COVID-19 – ein Lagebericht aus dem Tessin

Der erste «Corona-Patient» in der Schweiz wurde in Lugano in eurem Spital Moncucco behandelt. Wie seid ihr auf die Diagnose gekommen und wie war der Verlauf?

Dr. med. Daniel Hagara

D. Hagara: Der erste Coronavirus-Patient war ein 70-jähriger Zahnarzt, der sich wahrscheinlich bei einem Ärztesymposium in Mailand angesteckt hat. Die Diagnose wurde am 25.2.2020 gestellt, da bei uns im Spital Moncucco bereits ab 24.2.2020, also 3 Tage nach den alarmierenden Nachrichten der Lombardei, eine Notfalltriage auf Covid errichtet worden war. Dieser Patient wurde regelhaft isoliert und hatte in der Folge einen guten Krankheitsverlauf. Seine durchgemachten sozialen Kontakte wurden in Zusammenarbeit mit dem Kantonsarzt zurückverfolgt.

Prof. Dr. med. Andreas Cerny

A. Cerny: Am 7.2. hatten wir schon einen jungen Patienten auf dem Notfall gesehen, welcher seit kurzem aus China zurückgekehrt war. Gottlob waren seine Grippesymptome nicht auf das SARS CoV-2 zurückzuführen. Diese Erfahrung half uns, das interne Dispositiv zu verbessern. Obschon wir täglich von den Ereignissen in den italienischen Medien informiert worden waren, traf uns die Epidemie mental unvorbereitet. Es ist die enorme Geschwindigkeit der Ausbreitung, welche wir alle unterschätzten.

Was waren die unmittelbaren Konsequenzen aus diesem ersten Fall fürs Personal, Spital und den Kanton?

D. Hagara: Bereits in dieser ersten Woche nach den Ereignissen in der Lombardei wurden in unserem Spital wie auch im Kanton Krisenstäbe täglich abgehalten. Meiner Meinung nach war die Tragweite der Geschehnisse allen Akteuren des Gesundheitswesens wie auch den politischen Kräften klar. Die ersten Entscheidungen waren aber zunächst sehr umstritten: so wurde der Karneval von Bellinzona noch abgehalten und Grossanlässe wie z.B. Sportanlässe wurden durchgeführt. Am 26.2.2020 wurden dann Karneval und Grossanlässe verboten. Die Schulen aber blieben weiterhin geöffnet und wurden dann erst am 11.3.2020 (post-obligatorische Schulen) und 16.3.2020 (alle) geschlossen.
In unserer Klinik wurden bereits nach 2 Tagen Massnahmen auf der Notfallstation ergriffen, die dem Covid-Verdacht Rechnung trugen. Nach einer Woche wurden stationäre Betten errichtet für die Covid-Verdachtsfälle. Es wurde erst nach 10 Tagen eine allgemeine Maskentragpflicht des Personals eingeführt.

Wie konnte der ambulante und stationäre Spitalbetrieb aufrechterhalten werden, auch um Schaden bei Patienten mit anderen Problemen abzuwenden?

D. Hagara: Wie das Tessin stark mit der Lombardei verknüpft ist, zeigt folgende Anekdote: eine 80-jährige Frau wurde am 2.3.2020 (also in einer Zeit, als die Klinik die Sicherheitsmassnahmen hochfuhr) bei uns wegen einer Synkope aufgenommen. Beim Eintritt klagte sie über keinerlei Beschwerden, die auf Covid hingewiesen hätten. Erst nach 2 Tagen stellte sich heraus, dass diese Frau, die ihre Angehörigen im Tessin hat und sich oft im Tessin aufhält und auch in der Schweiz versichert ist, am 22.2.2020 von der roten Zone in Lodi (Lombardei) «geflüchtet» ist, um bei ihren Kindern im Tessin zu verweilen. Unmittelbar auf Covid positiv getestet, zeigte sie einen akut sich verschlechternden Verlauf mit intensivmedizinischer Beatmung. Diese Episode führte in der Folge dazu, dass sich 5 Mitarbeiter und 1 Patientin auf dieser Abteilung mit dem Covid infiziert haben.

Wie hat diese Corona-Pandemie euren beruflichen Alltag verändert? (z.B. wie habt ihr die vielen Coronapatienten betreut, welche nicht, beziehungsweise nicht mehr, intensivmedizinisch behandelt werden mussten? Zusammenarbeit mit niederge-lassenen Kollegen etc.)

D. Hagara: In unserer Gemeinschaftspraxis haben wir sofort täglich einen Krisenstab durchgeführt. Ambulante Patienten wurden ab sofort einen Tag vor der geplanten Visite telefonisch auf eventuelle grippeähnliche Symptome befragt. Wir haben auch sofort hygienische Massnahmen erarbeitet und umgesetzt für Covidverdachtsfälle. Dies trifft ebenfalls auf Niveau der Klinik zu. Mitte März wurde die gesamte Klinik in eine Klinik verwandelt, welche ausschliesslich Covid-Patienten aufnimmt mit max. 180 Spitalbetten und 40 Intensivplätzen.
Die niedergelassenen Ärzte waren am Anfang überfordert, v.a. aufgrund von mangelndem Schutzmaterial. Letzteres wurde dann durch die Tessiner Ärztegesellschaft den niedergelassenen Ärzten zu Verfügung gestellt. Ebenfalls hat die Ärztegesellschaft in der Folge sogenannte Checkpoints errichtet, wo die Covid-Beurteilung und Diagnose mittels Nasenabstrich durchgeführt werden konnte.

Wie hat diese Corona-Pandemie euren persönlichen Alltag verändert?

D. Hagara: Mir erscheint diese relativ kurze Zeit von 2 Monaten wie gefühlte durchgemachte 3 Jahre. Dies aufgrund von einer Vielzahl von neuen Anforderungen, wie unzählige Telefonate, Kommunikation und Kollaboration mit Ärzten, Hygienemassnahmen, etc.
Am 4.4.2020 habe ich mich mit dem Coronavirus angesteckt: Die Krankheit ist bei mir relativ glimpflich verlaufen, vielleicht gerade, weil ich sofort mit Plaquenil 3x200mg, Azithromycin 1x500mg und Clexane 80 U s.c.1×1 angefangen habe (mit prompter EKG-Kontrolle). Nach ein paar Tagen mit deutlichen Grippesymptomen wurde ich von einem trockenen Husten eingeholt, der über 3 Wochen anhielt. Für meine Familie bedeutete diese Krankheit, dass ich währende 4 ganzen Wochen komplett isoliert in einem Zimmer blieb (zum Glück mit einem separaten WC), sodass sich niemand meiner Familie angesteckt hat.
A. Cerny: Es ging alles viel schneller, sehr viele Kommunikationen auf allen Kanälen, oft wusste ich gar nicht mehr, welchen Wochentag wir hatten, wenig Schlaf und stressige Träume.

Wie habt ihr euch lokal und international ausgetauscht, um die Diagnostik und Behandlung zu optimieren?

A. Cerny: Ja, wir hatten enge Kontakte mit unseren Kollegen in Mailand, Pavia, Bergamo und Parma und hatten so Zugang zu vielen Informationen wie dem Thromboserisiko, den ersten Erfahrungen mit antiviralen Substanzen und Immunsuppressiva und bekamen regelmässig die letzten Versionen ihrer Guidelines. Wir erfuhren auch vom stark erhöhten Risiko, sich bei der Arbeit mit dem Virus zu infizieren. Wir tauschten diese Erfahrungen regelmässig mit Kollegen in der Deutschschweiz und im Welschland aus, welche initial etwas skeptisch waren.

Was kam von wissenschaftlicher Seite dazu, wie z.B. Studienteilnahme, Compassionate use Programme, Patienten-Register oder Biobanking etc.

A. Cerny: Die neuesten Studienresultate wurden rasch untereinander ausgetauscht und in unserer WhatsApp-Gruppe rege diskutiert. Bei uns und auch im Ente Ospedaliero wurden das Compassionate-use Programm für Remdesivir regelmässig benützt und es wurden verschiedene Studien begonnen. Dank grosszügiger und unkomplizierter Unterstützung von Privaten konnten wir eine Biobank für COVID-19 Patienten aufbauen, welche gekoppelt mit einer klinischen Datenbank helfen wird, diese heimtückische Erkrankung in Zukunft besser zu verstehen.

Wie hat sich die mediale und kommunikative Begleitung angesichts der Bedrohungslage abgespielt?

A. Cerny: Da ich die Landessprachen spreche und meine Infektiologen-Kollegen im Krisenstab eingebunden waren und somit weniger frei waren, über die Ereignisse zu berichten, wurde ich oft von den Medien im Tessin und anderswo in der Schweiz angefragt. Mir war es wichtig, vor allem in der Anfangsphase, als der Rest der Schweiz noch keine konkrete Erfahrung mit der Krankheit und deren Gefährlichkeit hatte, darüber zu berichten.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Behörden und Medien? (Haben die Behörden in dieser Notlage zeitgerecht und angemessen gehandelt, sowohl gegenüber der Bevölkerung wie auch gegenüber den Ärzte-Pflegenden etc?)

D. Hagara: Im Nachhinein ist es immer leicht zu kritisieren. Denn es musste schnell gehandelt werden. Für einige wichtige Massnahmen, wie zum Beispiel Contact Tracing, fehlte es sowohl an Zeit als auch Personal. Der grosse Fehler allerdings war in der Anfangsphase die Zulassung des Bellinzoneser Karnevals, welche meiner Meinung nach der breiten Ansteckung der Bevölkerung Vorschub leistete. In der folgenden Phase hat man auch den Altersheimen zu wenig Beachtung geschenkt, was man an der sehr grossen Zahl der Toten in Altersheimen ersehen kann (fast 50% der Toten im Tessin).

Wie seht ihr die Rolle der WHO und der internationalen politischen Zusammenarbeit in dieser und auch kommenden Pandemien?

A. Cerny: In der Anfangsphase war die Mensch-zu-Mensch-Übertragung noch in Frage gestellt und die Gefährlichkeit der Krankheit unterschätzt worden. Wie sehr politische Einflüsse den raschen  Austausch vitaler Informationen behinderte, wird sicher Teil der Aufarbeitung dieser katastrophalen globalen Krise sein. Der Ende Februar publizierte Report, der von Experten der WHO und des chinesischen CDC verfasst worden war, war trotzdem sehr hilfreich. Leider hat sich ausser Italien kaum ein Land daran gehalten. Ich denke, wir hätten uns auch auf Nationaler Ebene mehr mit italienischen Experten und Behörden austauschen sollen.

Welches sind für euch die wesentlichsten Erkenntnisse für eine zukünftige Pandemie für unser Land?

D. Hagara: Ich sehe keine einzeln eruierbare Erkenntnis, aber bin der Überzeugung, dass diese Pandemie global äusserst viel verändern wird. Die Menschheit hat vor allem erfahren, dass das, was als selbstverständlich galt, in einem Augenblick nicht mehr sicher sein kann. Und: Händewaschen wird nicht mehr nur eine Frage der Hygiene sein, sondern eine Frage des Überlebens.
A. Cerny: Das Pandemiekonzept wird sicher überarbeitet werden müssen, dieses muss raschere Entscheidungsprozesse vorsehen, die Reserven an persönlichem Schutzmaterial und Desinfektionsmaterial müssen angepasst werden. Das Kommunikationskonzept von Bund und Kantonen muss verbessert werden, insbesondere im Hinblick auf Klarheit und Koordination. Die rasche wissenschaftliche Aufarbeitung neuer Erkenntnisse muss verbessert werden, insbesondere sollte die Task Force in eine ständige Beratungseinheit übergeführt werden, welche sich vermehrt mit WHO und ECDC austauscht und auch im Inland offene Kanäle mit den wichtigen Stakeholdern wie z.B. der forschenden Pharmaindustrie, den Universitäten und Swissmedic etabliert.

Nun werden zunehmend Lockerungen wirksam: seid ihr auf eine weitere Welle gefasst und was ist die persönliche Erwartung in die nahe Zukunft (z.B. Stichwort: Neue Normalität, Medikamente und Impfung?)

A. Cerny: Ich erwarte eine erneute Zunahme der Fälle Ende Juni anfangs Juli. Die Lockerungs-Massnahmen betreffen zu rasch gleichzeitig weite Bereiche des öffentlichen Lebens und ich befürchte, dass das «contact tracing» bei einem erneuten Anstieg der Fälle rasch dekompensiert. Die nächsten Wochen im Mai und Juni, wo wir weiterhin wenig neue Fälle sehen werden, könnten für viele als Zeichen missgedeutet werden, dass der «böse Traum» vorbei sei und dass wir unsere normalen Sommeraktivitäten wieder aufnehmen dürfen. Es wird vermehrt Stimmen geben, welche den Lockdown als unnötig bezeichnen und Verantwortlichkeiten fordern. Unser Spital und Ambulatorium werden die Achtsamkeit bestimmt nicht vermindern und sicherstellen, dass wir nicht wieder auf dem linken Fuss erwischt werden.
Zur Bewältigung der zweiten Welle hoffen wir auf neue Medikamente, die Resultate der vielen z.T. schon abgeschlossenen und z.T. noch laufenden Studien sollten uns neue Informationen zur Pathogenese und Impulse für die Behandlungen geben. Ich zweifle, dass wir im Juli schon soweit sind. Die Impfung scheint noch weit weg.

medinfo bedankt sich ganz herzlich bei Prof. Dr. med. Thomas Cerny, der dieses Interview organisiert und geführt hat.

Mehrlingsschwangerschaften

In den letzten 40 Jahren hat sich die Anzahl der Mehrlingsschwangerschaften in der Schweiz praktisch verdoppelt. Während 1979 insgesamt 20 Mehrlingsgeburten pro 1000 Lebendgeburten registriert wurden, waren es 2018 35.5 Zwillings- und 1.1 Drillingsgeburten pro 1000 Lebendgeburten (1). Diese Entwicklung erklärt sich durch das gestiegene mütterliche Alter und die Verbreitung der Fortpflanzungsmedizin (ART). Da Mehrlingsschwangerschaften mit einem deutlich erhöhten Risiko für mütterliche und fetale Komplikationen einhergehen, ist deren rechtzeitige Diagnose essentiell für die weitere Schwangerschaftsbetreuung (2). Oft ist eine Mehrlingsbetreuung in Zusammenarbeit mit oder an einem Perinatalzentrum sinnvoll.

En Suisse, depuis 40 ans, le nombre de grossesses multiples a quasiment doublé. En 1979 on enregistrait 20 grossesses multiples par 1000 naissances avec enfant vivant, en 2018 on comptait 35,5 grossesses gémellaires et 1,1 triplés par 1000 naissances avec enfant vivant (1). Cette évolution s’explique par l’âge maternel croissant et le recours de plus en plus fréquent à la procréation médicalement assistée (PMA). Vu que les grossesses multiples ont un risque maternel et fœtal nettement augmenté, le diagnostic précoce est essentiel pour la prise en charge ultérieure (2). Un suivi en collaboration avec ou primairement dans un centre de périnatologie est conseillé.

Ultraschall im ersten Trimester

Die Ersttrimester-Sonographie ist ein integraler Bestandteil der Schwangerschaftsbetreuung, nicht zuletzt, um Mehrlingsschwangerschaften frühzeitig zu erkennen. Die sorgfältige Diagnose der Mehrlingsschwangerschaft, die Bestimmung des Schwangerschaftsalters sowie das Festlegen der Chorionizität/Amnionizität sind für die weitere Schwangerschaftsbetreuung von zentraler Bedeutung (3).

Diagnose

Die Anzahl der Feten lässt sich sonographisch ab der 7. SSW darstellen, indem die Fruchtsäcke gezählt werden (Abb.  1a). Ist mehr als 1 Dottersack zu sehen, muss immer an eine Mehrlingsschwangerschaft gedacht werden (Abb. 1b).

Bestimmung des Schwangerschaftsalters

Wenn keine durch ART entstandene Schwangerschaft vorliegt, wird auch bei Mehrlingen das Schwangerschaftsalter mittels Messung der Scheitelsteisslänge (SSL) zwischen 11 und 14 Schwangerschaftswochen (SSW) bestimmt (4, 5). Eine ungleiche plazentare Verteilung, Anomalien oder ein auffälliger Karyotyp eines Feten, können schon im ersten Trimester zu diskordantem Wachstum führen (6). Zur Bestimmung des Schwangerschaftsalters soll bei Mehrlingen die SSL des grösseren Fetus verwendet werden (7).

Chorionizität/Amnionizität

Die Chorionizität lässt sich schon ab der 7. SSW bestimmen, muss aber spätestens bis 14 SSW festgelegt, dokumentiert und mit Bild in der Patientenakte hinterlegt worden sein. Hintergrund ist, dass mit jeder weiteren SSW das Risiko der Fehlklassifikation um 10% ansteigt (8). Beim geringsten Zweifel, sollte deshalb rechtzeitig eine Zuweisung an ein Perinatalzentrum erfolgen. Dadurch kann beispielsweise die richtige Klassifikation einer Zwilllingsschwangerschaft um über 50% auf 95% gesteigert werden (9).
Sieht man sonographisch zwei klar getrennte, von Throphoblast umgebene Fruchthöhlen, liegt eine dichoriale diamniote Schwangerschaft vor. Um 12-14 SSW entwickelt sich daraus das typische «Lambda»-Zeichen (Abb. 2a), da nur noch plazentaseitig ein Choriondreieck zwischen die beiden Amnionblätter zieht. In 7% verschwindet das Lambda-Zeichen nach 20 SSW (10).
Findet sich nur eine Fruchthöhle mit zwei Embryonen, liegt eine monochoriale Zwillingsschwangerschaft vor. Bei monochorialen diamnioten Zwillingen liegen die beiden Amnionblätter glatt aufeinander und bilden so eine feine Trennwand zwischen den Feten. Bei 8-10 SSW sind die beiden Amnionblätter meist noch etwas vom Chorionblatt abgelöst, wodurch sonographisch der Eindruck eines leeren «Lambda»-Zeichens oder auch das typische Bild eines «Mercedesstern»-Zeichens erscheint (Abb. 2b). Sobald die Amnion- und Chorionblätter vollständig verschmelzen bildet sich das «T»-Zeichen.
Vor 8-10 SSW ist die Amniozität oft noch schwierig zu beurteilen. Die Dottersackdiagnostik hilft hierbei auch nicht weiter. Bei einer Monoamnionizität, ca. 4% aller monochorialen Schwangerschaften, lässt sich auch bei 10-14 SSW keine Trennwand zwischen den Embryonen darstellen. Typischerweise zeigt sich eine Amnionhöhle mit zwei eng zusammenliegenden Nabelschnuransätzen oder einer Nabelschnurverdrillung (Abb.  2c). Die Messung der Membrandicke und das Zählen der Membranschichten zwischen den Feten sind keine zuverlässigen Diagnosekriterien (10).

Siamesische Zwillinge und TRAP (twin reversed arterial perfusion) -Sequenz

Teilt sich die Zygote erst nach dem 13. Tag post conceptionem, resultieren siamesische Zwillinge (Abb. 3a). Art und Ausmass der Verbindung kann sehr variieren und geht entsprechend mit unterschiedlichsten Prognosen einher. Wichtig sind eine frühzeitige Diagnose und eine entsprechende Beratung des Paares.
Eine weitere für monochoriale Zwillingsschwangerschaften spezifische Diagnose des ersten Trimesters ist die TRAP (twin reversed arterial perfusion)-Sequenz. Typischerweise fehlt hier bei einem Zwilling das Herz und die obere Extremität (=Akardius acranius). Eine arterio-arterielle Anastomose, vom zweiten, ‘pumpenden Zwilling’ kommend, gewährleistet die Durchblutung des Akardius acranius. Mit dem Farbdoppler lässt sich dieser umgekehrte Blutfluss gut darstellen (Abb.3 b). Die Mortalität für den pumpenden Zwilling liegt bei >50 %. Eine rechtzeitige Trennung der beiden Kreisläufe, meist mittels Lasertherapie, kann rettend sein (11).

Höhergradige Mehrlingsschwangerschaften

Wird eine höhergradige Mehrlingsschwangerschaft diagnostiziert, gelten dieselben Regeln zur Bestimmung der Chorionizität/Amnionizität wie bei Zwillingsschwangerschaften (Abb. 1a). Da diese Schwangerschaften mit noch höheren Komplikationsraten und grosser psychosozialen Belastungen einhergehen können, kann sich die Frage nach einer fetalen Reduktion stellen. Die Reduktion einer Drillingsschwangerschaft auf Zwillinge, kann zu einer Schwangerschaftsverlängerung von ca. 3 Wochen führen (12), geht gleichzeitig aber mit einer Abortrate von 5-7% einher (13, 14). Es empfiehlt sich vorgängig ein umfassendes Aneuploidie-Screening durchzuführen. Die Entscheidungsfindung des Paares kann selbstverständlich sehr unterschiedlich sein und hängt vom sozialen Hintergrund und deren Glaubenseinstellungen ab (15).

Aneuploidie-Screening

Fürs Aneuploidie-Screening stehen heutzutage verschiedene Optionen zur Verfügung, welche mit der Patientin umfassend besprochen werden müssen. Bei dizygoten Zwillingen ist das Risiko einer Chromosomenstörung für jeden Fetus gleich gross wie bei einer Einlingsschwangerschaft, für die Schwangerschaft ergibt sich somit ein zweifach erhöhtes Risiko. Monozygote Zwillingen haben, bis auf wenige Ausnahmen, den gleichen Karyotyp (16). Das Risiko einer Chromosomenstörung entspricht somit dem von Einlingsschwangerschaften.

Ersttrimestertest (ETT)

Seit dem Aufkommen des ETT‘s in den 1980-90er Jahren basierte die Aneuploidie-Risikoberechnung bei Mehrlingschwangerschaften, neben dem mütterlichen Alter, auf der Messung der Nackentransparenz (NT) bei einer SSL zwischen 45-84mm. Hierbei soll bei monochorialer Zwillingsschwangerschaft der Durchschnittswert der NT-Messung beider Zwillinge herangezogen werden (17). Eine diskordant erhöhte NT (>20%) oder eine SSL-Differenz >10% bei monochorialen werden als Frühmarker für das Entwickeln eines feto-fetalen Transfusionssyndroms (FFTS) oder einer schweren Wachstumsretardierung im weiteren Schwangerschaftsverlauf diskutiert (17-19).

Nicht-invasiver pränataler Test (NIPT)

Eine weitere Aneuploidie-Screeningmethode für Zwillinge ist der NIPT. Hierbei werden freie ‚fetale‘ DNA-Bruchstücke (ffDNA) aus dem mütterlichem Blut vervielfältigt und für die häufigsten numerischen Chromosomenanomalien getestet. Entscheidend für die Durchführbarkeit des NIPT‘s, analog wie bei den Einlingsschwangerschaften, ist eine ffDNA Fraktion > 4% pro Kind. Bei Zwillingen sollte diese idealerweise über 8% liegen (20). Eine 2017 publizierte Metaanalyse zu ffDNA-Tests bei Zwillingsschwangerschaften zeigte Entdeckungsraten für die Trisomie 21 (T21) von 100% (95% CI, 95.2-100%) bei einer falsch-positiven Rate von 0.0% (95% CI, 0.00-0.003%) (21) . Die T21-Detektionsrate des NIPT’s ist heute für Zwillings- und Einlingsschwangerschaften vergleichbar. Bei höhergradigen Mehrlingen kann der NIPT bisher nicht standardmässig angeboten werden.
In der Schweiz sind die Bedingungen zur Kostenübernahme eines NIPT’s für T21, 18 und 13 durch die obligatorische Krankenversicherung nach einer Risikoberechnung für T21, 18, und 13 ≥ 1:1000 gegeben (22). Bei einem NIPT-Resultat mit Hinweis auf eine Chromosomenanomalie gilt es, diesen mittels invasiver Diagnostik zu bestätigen, um den Ursprung (fetal, plazentar oder mütterlich) zu identifizieren (22).

Invasive Diagnostik

Obwohl in den vergangenen Jahren etwas in den Hintergrund gerückt, gilt die invasive Diagnostik bis heute als ‚Goldstandard‘ des pränatalen, genetischen Screenings. Wünschen die Eltern eine maximale Abklärung kann nach entsprechender Aufklärung über die Risiken und Kosten eine Chorionzottenbiopsie (CVS) oder Amniozentese (AC) angeboten werden. Bei sonographischen Auffälligkeiten (Fehlbildungen oder NT >95. Perzentile) soll über die medizinische Indikation einer invasiven Abklärung zur fetalen Chromosomenuntersuchung inklusive einer Microarray-Analyse aufgeklärt werden.

Dr. med. Ladina Vonzun

Klinik für Geburtshilfe
UniversitätsSpital Zürich
Frauenklinikstrasse 10
8091 Zürich

ladina.vonzun@usz.ch

Prof. Dr. med. Nicole Ochsenbein-Kölble

Klinik für Geburtshilfe
UniversitätsSpital Zürich
Frauenklinikstrasse 10
8091 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Mehrlingsschwangerschaften lassen sich zuverlässig ab der 7. SSW darstellen
  • Die sorgfältige Bestimmung des Schwangerschaftsalters, die Festlegung der Anzahl Feten und der Chorionizität/Amnionizität vor 14 SSW ist essentiell für ein adäquates Management der Mehrlingsschwangerschaft.
  • Als pränatales Aneuploidie-Screening kann Zwillingseltern neben der NT-Messung auch ein NIPT angeboten werden, wobei auffällige Resultate durch eine invasive Diagnostik abgeklärt werden sollen.
  • Auch bei Mehrlingsschwangerschaften soll bei sonographischen Auffälligkeiten direkt eine invasive Diagnostik angeboten werden.
  • Die Mehrlingsbetreuung sollte in Zusammenarbeit mit oder am Perinatalzentrum geschehen.

Messages à retenir

  • L’échographie permet de découvrir de manière fiable une grossesse multiple dès 7 semaines de grossesse (SA, semaines d’aménorrhée corrigée).
  • La détermination précise de l’âge gestationnel, du nombre de foetus et de la chorionicité/amnionicité avant 14 SA est essentiel pour une prise en charge adéquate d’une grossesse multiple.
  • Comme dépistage prénatal d’une aneuploïdie on peut offrir d’une part la mesure de la clarté nucale (NT), mais aussi le DPNI (dépistage prénatal non-invasif) avec recours au diagnostic invasif en cas de résultat suspect.
  • Comme lors de toute grossesse, en cas d’images ultrasonores suspectes dans une grossesse multiple, un diagnostic invasif devrait être envisagé d’emblée.
  • Le suivi d’une grossesse multiple devrait se faire en collaboration étroite avec ou primairement dans un centre de périnatologie.

1. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/gesundheit-neugeborenen.html.
2. Lewi L, Gucciardo L, Van Mieghem T, de Koninck P, Beck V, Medek H, et al. Monochorionic diamniotic twin pregnancies: natural history and risk stratification. Fetal Diagn Ther. 2010;27(3):121-33.
3. Oepkes D, Sueters M. Antenatal fetal surveillance in multiple pregnancies. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2017;38:59-70.
4. Dias T, Mahsud-Dornan S, Thilaganathan B, Papageorghiou A, Bhide A. First-trimester ultrasound dating of twin pregnancy: are singleton charts reliable? BJOG. 2010;117(8):979-84.
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14. van de Mheen L, Everwijn SM, Knapen MF, Oepkes D, Engels M, Manten GT, et al. The effectiveness of multifetal pregnancy reduction in trichorionic triplet gestation. Am J Obstet Gynecol. 2014;211(5):536.e1-6.
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20. Struble CA, Syngelaki A, Oliphant A, Song K, Nicolaides KH. Fetal Fraction Estimate in Twin Pregnancies Using Directed Cell-Free DNA Analysis. Fetal Diagn Ther. 2013.
21. Gil MM, Quezada MS, Revello R, Akolekar R, Nicolaides KH. Analysis of cell-free DNA in maternal blood in screening for fetal aneuploidies: updated meta-analysis. Ultrasound Obstet Gynecol. 2015;45(3):249-66.
22. N. Ochsenbein TB, L. Raio, Y. Vial, D. Surbek, S. Tercanli, A. Rauch, I. Filges, S. Fokstuen. Pränatale nicht-invasive Risikoabschätzung fetaler Aneupoidien. SGGG Expertenbrief No 52. Update vom März 2018:https://www.sggg.ch.

Risiken einer vaginalen Estrogengabe – worum geht es?

Der nachfolgende Beitrag stellt eine aktuelle Reaktion auf eine Publikation von PRAC/EMA und BfArM zum Thema vaginale Therapie mit Estrogenen vom 17. Januar 2020 dar. Obschon die EMA nicht direkt Anordnungen für die Schweiz geben kann, haben ihre Stellungsnahmen doch über die Medien einen Einfluss auf unsere Patientinnen und Ärzte.

Cet article est une prise de position d’actualité sur une publication du 17 janvier 2020 de l’autorité allemande (BfArM) – qui reprend un document de l’agence européenne des médicaments (PRAC/EMA) – concernant le traitement hormonal aux oestrogènes par voie vaginale. Quoique l’EMA ne soit pas habilitée à légiférer en Suisse, cette recommandation diffusée par les media exerce une influence notable sur les patientes et le corps médical dans notre pays.

Ein vom Deutschen Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vom PRAC (Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA)) übernommene Empfehlung vom 17.01.2020 (1) enthält eine neue Risikobewertung für hochdosierte estradiolhaltige Vaginal-Crèmen mit 100µg Estradiol/g Crème (0,01%). Die in der Schweiz zugelassenen niedrig- und ultraniedrig dosierten vaginalen Estradiol-Präparate (Tabelle 1) sind von den neuen Empfehlungen nicht betroffen.

Die Kernbotschaft der BfArM-Empfehlung vom 17.01.2020 lautet:

  • Hochdosierte estradiolhaltige Crèmes sollten wegen der Risiken, die mit einer systemischen Wirkung von Estradiol assoziiert sind, nicht länger als für einen einzigen Behandlungszeitraum von 4 Wochen verschrieben werden.
  • Pharmakokinetische Daten über hochdosierte estradiol-haltige Crèmes (100µg/g) für den intravaginalen Gebrauch weisen auf eine erhebliche systemische Estradiolresorption hin, deren Werte über dem normalen postmenopausalen Bereich liegen. Die systemische Exposition des Estradiols könnte mit Nebenwirkungen verbunden sein, die denen von oralen und transdermalen HRT-Arzneimitteln ähnlich sind, wie z.B. endometrialem Hyperplasie/Karzinom, Brust- und Eierstockkrebs und thromboembolische Ereignisse.
  • Hochdosierte estradiol-haltige Crèmes sollten nicht mit anderen HRT-Medikamenten verschrieben werden.

Obwohl in der Schweiz keines der in Deutschland erhältlichen hochdosierten Präparate (Linoladiol®, Linoladiol N®, Linoladiol Estradiol® Estradiol Wolff®, Montadiol®) zugelassen zugelassen ist und die neue empfehlung von EMA und BfArM die Schweiz rechtlich nicht betrifft, sorgt die Publikation auch hier für Verunsicherung. Dies vor allem, weil auch in den Schweizer Beipackzetteln niedrig-dosierter vaginaler Estradiol-Präparate Warnungen vor möglichen Nebenwirkungen wie erhöhtem kardiovaskulärem, cerebrovaskulärem und thrombo-embolischem Risiko, erhöhtem Brustkrebsrisiko etc. aufgeführt sind, die nicht evidenz-basiert sind. Solche Warnungen können unsere Patientinnen ohne Grund verängstigen, so dass sie ihre korrekt indizierte vaginale Therapie absetzen.
Dieser Beitrag will die Grundlagen für die geltenden Richtlinien zur vaginalen Estrogen-Therapie und die geltenden Empfehlungen von BfArM und Swissmedic evaluieren. Dazu gehören auch die alten Beipackzettel zu niederdosierten Präparaten.

Grundlagen

Die Serum-Estradiolspiegel liegen nach BfArM in der Prämenopause zwischen 147 und 1468 pmol/l (40–400 pg/ml) und sinken nach der Menopause auf < 73 pmol/l (20 pg/ml) ab (siehe auch Tab. 2). Diese Abnahme ist mit einer progressiven urogenitalen Atrophie assoziiert, die klinisch im Mittel 4–5 Jahre nach der Menopause manifest wird und zu Beschwerden führen kann, die unter dem Begriff genitourethrales menopausales Syndrom (GMS) zusammengefasst sind.
Objektive Veränderungen und subjektive Beschwerden werden von 25–50% aller postmenopausalen Frauen angegeben (2, 3, 4). Die tatsächliche Inzidenz ist sehr wahrscheinlich höher. Die optimale Therapie eines GMS ist für die urogenitale und sexuelle Gesundheit und damit auch die Sexualität und die Lebensqualität nach der Menopause entscheidend. Für weitere Informationen zum GMS und dessen Behandlung sei auf zwei neuere Übersichtsarbeiten (2, 3) verwiesen.

Risiken einer Behandlung

Niedrig-dosiertes vaginales Estradiol bei leichtem und mittelstarkem GMS

Sind bei einem GMS die nicht-hormonalen Behandlungsmöglichkeiten (2, 3) ausgeschöpft, so strebt eine rationale weitere Behandlung den Ersatz der fehlenden Estrogene und die Wiederherstellung der normalen urogenitalen Physiologie an, um dadurch eine Linderung der Symptome zu erreichen. Wenn eine systemische menopausale Hormontherapie (MHT) nicht aus anderen Gründen indiziert ist, soll die niedrig-dosierte vaginale Estrogengabe einer MHT vorgezogen werden. Sie ist zur Behandlung der vaginalen Atrophie wirksamer als die systemische MHT. Wenn nötig, kann eine vaginale Estrogengabe auch zusätzlich zu einer systemischen MHT angewandt werden.
Lokal-vaginale Estrogene können als Tabletten, Vaginalzäpfchen/Ovula, Crèmen oder als Vaginalring verabreicht werden. In der Cochrane-Review von 2016 (5) fanden sich für die verschiedenen vaginalen Estrogen-Präparate keine unterschiedliche Wirksamkeit. In der Schweiz sind nur Vaginalpräparate mit Estradiol und dem systemisch schwach wirksamen Estriol verfügbar (Tab 1). Hier wird nur auf Estradiol eingegangen, auf das sich die BfArM-Publikation bezieht.
Zur lokalen Behandlung eines leichten bis mittelschweren GMS werden im Vergleich zur systemischen Therapie deutlich kleinere Dosierungen benötigt. Die dabei erreichten Steady-State-Plasmaspiegel bleiben für Vaginalringe (Freisetzung von 7,5μg Estradiol/24h) und Estradioltabletten (25µg und 10µg) alle im normalen postmenopausalen Bereich (6, Tab. 2) und sind damit tiefer als die bei einer transdermalen systemischen Therapie erreichten Serumspiegel. Der Rückzug der vaginalen 25-µg-Estradioltablette vom Schweizer Markt aus Sicherheitsgründen war somit nicht gerechtfertigt. Er benachteiligt Frauen mit stärkeren Symptomen, da nach einem RCT die ultraniedrige 10µg-Estradiol-Tablette nicht in allen Kriterien einer modernen nicht-hormonalen Behandlung überlegen ist (13).
Die allfällige Notwendigkeit einer gleichzeitigen Gestagengabe bei Frauen unter niedrig-dosierten vaginalen Estrogenpräparaten wurde in der Cochrane-Review von 2016, in der Women’s Health Initiative (WHI) Observational Study (medianer Follow-Up 7,2 Jahre) und in zwei Reviews von 2019 und 2020 untersucht (5, 7, 8). Danach erhöht sich weder das Risiko für eine Veränderung der Endometriumhöhe noch dasjenige für Hyperplasien oder Endometriumkarzinome (5, 7, 8, 12). Die Schlussfolgerung, dass bei niedrigdosierter vaginaler Estrogentherapie keine Notwendigkeit für die gleichzeitige Gabe eines Gestagens zum Endometriumschutz besteht, ist auch in den Empfehlungen der IMS (International Menopause Society) (4), der SGGG (9) und der NAMS (North American Menopause Society) (10, 11) festgehalten und wird in den Beipackzetteln respektiert.
Wie die transdermale besitzt auch die vaginale Estradiol-Gabe keinen hepatischen First-Pass-Effekt. Deshalb und wegen der normal-postmenopausalen Estradiolspiegel unter Therapie (Tab. 2) ist es bei der niedrig-dosierten vaginalen Estradiolgabe nicht zu erwarten, dass es zu einer Risikoerhöhung von kardiovaskulären Erkrankungen, Schlaganfällen, thrombo-embolischen Ereignissen, gynäkologischen Karzinomen inkl. Mamma-Ca oder von Demenz kommt. Die WHI Observational Study belegt diese Annahme bei 45 663 nicht-hysterektomierten Studienteilnehmerinnen ohne systemische MHT (12). In diesem Kollektiv waren über die mediane Beobachtungsdauer von 7,2 Jahren die Risiken für CHD, Frakturen und Gesamtmortalität bei den Anwenderinnen von vaginalem Estrogen sogar signifikant niedriger als bei den Nichtanwenderinnen (Global Index, korrigierte Hazard Ratio 0.68; 95% Vertrauensintervall 0.55-0.86). Die übrigen Risiken waren nicht erhöht. Damit ist die in den meisten Beipackzetteln immer noch behauptete Risikozunahme für die in der WHI-Studie untersuchten Erkrankungen formell widerlegt. Diese Fehlinformation zu den Risiken sollte dringend entfernt werden.
Bei Patientinnen mit undiagnostizierten vaginalen Blutungen und solchen mit bekanntem oder vermutetem Endometriumkarzinom ist eine vaginale Estrogengabe kontraindiziert. Bei unklarer vaginaler Blutung unter Estrogen-Therapie muss eine endometriale Pathologie ausgeschlossen werden.

Mit Estrogenen bei schwerem GMS

Ein schweres GMS sollte mit höher bis hoch dosierten lokal-vaginalen Estradiol-Crèmen (0.01%) behandelt werden können (3), weil unter inadäquat niedrig-dosierter Therapie wie auch unter einer hochdosierten Behandlung von nur 4 Wochen keine dauerhafte Besserung eintreten kann. Da in der Schweiz keine entsprechenden Präparate erhältlich sind, muss zu Magistralrezepten oder zu im Ausland erhältlichen Präparaten gegriffen werden.
Die Anordnung von EMA/PRAC für die EU-Länder, dass eine Behandlung mit solchen Präparaten nicht länger als 4 Wochen dauern darf, widerspricht den Grundprinzipien zur vaginalen Gabe von Estrogenen beim GMS (Tab. 3) und ist nicht evidenzbasiert. Jedes deswegen nicht korrekt behandelte schwere GMS kann eine verheerende Wirkung auf die vulvovaginale, urogenitale und sexuelle Gesundheit der betroffenen Frauen haben. Sie kann Partnerschaft, Sexualleben, Selbstsicherheit und Lebensqualität zerstören.

Eine langdauernde höherdosierte vaginale Estradioltherapie ist bei richtiger Durchführung sicher. Unter hochdosierten Vaginalcrèmen fand sich bisher einzig eine mögliche dosisabhängige Zunahme der Endometriumdicke (5). Die WHI Observational Study, in der alle (auch hochdosierten) vaginalen Estrogenpräparate zusammen analysiert wurden, fand bei 45’663 Studienteilnehmerinnen ohne systemische MHT keine Zunahme der bereits oben erwähnten Risiken, auch nicht für Endometriumkarzinome (12).
Zur vom BfArM aus meiner Sicht weit überschätzten Gefahr hochdosierter vaginaler Präparate ist Folgendes festzuhalten: Gemäss BfArM werden unter hochdosierten vaginalen Estrogenen Serumwerte erreicht, die bis fünfmal über dem postmenopausalen Referenzbereich des BfArM liegen (1). Dies entspricht der frühen bis mittleren Follikelphase und damit auch den Estradiolwerten unter transdermaler systemischer MHT. Für diese wurde eine analoge Beschränkung der Behandlungsdauer nie in Betracht gezogen. Warum also bei den vaginalen Präparaten? Werden bei hoch-dosierter vaginaler Estradiol-Gabe Vorsichtsmassnahmen erwogen, so sollten diese aus pharmakodynamischen und metabolischen Gründen mit den Regeln übereinstimmen, die für eine transdermale systemische Estradiol-Gabe (Patches, Gels; ≤ 50µg/Tag) gelten. Ein Vergleich mit peroralen Studien (Million Women Study und WHI-Studie (RCT-Arm)) ist falsch und missachtet die entscheidenden Unterschiede zwischen oraler und vaginaler Estrogengabe. Zudem sollten in den Beipackzetteln, auf die aktuellesten neuen Datenanalysen der WHI-Studien Bezug genommen werden (16), und nicht auf alte, durch neue Daten überholte und deshalb unrichtige Auswertungen. Bestehen bei hochdosiertem vaginalen Estradiol begründete Bedenken wegen eines möglicherweise erhöhten Risikos für Endometrium-Karzinome, wäre die Empfehlung einer Gestagenbeigabe zu hochdosierten Präparaten ausreichend. Für darüber hinausgehende Massnahmen – wie einer Limitierung der Anwendungsdauer auf 4 Wochen – fehlt die erforderliche Evidenz.

Mögliche Alternative: Vaginale Gabe von DHEA

Ospemifen (2) wird vermutlich in der Schweiz nicht eingeführt. Dafür wird noch dieses Jahr ein vaginales Präparat zur Behandlung des GMS mit DHEA (Prasteron) registriert. Klinische Studien mit täglicher intravaginaler Administration von 6.5 mg DHEA (Prasteron) zeigen eine statistisch signifikante günstige Wirkung auf die Symptome einer vulvo-vaginalen Atrophie (GMS) (14). DHEA dringt in die Zelle ein und entfaltet dort durch die intrazelluläre Umwandlung von DHEA zu Estradiol und Testosteron eine intrakrine Wirkung. Die aus DHEA gebildeten intrazellulären Steroide Estradiol und Testosteron werden nicht nach aussen abgegeben: die Serum-Spiegel beider Steroide bleiben unter Therapie unverändert (15). Somit ist auch nicht mit einer Endometriumstimulation oder mit systemischen Nebenwirkungen zu rechnen. Dies bestätigen die klinischen Daten (14).

Prof. em. Dr. med. Martin Birkhäuser

Gartenstrasse 67
4052 Basel

martin.birkhaeuser@bluewin.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Für niedrig-dosierte vaginale Estrogenpräparate gilt weiterhin, dass auch bei einer Therapiedauer von > 1 Jahr eine Gestagenbeigabe nicht notwendig ist.
  • In Beipackzetteln von niedrigdosierten vaginalen Estrogenpräparaten wird fälschlicherweise auf ein mögliches erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Thromboembolien, Schlaganfälle und Brustkrebs hingewiesen. Diese Warnung ist nicht evidenzbasiert, widerspricht einergrossen prospektiven langdauernden Beobachtungsstudie und verunsichert einzig die Patienti . Sie sollte entfernt werden.
  • Bei hochdosierten vaginalen Präparaten wären höchstens Risiken zu erwarten, wie sie für eine normaldosierte transdermale systemische Gabe bekannt sind (≤ 50 μg Estradiol/Tag). Allfällige Empfehlungen zur Therapie sollten daher für beide Behandlungsprinzipien die gleichen sein. Eine zusätzliche Gestagengabe ist hier zum Endometriumschutz ausreichend.
  • Die in der EU geltende Limitierung einer hochdosierten vaginalen Estrogen-Therapie auf < 4 Wochen steht im Gegensatz zum Prinzip, dass eine vaginale Behandlung lange (oft über Jahre!) fortgeführt werden muss, um den Nutzen aufrecht zu erhalten, und ist nicht evidenzbasiert. Sie führt einzig dazu, dass Frauen mit schwerem genito-urethralem menopausalen Syndrom nicht mehr korrekt behandelt werden können.
  • Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) sollte nicht ohne sichere Grundlage und gegen solide Evidenz die alternativlose Behandlung eines schweren GMS mit einem hochdosierten vaginalen Estradiolpräparat durch Empfehlungen verunmöglichen, sondern sie im Rahmen einer verantwortungsbewussten Nutzen-Risiko-Abwägung sicherer machen.

Messages à retenir

  • Pour les préparations oestrogéniques faiblement dosées, l’adjonction d’un progestatif n’est-pas nécessaire, même en cas de traitement prolongé (> 1 année).
  • Les notices d’emballage de préparations hormonales vaginales faiblement dosées mentionnent à tort un risque potentiel augmenté pour les maladies cardiovasculaires, thrombo-emboliques et cérébrovasculaires ainsi que les cancers du sein. Cette mise en garde est contredite par les résultats d’une grande étude observationnelle prospective de longue durée, elle n’est pas fondée sur des preuves et devrait être éliminée des textes. Elle inquiète inutilement les patientes.
  • Un traitement vaginal hautement dosé provoquerait au maximum des effets secondaires comparables à un traitement hormonal systémique percutané normalement dosé (≤ 50µg estradiol / jour). Les recommandations pour les deux formes de traitement devraient donc être les mêmes. L’adjonction d’un progestatif garantit la protection de l’endomètre.
  • La limitation dans le temps (< 4 semaines) pour un traitement vaginal fortement dosé telle qu’elle figure dans la publication de l’UE, contredit le principe que, pour être efficace et durable, un traitement vaginal doit être maintenu pendant longtemps (souvent pendant des années). De plus, elle n’est pas fondée sur des preuves. Elle a comme seule conséquence de rendre impossible le traitement correct des femmes souffrant d’un syndrome génito-urinaire de la ménopause sévère (GMS).
  • L’Agence Européenne des Médicaments (EMA) ne devrait pas empêcher un traitement vaginal à l’estradiol hautement dosé, pour lequel des alternatives manquent, sans fondements sûrs et contre toute évidence. Son rôle serait bien plus de rendre plus sûr un traitement du GMS, en l’occurrence le traitement vaginal à haute dose, par une analyse soigneuse des risques et bénéfices.

1. BfArM. Risikobewertungsverfahren. Hochdosierte, estradiolhaltige Cremes: Ueberprüfung der Risiken. Release-Datum: 17.01.2020. https://www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/DE/RV_STP/a-f/estradiol-creme.html
2. Wüest A, Stute P. Vulvovaginale Beschwerden in der Menopause, Update 2018. GYNÄKOLOGIE 3: 12-17, 2018.
3. Crandall CJ, Treatment of Vulvovaginal Atrophy. JAMA Published online September 26, 2019. doi:10.1001/jama.2019.15100
4. D. W. Sturdee and N. Panay, on behalf of the International Menopause Society Writing Group. Recommendations for the management of postmenopausal vaginal atrophy. CLIMACTERIC; Early Online, 1–14, 2010.
5. Lethaby A, Ayeleke RO, Roberts H. Local estrogen for vaginal atrophy in postmenopausal women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 8. Art. No.: CD001500. DOI: 10.1002/14651858.CD001500.pub3.2016.
6. aus United States Pharmacopeia (downloaded 10. Nov. 2010)
7. 32. Constantine GD, Graham S, Lapane K et al.Endometrial safety of low-dose vaginal estrogens in menopausal women: a systematic evidence review. Menopause, 26: 800-807, 2019.
8. Crandall CJ, Diamant A, Santoro N. Safety of vaginal estrogens, a systematic review. Menoopause: January 6, 2020. doi: 10.1097/GME.0000000000001468. [Epub ahead of print]
9. Birkhäuser M, Bürki R, De Geyter C, Imthurn B et al. Aktuelle Empfehlungen zur Menopausalen Hormon-Therapie (MHT). Expertenbrief No 42 der SGGG, 2015.https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Formulardaten/42_Menopausale_Hormon-Therapie 2015.pdf
10. NAMS. Management of symptomatic vulvovaginal atrophy: 2013 position statement of The North American Menopause Society. Menopause, Vol. 20, No. 9: 888-902, 2013.
11. Faubion AA, Larkin LC, Stuenkel CA et al. Management of genitourinary syndrome of menopause in women with or at high risk for breast cancer: consensus recommendations from The North American Menopause Society and The International Society for the Study of Women’s Sexual Health Menopause: Vol. 25, No. 6: 1-13, 2018.
12. Crandall CJ, Hovey KM, Andrews CA et al. Breast cancer, endometrial cancer, and cardiovascular events in participants who used vaginal estrogen in the Women’s Health Initiative Observational Study. Menopause; Jan;25(1):11-20, 2018
13. Mitchell CM, Reed SD, Diem S et al. Efficacy of Vaginal Estradiol or Vaginal Moisturizer vs Placebo for Treating Postmenopausal Vulvovaginal Symptoms. A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med; 178(5): 681–690, 2018
14. Labrie F, Archer DF, Koltun W et al Efficacy of intravaginal dehydroepiandrosterone (DHEA) on moderate to severe dyspareunia and vaginal dryness, symptoms of vulvovaginal atrophy, and of the genitourinary syndrome of menopause. Menopause; 23: 243-256, 2016.
15. Labrie F, Bélanger A, Pelletier et al. Science of intracrinology in postmenopausal women- Menopause 24: 702-712, 2017.
16. JoAnn E. Manson Andrew M. Kaunitz. Menopause Management — Getting Clinical Care Back on Track. N Engl J Med 374;9: 803-806, 2016.

Heterotope Zervixschwangerschaft mit parazervikaler Lokalisation

Eine heterotope Zervixschwangerschaft nach spontaner Konzeption ist ein extrem seltenes Ereignis. Es besteht ein hohes Blutungsrisiko, daher ist eine frühzeitige Diagnosestellung und eine individuelle Therapieplanung erforderlich. Dieser Fall beschreibt die Diagnose und Therapie einer heterotopen Zervixschwangerschaft nach spontaner Konzeption.

Eine Zervixschwangerschaft nach spontaner Konzeption ist mit < 1% aller ektopen Schwangerschaften ein seltenes Ereignis (1). Ihr Vorkommen ist komplikationsträchtig und kann zu sehr starken Blutungen bis hin zu Bluttransfusionen und zur Hysterektomie führen. Plazentationsstörungen und Gefässaberrationen der intracavitären Schwangerschaft kommen in diesem Zusammenhang ebenfalls gehäuft vor (2). Eine frühzeitige Diagnosestellung durch verbesserte Ultraschalltechniken und eine frühzeitige Intervention führt zu einer signifikanten Verringerung der Komplikationen. Durch das meist frühe Auftreten von Symptomen wie Blutungen, erfolgt die Diagnose am häufigsten zwischen 5 und 8 Schwangerschaftswochen (3).
Als heterotope Gravidität wird das simultane Auftreten einer intra- und extrauterinen Schwangerschaftsanlage bezeichnet. Die Angaben zur Häufigkeit variieren zwischen 1:2600 und 1:30 000. Das Risiko erhöht sich auf bis zu 1:100 nach assistierter Reproduktion und auf 1:4000 bis 1:80 000 nach vorangegangener Tubargravidität, PID (pelvic inflammatory disease) oder bei Endometriose. Weitere Risikofaktoren sind Intrauterinpessare und Status nach Sectio. Auch ein höherer Nikotinkonsum ist für eine Risikoerhöhung verantwortlich (4). Die meisten heterotopen Anlagen befinden sich in den Tuben.
Bei asymptomatischen Frauen mit vorliegender intrauteriner Schwangerschaft wird die heterotope Schwangerschaftsanlage initial häufig übersehen (5).
Die heterotope Zervixschwangerschaft ist extrem selten. In der Literatur gibt es hierzu lediglich einzelne Fallbeschreibungen. Das Vorkommen nach spontaner Konzeption ist eine Rarität. Die Vorgehensweisen zur Therapie sind sehr heterogen. Es wurde verschiedentlich versucht, die Zervixschwangerschaft medikamentös durch Instillation von Kaliumchlorid oder operativ durch Aspiration zu behandeln. Blutungskomplikationen aus der Zervix wurden mit Ballonkathetereinlage oder Cerclagenähten begegnet (6). In einigen Fällen wurde versucht, die intrauterine Schwangerschaft zu erhalten, was in einer retrospektiven Analyse zu 14 Lebendgeburten bei 39 beschriebenen Fällen führte (7).

Fallvorstellung

Eine 34 Jährige IG/0P wurde in der 11+5 Schwangerschaftswoche (SSW) mit der Verdachtsdiagnose einer heterotopen Zervixschwangerschaft vorgestellt. In der Anamnese hatte sie eine laparoskopische Ovarialzystenenukleation und eine laparoskopische Appendektomie. Anamnestisch bestand eine nicht näher bezeichnete und derzeit nicht therapierte Endometriose. Weiter bestand ein Nikotinabusus von 17 pack years und ein Alkoholkonsum, den die Patientin aber negierte. Sie war nun ungewollt spontan schwanger geworden. Es bestanden keine Symptome.

Befunde

Auch hier bestand die Situation, dass die zervikale Anlage nicht auf einen ersten Blick zu erkennen war (Abb.1). Es präsentierte sich ein vitaler, sonomorphologisch unauffälliger und zeitgerechter Fetus mit regelrechter intrauteriner Implantation mit einer Scheitel-Steiss-Länge von 46 mm und einer unauffälligen Morphologie. Gleichzeitig stellte sich eine missed Abortion im caudalen Drittel der Zervix rechts lateral mit einer avitalen Embryonalanlage und einer Scheitel-Steiss-Länge von 10 mm dar. (Abb. 2)
Besonders war die Lokalisation der Zervixschwangerschaft. In den bisher publizierten Fällen war sie zentral in der Zervix gelegen. In diesem Fall lag sie im caudalen Drittel der Zervix mit einer lateralen Unterbrechung der Kontinuität der Zervixwand wodurch die Trophoblastgrenze unmittelbar an die aufsteigenden rechten Uteringefässe (Abb. 3 und 4) angrenzte. Gleichzeitig war sie von Abdominalsonographisch sowie in der Standardeinstellung des Zervikalkanals nicht ohne weiteres zu erfassen.

Therapieoptionen

Verschiedene Therapiealternativen wurden mit der Patientin besprochen:

  • Austragen der Schwangerschaft unter engmaschiger Überwachung bei erhöhtem Blutungsrisiko. Gegebenenfalls Anlage von Cerclagenähten zur Blutungskontrolle
  • Fetozid des vitalen Fetus durch intrakardiale KCL Instillation mit anschliessender Methotrexat (MTX) Multidose-Therapie
  • Saugkürettage im Intervall
  • Reevaluation nach Bedenkzeit bei ambivalentem Desiderium

Vorgehen

Die Patientin war unerwartet und ungewollt schwanger geworden. Sie stand der Schwangerschaft ambivalent gegenüber und tendierte dazu, einen Schwangerschaftsabbruch zu machen. Aufgrund der Komplexität der Situation konnte sie aber keine schnelle Entscheidung treffen.
Die Patientin wünschte nach einwöchiger Bedenkzeit eine definitive Beendigung der Schwangerschaft. Diese wurde beim vitalen intrauterinen Fetus mit einer 2 ml KCL Injektion intrakardial initiiert. Nach einer ca. 20 Sekunden anhaltenden Asystolie kam es zu einer zwei Minuten andauernden Bradykardie, bis der Fetus schliesslich wieder eine normale Herzfrequenz hatte. Da sich die erste Punktion aus verschiedenen Gründen sehr schwierig gestaltet hatte, wurde die Re-Punktion unter Analgosedierung in einem operativen Setting durchgeführt. Diese gelang dann bei schmerzfreier Patientin, entspannter Bauchdeckenmuskulatur und sediertem Fetus ohne erneute Zwischenfälle.
Im Anschluss wurde der Patientin zweimal MTX mit 1 mg/kg Körpergewicht im einwöchigen Intervall gegeben. Vor der zweiten und dritten Konsultation wurden jeweils ein Labor mit HCG-Verlauf und eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt.
Es wurden insgesamt zwei Gaben MTX 75 mg im. appliziert. Wir haben diese Vorgehenseise gewählt weil die Erfolgsraten von MTX alleine bei einem HCG über 10.000 IU/l und positiver Herzaktion nicht gut sind und eine Kombination diese verbessert (8).
Nach zwei Wochen, in der rechnerisch 14 6/7 SSW wurde bei deutlich sinkendem HCG, beginnenden uterinen Kontraktionen und beginnenden sonographischen Ablösungszeichen der intrauterinen Plazenta eine Saugkürettage nach einem Zervixpriming mit 400 µg Cytotec® (Misoprostol) intravaginal durchgeführt. Hierbei wurde darauf geachtet, den Sog erst intrauterin zu applizieren, da es das Ziel war, die Zervixschwangerschaft mit weiterhin unverändert darstellbarem Gefässreichtum untangiert in Situ zu belassen.
Der Eingriff liess sich ohne Komplikationen vor allem ohne nennenswerten Blutverlust durchführen. Die HCG-Verlaufskontrollen bis zu einem negativen Wert, sowie die sonographischen Verlaufskontrollen wurden im Anschluss vom zuweisenden Kollegen extern durchgeführt, da die Patientin einen über 2-stündigen Anfahrtsweg hatte. In der Folge liess sich in den Kontrollen in der Zervix nur noch eine kleine residuale zystische Struktur darstellen. Die Patientin war beschwerdefrei und hatte keine atypischen Blutungen.

Dr. med. Carolin Blume

Chefärztin Geburtshilfe Kantonsspital Graubünden
Frauenklinik Fontana
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

carolin.blume@ksgr.ch

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Eine Heterotope Zervixschwangerschaft ist ein extrem seltenes Ereignis und erfordert eine individuelle Therapiestrategie.
  • Das Risiko einer vaginalen Blutung ist bereits in der Frühschwangerschaft sehr hoch und limitiert den Erhalt der Schwangerschaft.
  • Eine intrauterine Gravidität birgt die Gefahr, dass die zusätzliche extrauterine Gravidität initial übersehen wird
  • Bei heterotopen Schwangerschaftsanlagen kommen Plazentationsstörungen der intrauterin gelegenen Schwangerschaft häufiger vor

1. Gun M, Mavrogiorgis M. Cervical ectopic pregnancy: a case report and literature review. Ultrasound Obstet Gynecol 2002;19:297–301
2. Saito K, Fukami M, Miyado M, Ono I, Sumori K. Case of heterotopic cervical pregnancy and total placenta accreta after artificial cycle frozen-thawed embryo transfer. Reprod Med Biol. 2018;17:89-92.
3. Tal J, Haddad S, Gordon N, Timor-Tritsch I. Heterotopic pregnancy after ovulation induction and assisted reproductive technologies: a literature review from 1971 to 1993. Fertil Steril 1996; 66: 1–12.
4. Diesch. Heterotope Schwangerschaft – eine aktuelle Literaturübersicht
5. Speculum – Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2005; 23 (1) 17-17
6. Zinn HL, Cohen HL, Zinn DL. Ultrasonographic diagnosis of ectopic pregnancy: importance of transabdominal imaging. J Ultrasound Med 1997; 16: 603–7.
7. Faschingbauer F, Mueller A, Voigt F, Beckmann M, Goecke T. Treatment of heterotopic cervical pregnancies. Fertil Steril. 2011; 95: 9-13
8. Moragianni VA, Hamar BD, McArdle C, Ryley DA. Management of a cervical heterotopic pregnancy presenting with first-trimester bleeding: case report and review of the literature. Fertil Steril. 2012;98: 89‐94
9. Bai SW, Lee JS, Park JH, Kim JY, Jung KA, Kim SK,Park KH. Failed methotrexate treatment of cervical pregnancy. Predictive factors. J Reprod Med. 2002;47(6):483- 488.

Highlights vom SABCS 2019

Zum 42. Mal fand Anfang Dezember das San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS), wahrscheinlich einer der wichtigsten Brustkrebs-Kongresse, statt. Über 7500 Teilnehmer aus mehr als 90 Ländern nahmen am Kongress teil.
Während 4.5 Tagen wurde bei vorweihnächtlicher Stimmung eine eindrückliche Menge an neuen Daten präsentiert und diskutiert. In der folgenden Zusammenfassung wurden Präsentationen zusammengefasst, die für praktizierende Gynäkologinnen und Gynäkologen am relevantesten sein könnten.

Endokrine Therapie

IBIS-II-Studie

Kann eine medikamentöse Brustkrebsprävention das Risiko von Brustkrebs bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko reduzieren? In der randomisierten IBIS-II Studie konnte gezeigt werden, dass die Einnahme von Anastrozol über fünf Jahre bei Hochrisikopatientinnen das Brustkrebsrisiko signifikant reduziert und die präventive Wirkung über bis zu zwölf Jahren anhält.
Jack Cuzick präsentierte mit der IBIS-II Studie die Langzeit Resultate der Einnahme einer prophylaktischen antihormonellen Therapie mit Anastrozol über 5 Jahre im Follow-up (1). In der Studie wurden Patientinnen zwischen 40-70 Jahren eingeschlossen, welche ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs hatten (Familienanamnese, Atypie/LCIS, hohe Brustdichte) und keine Hormontherapie einnahmen. Es wurden 3864 Patientinnen eingeschlossen, davon 1920 Patientinnen in den Anastrozol Arm (1 mg/die), 1944 Patientinnen wurden in den Placebo Arm eingeschlossen. Nach 10.9 Jahren Follow-up wurde bei insgesamt 241 Patientinnen Brustkrebs diagnostiziert. Obwohl die Brustkrebsinzidenz in den ersten 5 Jahren mit 4.6% in der Placebo Gruppe versus 1.8% in der Anastrozol Gruppe (HR = 0.39 (0.27-2.58), P < 0.0001) deutlich besser war, zeigte sich nach 10.9 Jahren Follow-up immer noch eine signifikante Senkung der Brustkrebsinzidenz von 3.5% in der Anastrozol Gruppe versus 4.4% in der Placebo Gruppe (HR = 0.64 (0.45-0.91), P = 0.014). Gesamthaft zeigt sich somit ein Vorteil in der Anastrozol Gruppe mit 5.3% versus 8.8% in der Placebo Gruppe (HR 0.51 (0.39-0.66), p-Value < 0.0001) mit einer Number Needed to Treat (NTT) von 29. (Abb. 1).

ER-positive, invasive Mammakarzinome wurden mit 54% in der Anastrozol Gruppe vermindert gesehen (HR=0.46 (0.33-0.65), P<0.0001), jedoch zeigte sich kein signifikanter Effekt bei den ER-negativen Mammakarzinomen (HR = 0.77 (0.41-1.44), P = 0.4). Ebenfalls ergab sich eine gesamthafte Senkung der DCIS, vor allem bei ER-positivem DCIS (HR = 0.22 (0.07-0.65), p < 0.0001). Ferner wurde eine Reduktion der Inzidenz des Endometriumkarzinoms (5 vs. 7), Ovarialkarzinoms (7 vs. 10), Kolonkarzinoms (11 vs. 16) sowie Melanoms (9 vs. 12) festgestellt.
Zu Beginn der Therapie wurde bei jeder Frau eine Osteodensitometrie durchgeführt. Je nach Knochendichte erhielten die Patientinnen Bisphosphonate sowie Vitamin D. Es zeigte sich kein signifikanter Unterschied nach 10.9 Monaten Follow-up in Knochenbrüchen, Herzinfarkten, tiefe Beinvenenthrombosen, transitorische ischämische Attacken (TIA) oder Schlaganfällen. Die Adhärenz zur Therapie war bei der Placebo Gruppe 77% und bei der Anastrozol Gruppe 74%. Als Schlussfolgerung kann man aus diesen Resultaten ziehen, dass die Anastrozol Einnahme über 5 Jahre bei Patientinnen mit erhöhtem Risiko, das Risiko für Brustkrebs um ca. 49% reduziert (ER positive Mammakarzinome (54%) vs. ER negative Mammakarzinome (27%)). Diese Daten unterstützen die Empfehlung zur Einnahme von Anastrozol bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen zur Prävention von Brustkrebs.

Verursacht die postmenopausale Hormontherapie Brustkrebs?

Interessant waren die Daten von Rowan Chlebowski von der Woman’s Health Initiative. Er präsentierte Langzeitdaten von über 19 Jahren Follow-up (2). Die Daten wurden von den vier WHI randomisierten Kohorten Studien aus zwei randomisierten Studien ausgewählt und analysiert. Insgesamt wurden 27’347 Patientinnen zwischen 50-79 Jahren ohne Brustkrebs in der Vorgeschichte und in der Mammographie bei Einschluss in die zwei randomisierten Studien, welche in 40 US Kliniken zwischen 1993-1998 durchgeführt wurden, eingeschlossen. Ein Follow-up erfolgte bis September 2016. Alle Patientinnen stoppten die Studienmedikamenteneinnahme in 2002 resp. 2004. 10 739 postmenopausale Patientinnen mit Hysterektomie wurden in eine Placebo Gruppe versus CEE (conjugated equine estrogen 0.625 mg/d) Gruppe randomisiert. Als Vergleich wurden 16’608 Patientinnen ohne Hysterektomie in Placebo versus CEE und MPA (Medroxyprogesteronacetat 2.5mg/d) eingeschlossen. Jährlich erfolgte eine Mammographie. Neudiagnosen von Mammakarzinom sowie Mammakarzinom assoziierte Mortalität wurden erfasst. CEE zeigte nach 16.2 Jahren Follow-up im Vergleich zur Placebo Gruppe eine reduzierte Brustkrebsinzidenz (HR = 0.77 95% CI (0.65-0.92), P = 0.005). Nach 18.3 Jahren Follow-up, zeigte die Gruppe mit der Einnahme von CEE und MPA hingegen eine signifikant erhöhte Brustkrebsinzidenz (HR = 1.29 (1.14-.1.47) P < 0.001) im Vergleich zu Placebo.

Erst kürzlich wurde durch die Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast cancer eine Publikation veröffentlicht (3), welche eine Meta-Analyse mit Daten von 58 Studien und 143 887 postmenopausalen Patientinnen mit Brustkrebs sowie 424 972 Patientinnen in der Kontrollgruppe ohne Brustkrebs verglich. Im Vergleich zu Chlebowski et al., postulierte diese Gruppe das Gegenteil, nämlich dass die Einnahme von Östrogenen alleine das Brustkrebsrisiko leicht erhöht um ca. 6.8% (absolut 0.5 per 100 Frauen). In der Schweiz werden konjugierte Östrogene kaum mehr verschrieben. Diese kontroversen Resultate der Brustkrebsrisiken einer postmenopausalen Hormontherapie mit Östrogenen, werden sicher Anlass zu vielen weiteren Diskussionen geben und sollten in der Hormontherapie-Beratung einer postmenopausalen miteinbezogen werden.

Minimal invasive Diagnostik nach neoadjuvanter Chemotherapie. Vakuumbiopsie anstatt Operation?

Jörg Heil

Zu Diskussionen führten auch vier Vorträge und ein Poster, die eine Validierung der minimal invasiven Diagnostik nach neoadjuvanter Chemotherapie untersuchten. Jörg Heil aus Heidelberg präsentierte die Daten der RESPONDER Studie (4), in der die Diagnose der pathologischen Komplettremission (pCR) durch Vakuum-assistierte Biopsie nach neoadjuvanter Chemotherapie bei Brustkrebs validiert wurde.
Eine neoadjuvante Chemotherapie wird immer häufiger indiziert und bis zu 60% kann eine pCR je nach Subtyp erreicht werden. Ein ypT0 Stadium nach operativer Therapie (brusterhaltender Therapie resp. Mastektomie) könnte als Überbehandlung angesehen werden. Durch Bildgebung kann eine pCR nicht korrekt ermittelt werden. In 21 Zentren in Deutschland zwischen März 2017 bis Mai 2019 konnten 451 Patientinnen in die Studie eingeschlossen werden. Einschlusskriterien waren c/iT1-c/iT3, alle biologischen Subtypen, Patientinnen mit partieller oder kompletter Remission in der Bildgebung, Tumor mit Clip sichtbar sonographisch oder mittels Mammographie. Ziel der Studie war es eine falsch-negative Rate (FNR) für Vakuum-assistierte Biopsien unter 10% zu erreichen. Die Studie wurde nach einer Interimsanalyse frühzeitig wegen nicht Erreichen des vorgegebenen Ziels gestoppt. In der Studie wurden 79% der Biopsien mittels sonographischer Vakuumbiopsie gemacht und 21% mittels stereotaktischer Vakuumbiopsie. Bei 31% wurden eine 10G Nadel verwendet, bei 6% eine 9G Nadel, bei 50% eine 8G Nadel und bei 13% eine 7G Nadel. Die falsch negative Rate an minimal invasiver Vakuumbiopsie war bei 17.8%. Bei 37 von 208 Frauen wurde der Tumor also verfehlt. Bei Marios Tasoulis et al. (5) wurden 166 Patientinnen eingeschlossen, 86% davon hatten eine Vakuumbiospie, 14% sogar eine Stanzbiopsie mit einer FNR von 18.7%. Mark Basik et al. (6) schlossen 98 Patientinnen in ihre Studie ein. Bei dieser Studie wurden mittels Stanzbiopsien eine FNR von 22.5% erzielt. Die Holländerin Marie Vrancken Peeters (7) und ihre Studiengruppe schlossen in Ihrer Studie insgesamt 167 Patientinnen ein. Mittels sonographischer Vakuumbiopsie hatte diese Studie eine FNR von 37%. Auch die Studie von Regina Grosse et al.(8), bei der Biopsie mittels stereotaktischer Vakuumbiopsie erzielt wurde, zeigte eine FNR von 19% bei 117 Patientinnen. Die meisten der Studien schlossen Patientinnen mit T3 Tumor, multifokale-multizentrische Tumore sowie lobuläre und ER pos. Karzinome mit in die Studie ein. Es wird sich zeigen, ob die in der Schweiz geplante SAKK 23/18 (VISION 1) Studie, mit nun angepassten Einschlusskriterien (Subtypen, Grösse der Biopsie Nadel etc.), eine tolerable FNR erreicht, damit bei ausgewählten Patientinnen ggf. eine weitere operative Therapie vermieden werden kann.

Follow-up Daten der Aphinity Studie

Viel Beachtung fand auch die vier Jahre Follow-up Interims-Überlebensanalyse der Aphinity Studie präsentiert von Martine Piccart et al.(9). In der Aphinity Studie wurden insgesamt 4802 Patientinnen mit HER2 Status nach Operation randomisiert in Chemotherapie plus Trastuzumab plus Pertuzumab (N = 2400) versus Chemotherapie plus Trastuzumab plus Placebo (N = 2405). Nach 74.1 Monaten median Follow-up, konnte sie zeigen, dass das 6-Jahre overal survival mit 94.8% (Pertuzumab Arm) versus 93.9% (Placebo Arm) (95% Cl (-0.5,2.29; HR = 0.85 (0.67, 1.07) bei der mit Doppelblockade behandelten Patientinnen besser ist. Ein klinischer Vorteil zeigte sich vor allem bei den nodal-positiven Patientinnen HR=0.72 (0.59-0.87); 6 –Jahres Follow-up invasiv disease-free survival von 87.7% (Pertuzumab Arm) versus 83.4% (Placebo Arm). In der nodal-negativen Gruppe zeigte sich kein Vorteil. Der Hormonrezeptor Status hatte keinen Einfluss. Des Weiteren zeigten sich keine weiteren kardialen Ereignisse.
Das HER2 positive Mammakarzinom (N+, > 2 cm) wird in der Regel neoadjuvant mittels Doppelblockade Herceptin/Pertuzumab behandelt (10). Bei nicht kompletter pathologischer Remission (pCR) werden nun seit dem Erscheinen der CATHERINE Studie die Patientinnen mit TDM-1 (Kadcyla®) adjuvant behandelt (11). Auch Dank diesen positiven Follow-up Daten, ist die Kassenzulässigkeit der adjuvanten Therapie mit Perjeta/Trastuzumab bei HER2-positiven Patientinnen im Frühstadium mit hohem Rezidivrisiko nun auch offiziell gewährleistet. Ob der Einsatz einer adjuvanten Doppelblockade vor allem bei nodal-positiven, high risk Patientinnen mit pCR angewendet wird, steht sicher noch zur Diskussion.

Pembrolizumab als Ad-on bei der neoadjuvanten Chemotherapie bei triple negativem Mammakarzinom

Immun-Checkpoint-Inhibitoren zählen seit einigen Jahren zur Behandlung verschiedener Tumoren. Viel Beachtung fand auch die KEYNOTE 522 Studie, eine randomisierte, Phase III Studie, die von Peter Schmid präsentiert wurde (12). Von März 2017 bis September 2018 wurden insgesamt 1174 Patientinnen aus 21 verschiedenen Ländern mit triple negativem Mammakarzinom, nicht metastasiert, naiv in die Studie eingeschlossen. Das Design der Studie zeigt (Abb 2).

Er zeigte die erste Interimsanalyse für das Event-freie Überleben. Er konnte zeigen, dass die Gruppe mit Pembrolizumab bei einem Follow up von 15.5 Monaten 7.4 % Events hatte im Vergleich zu 11.8% der Gruppe mit Placebo (HR = 0.63, (0.43-0.93)). Ebenfalls war die pCR Rate bei der Gruppe mit Pembrolizumab bei 64.8% versus 51.2% signifikant (Figur 3). Auch bei Patientinnen, die nicht die volle Chemotherapie erhielten, war die pCR Rate besser als in der Placebo Gruppe. Patientinnen mit PD-L1 Expression zeigten eine höhere pCR Rate (68.9% bis zu 81.7% je nach Expression) als ohne Expression (45.3%) und in allen Subgruppen höhere pCR als zur Placebo-Gruppe. Follow-up Daten müssen diese Ergebnisse bestätigen und weitere Subgruppen Analysen sind abzuwarten. Diese Daten sind jedoch erfreulich und vielversprechend zur Behandlung des frühen triple-negativen Mammakarzinoms.

Metastasen – Zirkulierende Tumorzellen als wegweisend?

Einen spannenden Vortrag hielt Nicola Aceto von der Universität Basel, der mit seinem Vortrag auch die Schweiz in San Antonio repräsentierte (13). Es konnte bereits in mehreren Studien gezeigt werden, dass Patient/innen mit viel zirkulierenden Tumor Zellen (CTC) im Blut eine schlechtere Prognose haben. Aus diesem Grund setzt Aceto seine Akzente in der Erforschung von CTC. Er präsentiert seine Forschungsergebnisse, welche er in Cell (14) (1/2019) und Nature (15) (2/2019) publiziert hat. Aceto und seine Studiengruppe haben herausgefunden, dass zirkulierende Tumorzellverbände die Bildung von Metastasen beschleunigen.

Nicola Aceto

Nicola Aceto und sein Team haben auch herausgefunden, dass sogenannte Na + /K + -ATPase-Inhibitoren Tumorzellverbände im Blut dissoziieren, also die Zellverbände in einzelne Zellen trennen und so das metastatische Potential von CTC reduzieren. Sein Ziel ist es nicht nur die Krebszellen abzutöten, sondern Wirkstoffe zu suchen, mit denen die Tumorzellverbände unwirksam gemacht werden können.
Des Weiteren hat er herausgefunden, dass sich Tumorzellverbände mit Immunozellen v.a Neutrophilen verbinden und so zu einer schnelleren Tumorprogression führen.

Dr. med. Fabienne Schwab

Universitäts-Frauenklinik
Basel

1. Cuzick J et al. Ten year results oft he international breast cancer intervention study II. San Antonio Breast Cancer Symposium 2019; Abstract GS4-04
2. Chlebowski R et al San Antonio Breast Cancer Symposium 2019; Abstract GS5-00
3. Collaborative Group on Hormonal Factors in Breast Cancer. Type and timing of menopausal hormone therapy and breast cancer risk: individual participant meta-analysis oft he worldwide epidemiological evidence. Lancet 2019;384:1159-1168
4. Heil J. et al. Image-guided vacuum-assisted breast biopsy. SABCS 2019, Abstract GS5-03
5. Tasoulis MK et al. Accuracy of post-neoadjuvant chemotherapy image-guided breast biopsy to predict residual cancer: a multi-institutional pooled analysis , SABCS 2019; Abstract GS5-04.
6. Basik M et al. Primary analysis of NRG-BR005, a phase II trial assessing accuracy of tumor bed biopsoes in predicting pathologic complete response (pCR) in patients with clinical/radiological complete response after neoadjuvant chemotheraüy (NCT) to explore the feasibility of breast-conserving treatment without surgery. SABCS 2019 Abstract GS5-05
7. Vrancken Peeters M-J et al. Towards omitting breast surgery in patients with a pathologic complete response after beoadjuvant systemic treatment: interim analysis oft he MICRA trial (Minimally Invasive Complete Assessment). SABCS 2019, Abstract GS5-06.
8. Grosse R et al. Vacuum assisted core-meedle niopsy after neoadjuvant therapy in breast cancer tp predict the status of pathologic response. SABCS 2019, Abstract P4-03-01
9. Piccart M. et al. Updated APHINITY trial data show addition of pertuzumab to trastuzumab plus chemotherapy continues to yield clinical benefit in patients with operable HER2-poisitive early breast cancer. SABCS 2019, Abstract GS1-04
10. Gianni L et al. Neoadjuvant pertuzuman and trastuzumab: Biomarker analyses of a 4-arm randomized phase II study (NeoDpher) in patients with HER2-positive breast cancer . SABCS 2019, Abstract GS5-01
11. Geyer CE et al. Phase III study of trastuzumab emtasine (T-DM1) vs trastuzumab as adjuvant therapy in patients with HER2-positive early breast cancer with residual imvasive disease after neoadjuvant chemotherapy and HER2-targeted therapy including trastuzumab: primary results from Katherine. SABCS 2019, Abstract GS1-10.
12. Schmid P- et al .Neoadjuvant and adjuvant treatment with pembrolizumab improves pathologic completes response rates for patients with triple-negative breast cancer with lymph node involvement. KEYNOTE 522. SABCS 2019, Abstract GS3-03
13 Aceta N . Biology, vulnerability and clinical implications of CTC clusters. SABCS 2019, Abstract TS2-2.
14. Gkountela S et al. Circulating tumor cell clustering shapes DANN methylation to enable metastasis seeding. Cell 2019;176:98-112.
15. Szczenta BM et al. Neutrophils escort circulating tumour cells to enable cell cycle progression. Nature 2019;566:553-557

Brustkrebs im Frühstadium

Die Prognose für Brustkrebspatientinnen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. In Europa sank die Sterblichkeitsrate für Brustkrebs von 2014 bis 2019 (geschätzt) um 8.7% (1). Welche Faktoren zu dieser positiven Entwicklung beigetragen haben,
beantworten im Interview Dr. med. Konstantin Dedes und PD Dr. med. Christian Kurzeder.

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