, führen GLP-1-Rezeptor-Agonisten zu einem stärkeren Gewichtsverlust sowie zu einer Reduktion von Schlaganfällen (11, 15, 16). Hingegen bieten SGLT2-Hemmer eine stärkere Nephroprotektion und eine Verzögerung der Herzinsuffizienz beziehungsweise weniger Hospitalisationen aufgrund einer Herzinsuffizienz (3-6). Aufgrund der vielen Vorteile besteht Hoffnung, dass eine Kombination dieser beiden Medikamentengruppen den grössten Vorteil für Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus bieten könnte, insbesondere bei einer koronaren Herzkrankheit und/oder Herzinsuffizienz (25).

Empfehlungen bei koronarer Herzkrankheit und/oder Herzinsuffizienz

Weil koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz mit einer langen Diabetesdauer, chronischer Niereninsuffizienz und einer schlechten Blutzuckereinstellung assoziiert sind, müssen drei Kernfragen beantwortet werden, bevor eine individuelle, verbindliche Therapieempfehlung gemacht werden kann (Abb. 2).

Die erste und wichtigste Frage betrifft immer das Insulin: Benötigt der Patient Insulin?
Ist der HbA1c-Wert des Patienten > 10% bei Abwesenheit der Schlüsselmerkmale des metabolischen Syndroms wie viszerale Adipositas und der typischen Dyslipidämie (niedriges HDL-Cholesterin und hohe Triglyzeride), und zeigt der Patient klinische Symptome des Insulinmangels (Gewichtsverlust, Polyurie und Polydipsie), ist die Gabe von Insulin niemals falsch. Nachdem sich die Blutzuckerwerte normalisiert haben, kann entschieden werden, ob Insulin weiterhin verabreicht wird. Bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten kann ein Typ 1 Diabetes mellitus (auch bei hohem Alter) oder eine Pankreaserkrankung, wie eine chronische Pankreatitis oder Hämochromatose vorliegen, und deshalb eine Insulintherapie notwendig machen.

Die zweite Frage bezieht sich auf die Nierenfunktion
Dieser Aspekt wirkt sich direkt auf die Wahl des Antidiabetikums aus. 25% aller Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus in der Schweiz haben eine chronische Nierenerkrankung mit einer eGFR < 60 ml/min. (26). Die meisten Medikamente können nicht verschrieben werden, wenn die eGFR unter 30 ml/min liegt (dies ist allerdings ein kleiner Prozentsatz von 2.4% (26). Ist dies der Fall, können SGLT-2 Hemmer, Metformin und Sulfonylharnstoffe nicht mehr eingesetzt werden. DPP-4 Hemmer und GLP-1 RA können in dieser Situation verschrieben werden. Bei den GLP-1 RA ist auf Übelkeit und Erbrechen zu achten, sie sind aber auch bei Dialysebedürftigkeit nicht gefährlich für den Patienten mit Diabetes mellitus.

Die dritte Frage betrifft die Herzinsuffizienz
Die bevorzugte Therapie bei Patienten mit Diabetes und einer Herzinsuffizienz oder zur Prävention der Herzinsuffizienz sind die SGLT-2 Hemmer, welche bis zu einer eGFR von 30 ml/min sicher eingesetzt werden können. Mit Reduktion der Nierenfunktion sinkt zwar der blutzuckersenkende Effekt, die Wirkungen auf 3-Punkte MACE, Erhaltung der Nierenfunktion und Therapie respektive Prävention von Herzinsuffizienz bleiben voll erhalten.

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Prof. Dr. med.Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Der Autor deklariert Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.

  • Mit den SGLT2-Hemmern und den GLP-1-RA gibt es zwei Klassen, welche kardiovaskuläre Ereignisse, die kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtmortalität senken sowie eine Nephroprotektion zeigen.
  • Der Arzt muss zudem die Patientenpräferenzen wie keine Hypoglykämien und Wunsch nach Gewichtsabnahme berücksichtigen, aber auch die
    Verringerung von Mortalität und von kardiovaskulären Ereignissen und Herzinsuffizienz. Sulfonylharnstoffe (21) und DPP-4-Hemmer (19-22) haben in Bezug auf diese harten Endpunkt-Parameter keinen Effekt.
  • Unter Berücksichtigung der kardiovaskulären Endpunkte, der Nieren-
    funktion und des Vermeidens von Hypoglykämien und einer Verminderung des Körpergewichts sind SGLT-2 Hemmer und GLP-1 RA die bevorzugten Medikamente und eine Tripelkombination mit Metformin wäre v.a. bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit und/oder
    einer Herzinsuffizienz zu empfehlen.

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6. McMurray, J.J.V., et al., Dapagliflozin in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med, 2019. 381(21): p. 1995-2008.
7. Aronson, R., et al., Long-term efficacy and safety of ertugliflozin monotherapy in patients with inadequately controlled T2DM despite diet and exercise: VERTIS MONO extension study. Diabetes Obes Metab, 2018. 20(6): p. 1453-1460.
8. Wanner, C., et al., Empagliflozin and Progression of Kidney Disease in Type 2 Diabetes. N Engl J Med, 2016. 375(4): p. 323-34.
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11. Marso, S.P., et al., Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med, 2016. 375(19): p. 1834-1844.
12. Husain, M., et al., Oral Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes. N Engl J Med, 2019. 381(9): p. 841-851.
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19. White, W.B., et al., Alogliptin after acute coronary syndrome in patients with type 2 diabetes. N Engl J Med, 2013. 369(14): p. 1327-35.
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24. Mach, F., et al., 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modification to reduce cardiovascular risk. Eur Heart J, 2019.
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Vereinfachte Abklärung und Behandlung von häufigen IgE-vermittelten Allergien

Besonders häufige IgE-vermittelte Allergien sind Inhalationsallergien wie die allergische Rhinokonjunktivitis, die meist durch Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare verursacht wird. Das diagnostische Vorgehen mittels Anamnese, Hautpricktest und Bestimmung Allergen-spezifischer IgE Antikörper soll das ursächliche Allergen identifizieren. Das soll die einzige kausale Therapie einer Allergie ermöglichen, eine Desensibilisierung.

Eine Allergie, eine überschiessende Reaktion des Immunsystems passiert nach Kontakt mit einem für den Menschen an sich harmlosem Stoff, dem Allergen (1). Eine für den klinischen Alltag sehr hilfreiche Definition einer Allergie ist die Formel: Allergie = Symptome + Sensibilisierung.
Also liegt eine Allergie nur dann sicher vor, wenn die klinischen Symptome respektive die Anamnese mit der klinischen Beschreibung der allergischen Reaktion mit einer messbaren Sensibilisierung gegen das verdächtigte Allergen übereinstimmen. Von Sensibilisierung spricht man, wenn ein Allergietest positiv ist, zum Beispiel ein Hautpricktest, oder im Serum von Patienten Allergen-spezifische IgE Antikörper messbar sind. Dazu ein Beispiel: Eine Patientin hat einen positiven Pricktest auf Karotten, verträgt aber Karotten ohne Probleme, hat also keine Symptome. Somit ist sie gegen Karotten sensibilisiert, aber nicht dagegen allergisch. Sie darf also weiter Karotten essen!
Je nach pathogenetischem Mechanismus der allergischen Reaktion werden verschiedene Typen allergischer Reaktionen unterschieden. Der häufigste und bekannteste Typ allergischer Reaktionen ist der Typ I, auch Allergie vom Soforttyp genannt. Da hier häufig IgE Antikörper eine entscheidende pathogenetische Rolle spielen (2), werden Typ I Allergien auch als IgE-vermittelte Allergien bezeichnet.

Inhalationsallergien sind besonders häufig

Wichtige Beispiele von IgE-vermittelten Allergien in Europa sind Allergien gegen Inhalationsallergene, Medikamente und Lebensmittel. Allergien gegen Inhalationsallergene sind bei weitem am häufigsten. Epidemiologische Untersuchungen gehen davon aus, dass bis zu 20% aller Menschen in industrialisierten Regionen unter einer Inhalationsallergie leiden. Tendenz steigend! Daher werden Inhalationsallergien im Folgenden beispielhaft für die Diagnostik und Therapie von IgE-vermittelten Allergien betrachtet. Die in Mitteleuropa wichtigsten Inhalationsallergene sind Pollen von Bäumen, Gräsern und Kräutern, Hausstaubmilben und Tierepithelien.
Von besonderer Bedeutung für die Diagnostik und Therapie von IgE-vermittelten Allergien ist die Tatsache, dass die betroffenen Patienten häufig unter verschiedenen Allergien leiden, die verschiedene Organsysteme betreffen können. So kann sich eine Inhalationsallergie als allergische Rhinitis, aber auch als allergisches Asthma zeigen. Ca. 50% aller erwachsenen Patienten mit allergischer Rhinitis haben auch ein allergisches Asthma (3). Oft bestehen weitere, nicht direkt durch eine Allergie verursachte Krankheitsbilder, zum Beispiel eine Neurodermitis oder eosinophile Ösophagitis. Diesen Komplex von Erkrankungen, in dem häufig IgE vermittelte Allergien und assoziierte Erkrankungen vorkommen, bezeichnet man als Atopie (4). Wichtig ist, bei der Betreuung von Patienten mit Inhalationsallergien nicht nur an den klassischen Heuschnupfen zu denken, sondern immer auch an weitere atopische Erkrankungen wie Asthma und Neurodermitis.

Mit der Anamnese wird die Anzahl der möglichen ursächlichen Allergene eingeschränkt

Die Anamnese ist der wichtigste Schritt der allergologischen Diagnostik. Wie eine sinnvolle Anamnese aussehen könnte zeigt Tab. 1. Die Anamnese ist unerlässlich, um zu beurteilen, ob eine Allergie überhaupt wahrscheinlich ist und damit weitere Tests nötig sind. Nach den Tests muss evaluiert werden, ob die Symptome überhaupt zu den Ergebnissen aus Pricktests und Serologie passen. So macht es bei Verdacht auf eine saisonale Inhalationsallergie gegen Pollen Sinn, den Beschwerdezeitraum mit der Blütezeit der einzelnen Pflanzenfamilien, sowie den Ergebnissen einer Komponenten-basierten Serologie (siehe unten) zu korrelieren (Tab. 2). Zudem sollen weitere Erkrankungen aus dem Formenkreis der Atopie erfasst werden.

Der Pricktest gibt einen schnellen und breiten Überblick über Sensibilisierungen

Im nächsten Schritt der allergologischen Abklärung erfolgt der Pricktest. Er ist einfach, liefert Resultate nach 20 Minuten und gibt einen kostengünstigen Überblick über die Sensibilisierung auf eine Vielzahl von Allergenen. Daher ist er auch für die Hausarztpraxis sinnvoll. Die Europäische Akademie für Allergologie und klinische Immunologie hat eine Empfehlung abgegeben, welche wichtigen saisonalen und ganzjährigen (perennialen) Allergene im Pricktest enthalten sein sollten (Tab. 3) (5). Leider sind nicht immer alle empfohlenen Pricktest Lösungen lieferbar.

Die Serologie hilft relevante Allergene zu identifizieren

Wollen Arzt und Patient wissen, ob es sich bei den Beschwerden überhaupt um eine Allergie handeln könnte, und wenn ja um welche, so reicht der Pricktest aus. Strebt man eine Desensibilisierung an, sollte der Nachweis von Allergen-spezifischen IgE Antikörpern erfolgen («Serologie»). Die Serologie hilft dabei diejenigen Allergene zu identifizieren, gegen die desensibilisiert werden kann. Der Autor empfiehlt, dabei dem Konzept der Komponenten-basierten Diagnostik zu folgen, bei dem eine Sensibilisierung gegen Haupt- und Nebenallergene untersucht wird (6).
Das Konzept der Haupt- und Nebenallergen soll kurz erläutert werden. Pollen beinhalten verschiedene Allergene. Zum Beispiel wurden aus Birkenpollen bisher acht Allergene charakterisiert, die als Bet v 1 bis Bet v 8 bezeichnet werden. Ein Hauptallergen ist definiert als ein klinisch relevantes Allergen, das in grossen Mengen in der Allergenquelle vorhanden ist, und wogegen mindestens 50% der allergischen Individuen sensibilisiert sind. So ist Bet v 1 das Hauptallergen der Birkenpollen, gegen das >95% der Birkenpollenallergiker sensibilisiert sind (7, 8). Bet v 2 bis 8 sind die Nebenallergene der Birke, und kommen in geringerer Konzentration in Birkenpollen vor. Hauptallergene sind ausserdem charakteristisch für eine Allergenfamilie (Tab. 4). So ist Bet v 1 charakteristisch für alle Frühblüher, da ein dem Bet v 1 sehr ähnliches (homologes) Allergen auch in anderen Frühblühern wie Hasel und Erle das Hauptallergen ist. Eine Sensibilisierung gegen Bet v 1 zeigt nicht nur eine Birkenpollenallergie, sondern eine Allergie gegen alle frühblühenden Bäume an. Im Gegensatz dazu sind Nebenallergene oft Panallergene, die in ganz verschiedenen Allergenquellen vorkommen. Zum Beispiel kommt Bet v 2 nicht nur in Birken und anderen Frühblühern vor, sondern in homologer Form auch in Gräsern und Kräutern (9). Ein gegen Bet v 2 sensibilisierter Patient wird also einen positiven Pricktest nicht nur mit Birken und Frühblüher, sondern auch mit Gräsern und Kräutern haben. Diese Patienten sind damit im Pricktest «gegen alles positiv». In diesem Fall braucht es die Serologie mit Komponenten-basierter Diagnostik, um das relevante Allergen zu bestimmen.

Gelegentlich sind weitere Tests nötig

Können Anamnese, Pricktest und Serologie noch nicht die für einen Patienten tatsächlich relevanten Allergene identifizieren, stehen weitere Tests wie nasale Provokationstests oder der basophile Aktivierungstest zur Verfügung. Diese sollten sinnvollerweise vom Facharzt für Allergologie und klinische Immunologie durchgeführt werden. Bei Patienten mit länger bestehender allergischer Rhinitis besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale. Daher sollte bei diesen Patienten zumindest einmal eine Spirometrie und Messung des Stickoxides in der Ausatemluft gemacht werden (10).

Kortisonhaltige Nasensprays sind sehr effektiv bei Inhalationsallergien

Ist eine Inhalationsallergie als Ursache der Beschwerden identifiziert, muss die Therapie besprochen werden. Bei allergischer Rhinokonjunktivitis sind Kortison-haltige Nasensprays die Säule der Therapie (11). Ihr Vorteil ist, dass sie die Wirkstoffe direkt an das betroffene Organ, die oberen Atemwege bringen. Zusätzlich sind sie auch bei Asthma wirksam. Umgekehrt sollten alle Patienten mit allergischem Asthma neben inhalativen Steroiden auch Kortison-haltige Nasensprays erhalten. Somit können beide Etagen der Atemwege, die auch als «united airways» bezeichnet werden, effektiv behandelt werden.
Wenn die Nasensprays nicht ausreichend wirken, sollen zusätzlich Antihistaminika als Augentropfen oder als Tabletten verabreicht werden. Die Patienten sollen darauf hingewiesen werden, dass Kortison-haltige Nasensprays, inhalative Steroide, und Antihistaminika ungefährlich sind und in der therapeutisch wirksamen Dosis grosszügig einzusetzen sind. Diese Medikamente dürfen auch in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Publikationen, eine gute Übersicht gibt die Arbeit von Namazy et al. (12).

Die Desensibilisierung ist die einzige kausale Therapie von Inhalationsallergien

Eine Desensibilisierung sollte das erklärte Therapieziel bei allen Patienten mit ausgeprägter Inhalationsallergie sein. Sie wirkt als einzige Therapie krankheitsmodifizierend und könnte die Entstehung eines allergischen Asthmas sowie die Entstehung weiterer Inhalationsallergien verhindern (13). Die Entscheidung gegen welche Allergien desensibilisiert wird, kann komplex sein. Es stehen verschiedene Präparate mit einzelnen Allergenen oder mit Allergenmischungen zur Verfügung, die subkutan oder sublingual verabreicht werden. Zudem ist es oft verwirrend, welche Präparate in der Schweiz zugelassen sind, was Probleme bei der Kostenübernahme durch den Versicherer bereiten kann. Nicht zuletzt dauert eine Desensibilisierung mindestens 3 Jahre und ist kosten- und zeitintensiv, daher sollte die Entscheidung für eine Desensibilisierung auf festen Beinen stehen. Daher empfiehlt der Autor vor dem Entscheid für eine Desensibilisierung die Rücksprache mit einem Facharzt für Allergologie und klinische Immunologie. Die Desensibilisierung selbst kann und soll jedoch in der Hausarztpraxis durchgeführt werden. Sie wird umso besser funktionieren, je besser Hausarzt und Allergologe zusammenarbeiten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Martin Glatz

Facharzt für Allergologie und Klinische Immunologie
allergie+haut2, Facharztklinik für Haut
Allergie und Immunsystem
Loren-Allee 22
8610 Uster

glatz@allergie-haut.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Eine Allergie liegt nur dann sicher vor, wenn die klinischen Symptome respektive die Anamnese mit der klinischen Beschreibung der allergischen Reaktion und mit einer messbaren Sensibilisierung gegen das verdächtigte Allergen übereinstimmen.
  • Wichtige Beispiele von IgE-vermittelten Allergien in Europa sind Allergien gegen Inhalationsallergene, Medikamente und Lebensmittel. Allergien gegen Inhalationsallergene sind bei weitem am häufigsten.
  • Die Anamnese ist der wichtigste Schritt der allergologischen Diagnostik.
  • Im nächsten Schritt der allergologischen Abklärung erfolgt der Pricktest. Er ist einfach und gibt einen Überblick über die Sensibilisierung auf eine Vielzahl von Allergenen. Daher ist er auch für die Hausarztpraxis sinnvoll. Er reicht aus, um zu klären, ob es sich bei den Beschwerden um eine Allergie handeln könnte, und wenn ja um welche.
  • Strebt man eine Desensibilisierung an, sollte der Nachweis von Allergen-spezifischen IgE Antikörpern erfolgen.

1. Aaberse RC. Structural Biology of Allergens. The Journal of allergy and clinical im-munology. 2000;106(2).
2. Ishizaka K, et al. Identification of gamma-E-antibodies as a Carrier of Reaginic Ac-tivity. Journal of immunology (Baltimore, Md : 1950). 1967;99(6).
3. Magnan A, et al. Frequency and Impact of Allergic Rhinitis in Asthma Patients in Everyday General Medical Practice: A French Observational Cross-Sectional Stu-dy. Allergy. 2008;63(3).
4. Wüthrich B. What Is Atopy? Condition, Disease or a Syndrome? Current problems in dermatology. 1999;28.
5. Bousquet J, et al. Practical Guide to Skin Prick Tests in Allergy to Aeroallergens. Allergy. 2012;67(1).
6. Valenta R, et al. The Recombinant Allergen-Based Concept of Component-Re-solved Diagnostics and Immunotherapy (CRD and CRIT). Clinical and experi-mental allergy : journal of the British Society for Allergy and Clinical Immunology. 1999;29(7).
7. Niederberger V, et al. Recombinant Birch Pollen Allergens (rBet v 1 and rBet v 2) Contain Most of the IgE Epitopes Present in Birch, Alder, Hornbeam, Hazel, and Oak Pollen: A Quantitative IgE Inhibition Study With Sera From Different Populati-ons. The Journal of allergy and clinical immunology. 1998;102(4 Pt 1).
8. Ipsen H, et al. Isolation and Immunochemical Characterization of the Major Aller-gen of Birch Pollen (Betula Verrucosa). The Journal of allergy and clinical immu-nology. 1983;72(2).
9. Valenta R, et al. Profilins Constitute a Novel Family of Functional Plant Pan-Aller-gens. The Journal of experimental medicine. 1992;175(2).
10. Global Initiative for Asthma. Strategy for Asthma Management and Prevention, 2020 Available from: wwwginasthmaorg.
11. Bousquet J, et al. Next-generation Allergic Rhinitis and Its Impact on Asthma (ARIA) Guidelines for Allergic Rhinitis Based on Grading of Recommendations As-sessment, Development and Evaluation (GRADE) and Real-World Evidence. The Journal of allergy and clinical immunology. 2020;145(1).
12. Namazy J, et al. The Treatment of Allergic Respiratory Disease During Pregnancy. Journal of investigational allergology & clinical immunology. 2016;26(1).
13. Wahn U, et al. Real-world Benefits of Allergen Immunotherapy for Birch Pollen-Associated Allergic Rhinitis and Asthma. Allergy. 2019;74(3)

Hat Rivaroxaban nach Revaskularisation bei PAVK einen Stellenwert?

Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK), bei denen eine Revaskularisierung der unteren Extremitäten durchgeführt wurde, haben ein hohes Risiko für klinisch bedeutsame unerwünschte Ereignisse in den Extremitäten und im Herz-Kreislauf-System. Inwieweit ein Zusatz von DOACs zur Standardtherapie mit Acetylsalicylsäure diese Komplikationen reduzieren kann und um welchen Preis (Blutungen), ist unklar.

In der von Bayer and Janssen Pharmaceuticals finanzierten Doppelblindstudie VOYAGER PAD wurden Patienten mit PAVK, bei denen eine Revaskularisation durchgeführt worden war, randomisiert zu Rivaroxaban (2.5 mg zweimal täglich) plus Aspirin (RA) oder Placebo plus Aspirin (A). Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus akuter Ischämie der Extremitäten, Amputation aufgrund vaskulärer Ursachen, Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall oder Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen. Das primäre Sicherheitsergebnis war eine grössere Blutung, definiert gemäss der Klassifikation für Thrombolyse bei Myokardinfarkt (TIMI); eine grössere Blutung gemäss der Definition der International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) war ein sekundäres Sicherheitsergebnis.
Ergebnisse: Insgesamt wurden 6564 Patienten randomisiert; 3286 wurden der Rivaroxaban-Gruppe und 3278 der Placebo-Gruppe zugeordnet. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt trat bei 508 Patienten in der RA-Gruppe und bei 584 Patienten in der A-Gruppe auf; die Kaplan-Meier-Schätzungen der Inzidenz nach 3 Jahren lagen bei 17.3% bzw. 19.9% (HR 0.85, 95%-Konfidenzintervall 0.76 – 0.96; p = 0.009). Signifikante Blutungen gemäss der TIMI-Definition traten bei 62 Patienten in der RA-Gruppe und bei 44 Patienten in der A-Gruppe auf (2.65% und 1.87%; HR 1.43; 95%-KI, 0.97 – 2.10; p = 0.07). Blutungen gemäss ISTH-Definition traten bei 140 Patienten in der RA-Gruppe auf, im Vergleich zu 100 Patienten in der A-Gruppe (5.94% und 4.06%; HR 1.42; 95%-KI, 1.10 bis 1.84; p = 0.007).
Die Autoren kommen zum Schluss, dass bei Patienten mit PAVK nach Revaskularisation unter Rivaroxaban in einer Dosis von 2,5 mg zweimal täglich plus Aspirin ein Endpunkt in Form von akuter Extremitätenischämie, Amputation aufgrund vaskulärer Ursachen, Myokardinfarkt, ischämischem Schlaganfall oder Tod aufgrund kardiovaskulärer Ursachen um relativ 15% und absolut 2.6% seltener beobachtet werden muss als unter Aspirin allein. Hingegen konnte erwartungsgemäss eine etwas höhere Inzidenz von klinisch relevanten Blutungen beobachtet werden, wobei der Unterschied zwischen den Gruppen, je nach Definition von «Blutung» knapp nicht signifikant resp. signifikant war. Zur Beurteilung der klinischen Bedeutung dieser Blutungen ist wichtig, dass die Anzahl intrakranialer und letaler Blutungen mit 17 unter RA und 19 unter A identisch war. Die VOYAGER PAD-Studie liefert zusammen mit der früheren KOMPASS-Studie wichtige Hinweise für ein neues Behandlungsparadigma für Patienten mit PAVK.

Quelle: Rivaroxaban in Peripheral Artery Disease after Revascularization. Bonaca MP, Bauersachs RM, et al. N Engl J Med 2020;382:1994-2004.

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch