Bronchuskarzinom – NSCLC ohne Treibermutationen

In den letzten Jahren hat die therapeutische Anwendung von Checkpoint Inhibitoren die Therapie des NSCLC revolutioniert. Unter Berücksichtigung der Evidenz aus fünf zwischenzeitlich publizierten randomisierten Phase III Studien – IMPOWER 130 (1), KEYNOTE 189 (2), KEYNOTE 042 (3) IMPOWER 150 (4), KEYNOTE 407 (5) – veröffentlichte die ASCO zusammen mit dem Ontario Cancer Care Center im Januar 2020 ein Update der ASCO Guidelines zur Behandlung des metastasierten Nicht Kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) ohne Vorliegen einer behandelbaren Treibermutation und ohne programmed death ligand 1 (PD-L1) Vorselektion (6). Die Literaturrecherche umfasste dabei den Zeitraum von Dezember 2015 bis August 2018. Die Ergebnisse der später publizierten CHECKMATE 227 Studie (7) werden in einem zusätzlichen Kommentar diskutiert, führen aber nicht zur Änderung der Empfehlungen und werden hier daher nicht erläutert. Die Empfehlungen zur alleinigen Chemotherapie, zur Zweitlinientherapie und zu weiteren Therapie-linien haben sich nicht geändert, so dass dieser Artikel allein die neuen Empfehlungen zur Erstlinientherapie diskutiert.

Ces dernières années, l’  utilisation thérapeutique des inhibiteurs du checkpoint a révolutionné la thérapie du CPNPC. En tenant compte des résultats de cinq études randomisées de phase III publiées entre-temps – IMPOWER 130 (1), KEYNOTE 189 (2), KEYNOTE 042 (3) IMPOWER 150 (4), NOTA CLÉ 407 (5) – En janvier 2020, l’ ASCO et l’ Ontario Cancer Care Center ont publié une mise à jour des lignes directrices de l’ ASCO pour le traitement du cancer du poumon non à petites cellules (CPNPC) métastatique sans mutation traitable du conducteur et sans présélection du ligand de mort programmé 1 (PD-L1) (6). La recherche documentaire a porté sur la période allant de décembre 2015 à août 2018. Les résultats de l’ étude CHECKMATE 227 (7), publiée ultérieurement, sont examinés dans un commentaire supplémentaire mais n’ entraînent pas de modification des recommandations et ne sont donc pas expliqués ici. Les recommandations pour la chimiothérapie seule, la thérapie de deuxième ligne et les autres lignes de thérapie n’ ont pas changé, de sorte que cet article traite uniquement des nouvelles recommandations pour la thérapie de première ligne.

Die Autoren erarbeiten in den Guidelines nacheinander die Empfehlungen für die Erstlinientherapie des Nicht-Plattenepithel (NSCC) – und Plattenepithelkarzinoms (SCC) entsprechend der PD-L1 Expression am Tumorgewebe (PD-L1 tumour proportion score – TPS) und analysieren hierfür in den fünf als praxisrelevant beurteilten Phase III Studien das Outcome (progressionsfreies Überleben – PFS, Gesamtüberleben – OS) für die Subgruppen mit PD-L1 TPS ≥ 50%, PD-L1 TPS 1-49% bzw. PD-L1 TPS < 1%. Der Empfehlungsgrad wird aus den jeweiligen Subgruppenanalysen abgeleitet. Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die genannten Studien. Tabelle 2 enthält die jeweiligen Empfehlungen im Original. In diesem Übersichtsartikel werden die Empfehlungen zu Themenblöcken zusammengefasst.

Alleinige Therapie mit einem Checkpoint-Inhibitor

Unverändert zu 2017 gilt die alleinige Therapie mit dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab als Erstlinien-Therapie der Wahl bei Patienten ohne Kontraindikation für Immuntherapie mit NSCC und SCC, einem PS von 0 -1 und einem PD-L1 TPS von ≥ 50%. Die 2017 Empfehlung bezieht sich auf die Daten der KEYNOTE 024 Studie (8), das 2020 Update betrachtet darüber hinaus das Outcome der Patienten mit PD-L1 ≥ 50% der Patienten in der KEYNOTE 042 Studie. In der KEYNOTE 042 Studie wurden 1274 Patienten mit SCC und NSCC und einer PD-L1 Expression ≥ 1% 1:1 randomisiert zwischen platinhaltiger Chemotherapie und Pembrolizumab Monotherapie. Der primäre Endpunkt war das OS in der Population mit PD-L1 ≥ 50%, ≥ 20% und ≥ 1%, für alle drei Populationen war das OS signifikant länger im Pembrolizumab-Arm. Für die Gesamtpopulation der Patienten mit PD-L1≥ 50% (599 Patienten) ergab sich ein OS Benefit mit einer hazard ratio (HR) von 0.69 (95% CI, 0.56 to 0.85; p = .0003). Eine explorative Analyse für die Subgruppe der Patienten mit einer PD-L1 Expression von 1-49% zeigt allerdings, dass diese Patienten keinen signifikanten Überlebensvorteil durch die Pembrolizumab Monotherapie erfahren (HR 0.92, 95% CI 0.77- 1.11), und somit der Überlebensvorteil in der Gesamtpopulation durch die Subgruppe mit einem PD-L1 TPS ≥ 50% getragen wird. Entsprechend wird die Pembrolizumab Monotherapie für Patienten mit einer PD-L1 TPS 1-49% in den ASCO Guidelines als Möglichkeit im Einzelfall (Patienten, welche nicht für eine Chemotherapie qualifizieren oder diese ablehnen) mit allerdings schwacher Evidenz diskutiert. Wir denken, dass die Empfehlung so unterstützt werden kann und würden ebenfalls von einer unselektionierten Anwendung von Pembrolizumab in der Gruppe der Patienten mit einem PD-L1 TPS 1-49% warnen, insbesondere auch bei Patienten, bei welchen ein rasches Ansprechen erreicht werden sollte. Zudem wäre bei diesen Patienten zuerst eine Kostengutsprache einzuholen, da Pembrolizumab bei einer PD-L1 Expression < 50% in der Schweiz in der Erstlinientherapie nicht zugelassen ist.
Zum Zeitpunkt der Literaturrecherche gibt es keine ausreichende Evidenz zur alleinigen Immuntherapie mit anderen Checkpoint Inhibitoren bei Patienten mit hoher PD-L1 Expression (Daten der IMPOWER 110 Studie nicht berücksichtigt).

Checkpoint Inhibitor und Platinhaltige Kombina-tionschemotherapie bei PD-L1 TPS von 0% -49%

Für Patienten ohne Kontraindikation für eine Immuntherapie mit NSCC und SCC, PD-L1 TPS von 0% -49% sowie einem PS von 0 -1 wird in der ersten Therapielinie die Therapie mit Checkpoint Inhibitor plus platinhaltiger Kombinationschemotherapie empfohlen. Hierfür stehen mittlerweile verschiedene Behandlungsschemata zur Verfügung, welche im Folgenden kurz erörtert werden.
Beim NSCC wird die Therapie mit Carboplatin/Pemetrexed und Pembrolizumab analog der KEYNOTE 189 Studie als bevorzugte Behandlungsoption empfohlen. In der KEYNOTE 189 Studie wurden 616 Patienten mit NSCC unabhängig von der PD-L1 Expression 2:1 randomisiert und erhielten Cis-bzw. Carboplatin/Pemetrexed und Pembrolizumab für vier Zyklen mit anschliessender Erhaltungstherapie mit Pemetrexed und Pembrolizumab (bis zu 35 Zyklen) oder alleinige Chemotherapie. Das Gesamtüberleben war im Interventionsarm signifikant besser und die 12- Monats-Überlebensrate betrug 69 % mit der Pembrolizumab- Kombination versus 49% mit alleiniger Chemotherapie (HR 0,49; 95% CI 0.38-0.64, p < 0.001). Der Benefit war unabhängig von der PD-L1 Expression statistisch signifikant. Auch Patienten mit einer PD-L1 Expression < 1% profitierten von der zusätzlichen Pembrolizumabtherapie (geplante Subgruppenanalyse für PD-L1 <1%, 1-49%, > 50%, Stratifikationsfaktor PD-L1 < 1%, > 1%). Der grösste relative Benefit war bei einer PD-L1 Expression ≥ 50% zu beobachten.
Als weitere Therapieoptionen beim NSCC werden Carboplatin/Paclitaxel/Bevacizumab und Atezolizumab (IMPOWER 150 Studie) und Carboplatin/Nab-Paclitaxel und Atezolizumab (IMPOWER 130 Studie) diskutiert. Auch diese beiden Studien schlossen Patienten unabhängig vom PD-L1 Status ein. Die IMPOWER 150 Studie zeigt einen Vorteil im progressionsfreien Überleben mit Atezolizumab/Carboplatin/Paclitaxel und Bevacizumab im Vergleich zur Therapie mit Carboplatin/Paclitaxel und Bevacizumab, auch der berichtete Überlebensvorteil zum Zeitpunkt der publizierten Interimsanalyse ist statistisch signifikant mit einem medianen OS von 19.2 Monaten mit der Vierfach-Kombination versus 14.7 Monate ohne Atezolizumab (HR 0.78; 95% CI 0.64-0.96, p = 0.02). Neben den fehlenden finalen Überlebensdaten ist einschränkend zu erwähnen, dass in dieser dreiarmigen Studie nur zwei der Arme berichtet wurden – die Resultate des Armes Atezolizumab/Carboplatin und Paclitaxel sind nicht bekannt, so dass der Benefit der Bevacizumabaddition zu Atezolizumab unklar bleibt. Auch entspricht das Testverfahren für PD-L1 mit dem Ventana SP142 nicht dem aktuellen Antikörper, da die Sensitivität gegenüber anderen Verfahren zur PD-L1 Detektion eingeschränkt ist. Die IMPOWER 130 Studie zeigt einen signifikanten Überlebensvorteil für die Kombinationstherapie mit Atezolizumab/Carboplatin und (nab-)Paclitaxel gegenüber alleiniger Chemotherapie bei Patienten mit einem NSSC mit einem medianen OS von 18,6 Monaten im Interventionsarm versus 13.9 Monaten im Chemotherapie Arm HR 0,79 (95% CI 0.64-0.98, p =0.033). Auch hier wird der PD-L1 Status mit dem Ventana SP142 Testverfahren erhoben.
Patienten mit SCC, einer PD-L1 Expression von 0% -49% sowie PS von 0 -1 sollen in der ersten Therapielinie analog zum Vorgehen in der KEYNOTE-407 mit Pembrolizumab/Carboplatin/Paclitaxel oder nab-Paclitaxel behandelt werden. Im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie zeigt sich für die Gesamtpopulation hier ein signifikanter Überlebensvorteil mit einem medianen OS von 15.9 Monaten mit der zusätzlichen Pembrolizumabgabe versus 11.3. Monaten im Kontrollarm (HR 0.64, 95% CI 0.49-0.85, p< 0.001) und alle Subgruppen profitierten.
Während die Resultate der KEYNOTE 407 Studie auch in der Schweiz zur Zulassung beim metastasierten SCC geführt haben, ist beim NSCC weder die Kombination mit Atezolizumab, Bevacizumab, Carboplatin/Paclitaxel (IMPOWER 150) noch die Therapie mit Carboplatin /(nab-) Paclitaxel plus Atezolizumab zugelassen. Ersteres Regime wird aktuell in einer in der Schweiz offenen ETOP Studie bei Patienten nach Entwicklung einer EGFR-TKI Resistenz (ETOP ABC Studie) geprüft, da eine Subgruppenanalyse der IMPOWER 150 Studie einen Effekt der Quadruplettherapie bei EGFR- und ALK positiven Patienten nach TKI Resistenz suggeriert.
Das Regime der IMPOWER 130 Studie kann nach vorgängiger Kostengutsprache bei Patienten mit Kontraindikationen gegen Alimta erwogen werden.

Checkpoint Inhibitor und platinhaltige Kombinationschemotherapie bei PD-L1 TPS ≥ 50%

Aktuell gibt es keine vergleichenden Studien, die zeigen ob Patienten mit einer hohen PD-L1 Expression von einer zusätzlichen Chemotherapie im Vergleich zur alleinigen Pembrolizumabtherapie profitieren. In den ASCO Guidelines wird bei Patienten mit einem PD-L1 TPS ≥ 50% die Therapie mit Checkpoint Inhibitor plus platinhaltiger Kombinationschemotherapie als eine mögliche Behandlungsoption genannt, es wird jedoch betont, dass da sowohl Kosten als auch Toxizität der Dreifachtherapie deutlich höher sind, in den meisten Fällen die Pembrolizumab Monotherapie die Therapie der Wahl ist. Als mögliche Situationen, in denen eine Dreierkombination bevorzugt werden könnte, werden unbekannte PD-L1 Expression oder hohe Tumorlast genannt. Die Empfehlung zur Wahl des jeweiligen Therapieregimes entspricht den genannten Empfehlungen für Patienten mit einer PD-L1 Expression von 0%-49%.
In der Schweiz sind beide Optionen prinzipiell zugelassen. Ein Bevorzugen der Kombinations-Immun-Chemotherapie bei hochsymptomatischer Erkrankung eines ansonsten fitten Patienten macht aufgrund der tendenziell höheren Ansprechraten prinzipiell Sinn.

Diskussion

Die Ableitung des Empfehlungsgrades allein aus Subgruppenanalysen von zwar für Lungentumorpatienten eher grossen Phase 3 Studien ist grundsätzlich nicht unproblematisch. Solche Subgruppenanalysen stellen jedoch in der Medizin oft die einzige Evidenz dar, wenn prospektive randomisierte Studien zu einer spezifischen Fragestellung fehlen. Insgesamt können die Empfehlungen der ASCO Guidelines 2020 aus Schweizer Sicht jedoch gut mitgetragen werden und entsprechen der gängigen Praxis, wobei die etwas anderen Zulassungs- und Rückvergütungsbedingungen als in den USA gut berücksichtigt werden sollten. Dies ist im klinischen Alltag aufgrund der zunehmenden Kosten nicht irrelevant, besonders auch dann wenn ein rascher Therapiebeginn notwendig ist. Zumindest formal muss bei jeder der genannten Therapieoptionen eine Kostengutsprache eingeholt werden.
Hervorzuheben ist hier nochmals die Einstufung der Pembrolizumab Monotherapie als Therapie der Wahl bei Patienten mit hoher PD-L1 Expression: solange vergleichende Studien ausstehen, ist dies ein pragmatischer und kostengünstigerer Ansatz. Zu erwähnen ist hier auch, dass uns mit dieser Behandlung längere Follow-up Daten aus der KEYNOTE 024 (25.2 Monate) (9) und KEYNOTE 001 Studie (5 Jahre) (10) vorliegen, während die Langzeitdaten der initialen Chemo-Immunokombinationsbehandlung noch fehlen. Abhängig von der individuellen Situation scheint jedoch bei im indirekten Vergleich etwas höherer Ansprechrate auch der primäre Einsatz der Dreierkombination gerechtfertigt. Verschiedene Studien aus unterschiedlichen Gesundheitssystemen haben quality adjusted life years (QALYs) der Dreier- oder sogar Viererkombinationen berechnet und die fehlende Kosteneffizienz nachgewiesen. Dies gilt es zukünftig bei knapper werdenden Ressourcen im Gesundheitssystem bei der Therapiewahl mitzuberücksichtigen. Für die Schweiz sind solche Analysen zurzeit noch ausstehend bzw. noch nicht publiziert.
Ein wichtiger praktischer Punkt bei der Wahl der Therapie ist neben der PD-L1 Expression auch der Ausschluss behandelbarer Treibermutationen vor Therapiebeginn. Leider führt das Abwarten der molekularen Analysen nicht selten zur Zeitverzögerung – Zeit, die man im klinischen Alltag bei symptomatischen Patienten nicht hat. Das Vorhandensein von genügend Tumorgewebe sowie das umgehende Einleiten (zum Beispiel Reflextesting) der molekularen Analyse und der PD-L1 Bestimmung ist deshalb entscheidend geworden. Ein «blindes» Beginnen einer Immuntherapie bei einem Patienten, bei welchem «im Nachhinein» eine EGFR Mutation detektiert wird, muss aufgrund der Datenlage mit klar eingeschränkter Wirksamkeit einer Immuntherapie bei diesen Patienten als inkorrekte Therapie beurteilt werden.
Abschliessend gilt festzuhalten, dass der Einsatz der Immuntherapie die Langzeitbehandlungsergebnisse eines kleineren Anteils der Patienten mit NSCLC revolutioniert hat und die Immuntherapie fester Bestandteil in der Erstlinienbehandlung geworden ist. Insbesondere die ersten Daten zum 5-Jahres-Überleben der KEYNOTE 001 Studie, welche Überlebensraten von knapp 30% bei Patienten mit PD-L1 TPS ≥ 50% mit Pembrolizumab in der Erstlinientherapie zeigen sind eindeutig besser, als wir dies von historischen Daten kennen. Diese Resultate werfen die Frage auf, ob wir sogar allenfalls eine kleine, bisher noch ungenügend definierte Subgruppe von Patienten langfristig als «geheilt» betrachtet können. Ob diese Langzeitresultate mit einer initialen Chemo-/Immuntherapie oder einer Immunkombinationstherapie noch weiter verbessert werden können bleibt jedoch noch abzuwarten, da die Beobachtungszeiten dieser Studien noch zu kurz sind.

Susanne Weindler

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

PD Dr. med.Martin Früh

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

MF: Research Grants from BMS, ASTRA ZENECA fees to institution,
Advisor: BMS; MSD; ASTRA; Bl; ROCHE; TAKEDA fees to institution
SW: Sponsored travel: ROCHE, Merck fees to institution

  • Um die optimale Therapie des NSCLC im Stadium IV festzulegen, muss initial beim NSCC das Vorliegen einer primär behandelbaren Treibermutation ausgeschlossen werden und unabhängig von der Histologie der PD-L1 Status bestimmt werden.
  • Alle Patienten mit PS 0-1 ohne Kontraindikationen für eine Immuntherapie sollten heute in der Erstlinientherapie einen Checkpointinhibitor erhalten
  • Bei einer PD-L1 Expression von 0% und 1-49% sollte der Patient in der Erstlinientherapie eine Kombination aus Checkpointinhibitor und platinhaltiger Kombinationschemotherapie erhalten.
  • Bei einer PD-L1 Expression ≥ 50% kann sowohl die alleinige Pembrolizumab Therapie als auch eine Kombination aus Checkpoint-Inhibitor und Chemotherapie eingesetzt werden. Vergleichende Studien gibt es nicht – Pembrolizumab alleine ist deutlich weniger toxisch und kostengünstiger, bei hoher Tumorlast oder unbekanntem PD-L1 Status stellt die Kombinationstherapie aber eine sinnvolle Alternative dar.

Messages à retenir

  • Afin de déterminer la thérapie optimale pour le CPNPC de stade IV, la présence d’ une mutation conductrice primaire traitable doit être exclue initialement dans le NSCC et le statut PD-L1 doit être déterminé indépendamment de l’ histologie.
  • Tous les patients présentant une PS 0-1 sans contre-indication à l’ immunothérapie devraient recevoir aujourd’ hui un inhibiteur checkpoint dans le cadre d’ un traitement de première intention
  • Avec une expression PD-L1 de 0 % et de 1 à 49 %, le patient doit recevoir une combinaison d’ inhibiteur de checkpoint et de chimiothérapie combinée contenant du platine en première intention.
  • Dans le cas d’ une expression PD-L1 ≥ 50%, on peut utiliser à la fois la thérapie au pembrolizumab seul et une combinaison d’ inhibiteur du checkpoint et de chimiothérapie. Il n’ existe pas d’ études comparatives – le pembrolizumab seul est nettement moins toxique et moins cher, mais en cas de charge tumorale élevée ou de statut PD-L1 inconnu, la thérapie combinée est une alternative raisonnable.

1. West H, McCleod M, Hussein M et al: Atezolizumab in combination with carboplatin plus nab-paclitaxel chemotherapy compared with chemotherapy alone as first-line treatment for metastatic non-squamous non-small-cell lung cancer (IMpower130): a multicentre, randomised, open-label, phase 3 trial. Lancet Oncol 2019; 20: 924-937.
2. Gandhi L, Rodríguez-Abreu D, Gadgeel S et al: Pembrolizumab plus Chemotherapy in Metastatic Non–Small-Cell Lung Cancer. N Engl J Med 2018; 378: 2078-2092.
3. Mok TSK, Wu Y-L, Kudaba I et al. Pembrolizumab versus chemotherapy for previously untreated, PD-L1-expressing, locally advanced or metastatic non-small-cell lung cancer (KEYNOTE-042): a randomised, open-label, controlled, phase 3 trial. Lancet 2019; 393: 1819-1830.
4. Socinski MA, Jotte RM, Cappuzzo F et al: Atezolizumab for First-Line Treatment of Metastatic Nonsquamous NSCLC. N Engl J Med 2018; 378: 2288-2301
5 Paz-Ares L, Luft A, Vicente D et al: Pembrolizumab plus Chemotherapy for Squamous Non–Small-Cell Lung Cancer. N Engl J Med 2018; 379: 2040-2051
6. Hanna NH, Schneider BJ, Temin S et al: Therapy for Stage IV Non–Small-Cell Lung Cancer Without Driver Alterations: ASCO and OH (CCO) Joint Guideline Update. J Clin Oncol 38.
7. Hellmann MD, Ciuleanu TE, Pluzanski A et al: Nivolumab plus ipilimumab in lung cancer with a high tumor mutational burden. N Engl J Med 2018; 378:2093-2104
8. Reck M, Rodrıguez-Abreu D, Robinson AG et al: Pembrolizumab versus Chemotherapy for PD-L1aPositive Non–Small-Cell Lung Cancer N Engl J Med 2016;375:1823-33.
9. Reck M, Rodrıguez-Abreu D, Robinson AG et al: Updated Analysis of KEYNOTE-024: Pembrolizumab Versus Platinum-Based Chemotherapy for Advanced Non–Small-Cell Lung Cancer With PD-L1 Tumor Proportion Score of 50% or Greater, J Clin Oncol 37:537-54
10. Garon EB, Hellman MD, Rizvi NA,et al: Five-Year Overall Survival for Patients With Advanced Non‒Small-Cell Lung Cancer Treated With Pembrolizumab: Results From the Phase I KEYNOTE-001 Study, J Clin Oncol 37:2518-2527

Tularämie

Die Tularämie ist eine zoonotische Infektionskrankheit durch Francisella tularensis und wird in der Schweiz immer noch selten diagnostiziert. Da die Fallzahlen seit dem Jahr 2015 deutlich ansteigen, besteht jedoch durchaus die Möglichkeit, dass sich Patienten mit Symptomen einer Tularämie in der Grundversorgerpraxis vorstellen. Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Tularämie ist wichtig, um Komplikationen und unnötige Abklärungen zu verhindern.

Fallbeispiel

Ein 25-jähriger Bauer mit Psoriasis unter Therapie mit Humira (Adalimumab) stellte sich mit seit einigen Tagen bestehendem intermittierendem Fieber, Gewichtsverlust, Nachtschweiss und einem schmerzhaften supraclaviculären Lymphknoten rechts vor. Das CRP (160 mg/l), die Leukozytenzahl (15.2 G/l), das LDH (558 U/l) und die Leberwerte (AST 84 U/l, ALT 126 U/l, GGT 136 U/l) waren erhöht. Im konventionellen Röntgen und im CT Thorax liessen sich eine pulmonale Raumforderung am rechten Hilus sowie eine mediastinale Lymphadenopathie erkennen, so dass der Verdacht auf ein Bronchuskarzinom geäussert wurde. Zur Tumorsuche wurde eine (FDG)-PET/CT, eine Bronchoskopie mit transbronchialer Biopsie und bei unschlüssigen Befunden schliesslich auch eine Mediastinoskopie durchgeführt, alle ohne Nachweis maligner Zellen. Histopathologisch fanden sich Granulome. Mittels positiver PCR auf F. tularensis ssp. holarctica aus den operativ gewonnenen Gewebeproben konnte eine atypische pulmonale Tularämie diagnostiziert und erfolgreich mit Ciprofloxacin p.o. behandelt werden. Der Patient war in der Folge rasch beschwerdefrei und kam mit unnötigen Abklärungen und dem Schrecken davon.

Einleitung und Mikrobiologie

Die Tularämie, auch Hasenpest genannt, ist eine Zoonose, die durch das Gram-negative Bakterium Francisella tularensis verursacht wird. Bereits eine kleine Erregermenge von lediglich 10-25 Bakterien kann die Krankheit auslösen (1). Bei uns in Europa verursacht die Subspezies F. tularensis ssp. holarctica die Krankheitsfälle. Es können zwar langwierige Krankheitsverläufe auftreten, Todesfälle treten jedoch praktisch nie auf. Im Gegensatz dazu ist in den USA und Kanada v.a. der Subtyp F. tularensis ssp. tularensis endemisch, der deutlich virulenter ist und bioterroristisches Potential besitzt.

Epidemiologie

Der Mensch kann sich auf mehrere Arten mit F. tularensis infizieren. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist jedoch nicht bekannt (1). Der in der Schweiz wichtigste Übertragungsweg ist der Zeckenstich (2). Auch ein direkter Kontakt mit befallenen Tieren (v.a. Nagetiere wie Hasen, Kaninchen, Mäuse, Ratten, Eichhörnchen etc.) aber auch indirekter Kontakt mit kontaminiertem Wasser, Erde oder dessen Inhalation oder orale Aufnahme kann die Keime übertragen, da F. tularensis monatelang in der Umwelt überleben können (3). Gefährdet sind somit Menschen, die sich beruflich oder freizeitlich oft draussen aufhalten oder einen direkten Umgang mit Kleintieren haben wie bspw. Jäger, Gärtner, Kleintierzüchter oder Bauern. Auch Katzen- und Hundehalter sind gefährdet, da deren Haustiere durch ihr Jagdverhalten den Bakterien ausgesetzt sind (4, 5) und diese so dem Besitzer übertragen können. Es wird immer wieder über Fälle mit kuriosen Ansteckungen berichtet wie bspw. die Kopfverletzung einer Joggerin durch einen Greifvogelangriff mit vermuteter Übertragung der Keime über die kontaminierten Krallen oder ein Krankheitsausbruch mit mehreren Erkrankten nach Konsum von frischgepresstem Traubensaft nach der Weintraubenernte (6, 7). Grössere Tularämie-Ausbrüche können nach der Einnahme von kontaminierten Lebensmitteln oder Wasser auftreten. Pneumonien nach Mäharbeiten oder im Umgang mit Laubbläsern durch konsekutive Staub- und Aerosolinhalation sind ebenfalls möglich.
Die Inzidenz der Tularämie ist in nordischen Ländern in Europa am höchsten. Die Fallzahlen der seit 2004 in der Schweiz meldepflichtigen Erkrankung (Labornachweis und Meldung zum klinischen Befund durch den Arzt) sind deutlich steigend mit 146 gemeldeten Fällen im Jahr 2019 (Inzidenz 1.7/100000 Einwohner. Quelle: BAG). Über die Ursachen der steigenden Fallzahlen kann bisher nur spekuliert werden. Es sind lokale Häufungen von Tularämieerkrankungen zu beobachten, wo vielleicht eine höhere Durchseuchung bei Zecken und/oder Kleintieren vorliegt. Die Zunahme der Fallzahlen könnte aber auch teilweise durch sensitivere molekulare Diagnostikmethoden und die zunehmend sensibilisierte Ärzteschaft bedingt sein. Die meisten Fälle im Jahr 2019 stammen aus den Kantonen Zürich, St. Gallen, Aargau und Bern (Quelle: BAG). Ein eindeutiges Reservoir für F. tularensis ist bisher nicht bekannt. Der biologische Zyklus unterliegt vermutlich grossen regionalen Unterschieden.

Klinik

Nach einer kurzen Inkubationszeit von in der Regel 3-5 Tagen (wobei auch sehr kurze und längere Inkubationszeiten von 1-21 Tage beschrieben sind) können plötzlich unspezifische Allgemeinsymptome wie Glieder-/Gelenkschmerzen mit oder ohne Fieber auftreten. Die weiteren Symptome können sechs klinischen Hauptmanifestationsformen zugeordnet werden (Tab. 1). Die häufigste Manifestation bei uns ist die (ulzero-) glanduläre Tularämie mit lokaler Lymphadenopathie und ggf. einem Eschar (lokales, nekrotisches Ulkus) an der Eintrittsstelle des Bakteriums (Ort des Zeckenstichs, Abb. 1). Die Lymphadenopathie kann ein eindrückliches Ausmass annehmen und auch noch unter adäquater antimikrobieller Therapie abszedieren oder fisteln und die weitere Therapie erschweren und verlängern.
Eine atypische oder seltene Klinik ist möglich wie bspw. das oben geschilderte Fallbeispiel einer pulmonalen Tularämie mit initial Neoplasie-suspektem pulmonalen Befund, eine Meningitis oder eine Herzbeteiligung (8).

Differentialdiagnose

Die möglichen Differentialdiagnosen sind zahlreich. Eine Auswahl ist tabellarisch dargestellt (Tab. 2).

Diagnose

Da die initiale Klinik unspezifisch ist, sind die Expositions- und Risikoanamnese und ein genauer Status mit Suche einer Lymphadenopathie und einem Eschar essentiell. Spezifische allgemeine labor-analytische Veränderungen finden sich bei der Tularämie nicht: in der Regel sind jedoch erhöhte Entzündungsparameter und oft auch leicht erhöhte Leberwerte und eine leichte Thrombozytopenie nachweisbar.
Die Diagnose kann mittels Serologie oder einem direkten Erregernachweis in Kultur oder mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) gestellt werden. Die heutigen PCR-Untersuchungsmethoden bieten den Vorteil einer raschen und zuverlässigen Diagnostik. Die kulturelle Anzucht ist schwierig und hat in der Klinik kaum Bedeutung, zudem muss auch das Labor wegen des hohen Infektionsrisikos über die Verdachtsdiagnose informiert werden. Eine serologische Diagnose ist wie bei anderen Infektionskrankheiten herausfordernd, da die Serologie in den ersten 1-2 Wochen noch negativ sein kann. Ein einzelner hoher Titer macht eine Tularämie wahrscheinlich, eine Serokonversion oder ein vierfacher Titeranstieg sind beweisend. Für die Praxis empfehlen wir folgendes Vorgehen: bei klinischem Verdacht auf eine (ulzero-)glanduläre Tularämie und Symptomdauer von weniger als 2 Wochen kann primär eine spezifische PCR aus einem Wundabstrich, einer Nadelaspiration oder einer Hautbiopsie des Eschars oder der vergrösserten bzw. abszedierenden Lymphknoten erfolgen (9), wobei ein negatives Resultat eine Tularämie nicht ausschliesst und mit einer Serologie ergänzt werden sollte. Bei Symptomdauer über 2 Wochen kann die Diagnose serologisch gestellt werden. Ist das Resultat der Serologie unschlüssig oder negativ, sollte bei anhaltend hohem Verdacht eine Verlaufsserologie nach 2-4 Wochen erfolgen.
Nach der atypischen pulmonalen Form kann serologisch oder mittels PCR aus einer respiratorischen Probe (bevorzugt aus einer bronchoalveolären Lavage) gesucht werden.
Histologisch können Granulome mit Nekrosen gefunden werden, wobei dann v.a. auch an die Differentialdiagnose einer Tuberkulose gedacht werden sollte.

Therapie

Grundsätzlich ist die Tularämie in der Schweiz gut mit peroralen Antibiotika behandelbar. Die Therapie sollte aber möglichst früh begonnen werden, um Komplikationen (v.a. Abszedierungen, Fisteln, Notwendigkeit von invasiven Eingriffen) zu minimieren.
Grundsätzlich sind für schwere Fälle die bakteriziden Aminoglykoside wie bspw. das Gentamicin Therapie der Wahl, wobei schwere Infektionen mit dem benigneren Subtyp F. tularensis ssp. holarctica in Europa selten sind. Somit kann in der Schweiz meist eine ambulante orale Behandlung mit Doxycyclin oder Ciprofloxacin erfolgen, wobei das bakterizide Ciprofloxacin wahrscheinlich eine bessere Wirkung hat und weniger Rückfälle zeigt. Doxycyclin bietet sich jedoch zur empirischen Therapie nach Zeckenstichen an, da andere Zecken-assoziierte Erreger oder auch Superinfektionen mitbehandelt werden. Makrolide (Azithromycin) sollten wegen der Resistenzlage in der Schweiz nicht als Primärtherapie eingesetzt werden, können aber bei Schwangerschaft eine Behandlungsmöglichkeit darstellen (10). Die antimikrobielle Behandlungsdauer beträgt (10-) 14 Tage, wobei die Therapie wegen Auftreten von Lokalkomplikationen nicht selten verlängert wird. Es ist umstritten, ob die längere Antibiotikagabe sinnvoll ist, da eher ein immunologisches Geschehen als Ursache der anhaltenden Entzündung postuliert wird.
Neben der antimikrobiellen Therapie sollten bei der (ulzero-) glandulären Tularämie grundsätzlich früh kleinchirurgische Eingriffe (repetitive Punktionen, Abszessinzisionen etc.) evaluiert werden, damit langwierige Verläufe mit lokalen Abszedierungen und Fistelungen verhindert werden können. Eine Übersicht der antimikro-biellen Therapieoptionen ist in Tab. 3 zu sehen.

Prävention

(Tote) Wildtiere und insbesondere Nager sollten nicht barhändig angefasst werden. Eine gute Händehygiene im Umgang mit Tieren und nach Garten- oder Waldarbeiten ist wichtig. Zecken- und Mückenstiche sollten vermieden werden (bspw. geschlossene Kleidung tragen, Repellentien benutzen). Nahrungsmittel wie Wildtierfleisch sollten nur gut gekocht konsumiert werden.

Dipl. Arzt Manuel Frischknecht

Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen
manuel.frischknecht@kssg.ch

manuel.frischknecht@kssg.ch

Dr. med. Carol Strahm

Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Tularämie ist eine seltene, aber zunehmend häufige Infektionskrankheit, an deren Differentialdiagnose v.a. bei einer Lymphaden-opathie mit oder ohne Eschar gedacht werden sollte.
  • Bei unklarer pulmonaler Raumforderung kann auch eine atypische pulmonale Tularämie vorliegen.
  • Die Erkrankung ist meist gut ambulant mit Ciprofloxacin oder Doxy-cyclin therapierbar, langwierige Verläufe mit Abszedierungen sind jedoch häufig. Grundsätzlich sollten frühzeitig kleinchirurgische Interventionen evaluiert werden.
  • Eine Prävention durch Insektenschutz und gute Händehygiene nach Aussenaktivitäten oder im Umgang mit (Wild-)Tieren ist wichtig.

1. Tärnvik A, Berglund L. Tularaemia. Eur Respir J. 2003 Feb;21(2):361–73.
2. Wittwer M, Altpeter E, Pilo P, Gygli SM, Beuret C, Foucault F, et al. Population Genomics of Francisella tularensis subsp. holarctica and its Implication on the Eco-Epidemiology of Tularemia in Switzerland. Front Cell Infect Microbiol. 2018;8(March):1–16.
3. Maurin M, Gyuranecz M. Tularaemia: clinical aspects in Europe. Lancet Infect Dis. 2016;16(1):113–24.
4. Eliasson H, Lindbäck J, Pekka Nuorti J, Arneborn M, Giesecke J, Tegnell A. The 2000 tularemia outbreak: A case-control study of risk factors in disease-endemic and emergent areas, Sweden. Emerg Infect Dis. 2002;8(9):956–60.
5. Kwit NA, Schwartz A, Kugeler KJ, Mead PS, Nelson CA. Human tularaemia associated with exposure to domestic dogs-United States, 2006-2016. Zoonoses Public Health. 2019 Jun;66(4):417–21.
6. Ehrensperger F, Riederer L, Friedl A. Tularämie nach Angriff eines Mäuse bussards auf eine Joggerin : Ein „ One Health “ -Fallbericht. SAT|ASMV Schwezer Arch für Tierheilkd. 2018;160(3):185–8.
7. Wetzstein N, Kärcher I, Küpper-tetzel CP, Kann G, Hogardt M, Jozsa K, et al. Clinical characteristics in a sentinel case as well as in a cluster of tularemia patients associated with grape harvest. Int J Infect Dis. 2019;84:116–20.
8. Frischknecht M, Meier A, Mani B, Joerg L, Chan O, Kim H, et al. Tularemia : an experience of 13 cases including a rare myocarditis in a referral center in Eastern Switzerland ( Central Europe ) and a review of the literature. Infection. 2019;0(0):0.
9. Tärnvik A, Chu MC. New Approaches to Diagnosis and Therapy of Tularemia. Ann New York Acad Sci. 2007;404:378–404.
10. Johnsrud JJ, Smith CR, Bradsher RW. Serendipitous Treatment of Tularemia in Pregnancy. Open Forum Infect Dis. 2019;6(10):1–3.
11. Mailles A, Vaillant V. 10 years of surveillance of human tularaemia in France. Euro Surveill. 2014 Nov 13;19(45):20956.

Intensiver Gedankenaustausch um den Bluthochdruck und seine Folgen

Am 23. Januar fand am Universitätsspital Zürich der traditionelle, von der Klinik für Kardiologie organisierte Hypertonietag statt. Das Ziel war ein intensiver Gedankenaustausch zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen rund um den Bluthochdruck und seine Folgen, wobei es galt, neue Horizonte zu entdecken und auch bisher Bekanntes in neuem Lichte zu sehen. Dies ist der zweite Teil der Berichterstattung.

Weisskittelhypertonie und maskierte Hypertonie

Die Weisskittelhypertonie (WKT) ist bei bis zu 30% der Patienten mit erhöhtem Praxis-Blutdruck (> 50% bei sehr betagten Patienten) vorhanden. Die Prävalenz ist tiefer, wenn der Praxis-Blutdruck auf repetitiven Messungen basiert und wenn die Messung nicht durch den Arzt geschieht, stellte Prof. Dr. med. Alain Bernheim, Zürich, einleitend fest.
Die Definitionen für maskierte Hypertonie, anhaltende Hypertonie, normalen Blutdruck und Weisskittelhypertonie sind in der Abb. 1 wiedergegeben.
Die entsprechenden Patientencharakteristika sind häufigeres Vorkommen mit zunehmendem Alter, bei Frauen häufiger als bei Männern und häufiger bei Nicht-Rauchern. Die Weisskittelhypertonie stellt ein kardiovaskuläres Risiko dar, wie Untersuchungen der 10-Jahresinzidenz zeigten. Bei etabliertem Bluthochdruck beträgt die Hazard Ratio WKT vs. normoton 2.51 (p < 0.0001), bei linksventrikulärer Hypertrophie 1.98 (< 0.002) und bei Diabetes 2.89 (p <v00.7). In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2017 ergab sich auch eine signifikante Assoziation zur Gesamtmortalität (Huang Y et al. J Hypertens 2017; 35:677-99).
In einem nationalen multizentrischen Register in Spanien wurden an 63 910 Probanden die Praxis-Blutdruckmessung und die 24h Blutdruckmessung miteinander verglichen. Es wurde kategorisiert zwischen Hypertonie, Weisskittelhypertonie, maskierter Hypertonie und Normotonie. Das Outcome wurde nach 4.7 Jahren erfasst. Ambulante Blutdruckmessungen waren ein stärkerer Prädiktor für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität als klinische Blutdruckmessungen. Die Weisskittel-Hypertonie war nicht gutartig, und die maskierte Hypertonie war mit einem höheren Sterberisiko verbunden als die anhaltende Hypertonie (Banegas JR et al NEJM 2018; 378:1509-20).
Das Management der Weisskittelhypertonie beinhaltet die Suche nach Endorganschäden, regelmässige «Office» und «Out-of Office» Blutdruckmessungen (HBDM und ABDM), Lebensstiländerungen zur Senkung des kardiovaskulären Risikos. Diese Punkte werden auch in den Guidelines erwähnt (Empfehlung I/C). Gemäss Guidelines kann eine antihypertensive Therapie in Betracht gezogen werden bei Evidenz für HMOD (hypertension-mediated organ damage) oder bei Vorhandensein von hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko (IIb/C). Eine routinemässige medikamentöse Therapie wird nicht empfohlen (III/C).

Maskierte Hypertonie

Sie kommt vor bei ca. 15% der Patienten mit normalem Praxis-Blutdruck. Die Prävalenz ist bei jüngeren Patienten und bei Männern höher als bei Frauen. Sie ist häufiger, wenn der Praxis-Blutdruck im Borderline-Bereich liegt (130-139/80-89 mmHg) und sie ist selten bei Praxis-Blutdruck < 130/80 mmHg. Prädispositionen sind Stress bei der Arbeit oder zu Hause, Rauchen oder übermässiger Alkoholkonsum, Übergewicht, Bewegungsarmut, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Schlafmangel, OSAS → maskierte Hypertonie vor allem infolge nächtlicher Hypertonien.
Diagnostische Aspekte: An eine maskierte Hypertonie sollte gedacht werden bei Patienten mit Borderline Praxis-Blutdruckwerten, bei Prädisposition, bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko sowie bei Hinweisen für Endorganschäden. Bei Verdachtsmomenten sollte eine ABDM durchgeführt werden.
Gemäss dem bereits erwähnten spanischen Register (Banegas JR et al. NEJM 2018; 378:1509-20)beträgt die Hazard Ratio bei markierter Hypertonie sowohl für Gesamtmortalität als auch für kardiovaskuläre Mortalität 2.92 (p < 0.oo1). Die Daten einer Metaanalyse aus dem Jahre 2007 zeigen eine Hazard Ration bei maskierter Hypertonie in der Grundversorgung und bei Spezialisten von insgesamt 2.00 (1.58-2.52). Bei anhaltender Hypertonie betrug die entsprechende HR 2.28 (1.87-2.78).
Das Management der maskierten Hypertonie besteht in der Vermeidung auslösender Faktoren, in Lifestyle-Änderungen zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos und im periodischen Monitoring des «Out-of-Office» Blutdrucks (Empfehlung I/C in den Guidelines). Eine antihypertensive Therapie wird empfohlen wegen des deutlich erhöhten kardiovaskulären Risikos in dieser Population; kardiovaskuläre Outcome-Resultate sind allerdings keine vorhanden (IIa/C). Bei maskierter unkontrollierter Hypertonie (MUCH) ist die Hochtitrierung der antihypertensiven Therapie empfohlen (IIa/C).

ESC Hypertonieguidelines: «der Teufel liegt im Detail»

Die besagten Guidelines beginnen mit dem folgenden Aufruf: «Die Angehörigen der Gesundheitsberufe werden ermutigt, die ESC ESH-Leitlinien bei der Ausübung ihres klinischen Urteils sowie bei der Festlegung und Umsetzung von präventiven, diagnostischen oder therapeutischen medizinischen Strategien voll zu berücksichtigen. Die ESC/ESH-Leitlinien setzen jedoch in keiner Weise die individuelle Verantwortung der Angehörigen der Gesundheitsberufe ausser Kraft, angemessene und genaue Entscheidungen in Bezug auf den Gesundheitszustand jedes Patienten und in Absprache mit dem Patienten oder dessen Betreuer zu treffen, wo dies angemessen und/oder notwendig ist. Es liegt auch in der Verantwortung der Angehörigen der Gesundheitsberufe, die zum Zeitpunkt der Verschreibung geltenden Regeln und Vorschriften für Arzneimittel und Geräte zu überprüfen» stellte Frau Prof. Dr. med. Isabella Sudano, Zürich fest.


47 Empfehlungen haben einen Level of Evidence C, d.h. Konsens der Meinung der Experten und/oder kleine Studien, retrospektive Studien, Register. 20 Empfehlungen sind IIa «sollte in Betracht gezogen werden», 14 Empfehlungen sind IIb «kann in Betracht gezogen werden». Wenn die Guidelines eine Diagnose beschreiben aber keine Lösung bieten: Out-of-Office Blutdruckmessung ist eine I/A Empfehlung bei der Identifikation von Weisskittelhypertonie und maskierter Hypertonie zur Quantifizierung der Wirkung der Behandlung und Identifikation der Ursachen von möglichen Nebenwirkungen (z.B. symptomatische Hypotension). In den gleichen Guidelines werden bei der Weisskittelhypertonie die Implementation von Lifestyleänderungen zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos, sowie regulärer Follow-up mit periodischem Out-of-Office Blutdruck-Monitoring als I/C Empfehlung aufgeführt, medikamentöse Behandlung kann bei Personen mit HMOD oder bei solchen mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko in Betracht gezogen werden (IIb/C). Die Referentin nennt einige ähnliche Beispiele bei der maskierten Hypertonie.
Eine antihypertensive Therapie kann auch in Betracht gezogen werden, falls sie toleriert wird, bei gebrechlichen alten Patienten (IIb/B), wenn sie keinen Diabetes haben, keine Schlaganfall-Vergangenheit, keine symptomatische Herzinsuffizienz innerhalb der letzten 6 Monate, keine reduzierte Auswurffraktion (< 35%), keine klinische Diagnose oder Behandlung für Demenz, wenn die erwartete Lebensdauer nicht weniger als 3 Jahre beträgt, wenn kein unerwarteter Gewichtsverlust (> 10%) während der letzten 6 Monate auftrat, der systolische Blutdruck nicht weniger als 110 mmHg beträgt nach einer Minute im Stehen.
Die Referentin kam zum Schluss auf den eingangs erwähnten Abschnitt zurück und empfahl «wer die Guidelines korrekt anwenden möchte, sollte sie mit Aufmerksamkeit und Neugier selbst lesen».

Lipide und Blutdruck: neue Daten, neue Guidelines

Die erste Beschreibung der Atherosklerose geht auf einen Obduktionsbericht von Edward Jenner aus dem Jahr 1787 zurück. Er schrieb «die Koronararterien wurden zu knöchernen Kanälen, darauf begann ich ein wenig zu verdächtigen». Fast 130 Jahre später publizierte der russische Pathologe Anitzkow einen Beitrag mit dem Titel «Über experimentelle Cholesterinsteatose und ihre Bedeutung für die Entstehung einiger pathologischer Prozesse», so Prof. Dr. med. Augusto Gallino, Bellinzona.
Hundert Jahre nach Anitzkow publizieren die Nobelpreisträger Brown und Goldstein «A century of cholesterol and coronaries» (Cell 2015;161-172), wobei sie feststellen, dass die LDL-Cholesterin Konzentration für sämtliche Apo B enthaltenden Partikel repräsentativ ist. Die Evidenz für die Beziehung zwischen der LDL-Cholesterinsenkung und dem Risiko für koronare Herzkrankheit, sowie die Folgen der Expositionsdauer mit erhöhten LDL-Cholesterinwerten wurden anhand einer Metaanalyse von über 20 Mio. Personenjahre und über 150 000 kardiovaskulären Ereignissen (EHJ 2017;38:2459-2472) eindrücklich demonstriert. Der Referent präsentierte die neuen Zielwerte für die verschiedenen kardiovaskulären Risikokategorien (Tab. 1).
Die neuen Guidelines empfehlen ferner das kardiovaskuläre Imaging als Risikomodulator: Arterieller Ultraschall bei tiefem bis moderatem Risiko (Klasse IIa/B) und Koronarkalk (IIb/B). Der Referent betonte die Bedeutung der familiären Hypercholesterinämie und die Notwendigkeit einer frühen Intervention. Er nannte als wichtigste Erkenntnisse: Je tiefer der LDL-Cholesterinwert desto besser und je früher die Behandlung desto besser. Der neue Zielwert für LDL-Cholesterin bei sehr hohem Risiko ist < 1.4 mmol/l sogar für die Primärprävention. Über die echte Sekundärprävention hinaus sollen alle Personen mit entweder klinisch oder mit Imaging dokumentierter ASCVD eingeschlossen werden.

Telemedizin in der Hypertonie

Die Selbstüberwachung mit oder ohne Telemonitoring führt, wenn sie von Allgemeinmedizinern zur Titration von blutdrucksenkenden Medikamenten bei Personen mit schlecht kontrolliertem Blutdruck eingesetzt wird, zu einem signifikant niedrigeren Blutdruck als die Titration nach klinischen Messungen. Da die meisten Allgemeinmediziner und viele Patienten die Selbstkontrolle verwenden, könnte sie zum Eckpfeiler der Blutdruckbehandlung in der Primärversorgung werden (MacManus RJ et al Lancet 2018; 391:949-959) zitierte Dr. med. Christian Grebner, Luzern.
Die Ziele der EUSTAR® (Eur Soc of Hypertension Telemedicine in Arterial Hypertension Register) sind eine schnelle und sichere Datenbank, telemedizinische Standards für ausgewählte Indikationen etablieren und auswerten, neue telemedizinische Interventionen für zusätzliche Indikationen, epidemiologische Daten, digitale Schnittstelle für Interaktionen zwischen Spezialisten und Allgemeinmedizinern.
Der Referent wies auf die zukünftigen Möglichkeiten hin, so beispielsweise die Smartphone-basierte Blutdruckmessung mi transdermaler optischer Bildgebungstechnologie.
Telemedizin ist bestimmt nicht die Antwort auf alle Probleme unseres sich wandelnden Gesundheitssystems, aber als Instrument könnte die Telemedizin nach einer genauen Indikation eine bedeutende Bereicherung in Bezug auf häufige Krankheiten sein (Schulz EG et al. Swiss Medical Weekly 2015; 145:w14077), so die abschliessende Feststellung des Referenten.

Hypertonie bei Frauen: die lautlose Gefahr

Achtzig Prozent der kardiovaskulären Krankheit bei Frauen können entsprechend eines epidemiologischen europäischen Updates aus dem Jahre 2016 (Townsend N et al Eur Heart J 2016; 37:3232-3245) vermieden werden, stellte Frau PD Dr. med. Jelena Rima Templin Ghadri, Zürich, fest.
Die Hypertonie stellt den wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktor bei Frauen dar. Sie betrifft Frauen über den ganzen Lebenszyklus hinweg. Während jüngere Männer häufiger eine Hypertonie aufweisen als jüngere Frauen ist die Prävalenz der Hypertonie im Alter bei Frauen höher als bei Männern; neuere Daten aus der Schweiz zeigen eine Angleichung der Prävalenzen im Alter. Die Referentin erwähnte den Einfluss der Östrogene auf den Blutdruck. Der Verlust der hormonellen Schutzfunktion beeinflusst Gefässwiderstand und Hämodynamik. Hypertensive Frauen entwickeln häufiger Schlaganfall und Demenz, diastolische Dysfunktion, linksventrikuläre Hypertrophie, Herzinsuffizienz, chronische Nierenkrankheit und vermehrte arterielle Steifigkeit. Das Risiko für Schlaganfall steigt bei zunehmendem Blutdruck bei Frauen mehr an als bei Männern.
Frauen sind in Studien zu kardiovaskulären Krankheiten unterrepräsentiert. Allerdings hat sich dies in den letzten Jahren gebessert. Die Teilnahme von Frauen ist aber immer noch gering im Verhältnis zu ihrer Gesamtrepräsentation in Krankheitspopulationen.
Als Antihypertensiva kommen bei der Schwangerschaftshypertonie Alphamethyldopa, Labetalol und Kalziumantagonisten in Frage. ACE-Hemmer, ARBs, direkte Reninhemmer und Diuretika gehen mit schlechten Outcomes auf den Foetus und das Neugeborene einher.
In einem namhaften Anteil der schwangerschaftsbedingten Hypertonie handelte es sich um eine Präeklampsie. Mit Aspirin lässt sich diese wirksam verhindern (1.6% unter Aspirin vs. 4.3% in der Kontrollgruppe, p < 0.004).

Viele Fragen sind noch unbeantwortet, wie die Referentin feststellte. Dazu gehören die folgenden:

  • Gibt es möglicherweise andere Blutdruckgrenzen bei Männern und Frauen, sollen Alter und Hormone berücksichtigt werden?
  • Warum sind besonders Frauen mit Hypertonie vom Schlaganfall betroffen?
  • Warum sind immer noch nicht genügend Frauen in Hypertoniestudien eingeschlossen und warum werden genderspezifische Aspekte immer noch nicht genügend analysiert?
  • Welches Antihypertensivum ist das «Beste» für die Frau?
  • Sollen Antihypertensiva bei Frauen anders dosiert werden?

Quelle: Zürcher Hypertonietag, Universitätsspital Zürich, 23. Januar 2020.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

«Früher war die Brustkrebsbehandlung eine One-Man-Show»

19 Brustzentren tragen das Gütesiegel «Q-Label». Die Vorteile des Labels sind der Allgemeinbevölkerung aber auch Fachpersonen noch wenig bekannt. Die Brustkrebsspezialistin Prof. Dr. med. Monica Castiglione erklärt, was sich dank dem Label verbessert hat und mit was sie noch nicht zufrieden ist.

Frau Castiglione, wie zufrieden sind Sie mit der Brustkrebsbehandlung in der Schweiz?

Zum Teil sehr zufrieden. Die Brustzentren sind gut eingerichtet, haben sehr gut ausgebildete Leute und es gibt gute Maschinen, etwa für Mammographien. Radiologische und andere Untersuchungen und Sprechstunden können sehr schnell durchgeführt werden im Vergleich zu anderen Ländern, wo man für eine Untersuchung wochen- oder monatelang warten muss. Ich denke, man kann wirklich zufrieden sein.

Wo sind Sie noch nicht zufrieden?

Früher war der Gynäkologe der einzige, der den Brustkrebs behandelt hat. Er hat seine Patientinnen in die Strahlentherapie geschickt, vielleicht ein paar Hormone verabreicht. Er war verantwortlich für alles. Im Grunde genommen, war es einfach eine One-Man-Show, ohne umfassende Betreuung rundherum. Es gibt leider heute immer noch Ärzte, die Patientinnen im Alleingang behandeln. Nicht viele, aber doch ein paar. Mit dem Q-Label versuchen wir dem entgegenzuwirken.

In Brustzentren mit Q-Label sind also mehrere Ärzte für eine Patientin zuständig?

Jeder Schritt der Behandlung wird von einem anderen Spezialisten durchgeführt. Wir besprechen die einzelnen Fälle an einem Tumorboard, da sind 15, 20 Experten dabei und alle bestimmen gemeinsam über Behandlung und Betreuung. Das gibt für alle Beteiligten eine grosse Sicherheit.

Was sind weitere wichtige Vorteile eines zertifizierten Brustzentrums?

Wichtig ist, dass die Patientin im Mittelpunkt der Behandlung steht. Ganz wesentlich ist, dass pro Jahr eine Mindestanzahl von Patientinnen behandelt werden muss. Durch die Erfahrung entsteht Routine. Und es ist auch wichtig, dass ein Zentrum bestimmte Guidelines hat und Prozesse definiert.

Das Q-Label garantiert ein breites Betreuungsangebot. Wie wichtig ist beispielsweise die Psychoonkologie?

Früher hat es geheissen, ein Brustkrebs ist schlimm. Fertig. Bei psychischen Schwierigkeiten hat man die Patientin zum Psychiater geschickt. Aber die meisten Patientinnen wollten nicht zum Psychiater, auch heute nicht. Aber da ist diese Angst, mit der Frauen leben müssen, denn wir sprechen von einer Krankheit, die potentiell tödlich sein kann. Nicht viele Frauen sterben daran, aber trotzdem ein paar. Und es gibt mit Sicherheit auch schwerwiegende Veränderungen durch die Behandlung, etwa im Körperbild und im Sexualleben. Für viele Frauen sind das schwerwiegende Nebenwirkungen. Da kann ein Psychoonkologe helfen. Und wenn eine Patientin einen erleichterten Zugang zu diesen Angeboten hat, dann ist das nur positiv.

Als Ärztin wünschen Sie sich, dass Patientinnen mitdenken und fordern.

Ich bin immer für einen Austausch. Ein Arzt soll der Patientin nicht sagen: Sie brauchen eine Chemotherapie. Nein, er soll aufzeigen, warum. Das Fachpersonal ist immer mehr unter Druck, die Zeit der Konsultationen ist immer kürzer. Da muss man sich manchmal auf das Wesentliche beschränken. Da kann ich mir gut vorstellen, dass man nicht immer alle Fragen stellen kann. Aber eine Patientin kann sagen, heute haben Sie mir die Hälfte meiner Fragen beantwortet, wann kann ich mit den restlichen Fragen kommen? Eine Erstkonsultation dauert meist eine Stunde, das kann sehr wenig sein.

Das «Q» vom «Q-Label» steht für Qualität. Was bedeutet Qualität?

Qualität besteht aus vielen Kriterien. Für die Patientin bedeutet Qualität, dass sie das Beste kriegt, was sie kriegen kann. Und auch in der besten Art und Weise. Unabhängig von Bildungsstand und von Sprachkenntnissen. Das gilt auch für Personen, die fremd sind, die unser Land und unser System nicht kennen. Die Behandlung ist dieselbe für jede einzelne Patientin. Und dadurch, dass bei einem zertifizierten Brustzentrum alles an einem Ort eingebettet ist, erhalten Patientinnen das Beste konzentriert an einem einzigen Ort.

ZUR PERSON


Die Onkologin Prof. Dr. med. Monica Castiglione war Direktorin des Brustzentrums am Universitätsspital in Genf und CEO der International Breast Cancer Study Group (IBCSG). Seit der Gründung des Q-Labels überprüft sie als Auditorin die Qualität von Brustzentren.

Wie könnte der neue Alltag aussehen?

Gerade sind wir in der frühen exponentiellen Phase mit bereits >3000 Corona-infizierten Bewohnern der Schweiz (16.3.)*. Die frappante Parallelität der hiesigen Kurve der Neuerkrankten zum Inzidenzverlauf in Italien lässt keine Zweifel aufkommen, dass die nächsten Wochen eine harte Nagelprobe für unser föderales Gesundheitssystem sein werden. Dass Krebspatienten zur Risikogruppe mit einer deutlich erhöhten Morbidität und Mortalität bei einem Covid-19 Infekt gehören ist zwar klar, aber das ist schon ziemlich alles, was wir momentan darüber wissen. Gerade erscheinen die ersten Publikationen zu diesem Thema aus China (Lancet 2020) und geben einen ersten Eindruck, was uns erwarten könnte (Fig. Lancet).

Was kann dies für den hiesigen onkologischen Alltag bedeuten? Sollen unsere Patienten in Selbst-Quarantäne in bestimmten Situationen und welchen? Wie können und müssen wir sie dabei unterstützen? Sollen sie öffentliche Verkehrsmittel noch benützen? Sollen wir aktuell nicht lebensnotwendige Therapien wie z.B. adjuvante immunsuppressive Therapien verschieben oder unterlassen, ebenso wie nicht dringende Operationen und Radiotherapien? Was hat dies später für Konsequenzen für den Gesamtverlauf?
Müssen wir die Ambulatorien anders organisieren und intensive Corona-Testungen von Patienten und Personal einführen? Wie können wir sicherstellen, dass alle spitalinternen und externen Partner wie Medizinische Onkologie, Radiologie, Nuklearmedizin, Radiotherapie etc. unsere Patienten adäquat schützen?
Sind die nun laufenden klinischen Studien mit antiviralen Substanzen wie z.B. mit Remdesivir eine zukünftige Therapieoption? Wie können wir Patienten unterstützen, welche nebst ihrer Erkrankung noch durch grossen wirtschaftlichen Schaden belastet und bedroht sind?
Die SAKK ist gerade dabei gesamtschweizerisch eine Studie zu etablieren, welche uns in dieser unerwarteten Situation auf solche Fragen Antworten bringen könnte und wir ersuchen alle Kolleginnen und Kollegen sich daran zu beteiligen. Es bietet sich hier ein kurzes Opportunitäts-Fenster in dieser für alle unerwarteten, bedrohlichen Situation rasch zu lernen und die richtigen Schlüsse für unsere jetzigen und zukünftigen Patienten zu ziehen.

* Stand 14.4.: 25’688 Fälle und 1 142 Tote

Prof. em. Dr. med. Thomas Cerny
Thomas.Cerny@kssg.ch

Prof. Dr. med. Roger von Moos
Roger.vonMoos@ksgr.ch

Nachkontrollen bei erfolgreich behandelten Patienten mit Lungenkrebs

Nachkontrollen bei erfolgreich behandelten Patienten mit Lungenkrebs

Schneider BJ et al: Lung cancer surveillance after definitive curative-intent therapy: ASCO Guideline. J Clin Oncol 2019 (Dec 12); https://doi. org/10.1200/JCO.19. 02748

Zusammenfassung: PURPOSE: To provide evidence-based recommendations on surveillance strategies after definitive curative-intent therapy in patients with stage I-III non–small-cell lung cancer (NSCLC) and SCLC. RECOMMENDATIONS: Patients should undergo chest computed tomography imaging for surveillance for recurrence every 6 months for 2 years and then annually for detection of new primary lung cancers. FDG-PET and circulating biomarkers should not be used. Age should not preclude surveillance imaging. Brain magnetic resonance imaging may be used every 3 months for the first year and every 6 months for the second year in patients with stage I-III small-cell lung cancer who have undergone curativeintent treatment.

Inhibition von Neurotrophen Tropomyosin-Receptor Kinase-Genen – eine Therapie, deren Indikation und Nutzen unabhängig vom Tumortyp auf der molekularen Pathologie beruht

Doebele RC et al: Entrectinib in patients with advanced or metastatic NTRK fusion-positive solid tumours: integrated analysis of three phase 1–2 trials. Lancet Oncol 2019 (Dec 11); https://doi.org/10.1016/ S1470-2045(19)30691-6

Zusammenfassung: diverse maligne Tumoren weisen somatische Mutationen in der Gruppe der sog. Neurotrophen Tropomyosin-Receptor Kinase-Genen (NTRK genes) auf. Es handelt sich meist um Fusionsgene, bei denen die Juxtaposition eines NTRK-Gens zu einem Partnergen (zB ETV-6) zu NTRK-Überexpression und damit zu onkogenem «drive» in der Tumorzelle führt. Der Entdecker der NTRK-Gene war Mariano Barbacid, der 1988 den Josef-Steiner-Krebspreis erhielt; eine bedeutende Auszeichnung für international anerkannte Krebsforscher, die in der Regel in Bern verliehen wird. TK-Inhibitoren sind wirksam gegen NTRK-POS Tumoren, unabhängig vom histologischen Typ, so auch Entrectinib. Die Substanz ist auch im ZNS wirksam.

Automatisierte Detektion von Prostatakarzinom in Biopsien

Ström P et al: Artificial intelligence for diagnosis and grading of prostate cancer in biopsies: a population-based, diagnostic study Lancet Oncol 2020 (Jan 8); https://doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30738-7.doi:10.1001/jamaoncol.2019.3616

Bulten W et al: Automated deep-learning system for Gleason grading of prostate cancer using biop-sies: a diagnostic study. Lancet Oncol 2020 (Jan 8); https://doi.org/10.1016/S1470-2045(19)30739-9.

Zusammenfassung: automatisierte Systeme zur Detektion von Prostatakarzinomen in Biopsien und zum «grading» ihres Gleason scores schneiden mehr oder weniger gleich gut ab wie erfahrene Uropathologen mit ihrer mikroskopischen Diagnostik.

Olanzapin und antiemetische Therapie

Hashimoto H et al: Olanzapine 5 mg plus standard antiemetic therapy for the prevention of chemo-therapy-induced nausea and vomiting (J-FORCE): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial Lancet Oncol 2019 (Dec 11); https://doi.org/10.1016/ S1470-2045(19)30678-3

Zusammenfassung: die Prävention von Nausea und Erbrechen unter oder nach Cisplatinhaltigen Chemotherapien kann immer noch unbefriedigend sein. Bei hoch emetogenen Therapien kann zuzüglich zu 5-Hydroxytryptamin-3 Rezeptor-Antagonisten (z.B. Ondansetron), Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten (z.B. Aprepitant), und Dexamethason die Substanz Olanzapin nützlich sein (she. Empfehlungen der ASCO Guidelines 2017). Olanzapin, ein atypisches Neuroleptikum, ist in der Schweiz z.B. als ZyprexaR in Dosen von 10-20 mg täglich für die Behandlung von psychiatrischen Leiden zugelassen. Die vorliegende Studie kam zum Schluss, dass in einem Antiemetika-Schema eine Tagesdosis Olanzapin von 5 mg genügt und weniger oft Nebenwirkungen (Schläfrigkeit) mit sich bringt.

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch