Entzündliche Schilddrüsenerkrankungen

Störungen der Schilddrüsenfunktion gehören zu den häufigen Problemen in der Hausarztpraxis. Es handelt sich dabei um eine breite Differentialdiagnose, bei der die Autoimmunität der Schilddrüse im Mittelpunkt steht. Neue Immuntherapien in der Onkologie haben das Bewusstsein über die Rolle des Immunsystems bei Schilddrüsenerkrankungen geschärft. Eine zeitgemässe und übersichtliche Einteilung der entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen bietet daher die Unterscheidung zwischen nicht Medikamenten-assoziierten und Medikamenten-assoziierten Entzündungen.

Die Prävalenz von laborchemisch manifesten Schilddrüsenerkrankungen in der Bevölkerung liegt bei 1% (1). Schilddrüsenstörungen gehören also nach dem Diabetes mellitus zu den häufigsten endokrinologischen Störungen in der Hausarztpraxis. Für die initiale Diagnostik liegt mit dem TSH-Wert ein sehr sensitiver und spezifischer Laborwert vor (2), der bei Abweichungen von der Norm um Messungen der freien, also nicht proteingebundenen, Schilddrüsenhormone ergänzt werden kann. Da das fT3 überwiegend aus der Peripherie durch Konversion aus T4 entsteht, kommt bei der Beurteilung einer primären Hypothyreose nur dem fT4 Bedeutung zu. Bei der Abklärung einer Hyperthyreose sollten aber immer beide Parameter, fT3 und fT4, zum Einsatz kommen. Die Verfügbarkeit des TSH-Tests als aussagekräftiger initialer Test ist von enormer Bedeutung, da Schilddrüsenhormon zwar für jedes Organ und Körperzelle wichtig ist, die meisten Beschwerden aber unspezifisch sind. Leitsymptom der Hypothyreose ist Müdigkeit (3), für die Hyperthyreose ist es das Schwitzen (4). Die Schilddrüse ist wie kaum ein anderes Organ Ziel des eigenen Immunsystems. Die Ursachen hierfür sind noch nicht verstanden, aber gerade neue Therapien in der Onkologie, die das Ziel haben, das eigene Immunsystem über eine Aktivierung der T-Zellen zu stimulieren, sind ein eindrucksvoller Beweis hierfür. Am Anfang der meisten Immunstörungen der Schilddrüse steht die Präsentation von Autoantigenen der Schilddrüse an T-Zellen (Abb.1).

Die Präsentation erfolgt über HLA-Moleküle und kann wahrscheinlich nicht nur über antigen-präsentierende Zellen (APC) erfolgen, sondern auch über die Epithelzellen der Schilddrüse (Thyreozyten) selbst (5). Frühe Hinweise für diesen ersten Schritt der Immunantwort, der gegen die Schilddrüse gerichtet ist, waren die Kenntnisse über die genetische Prädisposition für Autoimmunerkrankungen wie den Morbus Basedow durch Polymorphismen im HLA-Molekül oder dem TSH-Rezeptor (6). Immer häufiger werden aber auch als Nebenwirkung einer Immuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren Störungen der Schilddrüsenfunktion beobachtet. Diese Therapien stimulieren T-Zellen über die Inhibierung von Molekülen an der T Zelle, PD-1 oder CTLA-4 (6). Diese Aktivierung wirkt vermutlich als Beschleunigung der in der Bevölkerung weit verbreiteten Autoimmunität gegen die Schilddrüse und ist eindrucksvoller Beweis für die autoimmun-basierte Ursache der Schilddrüsenstörungen. 5-10% der Patienten mit einem CTLA-4 Inhibitor (z.B. Ipilimumab) entwickeln eine Schilddrüsenstörung und 10-20% der Patienten mit einem PD-1-Inhibitor (z.B. Nivolumab, Pembrolizumab) (7). Bei Kombinationstherapien liegt die Inzidenz sogar über 20% (7). Diese Daten werden dadurch unterstützt, dass auch Polymorphismen im CTLA-4, dem Ziel einiger Checkpoint-Inhibitoren, für eine Schilddrüsenstörung prädisponieren (6). Interesssanterweise liegt den meisten entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen ein gemeinsamer erster Schritt bei der Aktivierung des Immunsystems zu Grunde. Im zweiten Schritt, nach der Aktivierung der T Zellen, kommt es dann aber zu einer Verzweigung, deren Ursache noch nicht verstanden ist (Abb. 1). Eine Aktivierung von B-Zellen führt zur Produktion von Antikörpern gegen den TSH-Rezeptor und somit zum Morbus Basedow, eine chronische Infiltration der Schilddrüse führt zur Hashimoto Thyreoiditis, während eine akute Lymphozyteninfiltration zu einer Zerstörung von Thyreozyten und Freisetzung von Schilddrüsenhormon führt. Diese sogenannte destruktive Thyreoiditis führt initial zu einer transienten Hyperthyreose, die oft klinisch mild ist und als Zufallsbefund im Routinelabor imponieren kann. Wir haben heute also ein Model welches auf Autoimmunität der Schilddrüse basiert und die meisten entzündlichen Erkrankungen der Schilddrüse vereinen kann. Dieses Model wird durch die beobachteten Effekte der Checkpoint-Inhibitoren an der Schilddrüse eindrucksvoll untermauert.

Einteilung

In früheren Zeiten konnte die persistierende Hypothyreose bereits differentialdiagnostisch eingegrenzt werden durch die Frage, ob der Patient an der Schilddrüse operiert wurde oder nicht. War die Antwort nein, dann verblieb, etwas vereinfacht gesagt, nur noch die chronische Autoimmunthyreoiditis als Differentialdiagnose. Die zunehmende Kenntnis von Wirkungen von Medikamenten bringt eine neue wichtige Dimension in die Anamnese bei Patienten in der Schilddrüsensprechstunde und soll hier zur Unterteilung in medikamenten- und nicht medikamenten-assoziierte entzündliche Schilddrüsenerkrankungen führen (Tab. 1).

Chronische Autoimmunthyreoiditis

Die häufigste Ursache der Hypothyreose ist mit Abstand (> 90%) die chronische Autoimmunthyreoiditis, auch Hashimoto Thyreoiditis genannt. In klaren Fällen, also zum Beispiel bei einer persistierenden manifesten Hypothyreose, handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose, die klinisch und anamnestisch einfach zu stellen ist. Neben der Frage nach Schilddrüseninterventionen in der Vergangenheit (Operation, Radioiodtherapie) und einer Schilddrüsenpalpation ist eine Medikamentenanamnese wichtig sowie die klinische Suche nach Zeichen anderer glandulärer Autoimmunerkrankungen (Polyurie/Polydipsie (Diabetes mellitus), abdominale Probleme (Zöliakie)) oder damit assoziierten autoimmunologischen Prozessen (Vitiligo, Alopezia areata).

Akute Thyroiditis

Bei subklinischer Hypothyreose, also erhöhtem TSH-Wert bei normalem fT4, wird allgemein empfohlen den TSH-Test, ggf. zusammen mit fT4, nach 3 Monaten zu wiederholen (8). Dieser Verlauf ist wichtig, um die Hashimoto Thyreoiditis von den akuten Thyreoiditiden abzugrenzen, die sich meist spontan wieder normalisieren. Bei dieser kommt es wie bereits erwähnt initial zu einer schmerzlosen Zerstörung von Thyreozyten weshalb auch der Name stumme Thyreoiditis resultiert. Erscheint sie innerhalb von 12 Monaten nach der Entbindung spricht man auch von einer postpartum Thyreoiditis. In der hyperthyreoten Phase wirken Thyreostatika nicht, so dass hier bei klinisch relevanter Hyperthyreose vornehmlich Beta-Blocker zum Einsatz kommen. Hierbei handelt es sich um eine rein symptomatische Therapie, die weniger von der Ausprägung der Hyperthyreose im Labor abhängt als von Symptomen wie Herzrasen und innerer Unruhe. Wichtig sind regelmässige Verlaufskontrollen über 6 Monate. Die meisten Patienten werden nach initialer Hyperthyreose eine leichte hypothyreote Phase durchlaufen (Erholungsphase) und dann wieder euthyreot (triphasischer Verlauf).

Subakute Thyreoiditis

Differentialdiagnostisch keine Probleme bietet in der Regel die subakute Thyreoiditis (De Quervain), die immer mit Halsschmerzen und laborchemischen Entzündungszeichen einhergeht. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist meist grösser als 50 mm/Stunde (9) und auch das C-reaktive Protein kann erhöht sein (10). Auch die subakute Thyreoiditis folgt dem triphasischen Verlauf mit sehr guter Prognose für eine spontane Wiedererlangung der normalen Schilddrüsenfunktion.

Morbus Basedow

Beim Morbus Basedow kommt es zur Bildung von Antikörpern gegen den TSH-Rezeptor (TRAK), die diesen für die Schilddrüse extrem wichtigen Rezeptor stimulieren. Der TSH-Rezeptor stimuliert die Schilddrüsenhormonproduktion, die Iodaufnahme in die Thyreozyten und kann dazu noch als Wachstumsreiz wirken. Die meisten Patienten entscheiden sich für eine thyreostatische Behandlung, deren Ziel ist, dass sich die TRAK nach 12-18 Monaten zurückbilden und es zu einer Normalisierung der Schilddrüsenfunktion kommt. Patienten, die diese Therapieform wählen, sollten darüber orientiert sein, dass im allgemeinen die Remissionswahrscheinlichkeit bei ca 60% liegt (11). Eine kürzliche Beobachtungsstudie aus Schweden über 8 Jahre zeigte sogar nur eine Remissionswahrscheinlichkeit von 50.3% (12). Die Hyperthyreose beim Morbus Basedow ist somit von längerer, mehrmonatiger Dauer und unterscheidet sich somit vom spontan limitierten (transienten) Verlauf der triphasischen
Thyreoiditis. Die Zeit bis zum Abfall der TRAK wird mit Thyreostatika überbrückt, um den TSH-Wert zu normalisieren. Es ist weiterhin Gegenstand der Diskussion, ob die Thyreostatika auch eine immunmodulatorische Wirkung haben und somit die Remission des Morbus Basedow fördern.

Medikamenten-assoziierte Thyreoiditiden

Die Medikamenten-assoziierten Schilddrüsenentzündungen zeigen interessanterweise sehr unterschiedliche Verlaufsformen. Die Checkpoint Inhibitor-assoziierte Thyreoiditis wird am häufigsten mit Inhibitoren des PD-1 beobachtet. Wie erwähnt werden bis zu 20% der Patienten, die Pembrolizumab erhalten, eine Thyreoiditis zeigen (7). Sie verläuft wie eine stumme Thyreoiditis, resultiert aber meistens in eine irreversible Hypothyreose, so dass bereits nach Ablauf der hyperthyreoten Phase mit Schilddrüsenhormon begonnen wird. Die Amiodaron-assoziierte Thyreoiditis kennt zwei Verlaufsformen. Es kann zu einer Hypothyreose kommen, bei der möglicherweise der hohe Iodgehalt des Amiodaron eine Rolle spielt. Hier kann pragmatisch mit einem Schilddrüsenhormonersatz begonnen werden sobald die Unterfunktion der Schilddrüse laborchemisch relevant wird. Die Amiodarontherapie kann dabei fortgesetzt werden. Ungleich komplizierter ist die durch Amiodaron-induzierte Hyperthyreose, die immer fachärztlich beurteilt werden sollte. Oft ist auch ein interdisziplinäres Schilddrüsenboard mit den Kardiologen sinnvoll. Meist wird das Amiodaron gestoppt. Die Therapieformen reichen von der notfallmässigen Thyreoidektomie bis zum expektativen Vorgehen unter supportiver Therapie (Beta-Blocker). Meist kommt es innerhalb von 6 Monaten zu einer Normalisierung der Schilddrüsenwerte (13). Da bei unseren Patienten oft eine destruktive Thyreoiditis unter Amiodaron die Ursache für die Hyperthyreose ist, kommen Thyreostatika oft nicht zum Einsatz. Ein wichtiger Punkt in der Abklärung von Schilddrüsenentzündungen ist die Suche nach Iodkontaminationen wie zum Beispiel Kontrastmittelexposition oder die Frage nach Einnahme von Lithium. Sowohl Iod als auch Lithium können die Schilddrüsenhormonproduktion bremsen. Eine hohe Iodexposition kann umgekehrt auch zu einer hartnäckigen Hyperthyreose führen, die nur ungenügend auf Thyreostatika anspricht. Auch hier ist die Auffindung der Iodquelle von übergeordneter Bedeutung. Die Einnahme von Lithium kann neben der Entwicklung einer Hypothyreose auch zu einer Entzündung führen, die dem Ablauf einer stummen Thyreoiditis ähnelt.

Diagnostik

Es soll betont werden, dass eine sorgfältige Anamnese und klinischer Status bereits bei einer Vielzahl von Fällen die Diagnose einer Schilddrüsenentzündung erlaubt. Dies gilt vor allem für die chronische Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto). Bei der Abklärung der Hyperthyreose ist die Bedeutung der TRAK von übergeordneter Bedeutung, da die TRAK bei gesunden Menschen nur selten im Blut nachweisbar sind. Sie sind also sehr spezifisch für den Morbus Basedow. Bei unklaren Fällen, vor allem bei milden laborchemischen Veränderungen, können auch noch andere Tests zum Einsatz kommen. Antiköper gegen die Thyreoperoxidase (Anti-TPO-Ak) korrelieren in der Bevölkerung mit einer Hypothyreose (8) und können ein Puzzlestein bei der Diagnose der Hashimoto Thyreoiditis sein. Ihre Messung oder Vorhandensein ist aber nicht obligat für die Diagnose in klinisch eindeutigen Fällen. Ähnliches gilt für den Schilddrüsenultraschall. Auch er kann ein nützlicher Puzzlestein bei der Diagnose sein und zeigt bei Morbus Basedow und Hashimoto Thyreoiditis oft charakteristische Veränderungen. In ansonsten klaren Fällen ist aber auch der Ultraschall nicht obligat für die Diagnose. Zu erwähnen sei noch die Schilddrüsenszintigraphie mit Technetium-Pertechnetat. Die Schilddrüsenszintigraphie kommt bei Schilddrüsenentzündungen in der hyperthyreoten Phase zum Einsatz, wenn die klinische Situation die sofortige Unterscheidung zwischen einem Morbus Basedow (hoher Uptake) oder der hyperthyreoten Phase einer stummen Thyreoiditis oder Iodkontamination (kein Uptake) erfordert.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Jan Krützfeldt

UniversitätsSpital Zürich
Klinik für Endokrinologie
Diabetologie und Klinische Ernährung
Rämistrasse 100
8091 Zürich

jan.kruetzfeldt@usz.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Entzündliche Schilddrüsenerkrankungen beginnen mit einer Präsen-tation von Schilddrüsenantigenen an das Immunsystem. Genetische Einflüsse (Polymorphismen) und Medikamente können hierbei eine wichtige Rolle spielen.
  • Eine wichtige Unterscheidung entzündlicher Schilddrüsenerkrankungen ist zwischen transienten (selbst limitierten) Formen und persistierenden Störungen. Die Prognose für eine Normalisierung der Schilddrüsenwerte ist bei triphasischen Thyreoiditiden sehr gut (ausser bei Checkpoint Inhibitoren).
  • Triphasische Thyreoiditiden zeigen initial eine Hyperthyreose, die nicht auf Thyreostatika anspricht. Hier können unterstützend Beta-Blocker eingesetzt werden.
  • Die Medikamentenananmese ist heute ein essentieller Bestandteil bei der Abklärung von entzündlichen Schilddrüsenerkrankungen. Hierbei spielen insbesondere neue Krebsmedikamente eine wichtige Rolle.

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Kolorektale Lebermetastasen (Teil 2)

Weltweit und in der Schweiz ist das kolorektale Karzinom die dritthäufigste Krebserkrankung. Jährlich erkranken alleine in der Schweiz ca. 4300 Menschen am kolorektalen Karzinom (1). Zum Zeitpunkt der Diagnose zeigen 15-25% der Patienten eine Metastasierung in der Leber (synchrone Metastasen). Bei weiteren 15-30% der Patienten treten Lebermetastasen im späteren Erkrankungsverlauf auf (metachrone Metastasen)(2-4). Die Leber ist dabei der häufigste Manifestationsort kolorektaler Metastasierung. Gründe hierfür sind neben der anatomisch bedingten portalvenösen Drainage des Darmes in die Leber auch ein metastasierungsfreudiges Mikromilieu (5). Und obschon zwei Drittel der Patienten mit hepatisch metastasiertem kolorektalem Karzinom auch eine extrahepatische Ausbreitung zeigen, so sind regionale Behandlungsansätze in der Leber in Kombination mit einer systemischen Therapie mittlerweile Standard geworden und gerechtfertigt, da sie signifikante Überlebensvorteile bis hin zur Heilung zeigen (6). In einem ersten Teil des Artikels wurden in der August-Ausgabe von «der informierte arzt» Abklärungswege und Möglichkeiten der chirurgischen Standardbehandlung aufgezeigt, in diesem aktuellen 2. Teil werden ergänzende chirurgische Möglichkeiten und aktuelle systemische Therapien vorgestellt werden.

Die Resektion kolorektaler Metastasen ist nach wie vor der «Goldstandard» der Behandlung kolorektaler Lebermetastasen. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich verschiedene lokale ablative Verfahren entwickelt, welche als Ergänzung zur Resektion bzw. als zusätzliche Behandlungsoption bei inoperablen Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen eingesetzt werden können und sich meist an Behandlungsrichtlinien der Patienten mit Hepatozellulärem Karzinom orientieren: die Radiofrequenzablation (RFA) und die Mikrowellenablation. Ein Vergleich im Sinne eines RCT von ablativen mit chirurgischen Verfahren liegt aktuell nicht vor und mit Spannung werden Ergebnisse laufender Studien erwartet (NCT03088150, NCT02886104).

Sollte man Lebermetastasen offen oder minimal-invasiv operieren?

Die minimal-invasive Resektion von kolorektalen Metastasen gewinnt zunehmend an Akzeptanz und Bedeutung. Eine erste randomisierte Studie (OSLO-COMET-Studie) zeigte, dass die laparoskopische Leberresektion bei kolorektalen Metastasen im Vergleich zur offenen Operation mit weniger postoperativen Komplikationen bei gleicher Rate tumorfreier Resektatränder assoziiert ist (32). In unserem Zentrum favorisieren wir derzeit die roboterassistierte Leberresektion, insbesondere wenn die Metastasen in den posterioren (Segmente 6 und 7) oder kranial anterioren (Segment 8) Lebersegmenten lokalisiert sind. Die roboter-unterstützte Technologie bietet bei der Operation mehr Freiheitsgrade in der Bewegung der Instrumente sowie eine bessere Sicht und Steuerungspräzison (33). Auch für die roboter-unterstütze Leberresektion gilt das oberste Ziel der R0-Resektion und die Sicherheit des Patienten (Abb. 2).

Ist eine Lebertransplantation eine Option bei nicht-resektablen Lebermetastasen?

Obwohl mit der Entwicklung neuer zielgerichteter Chemo­therapien und neuer Operationsverfahren vielen Patienten mit ausgedehnten Lebermetastasen heute effektiv geholfen werden kann, gibt es Patienten bei welchen ein isolierter und ausgedehnter Leberbefall nicht resektabel ist. Sollte die hepatische Erkrankung durch Chemotherapie gut kontrolliert werden, kann die Möglichkeit einer Lebertransplantation bei selektionierten Patienten evaluiert werden (7, 34).
Wichtige Selektionskriterien bei isoliertem Leberbefall für eine
Lebertransplantation sind:
1. Resektion des Primärtumors sollte mindestens 1-2 Jahre zurückliegen
2. Tumormarker CEA <80 µg/l
3. Tumor mit BRAF Wildtyp
4. Stabile hepatische Erkrankung über einen Zeitraum von 6-12 Monaten

Muss eine Chemotherapie vor oder nach der Leberchirurgie erfolgen?

Eine perioperative systemische Chemotherapie dient der systemischen Krankheitskontrolle, ermöglicht Tumorreduktion vor geplanter Chirurgie und zielt auf Eliminierung mikroskopischer Resterkrankung innerhalb und ausserhalb der Leber ab.
Wie und in welchem Umfang systemische Chemotherapie in die kurative intendierte Behandlung kolorektaler Lebermetastasen integriert wird, hängt von der klinischen Befundkonstellation ab. Grundsätzlich werden zwei Szenarien unterschieden: (1) perioperative oder adjuvante Therapie bei technisch resektablen Lebermetastasen und (2) Vorbehandlung technisch nicht resektabler Lebermetastasen mit dem Ziel der Konversion zur Resektabilität.
Die Indikationsstellung für eine chemotherapeutische Vorbehandlung (neoadjuvante Therapie) technisch resektabler Lebermetastasen wird weiterhin kontrovers beurteilt (35, 36). Die aktuelle S3-Leitlinie empfiehlt bei primär resektabler Erkrankung bei Vorliegen prognostisch günstiger Kriterien die primäre Resektion ohne chemotherapeutische Vorbehandlung (37). Auch aktuelle ESMO-Leitlinien unterscheiden unterschiedliche prognostische Gruppen und empfehlen die primäre Resektion nur bei onkologisch exzellenter Prognose (38). Die Prognose wird anhand klinischer Kriterien beurteilt. Indikatoren ungünstiger Prognose sind das synchrone Auftreten von Lebermetastasen, das Vorliegen von >4 Läsionen, sehr grosse Metastasen (>5cm), ein krankheitsfreies Intervall <12 Monate bei metachroner Metastasierung, der zusätzliche Nachweis extrahepatischer Tumormanifestationen sowie wiederholte Resektionen bei hepatischem Metastasenrezidiv sowie ein stark erhöhtes CEA (39-41). Zur besseren Standardisierung der Beurteilung wurden zahlreiche Risiko- und Prognosescores entwickelt, u.a. der Fong Score (42) (43).
Der gegenwärtige Therapiestandard für die perioperative Therapie resektabler kolorektaler Lebermetastasen beruht auf den Ergebnissen der EPOC-Studie, in der 6 Monate perioperative Chemotherapie mit 5-FU und Oxaliplatin (FOLFOX) das progressionsfreie Überleben, jedoch nicht das Gesamtüberleben der Patienten verbessert haben. Mehrere Metaanalysen kommen zu einem ähnlichen Ergebnis: Perioperative Chemotherapie resektabler kolorektaler Lebermetatastasen verbessert das Progressions-freie Überleben, jedoch nicht das Gesamtüberleben der Betroffenen (14, 15).
Für die Hinzunahme von Antikörpern gibt es in der perioperativen Therapie resektabler Metastasen keine Begründung. Die Hinzunahme von Cetuximab zu 5-FU/Oxaplatin führte in der New EPOC Studie zu einem negativen Ergebnis (44), für Anti-VEGF-Agenzien fehlen Daten.
Sehr wichtig ist, dass die genannten Studien eine prognostisch sehr günstige Patientengruppe analysiert hatten und die gegenwärtige klinische Realität unzureichend abbilden. Auch sind in der Praxis viele Patienten bereits mit 5-FU/Oxaliplatin vorbehandelt.
Wir propagieren daher eine Individualisierung und Personalisierung des Vorgehens bei der perioperativen Chemotherapie für kolorektale Lebermetastasen. Ferner wird die konsequente Weiterentwicklung kombiniert klinisch-biologischer Stratifizierung und die Integration molekularen Monitorings die perioperative Therapie der Zukunft prägen.

Ist eine personalisierte Konversions-Chemotherapie für primär nicht-resektable kolorektale Lebermetastasen neuer Standard?

Bereits ältere Fallserien zeigen, dass primär technisch nicht resektable kolorektale Lebermetastasen durch chemotherapeutische Vorbehandlung in einen sekundär resektablen Zustand überführt werden können (45). Durch die moderne intensivierte und personalisierte Systemtherapie gelingt dies bei immer mehr Patienten, manchmal selbst bei initial ausgedehnter hepatischer Metastasierung. Hauptziel der Konversionstherapie ist Tumorreduktion, man spricht daher häufig von «maximal remissionsinduzierender Therapie». Gleichzeitig gilt es aus Sicht des Onkologen jedoch auch, in einer bestenfalls potenziell kurablen Situation die Systemtherapie patientengerecht und leitlinienkonform einzuleiten, die dann im Falle nicht erreichter sekundärer Resektabilität im Sinne eines Continuum-of-Care Konzeptes nahtlos weitergeführt werden kann. Neuere Daten belegen, dass eine Intensivierung der Erstlinienbehandlung, z.B. durch Verwendung des FOLFOXIRI-Regimes den Patienten prognostisch eher zu nützen scheint (46). Belastet werden die Betroffenen jedoch mit insgesamt höherer Toxizität, die es im Einzelfall gegen kurative Restchance abzuwägen gilt. Der Grenzbereich zwischen technisch Möglichem und onkologisch Sinnhaften muss dabei stets für den Einzelfall neu ausgelotet werden, dies trifft insbesondere für Patienten mit extrahepatischer Metastasierung und ungünstigen prognostischen Kriterien zu (BRAF-Mutation, rechtsseitiger Primärtumor, hohe Tumormarker u.a.).
Der Konversionstherapie wird anhand molekularer und biologischer Tumorcharakteristika individuell analog zu den Standards für die palliative Chemotherapie gewählt (Tabelle 1). Die höchsten Ansprechraten erreichen Chemotherapie-Tripletten (FOLFOXIRI-basiert) (47 – 49). Ferner erhöht die Hinzunahme eines Anti-EGFR-Antikörpers zu Doublette (FOLFOX, FOLFIRI) und Triplette (50, 51). Anti-EGFR Therapie kann nur bei linksseitigen Primarien und Fehlen einer Resistenzmutation erfolgen (obligate KRAS, NRAS, BRAF und HER2/neu Testung). Eine typische Wahl für die Konversionstherapie wäre FOLFOXIRI+/-Bevacizumab für KRAS- und BRAF-mutierte Tumore aller Primärlagen und für Wildtyp-Tumoren des rechtsseitigen Kolons und FOLFOX oder FOLFIRI in Kombination mit Anti-EGFR für linksseitige Wildtyp Tumoren. FOLFOXIRI+Anti-EGFR erreichte in einer Phase II-Studie die bislang höchsten dokumentierten Ansprechraten in dieser Subgruppe (48) bei allerdings erheblicher Toxizität des Regimes.

Die optimale Behandlungsdauer der Konversionstherapie ist unklar, maximale radiologische Tumorschrumpfung wurde in Studien nach 12-16 Wochen Chemotherapie erreicht (52). Insgesamt werden typischerweise insgesamt 6 Monate Chemotherapie verabreicht, häufig 3 Monate vor und 3 Monate nach Leberresektion.
Die systemische Behandlung des Kolonkarzinoms unterliegt einem raschen Wandel. Molekulare Subtypisierung basierend auf Treibermutationen, Immunphänotypen, und Genexpressions-basierte Untergruppe (Consensus Molecular Subgroups, CMS) erlangen zunehmende Bedeutung (53), neue Biomarker wie das Mikrobiom werden intensiv erforscht. Eingang in die Routine haben neben der bereits diskutierten Primärtumorlokalisation (54) und Treibermutationen die Testung der Mismatch Repair Gene bzw. Bestimmung des Mikrosatellitenstatus und die routinemässige Testung des BRAF-Mutationsstatus bei KRAS/NRAS Wildtyp Tumoren. Mikrosatelliten-instabile Tumore zeigen exquisites Ansprechen auf Immuncheckpoint-Inhibitoren und sollten nach Meinung der Autoren wenn möglich primär immuntherapiert werden (55) (56). Für die prognostisch extrem ungünstige Gruppe BRAF-V600 mutierter mikrosatelliten-stabiler Tumore befinden sich molekulare Kombinationstherapien in fortgeschrittener klinischer Entwicklung bis hin zu rekrutierenden Erstlinienstudien (BRAF-V600 Inhibition in Kombination mit Anti-EGFR und MEK-Inhibition) (57, 58).

Nachsorge nach Operation oder Chemotherapie: Wie geht es weiter?

Unsere Tumornachsorge richtet sich in erster Linie nach den etablierten Guidelines der Nachsorge des kolorektalen Karzinoms (59, 60). Eine erste Bildgebung mittels CT erfolgt nach Abschluss der adjuvanten Chemotherapie. Im ersten Jahr nach erfolgreicher R0-Resektion führen wir vierteljährlich eine Schichtbildgebung (CT oder MRI) durch und bestimmen den Tumormarker CEA im Serum. Eine zusätzliche CT Untersuchung zum Ausschluss von Lungenmetastasen wird alle 6 Monate bei uns durchgeführt. Im zweiten und dritten Jahr erfolgt, sofern kein Rezidiv vorliegt, die Bildgebung halbjährlich, anschliessend jährlich. Der Grund der intensivierten Nachsorge während der ersten 2 Jahre nach Leberesektion ist, dass das Rezidivrisiko innerhalb dieses Zeitraumes am höchsten ist.

In welche Strukturen ist die Behandlung kolorektaler Lebermetastasen am UniversitätsSpital Zürich eingebunden?

Die Behandlung kolorektaler Lebermetastasen am UniversitätsSpital Zürich erfolgt immer durch einen interdisziplinären Ansatz mit Involvierung der hepatobiliären und kolorektalen Chirurgie, der medizinischen Onkologie, der Strahlentherapie, der Pathologie sowie der diagnostischen und interventionellen Radiologie. Die Leberoperationen für kolorektale Lebermetastasen gehören zur Hoch-spezialisierten Medizin in der Schweiz. Alle Patienten in unserem Zentrum werden am wöchentlichen auf Leber- und Pankreastumore spezialisierten Tumorboard prä- als auch posttherapeutisch besprochen, um den individuellen Behandlungsplan festzulegen. Zudem ist die Behandlung aller Patienten in die Zentrumsstrukturen des Schweizer Zentrums für Leber-, Bauchspeicheldrüsen- und Gallengangserkrankungen (Swiss HPB Center Zurich) sowie des Lebertumorzentrums des Comprehensive Cancer Center Zürich eingebettet. Unser Zentrum ist in der Schweiz das einzige zertifizierte Leberkrebszentrum. Unsere Patienten profitieren von den neusten Innovationen, welche wir am UniversitätsSpital Zürich anbieten können. Darüber hinaus haben unsere Patienten die Möglichkeit an wissenschaftlichen Studien teilzunehmen, welche am UniversitätsSpital durchgeführt werden.

PD Dr. med. Christian E. Oberkofler 1,2,6
Dr. med. Ralph Fritsch 3,6,7
Prof. Dr. med. Thomas Pfammatter 4,6
Dr. med. Helena I. Garcia Schüler 5,7
PD Dr. med. Michelle de Oliveira 1,2
Prof. Dr. med. Philipp Dutkowski 1,2
Prof. Dr. med. Matthias Turina 2,7
Prof. Dr. med. Pierre-Alain Clavien 1,2,6
Prof. Dr. med. Henrik Petrowsky 1,2,6
1 Swiss Hepato-Pancreato-Biliary Center,
2 Klinik für Viszeral und Transplantationschirurgie,
3 Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie,
4 Institut für Interventionelle Radiologie,
5 Klinik für Radio-Onkologie,
6 Liver and Pancreas Tumor Center, Comprehensive Cancer Center Zürich
7 Colorectal Cancer Center, Comprehensive Cancer Center Zürich
UniversitätsSpital Zürich, Rämistrasse 100, 8091 Zürich
henrik.petrowsky@usz.ch

Schlüsselwörter:
Kolorektale Tumore, Kolorektale Lebermetastasen, Multimodale Therapie, Hepatic Arterial Infusion, Lebertransplantation

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Christian E. Oberkofler

Swiss Hepato-Pancreato-Biliary Center
Klinik für Viszeral und Transplantationschirurgie
Liver and Pancreas Tumor Center, Comprehensive Cancer Center Zürich

Dr. med. Ralph Fritsch

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Universität und Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Prof. Dr. med. Henrik Petrowsky

Swiss Hepato-Pancreato-Biliary (HPB) Center
Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie
Liver and Pancreas Tumor Center, Comprehensive Cancer Center Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

henrik.petrowsky@usz.ch

Die Autoren haben im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Durch multimodale Therapien lassen sich auch bei einer primär nicht resektablen Lebermetastasierung onkologische Komplettremissionen erreichen.
  • Voraussetzungen für einen derartigen Therapieerfolg sind eine adäquate Patientenselektion, die Individualisierung der systemischen Therapie sowie eine optimale Abstimmung der Therapiesequenz. In der Praxis ist eine frühzeitige Beurteilung durch ein leberchirurgisch erfahrenes Zentrum von zentraler Bedeutung.
  • Eine immer grössere Rolle nimmt auch die molekulare Diagnostik der Tumore ein, welche therapierelevante Aufschlüsse über die individuelle Tumorbiologie liefert und zusätzliche systemische Immuntherapien ermöglicht.

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Veganismus und kardiovaskuläres Risiko

Der Veganismus erfährt zunehmende Aufmerksamkeit in den Medien, da er als Lebensstil weit über eine gesundheitsfördernde, rein pflanzliche Ernährung hinausgeht und alle Formen der Tierausbeutung ablehnt. Basierend auf einem kürzlich erschienenen Bericht der Eidgenössischen Ernährungskommission EEK (1) stellt dieser Artikel dar, dass die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht ausreichen, um solche Diäten für die Prävention und Behandlung ischämischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu empfehlen.

Der 1944 in Grossbritannien entstandene Veganismus als Lebensstil beinhaltet eine ausschliesslich pflanzliche Ernährung. Über diese einfache Wahl des Essens hinaus lehnt der Veganismus aus ethischen und philosophischen Prinzipien die Legitimität jeder Form von Tierausbeutung ab. Seinen militantesten Befürwortern zufolge ist der Veganismus die bevorzugte Option, welche Tiere und Umwelt respektiert und gleichzeitig eine ausgewogene Ernährung als Quelle der Gesundheit und des Wohlbefindens der Menschen fördert. In den letzten Jahren haben die Aktivitäten und Forderungen der Bewegung der Veganerinnen und Veganer in den Medien immer mehr Aufmerksamkeit erhalten, was zu Debatten und Unsicherheit bei den Konsumenten geführt hat, die sich zunehmend für die gesundheitlichen Folgen ihrer Ernährung interessieren.
Die jüngste Veröffentlichung des Berichts der Eidgenössischen Ernährungskommission mit dem Titel «Vegane Ernährung: Analyse von Nutzen und Schaden für Ernährung und Gesundheit» bildete die Grundlage für diesen Artikel, der sich auf das kardiovaskuläre Risiko veganer Ernährung und Empfehlungen zur Prävention ischämischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE) konzentriert (1).

Merkmale der veganen Ernährung

Per Definition schliesst eine «vegane» Ernährung jeden Bestandteil tierischen Ursprungs aus, aber das Spektrum der anderen Nährstoffe kann variieren. Diese Art der Ernährung unterscheidet sich daher von anderen fleischlosen Ernährungformen wie:

a) «vegetarisch» oder «ovo-lacto-vegetarisch», wenn keine Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs enthalten sind, mit Ausnahme von Milch, Milchbestandteilen wie Laktose, Eiern, Eibestandteilen und Honig
b) «ovo-vegetarisch», wenn keine Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs enthalten sind, mit Ausnahme von Eiern, Eibestandteilen und Honig
c) «lakto-vegetarisch», wenn keine Zutaten oder Verarbeitungshilfsstoffe tierischen Ursprungs enthalten sind, mit Ausnahme von Milch, Milchbestandteilen und Honig.

Der Verzicht auf Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte ist mit einem Verlust von Makro- und Mikronährstoffen verbunden, die durch andere Nahrungsquellen oder durch Supplementierung ersetzt werden müssen, um eine ausgewogene Ernährung zu gewährleisten (Tabelle 1).
Zahlreiche europäische Studien, die seit 2015 veröffentlicht wurden, haben die vegane Ernährung untersucht und die Nährstoffzufuhr auf der Grundlage länderspezifischer Lebensmittellisten berechnet.

Bei Makronährstoffen entsprechen die durchschnittlichen Verzehrswerte oft den allgemeinen Ernährungsempfehlungen. Ihre Variabilität ist jedoch sehr gross, was im Falle von Proteinaufnahmen problematisch sein kann. Aus den wenigen Studien, die Daten über die Aufnahme von Obst und Gemüse gesammelt haben, geht hervor, dass im Durchschnitt die empfohlene Tagesdosis (drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst) abgedeckt wird, allerdings wiederum mit einer sehr hohen Variabilität dieses Verzehrs. Dies deutet darauf hin, dass es keinen Beweis dafür gibt, dass eine vegane Ernährung immer mit einem hohen Obst- und Gemüsekonsum verbunden ist. Daher ist es schwierig anzunehmen, dass eine vegane Ernährung de facto gesundheitliche Vorteile bietet. Dies ist eines der Axiome der meisten Befürworter einer veganen Ernährung (1, 2).
Mikronährstoffdaten sind oft durch den Mangel an spezifischen Informationen über die Ernährungswahl der Studienteilnehmer und die Art und Dosis der Supplementierung begrenzt. Die meisten Studien zeigen, dass eine Vitamin-B12-Supplementierung zwar notwendig ist, aber nur teilweise befolgt wird (50 - 70% der Teilnehmer), was zu einem erhöhten kardiovaskulären Risiko führen kann. Während andere Mangelzustände möglich sind (Vitamin D, Kalzium, Zink usw.), weisen Veganer umgekehrt im Vergleich zu Omnivoren eine höhere Aufnahme und ein höheres Blutprofil von Mikronährstoffen wie Magnesium, Vitamin C, B1 und B6, Folsäure, Carotinoiden und Polyphenolen auf, was der Gesundheit zuträglich sein kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine gut geplante vegane Ernährung den Energie- und Nährstoffbedarf decken kann, sie erfordert aber sehr gute ernährungswissenschaftliche Kenntnisse sowie eine Supplementierung auf der Grundlage einer regelmässigen Blutüberwachung der wichtigsten Mikronährstoffe.

Prävalenz des Veganismus, Charakteristika und Motivationen seiner Anhänger

In Europa ernähren sich schätzungsweise 2-5% der Bevölkerung vegetarisch, darunter auch Veganer. In der Schweiz ergab die jüngste Umfrage des Verbands Swissveg, dass im Jahr 2017 unter den 1296 befragten Personen im Alter von 15 bis 74 Jahren 11% Vegetarier und 3% Veganer waren. Diese Ergebnisse stehen in Kontrast zu den Daten der menuCH-Studie von 2015 mit 2000 erwachsenen Teilnehmern, in der die Prävalenz von Vegetariern 1,77% und die von Veganern 0,38% betrug. Genauere Daten fehlen, aber gemäss den Schweizerischen Gesundheitsbefragungen scheint sich der Anteil der Personen, die angeben, nie Fleisch gegessen zu haben, von 1992 bis 2017 von 2 auf 6% verdreifacht zu haben.
Die verschiedenen Umfragen zeigen, dass auch in der Schweiz sich vor allem junge, gut ausgebildete Frauen, die in Städten leben oder arbeiten, vegan ernähren. Ihre Hauptgründe für den Verzicht auf Fleisch sind der Tierschutz (78%) sowie ethische (60%) und ökologische Erwägungen (58%). Allerdings gaben nur 35% von ihnen die Gesundheit als Grund an.

Vegane Ernährung und ihre Auswirkungen auf das kardiovaskuläre Risiko

Durch Bevorzugung von Obst, Gemüse, Ballaststoffen und Kohlenhydraten und den reduzierten Verzehr von Fett und gesättigten Fettsäuren und die Vermeidung von tierischem Eiweiss, insbesondere von rotem Fleisch und Wurstwaren, hat die vegane Ernährung im Vergleich zu einer omnivoren Ernährung eher positive Auswirkungen auf Blutfette, Gewicht und Blutzuckereinstellung gezeigt. Dies kann einen günstigen Einfluss auf das Risiko einer HKE ausüben, wie einer ischämischen Herzerkrankung (IHK) oder eines Schlaganfalls (CVI).
Historisch gesehen veröffentlichten Key TJ et al. 1999 eine Meta-Analyse von 5 prospektiven Kohortenstudien, die einen, wenn auch nicht signifikanten, Rückgang der Mortalitätsraten infolge HKE (-26%) bei Veganern und (-34%) bei den übrigen Vegetariern im Vergleich zu Omnivoren zeigten (3). Trotz erheblicher methodischer Einschränkungen werden diese Daten weithin als günstig bewertet, dennoch wäre es dringend notwendig, das Niveau der wissenschaftlichen Evidenz bezüglich des Veganismus zu verbessern. Leider ergibt die Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur bis 2018 keine Interventionsstudien vom RCT-Typ, die es ermöglichen würden, den Nutzen veganer Ernährung für das Risiko einer HKE adäquat zu validieren. Tatsächlich basiert der grösste Teil des derzeitigen Wissens auf Beobachtungsstudien.
Bis heute liegen uns leider keine Interventionsstudien vor, die geklärt haben, ob eine vegane Ernährung mit einer verringerten Inzidenz eines ersten kardiovaskulären Ereignisses, sei es eine IHK oder ein CVI, verbunden sei. Obwohl die allgemeine Meinung und auch Grundsatzerklärungen die Vorteile einer veganen Ernährung grosszügig propagieren, sind entschieden weitere Forschungen notwendig, um den potenziellen Nutzen einer solchen Ernährung für die Prävention oder Behandlung von HKE nachzuweisen (2).

Andererseits wurde das Risiko der Gesamtmortalität im Zusammenhang mit veganer Ernährung in den drei in Tabelle 2 aufgeführten Studien analysiert (4 - 5). Basierend auf Daten aus der «Adventist Health Study-2», einer grossen prospektiven Kohortenstudie mit 73 308 Mitgliedern der nordamerikanischen adventistischen Gemeinschaft, darunter 5 548 Veganer und 35 359 Omnivoren, berichteten Orlich MJ et al. nach 5,6 Jahren Nachbeobachtung über widersprüchliche Ergebnisse (4). Während bei Männern ein statistisch signifikanter Rückgang der Gesamtmortalität um -42% und der koronaren Mortalität um -55% beobachtet wurde, stiegen diese Risiken bei Frauen um nicht signifikante 18% resp. 39% an.
Diese Daten kontrastieren zu den Ergebnissen von Appleby PN et al. aus den beiden prospektiven Kohortenstudien «the Oxford Vegetarian Study» und «the EPIC-Oxford cohort» (5). Für diese Analyse wurden diese beiden Kohorten zusammengenommen und insgesamt 60 310 Personen aus der britischen Bevölkerung rekrutiert, von denen 2 228 sich ausschliesslich vegan ernährten und 18 431 omnivor, und über 15 Jahre oder länger nachverfolgt. Insgesamt war das Risiko der Koronarsterblichkeit bei Veganerinnen und Veganern im Vergleich zu Omnivoren leicht reduziert (-10%), während das Risiko sowohl für die Schlaganfallsterblichkeit (+ 61%) als auch für die gesamte kardiovaskuläre Mortalität (+ 21%) erhöht war, wobei alle Resultate keine statistische Signifikanz erreichten.
Alle drei dieser Kohortenstudien weisen verschiedene methodische Einschränkungen auf, die das Evidenzniveau zugunsten der Vorteile oder sogar Nachteile veganer Ernährung für das kardiovaskuläre Risiko reduzieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse noch zu unsicher sind, um eine vegane Ernährung sowohl zur Prävention als auch zur Behandlung von ischämischen kardiovaskulären Erkrankungen zu empfehlen. Dies ist wahrscheinlich einer der Hauptgründe, warum solche Diäten nicht in die Ernährungsempfehlungen zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgenommen wurden, die von der Schweizerischen, Europäischen und Amerikanischen Gesellschaft für Kardiologie herausgegeben werden.

Beim Artikel handelt es sich um einen aus dem Französischen übersetzten Zweitabdruck des in «la gazette médicale» 02-2019 erschienenen Originalartikels.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Roger Darioli

Chemin des Fleurs 5
1007 Lausanne

roger.darioli@unisante.ch

Der Autor hat kein finanzielles Interesse oder Verbindungen mit der Veganerbewegung, Tierbefürwortern, Fleischproduzenten oder der Lebensmittelindustrie. Ausserdem wurde dieser Artikel unabhängig verfasst, ohne jegliche finanzieller Beitrag. Auch der Bericht der Expertengruppe der Eidgenössischen Lebensmittelkommission, an welchem der Autor mitgewirkt hat, wurde unabhängig auf der Grundlage der zwischen 2007 und 2018 veröffentlichten wissenschaftlichen Erkenntnisse erstellt.

  • 1944 in Grossbritannien gegründet, tritt der Veganismus als Lebensstil für eine ausschliesslich vegetarische Ernährung als Gesundheitsquelle für den Menschen ein und lehnt aus ethischen und philosophischen Gründen jede Form der Tierausbeutung ab.
  • Der Verzicht auf Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte ist mit einem Verlust an Makro- und Mikronährstoffen verbunden, die durch andere Nahrungsquellen und Nahrungsergänzungsmittel ersetzt werden müssen, um dem Risiko gesundheitsschädigender Nährstoffmängel, insbesondere im Herz-Kreislauf-Bereich, vorzubeugen.
  • Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Publikation, die den
    Einfluss einer veganen Ernährung auf die Primärprävention einer HKE untersucht hat. Nur das Risiko der kardiovaskulären Mortalität wurde in drei prospektiven Kohortenstudien analysiert, die widersprüchliche Ergebnisse bezüglich Nutzens und Risiken ergaben. Aufgrund des Mangels an ausreichender wissenschaftlicher Evidenz wird Veganismus in den Ernährungsempfehlungen für die Prävention und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht berücksichtigt.

1. Bericht der Eidgenössischen Ernährungskommission EEK: Übersichtsarbeit zu
den ernährungsphysiologischen und gesundheitlichen Vor- und Nachteilen einer
veganen Ernährung (2018). https://www.blv.admin.ch/blv/de/home/das-blv/organisation/
kommissionen/eek/vor-und-nachteile-vegane-ernaehrung.html
2. Melina V, Craig W, Levin S.l. Position of the Academy of Nutrition and Dietetics:
Vegetarian Diets. J Acad Nutr Diet. 2016;116:1970-80.
3. Key TJ, Fraser GE, Thorogood M Appleby PN, Beral V, Reeves G, Burr ML,
Chang-Claude J, Frentzel-Beyme R, Kuzma JW, Mann J, McPherson K.Mortality
in vegetarians and nonvegetarians: detailed findings from a collaborative analysis
of 5 prospective studies. Am J Clin Nutr 1999; 70, 516S–524S.
4. Orlich MJ, Singh PN, Sabaté J, Jaceldo-Siegl K, et al. Vegetarian dietary patterns
and mortality in Adventist Health Study 2. JAMA Intern Med. 2013;173:1230-38.
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nonvegetarians in the United Kingdom. Am J Clin Nutr. 2016;103:218-30.

Aktuelles zur chronisch obstruktiven Lungenkrankheit

Die grundlegenden Pathomechanismen der COPD, die zur Beschwerdesymptomatik unterschiedlichen Ausmasses führen und durch inhalative Noxen, hauptsächlich beim inhalativen Nikotinkonsum, ausgelöst werden, sind ein Ödem der Bronchialschleimhaut, Spasmus der Bronchialmuskulatur und
Hypersekretion mit vermehrter Schleimbildung. Die Behandlungsstrategien setzen demzufolge an einem oder mehreren dieser Probleme an. Bei der COPD Diagnostik stellen die Früherkennung und die korrekte differentialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Lungenerkrankungen, wie z.B. Asthma, Bronchiektasien, etc. eine spezielle Herausforderung dar.

Wenn der Patient unter persistierender und progredienter Dyspnoe oder chronischem Husten leidet, immer wieder Atemwegsinfekte bekommt und bestimmte anamnestische Kriterien aufweist, wie z.B. die Exposition gegen inhalative Noxen, aber auch familiäre Belastung oder niedriges Geburtsgewicht oder auch Frühgeburtlichkeit, sollte an eine COPD gedacht werden.

Spirometrische Abklärung

Zur Diagnosesicherung ist stets eine spirometrische Abklärung essentiell und unverzichtbar. In der Allgemeinarztpraxis ist die Spirometrie sehr gut geeignet, die nicht reversible Obstruktion nachzuweisen und das Ausmass der Atemflusseinschränkung zu erkennen.
Die Spirometrie ist zudem wichtig für die Einschätzung des Schwergrades und die Prognose der COPD Erkrankung, hingegen ist das medikamentöse COPD Management von der Einteilung in die Gruppen A bis D, ausgehend von der klinischen Symptomatik – hier vor allem Dyspnoe – und der Exazerbationshäufigkeit, abhängig.
Mindestens einmal im Verlauf einer COPD sollte eine fachärztliche Vorstellung beim Pneumologen erfolgen, dies v.a. dann, wenn Patienten nicht auf die Standardtherapie ansprechen, bzw. weiter symptomatisch sind, häufig exazerbieren, bzw. wegen einer Exazerbation hospitalisiert werden mussten.
Vor allem dann, wenn sich mit der spirometrischen Einschränkung das Ausmass der Dyspnoe nicht ausreichend erklären lässt, sollte auch eine Vorstellung beim Kardiologen erfolgen, da kardiale Komorbiditäten bei COPD relativ häufig sind.

Individualisierung der Therapie

Bei der COPD Therapie hat sich zunehmend die Individualisierung durchgesetzt. Hier geht es v.a. um den Entscheid, welcher Patient von welcher Medikation am besten profitiert, bzw. nicht profitiert. Entscheidend ist immer das klinische Gesamtbild des jeweiligen Patienten mit den entsprechenden anamnestischen, symptomatischen Gegebenheiten einschliesslich der Komorbiditäten im Sinne eines Mosaikbildes, so dass für jeden Patienten ein individuelles Therapiekonzept erstellt werden kann. Ein Behandlungskonzept nach der Methode one size fits all ist bei der Behandlung der COPD fehl am Platz. Auch wenn keine medikamentöse kurative Therapie der COPD existiert, gibt es keinen Grund für einen therapeutischen Nihilismus.
Therapieziele sind neben der Bekämpfung der COPD-Entzündung die Symptomlinderung, das Steigern der Belastbarkeit, die Vermeidung von Exazerbationen und damit gesamthaft die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten mit COPD.
Grundpfeiler der COPD Therapie sind die Bronchodilatatoren, vertreten durch die Gruppe der (langwirksamen) Betamimetika (LABA) und die (langwirksamen) Parasympatholytika (LAMA). Die kurzwirksamen Betamimetika spielen bei der Dauertherapie der COPD eine untergeordnete Rolle, ausser bei sehr geringer Symptomatik.
Die LABA und LAMA Wirkstoffe vermindern die Überblähung vor allem auch bei körperlicher Belastung, mit LAMA wird gegenüber LABA eine effektivere Prävention gegenüber Exazerbationen erreicht.
Grundsätzlich ist der Beginn mit einer fixen LABA/LAMA Kombination bei ausgeprägt symptomatischen Patienten von Vorteil, da beide Wirkstoffgruppen zusammen sich in ihrem Wirkmechanismus verstärken und effektiver symptomlindernd sind.

Schweregrad GOLD 1 bis 4 und Symptomatik / Exazerbationen GOLD Gruppe A bis D

Auch bei der aktualisierten GOLD Empfehlung zur Diagnostik und Therapie der COPD richtet sich die Einteilung in die jeweiligen Schweregrade GOLD 1 bis 4 nach der Flusslimitierung in der Lungenfunktion von GOLD 1 (FEV1 ≥ 80 % vom Sollvolumen) bis GOLD 4 (FEV1 < 30 % vom Sollvolumen).
Die weitere Einteilung erfolgt nach der bereits bekannten Vierfeldertafel, wobei sich hier die Graduierung einerseits nach der Exazerbationsanamnese und anderseits Symptomatik der Erkrankung richtet und wie bisher in die Gruppen A, B, C und D erfolgt. Zu den Hochrisikogruppen C und D zählen Patienten mit zwei und mehr Exazerbationen im Vorjahr oder mindestens einer exazerbationsbedingten Krankenhauseinweisung, Diese beiden Gruppen C und D unterscheiden sich dann wiederum durch die Schwere der Symptomatik, die sich am einfachsten mit der mMRC-(modified-Medical-Research-Council-) Skala bestimmen lässt, welche das wichtige Symptom Dyspnoe abfragt.
Die Einstufung in diese 4 Therapiegruppen entscheidet über die jeweils empfohlene Therapie, wobei neu nun zwischen therapienaiven Patienten (Abb. 1a), also bei denen neu mit der COPD Therapie begonnen werden soll, und vorbehandelten Patienten (Abb. 1b) unterschieden wird und hierbei für das therapeutische Vorgehen Algorithmen entwickelt wurden.
Bronchodilatatoren spielen hier die Hauptrolle bei der COPD Therapie, langwirksame Präparate sollten spätestens ab Gruppe B zum Einsatz kommen.

Eosinophilenzahl und ICS

Eine der wichtigsten Fragen bei der COPD Therapie ist, welcher Patient von einer Therapie mit inhalativen Kortikosteroiden (ICS) profitiert. Bei der Initialtherapie eines COPD Patienten ist die ICS Zugabe nur bei schwer kranken Häufigexazerbierern, sowie bei relevanter zusätzlicher asthmatischer Komponente gerechtfertigt.
Problematisch ist, dass immer noch in praxi COPD Patienten weiterhin mit einem ICS behandelt werden – auch ohne gehäufte Exazerbationen und starke Symptomatik. Hier haben einige Studien gezeigt, dass es durchaus ohne relevant erhöhtes Risiko möglich und sinnvoll ist, ICS bei einem Teil der Patienten, die kein Kriterium für diese Therapie aufweisen aber dennoch damit behandelt sind, abzusetzen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass unter ICS ein erhöhtes Pneumonierisiko bei COPD besteht, vor allem bei weniger symptomatischen und Geringexazerbierern, so dass immer betont werden muss, jeweils das Risiko einer ICS Therapie gegenüber dem potentiellen Nutzen abzuwiegen.
Zudem wird bei der aktuellen GOLD Richtlinie berücksichtigt, dass neben der Exazerbationsfrequenz die Eosinophilenzahl im Blut ein geeigneter Marker für das Ansprechen einer ICS Gabe bei der COPD Therapie ist.
In Studien zeigte sich, dass Patienten, die eine Eosinophilenzahl von 300/μl Blut oder mehr aufzeigen, bezüglich Reduktion der Exazerbationsrate von einer zusätzlichen ICS Therapie profitieren. Hingegen ist dieser Effekt bei COPD Patienten mit Werten von weniger als 100 Eosinophilen/μl sehr gering, so dass nun von GOLD empfohlen wird, sich bei der Eskalation oder auch Deeskalation der COPD Therapie auch an der im Differentialblutbild gemessenen Eosinophilenzahl zu orientieren (Abb. 2).

Die Eosinophilenzahl ist somit ein wichtiger Biomarker bei der COPD Therapie und es ist für die Therapieentscheidungen hilfreich, vor allem beim vorbehandelten COPD Patienten ein Differentialblutbild zu bestimmen.
Als initiale Option sollte die Kombination aus LABA/ICS bei Patienten mit starker Symptomlast und hohem Exazerbationsrisiko, also GOLD-Gruppe D, nur dann als Option erwogen werden, wenn die Eosinophilenzahl 300/μl Blut überschreitet. Zudem kann diese Kombination bei COPD Patienten mit Asthma und/oder Allergien in der Anamnese eine initiale Therapieoption sein.
Therapieentscheidend für die medikamentöse COPD Therapie bei vorbehandelten Patienten, bzw. im Follow-up, ist, welche Problematik beim COPD Patient dominiert, einerseits das Kardinalsymptom Dyspnoe oder aber Exazerbationen (Abb. 1 b).
Steht die Dyspnoe im Vordergrund sollte die bronchodilatatorische Therapie eskaliert werden, von der Mono (LABA oder LAMA)- zur dualen Therapie (LABA/LAMA) oder von LABA/ICS zur Tripeltherapie (LABA/LAMA/ICS) respektive Wechsel auf eine Kombination von Bronchodilatatoren (LABA/LAMA).
Gegebenenfalls ist auch ein Device- und/oder Wirkstoffwechsel in Betracht zu ziehen.
Bei häufigen Exazerbationen ist das Ziel einer Addition eines ICS zu entweder einem bereits etablierten LAMA, LABA oder LAMA/LABA die Vermeidung weiterer Exazerbationen, vor allem dann, wenn wie bereits erwähnt, die Eosinophilenzahl bei ≥ 300 Zellen/µl Blut liegt.
Bei weniger als 100 eosinophilen Zellen/µl Blut sollten Alternativen wie der orale Entzündungshemmer und PDE4-Inhibitor Roflumilast oder auch Azithromycin erwogen werden.

Management-Zyklus Prüfen, Bewerten und Anpassen

Bei der Therapiesteuerung der COPD ist es unabdingbar, den Therapieerfolg wie auch beim Asthma regelmässig zu kontrollieren und die Behandlung ggf. anzupassen, z.B. dann, wenn der Patient weiterhin symptomatisch ist, doch häufiger exazerbiert, wenn die bei jedem Patientenkontakt zu kontrollierende Inhalationstechnik nicht optimal passt und ggf. das Inhalationsdevice gewechselt werden muss oder (neue) aggravierende Begleiterkrankungen bestehen.
Damit die Patienten nach der erfolgten Initialtherapie nicht sich selbst überlassen bleiben, wird empfohlen, nach einem Management-Zyklus aus Prüfen, Bewerten und Anpassen vorzugehen und entsprechende Massnahmen zu ergreifen, wenn die Therapie noch nicht optimal läuft, bzw. die gewünschten Therapieziele noch nicht erreicht sind. (Abb. 3).

Das Trainieren der korrekten Inhalationstechnik im Rahmen von Patientenschulungen ist essentiell, ein Inhalations-Medikament kann nur dann effektiv sein, wenn es auch dort hingelangt, wo es hin soll. Ohne eine eingehende und individuelle Schulung der Inhalation bleibt der Behandlungserfolg meist aus. Um den korrektem Inhalatorgebrauch sicherzustellen, macht es Sinn, die Inhalationstechnik bei möglichst jeder Konsultation zu kontrollieren. Am besten demonstriert der Patient, wie er den Inhalator anwendet, dabei können dann allfällige Fehler korrigiert werden.
Das Erkennen und Selbst-Management von Exazerbationen kann mit Hilfe eines COPD Aktionsplan vermittelt werden. Neben der klassischen Patientenschulung kann mit einem individuell angepassten Coaching und einer Beratung eine bessere Krankheitsbewältigung erreicht werden.
Aufgrund der Belastungsdyspnoe vermeiden COPD Patienten sehr häufig, sich körperlich zu belasten und dekonditionieren damit noch mehr. Um dieser Abwärtsspirale entgegenzuwirken, sind Rehabilitationsmassnahmen mit regelmässigem körperlichem Training mindestens genauso wichtig, wie die inhalative medikamentöse Therapie. Damit verbessern sich Ausdauer, Dyspnoe und das Exazerbationsrisiko sowie vor allem die Lebensqualität.
Grundsätzlich kann letztere vor allem durch den Rauchstopp, die Einhaltung der medikamentösen Therapie mit möglichst optimaler Inhalationstechnik und die regelmässige körperliche Betätigung mit Training mindestens 2 Mal/Woche gebessert werden und möglichst lange auch erhalten bleiben.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Andreas Piecyk

LungenZentrum Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

a.piecyk@lungenzentrum.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die COPD Therapie richtet sich vor allem nach der Symptomatik und der Exacerbationshäufigkeit.
  • Langwirksame Bronchodilatatoren (LAMA und LABA) sind die Basistherapie bei symptomatischen Patienten mit COPD.
  • Inhalative Steroide (ICS) sind erst bei höherem Exacerbationensrisiko (mehr als zwei Exacerbationen/a oder mindestens mehr als eine hospitalisationspflichtige Exacerbation/a) und ggf. erhöhter Eosinophilenzahl (grösser 300/yl) oder bei asthmatischer Komponente indiziert.
  • Die COPD Therapie sollte regelmässig überprüft und ggf. adjustiert werden, eventuell ist auch eine Therapiedeeskalation gerade hinsichtlich der Behandlung mit ICS zu erwägen.
  • Der Rauchstopp, die regelmässige Überprüfung der Inhalationstechnik und die Empfehlung zur regelmässigen körperlichen Aktivität, möglicherweise auch im Rahmen ambulanter/stationärer Rehabilita­tion sind essentielle Therapiebausteine.

Graf J, Jörres RA, Lucke T, Nowak D, Vogelmeier C, Ficker JH: Medical treatment of COPD—an analysis of guideline-adherent prescribing in a large national cohort (COSYCONET). Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 599–605. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0599
Vogelmeier C, et al.: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. und der Deutschen Atemwegsliga e.V., unter Beteiligung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (Hrsg.): Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Pneumologie 2018; 72: 253–308
Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease: Global strategy for the diagnosis, management and prevention of chronic obstructive pulmonary disease (2020 Report). https://goldcopd.org/wp-content/uploads/2019/11/GOLD-2020-REPORT-ver1.0wms.pdf
Agusti A, et al.: Inhaled corticosteroids in COPD: Friend or foe? Eur Respir J 2018; 52 (6). pii: 1801219 CrossRef

Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz

Demenz-Erkrankungen zeigen nicht nur kognitive, sondern auch nicht-kognitive psychiatrische Symptome. Diese erschweren den Verlauf. Oft werden Psychopharmaka eingesetzt, die ein hohes Nebenwirkungsrisiko aufweisen. Die nicht-pharmakologischen Therapieoptionen stehen deswegen im Vordergrund. In diesem Artikel werden einzelne Interventionsmöglichkeiten auf der Basis der Empfehlungen der Schweizer Fachgesellschaften diskutiert.

Die Alzheimer-Demenz (AD) und andere Formen der Demenz-Erkrankungen haben eine Reihe von nicht-kognitiven Begleitsymptomen, die unter «behaviorale und psychologische Symptome der Demenz (BPSD)» zusammengefasst werden. Depression und Apathie sind die häufigsten Symptome, aber auch Agitation, Aggressivität, Wahn, Halluzinationen, Angst, Euphorie, Irritabilität, Enthemmung und Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen gehören zu BPSD (1). Fast alle Betroffene entwickeln im Krankheitsverlauf diese Symptome, zum Teil mehrere zeitgleich. Während Depression die AD von Anfang an begleiten kann, treten psychotische Symptome und Aggression eher im Spätstadium der Demenz auf.
Die BPSD haben schwerwiegende Folgen für die Betroffenen und deren Betreuer (2): die Alltagsfähigkeiten und die Lebensqualität verschlechtern sich, der kognitive Abbau schreitet schneller voran, und die Betreuung wird immer schwieriger. Die betreuenden Angehörigen entwickeln häufig selbst Depressionen. Im weiteren Verlauf der Demenz wird eine Institutionalisierung notwendig, weil vor allem aufgrund der BPSD eine Betreuung und Behandlung zuhause nicht mehr möglich ist.

Therapiemöglichkeiten für die BPSD

Heute steht eine Reihe von Therapiemöglichkeiten für die BPSD zur Verfügung. Hauptsächlich werden diese Symptome aber mit Psychopharmaka behandelt, die gerade in dieser vulnerablen Patientenpopulation zu Nebenwirkungen führen können. Die Schweizer Fachgesellschaften haben unter der Federführung der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -Psychotherapie (SGAP) 2014 die «Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der behavioralen und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD)» veröffentlicht, die einen interprofessionellen und interdisziplinären Ansatz für die Therapie der BPSD vorschlagen und die nicht-pharmakologischen Optionen in den Vordergrund stellen. Die Empfehlungen sind evidenzbasiert und berücksichtigen die klinischen Erfahrungen der Experten bei Interventionsmöglichkeiten, für die keine ausreichende Evidenz besteht.
Die Erfassung der BPSD ist die Basis für eine erfolgreiche Therapie. Anamnese inklusive Fremdanamnese, Verhaltensbeobachtung und standardisierte klinische Untersuchung sind Teil der Diagnostik. Verfahren wie das «Neuropsychiatrische Inventar (NPI)», die «Behavioral Pathology in Alzheimer’s Disease Rating Scale (BEHAVE-AD)» und das «Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease-Behavior Rating Scale for Dementia (CERAD-BRSD)» werden als Instrumente zur Erfassung der BPSD empfohlen (2). Als diagnostisches Instrument in der Pflege hat sich das Cohen-Mansfield-Agitation-Inventory zur Erfassung von agitiertem Verhalten bewährt. Für die Abklärung der Demenz-Erkrankung werden die Standards der Swiss Memory Clinics (3) und zur Diagnostik des Delirs als Differentialdiagnose die Empfehlungen der Schweizer Fachgesellschaften zur Prävention, Diagnostik und Therapie des Delirs im Alter (4) beigezogen.
Ältere Menschen mit Demenz weisen oft eine hohe Multimorbidität und infolge derer eine Polypharmazie auf. Der Einsatz von Psychopharmaka ist bei dieser Patientengruppe sehr problematisch, und mit erhöhtem Interaktions- und Nebenwirkungsrisiko verbunden. Die gängigen Leitlinien für die Therapie der BPSD empfehlen deswegen durchgehend die nicht-pharmakologischen Therapien als erste Wahl anzubieten und erst wenn diese nicht ausreichend wirken, die Option der Psychopharmakotherapie in Erwägung zu ziehen (2, 5 – 8). Und wenn Psychopharmaka eingesetzt werden, sollen die nicht-pharmakologischen Interventionen begleitend weiterhin angeboten werden.

Nicht-pharmakologische Interventionen

Die pflegerischen Interventionen mit einem «verstehenden Ansatz» auf der Basis des «Bedürfnisbedingten Demenz-Verhaltensmodells (Need-Driven-Dementia-Compromised Behavior Modell-NDB)» haben sich in der Grundpflege von Demenz-Patienten mit BPSD gut bewährt (2). Bei diesem Modell werden die BPSD als Ausdruck der Unfähigkeit, Bedürfnisse ausreichend zu vermitteln, verstanden. Durch Beobachtung und Einbezug der individuellen Vorgeschichte des Betroffenen sollen die Bedürfnisse verstanden und gestillt werden. Verfahren wie «Serial Trial Intervention-STI» und Fallgespräche, die Bezugspersonenarbeit, den Informationsaustausch und die Zielvereinbarungen verbessern, können dabei die Umsetzung erleichtern. Für besondere Problemsymptome wie Aggressivität, disruptive Vokalisation und sexuelle Enthemmung sind strukturierte Empfehlungen vorhanden.
Psychosoziale Interventionen mit einem psychoedukativen Ansatz und Sozialberatung sind bewährte Interventionen (2). Bei der Psychoedukation wird Wissen über die Erkrankung, Prognose, Selbsthilfestrategien und Therapiemöglichkeiten vermittelt. Diese Intervention kann als Einzelgespräch oder in Gruppe angeboten werden, und ist wirksamer, wenn die Angehörigen miteinbezogen werden. Die Sozialberatung berät die Betroffenen und ihre Angehörige über gesetzliche, soziale, finanzielle und organisatorische Aspekte in Zusammenhang mit der Krankheit und trägt so zur Entlastung der Betreuer bei. Milieutherapeutische Massnahmen, die ein strukturiertes und gesichertes Umfeld anbieten lindern BPSD.
Eine Reihe von anderen nicht-pharmakologischen Interventionen helfen BPSD zu reduzieren (2, 5, 6). Bei Agitation ist Aromatherapie mit Lavendel- oder Melissenöl wirksam. Musiktherapie, einzeln oder in Gruppe individualisiert angeboten, wirkt bei agitierten Patienten, aber nicht bei Apathie. Die Befunde über die Wirksamkeit von sensorischer/basaler Stimulation sind sehr heterogen, aber als Teil der Körperpflege eingesetzt trägt sie durchaus zur Beruhigung der Betroffenen bei. Snoezelen ist ein multisensorisches Stimulationsverfahren, welches visuelle, akustische, olfaktorische, taktile und vestibuläre Stimuli anbietet damit die Patienten in speziell dafür konstruierten Räumlichkeiten Ruhe finden. Es hilft bei Aggressivität, Agitation und Apathie. Leider gibt es für die Aktivierungstherapie keine gute Evidenz, aber die klinische Erfahrung zeigt, dass die gezielte Förderung von Alltagsfähigkeiten mit individueller Bedeutung helfen kann, BPSD zu verbessern. Schliesslich besteht die beste Evidenzlage für die Bewegungsförderung bei Demenz-Patienten. Oft kombiniert mit Musik, Tanz und Orientierungshilfen im Alltag kann sie in verschiedenen Formen angeboten werden und hat positive Auswirkungen auf funktionelle und kognitive Leistungsfähigkeit.
Psychologisch-psychotherapeutische Verfahren wie z.B. Verhaltensmanagement, Interventionen bei Betreuern, kognitive Stimulation, Stimuluskontrolle, strukturierter Lebensrückblick und Aufbau angenehmer, strukturierter Aktivitäten haben positive und anhaltende Wirksamkeit bei verbal zugänglichen leicht bis mittelgradig dementen Patienten (2, 6). Vor allem der kombinierte Einsatz von Psychotherapie, Psychoedukation und praktischer Unterstützung der Angehörigen zeigt die beste Wirksamkeit, vor allem bei Depression und Angst. Lichttherapie ist vor allem bei Schlafstörungen und bei zirkadianen Rhythmusstörungen eine gute Option.

Pharmakologische Interventionen

Wenn diese Verfahren keine Linderung der Symptome bringen kann eine Pharmakotherapie erwogen werden. Der Einsatz der Psychopharmaka in dieser Patientengruppe muss aber sehr kritisch betrachtet werden (2). Die Indikation soll regelmässig überprüft werden und der Einsatz soll zeitlich limitiert erfolgen. Die Pharmakokinetik und -dynamik der Medikamente ändern sich im Alter, weswegen die Grundsätze des Einsatzes von Psychopharmaka bei älteren Menschen eingehalten werden müssen (2): in erster Linie nicht-pharmakologische Optionen erwägen, ein individueller Therapieplan, Erfassung der aktuellen Medikamente, der Interaktionen und der Nebenwirkungen, wenn möglich Monotherapie in niedrigster Dosierung, möglichst auf viele kleinere Dosis verteilt und Vermeidung von Anticholinergika, Antihistaminika und Dopaminagonisten.
Weil sie neben kognitiven Symptomen auch BPSD positiv beeinflussen können und weil ihr Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu alternativen Medikamenten vorteilhaft ist, sind die Antidementiva Medikamente der ersten Wahl in der Pharmakotherapie der BPSD (2). Die
Cholinesterasehemmer wirken dabei eher bei Apathie, Depression und Irritabilität, und Memantin eher bei Agitation, Aggressivität, Wahn und Halluzinationen. Die Behandlung der Depression und Angst mit Antidepressiva, vorzugsweise mit Serotoninwiederaufnahmehemmer (keine trizyklischen Antidepressiva!), verbessert nicht nur die BPSD sondern auch Kognition und Alltagsfähigkeiten. Da der Einsatz von Antipsychotika mit erhöhter Mortalität, Schlaganfallrisiko und Nebenwirkungen verbunden ist, soll der Einsatz dieser Substanzen bei klarer Indikation und zeitlich begrenzt erfolgen. Atypische Antipsychotika sind zu bevorzugen, Haloperidol kann bei Übergängen zum Delir eingesetzt werden. Der Einsatz von Neuroleptika erfolgt in meisten Fällen off-Label! Kurz wirksame Benzodiazepine werden nur bei Notfällen und zeitlich limitiert empfohlen. Carbamazepin wird erst empfohlen, wenn die anderen Medikamente nicht wirken, vom Valproat wird grundsätzlich abgeraten. Für Medikamente wie Gabapentin und Lamotrigin sind keine kontrollierten Studien vorhanden, aber die klinische Erfahrung zeigt gute Wirksamkeit bei einzelnen BPSD. Chloralhydrat und Clomethiazol werden nicht empfohlen. Schmerzbehandlung mit Analgetika kann BPSD lindern und soll deswegen angeboten werden. Bei Demenz mit Lewy-Körperchen und Parkinson-Demenz werden Cholinesterasehemmer, Quetiapin oder Clozapin empfohlen. Bei der frontotemporalen Demenz zeigt die Pharmakotherapie keine Wirksamkeit.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Egemen Savaskan

Klinik für Alterspsychiatrie
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Minervastrasse 145
8032 Zürich

egemen.savaskan@puk.zh.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Nicht-kognitive Symptome (BPSD: Behaviorale und psychologische Symptome der Demenz) wie Depression, Apathie, Agitation, Aggressivität, Wahn, Halluzinationen, Angst, Euphorie, Irritabilität, Enthemmung und Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen begleiten Demenz-Erkrankungen.
  • BPSD sind sehr häufig. Fast alle PatientInnen entwickeln im Verlauf mindestens ein Symptom.
  • Während Symptome wie Depression und Apathie vom Anfang an die Demenz begleiten können, treten BPSD wie Aggressivität, Agitation und psychotische Symptome erst im späteren Verlauf auf.
  • Nicht-pharmakologische Interventionsmöglichkeiten sind Therapie der ersten Wahl, weil bei älteren Betroffenen die Nebenwirkungen und Interaktionen der Psychopharmaka stärker ausgeprägt sind.
  • Wenn bei älteren Personen Psychopharmaka eingesetzt werden müssen, sollen allgemeine Richtlinien des Psychopharmaka-Einsatzes strenger gehandhabt werden.

1. Lyketsos CG, Carrillo MC, Ryan JM, Khachaturian AS, Trzepacz P, Amatniek J, Cedarbaum J, Brashear R, Miller DS. Neuropsychiatric symptoms in Alzheimer’s disease. Alzheimers Dement, 2011;7(5):532-9.
2. Savaskan E, Bopp-Kistler I, Buerge M, Fischlin R, Georgescu D, Giardini U, Hatzinger M, Hemmeter U, Justiniano I, Kressig RW, Monsch A, Mosimann UP, Mueri R, Munk A, Popp J, Schmid R, Wollmer MA. Recommendations for diagnosis and therapy of behavioral and psychological symptoms in dementia (BPSD). Praxis, 2014;103(3):135-48.
3. Bürge M, Bieri G, Brühlmeier M, Colombo F, Demonet JF, Felbecker A, Georgescu D, Gietl A, Brioschi Guevara A, Jüngling F, Kirsch E, Kressig RW, Kulic L, Monsch AU, Ott M, Pihan H, Popp J, Rampa L, Rüegger-Frey B, Schneitter M, Unschuld PG, von Gunten A, Weinheimer B, Wiest R, Savaskan E. Recommendations of Swiss Memory Clinics for the Diagnosis of Dementia. Praxis, 2018;107(8):435-451.
4. Savaskan E, Baumgartner M, Georgescu D, Hafner M, Hasemann W, Kressig RW, Popp J, Rohrbach E, Schmid R, Verloo H. Empfehlungen zur Prävention, Diagnostik und Therapie des Delirs im Alter. Praxis, 2016;105(16):941-52.
5. de Oliveira AM, Radanovic M, de Mello PC, Buchain PC, Vizzotto AD, Celestino DL, Stella F, Piersol CV, Forlenza OV. Nonpharmacological Interventions to Reduce Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia: A Systematic Review. Biomed Res Int, 2015;2015:218980.
6. Bessey LJ, Walaszek A. Management of Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia. Curr Psychiatry Rep, 2019;21(8):66.
7. Cummings J, Ritter A, Rothenberg K. Advances in Management of Neuropsychiatric Syndromes in Neurodegenerative Diseases. Curr Psychiatry Rep, 2019;21(8):79.
8. Gerlach LB, Kales HC. Managing Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia. Psychiatr Clin North Am, 2018;41(1):127-139.

Aktuelle antidiabetische Therapie bei Herzerkrankungen

In den letzten Jahren gab es enorme Fortschritte im Bereich der Therapie von Diabetes mellitus Typ 2. Dies ist unter anderem durch die neu entwickelten Medikamente bedingt, welche in kardiovaskulären Endpunktstudien bewiesen, dass sie die Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Ereignisse reduzieren, die Entwicklung einer Herzinsuffizienz verlangsamen und die Nierenfunktion schützen.

Ces dernières années, d’ énormes progrès ont été réalisés dans le traitement du diabète sucré de type 2, en partie grâce à des médicaments récemment mis au point dont les études sur les paramètres cardiovasculaires ont montré qu’ ils réduisaient la mortalité de toutes causes et les événements cardiovasculaires, ralentissaient le développement de l’ insuffisance cardiaque et protégeaient la fonction rénale.

Diabetes mellitus betrifft weltweit geschätzt einen von elf Erwachsenen. Von den verschiedenen Folgeerkrankungen bei Menschen mit Diabetes kommt der koronaren Herzerkrankung und der Herzinsuffizienz eine immer grössere Bedeutung zu. Die koronare Herzerkrankung hat in den letzten Jahrzehnten bei Diabetes mellitus kontinuierlich abgenommen, ist aber immer noch höher als bei Menschen ohne Diabetes mellitus. Demgegenüber hat sich die Prävalenz der Herzinsuffizienz bei Personen mit Diabetes während dieser Zeitspanne verdreifacht und der Prozentsatz der Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz beträgt mindestens 25% (1).

Es gibt zwei Arten der Herzinsuffizienz:

  • Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurfsfraktion (HFPEF, «heart failure with preserved ejection fraction»): diese Form macht ¾ aller Fälle von Herzinsuffizienz bei Typ-2-Diabetes aus und zeigt eine linksventrikuläre Auswurfsfraktion > 40%. Die Diagnose in der Praxis von Allgemeininternisten ist aber schwierig, weil sich diese Form praktisch nur mit einer Doppler-Echokardiografie des Herzens durch den Kardiologen zweifelsfrei diagnostizieren lässt.
  • Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurfsfraktion (HFREF, «heart failure with reduced ejection fraction»), welche ¼ der Patienten mit Herzinsuffizienz und Diabetes betrifft und häufig symptomatisch ist mit Anstrengungsdyspnoe, Orthopone, sowie Vorhofflimmern.

Obwohl mittlerweile viele wirksame Medikamente verfügbar sind, erreicht lediglich die Hälfte der an Diabetes mellitus erkrankten Patienten ihr individuelles HbA1c-Ziel (2). Gründe hierfür sind vielfältig und umfassen nicht nur die von vielen Patienten praktizierte fehlende Adhärenz zu den verordneten Medikamenten. Auch die mannigfaltigen Therapiemöglichkeiten und Kombinationen machen die medikamentöse Behandlung komplex. Der vorgestellte Behandlungsalgorithmus basiert auf den Empfehlungen der «Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie» (SGED), welche 2020 verabschiedet wurden (www.sgedssed.ch).

Kardiovaskuläre Endpunktstudien mit den neueren Medikamentengruppen seit 2008

SGLT2-Hemmer

SGLT2-Hemmer hemmen den Natrium/Glukose-Cotransporter 2 (SGLT2) in den proximalen Tubuli der Nieren, was die Rückresorption von Glukose aus dem Primärurin reduziert. Sie führen nicht zu Hypoglykämien und gehen mit einem Gewichtsverlust einher.
Mit folgenden Substanzen konnten wesentliche Vorteile in Bezug auf 3-Punkte MACE, kardiovaskuläre Mortalität und Herzinsuffizienz gezeigt werden: Empagliflozin (Jardiance®), Canagliflozin (Invokana®) und Dapagliflozin (Forxiga®) (3-6). Ertugliflozin (Steglatro®) wurde als vierter SGLT2-Hemmer zugelassen. Die Wirksamkeit konnte in der «VERTIS MONO» Studie gezeigt werden (7). Die Resultate der «VERTIS CV» Studie zur Beurteilung der kardiovaskulären Sicherheit sind noch ausstehend.
Hinsichtlich renaler Endpunkte zeigte sowohl die «EMPA-REG OUTCOME» Studie für Empagliflozin als auch die «CREDENCE» und «CANVAS» Studien für Canagliflozin eine signifikant langsamere Progression von Nierenerkrankungen. Die «EMPA-REG OUTCOME» und «CREDENCE» Studien zeigten den sicheren Einsatz bis zu einer eGFR von 30 ml/min (8, 9) .
Aufgrund dieser Studienlage kann zum aktuellen Zeitpunkt von einem Klasseneffekt in Bezug auf die Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität, respektive von einem positiven Effekt auf die Herzinsuffizienz und Nierenfunktion ausgegangen werden.

GLP-1-Rezeptor-Agonisten

Die GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1 RA) binden wie das körpereigene Inkretin GLP-1 an die GLP-1-Rezeptoren und führen zu einer erhöhten Insulinausschüttung und Hemmung der Glukagonsekretion. Daneben hemmen sie den Appetit und führen zu einem Gewichtsverlust. Die «LEADER» Studie konnte 2016 zeigen, dass Liraglutid (1× täglich, Victoza®) bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 und hohem kardiovaskulärem Risiko zu einer signifikanten Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen und der Gesamtmortalität führt (10). Im gleichen Jahr zeigte sich bei Semaglutid (1× wöchentlich, Ozempic®) in der «SUSTAIN-6» Studie eine signifikante Reduktion von nicht-tödlichen Schlaganfällen, jedoch keine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität (11). Hinsichtlich der kardiovaskulären Ereignisse war die neu entwickelte orale Gabe von Semaglutid in der «PIONEER 4» der subkutanen Gabe nicht unterlegen (12, 13).
Dulaglutid (1× wöchentlich, Trulicity®) senkte in der «REWIND» Studie kardiovaskuläre Ereignisse, hatte jedoch ebenfalls keine Reduktion der kardiovaskulären Mortalität zur Folge (14), aber eine deutliche Reduktion der Apoplexie (15, 16).
Sowohl Liraglutid in der «LEADER» Studie als auch Dulaglutid in der «REWIND» Studie zeigten bessere renale Endpunkte (17, 18). Hinsichtlich der Sicherheit bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion können GLP-1-Rezeptor-Agonisten auch bei schwer eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 30 ml/min) eingesetzt werden und sind in dieser Situation somit eine Alternative zu DPP-4-Hemmern (17).
Im Wesentlichen konnten die humanen GLP-1-Rezeptor-Agonisten positive Effekte in den Endpunktstudien aufweisen, während die kurzwirksamen, von Exenatid abgeleiteten Medikamente, dies nicht belegen konnten. Deshalb sind GLP-1 RA aufgrund der stärkeren Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patienten empfehlenswert (eine Kostenrückerstattung erfolgt nur bei einem BMI ≥ 28 kg/m2 und in Kombination mit Metformin oder Sulfonylharnstoffen).

DDP-4-Hemmer

Die Hemmung der Dipeptidylpeptidase 4 (DPP-4) führt analog zu den GLP-1-RA zu einer verlängerten Inkretin-Wirkung. Aufgrund dessen macht wegen des gleichen Wirkungsmechanismus eine Kombination mit einem GLP-1 RA keinen Sinn.
Insgesamt wiesen die DPP-4-Hemmer Alogliptin (Vipidia®), Linagliptin (Trajenta®) und Sitagliptin (Januvia®) einen neutralen Effekt auf kardiovaskuläre Ereignisse auf (19-22). Zu beachten ist, dass Saxagliptin (Onglyza®) in der «SAVOR-TIMI 53» Studie als bisher einzigen DDP-4-Inhibitor zu häufigeren Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz führte (23). Vorteile der DPP-4-Hemmer sind die Verabreichung selbst bei dialysepflichtiger Niereninsuffizienz und die fehlenden Nebenwirkungen.

Therapieempfehlungen bei Typ 2 Diabetes mellitus

Wie auf Abbildung 1 ersichtlich ist, ist die primäre Therapie für alle Patienten mit Typ 2 Diabetes eine frühe Kombination von Metformin und SGLT-2 Hemmern oder Metformin und GLP-1- Rezeptor-Agonisten. Diese Empfehlung gilt unabhängig davon, ob der Patient bereits eine kardiovaskuläre Erkrankung hat, denn Patienten mit Typ 2 Diabetes mit einem geringen oder mässigen kardiovaskulären Risiko existieren praktisch nicht (Patienten < 50 Jahre mit einer Diabetesdauer < 10 Jahre) (24).

Initiale Wahl: SGLT2-Hemmer oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten?

Während beide Klassen die sogenannten 3-Punkte MACE (schwere kardiovaskuläre Komplikationen definiert als nicht tödlichen Schlaganfall, nicht tödlichen Myokardinfarkt und kardiovaskulären Tod) reduzieren, können die Unterschiede gezielt für eine personalisierte Therapie genutzt werden. Wie in Tabelle 1 ersichtlich, führen GLP-1-Rezeptor-Agonisten zu einem stärkeren Gewichtsverlust sowie zu einer Reduktion von Schlaganfällen (11, 15, 16). Hingegen bieten SGLT2-Hemmer eine stärkere Nephroprotektion und eine Verzögerung der Herzinsuffizienz beziehungsweise weniger Hospitalisationen aufgrund einer Herzinsuffizienz (3-6). Aufgrund der vielen Vorteile besteht Hoffnung, dass eine Kombination dieser beiden Medikamentengruppen den grössten Vorteil für Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus bieten könnte, insbesondere bei einer koronaren Herzkrankheit und/oder Herzinsuffizienz (25).

Empfehlungen bei koronarer Herzkrankheit und/oder Herzinsuffizienz

Weil koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz mit einer langen Diabetesdauer, chronischer Niereninsuffizienz und einer schlechten Blutzuckereinstellung assoziiert sind, müssen drei Kernfragen beantwortet werden, bevor eine individuelle, verbindliche Therapieempfehlung gemacht werden kann (Abb. 2).

Die erste und wichtigste Frage betrifft immer das Insulin: Benötigt der Patient Insulin?

Ist der HbA1c-Wert des Patienten > 10% bei Abwesenheit der Schlüsselmerkmale des metabolischen Syndroms wie viszerale Adipositas und der typischen Dyslipidämie (niedriges HDL-Cholesterin und hohe Triglyzeride), und zeigt der Patient klinische Symptome des Insulinmangels (Gewichtsverlust, Polyurie und Polydipsie), ist die Gabe von Insulin niemals falsch. Nachdem sich die Blutzuckerwerte normalisiert haben, kann entschieden werden, ob Insulin weiterhin verabreicht wird. Bei einem kleinen Prozentsatz der Patienten kann ein Typ 1 Diabetes mellitus (auch bei hohem Alter) oder eine Pankreaserkrankung, wie eine chronische Pankreatitis oder Hämochromatose vorliegen, und deshalb eine Insulintherapie notwendig machen.

Die zweite Frage bezieht sich auf die Nierenfunktion

Dieser Aspekt wirkt sich direkt auf die Wahl des Antidiabetikums aus. 25% aller Patienten mit Typ 2 Diabetes mellitus in der Schweiz haben eine chronische Nierenerkrankung mit einer eGFR < 60 ml/min. (26). Die meisten Medikamente können nicht verschrieben werden, wenn die eGFR unter 30 ml/min liegt (dies ist allerdings ein kleiner Prozentsatz von 2.4% (26). Ist dies der Fall, können SGLT-2 Hemmer, Metformin und Sulfonylharnstoffe nicht mehr eingesetzt werden. DPP-4 Hemmer und GLP-1 RA können in dieser Situation verschrieben werden. Bei den GLP-1 RA ist auf Übelkeit und Erbrechen zu achten, sie sind aber auch bei Dialysebedürftigkeit nicht gefährlich für den Patienten mit Diabetes mellitus.

Die dritte Frage betrifft die Herzinsuffizienz

Die bevorzugte Therapie bei Patienten mit Diabetes und einer Herzinsuffizienz oder zur Prävention der Herzinsuffizienz sind die SGLT-2 Hemmer, welche bis zu einer eGFR von 30 ml/min sicher eingesetzt werden können. Mit Reduktion der Nierenfunktion sinkt zwar der blutzuckersenkende Effekt, die Wirkungen auf 3-Punkte MACE, Erhaltung der Nierenfunktion und Therapie respektive Prävention von Herzinsuffizienz bleiben voll erhalten.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Zweitabdruck des in «der informierte arzt» 06-2020 erschienen Originalartikels.

Prof. Dr. med.Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Der Autor deklariert Teilnahme an Advisory Boards und Referentenhonorare von Novo Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier und Astra Zeneca.

  • Mit den SGLT2-Hemmern und den GLP-1-RA gibt es zwei Klassen, welche kardiovaskuläre Ereignisse, die kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtmortalität senken sowie eine Nephroprotektion zeigen.
  • Der Arzt muss zudem die Patientenpräferenzen wie keine Hypogly-kämien und Wunsch nach Gewichtsabnahme berücksichtigen, aber auch die Verringerung von Mortalität und von kardiovaskulären
    Ereignissen und Herzinsuffizienz. Sulfonylharnstoffe (21) und DPP-4-Hemmer (19-22) haben in Bezug auf diese harten Endpunkt-Parameter keinen Effekt.
  • Unter Berücksichtigung der kardiovaskulären Endpunkte, der Nieren-
    funktion und des Vermeidens von Hypoglykämien und einer Verminderung des Körpergewichts sind SGLT-2 Hemmer und GLP-1 RA die bevorzugten Medikamente und eine Tripelkombination mit Metformin wäre v.a. bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit und/oder
    einer Herzinsuffizienz zu empfehlen.

Messages à retenir

  • Avec les inhibiteurs SGLT2 et les GLP-1-RA, il existe deux classes qui montrent une réduction des événements cardiovasculaires, de la mortalité cardiovasculaire et de la mortalité de toutes causes ainsi qu’ une néphroprotection.
  • Le médecin doit également tenir compte des préférences du patient, comme l’ absence d’ hypoglycémie et le désir de perdre du poids, mais aussi de la réduction de la mortalité et des événements cardiovasculaires et de l’ insuffisance cardiaque. Les sulfonylurées (21) et les inhibiteurs de la DPP-4 (19-22) n’  ont pas d’ effet sur ces paramètres de point final durs.
  • En tenant compte des paramètres cardiovasculaires, de la fonction rénale et de l’ évitement de l’ hypoglycémie et de la réduction du poids corporel, les inhibiteurs SGLT-2 et les GLP-1 RA sont les médicaments préférés et une triple association avec la metformine serait particulièrement recommandée chez les patients souffrant de coronaropathie et/ou d’ insuffisance cardiaque.