Aktuelle antidiabetische Therapie bei Herzerkrankungen

In den letzten Jahren gab es enorme Fortschritte im Bereich der Therapie von Diabetes mellitus Typ 2. Dies ist unter anderem durch die neu entwickelten Medikamente bedingt, welche in kardiovaskulären Endpunktstudien bewiesen, dass sie die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren, die Entwicklung einer Herzinsuffizienz verlangsamen und die Nierenfunktion schützen.

Ces dernières années, d’ énormes progrès ont été réalisés dans le traitement du diabète sucré de type 2, en partie grâce à des médicaments récemment mis au point dont les études sur les paramètres cardiovasculaires ont montré qu’ ils réduisaient la mortalité de toutes causes et les événements cardiovasculaires, ralentissaient le développement de l’ insuffisance cardiaque et protégeaient la fonction rénale.

Diabetes mellitus betrifft weltweit geschätzt einen von elf Erwachsenen. Von den verschiedenen Folgeerkrankungen bei Menschen mit Diabetes kommt der koronaren Herzerkrankung und der Herzinsuffizienz eine immer grössere Bedeutung zu. Die koronare Herzerkrankung hat in den letzten Jahrzehnten bei Diabetes mellitus kontinuierlich abgenommen, ist aber immer noch höher als bei Menschen ohne Diabetes mellitus. Demgegenüber hat sich die Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Personen mit Diabetes während dieser Zeitspanne verdreifacht und der Prozentsatz der Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz beträgt mindestens 25% (1).

Es gibt zwei Arten der Herzinsuffizienz:

  • Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurfsfraktion (HFPEF, «heart failure with preserved ejection fraction»): diese Form macht ¾ aller Fälle von Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes aus und zeigt eine linksventrikuläre Auswurfsfraktion > 40%. Die Diagnose in der Praxis von Allgemeininternisten ist aber schwierig, weil sich diese Form praktisch nur mit einer Doppler-Echokardiografie des Herzens durch den Kardiologen zweifelsfrei diagnostizieren lässt.
  • Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurfsfraktion (HFREF, «heart failure with reduced ejection fraction»), welche ¼ der Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes betrifft und häufig symptomatisch ist mit Anstrengungsdyspnoe, Orthopone, sowie Vorhofflimmern.

Obwohl mittlerweile viele wirksame Medikamente verfügbar sind, erreicht lediglich die Hälfte der an Diabetes mellitus erkrankten Patienten ihr individuelles HbA1c-Ziel (2). Gründe hierfür sind vielfältig und umfassen nicht nur die von vielen Patienten praktizierte fehlende Adhärenz zu den verordneten Medikamenten. Auch die mannigfaltigen Therapiemöglichkeiten und Kombinationen machen die medikamentöse Behandlung komplex. Der vorgestellte Behandlungsalgorithmus basiert auf den Empfehlungen der «Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie» (SGED), welche 2020 verabschiedet wurden (www.sgedssed.ch).

Kardiovaskuläre Endpunktstudien mit den neueren Medikamentengruppen seit 2008

SGLT2-Hemmer

SGLT2-Hemmer hemmen den Natrium/Glukose-Cotransporter 2 (SGLT2) in den proximalen Tubuli der Nieren, was die Rückresorption von Glukose aus dem Primärurin reduziert. Sie führen nicht zu Hypoglykämien und gehen mit einem Gewichtsverlust einher.
Mit folgenden Substanzen konnten wesentliche Vorteile in Bezug auf 3-Punkte MACE, kardiovaskuläre Mortalität und Herzinsuffizienz gezeigt werden: Empagliflozin (Jardiance®), Canagliflozin (Invokana®) und Dapagliflozin (Forxiga®) (3-6). Ertugliflozin (Steglatro®) wurde als vierter SGLT2-Hemmer zugelassen. Die Wirksamkeit konnte in der «VERTIS MONO» Studie gezeigt werden (7). Die Resultate der «VERTIS CV» Studie zur Beurteilung der kardiovaskulären Sicherheit sind noch ausstehend.
Hinsichtlich renaler Endpunkte zeigte sowohl die «EMPA-REG OUTCOME» Studie für Empagliflozin als auch die «CREDENCE» und «CANVAS» Studien für Canagliflozin eine signifikant langsamere Progression von Nierenerkrankungen. Die «EMPA-REG OUTCOME» und «CREDENCE» Studien zeigten den sicheren Einsatz bis zu einer eGFR von 30 ml/min (8, 9) .
Aufgrund dieser Studienlage kann zum aktuellen Zeitpunkt von einem Klasseneffekt in Bezug auf die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität, respektive von einem positiven Effekt auf die Herzinsuffizienz und Nierenfunktion ausgegangen werden.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten

Die GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1 RA) binden wie das körpereigene Inkretin GLP-1 an die GLP-1-Rezeptoren und führen zu einer erhöhten Insulinausschüttung und Hemmung der Glukagonsekretion. Daneben hemmen sie den Appetit und führen zu einem Gewichtsverlust. Die «LEADER» Studie konnte 2016 zeigen, dass Liraglutid (1× täglich, Victoza®) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und hohem kardiovaskulärem Risiko zu einer signifikanten Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen und der Gesamtmortalität führt (10). Im gleichen Jahr zeigte sich bei Semaglutid (1× wöchentlich, Ozempic®) in der «SUSTAIN-6» Studie eine signifikante Reduktion von nicht-tödlichen Schlaganfällen, jedoch keine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität (11). Hinsichtlich der kardiovaskulären Ereignisse war die neu entwickelte orale Gabe von Semaglutid in der «PIONEER 4» der subkutanen Gabe nicht unterlegen (12, 13).
Dulaglutid (1× wöchentlich, Trulicity®) senkte in der «REWIND» Studie kardiovaskuläre Ereignisse, hatte jedoch ebenfalls keine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität zur Folge (14), aber eine deutliche Reduktion der Apoplexie (15, 16).
Sowohl Liraglutid in der «LEADER» Studie als auch Dulaglutid in der «REWIND» Studie zeigten bessere renale Endpunkte (17, 18). Hinsichtlich der Sicherheit bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion können GLP-1-Rezeptor-Agonisten auch bei schwer eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 30 ml/min) eingesetzt werden und sind in dieser Situation somit eine Alternative zu DPP-4-Hemmern (17).
Im Wesentlichen konnten die humanen GLP-1-Rezeptor-Agonisten positive Effekte in den Endpunktstudien aufweisen, während die kurzwirksamen, von Exenatid abgeleiteten Medikamente, dies nicht belegen konnten. Deshalb sind GLP-1 RA aufgrund der stärkeren Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patienten empfehlenswert (eine Kostenrückerstattung erfolgt nur bei einem BMI ≥ 28 kg/m2 und in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen).

DDP-4-Hemmer

Die Hemmung der Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4) führt analog zu den GLP-1-RA zu einer verlängerten Inkretin-Wirkung. Aufgrund dessen macht wegen des gleichen Wirkungsmechanismus eine Kombination mit einem GLP-1 RA keinen Sinn.
Insgesamt wiesen die DPP-4-Hemmer Alogliptin (Vipidia®), Linagliptin (Trajenta®) und Sitagliptin (Januvia®) einen neutralen Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse auf (19-22). Zu beachten ist, dass Saxagliptin (Onglyza®) in der «SAVOR-TIMI 53» Studie als bisher einzigen DDP-4-Inhibitor zu häufigeren Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz führte (23). Vorteile der DPP-4-Hemmer sind die Verabreichung selbst bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz und die fehlenden Nebenwirkungen.

Therapieempfehlungen bei Typ 2 Diabetes mellitus

Wie auf Abbildung 1 ersichtlich ist, ist die primäre Therapie für alle Patienten mit Typ 2 Diabetes eine frühe Kombination von Metformin und SGLT-2 Hemmern oder Metformin und GLP-1- Rezeptor-Agonisten. Diese Empfehlung gilt unabhängig davon, ob der Patient bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung hat, denn Patienten mit Typ 2 Diabetes mit einem geringen oder mässigen kardiovaskulären Risiko existieren praktisch nicht (Patienten < 50 Jahre mit einer Diabetesdauer < 10 Jahre) (24).

Initiale Wahl: SGLT2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten?

Während beide Klassen die sogenannten 3-Punkte MACE (schwere kardiovaskuläre Komplikationen definiert als nicht tödlichen Schlaganfall, nicht tödlichen Myokardinfarkt und kardiovaskulären Tod) reduzieren, können die Unterschiede gezielt für eine personalisierte Therapie genutzt werden. Wie in Tabelle 1 ersichtlich, führen GLP-1-Rezeptor-Agonisten zu einem stärkeren Gewichtsverlust sowie zu einer Reduktion von Schlaganfällen (11, 15, 16). Hingegen bieten SGLT2-Hemmer eine stärkere Nephroprotektion und eine Verzögerung der Herzinsuffizienz beziehungsweise weniger Hospitalisationen aufgrund einer Herzinsuffizienz (3-6). Aufgrund der vielen Vorteile besteht Hoffnung, dass eine Kombination dieser beiden Medikamentengruppen den grössten Vorteil für Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus bieten könnte, insbesondere bei einer koronaren Herzkrankheit und/oder Herzinsuffizienz (25).

Empfehlungen bei koronarer Herzkrankheit und/oder Herzinsuffizienz

Weil koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz mit einer langen Diabetesdauer, chronischer Niereninsuffizienz und einer schlechten Blutzuckereinstellung assoziiert sind, müssen drei Kernfragen beantwortet werden, bevor eine individuelle, verbindliche Therapieempfehlung gemacht werden kann (Abb. 2).

Die erste und wichtigste Frage betrifft immer das Insulin: Benötigt der Patient Insulin?

Ist der HbA1c-Wert des Patienten > 10% bei Abwesenheit der Schlüsselmerkmale des metabolischen Syndroms wie viszerale Adipositas und der typischen Dyslipidämie (niedriges HDL-Cholesterin und hohe Triglyzeride), und zeigt der Patient klinische Symptome des Insulinmangels (Gewichtsverlust, Polyurie und Polydipsie), ist die Gabe von Insulin niemals falsch. Nachdem sich die Blutzuckerwerte normalisiert haben, kann entschieden werden, ob Insulin weiterhin verabreicht wird. Bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten kann ein Typ 1 Diabetes mellitus (auch bei hohem Alter) oder eine Pankreaserkrankung, wie eine chronische Pankreatitis oder Hämochromatose vorliegen, und deshalb eine Insulintherapie notwendig machen.

Die zweite Frage bezieht sich auf die Nierenfunktion

Dieser Aspekt wirkt sich direkt auf die Wahl des Antidiabetikums aus. 25% aller Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus in der Schweiz haben eine chronische Nierenerkrankung mit einer eGFR < 60 ml/min. (26). Die meisten Medikamente können nicht verschrieben werden, wenn die eGFR unter 30 ml/min liegt (dies ist allerdings ein kleiner Prozentsatz von 2.4% (26). Ist dies der Fall, können SGLT-2 Hemmer, Metformin und Sulfonylharnstoffe nicht mehr eingesetzt werden. DPP-4 Hemmer und GLP-1 RA können in dieser Situation verschrieben werden. Bei den GLP-1 RA ist auf Übelkeit und Erbrechen zu achten, sie sind aber auch bei Dialysebedürftigkeit nicht gefährlich für den Patienten mit Diabetes mellitus.

Die dritte Frage betrifft die Herzinsuffizienz

Die bevorzugte Therapie bei Patienten mit Diabetes und einer Herzinsuffizienz oder zur Prävention der Herzinsuffizienz sind die SGLT-2 Hemmer, welche bis zu einer eGFR von 30 ml/min sicher eingesetzt werden können. Mit Reduktion der Nierenfunktion sinkt zwar der blutzuckersenkende Effekt, die Wirkungen auf 3-Punkte MACE, Erhaltung der Nierenfunktion und Therapie respektive Prävention von Herzinsuffizienz bleiben voll erhalten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Zweitabdruck des in «der informierte arzt» 06-2020 erschienen Originalartikels.

Prof. Dr. med.Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Der Autor deklariert Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.

  • Mit den SGLT2-Hemmern und den GLP-1-RA gibt es zwei Klassen, welche kardiovaskuläre Ereignisse, die kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtmortalität senken sowie eine Nephroprotektion zeigen.
  • Der Arzt muss zudem die Patientenpräferenzen wie keine Hypogly-kämien und Wunsch nach Gewichtsabnahme berücksichtigen, aber auch die Verringerung von Mortalität und von kardiovaskulären
    Ereignissen und Herzinsuffizienz. Sulfonylharnstoffe (21) und DPP-4-Hemmer (19-22) haben in Bezug auf diese harten Endpunkt-Parameter keinen Effekt.
  • Unter Berücksichtigung der kardiovaskulären Endpunkte, der Nieren-
    funktion und des Vermeidens von Hypoglykämien und einer Verminderung des Körpergewichts sind SGLT-2 Hemmer und GLP-1 RA die bevorzugten Medikamente und eine Tripelkombination mit Metformin wäre v.a. bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit und/oder
    einer Herzinsuffizienz zu empfehlen.

Messages à retenir

  • Avec les inhibiteurs SGLT2 et les GLP-1-RA, il existe deux classes qui montrent une réduction des événements cardiovasculaires, de la mortalité cardiovasculaire et de la mortalité de toutes causes ainsi qu’ une néphroprotection.
  • Le médecin doit également tenir compte des préférences du patient, comme l’ absence d’ hypoglycémie et le désir de perdre du poids, mais aussi de la réduction de la mortalité et des événements cardiovasculaires et de l’ insuffisance cardiaque. Les sulfonylurées (21) et les inhibiteurs de la DPP-4 (19-22) n’  ont pas d’ effet sur ces paramètres de point final durs.
  • En tenant compte des paramètres cardiovasculaires, de la fonction rénale et de l’ évitement de l’ hypoglycémie et de la réduction du poids corporel, les inhibiteurs SGLT-2 et les GLP-1 RA sont les médicaments préférés et une triple association avec la metformine serait particulièrement recommandée chez les patients souffrant de coronaropathie et/ou d’ insuffisance cardiaque.

Des situations dans lesquelles le sodium est indispensable

Pour la prévention de l’ hypertension artérielle et de ses complications, il est recommandé de consommer du sel à raison de 5-6 g de NaCl par jour. Il existe cependant des situations cliniques dans lesquelles un apport journalier de sel plus élevé est nécessaire. C’ est le cas, par exemple, des patients qui souffrent d’ hypotension orthostatique en l’ absence de prise médicamenteuse faisant baisser la pression, ou des sujets qui font des efforts physiques modérés à intensifs ou du sport de haut niveau. Après l’ exercice, il est recommandé de compenser les pertes cutanées d’ eau et de sel, mais la question se pose si la compensation doit être complète ou partielle. En Suisse, dans le cadre de la prévention des déficiences en iode et de ses conséquences cliniques, du iode est ajouté au sel de cuisine. Les apports en iode de la population sont donc très liés à la consommation de sel. Des données récentes ont montré qu’ environ 14  % des femmes suisses sont en état de déficience en iode. Cette situation pourrait potentiellement s’ aggraver en cas de régime pauvre en sel (< 5 g NaCl/j). Les jeunes femmes en âge de procréer et leurs enfants sont particulièrement à risque de développer des complications liées au manque de iode.

Zur Vorbeugung von Bluthochdruck und dessen Komplikationen wird empfohlen, 5-6 g NaCl pro Tag zu konsumieren. Es gibt jedoch klinische Situationen, in denen eine höhere tägliche Salzzufuhr erforderlich ist. Dies ist z.B. der Fall bei Patienten, die ohne blutdrucksenkende Medikamente an einer orthostatischen Hypotonie leiden, oder bei Personen, die sich mässig bis intensiv körperlich betätigen oder Spitzensport betreiben. Nach dem Training wird empfohlen, den Wasser- und Salzverlust der Haut auszugleichen, es stellt sich jedoch die Frage, ob der Ausgleich vollständig oder nur teilweise erfolgen soll. In der Schweiz wird im Rahmen der Prävention von Jodmangel und dessen klinischen Folgen Jod dem Speisesalz zugesetzt. Die Jodaufnahme der Bevölkerung ist daher eng mit dem Salzkonsum verbunden. Jüngste Daten haben gezeigt, dass rund 14 % der Schweizer Frauen unter Jodmangel leiden. Diese Situation könnte sich bei einer salzarmen Ernährung (< 5 g NaCl/Tag) potenziell verschlechtern. Junge Frauen im gebärfähigen Alter und ihre Kinder sind besonders gefährdet, Komplikationen durch Jodmangel zu entwickeln.

Le sodium est un électrolyte essentiel pour les fonctions cellulaires, pour la régulation des compartiments liquidiens du corps et pour la régulation de la pression artérielle (PA). Aujourd’ hui, pratiquement toutes les sociétés médicales recommandent un apport journalier modéré en sodium ou en sel de table essentiellement pour prévenir le développement de l’ hypertension artérielle avec l’ âge et les complications cardiovasculaires et rénales qui sont associées à l’ hypertension (1). La consommation journalière de sel (NaCl) devrait être de 5-6 g par jour. En réalité, en Suisse (2), comme en Europe et aux Etats Unis, la consommation moyenne de sel est de l’ ordre de 9-11 g/j avec une consommation un peu plus élevée chez les hommes (10.5 g/j) que chez les femmes (7.5 g/j). Dans toutes les études populationnelles, il existe une relation linéaire significative entre la consommation de sel journalière et la pression artérielle, l’ impact étant plus prononcé chez les hypertendus que chez les normotendus.
Dans le débat sur la consommation de sel à recommander, une question revient systématiquement: un régime restreint en sel est-il favorable pour tout le monde ou existe-t-il des risques liés à un régime pauvre en sel chez certains individus ou groupes de sujets? Cette question a été ravivée par plusieurs publications suggérant qu’ un apport trop restreint en sel est associé à une augmentation de la mortalité globale, sans que l’ on connaisse vraiment les mécanismes de cette surmortalité. Au delà de ce débat précis, il est évident qu’ il existe des situations cliniques dans lesquelles un apport journalier de sel plus élevé est nécessaire. Le but de cet article est de discuter les situations cliniques les plus fréquentes associées à des besoins en sel supérieurs à ceux qui sont recommandés pour la population générale et les patients hypertendus en particuliers.

L’ hypotension orthostatique

Selon les dernières recommandations de la Société Européenne de Cardiologie, l’ hypotension orthostatique (HO) se définit comme une chute anormale de la PA au passage de la position assise à debout avec une baisse de la PA ≥ 20 mmHg de systolique ou ≥ 10 mmHg de diastolique ou une chute de la PA systolique à moins de 90 mmHg (3). La prévalence de l’ HO augmente avec l’ âge. L’ hypovolémie et une perte rénale de sel nocturne sont deux caractéristiques de la physiopathologie de l’ hypotension orthostatique survenant chez des individus souvent jeunes qui ne reçoivent pas de traitements hypotenseurs. Dans ces cas, il est fortement recommandé d’ augmenter le volume circulant pour prévenir les hypotensions et cela peut se faire de deux manières: d’ une part en augmentant les apports hydriques et d’ autre part en augmentant la consommation de sel, ce qui augmentera la soif et favorisera la rétention hydrosodée et l’ augmentation du volume circulant. Ainsi, dans cette situation, on propose aux patients de boire plus de 2 litres de liquide par jour et de manger 10 grammes de sel par jour, soit le double des recommandations. Cette approche non-pharmacologique de l’ HO permet souvent de diminuer les symptômes de chute de pression. Toutefois, elle ne peut pas être appliquée à des patients qui souffrent d’ une insuffisance cardiaque en raison du risque de surcharge et d’ oedème aigu du poumon.
En cas de hypotension aiguë, une manière simple de faire remonter la PA est de boire un verre (environ 250 à 500 ml) d’ eau froide qui active le système nerveux sympathique et augmente la pression artérielle.

Régime pauvre en sel et carence en iode

Le iode est un élément essentiel pour tous les organismes vivants. Le déficit en iode est reconnu depuis le début du XXe siècle comme une cause majeure du goitre et du crétinisme (4). Aujourd’ hui, la carence en iode, même modérée, est surtout associée à des troubles du développement cérébral et des troubles cognitifs chez l’ enfant. En Suisse, la consommation de iode est intrinsèquement liée à celle du sel. En effet, depuis 1922, date à laquelle une Commission Fédérale pour la prophylaxie du goitre (4) à décidé de donner du iode à la population, le sel est enrichi en iode à des concentrations qui sont en augmentation constante : 3.75 mg/kg en 1922, 15 mg/kg en 1980 et 25 mg/kg en 2014. Pour obtenir les taux urinaires de iode recommandés par l’ OMS (100 μg/jour) il faut manger plus de 5 grammes de sel par jour. Dans l’ étude suisse sur la consommation de sel, réalisée entre 2010 et 2012, l’ excrétion urinaire de iode a été mesurée (5). Il s’ est avéré que 14 % des femmes et 2 % des hommes présentaient un déficit en iode (Fig. 1). Le déficit était plus marqué chez les femmes parce qu’ elles mangent globalement moins que les hommes et dès lors, elles ont un apport en sodium et iode inférieur. Ces données ont conduit à une augmentation du contenu en iode du sel en 2014. Cette observation pose donc la question de la pertinence d’ une réduction globale de la consommation de sel dans la population pour prévenir l’ hypertension artérielle, en particulier chez les jeunes femmes qui ont un risque d’ hypertension et de maladies cardiovasculaires plutôt bas, en tout cas jusqu’ à la ménopause.

Exercice physique et consommation de sel

L’ exercice physique modéré et régulier est fortement encouragé par les recommandations internationales pour la prévention des maladies cardiovasculaires et fait partie des approches non-médicamenteuses de l’ hypertension artérielle (1). L’ activité physique, même modérée, entraîne une déshydratation et une augmentation de la sudation qui peut être à l’ origine d’ une perte de sel assez conséquente selon l’ intensité et la durée de l’ effort et les conditions environnementales (température ambiante, humidité, etc.). Ainsi, après un exercice physique léger (45 % de la VO2max), un individu peut perdre environ 600 mg de sodium, et autant de chlore, par la peau et avec un effort d’ intensité modérée (65 % de la VO2 max) la perte peut être de 1.5 g de sodium et 3 g de chlore. De même, la perte liquidienne varie beaucoup d’ un individu à l’ autre et se montre de 0.5 à 1.5 L. Aujourd’ hui, les conseils diététiques donnés aux individus qui veulent faire de l’ exercice ou du sport est d’ augmenter un peu leurs apports en sel avant, pendant et après l’ exercice, de manière à maintenir leur équilibre hydro-électrolytique. Pour les efforts légers, la diète habituelle suffit à maintenir cet équilibre. Pour les efforts modérés à intenses, il est préférable de compenser les pertes hydro-sodées par des boissons légèrement salées pour éviter le risque d’ hyponatrémie et ses conséquences neurologiques. Toutefois, la question se pose de savoir si la restitution du sel perdu par la peau durant l’ exercice est vraiment bénéfique à long-terme par exemple chez les patients hypertendus. En effet, il est maintenant bien établi que, lors d’ un régime riche en sel, le sodium s’ accumule dans la peau chez les hypertendus, les diabétiques et les insuffisants rénaux. L’ exercice physique augmente les pertes cutanées de sodium et par ce biais contribue à diminuer le stockage du sel dans les tissus comme le muscle et la peau. C’ est en partie par ce mécanisme que l’ exercice physique a des effets bénéfiques sur la pression artérielle. Dès lors, une compensation complète ou excessive des pertes sodées cutanées après un exercice pourrait limiter à la fois les bénéfices de l’ exercice et ceux liés à la réduction de la consommation de sel au quotidien. La question a été discutée récemment dans une revue intéressante qui remet en question les bénéfices d’ une substitution sodée complète après l’ exercice (6). Lors d’ activité physique de faible intensité, recommandée par les Sociétés Internationales d’ Hypertension, il est probablement préférable de ne pas compenser les pertes sodées, ce qui n’ est pas le cas dans les activités sportives intenses.

Autres situations cliniques nécessitant un apport sodé important

Dans les paragraphes précédents, nous avons discuté les situations cliniques les plus fréquentes dans lesquelles une restriction des apports en sel à 5-6 g/j pourrait s’ avérer problématique. Il existe plusieurs autres pathologies rénales et endocriniennes dans lesquelles un apport élevé de sel est nécessaire, entre autre pour maintenir la pression artérielle. C’ est le cas des enfants et des adultes qui présentent un syndrome de Gitelman ou de Bartter, qui sont hypotendus en raison d’ une perte rénale de sel. Ces deux maladies rénales génétiques sont caractérisées par une perte rénale de sodium consécutive à des mutations de certains transporteurs tubulaires du sodium. Une autre situation clinique peu fréquente est l’ insuffisance surrénalienne. Dans ce contexte, l’ insuffisance minéralocorticoïde entraîne une perte de sel due au déficit en aldostérone avec pour conséquence clinique une hypotension artérielle et parmi les symptômes, un appétit du sel important (salt craving). En l’ absence d’ une compensation minéralocorticoïde adéquate, un régime riche en sel est nécessaire pour maintenir la pression artérielle. Cependant, les apports en sel doivent être réduits lorsque la compensation surrénalienne médicamenteuse est efficace.

Conclusions

La réduction de la consommation de sel à 5-6 g par jour dans la population, comme recommandée par les Sociétés de Cardiologie et d’ Hypertension, constitue une étape importante dans la prévention des maladies cardiovasculaires. C’ est pour cela, que cette recommandation est également soutenue par de grandes organisations de santé comme l’ Organisation Mondiale de la Santé qui signale également qu’ il ne faut pas oublier l’ apport en iode dans de nombreux pays. Cependant, manger moins de sel a d’ autres effets bénéfiques en dehors du domaine cardiovasculaire, par exemples sur la survenue des calculs rénaux, sur le métabolisme osseux, sur l’ incidence du cancer de l’ estomac, et peut-être aussi sur l’ asthme et le développement de la cataracte (7). Il est vrai qu’ il existe des situations cliniques dans lesquelles un apport de sel supérieur aux recommandations est nécessaire comme discuté dans cette courte revue. Cependant ces situations sont relativement peu fréquentes et ont un impact sur la mortalité globale plutôt faible en comparaison des complications cardiovasculaires induites par une consommation trop élevée de sel.

Pr Michel Burnier

Faculté de Biologie et Médecine
Université de Lausanne

michel.burnier@chuv.ch

Dr Arlène Ghajarzadeh Wurzner

Centre Hospitalier Universitaire Vaudois
Service de néphrologie et hypertension
Rue du Bugnon 17
1011 Lausanne

Les auteurs n’ ont déclaré aucun conflit d’ intérêts en rapport avec cet article.

  • Une consommation de sel (NaCl) de 5 à 6 grammes par jour est recommandée pour l’ ensemble de la population.
  • En cas d’ hypotension orthostatique, après l’ arrêt des médicaments à effet hypotenseur, il est recommandé de manger 10g de sel et de boire au moins 2 litres par jour avant de prescrire des hypertenseurs.
  • En Suisse, chez les jeunes femmes en âge de procréer, il est recommandé de manger au moins 6 grammes de sel par jour pour prévenir la carence en iode.
  • Chez les sujets qui ont une activité physique modérée à élevée ou font du sport de compétition, les pertes sodées doivent être compensées par un apport plus élevé de sel. Cependant, la compensation ne devrait pas être complète.

Take-Home Message

  • Eine Salzzufuhr (NaCl) von 5 bis 6 Gramm pro Tag wird für die gesamte Bevölkerung empfohlen.
  • Im Falle einer orthostatischen Hypotonie wird empfohlen, nach
    Absetzen der blutdrucksenkenden Medikamente 10 g Salz einzunehmen und mindestens 2 Liter pro Tag zu trinken, bevor man Mittel verschreibt, die den Blutdruck erhöhen.
  • In der Schweiz wird jungen Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen, mindestens 6 Gramm Salz pro Tag einzunehmen, um einem Jod-
    mangel vorzubeugen.
  • Bei Personen mit mittlerer bis hoher körperlicher Aktivität oder im Leistungssport müssen Natriumverluste durch eine höhere Salz-
    zufuhr ausgeglichen werden. Die Kompensation sollte jedoch nicht vollständig sein.

1. Williams, B., et al., 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Cardiology and the European Society of Hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Cardiology and the European Society of Hypertension. J Hypertens, 2018. 36(10): p. 1953-2041.
2. Glatz, N., et al., Associations of sodium, potassium and protein intake with blood pressure and hypertension in Switzerland. Swiss Med Wkly, 2017. 147: p. w14411.
3. Brignole, M., et al., 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J, 2018. 39(21): p. 1883-1948.
4. Vouilloz Burnier, M.F., Variole et goitre: deux conceptions de la santé publique. Revue Médicale de la Suisse Romande, 2000. 120(12): p. 945-952.
5. Haldimann, M., et al., Prevalence of iodine inadequacy in Switzerland assessed by the estimated average requirement cut-point method in relation to the impact of iodized salt. Public Health Nutr, 2015. 18(8): p. 1333-42.
6. Turner, M.J. and A.P. Avolio, Does Replacing Sodium Excreted in Sweat Attenuate the Health Benefits of Physical Activity? Int J Sport Nutr Exerc Metab, 2016. 26(4): p. 377-89.
7. Cappuccio, F.P., Cardiovascular and other effects of salt consumption. Kidney Int Suppl (2011), 2013. 3(4): p. 312-315.

Intensiver Gedankenaustausch um den Bluthochdruck und seine Folgen

Am 23. Januar fand am Universitätsspital Zürich der traditionelle, von der Klinik für Kardiologie organisierte Hypertonietag statt. Das Ziel war ein intensiver Gedankenaustausch zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen rund um den Bluthochdruck und seine Folgen, wobei es galt, neue Horizonte zu entdecken und auch bisher Bekanntes in neuem Lichte zu sehen. Dies ist der zweite Teil der Berichterstattung.

Weisskittelhypertonie und maskierte Hypertonie

Die Weisskittelhypertonie (WKT) ist bei bis zu 30% der Patienten mit erhöhtem Praxis-Blutdruck (> 50% bei sehr betagten Patienten) vorhanden. Die Prävalenz ist tiefer, wenn der Praxis-Blutdruck auf repetitiven Messungen basiert und wenn die Messung nicht durch den Arzt geschieht, stellte Prof. Dr. med. Alain Bernheim, Zürich, einleitend fest.
Die Definitionen für maskierte Hypertonie, anhaltende Hypertonie, normalen Blutdruck und Weisskittelhypertonie sind in der Abb. 1 wiedergegeben.
Die entsprechenden Patientencharakteristika sind häufigeres Vorkommen mit zunehmendem Alter, bei Frauen häufiger als bei Männern und häufiger bei Nicht-Rauchern. Die Weisskittelhypertonie stellt ein kardiovaskuläres Risiko dar, wie Untersuchungen der 10-Jahresinzidenz zeigten. Bei etabliertem Bluthochdruck beträgt die Hazard Ratio WKT vs. normoton 2.51 (p < 0.0001), bei linksventrikulärer Hypertrophie 1.98 (< 0.002) und bei Diabetes 2.89 (p <v00.7). In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2017 ergab sich auch eine signifikante Assoziation zur Gesamtmortalität (Huang Y et al. J Hypertens 2017; 35:677-99). In einem nationalen multizentrischen Register in Spanien wurden an 63 910 Probanden die Praxis-Blutdruckmessung und die 24h Blutdruckmessung miteinander verglichen. Es wurde kategorisiert zwischen Hypertonie, Weisskittelhypertonie, maskierter Hypertonie und Normotonie. Das Outcome wurde nach 4.7 Jahren erfasst. Ambulante Blutdruckmessungen waren ein stärkerer Prädiktor für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität als klinische Blutdruckmessungen. Die Weisskittel-Hypertonie war nicht gutartig, und die maskierte Hypertonie war mit einem höheren Sterberisiko verbunden als die anhaltende Hypertonie (Banegas JR et al NEJM 2018; 378:1509-20).
Das Management der Weisskittelhypertonie beinhaltet die Suche nach Endorganschäden, regelmässige «Office» und «Out-of Office» Blutdruckmessungen (HBDM und ABDM), Lebensstiländerungen zur Senkung des kardiovaskulären Risikos. Diese Punkte werden auch in den Guidelines erwähnt (Empfehlung I/C). Gemäss Guidelines kann eine antihypertensive Therapie in Betracht gezogen werden bei Evidenz für HMOD (hypertension-mediated organ damage) oder bei Vorhandensein von hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko (IIb/C). Eine routinemässige medikamentöse Therapie wird nicht empfohlen (III/C).

Maskierte Hypertonie

Sie kommt vor bei ca. 15% der Patienten mit normalem Praxis-Blutdruck. Die Prävalenz ist bei jüngeren Patienten und bei Männern höher als bei Frauen. Sie ist häufiger, wenn der Praxis-Blutdruck im Borderline-Bereich liegt (130-139/80-89 mmHg) und sie ist selten bei Praxis-Blutdruck < 130/80 mmHg. Prädispositionen sind Stress bei der Arbeit oder zu Hause, Rauchen oder übermässiger Alkoholkonsum, Übergewicht, Bewegungsarmut, Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Schlafmangel, OSAS → maskierte Hypertonie vor allem infolge nächtlicher Hypertonien.
Diagnostische Aspekte: An eine maskierte Hypertonie sollte gedacht werden bei Patienten mit Borderline Praxis-Blutdruckwerten, bei Prädisposition, bei Patienten mit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko sowie bei Hinweisen für Endorganschäden. Bei Verdachtsmomenten sollte eine ABDM durchgeführt werden.
Gemäss dem bereits erwähnten spanischen Register (Banegas JR et al. NEJM 2018; 378:1509-20)beträgt die Hazard Ratio bei markierter Hypertonie sowohl für Gesamtmortalität als auch für kardiovaskuläre Mortalität 2.92 (p < 0.oo1). Die Daten einer Metaanalyse aus dem Jahre 2007 zeigen eine Hazard Ration bei maskierter Hypertonie in der Grundversorgung und bei Spezialisten von insgesamt 2.00 (1.58-2.52). Bei anhaltender Hypertonie betrug die entsprechende HR 2.28 (1.87-2.78).
Das Management der maskierten Hypertonie besteht in der Vermeidung auslösender Faktoren, in Lifestyle-Änderungen zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos und im periodischen Monitoring des «Out-of-Office» Blutdrucks (Empfehlung I/C in den Guidelines). Eine antihypertensive Therapie wird empfohlen wegen des deutlich erhöhten kardiovaskulären Risikos in dieser Population; kardiovaskuläre Outcome-Resultate sind allerdings keine vorhanden (IIa/C). Bei maskierter unkontrollierter Hypertonie (MUCH) ist die Hochtitrierung der antihypertensiven Therapie empfohlen (IIa/C).

ESC Hypertonieguidelines: «der Teufel liegt im Detail»

Die besagten Guidelines beginnen mit dem folgenden Aufruf: «Die Angehörigen der Gesundheitsberufe werden ermutigt, die ESC ESH-Leitlinien bei der Ausübung ihres klinischen Urteils sowie bei der Festlegung und Umsetzung von präventiven, diagnostischen oder therapeutischen medizinischen Strategien voll zu berücksichtigen. Die ESC/ESH-Leitlinien setzen jedoch in keiner Weise die individuelle Verantwortung der Angehörigen der Gesundheitsberufe ausser Kraft, angemessene und genaue Entscheidungen in Bezug auf den Gesundheitszustand jedes Patienten und in Absprache mit dem Patienten oder dessen Betreuer zu treffen, wo dies angemessen und/oder notwendig ist. Es liegt auch in der Verantwortung der Angehörigen der Gesundheitsberufe, die zum Zeitpunkt der Verschreibung geltenden Regeln und Vorschriften für Arzneimittel und Geräte zu überprüfen» stellte Prof. Dr. med. Isabella Sudano, Zürich fest.

47 Empfehlungen haben einen Level of Evidence C, d.h. Konsens der Meinung der Experten und/oder kleine Studien, retrospektive Studien, Register. 20 Empfehlungen sind IIa «sollte in Betracht gezogen werden», 14 Empfehlungen sind IIb «kann in Betracht gezogen werden». Wenn die Guidelines eine Diagnose beschreiben aber keine Lösung bieten: Out-of-Office Blutdruckmessung ist eine I/A Empfehlung bei der Identifikation von Weisskittelhypertonie und maskierter Hypertonie zur Quantifizierung der Wirkung der Behandlung und Identifikation der Ursachen von möglichen Nebenwirkungen (z.B. symptomatische Hypotension). In den gleichen Guidelines werden bei der Weisskittelhypertonie die Implementation von Lifestyleänderungen zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos, sowie regulärer Follow-up mit periodischem Out-of-Office Blutdruck-Monitoring als I/C Empfehlung aufgeführt, medikamentöse Behandlung kann bei Personen mit HMOD oder bei solchen mit hohem oder sehr hohem kardiovaskulärem Risiko in Betracht gezogen werden (IIb/C). Die Referentin nennt einige ähnliche Beispiele bei der maskierten Hypertonie.
Eine antihypertensive Therapie kann auch in Betracht gezogen werden, falls sie toleriert wird, bei gebrechlichen alten Patienten (IIb/B), wenn sie keinen Diabetes haben, keine Schlaganfall-Vergangenheit, keine symptomatische Herzinsuffizienz innerhalb der letzten 6 Monate, keine reduzierte Auswurffraktion (< 35%), keine klinische Diagnose oder Behandlung für Demenz, wenn die erwartete Lebensdauer nicht weniger als 3 Jahre beträgt, wenn kein unerwarteter Gewichtsverlust (> 10%) während der letzten 6 Monate auftrat, der systolische Blutdruck nicht weniger als 110 mmHg beträgt nach einer Minute im Stehen.
Die Referentin kam zum Schluss auf den eingangs erwähnten Abschnitt zurück und empfahl «wer die Guidelines korrekt anwenden möchte, sollte sie mit Aufmerksamkeit und Neugier selbst lesen».

Lipide und Blutdruck: neue Daten, neue Guidelines

Die erste Beschreibung der Atherosklerose geht auf einen Obduktionsbericht von Edward Jenner aus dem Jahr 1787 zurück. Er schrieb «die Koronararterien wurden zu knöchernen Kanälen, darauf begann ich ein wenig zu verdächtigen». Fast 130 Jahre später publizierte der russische Pathologe Anitzkow einen Beitrag mit dem Titel «Über experimentelle Cholesterinsteatose und ihre Bedeutung für die Entstehung einiger pathologischer Prozesse», so Prof. Dr. med. Augusto Gallino, Bellinzona.

Hundert Jahre nach Anitzkow publizieren die Nobelpreisträger Brown und Goldstein «A century of cholesterol and coronaries» (Cell 2015;161-172), wobei sie feststellen, dass die LDL-Cholesterin Konzentration für sämtliche Apo B enthaltenden Partikel repräsentativ ist. Die Evidenz für die Beziehung zwischen der LDL-Cholesterinsenkung und dem Risiko für koronare Herzkrankheit, sowie die Folgen der Expositionsdauer mit erhöhten LDL-Cholesterinwerten wurden anhand einer Metaanalyse von über 20 Mio. Personenjahre und über 150 000 kardiovaskulären Ereignissen (EHJ 2017;38:2459-2472) eindrücklich demonstriert. Der Referent präsentierte die neuen Zielwerte für die verschiedenen kardiovaskulären Risikokategorien (Tab. 1).
Die neuen Guidelines empfehlen ferner das kardiovaskuläre Imaging als Risikomodulator: Arterieller Ultraschall bei tiefem bis moderatem Risiko (Klasse IIa/B) und Koronarkalk (IIb/B). Der Referent betonte die Bedeutung der familiären Hypercholesterinämie und die Notwendigkeit einer frühen Intervention. Er nannte als wichtigste Erkenntnisse: Je tiefer der LDL-Cholesterinwert desto besser und je früher die Behandlung desto besser. Der neue Zielwert für LDL-Cholesterin bei sehr hohem Risiko ist < 1.4 mmol/l sogar für die Primärprävention. Über die echte Sekundärprävention hinaus sollen alle Personen mit entweder klinisch oder mit Imaging dokumentierter ASCVD eingeschlossen werden.

Telemedizin in der Hypertonie

Die Selbstüberwachung mit oder ohne Telemonitoring führt, wenn sie von Allgemeinmedizinern zur Titration von blutdrucksenkenden Medikamenten bei Personen mit schlecht kontrolliertem Blutdruck eingesetzt wird, zu einem signifikant niedrigeren Blutdruck als die Titration nach klinischen Messungen. Da die meisten Allgemeinmediziner und viele Patienten die Selbstkontrolle verwenden, könnte sie zum Eckpfeiler der Blutdruckbehandlung in der Primärversorgung werden (MacManus RJ et al Lancet 2018; 391:949-959) zitierte Dr. med. Christian Grebner, Luzern.

Die Ziele der EUSTAR® (Eur Soc of Hypertension Telemedicine in Arterial Hypertension Register) sind eine schnelle und sichere Datenbank, telemedizinische Standards für ausgewählte Indikationen etablieren und auswerten, neue telemedizinische Interventionen für zusätzliche Indikationen, epidemiologische Daten, digitale Schnittstelle für Interaktionen zwischen Spezialisten und Allgemeinmedizinern.
Der Referent wies auf die zukünftigen Möglichkeiten hin, so beispielsweise die Smartphone-basierte Blutdruckmessung mi transdermaler optischer Bildgebungstechnologie.
Telemedizin ist bestimmt nicht die Antwort auf alle Probleme unseres sich wandelnden Gesundheitssystems, aber als Instrument könnte die Telemedizin nach einer genauen Indikation eine bedeutende Bereicherung in Bezug auf häufige Krankheiten sein (Schulz EG et al. Swiss Medical Weekly 2015; 145:w14077), so die abschliessende Feststellung des Referenten.

Hypertonie bei Frauen: die lautlose Gefahr

Achtzig Prozent der kardiovaskulären Krankheit bei Frauen können entsprechend eines epidemiologischen europäischen Updates aus dem Jahre 2016 (Townsend N et al Eur Heart J 2016; 37:3232-3245) vermieden werden, stellte PD Dr. med. Jelena Rima Templin Ghadri, Zürich, fest.

Die Hypertonie stellt den wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktor bei Frauen dar. Sie betrifft Frauen über den ganzen Lebenszyklus hinweg. Während jüngere Männer häufiger eine Hypertonie aufweisen als jüngere Frauen ist die Prävalenz der Hypertonie im Alter bei Frauen höher als bei Männern; neuere Daten aus der Schweiz zeigen eine Angleichung der Prävalenzen im Alter. Die Referentin erwähnte den Einfluss der Östrogene auf den Blutdruck. Der Verlust der hormonellen Schutzfunktion beeinflusst Gefässwiderstand und Hämodynamik. Hypertensive Frauen entwickeln häufiger Schlaganfall und Demenz, diastolische Dysfunktion, linksventrikuläre Hypertrophie, Herzinsuffizienz, chronische Nierenkrankheit und vermehrte arterielle Steifigkeit. Das Risiko für Schlaganfall steigt bei zunehmendem Blutdruck bei Frauen mehr an als bei Männern.
Frauen sind in Studien zu kardiovaskulären Krankheiten unterrepräsentiert. Allerdings hat sich dies in den letzten Jahren gebessert. Die Teilnahme von Frauen ist aber immer noch gering im Verhältnis zu ihrer Gesamtrepräsentation in Krankheitspopulationen.
Als Antihypertensiva kommen bei der Schwangerschaftshypertonie Alphamethyldopa, Labetalol und Kalziumantagonisten in Frage. ACE-Hemmer, ARBs, direkte Reninhemmer und Diuretika gehen mit schlechten Outcomes auf den Foetus und das Neugeborene einher.
In einem namhaften Anteil der schwangerschaftsbedingten Hypertonie handelte es sich um eine Präeklampsie. Mit Aspirin lässt sich diese wirksam verhindern (1.6% unter Aspirin vs. 4.3% in der Kontrollgruppe, p < 0.004).

Viele Fragen sind noch unbeantwortet, wie die Referentin feststellte. Dazu gehören die folgenden:

  • Gibt es möglicherweise andere Blutdruckgrenzen bei Männern und Frauen, sollen Alter und Hormone berücksichtigt werden?
  • Warum sind besonders Frauen mit Hypertonie vom Schlaganfall betroffen?
  • Warum sind immer noch nicht genügend Frauen in Hypertoniestudien eingeschlossen und warum werden genderspezifische Aspekte immer noch nicht genügend analysiert?
  • Welches Antihypertensivum ist das «Beste» für die Frau?
  • Sollen Antihypertensiva bei Frauen anders dosiert werden?

Quelle: Zürcher Hypertonietag, Universitätsspital Zürich, 23. Januar 2020

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Wichtige kardiometabolische Themen für die Praxis

Bedingt durch die Covid-19 Pandemie fand das durch die Firmen Amgen und Bayer unterstützte Cardio-Metabolic Update Meeting als Videokonferenz statt. Die von Medworld organisierte Veranstaltung, die wegen der grossen Nachfrage mehrmals stattfand, war ein überaus grosser Erfolg dank hervorragender Referate, guter Themenauswahl und optimaler praktischer Durchführung.

Die beiden Referenten Frau Prof. Dr. med. Isabella Sudano und Prof. Dr. med. Jan Steffel, beide Klinik für Kardiologie, USZ, stellten zwei extrem wichtige Themen für die Praxis vor, die durch Covid-19 etwas in den Hintergrund geraten sind, aber nach wie vor der häufigsten Todesursache zu Grunde liegen und deshalb grösste Aufmerksamkeit verdienen, wie Prof. Steffel eingangs betonte.
Der Bericht über das Update erfolgt in zwei Teilen. Beim folgenden Teil handelt es sich um das Update zu den Antithrombotika.

Update Antithrombotika, neue Evidenz, neue Guidelines und Therapie bei der chronischen KHK

Das Schema der Gerinnung mit der Plättchen-getriebenen Hämostase und der plasmatischen Gerinnung hat in den letzten Jahrzehnten nicht sehr viel geändert, wie Prof. Dr. med. Jan Steffel feststellte. Man hat früher die Gerinnung stets mit diesen zwei verschiedenen Kaskaden dargestellt, die hintereinander ablaufen und miteinander nichts zu tun haben. Dies stimmt in der Form nicht, denn diese beiden Kaskaden sind an den verschiedensten Stellen miteinander verbunden, unter anderem im Bereich des Thrombins, aus den Plättchen, dem sog. Thrombinburst, mit dem überhaupt die ganze Kaskade erst an Fahrt gewinnt und um den Faktor tausend amplifiziert wird. Dies ist entscheidend, denn, wenn man die eine Kaskade hemmt, hat man immer zwangsläufig einen Effekt auf die gesamte Gerinnung.
Das Ganze wird naturgemäss nochmals eine Spur komplexer, wenn man sich überlegt, wo man überall interagieren kann.
Traditionell spielte die thrombozytäre Gerinnung vor allem eine Rolle im High Shear Stress Bereich, also bei der KHK, beim Infarkt. Dort müssen wir die Plättchenhemmer einsetzen. Während die plasmatische Gerinnung traditionell mit den Vitamin K Antagonisten (VKA) und jetzt seit 10 Jahren mit den DOAC (direkte orale Antikoagulantien) eher im Low Shear Stress Bereich, im venösen System, im linken Vorhof eine Rolle spielt. So ganz stimmt dies eben nicht, wie der Referent feststellte. Die beiden Systeme hängen miteinander zusammen. Das Problem ist, dass viele dieser Substanzen nicht übergreifend untersucht worden sind. Grundsätzlich müssen wir, wenn wir über die DOAC reden, zwischen 2 verschiedenen Situationen bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom (früher stabile KHK) unterscheiden:

  • Patienten mit Vorhofflimmern (VHF)
  • Patienten ohne Vorhofflimmern

Abhängig davon sind die Möglichkeiten, die wir haben, fundamental verschieden.

Patienten mit chronischem Koronarsyndrom mit Vorhofflimmern

Patienten mit KHK plus VHF wurden traditionell vor allem nach einer Intervention oder einem Ereignis mit Triple Antikoagulation behandelt. Seit der Woest Studie wissen wir, dass die Triple Antikoagulation z.T. mehr Schaden als Nutzen anrichtet, insbesondere wenn die Patienten während eines Jahres mit Tripletherapie antikoaguliert werden. Die Zeit ist schon lange vorbei, wo die Patienten mit einem VKA, Aspirin und Clopidogrel während eines Jahres behandelt wurden. Was man aber lange Zeit nicht wusste ist, wie es sich mit den DOAC verhält, da diese eine andere Pharmakokinetik- und Pharmakodynamik haben. Heute verfügen wir über 4 grosse klinische Studien, mit den einzelnen DOAC bei AF-PCI, nämlich die PIONEER AF-PCI mit Rivaroxaban, die RE-DUAL AF-PCI mit Dabigatran, die ENTRUST AF-PCI mit Edoxaban und die AUGUSTUS AF-PCI mit Apixaban. Ohne auf die einzelnen Unterschiede einzutreten, hat sich daraus eine Standardtherapie entwickelt, wie lange man die Patienten mit Tripletherapie, dualer Therapie und dann mit DOAC Monotherapie behandeln soll. Dies haben wir im Eur. Heart Rhythm Association Guide von 2018 zusammengefasst, so der Referent. Er präsentierte dabei eine modifizierte Variante, da die beiden letzten Studien damals noch nicht publiziert waren. Wenn man alle Studien zusammennimmt gibt man heute nach einer elektiven PCI nur während weniger Tage eine Tripletherapie und danach lässt man einen der Plättchenhemmer weg, in der Regel das Aspirin. Danach schwenkt man auf eine duale Therapie um. Duale Therapie bedeutet nicht duale Plättchenhemmertherapie, sondern DOAC plus in aller Regel Clopidogrel. Beim ACS ist es so, dass gewöhnlich eine Tripletherapie nur während eines Monats empfohlen wird, dies weil durch eine Verlängerung der Tripletherapie die Wirksamkeit in Bezug auf ischämische Endpunkte nicht erhöht wird, aber das Risiko für Blutungen zunimmt. Diese Standardempfehlungen können aber durchaus Variationen je nach Situation des Patienten erfahren. Für die optimale Dauer gibt es noch keine belastbaren Daten. Zur Dauer der Tripletherapie haben wir jedoch Daten: wenn sie zu lange gegeben wird, erhöht man das Blutungsrisiko, wenn sie zu kurz gegeben wird, erhöht man das Risiko eines Reinfarkts oder sogar einer Stentthrombose.
Ein Aspekt, der über die Jahre etwas ausgeblendet war, ist das chronische Koronarsyndrom bei Patienten mit VHF. Dort hat man immer gesagt, dass ein VKA allein ohne Aspirin reicht, wenn der Patient aus der Akutphase heraus ist. Dies wurde auch auf die DOAC ausgedehnt, ohne die entsprechenden Daten zu haben. Im letzten Jahr wurde nun die AFIRE Studie publiziert, die sich explizit dieser Problematik angenommen hat. In der AFIRE Studie wurden Patienten mit chronischem Koronarsyndrom mit Rivaroxaban allein vs. Rivaroxaban plus Aspirin untersucht. Dabei ging die Monotherapie mit Rivaroxaban allein mit deutlich weniger Blutungen einher, was nicht erstaunt; was hingegen überraschend war ist, dass der primäre Effizienzendpunkt numerisch mit der Monotherapie gegenüber der Kombination sogar seltener auftrat. Dies ist wahrscheinlich darin begründet, dass bei Blutungen die Antikoagulation während einer gewissen Zeit gestoppt wurde und daher die Zahl der ischämischen Ereignisse zunahm. Das ASS kann also beim chronischen Koronarsnydrom mit VHF weggelassen werden.

Patienten mit chronischem Koronarsyndrom ohne Vorhofflimmern

Die Patienten sind nur relativ stabil. Je nach Vorgeschichte weisen sie eine wesentliche Einschränkung der Lebensdauer auf, wie der Referent zeigte. Deshalb sollten alle Risikofaktoren behandelt werden. Bei Patienten mit chronischem Koronarsyndrom und VHF können alle DOAC eingesetzt werden. Bei solchen ohne Vorhofflimmern gibt es nur eine Option, das Rivaroxaban, weil dieses als einziges in dieser Indikation untersucht worden ist. Rivaroxaban wird hier in einer Dosis, die sonst nicht üblich ist, gegeben, nämlich 2 x 2.5 mg. Dies ist extrem wichtig, weil seit der Zulassung letztes Jahr schon einige falsche Verordnungen vorgekommen sind. Rivaroxaban läuft in dieser Indikation unter Xarelto vascular, damit es nicht verwechselt wird.

COMPASS-Studie

Das Ganze basiert auf der COMPASS Studie an der insgesamt 27.395 Patienten mit klinisch stabiler KHK oder PAVK beteiligt waren. Durch die Behandlung mit Rivaroxaban (2.5 mg 2 x täglich) plus ASS (100mg täglich) wurde die Inzidenzrate für den primären kombinierten Effizienzendpunkt (kardiovaskulär verursachter Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall) im Vergleich zur alleinigen ASS-Therapie relativ um 24% reduziert. Die Studie wurde wegen des grossen Nutzens der Kombinationstherapie vom unabhängigen Data Safety Management Board vorzeitig beendet. Diese Risikoreduktion ist vor allem durch die Reduktion der Schlaganfälle bedingt aber auch durch die Reduktion des kardiovaskulären Todes. Demgegenüber steht aber auch eine Zunahme der Blutungshäufigkeit um 70%. Dazu ist zu bemerken, dass es nicht signifikant mehr schwere Blutungen und nicht mehr intrakranielle oder tödliche Blutungen zwischen den beiden Gruppen gab. Insgesamt war die Gesamtmortalitätsrate geringer in der Rivaroxaban plus ASS-Gruppe. Weil aber die Studie vorzeitig abgebrochen wurde und daher andere statistische Voraussetzungen gelten, war dieses Ergebnis statistisch nicht signifikant.
Man kann sich nun fragen, ob die Zunahme der Blutungen die Reduktion der ischämischen Ereignisse aufwiegen und damit der Netto klinische Effekt nicht positiv ist. Der Referent hat mit Kollegen das Konzept des präspezifizierten Netto klinischen Effekts in einer kürzlichen Publikation genauer untersucht (Steffel J et al. Circulation.2020). Im Vergleich zur ASS-Monotherapie führte die Kombination von Rivaroxaban 2,5 mg zweimal täglich + ASS zu weniger Netto klinischen-Ereignissen (HR 0.8 =, p < 0.001, vor allem durch die Verhinderung unerwünschter Wirksamkeitsereignisse, insbesondere Schlaganfall und kardiovaskuläre Mortalität, während schwere Blutungen viel seltener und mit geringerer klinischer Wirkung auftraten. Die Reduktion der Netto klinischen Ereignisse war besonders günstig in den Hochrisiko-Untergruppen und in solchen mit multiplen Risikomerkmalen. Wichtig ist, dass der Netto klinische Effekt über die Zeit zunimmt, während die Blutungsrate gleich bleibt. Dies war bei jeder Hochrisikopopulation der Fall. Der relative Benefit bleibt gleich, aber der absolute Benefit nimmt zu.
Das Ganze hat sich auch in den ESC-Empfehlungen niedergeschlagen, wo die Zugabe einer zweiten antithrombotischen Substanz zu Aspirin für die Langzeitsekundärprävention bei Patienten mit hohem Risiko für ischämische Ereignisse und ohne hohes Blutungsrisiko eine IIa/A Empfehlung ist, die Zugabe einer zweiten antithrombotischen Substanz zu Aspirin in der Langzeitprävention bei Patienten mit moderat erhöhtem Risiko für ischämische Ereignisse und ohne hohes Blutungsrisiko eine IIb/A Empfehlung.
Die Zulassung für Xarelto vascular in der Schweiz entspricht den Studiendaten. Über 65-Jährige mit KHK können nach Ausschluss von Kontraindikationen direkt behandelt werden. Unter 65-Jährige müssen mindestens 2 Risikofaktoren aufweisen (Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz, Diabetes mellitus, rechtslakunärer ischämischer Schlaganfall vor ≥ 1 Monat, Rauchen). Der Referent wies zudem auf den Schweizer Expertenbericht zur praktischen Anwendung von Rivaroxaban 2.5 mg plus ASS zur Behandlung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit und/oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit hin.

VOYAGER Studie bei PAD

Die COMPASS Kombination zeigte auch bei Patienten mit einer PAD der unteren Extremitäten, die sich einer Revaskularisierung unterzogen, in der VOYAGER Studie, günstige Ergebnisse. Rivaroxaban/Aspirin war im Vergleich zu Placebo/Aspirin nach 3 Jahren mit einer 2,6%igen absoluten Risikoreduktion für kardiovaskuläre Todesfälle, akute Ischämie der Extremitäten, grössere Amputationen, Myokardinfarkte oder Schlaganfälle assoziiert. Rivaroxaban/Aspirin war mit einer ähnlichen Häufigkeit von grösseren TIMI-Blutungen assoziiert; allerdings gab es im Vergleich zu Placebo/Aspirin eine erhöhte Inzidenz von grösseren ISTH-Blutungen. Die intrakraniellen Blutungen waren zwischen den Behandlungsgruppen ähnlich.

Fazit

  • DOACs sind Standardtherapien zur Schlaganfallprävention bei VHF
  • Individualisierung! Es gibt kein «one size fits all» DOAC.
    -> Komplexes Gebiet aber «wert zu investieren» …
  • Patienten mit KHK und VHF:
    • Hochrisiko für Blutungen
    • Hochrisiko für Schlaganfall/Myokardinfarkt/Tod
    • Triple Therapie: Je kürzer desto besser
    • Optimale Daue? Unklar > Individuell unterschiedlich …
    • 1 Jahr nach Ereignis: DOAC Monotherapie
  • Patienten mit KHK ohne VHF:
    • Chronische KHK! Nicht «stabil» …
    • Rivaroxaban 2x 2.5mg + ASS gute Option (Schlaganfall, Tod
    • Je höher das Risiko desto höher der Benefit
  • Gemeinsame Entscheidungsfindung-Patientenbeteiligung /
    Empowerment
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Die VERTIS-CV-Studie

Die kardiovaskuläre Wirksamkeit und die Sicherheit des SGLT2-Hemmers Ertugliflozin (Steglujan®), der als fixe Kombination mit dem DPP4-Hemmer Sitagliptin verfügbar ist, wurden in der VERTIS-CV-Studie (eValuation of ERTugliflozin effIcacy and Safety CardioVascular outcomes) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) und atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen untersucht. Ertugliflozin hat die Erwartungen in dieser grossen Studie nur zum Teil erfüllt: Zwar konnte seine kardiovaskuläre Sicherheit belegt werden. Das Ziel, auch eine Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse unter Beweis zu stellen, wurde aber – mit Ausnahme der Senkung des Risikos für Herzinsuffizienz – verfehlt.

Studiendesign

In die prospektive, multizentrische, randomisierte, Endpunkt-gesteuerte Placebo-kontrollierte Studie wurden 8238 Patienten im Alter von mindestens 40 Jahren mit T2DM seit mehr als 13 Jahren und gesicherter stabiler atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung aufgenommen. Die Teilnehmer waren überwiegend adipöse und weisse Männer im Vergleich zu anderen Ergebnisstudien. Das HbA1c war mässig eingestellt (HbA1c-Wert 7,0 bis 10,5%, im Mittel 8,2%). Die HF-Population war mit 23,7% der Population doppelt so gross wie in anderen Studien.
Die Patienten erhielten randomisiert Ertugliflozin 5 mg/Tag, Ertugliflozin 15 mg/Tag oder Placebo zusätzlich zu ihrer bisherigen Standardtherapie über eine Dauer bis zu 6,1 Jahren.
Primärer Endpunkt (Nicht-Inferiorität) war das kombinierte Outcome von MACE (Koronartod, nicht tödlicher Myokardinfarkt und nicht tödlicher Schlaganfall).
Sekundäre Endpunkte (Überlegenheit) waren das kombinierte Outcome von kardiovaskulärem Tod/Herzinsuffizienz, kardiovaskulärem Tod und das renale Komposit (renaler Tod, Dialyse/Transplantation und Verdoppelung des Serumkreatinins).
Andere präspezifizierte Endpunkte waren die individuellen Komponenten von MACE, Komposit von MACE-plus (MACE plus Hospitalisierung wegen instabiler Angina), tödlicher oder nicht tödlicher Myokardinfarkt, tödlicher oder nicht tödlicher Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Gesamtmortalität.

Resultate

Der primäre Endpunkt (Non-Inferiorität) wurde erreicht, d.h. dass das Medikament in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse sicher ist. Das primäre Outcome betrug 11,9% in der Ertugliflozin-Gruppe versus 11,9% in der Placebogruppe, die HR war 0,97 (95% KI 0,85-1,11); p < 0.001 für Non-Inferiorität (Abb. 1).
Die HR für kardiovaskulären Tod betrug: 1,8% vs. 1,9% (p = 0.39), für Myokardinfarkt 1,7% vs. 1,6% (p = 0.66) und für Schlaganfall 0,8% vs. 0,8% (p = 0.99). Das kombinierte renale Outcome (Nierentod, Dialyse/Transplantation, Verdoppelung des Serumkreatinins) betrug 3,2% vs. 3,9% (p = 0,08), die Verdoppelung des Serumkreatinins 3,1% vs. 3,8%.
Es gab einen nicht signifikanten Unterschied zwischen den beiden Ertugliflozin-Dosierungen 5 mg und 15 mg, inklusive nicht signifikanter Unterschiede in den Sicherheitsoutcomes.
Die am ADA veröffentlichten Details zeigen, dass es bei der Erzielung einer Überlegenheit nicht gelungen ist, die kardiovaskulären Todesfälle im Vergleich zu Placebo zu reduzieren; so betrug die HR für das Komposit aus kardiovaskulärem Tod und Herzinsuffizienz 0,88 (95,8% KI, 0,75-1,03; P = 0,11 für Überlegenheit). Die HR für kardiovaskuläre Ereignisse allein betrug 0,92 (95,8% KI, 0,77-1,11).
Herzinsuffizienz war ein präspezifizierter Endpunkt, obschon kein sekundärer Schlüsselendpunkt. Die HR für Herzinsuffizienz war 0,70 (95% KI, 0,54-0,90).
Die HR für das kombinierte renale Outcome (Komposit von renalem Tod, Dialyse/Transplantation oder Verdoppelung des Serumkreatinins) betrug 0,81 (95% KI, 0,63-1,04), was einen positiven Trend andeutet, die Überlegenheit wurde aber verpasst.

Sicherheit

Die unerwünschten Ereignisse waren sowohl in der Ertugliflozin 5 mg Gruppe als auch in der 15mg Gruppe ähnlich wie in der Placebogruppe. Ausgewählte unerwünschte Ereignisse waren Infektionen der Harnwege (12,2 in der 5mg Gruppe, 12,0 in der 15mg Gruppe vs. 10,2 in der Placebogruppe, genitale mykotische Infektionen (Mann) wurden in 4,4% bzw. 5,1% vs. 1,2% registriert, genitale mykotische Infektionen (Frau) 6,0% bzw. 7,8% vs. 2,4%. Symptomatische Hypoglykämien waren in den Behandlungsgruppen eher seltener als in der Placebogruppe (28,0%, bzw. 26,5% vs. 28,8%. Diabetische Ketoazidose wurde bei 0,3%, bzw. 0,4% vs. 0,1% beobachtet, Amputationen mussten in 2,0%, bzw. 2,1% vs. 1,6% erfolgen.

Fazit

  • Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Ertugliflozin dem Placebo zur Reduktion von CV-Ereignissen bei Patienten mit T2DM und etablierter CVD nicht unterlegen ist.
  • Ertugliflozin senkt das Risiko für Herzinsuffizienz.
  • Tendenziell wurde eine positive Wirkung auf die Nierenfunktion festgestellt.
  • Ertugliflozin erwies sich als sicher, es zeigte zudem keine Sicherheitssignale in Bezug auf Amputationen.

Quelle: «Results of the eValuation of ERTugliflozin EffIcacy and Safety CardioVascular outcomes Trial (VERTIS-CV)» vorgestellt am 16. Juni 2020 in der Sitzung im Rahmen des virtuellen Kongresses der American Diabetes Association (ADA) 2020 durch Christopher P. Cannon, Boston.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Evaluation gériatrique avant une intervention cardiaque

Les nouvelles techniques opératoires et percutanées permettent la prise en charge de patients avec pathologies cardiaques de plus en plus âgés, donc plus fragiles et à risque de complications. Nous présentons ici quelques dimensions à évaluer au moyen d’  outils simples et rapides à appliquer qui permettront aux généralistes, cardiologues et chirurgiens cardiaques d’  identifier les patients à risque, ainsi que des propositions d’  optimisation pré-interventionnelles.

Les nouvelles techniques (chirurgie minimalement invasive, interventions percutanées comme le TAVR = Transcatheter Aortic Valve Replacement) permettent de traiter des pathologies cardiaques chez des patients âgés qui, il y a quelques années, auraient été récusés en raison des risques opératoires. Certains patients âgés ont une réserve physiologique diminuée face à un problème de santé aigu, c’   est ce que l’  on appelle la fragilité (1, 2). Selon les modèles utilisés, jusqu’  à 17  % de la population de plus de 65 ans présente une fragilité (3). La fragilité influence négativement la trajectoire des patients souffrant de maladies cardio-vasculaires (4), d’  insuffisance cardiaque (5, 6), de syndrome coronarien aigu (7). C’  est aussi le cas chez les patients nécessitant une intervention cardiaque chirurgicale (8, 9) ou percutanée (sur les coronaires (10) ou la valve aortique (8, 11-13)).
L’  évaluation du risque opératoire lors d’  intervention cardiaque se fait à l’  aide de scores spécialisés: le STS (Society of Thoracic Surgeons) score (14) et l’  Euroscore II (15). Ces scores renseignent sur la probabilité de mortalité et le risque de complications, sans tenir compte des problèmes gériatriques. L’  évaluation gériatrique préopératoire est bien décrite (16-18) et permet d’  identifier les patients fragiles à risques de complications et de mettre en œuvre des mesures préventives. Une évaluation gériatrique complète prend du temps et n’  est pas toujours réalisable, tant au cabinet du généraliste que chez le cardiologue ou le chirurgien.
Nous proposons ici quelques outils simples et rapides pour identifier les patients à risques lors d’  intervention cardiaque et quelques propositions de prise en charge préopératoire qui en découlent (fig. 1).

Evaluation gériatrique et propositions de prise en charge : Les « 6 M  »

Mémoire  : Le dépistage des troubles mnésiques avant une intervention est important pour l’  appréciation de la capacité de discernement du patient concernant la procédure proposée et la préparation de ses directives anticipées. Les patients souffrant de troubles cognitifs ont, par rapport à des patients sans problèmes mnésiques, un risque accru de complications postopératoires (41 % vs 24  %; p  =  0.011), d’  état confusionnel (78  % vs 37  %; p < 0.001), d’  institutionnalisation (42  % vs 18  %; p = 0.001) et de décès à 6 mois (13  % vs 5  %; p  =  0.040), ceci pour des interventions cardiaques, digestives, vasculaires ou thoraciques (19). Les troubles cognitifs peuvent être dépistés par le Mini-Cog (http://mini-cog.com/wp-content/uploads/2019/12/Standardized-Mini-Cog-1-19-16-FR_v1-hi-3.pdf)(20). S’  il est anormal (<  3), un bilan plus poussé devrait être effectué (gériatre, centre de la mémoire). Les troubles neurocognitifs majeurs ne sont pas réversibles ni modifiables par une prise en charge préopératoire, mais leur identification rend indispensable le dépistage de l’  état confusionnel avec la CAM (Confusion Assessment Method (21)) et la mise en place de mesures de prévention (22,  23). La présence de troubles cognitifs, dès le stade modéré, doit entrer dans la réflexion sur l’  indication à une procédure élective, qui n’  apporterait alors que peu ou pas de bénéfice sur le devenir cognitif et fonctionnel du patient.

Moral  : Une dépression préopératoire augmente le risque d’  état confusionnel après un pontage aorto-coronarien d’  un facteur 10 (Adj OR 9.92; 95 % CI : 1.26-77.88)(24), et double le risque de décès (Adj HR 2.37; 95  % CI : 1.40-4.00; p  = 0.001) (25). Le risque de mortalité après un changement de valve aortique (chirurgical et TAVR) est également augmenté en cas de dépression, tant à 1 mois (OR 2.20; 95   %CI : 1.18-4.20) qu’  à 12 mois (OR 1.53; 95   % CI : 1.03-2.24) (26). Un outil de dépistage simple et rapide pour évaluer la présence d’  une dépression est le miniGDS à 4 items (27) qui est positif si score ≥   1 (tab.  1). En cas de suspicion de dépression ou d’  anxiété quant à l’  intervention, une préparation psychologique pourrait être bénéfique (28), même si les modalités d’  une telle intervention et les données de la littérature sont encore lacunaires (29).

Manger  : Avant une chirurgie cardiaque, 20  % des patients présentent une malnutrition (30). Après une chirurgie cardiaque, les patients malnutris ont plus de complications (OR 2.9; 95   % CI  :1.7-4.8; p  <  0.001) et une mortalité augmentée (OR 3.8; 95 % CI  :1.5-9.4; p  =  0.004)(31). Pour le TAVR, la mortalité est également élevée pour les patients à risque nutritionnel modéré (OR 1.94; 95  % CI  :1.33-2.84; p  <  0.001) ou élevé (OR 4.16; 95  % CI : 2.61-6.63; p  <  0.001)(32). Un outil de dépistage simple est le Mini Nutritional Assessment Short-Form (33) (https://www.mna-elderly.com/forms/mna_guide_french.pdf ) facile à remplir et à interpréter (pathologique si score <  12). Cet outil a été utilisé par nos collègues bernois chez des patients avec TAVR et est corrélé avec un risque de mortalité plus élevé à 30 jour (OR 1.30; 95  % CI : 1.03-1.66; p  =  0.03) et à un an (OR 1.27; 95   % CI :1.06-1.52; p = 0.01) (13), ainsi qu’  à une augmentation du risque de déclin fonctionnel (OR 3.32; 95 % CI  : 1.24-8.87; p  =  0.02) (12). Il n’  y a pas pour l’  instant de données probantes dans la littérature quant à une intervention nutritionnelle pré-intervention cardiaque (34). Il est donc pragmatiquement proposé (34, 35) de se référer aux programmes existants, comme l’  ERAS (Enhanced Recovery After Surgery) de la chirurgie digestive qui prévoit une évaluation et une optimisation nutritionnelle préopératoire (30) (p.ex. avec des suppléments oraux) et une limitation des périodes de jeûne pré- et post-opératoire.

Médicaments  : En Suisse, près de 40 % des personnes de 71 à 75 ans et 50  % à partir de 81 ans consomment ≥  5 médicaments/j (36). Le risque d’  interactions médicamenteuses, d’  effets secondaires et de prescriptions médicamenteuses potentiellement inappropriées est donc important chez les seniors. En Suisse, parmi les 15 prescriptions médicamenteuses potentiellement inappropriées les plus fréquentes, on retrouve 4 traitements cardiaques (36). La planification d’  une intervention cardiaque peut donc être l’  occasion de faire le tri des médicaments avec deux outils d’  évaluation des prescriptions : les critères de Beers (37) et le STOPP/START (38).

Maison : L’  indépendance à domicile s’  évalue avec les activités de la vie quotidienne (AVQ) de base et instrumentales (39,  40) qui reflètent respectivement les tâches simples permettant d’  être indépendant chez soi (toilette, habillage, transferts, aller aux WC, continence et manger) et celles plus complexes assurant une indépendance dans un environnement plus large (factures, médicaments, transports, lessive, ménage, repas, commissions, téléphone) au quotidien. Une perte nouvelle dans certaines AVQ instrumentales (finances, transport, commission ou téléphone) peut être un signe précurseur de démence. Un déclin dans les AVQ de base survient dans les derniers 12-24 mois de vie chez les patients avec des maladies chroniques (41) et/ou une fragilité (41,  42). Il importe de tenir compte de ces éléments fonctionnels et pronostics par rapport à une décision thérapeutique, ainsi que pour anticiper les besoins en soutien à domicile après l’  intervention.

Mobilité : Un bon prédicteur de mortalité après intervention cardiaque est la mesure de la vitesse de marche sur 5 mètres (cut-off à
6 secondes, i.e. 0.83  m/secondes) (43). Selon une étude de cohorte prospective (8287 patients), la mortalité à un an après chirurgie cardiaque augmente de plus de 2 fois par perte de 0.1  m/sec. de la vitesse de marche (HR de 2.16 par 0.1 m/sec; 95 % CI  :1.59-2.93) (44). Un autre test encore plus simple consiste à demander au patient s’  il a chuté. Une étude a montré que les patients ayant chuté 1 fois dans les 6 derniers mois avaient, après une chirurgie cardiaque par rapport à des non chuteurs, un risque augmenté de complications (39   % vs 15 %; p = 0.002), de réadmission à 30 jours (23 % vs 8   %; p  =  0.002) et d’  institutionnalisation (62 % vs 32  %; p  =  0.001), ceci indépendamment de l’  âge (45). Une réadaptation préopératoire à une intervention cardiaque pourrait donc être proposée aux patients chuteurs ou dont la vitesse de marche est diminuée. Pour l’  instant, l’  impact d’  un renforcement musculaire avant une chirurgie cardiaque a surtout été démontré sur les complications respiratoires et les durées de séjour (46).

Conclusion

L’   indication à une intervention chez les patients âgés doit prendre en compte l’  impact attendu sur la survie, la qualité de vie, mais aussi sur l’  état fonctionnel et cognitif du patient.
On notera ici avec intérêt le programme « NEW  » (Nutritional status, Exercise capacity, Worry reduction) qui offre, comme dans les programmes ERAS, une prise en charge multimodale avec de la physiothérapie et un soutien nutritionnel et psychologique (28). Ces nouvelles prises en charges multidimensionnelles et multimodales semblent très prometteuses mais nécessitent encore d’  être validées lors d’  études interventionnelles.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr Marc Humbert

Service de Gériatrie et réadaptation gériatrique,
Centre hospitalier universitaire vaudois
Ch. de Mont Paisible 16
1011 Lausanne

marc.humbert@chuv.ch

Pr Christophe Büla

Service de Gériatrie et réadaptation gériatrique,
Centre hospitalier universitaire vaudois
Ch. de Mont Paisible 16
1011 Lausanne

Les auteurs n’  ont pas de conflit d’  intérêts à déclarer.

  • Certains éléments de l’  évaluation gériatrique de base peuvent être rapidement et simplement effectués de routine au cabinet et permettre de dépister les patients à risques de complications et qui nécessiteraient un appui gériatrique péri-opératoire.
  • La prise en charge avant une intervention élective du patient âgé, par une amélioration de l’  état nutritionnel et musculaire, devrait permettre une meilleure tolérance des patients au stress opératoire.

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