Intensiver Gedankenaustausch um den Bluthochdruck und seine Folgen

Am 23. Januar fand am Universitätsspital Zürich der traditionelle, von der Klinik für Kardiologie organisierte Hypertonietag statt. Das Ziel war ein intensiver Gedankenaustausch zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen rund um den Bluthochdruck und dessen Folgen, wobei es galt, neue Horizonte zu entdecken und auch bisher Bekanntes in neuem Lichte zu sehen.

Prof. F. Ruschitzka

Als Einstimmung schilderte Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie am USZ, den Ausflug von US-Präsident Donald Trump an das WEF. Gesichtet: Orange Flasche auf dem Weg nach Davos – Ein Migros-Tweet mit einem Seitenhieb gegen US-Präsident Donald Trump geht derzeit viral um.
Prof. Ruschitzka widmete sich ferner der präsidialen Gesundheitsakte, die ausser dem BMI, der erst nach einer geringen «Höhenkorrektur» mit 29.9kg/m2 noch passabel wurde. Der Referent zeigte zusammenfassend eine Hypertonie-Risikotafel der amerikanischen Präsidenten der letzten Jahrzehnte, die vom niedrigen Risiko (Obama) bis zur etablierten Krankheit (Clinton) reicht (Abb.1).

Der hypertensive Notfall

Glücklicherweise ist vor kurzem eine Übersicht über den hypertensiven Notfall im New Engl Journal of Medicine (Aldo J Peixoto NEJM 2019; 381: 19) erschienen, bemerkte Prof. Dr. med. Alain Rüdiger, Chefarzt Spital Limmattal, Schlieren, auf den er sich abstützen wolle.

Prof. A. Rüdiger

Die Bezeichnungen des hypertensiven Notfalls sind «hypertensive Krise» definiert als BD > 180/110 mmHg, hypertensive Gefahrensituation (ohne Organschaden) versus hypertensiver Notfall (mit Organschaden). Zu den Organschäden gehören Mikroangiopathie (Hämolyse, Retinopathie), Aortendissektion, Herzinsuffizienz, Myokardnekrosen, Niereninsuffizienz, Hirn-Ischämie, Hirn-Blutung, posteriores reversibles Encephalopathie-Syndrom (PRES).
Die Ursachen sind nicht oder ungenügend behandelte Hypertonie, Schmerzen, Harnverhalt, Drehschwindel, Angst. Medikamentöse Ursachen können NSAR, Steroide und Katecholamine sein, ferner Intoxikationen durch Kokain oder Amphetamine. Eine weitere Ursache sind Endokrinopathien: Phäochromozytom und Hyperthyreose, Nierenerkrankung: systemische Sklerose und Glomerulonephritis sowie das HELLP-Syndrom in der Schwangerschaft.
Die Diagnostik besteht aus Anamnese (Medikamente), Blutdruckmessung, Erfassung von Organschäden. Zu den Laborbestimmungen gehören Troponin, Kreatinin, Fragmentozyten. Ferner EKG, Echokardiographie und CT (Schädel, Thorax).

Die Therapie besteht in der Behandlung der Grundkrankheit, Verordnung von Ruhe, Anxiolyse und Schmerztherapie. Bei hypertensiver Gefahrensituation (ohne Organschaden) erfolgt ambulant oder stationär eine perorale Therapie. Der hypertensive Notfall (mit Organschaden) wird in der Intermediate Care Unit oder Intensivstation durch intravenöse Therapie behandelt.
Bei der Behandlung der hypertensiven Gefahrensituation ohne Symptome wird mit einer oralen antihypertensiven Therapie begonnen, ambulante Nachkontrollen erfolgen in den nachfolgenden Tagen. Bei Vorhandensein von Symptomen sollten eine Blutdrucksenkung auf < 180/110 mmHg und eine Kontrolle der Symptome erfolgen. Als Medikamente zur Behandlung der hypertensiven Gefahrensituation empfiehlt der Referent Nifedipin ret 20 mg, Nitroglycerin (Nitroderm TTS) 5 oder 20 mg/24h;ACE-Hemmer: Captopril, Lisinopril; Betablocker: Bisoprol, Carvediol (Dilatrend); Clonidin (Catapresan) 75-150 mg.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Behandlungsstrategien bei hypertensiven Notfällen.

Zusammenfassung

Der Referent schloss seine Ausführungen mit den folgenden wichtigen Punkten: Unterschied hypertensive Gefahrensituation (ohne Organschaden) versus Hypertensiver Notfall
Organschäden (d.h. Schaden an Gefässen, Herz, Nieren, Gehirn)
Antihypertensiva (Urapidil, Clevidipin, Esmolol) als therapeutische Optionen

Exposom und Hypertonie – viel Lärm um nichts?

Wesentliche Einflussfaktoren für den Blutdruck sind Rauchen, Trinken, fettreiche Ernährung, körperliche Inaktivität und die Genetik. Welche andern Einflussfaktoren gibt es noch?

Prof. P. Suter

Prof. Dr. med. Paolo Suter, Zürich, illustrierte dies an einem Patientenbeispiel. Der männliche Patient, Jahrgang 1960 war immer normotensiv mit ACE-I, schönes Dipping 24h ABPM, plötzlich «schwer einstellbar», Kreatinin 98 mmol/l, K 3.8 mmol/l, keine sekundäre Hypertonie, Risikostratifizierung mit AGLA-Score: niedrig. Der Blutdruck nimmt mit dem Alter zu. Dies zeigt sich praktisch bei allen Populationen, im Fallbeispiel treten die Veränderungen indessen innerhalb kurzer Zeit ein. Was ist da los? Der Referent führte die Zuhörer in die Welt des Exposoms, Foodoms und Pollutoms ein. Die genomweiten Assoziationsstudien werden nun von den exposomweiten Assoziationsstudien ergänzt.
Das Exposom wird oft in ein externes (Luft, Diät, Lärm, soziale Faktoren) und ein internes Exposom (biologisches Ansprechen auf Exposition) eingeteilt. Das Exposom kann als Summe aller Expositionen ab Beginn der Konzeption definiert werden, entsprechend hat das HELIX-Projekt eine Beziehung zwischen den Umwelt-Expositionen im frühen Leben und dem Blutdruck bei Kindern gezeigt. Die Hypertonieprävention beginnt also mit einem optimalen pränatalen Exposom. Der besagte Patient ist vom ländlichen Wasterkingen mitten in die Stadt Zürich umgezogen und fragt sich, ob dies der Grund des Blutdruckanstiegs ist. In der Tat kann die multisensorische Pollution (Licht-, Lärm-, Umwelt-, Nahrungspollution) zur Hypertonie führen. Die Konsequenzen sind 3 x mehr Tote als durch AIDS, Tuberkulose und Malaria, 15 x mehr Tote als durch Krieg und Gewalt, so der Referent.
Der Patient wohnt in Zürich an der Kreuzung Badener-/Seebahnstrasse, die stark befahren ist und wo es nie dunkel wird. Zwischen Licht bei Nacht und Dunkelheit wurde eine signifikante Zunahme von 3.3 mmHg systolisch und 2.3 mmHg diastolisch (Obayashi K et al Chronobiology Int. 2014) dokumentiert.
Eine Assoziation zwischen Blutdruck und Hypertonie zeigen ferner die Pestizide. Der Referent erwähnte die Muttertag-Studie in Ecuador, die eine Blutdruckabnahme nach dem Muttertag zeigte, die möglicherweise nach der Zunahme des Blutdrucks infolge der Pestizide in den am Muttertag verschenkten Blumen eintrat.
Umweltfaktoren wie Licht, Lärm und Pollution scheinen somit ebenso bedeutend zur Hypertonie beizutragen wie Ernährung, Rauchen, körperliche Inaktivität und Stress. «Optimieren Sie Ihr/unser Exposom!», war der entsprechende Ratschlag des Referenten.

Renale Denervation: Phönix aus der Asche?

Der Nierennervensympathikus diente als therapeutisches Zielorgan bei Hypertonie seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Damals wurde durch chirurgische Nierendenervation eine dauerhafte Blutdrucksenkung erreicht. Dies aber auf Kosten einer hohen Morbidität. Das Prinzip wurde in den Jahren 2008-2013 durch endovaskuläre renale Denervation wieder aufgenommen (Ardian – Medtronic). Nach einer negativen Schlüsselstudie fielen die zwei Hauptsponsoren aus und mehr als 90% der Beteiligten stoppten die Weiterentwicklung, stellte Prof. Dr. med. Thomas F. Lüscher, London, Zürich, eingangs fest.

Prof. T. F. Lüscher

Der Referent teilte seine Ausführungen in Verstehen, Verfeinern, Beweisen und Erweitern ein. Er präsentierte die ersten klinischen Resultate der sympathischen Splanchinektomie bei resistenter Hypertonie, deren Pionier Max Minor Peet war. Die experimentelle Evidenz zur Wirkung der renalen Denervation ergibt sich aus Untersuchungen der Noradrenalinkonzentration im Gewebe, die sowohl nach chirurgischer als auch nach katheterbasierter Denervation von ursprünglich 149pg/ml auf 14 bzw. 21pg/ml sank, wobei zwischen den beiden Verfahren kein signifikanter Unterschied resultierte.

Die Studien zur renalen Denervation

Während der systolische Blutdruck in der SIMPLICITY HTN-1-Studie noch 27 mmHg (nach 12 Monaten) gefallen war, und die SIMPLICITY HTN-2-Studie sogar einen Vorteil von 32 mmHg erzielte, betrug die Blutdrucksenkung in der SIMPLICITY HTN-3-Studie bloss 14 mmHg. Die detaillierte Auswertung der SIMPLICITY HTN-3-Studie zeigte einige Unstimmigkeiten, die das schlechte Ergebnis erklären könnten. Der wichtigste Einwand sind prozedurale Mängel: Nicht alle Patienten hatten die empfohlenen 4-6 Ablationen pro Nierenarterie erhalten. Bei zwei Patienten war die Therapie sogar nur an einem Punkt pro Arterie durchgeführt worden.
Es zeigte sich, dass die blutdrucksenkende Wirkung mit der Zahl der Ablationen korrelierte. Die beste Wirkung erfolgte, wenn 14 oder mehr Punkte der Arterienwand behandelt wurden. Ein weiterer Fehler in SIMPLICITY HTN-3 war, dass die Ablationen nicht immer an allen vier Quadranten der Nierenarterie durchgeführt wurden. Auch hier korrelierte die Wirkung mit der Zahl der behandelten Quadranten.
In einer weiteren Studie (DNERHTN) wurde der Einfluss der medikamentösen Therapie minimiert. In Patienten mit gut dokumentierter resistenter Hypertonie wurde die renale Denervation plus eine standardisierte stufenweise antihypertensive Therapie mit der renalen Denervation ohne antihypertensive Therapie verglichen. Dabei wurde der ambulatorische Blutdruck nach 6 Monaten mehr als mit der gleichen antihypertensiven Therapie allein gesenkt.
Die SPYRAL HTN-ON MED-Studie war eine mittels Scheinbehandlung kontrollierte Studie zur Untersuchung der Wirkung der renalen Denervierung auf hypertone Patienten, die einer antihypertensiven Medikation mit bis zu drei verschiedenen Medikamenten unterliegen. Verglichen wurde die Behandlungsgruppe mit einem Scheineingriff bei der Kontrollgruppe, die auch einer antihypertensiven Medikation mit gleichen Parametern unterlag. Das Ziel der Studie bestand darin, eine signifikante Blutdrucksenkung durch die renale Denervierung mit zusätzlicher Einnahme einer antihypertensiven Medikation nachzuweisen. Nach 6 Monaten Behandlung zeigte sich bei den mit RDN behandelten Patienten (n = 38) eine signifikante Reduktion des Praxis-Blutdrucks sowie des 24-Stunden-Langzeit-Blutdrucks (p < 0,05) im Vergleich mit der Kontrollgruppe.
In SPYRAL HTN-OFF MED wurden Patienten ausgewählt, bei denen keine für die Untersuchungsergebnisse möglicherweise störenden Blutdrucksenker eingesetzt wurden. Die Patienten hatten noch nie Blutdrucksenker erhalten oder diese wurden vor der Behandlung abgesetzt. Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie wurden ausgeschlossen, weil die renale Denervierung bei ihnen in früheren Untersuchungen keine Wirkung erzielt hatte. Nach drei Monaten zeigte sich bei mit RDN behandelten Patienten (n = 35) im Vergleich zu Patienten, die die Scheinbehandlung erhielten (n = 36), eine signifikante (p < 0,05) Abnahme des Praxisblutdrucks sowie des 24-Stunden-Langzeit-Blutdrucks.
Es wurden aber auch andere Verfahren getestet, wie die endovaskuläre renale Ultraschalldenervation in RADIANCE HTN SOLO. Dieses Prozedere senkte den Blutdruck bei Patienten mit kombiniert systolischer-diastolischer Hypertonie ohne medikamentöse Begleitung innerhalb von 2 Monaten signifikant in der gleichen Dimension wie sie in SPYRAL HTN gesehen wurde. Ein weiteres Verfahren, das der Referent vorstellte, ist die Transkatheter-alkoholvermittelte perivaskuläre Nierendenervation, die 2016 erstmals beim Menschen angewandt wurde. Auch diese Methode zeigte signifikante Blutdrucksenkungen sowohl systolisch als auch diastolisch. Die renale Denervation und die Studien mit diesem Verfahren sind durch die Phasen Hype, Hope und Reality gekennzeichnet. Die neuesten Studien scheinen allerdings die Wirksamkeit dieser Methode zu bestätigen.

Hypertonie – die Rolle von Belastung und Stress

Die INTERHEART-Studie untersuchte den Effekt von potentiell modifizierbaren Risikofaktoren und wurde in 52 Ländern bei 15 152 Fällen und 14 820 Kontrollen durchgeführt . Die berücksichtigten Hauptrisikofaktoren waren Nikotin, Cholesterin und Stress (Yusuf S et al. Lancet 2004;364:937-52), hielt PD Dr. med. Christian Schmied, Zürich, fest.

PD Dr. Ch. Schmied

Stress führt über Inflammation durch Aktivierung des Knochenmarks (z.B. durch IL-6) zur Koronarsklerose. Der Referent verwies auf Berichte über koronare Herzkrankheit bei US-amerikanischen Soldaten, die im Koreakrieg getötet wurden. Bei 73% der Herzen wurden starke Hinweise auf koronare Atheriosklerose gefunden. Auch Sport kann Stress bedeuten. Der Referent zeigte entsprechende Beispiele. So erfolgten im letzten Abschnitt eines Rennens wesentlich mehr Herzstillstände als in den 3 vorgängigen Abschnitten
Führt Sport zu Arteriosklerose? Teilnehmer ohne koronare Grunderkrankung entwickelten keine Krankheit (extremer Ausdauersport verursacht keine KHK, wenn kein anderer pathogener Auslöser vorliegt). 4 von 8 Läufern wiesen eine subklinische KHK auf (dies bestätigt, dass körperliche Aktivität, insbesondere Langstreckenlauf, nicht vollständig vor KHK schützt). Eine Progression der KHK wurde bei Läufern mit Basiserkrankung festgestellt.
In den aktuellen Guidelines besteht kein Konsens zum normalen Blutdruck während körperlicher Aktivität. Es gibt einige Anzeichen, dass eine exzessive Zunahme des Blutdrucks während körperlicher Aktivität eine Hypertonie unabhängig vom Ruheblutdruck verursacht. Trotzdem sind Belastungstests als Routineevaluation der Hypertonie nicht empfohlen, wegen zahlreicher Limitationen, einschliesslich eines Mangels an Standardisierung von Methoden und Definitionen.

Definition und Pathogenese der Belastungshypertonie

Wo liegt der optimale Cut-off?
Bei normotensiven Patienten gilt: je höher der Belastungsblutdruck (Perzentilen), desto wahrscheinlicher ist die Entwicklung einer zukünftigen Ruhe-Hypertonie.
Männer: > 160 mmHg syst. (bei 100W Belastung) oder > 200 mmHg (bei Maximalbelastung)
Frauen: > 190 mmHg (bei Maximalbelastung).
Die Korrelation zwischen diastolischem Blutdruck und Risiko für künftige Hypertonie ist umstritten.
58% der Normotoniker mit Belastungshypertonie zeigen eine zugrunde liegende «maskierte Hypertonie». Die Prävalenz der maskierten Hypertonie beträgt ca. 15%, die Prognose ist schlecht.
Der Referent schloss wie folgt:

  • Mentaler Stress ist ein massiv unterschätzter (u.a. kardialer ) Risikofaktor
  • Die durch mentalen und/oder physischen Stress ausgelöste «Belastungshypertonie» ist eine unterschätzte, ungenügend definierte Einheit
  • Die prognostische Relevanz ist klar evidenzbasiert (Ruhe-Hypertonie, kardiovaskuläre Mortalität, kardiovaskuläre Morbidität)
  • Bei mehr als 50% der in Ruhe normotonen Patienten mit Belastungshypertonie steht eine «maskierte Hypertonie» im Hintergrund.

Quelle: Zürcher Hypertonietag, Universitätsspital Zürich, 23. Januar 2020.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Pfizer Forschungspreis 2020

Zum 29. Mal verlieh die Stiftung Pfizer Forschungspreis am 6. Februar in Zürich ihre Auszeichnung an 19 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für Forschungsarbeiten, die an Schweizer Forschungsinstituten oder Spitälern durchgeführt wurden.
Insgesamt wurden 10 Forschungsarbeiten aus 5 Bereichen der Medizin geehrt. Der Pfizer Forschungspreis ist in diesem Jahr mit CHF 150000.- dotiert.

Bereich: Herzkreislauf, Urologie und Nephrologie

Dr. Julie und ihr Team Refardt vom Universitätsspital Basel verglichen die Genauigkeit des herkömmlichen Durstversuchs zur Diagnose des Diabetes insipidus mit einer neuen auf Copeptin basierten Methode. Der Test mit Copeptin führte in 97% der Fälle zur richtigen Diagnose, während dies beim Durstversuch nur 77% betrug. Die Copeptin basierte Messung wurde zudem von den Studienteilnehmenden gegenüber dem aufwendigen und mühsamen Dursttest bevorzugt.

Literatur: A Copeptin-Based Approach in the Diagnosis of Diabetes Insipidus. Wiebke Fenske, Julie Refardt, et al. N Engl J Med. 2018; 379: 428-439.

Bereich: Infektiologie, Rheumatologie und Immunologie

In diesem Bereich wurden zwei Preise vergeben:
«Aufspüren von HIV-Stämmen, gegen die effektive Antikörper-Antworten möglich sind», eine Arbeit von Prof. Roger Kouyos, Universitätsspital und Universität Zürich und Prof. Claus Kadelka, Universität Zürich (Tracing HIV-1 strains that imprint broadly neutralizing antibody responses. Roger D. Kouyos, et al. Nature. 2018; 561 (7723): 406-10).

«Die Rolle von B-Gedächtniszellen in der Aktivierung von T-Zellen bei Multipler Sklerose», Dr. Ivan Jelčić, Universitätsspital Zürich und Dr. Faiez AJ Nimer, Universität Zürich und Karolinska Institutet Stockholm.
(Memory B Cells Activate Brain-Homing, Autoreactive CD4+ T Cells in Multiple Sclerosis. Ivan Jelcic, et al. Cell. 2018 Sep 20;175(1):85-100).

Bereich: Neurowissenschaften und Erkrankungen des Nervensystems

In diesem Bereich wurden gleich 3 Arbeiten prämiert:
«Bioelektrische Aktivität treibt die neuronale Vielfalt in der Hirnentwicklung an»
(Progenitor Hyperpolarization Regulates the Sequential Generation of Neuronal Subtypes in the Developing Neocortex. Ilaria Vitali, et al. Cell. 2018; 174: 1264–1276).
Die beiden Forscherinnen stellten fest, dass nicht nur das genetisch festgelegte Programm, sondern auch bioelektrische Mechanismen eine zentrale Rolle bei der Gehirnentwicklung spielen.

«Narkolepsie: Licht ins Dunkel einer rätselhaften Krankheit»
(T cells in patients with narcolepsy target self-antigens of hypocretin neurons. Daniela Latorre et al. Nature 2018; 562 (7725): 63-68) von Dr. Daniela Latorre, Istituto di Ricerca in Biomedicina (IRB), Bellinzona, Università della Svizzera italiana, Lugano, ETH Zürich und Prof. Ulf Kallweit, Inselspital, Bern und Universität Witten/Herdecke (DE).
Die Forscher identifizierten im Blut und der Hirnflüssigkeit erstmals CD4- und CD8-Lymphozyten, die gegen die von Hypokretin-produzierenden Neuronen sezernierten Proteine, inkl. Hypokretin gerichtet sind. Diese Beobachtung stellt den ersten direkten Nachweis dar, dass es sich bei der Narkolepsie um eine Autoimmunerkrankung handelt. Damit eröffnen sich neue Wege für Frühdiagnose und Therapie der Narkolepsie.

«Wieder Gehen lernen nach Querschnittslähmung durch elektrische Rückenmarksstimulation»
(Targeted neurotechnology restores walking in humans with spinal cord injury. Fabien B. Wagner et al. Nature. 2018; 563: 65–71) von der Forschergruppe Dr. Fabien B. Wagner, Dr. Jean-Baptiste Mignardot und Dr. Camille Le Goff-Mignardot, Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL).

Bereich: Onkologie

«Die zerstörerische Kraft des Immunsystems bei Prostatakrebs»
(IL-23 secreted by myeloid cells drives castration-resistant prostate cancer. Calcinotto A, et al Nature. 2018; 559 (7714): 363-369). Dr. Arianna Calcinotto, Institute of Oncology Research IOR, Bellinzona; Università della Svizzera italiana, Lugano.
Das Forschungsteam um Dr. Calcinotto identifizierte eine Anreicherung spezieller Immunzellen, der sogenannten Myeloiden Suppressorzellen. Bei Tumorpatienten unterdrücken diese die Immunantwort der Abwehrzellen und unterstützen somit das Tumorwachstum. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Zytokin IL-23, das von Myeloiden Suppressorzellen ausgeschüttet wird. Bereits ist eine Untersuchung geplant, bei der mit Antikörpern versucht werden soll, das Zytokin IL-23 und damit die Tumorunterstützung zu blockieren.
«Wenn die Bremse gelöst wird: Autoimmune Nebenwirkungen bei Checkpoint Inhibitoren»
(Association of Checkpoint Inhibitor–Induced Toxic Effects with Shared Cancer and Tissue Antigens in Non–Small Cell Lung Cancer. Fiamma Berneret al. JAMA Oncol. 2019; 5: 1043-1047.)Fiamma Berner, Dr. David Bomze, Prof. Lukas Flatz, Kantonsspital St. Gallen.

Bereich: Pädiatrie

«CRISPR DNA-Reparatur: Behandlung einer genetisch bedingten Stoffwechselerkrankung am Mausmodell»
(Treatment of a metabolic liver disease by in vivo genome base editing in adult mice. Lukas Villiger et al.. Nat. Med. 2018; 24: 1519–1525) Lukas Villiger, ETH Zürich.

«Weniger Medikationsfehler bei Kindern in Notfallsituationen»
(A mobile device application to reduce medication errors and time to drug delivery during simulated paediatric cardiopulmonary resuscitation: a multicentre, randomised, controlled, crossover trial. Johan N Siebert, et al. The Lancet Child & Adolescent Health. 2019;3: 303-311). Dr. Johan N. Siebert, Hôpital des enfants, Hôpitaux universitaires de Genève (HUG) und Dr. Dr. Fréderic Ehrler, HUG.

Quelle: Verleihung des Pfizer Forschungspreises, Zürich, 6.2.2020

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Gränzetürli

Ein Bericht von Heinz Staffelbach in der Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. Mai 2019 hat uns dazu motiviert, wie empfohlen an einem drückend heissen Sommertag ein einzigartiges Naturschutzgebiet zwischen Udligenswil und Meggen bei Luzern zu entdecken. Dieses liegt mit seinen Wäldern und Moorgebieten im Bereich von auffälligen Geländerippen, die von Nordosten nach Südwesten verlaufen. Diese wurden während der alpinen Gebirgsbildung aufgeworfen. Die von Süden her dem älteren Gotthard- und Aaremassiv überschobenen Decken pflügten im Norden die im Bereich des heutigen Mittellandes liegenden Molasseschichten vor sich her. Die enormen Kräfte bewirkten, dass die mächtigen Nagelfluhbänke der Rigi nach Norden ausstreichend aufgeworfen wurden, während es westlich von Küssnacht nur noch zu kleinen Aufschiebungen reichte, die die heutige Rippenlandschaft bilden.

Ein Bericht von Heinz Staffelbach in der Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. Mai 2019 hat uns dazu motiviert, wie empfohlen an einem drückend heissen Sommertag ein einzigartiges Naturschutzgebiet zwischen Udligenswil und Meggen bei Luzern zu entdecken. Dieses liegt mit seinen Wäldern und Moorgebieten im Bereich von auffälligen Geländerippen, die von Nordosten nach Südwesten verlaufen. Diese wurden während der alpinen Gebirgsbildung aufgeworfen. Die von Süden her dem älteren Gotthard- und Aaremassiv überschobenen Decken pflügten im Norden die im Bereich des heutigen Mittellandes liegenden Molasseschichten vor sich her. Die enormen Kräfte bewirkten, dass die mächtigen Nagelfluhbänke der Rigi nach Norden ausstreichend aufgeworfen wurden, während es westlich von Küssnacht nur noch zu kleinen Aufschiebungen reichte, die die heutige Rippenlandschaft bilden. Der gewaltige Druck auf die Molasse während der Bildung der Alpen wurde aber quer durch das Mittelland übertragen und führte zur Auffaltung des Juragebirges. Die aufgeschobenen Rippen zwischen Udligenswil und Meggen wurden anschliessend während den Eiszeiten rund geschliffen.

Zwischen den aus harter Nagelfluh bestehenden Rippen liegen wasserundurchlässige Mergelschichten, die zu Mulden ausgewaschen wurden und die Bildung von Mooren ermöglichten.
Wir starten beim Restaurant Frohsinn in Udligenswil, das auch zur Einkehr vor oder nach der Wanderung bestens empfohlen werden kann. Wir wenden uns gegen Süden, queren die Landstrasse und das Tälchen des Würzebachs zum Waldrand hinüber. Von ferne leuchten die Berner Alpen mit Eiger, Mönch und Jungfrau herüber. Im Wald stossen wir auf einen breiten Weg, der noch Reste einer Pflästerung aufweist. Dieser führt uns auf die Ostseite der Rippe, auf der der Undere Wald liegt. Bei der fünften Wegverzweigung wählen wir den nach Südwesten abbiegenden Weg zum Teuffe- und Haseried. Hier wurde noch bis Ende des 2. Weltkrieges Torf gestochen, zur Befeuerung der Eisenwerke in Emmen. Immer in gleicher Richtung, eingeklemmt zwischen zwei Geländerippen erreichen wir durch Wald zuerst das Weiherried und später den Moorsee bei den Häusern von Wagemoos. Hier erwartet uns das muntere Quaken von Fröschen und der herrliche Duft der an besonnter Hauswand hochrankenden Rosen. Bänke laden an diesem wunderbaren Ort zum Rasten ein.
Südwestlich des Sees schwingen wir uns auf die Geländeerhebung im Osten, bevor wir zum Gränzetürli absteigen. Hier erfahren wir auf einer Informationstafel, dass im 18. Jahrhundert die Oberen durch Zollerhebungen an jedem erdenkbaren Ort ihre Einnahmen zu erhöhen versuchten, während die Handeltreibenden und Reisenden dies verständlicherweise zunehmend als eine unerträgliche Schikane empfanden. Entsprechend begannen sie die Zollstationen wo nur immer möglich zu umgehen, so auch zwischen Meggen und Udligenswil. Über das Gränzetürli bestand damals eine solche Route, um schadlos in den Kanton Schwyz oder in umgekehrter Richtung auf Luzerner Gebiet zu gelangen. Gegen Westen erreichen wir leicht ansteigend eine dreifache Wegverzweigung. Wir wählen jene nach rechts, überqueren nach wenigen Metern einen breiten Weg und steigen anschliessend wieder in südwestlicher Richtung ins Tälchen des Foremooses ab.
Nach der Überschreitung der Autostrasse in einer leider unübersichtlichen Kurve finden wir im Süden die Fortsetzung unseres Weges. Dieser erklimmt die Rippe, die das Foremoos nach Süden begrenzt und folgt dieser bis zu einem breiten Waldweg, über den wir die letzte Moorlichtung vor Meggen, das Bächtelemoos erreichen. Entlang des abfliessenden Baches gelangen wir schliesslich zum Waldrand bei der Buchmatt von Meggen, wo sich beim Englischen Friedhof eine Bushaltestelle der Linie 25 Richtung Luzern anbietet. Wer noch etwas weiter gehen und für die Rückfahrt nach
Udligenswil nicht umsteigen möchte, der wendet sich bei den roten Häusern am Waldrand gegen Norden und findet so den Weg zum Würzebach hinunter. Wir entscheiden uns für die Quartierstrasse, die jenseits des Baches in einem Schlag Richtung Osten zur Strasse nach Adligenswil hinauf führt. Dort treffen wir auf die Haltestelle Schädrütihalde der Buslinie 73, die uns nach Udligenswil zurückbringt (Abb. 4). Auf der Rückfahrt und im Trubel der Luzerner Agglomeration erscheint uns die Stille des soeben durchwanderten Naturschutzgebietes wie eine Fata morgana.

Aufgepasst

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1–6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

Ein Segen für Patienten mit Herzinsuffizienz

Nachdem 30 Jahre lang die Blockierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems der Schlüssel zum Erfolg der Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) war, wird neu die Blockierung des renalen Sodium-Glucose Transporters 2 (SGLT2) als vierte Therapiesäule, neben ACE-Hemmer/ARNI, Betablocker und Aldosteron-Antagonisten, für die Therapie von Patienten mit HFrEF unentbehrlich.

Après 30 ans au cours desquels le blocage du système rénine-angiotensine-aldostérone a été la clé du succès dans le traitement de l’insuffisance cardiaque à fraction d’éjection réduite (HFrEF), le blocage du transporteur rénal du glucose sodique 2 (SGLT2) comme quatrième pilier thérapeutique, en plus des inhibiteurs de l’ECA/ARNI, des bêtabloquants et des antagonistes de l’aldostérone, est devenu indispensable pour la thérapie des patients atteints de HFrEF.

Die Umnutzung bereits bekannter Wirkstoffe, das sogenannte «Drug Repurposing», hat in der Kardiologie Tradition. Die Acetylsalicylsäure, welche vor über 100 Jahren als Schmerzmittel entwickelt wurde und ihre grössten und nachhaltigsten Erfolge in der Kardiologie feierte, ist nur ein Beispiel hierfür. Aktuell erleben wir ein weiteres, sehr erfolgreiches Beispiel eines «Drug Repurposing» in der Kardiologie. Der Einsatz von SGLT2-Hemmern, oder auch Gliflozine genannt, zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF). Voraussetzung für eine erfolgreiche Umnutzung eines in einer anderen Indikation erprobten Wirkstoffs sind molekularbiologische und pathophysiologische Gemeinsamkeiten der zu behandelnden Erkrankungen. Bei Diabetes und Herzinsuffizienz sind solche Gemeinsamkeiten auf den ersten Blick nicht offensichtlich. Schaut man sich beide Erkrankungen aus einer metabolischen Perspektive an, gibt es aber doch einige interessante Parallelen.

Bidirektionale Assoziation zwischen Diabetes und Herzinsuffizienz

Epidemiologisch betrachtet haben Patienten mit Herzinsuffizienz eine 4-fach erhöhte Diabetes-Prävalenz (20%) verglichen mit Patienten ohne Herzinsuffizienz (4-6%) (1). Bei wegen Herzinsuffizienz hospitalisierten Patienten beträgt die Prävalenz von Diabetes sogar bis 40% (2). Andererseits haben Diabetiker ein 2.5-fach erhöhtes Risiko, eine Herzinsuffizienz zu entwickeln. Die Koexistenz beider Erkrankungen geht mit einem 10-fach erhöhten Mortalitätsrisiko bei Patienten > 65 Jahre einher. Neben den typischen makrovaskulären Komplikationen (Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt) trägt der Diabetes über inflammatorische und metabolische Effekte zu einer erhöhten Myokardmasse und Myokardsteifigkeit, sowie einer endothelialen Dysfunktion bei (3, 4). Diese Veränderungen begünstigen die Entwicklung einer Herzinsuffizienz.

Myokardiale Energiesubstrate und myokardialer Natrium Haushalt

Im Normalzustand basiert die myokardiale Energiegewinnung auf freien Fettsäuren (ca. 70%) und zu einem kleineren Teil auf Glucose (ca. 30%) (5). Das Herz gilt allerdings als «Omnivor» und kann dadurch die Wahl der Energiesubstrate äusserst flexibel den aktuellen metabolischen Gegebenheiten anpassen. Diese metabolische Flexibilität erlaubt bei hohen Blut-Glucose-Werten die Oxidationsrate freier Fettsäuren zu drosseln und vice versa. Bezüglich Energieeffizienz ist Glucose den freien Fettsäuren überlegen. Sowohl bei Diabetes als auch bei Herzinsuffizienz besteht jedoch ein Überangebot an freien Fettsäuren. Diese Konstellation mindert die Effizienz und Flexibilität der myokardialen Energiegewinnung. Zusätzlich wirkt sich das Überangebot an freien Fettsäuren negativ auf die mitochondriale ATP Produktion (Mitochondriales Uncoupling) (6) aus und beeinträchtigt die myokardiale Relaxation und Elastizität durch die Förderung einer perivaskulären und myokardialen Fibrose (7). Auch gehen beide Erkrankungen mit einer erhöhten myokardialen Natriumkonzentration einher, was das energetische Ungleichgewicht zusätzlich fördert und zu vermehrtem oxidativen Stress führt (8).

Wirkungsmechanismen der Sodium-Glucose Cotransporter 2 Hemmer

Der Sodium-Glucose Cotransporter 2 (SGLT2) ist im proximalen Tubulus der Niere lokalisiert und reabsorbiert 90% der filtrierten Glucose. Durch die Hemmung des Transporters wird weniger Glucose rückresorbiert. Dem Körper wird somit Glucose entzogen. Dieses Konzept unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Glucose-senkenden Therapien, indem es unabhängig von Insulin die intravaskuläre und intrazelluläre Glucosekonzentration senkt. Eine SGLT2-Hemmung hat sowohl metabolische als auch hämodynamische Folgen. Die Therapie mit SGLT2-Inhibitoren führt zu einer bevorzugten Metabolisierung von Ketonkörpern (9). Diese stellen eine ideale Energiequelle für das Myokard dar. Die Oxidation von Ketonkörper hat mehrere Vorteile. Sie ist energetisch effizienter als die Oxidation von freien Fettsäuren. Indem Keton-Körper freie Radikale neutralisieren, wirken sie zudem dem oxidativen Stress entgegen. Ketonkörper werden deshalb insbesondere bei Herzinsuffizienz bevorzugt gegenüber freien Fettsäuren verstoffwechselt (10). Hämodynamisch wirken SGLT2-Inhibitoren leicht blutdrucksenkend und hemmen das Renin-Angiotensin-Aldosteron System (RAAS). Aufgrund der gesteigerten Glucosurie und Natriurese wirken sie ähnlich wie ein Diuretikum. Die Behandlung mit Empagliflozin führte in der EMPA-REG Studie zu einer durchschnittlichen Blutdrucksenkung von ca. 4 mmHg (11). In der DAPA-HF Studie sank der Blutdruck unter Dapagliflozin um ca. 2 mmHg bei
Patienten mit Herzinsuffizienz (12). Die erhöhte Natrium Konzentration an der Macula densa führt zudem über den tubulo-glomerulären Feedbackmechanismus zu einer Konstriktion des glomerulären Vas afferens. Dadurch sinkt der hydrostatische Druck im Glomerulum, was einer glomerulären Hyperfiltration entgegenwirkt und dadurch die Albuminurie reduziert. In diesem Sinne wirken SGLT2-
Inhibitoren additiv zu ACE-Inhibitoren nephroprotektiv. Mechanismen der kardioprotektiven Wirkungen einer SGLT2-Inhibition sind in Abbildung 1 zusammengefasst.

Klinische Evidenz einer SGLT2-Inhibition zur Behandlung der Herzinsuffizienz

Bereits die grossen Studienprogramme (EMPA-REG, CANVAS, DECLARE-TIMI 58), welche den Effekt einer SGLT2-Inhibition in der Primär- und Sekundärprävention bei Diabetikern mit kardiovaskulären Risiken untersuchten, zeigten ohne Ausnahme eine beeindruckende Senkung der Herzinsuffizienz-bedingten Hospitalisationen (11, 13, 14). In der EMPA-REG Outcome-Studie führte Empagliflozin gegenüber Plazebo zu einer Reduktion der Herzinsuffizienz-Hospitalisationen von 35%. Die Gesamtmortalität wurde um 32%, die kardiovaskuläre Mortalität um 38% gesenkt (11). Obwohl in CANVAS und DECLARE-TIMI, möglicherweise aufgrund der Selektion von gesünderen Patienten, keine signifikante Senkung der Gesamtmortalität durch die entsprechenden SGLT2-Hemmer erzielt werden konnte, wurden die Herzinsuffizienz-Hospitalisationen analog zu EMPA-REG um 33% (CANVAS) resp. 27% (DECLARE-TIMI 58) reduziert (13, 14). Bemerkenswerterweise stellte sich die Reduktion des Herzinsuffizienz-Endpunktes bereits sehr früh nach Therapiebeginn ein, was einen unmittelbaren hämodynamischen, respektive kardiometabolischen Effekt vermuten lässt und nicht durch die bessere Kontrolle der Glykämie zu erklären ist. Aufgrund der positiven Effekte der SGLT2-Hemmer zur Verhinderung einer Herzinsuffizienz wurden in der Folge reine Herzinsuffizienz Studienprogramme ins Leben gerufen. In DAPA-HF wurden 4744 symptomatische Patienten (NYHA Klasse II-IV) mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (LVEF < 40%) und erhöhtem NT-proBNP (> 600 pg/ml) zu 10 mg Dapagliflozin versus Plazebo randomisiert (12). Die Studienmedikation wurde zusätzlich zu einer optimalen medikamentösen Basistherapie (> 90% ACE-I/ARB/ARNI; > 90% Betablocker; > 70% Aldosteron Antagonisten) verabreicht. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 18 Monaten resultierte die Gabe von Dapagliflozin in einer hochsignifikanten Reduktion des kombinierten primären Endpunktes (kardiovaskulärer Tod oder Herzinsuffizienz-Hospitalisation) um 26% (NNT 21). Auch die Endpunkte Herzinsuffizienz-Hospitalisation (Risikoreduktion 30%), kardiovaskulärer Tod (Risikoreduktion 18%) und die Gesamtmortalität (Riskoreduktion 17%) wurden signifikant reduziert. Dabei zeigte sich, dass die positive Wirkung der SGLT2-Hemmer-Therapie auf die genannten klinischen Endpunkte absolut losgelöst vom Diabetesstatus war. Somit ist die SGLT2-Hemmer Therapie mehr als eine klassische Herzinsuffizienztherapie als eine rein antidiabetische Therapie zu betrachten. Insgesamt wurde die SGLT2- Hemmer Therapie von herzinsuffizienten Patienten sehr gut vertragen. Eine potentiell gefährliche Ketoazidose trat lediglich bei 0.1% der mit Dapagliflozin behandelten Patienten auf, und dies war ausschliesslich bei Diabetikern der Fall. Andere unerwünschte Nebenwirkungen wie beispielsweise Hypovolämie, Nierenversagen, Frakturen oder Amputationen traten gleich häufig wie in der Plazebogruppe auf. Bemerkenswert ist, dass auch die älteren Patienten (> 75 Jahre) gleichermassen von der Therapie profitierten und sogar die grösste Verbesserung der Lebensqualität erfuhren (12).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Otmar Pfister

Klinik für Kardiologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

otmar.pfister@usb.ch

Der Autor deklariert in Zusammenhang mit diesem Artikel Beraterhonorare und unrestricted grants von AstraZeneca und Boehringer Ingelheim.

  • Die prognostisch bedeutsamen Effekte von SGLT-2 Hemmern auf die Entstehung und den Verlauf einer Herzinsuffizienz dürfen als Klasseneffekt betrachtet werden. Diese sind unabhängig vom Diabetes Status.
  • Ob sich einzelne Substanzen in Bezug auf Wirkung und/oder Nebenwirkungen voneinander unterscheiden, und ob Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionfraktion (HFpEF) gleichermassen von einer SGLT-2 Hemmer Therapie profitieren wie Patienten mit HFrEF, werden die ausstehenden Studienergebnisse zeigen.
  • Neben der bereits publizierten DAPA-HF Studie (LVEF < 40%) werden 2020 und 2021 die Studienergebnisse von EMPEROR-Reduced (LVEF < 40%) und EMPEROR-Preserved (LVEF > 40%) mit Empagliflozin, sowie DELIVER (LVEF > 40%) mit Dapagliflozin erwartet.

Messages à retenir

  • Les effets significatifs des inhibiteurs de SGLT-2 sur le développement et la progression de l’insuffisance cardiaque peuvent être considérés comme des effets de classe. Celles-ci sont indépendantes du statut du diabète.
  • Les résultats de l’étude en cours montreront si les substances individuelles diffèrent les unes des autres en termes d’effet et/ou d’effets secondaires, et si les patients souffrant d’insuffisance cardiaque avec fraction d’éjection préservée (HFpEF) bénéficient du même traitement par inhibiteur SGLT-2 que les patients souffrant de HFrEF.
  • En plus de l’étude DAPA-HF déjà publiée (LVEF < 40 %), les résultats des études EMPEROR-Reduced (LVEF < 40 %) et EMPEROR-Preserved (LVEF > 40 %) avec empagliflozine et DELIVER (LVEF > 40 %) avec dapagliflozine sont attendus en 2020 et 2021.

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Entscheidung von der Dauer und traditionellen Risikofaktoren abhängig

Subklinische Episoden atrialer Tachyarrhythmien als Vorstufe von Vorhofflimmern lassen sich heute mithilfe von Schrittmachern oder ICDs detektieren. Dabei stellt sich die Frage nach der Antikoagulation. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Wissenstand über subklinisches Vorhofflimmern, die verfügbaren Devices zur Früherkennung und die noch offenen Fragen.

Les épisodes subcliniques de tachyarythmie auriculaire comme précurseur de la fibrillation auriculaire peuvent maintenant être détectés à l’aide de stimulateurs cardiaques ou de ICDs. Cela soulève la question de l’anticoagulation. Cet article donne un aperçu de l’état actuel des connaissances sur la fibrillation auriculaire subclinique, les dispositifs disponibles pour la détection précoce et les questions qui restent ouvertes.

Einleitung

Vorhofflimmern ist die häufigste Arrhythmie weltweit mit einer prognostizierten Verdopplung der betroffenen Patienten bis 2060 (1,2). Patienten mit Vorhofflimmern haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein deutlich erhöhtes Risiko für Tod, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und kognitive Dysfunktion (3,4). Somit ist es wichtig, Patienten mit Vorhofflimmern früh zu erkennen und adäquat, insbesondere mit Antikoagulation, zu behandeln. Über die letzten Jahre sind Ärzte neben klinischem Vorhofflimmern immer mehr mit stillem, subklinischem Vorhofflimmern, welches durch ein implantierbares oder tragbares Device detektiert wurde, konfrontiert. Subklinisches Vorhofflimmern ist dabei als Vorhofflimmern ohne Symptome, welches erstmalig mit einem implantierten oder tragbaren Monitoring Device dokumentiert und durch einen Arzt bestätigt wurde, definiert. Die erfolgreiche klinische Testung von Apps und Smart-Devices zur Vorhofflimmerdetektion und die Aufnahme dieser Modalitäten zum Vorhofflimmer-Screening in die internationalen Guidelines, ermöglichen eine ungleich niederschwelligere Suche nach Rhythmusstörungen als noch wenige Jahre zuvor (5-7). Die genaue Zeitdauer, ab wann man von Vorhofflimmern spricht ist weiterhin Gegenstand von Forschung und Diskursen und wurde aktuell empirisch bei mindestens 30 Sekunden festgelegt. Einerseits eröffnet die frühe Detektion von subklinischem Vorhofflimmern die Möglichkeit einer frühen, präventiven Schlaganfallprophylaxe. Andererseits ist noch nicht etabliert ob eine Langzeitantikoagulation bei subklinischem Vorhofflimmern sicher indiziert ist und falls ja, welche Patientengruppen davon am meisten profitieren und ab welcher Vorhofflimmerdauer der Nutzen gegenüber dem Blutungsrisiko überwiegt. Dieser Artikel gibt einen Überblick über den aktuellen Wissenstand über subklinisches Vorhofflimmern, die verfügbaren Devices zur Früherkennung und die noch offenen Fragen.

Detektion, Diagnose und Prävalenz

Die verfügbaren Geräte zur Detektion von subklinischem Vorhofflimmern umfassen intrakardiale, subkutane und tragbare Geräte mit intermittierendem oder kontinuierlichen Monitoring. Diese reichen von implantierten Herzschrittmachern über aufklebbare Patches bis zu Smart-Watches und Smart-Phones. Jedes dieser Systeme hat spezifische Vor- und Nachteile und eignet sich daher für unterschiedliche Umstände. Genauso wie der Preis des Screenings eine Rolle bei der Entscheidung spielen sollte, müssen potentielle Nebenwirkungen, der Anteil unnötiger Folgeuntersuchungen und Komplikationen, neben Komfort, zu erwartender Compliance und der schlichten Verfügbarkeit der Devices berücksichtigt werden. Unbedingt sollte darauf geachtet werden, dass die Geräte und die verwendete Software für den vorgesehenen Zweck als Medizinprodukt zertifiziert sind. Idealerweise sind auch Eckdaten wie Sensitivität und Spezifität der verwendeten Algorithmen publiziert, um die resultierenden Informationen bestmöglich interpretieren zu können. Da es sich bei stillem Vorhofflimmern um ein wiederkehrendes Ereignis mit überschaubarem akutem Risiko für den Patienten handelt, ist zum Beispiel eine etwas geringere Sensitivität (nicht jede Episode wird erkannt) zum Preis einer maximalen Spezifität (praktisch jede detektierte Episode ist tatsächlich Vorhofflimmern) durchaus vertretbar.
Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten, aktuellen verfügbaren Geräte zur Detektion von subklinischem Vorhofflimmern. Bisher stammt die meiste Evidenz von Herzschrittmachern mit einer atrialen Sonde zur Erkennung des Vorhofflimmerns durch verschiedene Algorithmen mit P-Wellenerkennung und Irregularität der P-P und R-R Abstände (8-13). Aufgrund von unterschiedlichen Definitionen von subklinischem Vorhofflimmern, variierendem Follow-up und verschiedenen, oft multimorbiden Patientenpopulationen, gibt es eine grosse Bandbreite von berichteten Prävalenzen. Diese reichen von 10 bis 55% über Beobachtungszeiträume von 6 Monaten bis 7 Jahre. Leider gibt es auch keine kongruenten Prädiktoren für die Entwicklung von subklinischem Vorhofflimmern in den publizierten Herzschrittmacherstudien. Risikofaktoren wie arterielle Hypertonie, höheres Alter, frühere thromboembolische Ereignisse, ein dilatierter linker Vorhof und eine bestehende Herzinsuffizienz scheinen jedoch die Wahrscheinlichkeit für subklinisches Vorhofflimmern zu erhöhen (8-13). Die kürzlich publizierte Apple-Heart Studie gibt erstmals einen Anhaltspunkt über die Prävalenz von subklinischem Vorhofflimmern in der Allgemeinbevölkerung: Eine beeindruckende Anzahl von 419.297 Teilnehmer wurde dabei im Median über 117 Tage monitorisiert. Davon erhielten 0.5% der Teilnehmer eine Notifikation über einen unregelmässigen Puls. In 84% wurden die Notifikationen als Vorhofflimmern interpretiert und bei 34% der Personen mit Notifikationen konnte ein Vorhofflimmern mittels zusätzlichen EKG Patches dokumentiert werden (14). Dies zeigt, dass die Prävalenz von subklinischem Vorhofflimmern in der Allgemeinbevölkerung niedrig ist, sodass die number needed-to-screen um Vorhofflimmern bei einer Person zu finden entsprechend gross ist. Bei Notifikationen ist der positive prädiktive Wert für Vorhofflimmern jedoch sehr hoch.

Assoziation mit ischämischem Schlaganfall

Screening für subklinisches Vorhofflimmern macht nur Sinn, wenn daraus auch ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Endpunkte und ein entsprechender Nutzen einer frühen Behandlung hervorgeht. Dieser Frage nahm sich eine kürzlich publizierte Meta-analyse in über 15.000 Patienten von 7 Studien an. Diese zeigte ein 2.4-fach erhöhtes Risiko für ischämische Schlaganfälle in Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern. In absoluten Zahlen entspricht dies einer Inzidenz von 1.9 pro 100 Patientenjahren (15). Dabei wurde ein Zusammenhang zwischen der Dauer des Vorhofflimmerns und des Schlaganfallrisikos festgestellt. Während kurze Episoden unter 15-20 Sekunden kein erhöhtes Risiko zeigten, waren Episoden >24 Stunden mit einem deutlich erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert (Abbildung 1) (8,16,17). Zusätzlich ist das Schlaganfallrisiko neben der Zeitdauer des subklinischen Vorhofflimmerns auch von traditionellen Risikofaktoren, wie Diabetes mellitus, arterieller Hypertonie und vaskulärer Erkrankung, welche Teile des CHA2DS2-VASc bzw. CHA2DS2-VASc Scores sind, abhängig. So konnte gezeigt werden, dass Patienten mit einem CHADS2 Score von 1 Punkt erst ab Episoden >24 Stunden ein relevant erhöhtes Risiko haben, Patienten mit einem CHADS2 Score ≥2 Punkte jedoch schon ab Episoden >5 Minuten. Die wichtige Rolle von traditionellen Risikofaktoren ist durch die inkongruente zeitliche Assoziation von Vorhofflimmerepisoden mit Schlaganfällen in der ASSERT Studie unterstrichen. In dieser Studie, mit kontinuierlichen Rhythmusmonitoring mit Herzschrittmachern, konnte gezeigt werden, dass die zeitliche Korrelation zwischen Vorhofflimmerepisoden und Schlaganfällen sehr niedrig ist (18). Dies hat zu der Diskussion geführt, ob Vorhofflimmern neben der direkten Ursache für einen Schlaganfall auch lediglich ein Risikoindikator für ein erhöhtes Schlaganfallrisiko sein könnte. Zusammenfassend ist das endgültige Schlaganfallrisiko von einem komplexen Zusammenspiel von der Zeitdauer des Vorhofflimmerns und Risikofaktoren abhängig.

Progression zu klinischem Vorhofflimmern

Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern haben ein fast 6-fach erhöhtes Risiko in den nächsten 2-3 Jahren klinisches Vorhofflimmern zu entwickeln. In einer Studie mit 2580 Patienten mit einem Herzschrittmacher entwickelten 16% der Patienten mit subklinischen Vorhofflimmerepisoden, zwischen 6 Minuten bis 24 Stunden, längere Episoden >24 Stunden über einen Zeitraum von 2.5 Jahren. Risikofaktoren für eine Progression von subklinischem zu klinischem Vorhofflimmern waren höheres Alter, ein höherer BMI und längere subklinische Episoden (8). Diese Progression ist klinisch relevant, da Patienten mit zunehmenden subklinischen Vorhofflimmerepisoden unter anderem ein erhöhtes Risiko für eine Herzinsuffizienz haben (19).

Behandlung

Bisher gibt es keine klar definierten Grenzwerte, ab welcher Dauer des subklinischen Vorhofflimmerns eine Behandlung, insbesondere eine Antikoagulation, indiziert ist. Dies führt zu einer grossen Variation in der Praxis. So konnte in einer Registerstudie in den USA eine grosse Bandbreite an Antikoagulationsraten von 3 bis 67% in verschiedenen Zentren gezeigt werden (20). Solange keine Ergebnisse von randomisierten Studien vorliegen, ist die Entscheidung zur Antikoagulation individuell mit der Abwägung des ischämischen Risikos und des Blutungsrisikos. Wir empfehlen sowohl die Zeitdauer des subklinischen Vorhofflimmerns wie auch den CHA2DS2-VASc Score in die Entscheidung einfliessen zu lassen. Aufgrund der vorliegenden, oben erwähnten Daten von Beobachtungsstudien (8), empfehlen wir eine Antikoagulation bei subklinischem Vorhofflimmern >24 Stunden. Bei Episoden <24 Stunden sollte der CHA2DS2-VASc Score zur weiteren Risikostratifizierung herangezogen werden. Hier ist jedoch zu beachten, dass der Score in dieser Population nicht spezifisch getestet wurde.
Aktuell untersuchen zwei grosse, randomisierte Studien den Nutzen von Antikoagulation gegenüber Aspirin hinsichtlich ischämischen Schlaganfällen in Patienten mit subklinischem, mittels Schrittmacher aufgezeichneten Vorhofflimmern mit einer Dauer >6 Minuten. Die NOAH (Non-Vitamin K Antagonist Oral Anticoagulants in Patients With Atrial High Rate Episodes) Studie vergleicht Edoxaban mit Aspirin und die ARTESiA (Apixaban for the Reduction of Thrombo-Embolism in Patients with Device-Detected Sub-Clinical Atrial Fibrillation) Studie vergleicht Apixaban mit Aspirin. Beide Studien schliessen Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern von >6 Minuten (bis maximal 24 Stunden in ARTESiA) und zusätzlichen Risikofaktoren für einen Schlaganfall ein. An der ARTESiA Studie nehmen auch mehrere Spitäler in der Schweiz teil um diese wichtige Forschungsfrage zu beantworten. Die Ergebnisse beider Studien werden in den nächsten 1-2 Jahren erwartet.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Philipp Krisai

Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Basel, Cardiovascular Research
Institute Basel, Universitätsspital Basel

Prof. Dr. med. Michael Kühne

Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Basel, Cardiovascular Research
Institute Basel, Universitätsspital Basel

Prof. Dr. med. Jens Eckstein, MD PhD

Klinik für Innere Medizin, Universitätsspital Basel
Department of Digitalization and ICT Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

jens.eckstein@usb.ch

JE hat 0.5 Virtuelle Anteile an Preventicus (Herstellerin einer AF-Detektions App); die anderen Autoren haben keinen Interessenskonflikt.

  • Die Detektion von subklinischem Vorhofflimmern mittels implantierbaren oder mobilen Devices stellt eine Herausforderung und gleichzeitig eine Chance zur frühen Behandlung, insbesondere mit Antikoagulation, dar.
  • Jede vom Gerät automatisch als Vorhofflimmern identifizierte Episode sollte durch manuelle Durchsicht bestätigt werden.
  • In Abwesenheit von Ergebnissen von randomisierten Studien in dieser Population, sollte die Entscheidung zu einer Antikoagulation von der Dauer der längsten Episode und traditionellen Risikofaktoren abhängig gemacht werden.
  • Eine Antikoagulation sollte, bei vertretbarem Blutungsrisiko, sicher bei Episoden >24 Stunden begonnen werden und bei kürzeren Episoden mit einem hohen CHA2DS2-VASc Score erwogen werden.
  • Ergebnisse von randomisierten Studien sollten eine Datenbasis für genauere Empfehlungen bereiten und werden in den nächsten 1-2 Jahren erwartet.

Messages à retenir

  • La détection de la fibrillation auriculaire subclinique au moyen de dispositifs implantables ou mobiles représente un défi et en même temps une opportunité pour un traitement précoce, en particulier avec l’anticoagulation.
  • Chaque épisode automatiquement identifié par l’appareil comme étant une fibrillation auriculaire doit être confirmé par un examen manuel.
  • En l’absence de résultats d’études randomisées dans cette population, la décision de recourir à l’anticoagulation devrait être fondée sur la durée de l’épisode le plus long et sur les facteurs de risque traditionnels.
  • L’anticoagulation devrait être amorcée de façon sécuritaire lors d’épisodes > 24 heures avec un risque acceptable de saignement et devrait être envisagée pour des épisodes plus courts avec un score CHA2DS2-VASc élevé.
  • Les résultats des études randomisées devraient fournir une base de données pour des recommandations plus précises et sont attendus dans les 1 à 2 prochaines années.

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16. Swiryn S, Orlov MV, Benditt DG, DiMarco JP, Lloyd-Jones DM, Karst E, Qu F, Slawsky MT, Turkel M, Waldo AL, RATE Registry Investigators. Clinical Implications of Brief Device-Detected Atrial Tachyarrhythmias in a Cardiac Rhythm Management Device Population: Results from the Registry of Atrial Tachycardia and Atrial Fibrillation Episodes. Circulation. 2016;134:1130–1140.
17. Van Gelder IC, Healey JS, Crijns HJGM, Wang J, Hohnloser SH, Gold MR, Capucci A, Lau C-P, Morillo CA, Hobbelt AH, Rienstra M, Connolly SJ. Duration of device-detected subclinical atrial fibrillation and occurrence of stroke in ASSERT. Eur Heart J. 2017;38:1339–1344.
18 Brambatti M, Connolly SJ, Gold MR, Morillo CA, Capucci A, Muto C, Lau CP, Van Gelder IC, Hohnloser SH, Carlson M, Fain E, Nakamya J, Mairesse GH, Halytska M, Deng WQ, Israel CW, Healey JS, ASSERT Investigators. Temporal relationship between subclinical atrial fibrillation and embolic events. Circulation. 2014;129:2094–2099.
19. Wong JA, Conen D, Van Gelder IC, McIntyre WF, Crijns HJ, Wang J, Gold MR, Hohnloser SH, Lau CP, Capucci A, Botto G, Grönefeld G, Israel CW, Connolly SJ, Healey JS. Progression of Device-Detected Subclinical Atrial Fibrillation and the Risk of Heart Failure. J Am Coll Cardiol. 2018;71:2603–2611.
20. Perino AC, Fan J, Askari M, Heidenreich PA, Keung E, Raitt MH, Piccini JP, Ziegler PD, Turakhia MP. Practice Variation in Anticoagulation Prescription and Outcomes After Device-Detected Atrial Fibrillation. Circulation. 2019;139:2502–2512.

Systemische Vaskulitiden – Diagnostik und neue Therapieansätze mit Biologika

Systemische Vaskulitiden gehören zu den seltenen Erkrankungen. Bei unklarem Beschwerdebild (Fever of unknown origin, Gewichtsverlust und erhöhten Entzündungsparametern) kann eine frühzeitige Diagnostik mittels PET-CT eine Verzögerung der Therapie vermeiden. Neue Biologika bieten vielversprechende Therapieansätze und senken die Steroidmorbidität.

Les vascularites systémiques font partie des maladies rares. Si les symptômes ne sont pas clairs (fièvre d’origine inconnue, perte de poids et augmentation des paramètres inflammatoires), un diagnostic précoce par TEP-TDM peut éviter de retarder le traitement. Les nouveaux produits biologiques offrent des approches thérapeutiques prometteuses et réduisent la morbidité liée aux stéroïdes

Nicht-infektiöse systemische Vaskulitiden-Einteilung und Diagnostik

Vaskulitiden entsprechen einer Entzündung der Gefässwand und können infektiös oder nicht-infektiös bedingt sein. In diesem Artikel beziehen wir uns auf die systemischen nicht-infektiösen Vaskulitiden. Die Einteilung nach Gefässgrösse (klein, mittel, gross) erfolgt gemäss prädominantem Auftreten der Entzündung, kann jedoch übergreifend sein. Die 2012 revidierte Chapel Hill Consensus Klassifikation definiert die Nomenklatur der Vaskulitiden (1). Neben systemischen Vaskulitiden gibt es verschiedene organlimitierte Formen (z.B. Haut, Auge, Niere), auf welche wir hier nicht eingehen.
In der Diagnostik kann ein Organbefall mit entsprechender Dysfunktion wegweisend sein, oft stehen aber unspezifische Allgemeinsymptome wie Fieber, Nachtschweiss, Malaise und Gewichtsverlust im Vordergrund. Dies macht meistens eine ausgedehnte Diagnostik mit Infektsuche erforderlich. Die initiale Labordiagnostik beinhaltet ein Differenzialblutbild, Entzündungsmarker (CRP, BSR), Nierenfunktionsparameter inklusive glomerulärer Filtrationsrate. Zusätzlich muss mittels Bestimmung der Proteinurie und Mikrohämaturie eine Nierenbeteiligung gesucht werden. Anti-neutrophile cytoplasmatische Antikörper (ANCA) sind Autoantikörper gegen Proteine/Enzyme in den zytoplasmatischen Granula von Monozyten und Neutrophilen. Mittels indirekter Immunfluoreszenz und ELISA kann der Nachweis eines ANCA Subtyps richtungsweisend sein für eine Kleingefässvaskulitis (2).
Bei der Granulomatose mit Polyangiitis (Wegener Granulomatose) kommt es typischerweise zu einer Beteiligung der Atemwege, Lunge und/oder Niere. Die eosinophile granulomatöse Polyangiitis (Churg-Strauss Syndrom) ist neben einer bronchopulmonalen Manifestation mit einer Eosinophilie assoziiert. Die mikroskopische Polyangiitis manifestiert sich meist mit einer rasch progredienten Glomerulonephritis und alveolärer Hämorrhagie.
Eine sehr seltene und schwierig zu diagnostizierende Vaskulitis der mittelgrossen Gefässe ist die Polyarteritis nodosa, welche sowohl fulminant mit multiplen gleichzeitigen Organbeteiligungen, oftmals aber auch schleichend mit einer langen Prodromalphase verlaufen kann.
Zu den Grossgefässvaskulitiden gehören die Riesenzellarteriitis und die Takayasu Arteriitis. Die klinische Trias der Riesenzellarteriitis beinhaltet Kopfschmerz, Kieferclaudicatio (Kauschmerz) und Diplopie mit Erhöhung der systemischen Entzündungszeichen. Jede Form von Augenbeteiligung ist ein Alarmzeichen und bedarf beim leisesten Verdacht auf eine Grossgefässvaskulitis einer sofortigen intensiven Therapie da eine rasche und irreversible Erblindung droht. Die Temporalarterienbiopsie ist weiterhin der Goldstandard in der Diagnostik. Bei der Takayasu Arteriitis, welche sich typischerweise im Alter <50 Jahre manifestiert, kommt es mehrheitlich zu unspezifischen Beschwerden wie Fieber, Malaise und Gewichtsverlust. Durch Dissektion oder Okklusion der betroffenen Gefässe kann es schliesslich aber auch zu territorialen Ischämien und Infarkten kommen (3).
Die Bildgebung dient zur Dokumentation der Verteilung und Ausmass der Gefässentzündung als auch des Organbefalls. Hierfür kann Magnetresonanztomographie oder 18F-FDG Positronen Emissions CT erfolgen. Das 18F-FDG PET-CT gewann zusätzlich an Bedeutung nachdem gezeigt werden konnte, dass es bei Fever of Unknown Origin (FUO) oder Inflammation of Unknown Origin (IUO) zu einer raschen Diagnosestellung beiträgt. Insbesondere bei über 50 jährigen Patienten mit erhöhtem CRP (> 30mg/ml) und ohne Fieber, also einer Population mit markanter Vortestwahrscheinlichkeit einer Grossgefässvaskulitis (4, 5).

Bisherige Therapieregimes bei Vaskulitiden

Das bisherige Therapieregime beinhaltete Kortikosteroide und zytotoxische Medikamente (6). Glukokortikosteroide sind durch ihre zahlreichen Nebenwirkungen (Osteoporose, Hypertonie, Diabetes, Gewichtszunahme, erhöhte Infektanfälligkeit, gastrointestinale Blutungen, Katarakt und Glaukom) nicht für eine Langzeittherapie geeignet.
Zytotoxische Arzneimittel wie Methotrexat, ein Folsäureanalogon und Antimetabolit wurden begleitend zu den Steroiden eingesetzt. Reversible Nebenwirkungen von Methotrexat sind Pneumonitis, Lebertoxizität und Myelosuppression.
Als Alternative bei Krankheitsprogression und generalisiertem Befall kamen alkalysierende Medikamente wie Cyclophosphamid zum Einsatz. Nach Erreichen einer Remission erfolgte eine Umstellung auf immunsuppressive Antimetaboliten wie Azathioprine, Cyclosporine oder Mycophenolat Mofetil. Damit wurde versucht die Toxizität von Cyclophosphamid, welche insbesondere das Risiko für Urothelkarzinome als auch Infertilität erhöht, zu minimieren.
Durch Plasmapherese kann die Konzentration von Autoantikörpern und Immunkomplexen im Plasma und Gewebe reduziert werden. Ein klinischer Benefit der Plasmapherese ist nur für wenige, besonders schwerwiegende Vaskulitisverläufe belegt, insbesondere für ANCA-assoziierte Vaskulitiden mit schwerem Nierenbefall und für schwere Formen von Hepatitis B assoziierter Polyarteriitis nodosa (7).

Der Trend zu Biologika

Neue Therapieoptionen – und mittlerweile oft State of the Art – bestehen mit Biologika.

Rituximab (Mabthera)

Rituximab ist ein chimärer (murin/human) monoklonaler Antikörper gegen auf B Zellen exprimiertes CD20 Antigen. Nach dessen Bindung wird eine Zelllyse ausgelöst. Rituximab ist kontraindiziert bei aktiver Hepatitis B. Die Indikation in Kombination mit Glukokortikoiden besteht primär für ANCA-assoziierte Vaskulitiden (6,8).

Tocilizumab (Actemra)

Tocilizumab ist ein humanisierter anti-Interleukin-6 (IL-6) Rezeptor Antikörper und blockiert dessen Signaltransduktion durch Bindung an den transmembranen und solublen IL-6 Rezeptor. IL-6 wird bei lokalen Gewebeschaden, Infektion, oder in Folge eines nicht-infektiösen inflammatorischen Stimulus von vornehmlich Makrophagen, dendritischen Zellen jedoch auch anderen Zelltypen produziert (9). Die pleiotrope Funktion von IL-6 beinhaltet einerseits die Aufregulation von Akut-Phasen-Proteinen (CRP, Serum Amyloid A, Fibrinogen, Haptoglobin) in der Leber, und Aufregulierung von Hepcidin mit in Folge Hypoferritinämie und Anämie bei chronischer Inflammation (10). Tocilizumab ist zugelassen für die Therapie der Riesenzellarteriitis. Sie führte hier zur drastischen Reduktion der Steroidmorbidität. Tocilizumab wird im off-label use ebenfalls erfolgreich für die Behandlung der Takayasu Arteriitis, Polymyalgia rheumatica und weiteren autoimmunen Krankheiten eingesetzt, insbesondere bei Patienten, welche nicht tolerierbar hohe Glukokortikosteroiddosierungen für die Krankheitskontrolle brauchen (11–13).

Mepolizumab (Nucala)

Mepolizumab ist ein monoklonaler anti-IL-5 Antikörper. Das Zytokin IL-5 ist für die Rekrutierung, Differenzierung und Aktivierung von eosinophilen Granulozyten verantwortlich. Durch die selektive Hemmung der Eosinophilen ist die Anwendung aktuell für die Therapie des eosinophilen Asthmas zugelassen. Bei den Vaskulitiden zeigte der Einsatz von IL-5 Blockern bei therapierefraktärer ANCA-negativer eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis eine signifikante Reduktion der Steroiddosis (14). Der Einsatz von Benralizumab (Fasenra) einem IL-5 Rezeptor Antikörper wird aktuell evaluiert.

Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-ɑ) Blocker

Infliximab ist ein chimärer (murin/human) monoklonaler Antikörper welcher mit hoher Affinität an den löslichen als auch transmembranös gebundenen Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-ɑ) bindet. TNF-ɑ wird dadurch neutralisiert und die Aktivierung von proinflammatorischen Zytokinen IL-6 und IL-10, Endothel und Leukozyten gehemmt. Die Wirksamkeit von Infliximab oder anderen TNF-Blockern wurde bei fast allen Vaskulitiden in klinischen Studien getestet mit meist enttäuschenden Resultaten. Die Therapie ist deshalb auf wenige sehr spezielle Indikationen limitiert (z.B. Morbus Behçet). Erwähnenswert ist, dass TNF-Blocker im Verlauf der Therapie autoimmune Erkrankungen wie Vaskulitis und Lupus hervorrufen können (15).
Eine mögliche allergische Reaktion bei den ersten Applikationen (insbesondere bei nicht vollständig humanisierten Antikörpern) sowie erhöhte Infektanfälligkeit besteht unter allen neuen Biologika. Unter längerer Therapie ist für die meisten Biologika die Möglichkeit der Produktion von neutralisierenden Antikörpern berichtet worden. Der off-label use stützt sich bis jetzt lediglich auf kleine Studien und Fallberichte. Die Effektivität bleibt offen und muss im Einzelfall vorsichtig gegen mögliche Risiken abgewogen werden.

Dr. med. Ayla Yalamanoglu, Dr. med. Irina Léa Dubach
PD Dr. med. Florence Vallelian, Prof. Dr. med. Dominik Schaer
Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Universitätsspital, 8091 Zürich
dominik.schaer@usz.ch

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Ayla Yalamanoglu

Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital
8091 Zürich

Dr. med. Irina Léa Dubach

Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital
8091 Zürich

Prof. Dr. med. Dominik Schaer

Entzündungssprechstunde
Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital
8091 Zürich

dominik.schaer@usz.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Diagnostik mittels PET CT kann bei systemischen Vaskulitiden bei unspezifischer Symptomatik sowie persistierend erhöhten Entzündungszeichen eine frühzeitige Diagnosestellung einer Grossgefässvaskulitis vorantreiben und längerfristige Organkomplikationen vermeiden.
  • Der frühzeitige Einsatz von Biologika stellt einen Durchbruch in der Therapie der Vaskulitiden dar mit rascher Reduktion der Steroidmorbidität. Sie bietet eine hoffnungsvolle Alternative bei Therapieversagen der Glukokortikosteroide und älteren immunsuppressiven Therapien.
  • Die Entzündungswerte, insbesondere beim Einsatz von Tocilizumab, können auch bei einem relevanten Infekt normwertig ausfallen. Eine Infektsuche sollte bei entsprechender Klinik erfolgen, um eine gefährliche Infektion auszuschliessen.

Messages à retenir

  • Dans le cas d’une vascularite systémique avec des symptômes non spécifiques et des signes d’inflammation constamment accrus, les diagnostics utilisant le PET CT peuvent favoriser un diagnostic précoce de la vascularite des gros vaisseaux et éviter les complications à long terme sur les organes.
  • L’utilisation précoce de produits biologiques représente une percée dans le traitement de la vascularite avec une réduction rapide de la morbidité liée aux stéroïdes. Elle offre une alternative prometteuse en cas d’échec des glucocorticoïdes et des anciennes thérapies immunosuppressives.
  • Les valeurs d’inflammation, en particulier lorsque le tocilizumab est utilisé, peuvent être normales même dans le cas d’une infection pertinente. Une recherche d’infection doit être effectuée dans une clinique appropriée afin d’exclure une infection dangereuse.

1. Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA, Basu N, Cid MC, Ferrario F, et al. 2012 Revised International Chapel Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis & Rheumatism. 2013. pp. 1–11. doi:10.1002/art.37715
2. Miller A, Chan M, Wiik A, Misbah SA, Luqmani RA. An approach to the diagnosis and management of systemic vasculitis. Clin Exp Immunol. 2010;160: 143–160.
3. Águeda AF, Monti S, Luqmani RA, Buttgereit F, Cid M, Dasgupta B, et al. Management of Takayasu arteritis: a systematic literature review informing the 2018 update of the EULAR recommendation for the management of large vessel vasculitis. RMD Open. 2019;5: e001020.
4. Meller J, Sahlmann C-O, Scheel AK. 18F-FDG PET and PET/CT in fever of unknown origin. J Nucl Med. 2007;48: 35–45.
5. Schönau V, Vogel K, Englbrecht M, Wacker J, Schmidt D, Manger B, et al. The value of 18F-FDG-PET/CT in identifying the cause of fever of unknown origin (FUO) and inflammation of unknown origin (IUO): data from a prospective study. Ann Rheum Dis. 2018;77: 70–77.
6. Fellner C. Biologics Will Pump Up the Vasculitis Market. P T. 2016;41: 258–260.
7. Jayne D. Evidence-based treatment of systemic vasculitis. Rheumatology . 2000;39: 585–595.
8. Niles J. Rituximab in induction therapy for anti-neutrophil cytoplasmic antibody (ANCA) vasculitis. Clin Exp Immunol. 2011;164 Suppl 1: 27–30.
9. Akira S, Taga T, Kishimoto T. Interleukin-6 in Biology and Medicine. In: Dixon FJ, editor. Advances in Immunology. Academic Press; 1993. pp. 1–78.
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11. Michaud M, Lidove O, Bienvenu B, Chiche L, Urbanski G, TOCIMAI Investigators Group. Effectiveness and tolerance of off-label use of tocilizumab in autoimmune diseases: A Multicenter Study. Joint Bone Spine. 2019. doi:10.1016/j.jbspin.2019.08.002
12. Paroli M. Clinical use of biologics in vasculitis syndromes. Biologics. 2012;6: 371–378.
13. Schirmer M, Muratore F, Salvarani C. Tocilizumab for the treatment of giant cell arteritis. Expert Rev Clin Immunol. 2018;14: 339–349.
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15. Sokumbi O, Wetter DA, Makol A, Warrington KJ. Vasculitis associated with tumor necrosis factor-α inhibitors. Mayo Clin Proc. 2012;87: 739–745.