Hepatitis C als Ziel eines breiten Screenings

Die jüngere Geschichte Ägyptens war mindestens seit den Terroranschlägen beim Tempel der Hatschepsut mit Militärputsch, jahrzehntelanger Misswirtschaft, Korruption und iatrogener Hepatitis-C-Epidemie nicht angetan, die gleiche Bewunderung wie für dessen antike Geschichte auf sich selbst zu ziehen. Vielleicht zu Unrecht, wie die jüngste Medizingeschichte zeigt.

Im Rahmen des Jahrzehnte-dauernden Kampfes gegen Schistomosiasis ist es in Ägypten zur weltweit höchsten Rate an Hepatitis-C-Infektionen gekommen, rund 15% der Bevölkerung wurde infiziert. 2006 wurde das Nationale Komitee für die Kontrolle von viraler Hepatitis gegründet und Dr. Wahid Doss zu dessen Leiter ernannt. Zu dieser Zeit war Ribavirin / Interferon die einzig verfügbare Therapie und mit einem Preis von $ 4000 für ein landesweites Therapieprogramm prohibitiv. Dr. Doss wurde darauf nach eigenen Worten zum «Experten zur Reduktion von Medikamentenpreisen». Um die grossen Pharmafirmen zu beruhigen, stimmte er ein, vergünstigte Medikamente ausschliesslich über Behandlungszentren zu verteilen. Bis 2013 hat seine Gruppe 25 Hepatitis-C-Zentren geschaffen, in denen jährlich 50000 Patienten auf Kosten der Regierung gegen Hepatitis C behandelt wurden, allerdings mit einer Erfolgsrate von lediglich 40%. Die Einführung der direkt wirksamen antiviralen Substanzen läutete ein neues Zeitalter ein, Dr. Doss gelang es, für Sovaldi einen Preis von $ 900 pro Behandlung zu vereinbaren, und er konnte freie Testung und Behandlung für alle Bewohner über 18 Jahre offerieren. Bis 2017 waren 1,6 Mio. Menschen behandelt mit einer Erfolgsrate von 98%. Gleichzeitig konnte erreicht werden, dass aktuell 7 Substanzen direkt von ägyptischen Firmen produziert werden können zu Kosten von $ 45 pro 3-monatige Therapie.
Mit Unterstützung der Weltbank wurde das Screeningprogramm ab 2018 ausgeweitet, nicht nur werden darin alle Ägypter über 12 Jahre auf Hepatitis C getestet und positivenfalls kostenlos in öffentlichen Kliniken behandelt, sondern auch auf Hypertonie, Diabetes und Übergewicht. Bis 2019 konnte das Screening landesweit in 116 Zentren angeboten werden und wurde von 60 Mio. Menschen über 18 Jahre und 8 Mio. zwischen 12 und 18 Jahre in Anspruch genommen: 4% wiesen Antikörper gegen Hepatitis C auf, 75% davon waren virämisch. 21% waren hyperton, 5% diabetisch und 40% übergewichtig laut WHO. Alle Menschen mit aktiver Virusreplikation wurden behandelt und damit dürfte Ägypten das erste Land der Welt sein, in dem die Hepatitis C eliminiert werden wird.
Ägypten hat der Welt gezeigt, dass es nicht unmöglich ist, ein Screeningprogramm für die Volksgesundheit bedeutsame Krankheiten auf die Beine zu stellen, und dass Herausforderungen durch die Preisgestaltung von neuen Medikamenten erfolgreich angenommen werden können mit dem Ziel, Behandlungen für alle anbieten zu können. Möge sich die Schweiz Ägypten zum Vorbild nehmen. Bis es soweit ist, kann jeder Arzt seinen Beitrag an die Erfassung und Behandlung von Hepatitis C zu leisten, warum nicht bei jeder Testung auf Corona auch eine Hepatitis-C-Serologie in Auftrag geben?

HKS

Quelle: Universal Disease Screening and Treatment – The Egyptian Example. Haseltine WA. N Engl J Med 2020;382:1081-83

Aspirin senkt Mortalität an HCC bei chronischer Hepatitis

Das hepatozelluläre Karzinom ist immer noch mit einer hohen Mortalität behaftet. Experimentelle Daten legen nahe, dass Aspirin die Progression von Lebererkrankung und Hepatokarzinogenese durch diverse Mechanismen einschliesslich Prävention der Thrombozytendegranulation, Modulation von bioaktiven Lipiden und Hemmung der proinflammatorischen COX-2-Enzyme reduzieren kann, klinisch relevante Daten dazu lagen bisher nur wenige vor.

Deshalb wurden mit Hilfe des schwedischen Registers alle Erwachsenen identifiziert, bei denen zwischen 2005 und 2015 eine chronische Hepatitis B oder Hepatitis C diagnostiziert wurde und die bisher keine Aspirin eingenommen hatten (n=50 275). Von diesen konnten 14 205 Patienten identifiziert werden, welche sekundär begonnen haben, mindestens 90 mg/d Aspirin einzunehmen. Mit Hilfe einer Cox-Regressionsmodellierung wurde das Risiko eines HCC und die leberbezogene Mortalität unter Berücksichtigung konkurrierender Ereignisse abgeschätzt, wobei die Ausgangscharakteristika zwischen den Gruppen statistisch ausgeglichen wurde.
Ergebnisse: Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 7,9 Jahren betrug die geschätzte kumulative Inzidenz des Leberzellkarzinoms 4,0% bei Aspirin-Anwendern und 8,3% bei Nicht-Verwendern von Aspirin (-4,3 Prozentpunkte; 95% KI -5,0 bis -3,6; angepasste Hazard Ratio, 0,69; 95 % KI, 0,62 bis 0,76). Diese umgekehrte Assoziation schien von der Dauer abhängig zu sein; im Vergleich zur kurzfristigen Anwendung (3 Monate bis <1 Jahr) betrugen die angepassten Hazard Ratios 0,90 (95% CI, 0,76 bis 1,06) bei 1 bis weniger als 3 Jahren Anwendung, 0,66 (95% CI, 0,56 bis 0,78) bei 3 bis weniger als 5 Jahren Anwendung und 0,57 (95% KI, 0,42 bis 0,70) bei 5 oder mehr Jahren Anwendung. Die zehnjährige leberbezogene Mortalität betrug 11,0% bei Aspirin-Anwendern und 17,9% bei Nicht-Nutzern (-6,9 Prozentpunkte; 95% KI, -8,1 bis -5,7; bereinigte Hazard Ratio, 0,73; 95% KI, 0,67 bis 0,81). Das 10-Jahres-Risiko für gastrointestinale Blutungen unterschied sich jedoch nicht signifikant zwischen Anwendern und Nicht-Nutzern von Aspirin (7,8% bzw. 6,9%; Differenz 0,9 Prozentpunkte; 95% KI, -0,6 bis 2,4).
Die Autoren kommen zum Schluss, dass in ihrer landesweiten Studie an Patienten mit chronischer Virushepatitis in Schweden die Einnahme von niedrig dosiertem Aspirin mit einem signifikant niedrigeren Risiko für ein Leberzellkarzinom und einer geringeren leberbedingten Mortalität verbunden war, als die Nicht-Einnahme von Aspirin, ohne ein signifikant höheres Risiko für Magen-Darm-Blutungen.

Kommentar

Wenn sich auch heute alle medizinischen Fachpersonen bemühen, Fälle von Hepatitis C vollständig zu erfassen und damit einen Beitrag an die Elimination dieser Krankheit zu leisten, sind wir von diesem Ziel immer noch weit entfernt. Dazu kommt, dass rein rechnerisch auch bei optimaler Behandlung aller Hepatitis-C-Patienten der Peak an HCC in der Schweiz noch nicht erreicht ist. Unter diesem Aspekt, der eindrücklichen Reduktion der Inzidenz von HCC (-31%) resp. leberbezogenen Mortalität (-27%) und insbesondere aufgrund des Befundes, dass es bei dieser Risikogruppe (Stichwort Oesophagus-Varizen) nicht zu einer Zunahme an Blutungen gekommen ist, scheint der Einsatz von Aspirin bei Patienten mit chronischer Hepatitis eine valable Option zu sein. Resultate davon könnten sogar im Rahmen einer Studie von Hausärzten in grösseren Netzwerken überprüft werden.

Dr. med. Hans Kaspar Schulthess

Quelle: Simon TG et al. Association of Aspirin with Hepatocellular Carcinoma and Liver-Related Mortality. N Engl J Med 2020;382:1018-1028

Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)

Die Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) ist eine durch Zecken übertragene Viruserkrankung des Nervensystems. Sie ist zwar wesentlich seltener als die ebenfalls durch Zecken übertragene Borreliose. FSME ist oft auf eine fieberhafte Erkrankung beschränkt, die von selbst abheilt. Sie kann aber auch zu sehr aggressiven nachgeschalteten neurologischen Manifestationen führen.

Für die FSME ist keine kausale Therapie verfügbar, weshalb der Prophylaxe entscheidende Bedeutung zukommt. Im Falle einer Infektion müssen die Krankheitszeichen schnell erkannt und eine symptomatische Behandlung eingeleitet werden.

Vorbeugung

Zur Vorbeugung gegen FSME steht eine sichere und gut wirksame Impfung zur Verfügung. Diese ist für alle Personen empfohlen (im Allgemeinen ab dem Alter von 6 Jahren), welche sich in einem Risikogebiet gegenüber Zecken (ganze Schweiz ausser die Kantone Genf und Tessin) aufhalten.
Die Impfung kann während des ganzen Jahres durchgeführt werden. Sie ist nebenwirkungsarm und gut verträglich. Schwere Nebenwirkungen sind äusserst selten. Sie treten etwa einmal pro 1 Million Impf-dosen auf. Etwa 1% der Geimpften spricht nicht auf den Impfstoff an.
Ergänzend zu den Impfungen sind die allgemeinen Schutzmassnahmen gegen Zecken zu beachten: gut abschliessende Kleidung und das Meiden von Unterholz. Hilfreich sind ausserdem Schutzmittel für die Haut und Insektizide für die Kleider.
Da Zeckenstiche oft nicht bemerkt werden, sollten nach einem Aufenthalt im Wald Körper und Kleidung auf Zecken untersucht werden. Das Tragen heller Kleidung erleichtert dabei die Zeckensuche. Haustiere (z. B. Hunde, Katzen oder Pferde) sollten ebenfalls auf Zecken abgesucht werden. Gefundene Zecken möglichst schnell entfernen, am besten durch Fassen mit einer feinen Pinzette direkt über der Haut und kontinuierlichen Zug. Danach die Stichstelle desinfizieren. Bei Fieber oder anderen Symptomen nach einem Zeckenstich sollte man einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen.

Häufigkeit der Infektionen mit FSME

Seit 2005 schwanken die Fallzahlen in der Schweiz zwischen 100 und 250 Fällen pro Jahr. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen, dessen Ursachen wahrscheinlich vielfältig sind: günstige klimatische Bedingungen für Zecken und Wetter, welches die Menschen vermehrt ins Freie lockt.
Zecken gibt es auf der ganzen Welt. In der Schweiz haben sich die Gebiete, in welchen sich Personen mit dem FSME-Virus infiziert haben, ausgeweitet. Nur die Kantone Genf und Tessin wurden bisher weitgehend verschont. Daher gilt die ganze Schweiz mit Ausnahme dieser beiden Kantone als FSME-Risikogebiet.

FSME Krankheitsbild

Sieben bis vierzehn Tage nach dem Stich einer infizierten Zecke kann es zu einer ersten Krankheitsphase mit grippeartigen Symptomen kommen. Beim Grossteil der Patienten treten jedoch keine Krankheitszeichen auf. Bei 5 bis 15 % der Erkrankten kommt es nach einem beschwerdefreien Zeitraum zum Befall des zentralen Nervensystems mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Lichtscheu, Schwindel, Konzentrations- und Gehstörungen. Diese können Wochen bis Monate andauern. Bei einem Teil der Patienten können Lähmungen der Arme, Beine oder Gesichtsnerven auftreten und zu bleibenden Behinderungen führen. In zirka 1 % der Fälle mit neurologischen Symptomen führt die Krankheit zum Tod. Eine ursächliche Behandlung der FSME ist nicht möglich, es können lediglich Symptome behandelt werden.

Fazit

  • Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine durch das FSME-Virus ausgelöste Erkrankung, die mit grippeähnlichen Symptomen, Fieber verläuft.
  • Bei einem Teil der Patienten geht sie mit einer Meningoenzephalitis einher.
  • Bei schweren Verlaufsformen können Restschäden bleiben. Bei 1% der Erkrankten (meistens älteren Patienten) verläuft die Erkrankung tödlich.
  • In der Regel erkranken Kleinkinder (unter 6 Jahren) seltener und der Krankheitsverlauf ist weniger schwer als bei älteren Personen.
  • FSME wird durch den Stich einer infektiösen Zecke übertragen.
  • Zur Prophylaxe wird die Impfung entsprechend dem Impfschema des BAG empfohlen.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Blähungen und abdominale Distension

Funktionelle Blähungen und Distension des Abdomens (FABD) sind häufige gastrointestinale Beschwerden, mit denen Gastroenterologen und Hausärzte täglich konfrontiert werden. Funktionelle abdominale Blähungen sind ein subjektives Gefühl, das häufig mit einer objektiven abdominellen Distension assoziiert wird. FABD kann als eine einzige Einheit (als einzige oder kardinale Beschwerde) diagnostiziert werden oder sich mit anderen funktionellen gastrointestinalen Störungen wie funktioneller Obstipation, Reizdarmsyndrom und funktioneller Dyspepsie überschneiden.

Die Pathophysiologie der FABD ist nicht vollständig verstanden. Zu den vorgeschlagenen Mechanismen gehören viszerale Überempfindlichkeit, verhaltensinduzierte abnorme Bauchwand-Zwerchfellreflexe, die Wirkung schlecht resorbierter fermentierbarer Kohlenhydrate und Mikrobiomveränderungen.
Im 2016 überarbeitete die Arbeitsgruppe Rom IV die diagnostischen Kriterien für Rom III und aktualisierte die klinische Bewertung und Behandlung von funktionellen Blähungen und Dehnungen des Abdomens (FABD) (1). Gemäss Rom IV ist die FABD durch (subjektive) Symptome eines rezidivierenden abdominalen Völlegefühls, Druck oder ein Gefühl von Gaseinschlüssen (Blähungen) und/oder messbare (objektive) Zunahme des Bauch-umfangs (Distension) gekennzeichnet (1). Die primäre FABD sollte als eine Einheit diagnostiziert werden, die sich nicht mit anderen funktionellen gastrointestinalen Störungen (FGID) wie funktioneller Obstipation (FC), Reizdarmsyndrom (IBS) und funktioneller Dyspepsie (FD) überschneidet.

Evaluation

Zunächst sollten jegliche organische Ursachen für Blähungen und Völlegefühl ausgeschlossen werden, einschliesslich Zöliakie oder andere malabsorptive Störungen, Darmstörungen und chronische Darmpseudoobstruktionen. Darüber hinaus sollte das Vorliegen von Alarmzeichen, wie Gewichtsverlust, rektale Blutungen oder Anämie, sofort untersucht werden. Die Anamnese sollte sich auf tageszeitliche Veränderungen, die Beziehung zu bestimmten Nahrungsmitteln oder Nahrungsmittelkomponenten (Milchprodukte, Weizen, Fruktane, Fett, Ballaststoffe, schlecht verdaute und absorbierte Kohlenhydrate) und veränderte Darmgewohnheiten konzentrieren.
Für die Beurteilung von FABD empfiehlt die Arbeitsgruppe Rom IV 2016 grundlegende diagnostische Tests wie ein vollständiges Blutbild (CBC) bei Verdacht auf Anämie, Zöliakieserologie (und bei positivem Befund sollten Zwölffingerdarmbiopsien hinzugefügt werden), abdominale Röntgenaufnahmen, um eine Obstruktion auszuschliessen, und einen Atemtest zur Diagnose von SIBO (2).

Therapeutische Optionen

Nach dem Ausschluss von Alarmzeichen, organischen Erkrankungen und Überschneidungen mit anderen FGID ist der nächste Schritt das Angebot einer schrittweisen, individualisierten Behandlung. Diese umfasst neben der symptomatischen Behandlung die diätetische Intervention, die Linderung der Konstipation und die Modulation des Mikrobioms zur Anwendung,
Eine weitere Option ist die Aufklärung der Patienten über den Gebrauch ihrer Bauch- und Zwerchfellmuskeln. Diese Biofeedback-Therapie verringerte sowohl die subjektive Blähung als auch den Bauchumfang (3). Die Modulation der Darm-Hirn-Achse durch Antidepressiva und selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer kommen bei Patienten mit Reizdarmsyndrom ebenfalls zur Anwendung.
Für die symptomatische Behandlung von FABD stehen mehrere Wirkstoffe zur Verfügung, die bei einigen Patienten einen gewissen klinischen Nutzen bei der Linderung der Symptome gezeigt haben (4). In einer Doppelblindstudie wurde festgestellt, dass Simethicon die Häufigkeit und den Schweregrad von Blähungen, Völlegefühl und Blähungen reduziert (5). In zwei weiteren kontrollierten Studien reduzierte Pfefferminzöl das Völlegefühl im Vergleich zu Placebo signifikant (6, 7). Trotz ihrer Beliebtheit fehlen Belege für andere häufig verwendete Mittel wie Aktivkohle, Iberogast und Magnesiumsalze.

Fazit

  • Funktionelle Blähungen und Völlegefühl im Abdomen sind eine weit verbreitete Erkrankung mit nachteiligen Auswirkungen auf das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität.
  • Die Therapie kann auf Darmmotilität, Muskeltonus, Mikrobiota, viszerale Empfindlichkeit, Ernährung und/oder psychologische Komorbidität abzielen. Ein schrittweiser, multidisziplinärer, individualisierter Ansatz ist wünschenswert.
  • Neben der Mikrobiom-Modulation, der abdominellen Biofeedback-Therapie und der Modulation der Darm-Hirn-Achse empfehlen sich pflanzliche Heilmittel wie Pfefferminzöl oder die Pfefferminz/Kümmelölkombination (Carmenthin®) zur Behandlung.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

Quelle: Mari A et al . Bloating and abdominal distension: clinical approach and management. Advances in Therapy 2019 ; 36,1075–1084(2019)

1. Lacy B, Mearin F, Chang L, et al. Bowel disorders. Gastroenterology. 2016;150(6):1393–407.
2. Dukowicz AC, Lacy BE, Levine GM. Small intestinal bacterial overgrowth:
a comprehensive review. Gastroenterol Hepatol. 2007;3:112–22.
3. Barba E, et al. Abdominothoracic mechanisms of functional abdominal distension and correction by biofeedback. Gastroenterology. 2015;148(4):732–9.
4. Malagelada J et al. . Bloating and abdominal distension: old misconceptions and current knowledge. Am J Gastroenterol. 2017;112(8):1221–31.
5. Bernstein J, Kasich A. A double-blind trial of simethicone in functional disease of the upper gastrointestinal tract. J Clin Pharmacol. 1974;14(11):617–23
6. Liu J, Chen G, et al. Enteric-coated peppermint-oil capsules in the treatment of irritable bowel syndrome: a prospective, randomized trial. J Gastroenterol. 1997;32(6):765–8.
7. Cappello G, et al. Peppermint oil (Mintoil®) in the treatment of irritable bowel
syndrome: a prospective double blind placebo-controlled randomized trial.
Dig Liver Dis. 2007;39(6):530–6.

COVID-19 – ein Lagebericht aus dem Tessin

Der erste «Corona-Patient» in der Schweiz wurde in Lugano in eurem Spital Moncucco behandelt. Wie seid ihr auf die Diagnose gekommen und wie war der Verlauf?

Dr. med. Daniel Hagara

D. Hagara: Der erste Coronavirus-Patient war ein 70-jähriger Zahnarzt, der sich wahrscheinlich bei einem Ärztesymposium in Mailand angesteckt hat. Die Diagnose wurde am 25.2.2020 gestellt, da bei uns im Spital Moncucco bereits ab 24.2.2020, also 3 Tage nach den alarmierenden Nachrichten der Lombardei, eine Notfalltriage auf Covid errichtet worden war. Dieser Patient wurde regelhaft isoliert und hatte in der Folge einen guten Krankheitsverlauf. Seine durchgemachten sozialen Kontakte wurden in Zusammenarbeit mit dem Kantonsarzt zurückverfolgt.

Prof. Dr. med. Andreas Cerny

A. Cerny: Am 7.2. hatten wir schon einen jungen Patienten auf dem Notfall gesehen, welcher seit kurzem aus China zurückgekehrt war. Gottlob waren seine Grippesymptome nicht auf das SARS CoV-2 zurückzuführen. Diese Erfahrung half uns, das interne Dispositiv zu verbessern. Obschon wir täglich von den Ereignissen in den italienischen Medien informiert worden waren, traf uns die Epidemie mental unvorbereitet. Es ist die enorme Geschwindigkeit der Ausbreitung, welche wir alle unterschätzten.

Was waren die unmittelbaren Konsequenzen aus diesem ersten Fall fürs Personal, Spital und den Kanton?

D. Hagara: Bereits in dieser ersten Woche nach den Ereignissen in der Lombardei wurden in unserem Spital wie auch im Kanton Krisenstäbe täglich abgehalten. Meiner Meinung nach war die Tragweite der Geschehnisse allen Akteuren des Gesundheitswesens wie auch den politischen Kräften klar. Die ersten Entscheidungen waren aber zunächst sehr umstritten: so wurde der Karneval von Bellinzona noch abgehalten und Grossanlässe wie z.B. Sportanlässe wurden durchgeführt. Am 26.2.2020 wurden dann Karneval und Grossanlässe verboten. Die Schulen aber blieben weiterhin geöffnet und wurden dann erst am 11.3.2020 (post-obligatorische Schulen) und 16.3.2020 (alle) geschlossen.
In unserer Klinik wurden bereits nach 2 Tagen Massnahmen auf der Notfallstation ergriffen, die dem Covid-Verdacht Rechnung trugen. Nach einer Woche wurden stationäre Betten errichtet für die Covid-Verdachtsfälle. Es wurde erst nach 10 Tagen eine allgemeine Maskentragpflicht des Personals eingeführt.

Wie konnte der ambulante und stationäre Spitalbetrieb aufrechterhalten werden, auch um Schaden bei Patienten mit anderen Problemen abzuwenden?

D. Hagara: Wie das Tessin stark mit der Lombardei verknüpft ist, zeigt folgende Anekdote: eine 80-jährige Frau wurde am 2.3.2020 (also in einer Zeit, als die Klinik die Sicherheitsmassnahmen hochfuhr) bei uns wegen einer Synkope aufgenommen. Beim Eintritt klagte sie über keinerlei Beschwerden, die auf Covid hingewiesen hätten. Erst nach 2 Tagen stellte sich heraus, dass diese Frau, die ihre Angehörigen im Tessin hat und sich oft im Tessin aufhält und auch in der Schweiz versichert ist, am 22.2.2020 von der roten Zone in Lodi (Lombardei) «geflüchtet» ist, um bei ihren Kindern im Tessin zu verweilen. Unmittelbar auf Covid positiv getestet, zeigte sie einen akut sich verschlechternden Verlauf mit intensivmedizinischer Beatmung. Diese Episode führte in der Folge dazu, dass sich 5 Mitarbeiter und 1 Patientin auf dieser Abteilung mit dem Covid infiziert haben.

Wie hat diese Corona-Pandemie euren beruflichen Alltag verändert? (z.B. wie habt ihr die vielen Coronapatienten betreut, welche nicht, beziehungsweise nicht mehr, intensivmedizinisch behandelt werden mussten? Zusammenarbeit mit niederge-lassenen Kollegen etc.)

D. Hagara: In unserer Gemeinschaftspraxis haben wir sofort täglich einen Krisenstab durchgeführt. Ambulante Patienten wurden ab sofort einen Tag vor der geplanten Visite telefonisch auf eventuelle grippeähnliche Symptome befragt. Wir haben auch sofort hygienische Massnahmen erarbeitet und umgesetzt für Covidverdachtsfälle. Dies trifft ebenfalls auf Niveau der Klinik zu. Mitte März wurde die gesamte Klinik in eine Klinik verwandelt, welche ausschliesslich Covid-Patienten aufnimmt mit max. 180 Spitalbetten und 40 Intensivplätzen.
Die niedergelassenen Ärzte waren am Anfang überfordert, v.a. aufgrund von mangelndem Schutzmaterial. Letzteres wurde dann durch die Tessiner Ärztegesellschaft den niedergelassenen Ärzten zu Verfügung gestellt. Ebenfalls hat die Ärztegesellschaft in der Folge sogenannte Checkpoints errichtet, wo die Covid-Beurteilung und Diagnose mittels Nasenabstrich durchgeführt werden konnte.

Wie hat diese Corona-Pandemie euren persönlichen Alltag verändert?

D. Hagara: Mir erscheint diese relativ kurze Zeit von 2 Monaten wie gefühlte durchgemachte 3 Jahre. Dies aufgrund von einer Vielzahl von neuen Anforderungen, wie unzählige Telefonate, Kommunikation und Kollaboration mit Ärzten, Hygienemassnahmen, etc.
Am 4.4.2020 habe ich mich mit dem Coronavirus angesteckt: Die Krankheit ist bei mir relativ glimpflich verlaufen, vielleicht gerade, weil ich sofort mit Plaquenil 3x200mg, Azithromycin 1x500mg und Clexane 80 U s.c.1×1 angefangen habe (mit prompter EKG-Kontrolle). Nach ein paar Tagen mit deutlichen Grippesymptomen wurde ich von einem trockenen Husten eingeholt, der über 3 Wochen anhielt. Für meine Familie bedeutete diese Krankheit, dass ich währende 4 ganzen Wochen komplett isoliert in einem Zimmer blieb (zum Glück mit einem separaten WC), sodass sich niemand meiner Familie angesteckt hat.
A. Cerny: Es ging alles viel schneller, sehr viele Kommunikationen auf allen Kanälen, oft wusste ich gar nicht mehr, welchen Wochentag wir hatten, wenig Schlaf und stressige Träume.

Wie habt ihr euch lokal und international ausgetauscht, um die Diagnostik und Behandlung zu optimieren?

A. Cerny: Ja, wir hatten enge Kontakte mit unseren Kollegen in Mailand, Pavia, Bergamo und Parma und hatten so Zugang zu vielen Informationen wie dem Thromboserisiko, den ersten Erfahrungen mit antiviralen Substanzen und Immunsuppressiva und bekamen regelmässig die letzten Versionen ihrer Guidelines. Wir erfuhren auch vom stark erhöhten Risiko, sich bei der Arbeit mit dem Virus zu infizieren. Wir tauschten diese Erfahrungen regelmässig mit Kollegen in der Deutschschweiz und im Welschland aus, welche initial etwas skeptisch waren.

Was kam von wissenschaftlicher Seite dazu, wie z.B. Studienteilnahme, Compassionate use Programme, Patienten-Register oder Biobanking etc.

A. Cerny: Die neuesten Studienresultate wurden rasch untereinander ausgetauscht und in unserer WhatsApp-Gruppe rege diskutiert. Bei uns und auch im Ente Ospedaliero wurden das Compassionate-use Programm für Remdesivir regelmässig benützt und es wurden verschiedene Studien begonnen. Dank grosszügiger und unkomplizierter Unterstützung von Privaten konnten wir eine Biobank für COVID-19 Patienten aufbauen, welche gekoppelt mit einer klinischen Datenbank helfen wird, diese heimtückische Erkrankung in Zukunft besser zu verstehen.

Wie hat sich die mediale und kommunikative Begleitung angesichts der Bedrohungslage abgespielt?

A. Cerny: Da ich die Landessprachen spreche und meine Infektiologen-Kollegen im Krisenstab eingebunden waren und somit weniger frei waren, über die Ereignisse zu berichten, wurde ich oft von den Medien im Tessin und anderswo in der Schweiz angefragt. Mir war es wichtig, vor allem in der Anfangsphase, als der Rest der Schweiz noch keine konkrete Erfahrung mit der Krankheit und deren Gefährlichkeit hatte, darüber zu berichten.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Behörden und Medien? (Haben die Behörden in dieser Notlage zeitgerecht und angemessen gehandelt, sowohl gegenüber der Bevölkerung wie auch gegenüber den Ärzte-Pflegenden etc?)

D. Hagara: Im Nachhinein ist es immer leicht zu kritisieren. Denn es musste schnell gehandelt werden. Für einige wichtige Massnahmen, wie zum Beispiel Contact Tracing, fehlte es sowohl an Zeit als auch Personal. Der grosse Fehler allerdings war in der Anfangsphase die Zulassung des Bellinzoneser Karnevals, welche meiner Meinung nach der breiten Ansteckung der Bevölkerung Vorschub leistete. In der folgenden Phase hat man auch den Altersheimen zu wenig Beachtung geschenkt, was man an der sehr grossen Zahl der Toten in Altersheimen ersehen kann (fast 50% der Toten im Tessin).

Wie seht ihr die Rolle der WHO und der internationalen politischen Zusammenarbeit in dieser und auch kommenden Pandemien?

A. Cerny: In der Anfangsphase war die Mensch-zu-Mensch-Übertragung noch in Frage gestellt und die Gefährlichkeit der Krankheit unterschätzt worden. Wie sehr politische Einflüsse den raschen  Austausch vitaler Informationen behinderte, wird sicher Teil der Aufarbeitung dieser katastrophalen globalen Krise sein. Der Ende Februar publizierte Report, der von Experten der WHO und des chinesischen CDC verfasst worden war, war trotzdem sehr hilfreich. Leider hat sich ausser Italien kaum ein Land daran gehalten. Ich denke, wir hätten uns auch auf Nationaler Ebene mehr mit italienischen Experten und Behörden austauschen sollen.

Welches sind für euch die wesentlichsten Erkenntnisse für eine zukünftige Pandemie für unser Land?

D. Hagara: Ich sehe keine einzeln eruierbare Erkenntnis, aber bin der Überzeugung, dass diese Pandemie global äusserst viel verändern wird. Die Menschheit hat vor allem erfahren, dass das, was als selbstverständlich galt, in einem Augenblick nicht mehr sicher sein kann. Und: Händewaschen wird nicht mehr nur eine Frage der Hygiene sein, sondern eine Frage des Überlebens.
A. Cerny: Das Pandemiekonzept wird sicher überarbeitet werden müssen, dieses muss raschere Entscheidungsprozesse vorsehen, die Reserven an persönlichem Schutzmaterial und Desinfektionsmaterial müssen angepasst werden. Das Kommunikationskonzept von Bund und Kantonen muss verbessert werden, insbesondere im Hinblick auf Klarheit und Koordination. Die rasche wissenschaftliche Aufarbeitung neuer Erkenntnisse muss verbessert werden, insbesondere sollte die Task Force in eine ständige Beratungseinheit übergeführt werden, welche sich vermehrt mit WHO und ECDC austauscht und auch im Inland offene Kanäle mit den wichtigen Stakeholdern wie z.B. der forschenden Pharmaindustrie, den Universitäten und Swissmedic etabliert.

Nun werden zunehmend Lockerungen wirksam: seid ihr auf eine weitere Welle gefasst und was ist die persönliche Erwartung in die nahe Zukunft (z.B. Stichwort: Neue Normalität, Medikamente und Impfung?)

A. Cerny: Ich erwarte eine erneute Zunahme der Fälle Ende Juni anfangs Juli. Die Lockerungs-Massnahmen betreffen zu rasch gleichzeitig weite Bereiche des öffentlichen Lebens und ich befürchte, dass das «contact tracing» bei einem erneuten Anstieg der Fälle rasch dekompensiert. Die nächsten Wochen im Mai und Juni, wo wir weiterhin wenig neue Fälle sehen werden, könnten für viele als Zeichen missgedeutet werden, dass der «böse Traum» vorbei sei und dass wir unsere normalen Sommeraktivitäten wieder aufnehmen dürfen. Es wird vermehrt Stimmen geben, welche den Lockdown als unnötig bezeichnen und Verantwortlichkeiten fordern. Unser Spital und Ambulatorium werden die Achtsamkeit bestimmt nicht vermindern und sicherstellen, dass wir nicht wieder auf dem linken Fuss erwischt werden.
Zur Bewältigung der zweiten Welle hoffen wir auf neue Medikamente, die Resultate der vielen z.T. schon abgeschlossenen und z.T. noch laufenden Studien sollten uns neue Informationen zur Pathogenese und Impulse für die Behandlungen geben. Ich zweifle, dass wir im Juli schon soweit sind. Die Impfung scheint noch weit weg.

medinfo bedankt sich ganz herzlich bei Prof. Dr. med. Thomas Cerny, der dieses Interview organisiert und geführt hat.

Covid-19 und Onkologie

Ich hatte mir zunächst vorgenommen, der Redaktion einen Covid-19 NEG Artikel zuzustellen. Geprägt vom aktuellen Alltag sah ich mich dennoch veranlasst, mal nachzusehen, wieviel und was für Literatur zum Thema «Covid-19 und Onkologie» denn bislang erschienen ist. PubMed mit den search commands «covid-19 AND cancer» ergab Ende März 2020 83 Publikationen, mit «covid-19 AND oncology» nur 47. Die entsprechenden Zahlen Ende April 2020, d.h. zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Übersicht, sind 350, bzw. 235. Die Fokussierung der Suche auf «clinical trials» erzielte mit beiden Suchstrategien im März 2020 0 Treffer, Ende April 2020 je 2 gleiche Studien, die mit Covid-19 allerdings rein gar nichts zu tun haben. Ein gutes Beispiel, dass die Suche nach Literatur via PubMed sehr davon abhängt, wie man technisch sucht. Ich lege eine Auswahl vor.

Sidaway P. Covid-19 and cancer: what we know so far. Nat Rev Clin Oncol https://doi.org/10.1038/ s41571-020-0366-2

Ueda M et al. Managing cancer care during the COVID-19 pandemic: agility and collaboration toward a common goal. J Natl Compr Canc Netw 2020; 18: 1–4

Cortiula F et al. Managing COVID-19 in the oncology clinic and avoiding the distraction effect. Ann Oncol 2020: https://doi.org/10.1016/j.annonc.2020.03.286

Swain SM et al. Pertuzumab, trastuzumab, and docetaxel for HER2 positive metastatic breast cancer (CLEOPATRA): end-of-study results from a double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 study. Lancet Oncol 2020 https://doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30863-0

Fabi A et al: Cancer-related fatigue: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis and treatment. Ann Oncol https://doi.org/10.1016/j.
annonc.2020.02.016.

Andersen C & Nichols HB. Trends in late mortality among adolescents and young adult (AYA) cancer survivors. J Natl Cancer Inst 2020; 112: djaa014

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Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

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