Heterotope Zervixschwangerschaft mit parazervikaler Lokalisation

Eine heterotope Zervixschwangerschaft nach spontaner Konzeption ist ein extrem seltenes Ereignis. Es besteht ein hohes Blutungsrisiko, daher ist eine frühzeitige Diagnosestellung und eine individuelle Therapieplanung erforderlich. Dieser Fall beschreibt die Diagnose und Therapie einer heterotopen Zervixschwangerschaft nach spontaner Konzeption.

Eine Zervixschwangerschaft nach spontaner Konzeption ist mit < 1% aller ektopen Schwangerschaften ein seltenes Ereignis (1). Ihr Vorkommen ist komplikationsträchtig und kann zu sehr starken Blutungen bis hin zu Bluttransfusionen und zur Hysterektomie führen. Plazentationsstörungen und Gefässaberrationen der intracavitären Schwangerschaft kommen in diesem Zusammenhang ebenfalls gehäuft vor (2). Eine frühzeitige Diagnosestellung durch verbesserte Ultraschalltechniken und eine frühzeitige Intervention führt zu einer signifikanten Verringerung der Komplikationen. Durch das meist frühe Auftreten von Symptomen wie Blutungen, erfolgt die Diagnose am häufigsten zwischen 5 und 8 Schwangerschaftswochen (3).
Als heterotope Gravidität wird das simultane Auftreten einer intra- und extrauterinen Schwangerschaftsanlage bezeichnet. Die Angaben zur Häufigkeit variieren zwischen 1:2600 und 1:30 000. Das Risiko erhöht sich auf bis zu 1:100 nach assistierter Reproduktion und auf 1:4000 bis 1:80 000 nach vorangegangener Tubargravidität, PID (pelvic inflammatory disease) oder bei Endometriose. Weitere Risikofaktoren sind Intrauterinpessare und Status nach Sectio. Auch ein höherer Nikotinkonsum ist für eine Risikoerhöhung verantwortlich (4). Die meisten heterotopen Anlagen befinden sich in den Tuben.
Bei asymptomatischen Frauen mit vorliegender intrauteriner Schwangerschaft wird die heterotope Schwangerschaftsanlage initial häufig übersehen (5).
Die heterotope Zervixschwangerschaft ist extrem selten. In der Literatur gibt es hierzu lediglich einzelne Fallbeschreibungen. Das Vorkommen nach spontaner Konzeption ist eine Rarität. Die Vorgehensweisen zur Therapie sind sehr heterogen. Es wurde verschiedentlich versucht, die Zervixschwangerschaft medikamentös durch Instillation von Kaliumchlorid oder operativ durch Aspiration zu behandeln. Blutungskomplikationen aus der Zervix wurden mit Ballonkathetereinlage oder Cerclagenähten begegnet (6). In einigen Fällen wurde versucht, die intrauterine Schwangerschaft zu erhalten, was in einer retrospektiven Analyse zu 14 Lebendgeburten bei 39 beschriebenen Fällen führte (7).

Fallvorstellung

Eine 34 Jährige IG/0P wurde in der 11+5 Schwangerschaftswoche (SSW) mit der Verdachtsdiagnose einer heterotopen Zervixschwangerschaft vorgestellt. In der Anamnese hatte sie eine laparoskopische Ovarialzystenenukleation und eine laparoskopische Appendektomie. Anamnestisch bestand eine nicht näher bezeichnete und derzeit nicht therapierte Endometriose. Weiter bestand ein Nikotinabusus von 17 pack years und ein Alkoholkonsum, den die Patientin aber negierte. Sie war nun ungewollt spontan schwanger geworden. Es bestanden keine Symptome.

Befunde

Auch hier bestand die Situation, dass die zervikale Anlage nicht auf einen ersten Blick zu erkennen war (Abb.1). Es präsentierte sich ein vitaler, sonomorphologisch unauffälliger und zeitgerechter Fetus mit regelrechter intrauteriner Implantation mit einer Scheitel-Steiss-Länge von 46 mm und einer unauffälligen Morphologie. Gleichzeitig stellte sich eine missed Abortion im caudalen Drittel der Zervix rechts lateral mit einer avitalen Embryonalanlage und einer Scheitel-Steiss-Länge von 10 mm dar. (Abb. 2)
Besonders war die Lokalisation der Zervixschwangerschaft. In den bisher publizierten Fällen war sie zentral in der Zervix gelegen. In diesem Fall lag sie im caudalen Drittel der Zervix mit einer lateralen Unterbrechung der Kontinuität der Zervixwand wodurch die Trophoblastgrenze unmittelbar an die aufsteigenden rechten Uteringefässe (Abb. 3 und 4) angrenzte. Gleichzeitig war sie von Abdominalsonographisch sowie in der Standardeinstellung des Zervikalkanals nicht ohne weiteres zu erfassen.

Therapieoptionen

Verschiedene Therapiealternativen wurden mit der Patientin besprochen:

  • Austragen der Schwangerschaft unter engmaschiger Überwachung bei erhöhtem Blutungsrisiko. Gegebenenfalls Anlage von Cerclagenähten zur Blutungskontrolle
  • Fetozid des vitalen Fetus durch intrakardiale KCL Instillation mit anschliessender Methotrexat (MTX) Multidose-Therapie
  • Saugkürettage im Intervall
  • Reevaluation nach Bedenkzeit bei ambivalentem Desiderium

Vorgehen

Die Patientin war unerwartet und ungewollt schwanger geworden. Sie stand der Schwangerschaft ambivalent gegenüber und tendierte dazu, einen Schwangerschaftsabbruch zu machen. Aufgrund der Komplexität der Situation konnte sie aber keine schnelle Entscheidung treffen.
Die Patientin wünschte nach einwöchiger Bedenkzeit eine definitive Beendigung der Schwangerschaft. Diese wurde beim vitalen intrauterinen Fetus mit einer 2 ml KCL Injektion intrakardial initiiert. Nach einer ca. 20 Sekunden anhaltenden Asystolie kam es zu einer zwei Minuten andauernden Bradykardie, bis der Fetus schliesslich wieder eine normale Herzfrequenz hatte. Da sich die erste Punktion aus verschiedenen Gründen sehr schwierig gestaltet hatte, wurde die Re-Punktion unter Analgosedierung in einem operativen Setting durchgeführt. Diese gelang dann bei schmerzfreier Patientin, entspannter Bauchdeckenmuskulatur und sediertem Fetus ohne erneute Zwischenfälle.
Im Anschluss wurde der Patientin zweimal MTX mit 1 mg/kg Körpergewicht im einwöchigen Intervall gegeben. Vor der zweiten und dritten Konsultation wurden jeweils ein Labor mit HCG-Verlauf und eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt.
Es wurden insgesamt zwei Gaben MTX 75 mg im. appliziert. Wir haben diese Vorgehenseise gewählt weil die Erfolgsraten von MTX alleine bei einem HCG über 10.000 IU/l und positiver Herzaktion nicht gut sind und eine Kombination diese verbessert (8).
Nach zwei Wochen, in der rechnerisch 14 6/7 SSW wurde bei deutlich sinkendem HCG, beginnenden uterinen Kontraktionen und beginnenden sonographischen Ablösungszeichen der intrauterinen Plazenta eine Saugkürettage nach einem Zervixpriming mit 400 µg Cytotec® (Misoprostol) intravaginal durchgeführt. Hierbei wurde darauf geachtet, den Sog erst intrauterin zu applizieren, da es das Ziel war, die Zervixschwangerschaft mit weiterhin unverändert darstellbarem Gefässreichtum untangiert in Situ zu belassen.
Der Eingriff liess sich ohne Komplikationen vor allem ohne nennenswerten Blutverlust durchführen. Die HCG-Verlaufskontrollen bis zu einem negativen Wert, sowie die sonographischen Verlaufskontrollen wurden im Anschluss vom zuweisenden Kollegen extern durchgeführt, da die Patientin einen über 2-stündigen Anfahrtsweg hatte. In der Folge liess sich in den Kontrollen in der Zervix nur noch eine kleine residuale zystische Struktur darstellen. Die Patientin war beschwerdefrei und hatte keine atypischen Blutungen.

Dr. med. Carolin Blume

Chefärztin Geburtshilfe Kantonsspital Graubünden
Frauenklinik Fontana
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

carolin.blume@ksgr.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Eine Heterotope Zervixschwangerschaft ist ein extrem seltenes Ereignis und erfordert eine individuelle Therapiestrategie.
  • Das Risiko einer vaginalen Blutung ist bereits in der Frühschwangerschaft sehr hoch und limitiert den Erhalt der Schwangerschaft.
  • Eine intrauterine Gravidität birgt die Gefahr, dass die zusätzliche extrauterine Gravidität initial übersehen wird
  • Bei heterotopen Schwangerschaftsanlagen kommen Plazentationsstörungen der intrauterin gelegenen Schwangerschaft häufiger vor

1. Gun M, Mavrogiorgis M. Cervical ectopic pregnancy: a case report and literature review. Ultrasound Obstet Gynecol 2002;19:297–301
2. Saito K, Fukami M, Miyado M, Ono I, Sumori K. Case of heterotopic cervical pregnancy and total placenta accreta after artificial cycle frozen-thawed embryo transfer. Reprod Med Biol. 2018;17:89-92.
3. Tal J, Haddad S, Gordon N, Timor-Tritsch I. Heterotopic pregnancy after ovulation induction and assisted reproductive technologies: a literature review from 1971 to 1993. Fertil Steril 1996; 66: 1–12.
4. Diesch. Heterotope Schwangerschaft – eine aktuelle Literaturübersicht
5. Speculum – Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2005; 23 (1) 17-17
6. Zinn HL, Cohen HL, Zinn DL. Ultrasonographic diagnosis of ectopic pregnancy: importance of transabdominal imaging. J Ultrasound Med 1997; 16: 603–7.
7. Faschingbauer F, Mueller A, Voigt F, Beckmann M, Goecke T. Treatment of heterotopic cervical pregnancies. Fertil Steril. 2011; 95: 9-13
8. Moragianni VA, Hamar BD, McArdle C, Ryley DA. Management of a cervical heterotopic pregnancy presenting with first-trimester bleeding: case report and review of the literature. Fertil Steril. 2012;98: 89‐94
9. Bai SW, Lee JS, Park JH, Kim JY, Jung KA, Kim SK,Park KH. Failed methotrexate treatment of cervical pregnancy. Predictive factors. J Reprod Med. 2002;47(6):483- 488.

Highlights vom SABCS 2019

Zum 42. Mal fand Anfang Dezember das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), wahrscheinlich einer der wichtigsten Brustkrebs-Kongresse, statt. Über 7500 Teilnehmer aus mehr als 90 Ländern nahmen am Kongress teil.
Während 4.5 Tagen wurde bei vorweihnächtlicher Stimmung eine eindrückliche Menge an neuen Daten präsentiert und diskutiert. In der folgenden Zusammenfassung wurden Präsentationen zusammengefasst, die für praktizierende Gynäkologinnen und Gynäkologen am relevantesten sein könnten.

Endokrine Therapie

IBIS-II-Studie

Kann eine medikamentöse Brustkrebsprävention das Risiko von Brustkrebs bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko reduzieren? In der randomisierten IBIS-II Studie konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von Anastrozol über fünf Jahre bei Hochrisikopatientinnen das Brustkrebsrisiko signifikant reduziert und die präventive Wirkung über bis zu zwölf Jahren anhält.
Jack Cuzick präsentierte mit der IBIS-II Studie die Langzeit Resultate der Einnahme einer prophylaktischen antihormonellen Therapie mit Anastrozol über 5 Jahre im Follow-up (1). In der Studie wurden Patientinnen zwischen 40-70 Jahren eingeschlossen, welche ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs hatten (Familienanamnese, Atypie/LCIS, hohe Brustdichte) und keine Hormontherapie einnahmen. Es wurden 3864 Patientinnen eingeschlossen, davon 1920 Patientinnen in den Anastrozol Arm (1 mg/die), 1944 Patientinnen wurden in den Placebo Arm eingeschlossen. Nach 10.9 Jahren Follow-up wurde bei insgesamt 241 Patientinnen Brustkrebs diagnostiziert. Obwohl die Brustkrebsinzidenz in den ersten 5 Jahren mit 4.6% in der Placebo Gruppe versus 1.8% in der Anastrozol Gruppe (HR = 0.39 (0.27-2.58), P < 0.0001) deutlich besser war, zeigte sich nach 10.9 Jahren Follow-up immer noch eine signifikante Senkung der Brustkrebsinzidenz von 3.5% in der Anastrozol Gruppe versus 4.4% in der Placebo Gruppe (HR = 0.64 (0.45-0.91), P = 0.014). Gesamthaft zeigt sich somit ein Vorteil in der Anastrozol Gruppe mit 5.3% versus 8.8% in der Placebo Gruppe (HR 0.51 (0.39-0.66), p-Value < 0.0001) mit einer Number Needed to Treat (NTT) von 29. (Abb. 1).

ER-positive, invasive Mammakarzinome wurden mit 54% in der Anastrozol Gruppe vermindert gesehen (HR=0.46 (0.33-0.65), P<0.0001), jedoch zeigte sich kein signifikanter Effekt bei den ER-negativen Mammakarzinomen (HR = 0.77 (0.41-1.44), P = 0.4). Ebenfalls ergab sich eine gesamthafte Senkung der DCIS, vor allem bei ER-positivem DCIS (HR = 0.22 (0.07-0.65), p < 0.0001). Ferner wurde eine Reduktion der Inzidenz des Endometriumkarzinoms (5 vs. 7), Ovarialkarzinoms (7 vs. 10), Kolonkarzinoms (11 vs. 16) sowie Melanoms (9 vs. 12) festgestellt.
Zu Beginn der Therapie wurde bei jeder Frau eine Osteodensitometrie durchgeführt. Je nach Knochendichte erhielten die Patientinnen Bisphosphonate sowie Vitamin D. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied nach 10.9 Monaten Follow-up in Knochenbrüchen, Herzinfarkten, tiefe Beinvenenthrombosen, transitorische ischämische Attacken (TIA) oder Schlaganfällen. Die Adhärenz zur Therapie war bei der Placebo Gruppe 77% und bei der Anastrozol Gruppe 74%. Als Schlussfolgerung kann man aus diesen Resultaten ziehen, dass die Anastrozol Einnahme über 5 Jahre bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko, das Risiko für Brustkrebs um ca. 49% reduziert (ER positive Mammakarzinome (54%) vs. ER negative Mammakarzinome (27%)). Diese Daten unterstützen die Empfehlung zur Einnahme von Anastrozol bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen zur Prävention von Brustkrebs.

Verursacht die postmenopausale Hormontherapie Brustkrebs?

Interessant waren die Daten von Rowan Chlebowski von der Woman’s Health Initiative. Er präsentierte Langzeitdaten von über 19 Jahren Follow-up (2). Die Daten wurden von den vier WHI randomisierten Kohorten Studien aus zwei randomisierten Studien ausgewählt und analysiert. Insgesamt wurden 27’347 Patientinnen zwischen 50-79 Jahren ohne Brustkrebs in der Vorgeschichte und in der Mammographie bei Einschluss in die zwei randomisierten Studien, welche in 40 US Kliniken zwischen 1993-1998 durchgeführt wurden, eingeschlossen. Ein Follow-up erfolgte bis September 2016. Alle Patientinnen stoppten die Studienmedikamenteneinnahme in 2002 resp. 2004. 10 739 postmenopausale Patientinnen mit Hysterektomie wurden in eine Placebo Gruppe versus CEE (conjugated equine estrogen 0.625 mg/d) Gruppe randomisiert. Als Vergleich wurden 16’608 Patientinnen ohne Hysterektomie in Placebo versus CEE und MPA (Medroxyprogesteronacetat 2.5mg/d) eingeschlossen. Jährlich erfolgte eine Mammographie. Neudiagnosen von Mammakarzinom sowie Mammakarzinom assoziierte Mortalität wurden erfasst. CEE zeigte nach 16.2 Jahren Follow-up im Vergleich zur Placebo Gruppe eine reduzierte Brustkrebsinzidenz (HR = 0.77 95% CI (0.65-0.92), P = 0.005). Nach 18.3 Jahren Follow-up, zeigte die Gruppe mit der Einnahme von CEE und MPA hingegen eine signifikant erhöhte Brustkrebsinzidenz (HR = 1.29 (1.14-.1.47) P < 0.001) im Vergleich zu Placebo.

Erst kürzlich wurde durch die Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast cancer eine Publikation veröffentlicht (3), welche eine Meta-Analyse mit Daten von 58 Studien und 143 887 postmenopausalen Patientinnen mit Brustkrebs sowie 424 972 Patientinnen in der Kontrollgruppe ohne Brustkrebs verglich. Im Vergleich zu Chlebowski et al., postulierte diese Gruppe das Gegenteil, nämlich dass die Einnahme von Östrogenen alleine das Brustkrebsrisiko leicht erhöht um ca. 6.8% (absolut 0.5 per 100 Frauen). In der Schweiz werden konjugierte Östrogene kaum mehr verschrieben. Diese kontroversen Resultate der Brustkrebsrisiken einer postmenopausalen Hormontherapie mit Östrogenen, werden sicher Anlass zu vielen weiteren Diskussionen geben und sollten in der Hormontherapie-Beratung einer postmenopausalen miteinbezogen werden.

Minimal invasive Diagnostik nach neoadjuvanter Chemotherapie. Vakuumbiopsie anstatt Operation?

Jörg Heil

Zu Diskussionen führten auch vier Vorträge und ein Poster, die eine Validierung der minimal invasiven Diagnostik nach neoadjuvanter Chemotherapie untersuchten. Jörg Heil aus Heidelberg präsentierte die Daten der RESPONDER Studie (4), in der die Diagnose der pathologischen Komplettremission (pCR) durch Vakuum-assistierte Biopsie nach neoadjuvanter Chemotherapie bei Brustkrebs validiert wurde.
Eine neoadjuvante Chemotherapie wird immer häufiger indiziert und bis zu 60% kann eine pCR je nach Subtyp erreicht werden. Ein ypT0 Stadium nach operativer Therapie (brusterhaltender Therapie resp. Mastektomie) könnte als Überbehandlung angesehen werden. Durch Bildgebung kann eine pCR nicht korrekt ermittelt werden. In 21 Zentren in Deutschland zwischen März 2017 bis Mai 2019 konnten 451 Patientinnen in die Studie eingeschlossen werden. Einschlusskriterien waren c/iT1-c/iT3, alle biologischen Subtypen, Patientinnen mit partieller oder kompletter Remission in der Bildgebung, Tumor mit Clip sichtbar sonographisch oder mittels Mammographie. Ziel der Studie war es eine falsch-negative Rate (FNR) für Vakuum-assistierte Biopsien unter 10% zu erreichen. Die Studie wurde nach einer Interimsanalyse frühzeitig wegen nicht Erreichen des vorgegebenen Ziels gestoppt. In der Studie wurden 79% der Biopsien mittels sonographischer Vakuumbiopsie gemacht und 21% mittels stereotaktischer Vakuumbiopsie. Bei 31% wurden eine 10G Nadel verwendet, bei 6% eine 9G Nadel, bei 50% eine 8G Nadel und bei 13% eine 7G Nadel. Die falsch negative Rate an minimal invasiver Vakuumbiopsie war bei 17.8%. Bei 37 von 208 Frauen wurde der Tumor also verfehlt. Bei Marios Tasoulis et al. (5) wurden 166 Patientinnen eingeschlossen, 86% davon hatten eine Vakuumbiospie, 14% sogar eine Stanzbiopsie mit einer FNR von 18.7%. Mark Basik et al. (6) schlossen 98 Patientinnen in ihre Studie ein. Bei dieser Studie wurden mittels Stanzbiopsien eine FNR von 22.5% erzielt. Die Holländerin Marie Vrancken Peeters (7) und ihre Studiengruppe schlossen in Ihrer Studie insgesamt 167 Patientinnen ein. Mittels sonographischer Vakuumbiopsie hatte diese Studie eine FNR von 37%. Auch die Studie von Regina Grosse et al.(8), bei der Biopsie mittels stereotaktischer Vakuumbiopsie erzielt wurde, zeigte eine FNR von 19% bei 117 Patientinnen. Die meisten der Studien schlossen Patientinnen mit T3 Tumor, multifokale-multizentrische Tumore sowie lobuläre und ER pos. Karzinome mit in die Studie ein. Es wird sich zeigen, ob die in der Schweiz geplante SAKK 23/18 (VISION 1) Studie, mit nun angepassten Einschlusskriterien (Subtypen, Grösse der Biopsie Nadel etc.), eine tolerable FNR erreicht, damit bei ausgewählten Patientinnen ggf. eine weitere operative Therapie vermieden werden kann.

Follow-up Daten der Aphinity Studie

Viel Beachtung fand auch die vier Jahre Follow-up Interims-Überlebensanalyse der Aphinity Studie präsentiert von Martine Piccart et al.(9). In der Aphinity Studie wurden insgesamt 4802 Patientinnen mit HER2 Status nach Operation randomisiert in Chemotherapie plus Trastuzumab plus Pertuzumab (N = 2400) versus Chemotherapie plus Trastuzumab plus Placebo (N = 2405). Nach 74.1 Monaten median Follow-up, konnte sie zeigen, dass das 6-Jahre overal survival mit 94.8% (Pertuzumab Arm) versus 93.9% (Placebo Arm) (95% Cl (-0.5,2.29; HR = 0.85 (0.67, 1.07) bei der mit Doppelblockade behandelten Patientinnen besser ist. Ein klinischer Vorteil zeigte sich vor allem bei den nodal-positiven Patientinnen HR=0.72 (0.59-0.87); 6 –Jahres Follow-up invasiv disease-free survival von 87.7% (Pertuzumab Arm) versus 83.4% (Placebo Arm). In der nodal-negativen Gruppe zeigte sich kein Vorteil. Der Hormonrezeptor Status hatte keinen Einfluss. Des Weiteren zeigten sich keine weiteren kardialen Ereignisse.
Das HER2 positive Mammakarzinom (N+, > 2 cm) wird in der Regel neoadjuvant mittels Doppelblockade Herceptin/Pertuzumab behandelt (10). Bei nicht kompletter pathologischer Remission (pCR) werden nun seit dem Erscheinen der CATHERINE Studie die Patientinnen mit TDM-1 (Kadcyla®) adjuvant behandelt (11). Auch Dank diesen positiven Follow-up Daten, ist die Kassenzulässigkeit der adjuvanten Therapie mit Perjeta/Trastuzumab bei HER2-positiven Patientinnen im Frühstadium mit hohem Rezidivrisiko nun auch offiziell gewährleistet. Ob der Einsatz einer adjuvanten Doppelblockade vor allem bei nodal-positiven, high risk Patientinnen mit pCR angewendet wird, steht sicher noch zur Diskussion.

Pembrolizumab als Ad-on bei der neoadjuvanten Chemotherapie bei triple negativem Mammakarzinom

Immun-Checkpoint-Inhibitoren zählen seit einigen Jahren zur Behandlung verschiedener Tumoren. Viel Beachtung fand auch die KEYNOTE 522 Studie, eine randomisierte, Phase III Studie, die von Peter Schmid präsentiert wurde (12). Von März 2017 bis September 2018 wurden insgesamt 1174 Patientinnen aus 21 verschiedenen Ländern mit triple negativem Mammakarzinom, nicht metastasiert, naiv in die Studie eingeschlossen. Das Design der Studie zeigt (Abb 2).

Er zeigte die erste Interimsanalyse für das Event-freie Überleben. Er konnte zeigen, dass die Gruppe mit Pembrolizumab bei einem Follow up von 15.5 Monaten 7.4 % Events hatte im Vergleich zu 11.8% der Gruppe mit Placebo (HR = 0.63, (0.43-0.93)). Ebenfalls war die pCR Rate bei der Gruppe mit Pembrolizumab bei 64.8% versus 51.2% signifikant (Figur 3). Auch bei Patientinnen, die nicht die volle Chemotherapie erhielten, war die pCR Rate besser als in der Placebo Gruppe. Patientinnen mit PD-L1 Expression zeigten eine höhere pCR Rate (68.9% bis zu 81.7% je nach Expression) als ohne Expression (45.3%) und in allen Subgruppen höhere pCR als zur Placebo-Gruppe. Follow-up Daten müssen diese Ergebnisse bestätigen und weitere Subgruppen Analysen sind abzuwarten. Diese Daten sind jedoch erfreulich und vielversprechend zur Behandlung des frühen triple-negativen Mammakarzinoms.

Metastasen – Zirkulierende Tumorzellen als wegweisend?

Einen spannenden Vortrag hielt Nicola Aceto von der Universität Basel, der mit seinem Vortrag auch die Schweiz in San Antonio repräsentierte (13). Es konnte bereits in mehreren Studien gezeigt werden, dass Patient/innen mit viel zirkulierenden Tumor Zellen (CTC) im Blut eine schlechtere Prognose haben. Aus diesem Grund setzt Aceto seine Akzente in der Erforschung von CTC. Er präsentiert seine Forschungsergebnisse, welche er in Cell (14) (1/2019) und Nature (15) (2/2019) publiziert hat. Aceto und seine Studiengruppe haben herausgefunden, dass zirkulierende Tumorzellverbände die Bildung von Metastasen beschleunigen.

Nicola Aceto

Nicola Aceto und sein Team haben auch herausgefunden, dass sogenannte Na + /K + -ATPase-Inhibitoren Tumorzellverbände im Blut dissoziieren, also die Zellverbände in einzelne Zellen trennen und so das metastatische Potential von CTC reduzieren. Sein Ziel ist es nicht nur die Krebszellen abzutöten, sondern Wirkstoffe zu suchen, mit denen die Tumorzellverbände unwirksam gemacht werden können.
Des Weiteren hat er herausgefunden, dass sich Tumorzellverbände mit Immunozellen v.a Neutrophilen verbinden und so zu einer schnelleren Tumorprogression führen.

Dr. med. Fabienne Schwab

Universitäts-Frauenklinik
Basel

1. Cuzick J et al. Ten year results oft he international breast cancer intervention study II. San Antonio Breast Cancer Symposium 2019; Abstract GS4-04
2. Chlebowski R et al San Antonio Breast Cancer Symposium 2019; Abstract GS5-00
3. Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer. Type and timing of menopausal hormone therapy and breast cancer risk: individual participant meta-analysis oft he worldwide epidemiological evidence. Lancet 2019;384:1159-1168
4. Heil J. et al. Image-guided vacuum-assisted breast biopsy. SABCS 2019, Abstract GS5-03
5. Tasoulis MK et al. Accuracy of post-neoadjuvant chemotherapy image-guided breast biopsy to predict residual cancer: a multi-institutional pooled analysis , SABCS 2019; Abstract GS5-04.
6. Basik M et al. Primary analysis of NRG-BR005, a phase II trial assessing accuracy of tumor bed biopsoes in predicting pathologic complete response (pCR) in patients with clinical/radiological complete response after neoadjuvant chemotheraüy (NCT) to explore the feasibility of breast-conserving treatment without surgery. SABCS 2019 Abstract GS5-05
7. Vrancken Peeters M-J et al. Towards omitting breast surgery in patients with a pathologic complete response after beoadjuvant systemic treatment: interim analysis oft he MICRA trial (Minimally Invasive Complete Assessment). SABCS 2019, Abstract GS5-06.
8. Grosse R et al. Vacuum assisted core-meedle niopsy after neoadjuvant therapy in breast cancer tp predict the status of pathologic response. SABCS 2019, Abstract P4-03-01
9. Piccart M. et al. Updated APHINITY trial data show addition of pertuzumab to trastuzumab plus chemotherapy continues to yield clinical benefit in patients with operable HER2-poisitive early breast cancer. SABCS 2019, Abstract GS1-04
10. Gianni L et al. Neoadjuvant pertuzuman and trastuzumab: Biomarker analyses of a 4-arm randomized phase II study (NeoDpher) in patients with HER2-positive breast cancer . SABCS 2019, Abstract GS5-01
11. Geyer CE et al. Phase III study of trastuzumab emtasine (T-DM1) vs trastuzumab as adjuvant therapy in patients with HER2-positive early breast cancer with residual imvasive disease after neoadjuvant chemotherapy and HER2-targeted therapy including trastuzumab: primary results from Katherine. SABCS 2019, Abstract GS1-10.
12. Schmid P- et al .Neoadjuvant and adjuvant treatment with pembrolizumab improves pathologic completes response rates for patients with triple-negative breast cancer with lymph node involvement. KEYNOTE 522. SABCS 2019, Abstract GS3-03
13 Aceta N . Biology, vulnerability and clinical implications of CTC clusters. SABCS 2019, Abstract TS2-2.
14. Gkountela S et al. Circulating tumor cell clustering shapes DANN methylation to enable metastasis seeding. Cell 2019;176:98-112.
15. Szczenta BM et al. Neutrophils escort circulating tumour cells to enable cell cycle progression. Nature 2019;566:553-557

Brustkrebs im Frühstadium

Die Prognose für Brustkrebspatientinnen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. In Europa sank die Sterblichkeitsrate für Brustkrebs von 2014 bis 2019 (geschätzt) um 8.7% (1). Welche Faktoren zu dieser positiven Entwicklung beigetragen haben,
beantworten im Interview Dr. med. Konstantin Dedes und PD Dr. med. Christian Kurzeder.

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Kontrazeption in der Adoleszenz

Am traditionellen 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe in Näfels widmete sich Frau Dr. med. Nina Manz, Triemlispital Zürich, dem Thema Kontrazeption in der Adoleszenz.
Der heranwachsende Mensch macht in der Adoleszenz wichtige psychische und physische Entwicklungsprozesse durch u.a. die Entwicklung der Geschlechtsreife. Diese Phase umfasst die Pubertät und dauert ungefähr vom 10-20-Lebensjahr, gemäss Wikipedia. In der frühen Adoleszenz besteht ein egozentrischer Umgang mit Sexualität, in der mittleren Adoleszenz folgen erste romantische und beginnende monogame Beziehungen, während die späte Adoleszenz mit emotionaler Reife, Verantwortungsbewusstsein einhergeht, so die Referentin.

Das Verhütungsverhalten von Jugendlichen

Gemäss einer Studie des BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, eine deutsche Bundesbehörde) aus dem Jahre 2015 zum Verhütungsverhalten, ersten sexuellen Erfahrungen und Aufklärung ergibt sich, dass 6% der weniger als 14-Jährigen sexuelle Aktivitäten haben!! (die Jungen: 2-3 Jahre später). Bei den 17-Jährigen haben mehr als 50% sexuelle Erfahrungen und bei den 19-Jährigen hatten 90% «das erste Mal». Die These, dass Jugendliche immer früher sexuell aktiv werden, bewahrheitet sich nicht. Was die Verhütung betrifft, verwendeten 1980 20% der Mädchen keine Verhütung beim ersten Mal. Im Jahr 2015 waren es noch 8%. Aus den Schweizer Zahlen aus «Fact Sheet Sucht.ch» 2016 (1) geht hervor, dass 80% der 14-25-Jährigen Mädchen und 82% der Jungen ein Kondom beim «ersten Mal» benutzten. Aber 1/5 der Jugendlichen weist keinen Schutz durch Kondom auf.

Geschlechtsverkehr und Verhütung bei den Jugendlichen in der Schweiz gemäss Fact Sheet

Im internationalen Vergleich sind die Zahlen in der Schweiz niedrig: Zw. 15-19 Jahren: 3,3/1000 Jugendliche. Zum Vergleich sind es 16/1000 Jugendliche in Deutschland und 84/1000 Jugendliche in USA (Zahlen vom Schweizer Bundesamt für Statistik, Via Meldung an den Kantonsarzt und Profamilia).

Formen der Kontrazeption – alles geht ausser Sterilisation

Diese umfassen die Barrieremethode (Kondom, Femidom), die hormonelle Kontrazeption (komb. vs rein Gestagen), IUDs (Kupfer vs. LNG-haltige), Notfallkontrazeption (Norlevo vs. Ulipristalacetat). Das Kondom hat einen besonderen Stellenwert: Es ist das einzige Kontrazeptivum mit Schutz gegen sexuell übertragene Krankheiten, es ist nebenwirkungsfrei und es ermöglicht die «Vaterschaftsverhütung». CAVE Nachteile: es weist einen schlechten Pearl Index auf wegen Anwendungsfehlern und es besteht das Problem der Latexallergie.

Kontrazeption durch hormonelle Methoden

Kombinationen von Östrogen/Gestagen: – Komb. (östrogen/gestagen), Ovulationshemmer: – «Pille», – Mikropille (20 vs. 30μg EE), – Langzyklus, – Patch, – Ring.
Rein Gestagen haltige Methode: – «Pille», – Minipille (LNG vs. Desogestrel), – Depot (s.c. vs. i.m.) (Medroxyprogesteronacetat), – Implantat subdermal (Etonogestrel).

Die Vorteile der kombinierten Ovulationshemmer sind:

Zusatznutzen aufgrund der Kombination Östrogen/Gestagen und bei Verwendung eines Gestagens mit spez. Wirkung, z.B. antiandrogen wirkendes Gestagen zur Verbesserung des Hautbildes,
Zyklusabhängige Beschwerden werden vermindert (Dysmenorrhoe, Hypermenorrhoe), Hoher Pearl Index bes. im Langzyklus, Günstiger Einfluss bei Anämie und/oder Blutungsneigung, Senkung des Risikos für Ovarialkarzinom. Der wichtigste Nachteil der Kombinationspräparate ist das seltene Thromboserisiko (Jugendliche <18 Jahre mit LNG-haltigen Kombinationspillen: <1:1’000 Frauenjahre). Die Kontraindikationen müssen beachtet werden (Migräne, Nikotin, positive thromboembolische FA) und die WHO-Klassifikation «Elegibility criteria forcontraception»: Spotting, Gewichtszunahme durch Appetitzunahme, Kopfschmerzen, unzureichende Compliance/Adhärenz (generell ist die Adhärenz bei chronischer Medikamenteneinnahme schlecht, bei der Kontrazeption unregelmässige Einnahme bis zu 70%), unzureichende Zunahme der Knochendichte.

Die Vorteile der rein gestagenhaltigen Kontrazeption sind:

Sie sind auch bei Kontraindikation gegen Östrogene einsetzbar (z.B. Migräne mit Aura), sie sind vorteilhaft bei Dys- u. Hypermenorrhoe und sie haben einen guten Pearl Index.
Die Nachteile der rein gestagenhaltigen Kontrazeption sind schlechte Zykluskontrolle, keine positive Wirkung auf die Haut, Gewichtssteigerung unklar (evtl. bei Medroxyprogesteronacetat) und möglicherweise negative Wirkung auf die Psyche.
Die WHO-Medical Elegibility Criteria, CDC bedeuten:

  • Kategorie 1: keine Einschränkungen (A always usable)
  • Kategorie 2: Vorteil überwiegt (B broadly usable)
  • Kategorie 3: Nachteil überwiegt meist (C counseling/caution)
  • Kategorie 4: absolut kontraindiziert, Aufklärung bei Anwendung (Do not use)
  • www.who.int/reproductivehealth/publications/family…/Ex…/en/

Kontrazeption mit IUDs

Die IUDs gehören zur long acting reversible contraception (LARC). Sie sind 100% reversibel. Es gibt keine Complianceprobleme. Die IUDs haben einen optimalen Pearl-Index. Sie sind kostengünstig (bei Langzeitanwendung) und sicher auch bei Adoleszentinnen und Nullipara einsetzbar. Es wird eine leicht erhöhte Rate an Dislokationen festgestellt. Die Zervixdysplasie stellt keine Kontraindikation dar und es gibt keine höheren Raten für pelvic inflammatory disease und EUG. Wenn allerdings unter einem IUD einer Schwangerschaft eintritt, muss aktiv eine EUG ausgeschlossen werden. Die Cu-haltigen (> 300 mm2) und die LNG-haltigen gelten im klinischen Alltag als gleich sicher. Kupfer PI 0,2-1 Mona Lisa Cu380 enthält 380 mm2.

(ML Cu375S mit 29,4×19,5 mm, ML Cu380Mini 30×24 mm)

  • Levonogestrel PI 0,1-0,2 Jaydess 13,5 mg, Kayleena 19,5 mg (30×29 mm) Mirena 52mg (32×32 mm)
  • Rahmenlose IUD PI 0,2-1 Gynefix, IUB
    Bei Jugendlichen nicht empfohlen: IUB: da Expulsionsrate hoch, Gynefix: unnötige «Invasivität», Mindestdicke des Myometrium muss 10mm sein.
  • Gold PI 0,3-0,7 Goldluna®: kein klarer Vorteil zu Cu-IUD, Preishöher.
    Für alle IUDs gilt: Einlage erst nach Geschlechtsverkehr, Cavumlänge mit transvaginalem Ultraschall und Hysterometer bestimmen.

Notfallkontrazeption

Norlevo® (Levonogestrel 1,5 mg) bis nach 72 h einsetzbar.
Ella-One® (Ulipristalacetat 30 mg) bis nach 120 h einsetzbar.
Ella-One® = Progesteronrezeptormodulator: verschiebt die Ovulation, beeinträchtigt die Tubenmotilität, führt zu asynchroner Endometriumproliferation.
Achtung: Nach Ella-One®-Einnahme die KOH-Einnahme während 5 Tagen pausieren. Auch der Progesteroneffekt der KOH wird durch Ella-One® gehemmt: Zusätzlich 14 Tage Kondom, keine Teratogenität, Mehrfachanwendung in einem Zyklus möglich (ist allerdings nicht empfohlen).

Besondere Aspekte in der Adoleszenz

Knochendichte

«Peak bone mass»: bis zum 25.-30. LJ kommt es zum Wachstum und Dichtezuwachs des Knochens.
Positiver Einfluss auf «peak bone mass»:
Östrogen, Ca-reiche Ernährung, Vitamin D, belastende Bewegung
Negativer Einfluss auf «peak bone mass»:
Depot Gestagene und Mikropillen (<20 mg), Nikotin, tiefer BMI
Bei KOH-Einnahme wird die eigene Östrogenproduktion gehemmt, daher bei unter 18 Jahren möglichst 30µg EE (z.B. Mikrogyn 30®).

Krebsrisiko und hormonhaltige Antikonzeption

Mamma-Karzinom: leicht erhöht bei hormonhaltigen AK (nicht CU-IUD). Eine retrospektive Cohortenstudie im NEJM März 2018 bei insgesamt 19,6 Millionen Frauenjahre ergab ein höheres Risiko für BC bei Frauen, welche zurzeit oder kürzlich hormonale Empfängnisverhütung verwendet hatten, im Vergleich zu Frauen, welche niemals hormonelle Verhütungsmethoden angewandt haben. Je länger die Anwendung desto höher das Risiko, jedoch insgesamt war die absolute Erhöhung des Risikos sehr niedrig (2). Ein zusätzlicher Fall von Mamma-Ca auf 7690 Frauen, die ein Jahr hormonell verhütet haben. Beim Ovarial-Karzinom ergibt sich eine Risikoreduktion im 2-stelligen Prozentbereich bei KOH (3), beim Endometrium-Karzinom eine Risikoreduktion bei KOH und Gestagenen/IUD und beim Zervix-Karzinom eine leichte Risikoerhöhung bei KOH (HPV-assoziiert).

Kontrazeption in Spezialsituationen: Epilepsie

Die geschätzte Prävalenz der Epilepsie beträgt 0,3-0,7%. 50% der Schwangerschaften von Frauen mit Epilepsie sind ungeplant. Schwangerschaften bei Epilepsie sind Risikoschwangerschaften (Hypertonie, Präeklampsie, small for gest. age, Frühgeburtlichkeit…). Nur 7% der Frauen mit Epilepsie erhalten eine ausreichende Beratung über Antikonzeption. Grundsätzlich sind alle Methoden der Kontrazeption möglich.
CAVE: Hormonelle Kontrazeption u. Antiepileptika: Bidirektionale Arzneimittelinteraktion (Enzyminduktion über CYP450, Uridin-Diphosphat-Glucuronosyltransferase) (4). Hormonelle Antikonzeptiva senken den Antiepileptika-Spiegel (Anfallsdurchbruch). Dabei sind Senkungen bis zu 60% möglich. Der Effekt kommt vom EE. Gestagen wirkt nicht auf die Spiegel von Antiepileptika. Auf der anderen Seite senken Antiepileptika den Spiegel der hormonellen Antikonzeptiva (Versagen der AK). Es wird daher eine rein gestagenhaltige Kontrazeption empfohlen, falls KOH: Langzyklus, Spiegelkontrolle.
Effekt von Hormonen auf Epilepsie: Östrogene wirken prokonvulsiv, Gestagene antikonvulsiv. Zu KOH gibt es keine Studien, trotz >50 Jahre Gebrauch von KOH.

Weitere Spezialsituationen sind Anorexie und Adipositas

Die Anorexie ist eine schwere chron. psychiatrische Erkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch starkes Untergewicht (15% unter erwartetem Normalgewicht), signifikanten Gewichtsverlust, selbst herbeigeführt, Körperschemastörungen, umfassende hormonelle Funktionsstörungen (z.B. Amenorrhoe, verzögerte Pubertät, Osteoporose), Häufigkeit 0,2-1% (Frauen zw. 15-25LJ), peak 14-15 LJ. Häufig psychiatr. Komorbiditäten (Depression, Angst-Zwang).
Alle Methoden der Kontrazeption sind möglich (ausser Depot-Gestagen), KOH nur bei sexuell aktiven Mädchen, nicht als Therapie (häufig schlechte Compliance) sonst Hormontherapie mit Estradiol (günstig auf Knochen) (5).
Von Adipositas spricht man ab einem Übergewicht mit BMI > 30 kg/ m2. Sie führt zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und erhöht das Risiko von Folgeerkrankungen, wie das metabolische Syndrom.
Es wird unterschieden zwischen milder Adipositas (30-35 kg/m2), mittlerer Adipositas (35-40 kg/m2), schwerer Adipositas (> 40 kg/m2).
Alle Methoden der Kontrazeption sind möglich. Mittlere und schwere Adipositas gelten allerdings bei den KOH als relative KI. Speziell zu beachten sind bei KOH: keine weiteren KI, positive Wirkung bei PCOS, Akne, Hirsutismus, bei zusätzlicher unbehandelter Hypertonie: KI für KOH, Patch: unsicher ab > 90 kg, Desogestrel und Medroxyprogesteronacetat sicher, Implanonwechsel schon nach 24 Monaten. CAVE: Thromboserisiko steigt bei Adipositas (24fach ab BMI > 30) (5).

Fazit

Die Referentin schloss ihre Ausführungen mit der folgenden Take Home Message ab.

  • Adoleszentinnen befinden sich in einer sensiblen Lebensphase
  • Aspekte wie Risikoverhalten, Adhärenz u. Compliance bei medikamentöser Therapie und Bedarf nach hoher Sicherheit müssen berücksichtigt werden
  • Es steht eine grosse Palette von sicheren Kontrazeptiva zur Auswahl mit wenigen Einschränkungen (z.B. Grösse des Uterus bei IUD, Effekt auf Knochendichte bei jungen Adoleszentinnen)
  • Adoleszentinnen mit chron. Erkrankungen (z.B. Epilepsie, Anorexie) benötigen im besonderen Mass eingehende Beratung und Aufklärung bezüglich Kontrazeption

Quelle: 22. Kongress für praktische Gynäkologie und Geburtshilfe, Näfels 2019, 7. Nov. bis 8. Nov.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. K1. Archimi, A ., Windlin, B ., & Delgrande Jordan, M. (2016).
2. Nachtigall, L et al. Contemporary Horm onal Contraception and the Risk of Breast Cancer. NEJM, 2018. 378: 1265
3. La Vecchia, C et al.Ovarian cancer: epidemiology and risk factors. Eur J Cancer Prev. 2017; 26:55-62
4. Arne Reimers Contraception for women with epilepsy: counseling, choices, and concerns. J Contracept. 2016; 7: 69–7
5. Thomas Römer, Gunther Göretzlehner, Kontrazeption m it OC, P roblemsituationen

Gynäkologische Infektionen Teil 3

Mitarbeiter der Klinik für Gynäkologie und der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich führten unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Daniel Fink, Direktor der Klinik für Gynäkologie am 4.4.2019 ein Symposium über gynäkologische Infektionen durch. Über die entsprechenden Vorträge wurde in der «info@gynäkologie» berichtet: Teil 1 erschien in gyn_3-19, S. 28-30, Teil 2 in gyn_4-19, S. 26-28. Der nachfolgende Beitrag stellt den Abschluss dieser Berichterstattung dar.

Neuere Entwicklungen zur Therapie vaginaler Infektionen

Die Vorteile von topischen Therapien sind: Mindestens ebenso wirksam wie systemische Therapien, weniger Nebenwirkungen. vorteilhafter bezüglich Resistenzen.

Dr. G. P. Ghisu

Herausforderungen sind: niedrige vaginale Retention und niedrige Akzeptanz. Neue Formulierungen versprechen eine verbesserte Wirksamkeit, so Dr. med. Gian-Piero Ghisu, Oberarzt meV Klinik für Gynäkologie, USZ.
Der Referent besprach zunächst Strategien zur Beeinflussung der Galenik etablierter Substanzen. Die Wirksamkeit eines Präparates wird durch die Trägersubstanz bzw. durch die angewendete Substanz definiert. Diese umfassen: Polyacrylate, bioadhäsive Systeme, Filme, Thermogele, Milchsäure + Vitamin C, Antiseptika + Desinfektiva, neue und wieder entdeckte Wirkstoffe, essentielle Öle, Prä- und Probiotica.
Zu den neuen und wieder aufgegriffenen «alten» Wirkstoffen zählen die Kombination von AmB + Flucytosin in Aquagel als Träger: Die Substanzen weisen eine synergistische Wirkung gegen Nicht-Candida-Pilzinfektionen auf. Lidocain + Nitroglycerin: fungizider Effekt (in vitro). Antidepressiva Sertralin und Fluoxetin: Fungizide Wirkung auf Candida spp. (in vitro). Gentianaviolett: Wirksamkeit bei rezidivierenden VVC gesichert.
Pflanzliche Therapien: Alternative Therapien sind gerade bei Rezidiven und Resistenzen nützlich. Für «natürliche» Produkte besteht im Allgemeinen eine höhere Akzeptanz. Verschiedene pflanzliche Extrakte weisen eine beträchtliche in vitro-Aktivität gegen die häufigsten Pathogene vaginaler Infektionen auf. Essentielle Öle geniessen dabei besondere Aufmerksamkeit. Der Referent nennt Teebaumöl aus Maleleuca spp. Es wirkt gegen Candida, Gardnerellen und Trichonomaden, alteriert dabei die Milchsäurebakterien wenig. Schon der Extrakt wirkt gegen Candida, in Kombination mit Imitrazol entsteht ein synergistischer Effekt.
Prä- und Probiotica: Probiotika sind lebende Organismen, die in adäquaten Mengen verabreicht, vorteilhafte Effekte auf die Gesundheit bewirken. Pharmabiotik ist ein neuerer Begriff, der zusätzlich tote Zellen, zelluläre Metaboliten, aber auch Moleküle, z.B. Hormone umfasst. Es wird also auch die Immunantwort auf die verabreichte Substanz berücksichtigt. Prä- und Probiotika bewirken bei BV und AV die Wiederherstellung eines sauren Milieus und der Vaginalflora. Bei VVC ist die Wiederherstellung des sauren Milieus eher sekundär. Hier ist vor allem die Hemmung des Pilzwachstums und der Adhäsion von Candida an Epithelzellen sowie die Modulation lokaler immunologischer Reaktionen wichtig.
Probiotica sind für die Behandlung der akuten Infektion kein Ersatz für die etablierten Substanzen, können aber eine wichtige Rolle zur Prävention von Rezidiven spielen.

Fazit

Trotz der hohen Prävalenz der vaginalen Infektionen sind die Behandlungsstrategien eher traditionell.
Limitierungen bestehen in Bezug auf Wirksamkeit und Akzeptanz.
Ein grosses Interesse geniesst die Erforschung neuer Trägersubstanzen, nur wenige haben aber Marktreife erlangt.

Als Hauptziele werden verfolgt:

  • Kontrollierte Abgabe des Wirkstoffs
  • Verminderung der Toxizität
  • Verbesserung der Verteilung und Retention im Vaginaltrakt

Mukoadhäsive Formulierungen, Micro- und Nanotechnologie-basierte Ansätze sind noch nicht ausgereift.
Substanzen, die für andere Indikationen eingesetzt werden, könnten sich für die Behandlung vaginaler Indikationen eignen.
Desinfektionsmittel und Pflanzenextrakte als alternative Therapie umgehen das Problem der Resistenzentwicklung.
Probiotica könnten die Rekolonisierung der vaginalen Flora unterstützen.
Evidenz für nicht traditionelle Behandlungsmöglichkeiten ist praktisch fehlend.

Quelle: Symposium «Gynäkologische Infektionen», organisiert durch die Klinik für Gynäkologie am Universitätsspital Zürich, 04.02.2019.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Ballonangioplastie der Lungenarterien

Chronisch Thromobembolische Pulmonale Hypertension (CTEPH) ist eine seltene, aber prognostisch bedeutsame Erkrankung, die durch eine ungenügende Auflösung von Thromboembolien in den Lungenarterien entsteht. Obwohl die pulmonale Endarteriektomie die kurative Therapie der Wahl darstellt, werden wenigstens die Hälfte aller CTEPH-Patienten nicht operiert oder leiden nach einer Operation weiterhin an Lungenhochdruck. Für diese Patienten steht ein neues interventionelles Therapieverfahren, die Ballonangioplastie der Lungenarterien (BPA), zur Verfügung. Registerdaten zeigen eine hämodynamische und symptomatische Verbesserung mit einer 30-Tages-Mortalität von unter 2%.

L’ hypertension pulmonaire thromboembolique chronique (CTEPH) est une maladie rare mais d’ importance pronostique causée par une résolution insuffisante de thromboembolies dans les artères pulmonaires. Bien que l’ endartériectomie pulmonaire soit le traitement curatif de choix, au moins la moitié des patients avec CTEPH ne subissent pas de chirurgie ou continuent de souffrir d’  hypertension pulmonaire après la chirurgie. Une nouvelle thérapie interventionnelle, l’ angioplastie par ballonnet des artères pulmonaires (BPA), est disponible pour ces patients. Les données du registre montrent une amélioration hémodynamique et symptomatique avec un taux de mortalité à 30 jours inférieur à 2 %.

Epidemiologie und Pathophysiologie

Die CTEPH ist eine relativ seltene, aber potentiell lebensbedrohliche Erkrankung der pulmonalen arteriellen Gefässe und ist Teil der Gruppe 4 der WHO Klassifikation für pulmonale Hypertension. CTEPH ist die Folge von Thromboembolien der Lungenarterien, die sich nicht auflösen und in fibröses Material umwandeln, was zu einer chronischen Obliteration der Pulmonalarterien führt. Dies führt schlussendlich auch zu einem Remodelling der Mikrozirkulation, was wiederum den pulmonalen Hypertonus verstärkt. Die Hypertension ist also bedingt durch die fibrotische Verlegung der Gefässe und durch eine beeinträchtigte Mikrozirkulation. Die Inzidenz nach akuter Lungenembolie ist schwierig zu erfassen und schwankt je nach Studie zwischen 0.1-9.1%, was nahelegt, dass der direkte Übergang von einer symptomatischen akuten Lungenembolie zu einer CTEPH selten passiert und nicht vorauszusagen ist (1).

Klinik und Diagnostik

Es gibt keine verlässlichen CTEPH spezifischen Symptome, die es erlauben, die Erkrankung von anderen Formen der pulmonalen Hypertension zu unterscheiden. Die Diagnostik gestaltet sich selbst an spezialisierten Zentren schwierig mit durchschnittlicher Dauer von 14 Monaten zwischen Symptombeginn und Diagnose. Nicht alle CTEPH-Patienten berichten in ihrer Vorgeschichte über eine LE. Die wichtigsten prädisponierenden Faktoren für eine CTEPH sind in absteigender Reihenfolge ventrikulo-atriale Shunts oder Schrittmachersonden, Zustand nach Splenektomie, grosse und rezidivierende venöse Thrombose- Ereignisse, Hypothyreose mit Hormonersatz, entzündliche Darmerkrankungen, und Karzinome (2).
Die diagnostischen Kriterien umfassen eine invasiv bestätigte pulmonale Hypertension mit einem pulmonalen Mitteldruck (mPAP) von >20mmHg und einem Wedge Druck ≤15mmHg, segmentale Perfusionsdefizite bei erhaltener Ventilation im V/Q Szintigramm (Abbildung 1 C) sowie eine CT (Abbildung 1 A, B) oder invasive Angiographie mit den typischen vaskulären Läsionen einer CTEPH. Dazu gehören ringförmige Stenosen, Webs, hochgradige oder chronische Verschlüsse und Tortuositäten. Diese Veränderungen sind teilweise schwierig zu erkennen mittels CT oder der nicht selektiven Pulmonalisangiographie, weswegen diese Verfahren alleine nicht zum Auschluss einer CTEPH genügen. Vorteilhaft ist die Anwendung des Dual Energy CT (Abbildung 1 D), welche sowohl Anatomie als auch Perfusion darstellt und/oder die Anwendung der selektiven Angiographie einzelner Pulmonalarterien. Symptomatische Patienten nach akuter LE mit einem Perfusionsdefizit auf dem V/Q scan > 3 Monate nach LE sollten am PH-Zentrum abgeklärt werden. Das Screening für CTEPH bei asymptomatischen Risiko Patienten ist gemäss den neusten ESC-Richtlinien eine Klasse IIb, C Indikation (3).

Chirurgie und BPA

Die Therapie der Wahl bei der symptomatischen CTEPH ist die pulmonale Endarterektomie. Der Eingriff bedingt eine tiefe Hypothermie mit Kreislaufstillstand. Die Mortalität der chirurgischen BPA ist ca. 5% und an sehr erfahrenen Zentren weniger. Die Operabilität sollte von einem interdisziplinären Team beurteilt werden. Die Thromben sollten der Chirurgie zugänglich sein, d.h. im Hauptstamm, lobär und segmental, und es sollten keine prohibitiven Komorbiditäten vorhanden sein und keine sonstigen Limitationen, die das Risiko-Nutzen-Verhältnis relevant einschränkten (z.B. Gebrechlichkeit). Gemäss dem europäischen CTEPH Register waren von 679 untersuchten Patienten 36.5% als nicht operabel eingestuft und von den operablen Patienten wiederum wurden 14% nie operiert. Mit der Operation wird meistens eine Normalisierung des mPAP und Symptomfreiheit erreicht, der Therapieansatz ist also durchaus kurativ. In 17-31% kommt es allerdings zu einer nicht ausreichenden Drucksenkung wegen inkompletter Entfernung der Obstruktionen, Reperfusionsödem oder schwerer sekundärer Mikrovaskulopathie.
Zusammenfassend werden also fast 50% der CTEPH-Patienten keiner Operation unterzogen (4), und weitere 20% haben weiterhin einen Lungenhochdruck. Als Alternative für diese Patienten hat sich in der letzten Dekade die Ballonangioplastie der Lungenarterien etabliert, für welche die aktuellen PH Richtlinien eine Klasse IIb, C Indikation vorsehen, da die Technik aus Japan kommend in Europa erst gerade Fuss fasst. Welche Patienten am besten von einer BPA profitieren, bleibt derzeit unklar.

Entwicklung der BPA

Die erste BPA wurde 1988 in Leiden, Holland bei einem 30-Jährigen mit CTEPH erfolgreich durchgeführt mit einer mPAP Senkung von 46 auf 35 mmHg (5).
Eine erste 18 Patienten umfassende Serie wurde an der Harvard Medical School in Boston zwischen 1994 und 1999 behandelt (6). Hinsichtlich Effizienz war die BPA nach durchschnittlich nur 2.6 Interventionen in insgesamt 6 Segmenten erfolgreich (mPAP Senkung von 43 auf 34 mmHg), allerdings traten Reperfusionsödeme in 61% auf, was in 17% eine mechanische Ventilation bedingte und die Mortalität war mit 5.7% deutlich zu hoch. Die Sicherheitsbedenken verhinderten eine Entwicklung der Therapie längerfristig. Erst eine modifizierte Form der BPA entwickelt in Okayama, Japan hat der Methode neuen Aufwind gegeben und die aktuelle Entwicklung weltweit erst ermöglicht. Die japanischen Ärzte haben pro Sitzung weniger Segmente behandelt und die Ballondilatation äusserst vorsichtig durchgeführt (kleine Durchmesser, tiefe Inflationsdrucke), und keine Stents verwendet. Ein Vorgehen, dass sich wesentlich von der perkutanen Koronarintervention unterscheidet, bei welcher das Credo «the bigger the better» gilt und an welcher sich die Aerzte in Boston orientiert hatten (6). Eine erste Serie aus Okayama umfasste 68 Patienten, welche nach insgesamt 255 Sessionen (durchschnittlich 4 pro Patient) mit 2-3 Segmenten pro Sitzung untersucht wurden. Das mittlere Alter betrug 62 Jahre, und 78% waren Frauen. Der mPAP wurde von 45 auf 24mmHg (p < 0.019) reduziert und das Herzzeitvolumen von 2.2 auf 3.2 l/min (p = 0.02) gesteigert. Perforationen kamen in 2% vor, eine mechanische Beatmung war in 5.9% der Patienten notwendig und eine ECMO bei 2.9%. Die Sterblichkeit betrug nur 1.5%, womit wesentliche Fortschritte sowohl in der Effizienz als auch der Sicherheit demonstriert wurden. Zurzeit findet BPA weltweit an verschiedenen ausgewählten Zentren Anwendung und es gibt > 10 Register mit Daten von > 600 Patienten. Eine Übersicht über die Patientencharakteristika und die erreichte Widerstandssenkung sowie die Mortalität sind in Tabelle 2 aufgeführt. Zusammengefasst lässt sich eine Widerstandssenkung um 50% erreichen, bei einer periprozeduralen Mortalität von durchschnittlich 1.8%.

Durchführung

Das prinzipielle Setup der Ballonangioplastie-Eingriffe ist vergleichbar mit der perkutanen Koronarbehandlung. Die Anatomie ist allerdings wesentlich komplexer, da anstelle von 3 Gefässen 20 Segmentarterien zu intubieren sind und je nach Befund behandelt werden müssen. Der Zugang ist femoral venös unter Lokalanästhesie. Der Biox sollte während der Intervention > 95% sein, O2-Gabe ist also erforderlich. Die Therapie wird unter fortgeführter Antikoagulation durchgeführt (INR Ziel 2-2.5) und die periprozedurale Antikoagulation erfolgt mit niedrigen Heparindosen (2000 IE pro Stunde). Für die Durchführung der BPA verwendet man einen koronaren 6F Führungskatheter, gestützt durch einen kürzeren 8F Katheter, den man im Pulmonalishauptstamm positioniert (mother-in-child Technik). Für die Sondierung der Stenosen oder Verschlüsse werden Koronardrähte verwendet (0.6 g bis 12 g). Die Kontrastmittelapplikation erfolgt über Handinjektion. Die BPA sollte in den Lungensegmenten mit der schlechtesten Perfusion gemäss Szintigraphie beginnen. Ein gutes primäres Ziel stellt der rechte Unterlappen dar, wegen seiner Grösse und dem relativ grossen Blutfluss. Nach distaler Positionierung des Koronardrahts erfolgt die Ballondilatation mit konventionellen Koronarballonen. Deren Effekt ist in Abbildung 2 illustriert. Bei Patienten mit einem pulmonalen Mitteldruck > 40 mmHg sollten die Ballondiameter vorsichtig gewählt werden (2.0 mm) und die Inflationsdrucke sollten 6-8 bar nicht übersteigen, um das Risiko eines Gefässschadens mit konsekutivem Reperfusionsödem zu verringern. In Folgesitzungen oder bei einem Mitteldruck unter 40 mmHg erfolgt die Ballon Diameterwahl grosszügiger, mit dem Ziel, die Rest-Stenose < 50% zu halten (typischerweise Diameter zwischen 4-7 mm) und einen guten venösen Rückfluss zu ermöglichen. Ungleich der Koronarintervention werden praktisch nie Stents verwendet, da diese einerseits zu viele Komplikationen verursachen (6) und in der Regel gar nicht benötigt werden, da Recoil und Thrombose eine untergeordnete Bedeutung haben. Die wesentlichen Schritte der Intervention werden meist in tiefer Inspiration durchgeführt, weswegen die Patienten fähig sein sollten, Atemmanöver verlässlich auszuführen. Auch die Anzahl der behandelten Segmente pro Sitzung hängt vom mPAP ab. Während bei einem mPAP > 40 nicht mehr als 2-3 Läsionen angegangen werden sollten, sind bei tieferen Läsionen einzig das Kontrastmittel, die Bestrahlungszeit und die Ermüdung des Patienten die limitierenden Faktoren.

Komplikationen

Während der BPA können in ca. 1-2% Lungenblutung auftreten bedingt durch Drahtperforation der distalen Äste oder Perforation bei zu grossen Ballonen. Bereits sehr kleine Blutungen, die angiographisch nicht zwingend erkennbar sind, führen zu Husten (mit oder ohne Hämoptoe), womit dieser ein wichtiges Kriterium darstellt, die Intervention zu pausieren. Im Nachgang der Intervention (24-72h) ist das Reperfusionsödem (RPO) die gefürchtetste Komplikation, die durch vaskuläre Schäden (Kontrastapplikation, Führungsdraht) und Cytokinbedingte Inflammation entsteht. In den rezentesten Registern ist die Auftretenswahrscheinlichkeit ca. 5%. Das Risiko für RPO ist bei einem mPAP >40mmHg erhöht. Das RPI kann zu einem ARDS mit Notwendigkeit einer mechanischen Ventilation oder ECMO führen.

Nachsorge

Die Patienten sollten wegen den akuten Komplikationsgefahren wie Blutung oder Reperfusionsödem während mindestens 12h auf einer IMC kardiopulmonal überwacht, bei Risikopatienten während 24-48h. Ein konventionelles Lungenröntgen zwecks Ausschluss von Reperfusionsödem wird routinemässig durchgeführt. Die Entlassung kann bei gutem Verlauf am Folgetag erfolgen. Die Behandlungsintervalle richten sich nach der Nierenfunktion und der applizierten Strahlendosis. Die medikamentöse Therapie beinhaltet eine konventionelle OAK (Klasse I Indikation (3) und meist den guanylate Cyclase Stimulator Riociguat, dem einzigen zugelassenen Medikament für die Behandlung der inoperablen oder persistenten/rezidivierenden CTEPH.

Berner Erfahrung

Seit 2018 wurden am Inselspital 9 Patienten in 41 Sitzungen behandelt ohne relevante Komplikationen (keine Perforation, mechanische Ventilation oder Todesfall). Zwei der Patienten haben ihre Behandlung nach Erreichung eines mPAP < 25 mmHg bereits abgeschlossen. Eine detaillierte Auswertung wird später publiziert werden.

Ausblick

Derzeit bestehen kaum randomisierte Daten, welche die konservative medikamentöse Therapie mit der BPA (mit oder ohne medikamentöse Therapie) vergleichen. Kürzlich wurde die allererste Studie (NCT02634203) vorgestellt, welche die BPA mit medikamentöser Therapie verglichen hat bei inoperablen Patienten. Der Effekt der BPA auf den Lungengefässwiderstand nach 26 Wochen Therapie war signifikant grösser als der durch Riociguat in Höchstdosis (7). Ob die medikamentöse Therapie mit Riociguat nach erfolgreicher BPA sistiert werden kann, bleibt derzeit noch unklar.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. Dr. Lorenz Räber

Leiter Herzkatheterlabor
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

lorenz.raeber@insel.ch

Dr. med. Jacqueline Pichler Hefti

Universitätsklinik für Kardiologie und Interdisziplinäres Zentrum
für pulmonale Hypertonie, Universität Bern, Inselspital,
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

Prof. Dr. med. Irene M. Lang

Department Innere Medizin II, Abteilung für Kardiologie, Medizinische
Universität Wien
Währinger Gürtel 18-20
A-1090 Wien, Oesterreich

LR und JPH melden keinerlei Interessenkonflikte in Bezug auf dieses Manuskript. IL erhielt Forschungsgelder von AOPOrphan und Actelion sowie Sprecherhonorare von AOPOrphan, Actelion, Medtronic, Ferrer und Astra Zeneca.

  • Die CTEPH ist eine relativ seltene aber prognostisch bedeutsame Langzeitkomplikation der akuten Lungenembolie, die schwierig zu diagnostizieren ist.
  • Die Goldstandarddiagnostik umfasst Lungen-Perfusions-Szintigraphie, CT Angio und Rechtsherzkatheter mit Angiographie.
  • Die BPA stellt in erfahrener Hand eine sichere Option für CTEPH-
    Patienten dar, die durch ein interdisziplinäres PH-Zentrum als inoperabel eingestuft werden.
  • Die BPA erlaubt eine PVR Reduktion von 60% des Ausgangswerts.
  • Es werden 5-8 Behandlungssitzungen benötigt, um diese Resultate zu erreichen.

Messages à retenir

  • La CTEPH est une complication à long terme relativement rare mais d’ importance pronostique de l’ embolie pulmonaire aiguë qui est difficile à diagnostiquer.
  • L’  étalon ore du diagnostic comprend la scintigraphie de perfusion pulmonaire, l’ angio par tomodensitométrie et le cathéter du cœur droit avec angiographie.
  • La BPA est une option expérimentée et sûre pour les patients avec CTEPH qui sont classés comme inopérables par un centre interdisciplinaire d’  hypertension pulmonaire
  • La BPA permet une réduction du PVR de 60 % par rapport au niveau de référence.
  • 5 à 8 séances de traitement sont nécessaires pour atteindre ces résultats.

1. Coquoz N, et al. Multicentre observational screening survey for the detection of CTEPH following pulmonary embolism. Eur Respir J 2018;51:1702505.
2. Lang I, et al. Balloon pulmonary angioplasty in chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Eur Respir Rev. 2017:26:165119.
3. Galiè N, et al. 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension: The Joint Task Force for the Diagnosis and Treatment of Pulmonary Hypertension of the European Society of Cardiology (ESC) and the
European Respiratory Society (ERS):. Eur Heart J. 2016;37:67-119.
4. Pepke-Zaba J, et al. Chronic thromboembolic pulmonary hypertension (CTEPH): results from an international propspective registry. Circulation 2011;124:1973-1981.
5. Voorburg JA, et al. Balloon angioplasty in the treatment of pulmonary hypertension caused by pulmonary embolism. Chest 1988;94:1249-1253.
6. Feinstein JA, et al. Balloon pulmonary angioplasty for treatment of chronic
thromboembolic pulmonary hypertension. Circulation 2001;103:10-13.
7. Jais X, et al. Late Breaking Clinical Trial Presentation at ERS Madrid, Madrid, Spain on Sept 30, 2019.