Rückblick und Highlights in der Hämatologie

In der Hämatologie erleben wir äusserst spannende Zeiten mit grossem Erkenntnisgewinn aber auch Fortschritten in der Behandlung benigner und maligner Erkrankungen des Blutsystems. Diese Zusammenfassung ist z.T. subjektiv gefärbt und in der erlaubten Kürze sicher nicht vollständig. Ebenso liegt es in der Natur der Sache, dass nicht alles was hier besprochen wird, sich auch langfristig durchsetzen wird.

Sichelzellanämie

Die Sichelzellanämie ist eine schwere, angeborene vaso-okkludierende Erkrankung, welche in unseren Breiten wegen der Migration zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Bedeutung dieser Krankheit ist weltweit immens, bei uns ist sie selten, wo Malaria auftritt, wegen dadurch bedingtem Selektionsdruck, häufig. Zunehmend sind nun die Notfallstationen mit den Problemen der Schmerzkrisen und dem sog. acute chest syndrom sowie die Hämatologien mit dem Langzeitmanagement dieser Patienten konfrontiert. Seit der Einführung von Hydroxyurea in den 90er Jahren und L-Glutamin (1) in den USA 2017, beides formell in der CH nicht zugelassen bzw. nicht für diese Indikation registriert, sind nun neue interessante Entwicklungen hinzugekommen. L-Glutamin in pharmakologischen (sehr teuren) Dosen vermindert oxidativen Stress in den Erythrozyten und dadurch die Häufigkeit schmerzhafter Krisen. Crizanlizumab ist ein monoklonaler anti-P Selektin Antikörper (wird alle 4 Wochen i.v. infundiert), er blockiert das Adhäsionsmolekül P Selektin an Endothelien und Thrombozyten und reduzierte in einer randomisierten Studie die Zahl der Schmerzkrisen (2). Crizanlizumab ist letztes Jahr von der FDA zugelassen worden. Voxelotor, eine oral täglich einzunehmende Substanz, stabilisiert oxygeniertes Hämoglobin und reduziert dadurch die Polymerisierung von Hämoglobin und somit die Sichelzellbildung. In einer grossen randomisierten Studie erhöht sich unter Voxeletor (FDA Zulassung 2019) im Vergleich zu Placebo das Hämoglobin von Sichelzellpatienten (3). Nach Jahren ohne Fortschritte, in denen nur supportive Massnahmen wie Transfusionssupport oder Blutaustausch (zur Verdünnung des Sichelzellhämoglobins), Hydroxyurea und für eine kleine Minderheit mit sehr schwerem Verlauf, die allogene Stammzelltransplantation zur Verfügung standen, gibt es nun neue Substanzen, deren bestmöglicher Einsatz, möglicherweise in Kombination, untersucht werden muss, um die schweren vasookklusionsbedingten Organtoxizitäten und den frühen Tod dieser Patienten zu verhindern. Mittelfristig sind auch mit Spannung die Langzeitresultate verschiedener Gentherapien zu erwarten. Diesbezüglich gibt es verschiedenste Ansätze, wie man den Krankheitsverlauf beeinflussen könnte.

Hämophilie

Im Bereich der Hämostasiologie sind die Fortschritte auf dem Gebiet der Hämophiliebehandlung bemerkenswert. In den letzten Jahren haben sich zunehmend Faktoren VIII und IX mit verlängerter Halbwertszeit durchgesetzt, welche vor allem in der prophylaktischen Situation eine weniger häufige Infusion benötigen. Diese Strategie ist beim Faktor IX erfolgreicher als bei FVIII. FVIII ist ein viel grösseres Molekül und benötigt das von Willebrand Protein als Transportvehikel und als Schutz vor Degradation. Demzufolge ist die Verlängerung der Halbwertszeit des Faktors VIII über die des von Willebrand Faktors hinaus schwieriger umzusetzen. Jedoch werden aktuell weiter veränderte FVIII-Moleküle, die dies durchbrechen mögen, aktiv geprüft. Emicizumab ist ein subkutan zu verabreichender bispezifischer monoklonaler Antikörper der an Faktor IXa und Faktor X bindet und somit FVIII überbrückt (4). Hier sei eine Arbeit zitiert, welche zeigt, dass unter wöchentlicher oder zweiwöchentlicher s.c. Applikation, die Blutungsrate im Vergleich zu Plazebo auf einen Drittel gesenkt werden konnte. Eine rezente Publikation beschreibt die Fortsetzung der Erfolge der Gentherapie bei der Hämophilie A (5). Gentherapie bei Hämophilie A ist komplizierter als bei Hämophilie B wegen der Grösse des Gens und der Verpackungskapazität der verwendeten viralen Vektoren (Adeno-assoziierte Viren). Anders als bei den Malignomen (siehe unten, CAR-T) werden hier keine Retroviren verwendet. Die hier besprochene Arbeit zeigt bei 15 Patienten langdauernde (2-3 Jahre) Expression von Faktor VIII, im tiefen Bereich. Patienten mit schwerer Hämophilie A werden dadurch zu Patienten mit milder Hämophilie, eine gewichtige Verbesserung der Sicherheit und Lebensqualität. Viele Patienten machen eine Adenovirus Hepatitis durch, welche mit Kortikoiden kontrolliert werden kann. Interessante Entwicklungen bei der Hämophilie B (FIX) ist die Gentherapie mit einer über-funktionierenden Variante des Faktors IX (FIX-Padua), dadurch wird die FIX Funktion trotz tieferer Expression annähernd normalisiert (6). Die Fortschritte im Bereich der Hämophiliebehandlung verlaufen rasant von Faktoren aus Plasma gereinigt, über gentechnisch hergestellte Faktoren, zu Faktoren mit verlängerter Halbwertszeit und Non-Faktor Strategien bis zur Gentherapie. Bis anhin sind die Zahlen der mit Gentherapie behandelter Patienten gering, es scheint aber, dass dies die Zukunft für viele schwere Hämophilie Patienten sein kann.

Zelluläre Therapien; CAR-T

Auf dem Gebiet der malignen Hämatologie sind sicher die zellulären Therapien aufsehenerregend. Die Anwendung von chimären Antigenrezeptor genmodifizierten T-Zellen sind 2019 in der Schweiz eingeführt und eine Zahl von Patienten mit diffus grosszelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) und mit ALL sind behandelt worden. In den USA und China sind weit grössere Zahlen von Patienten so therapiert, mehrere Registerstudien haben Daten zu Hunderten von Patienten mit DLBCL und ALL präsentiert, welche die Eindrücke der Phase 2 Studien betreffend Wirksamkeit und Toxizität grossenteils bestätigen; erste Guidelines sind publiziert (7). Zugelassen sind die Produkte CD19 spezifische CAR-T bei rezidivierten/refraktären grosszelligen Lymphomen (inkl. primär mediastinalem) und bei der akuten lymphatischen Leukämie des jungen Patienten (< 25 Jahre). Die Abbildung (Abb. 1) zeigt eine T-Zelle mit einem CD19 bindenden CAR (B), und gegenüber eine nicht transfizierte T-Zelle, die mit dem T-Zell Rezeptor ein vom HLA präsentiertes Antigen erkennt (A). Interessant sind die Anwendungen in weiteren Lymphomentitäten, z.B. Follikuläres Lymphom (8) oder Mantelzell Lymphom. CD19 wird ja auf allen B-Lymphozyten exprimiert ausser auf den terminal differenzierten Plasmazellen. Eine unübersichtliche Fülle an neuen Entwicklungen wird präsentiert, hier als Beispiel die kombinierte Anwendung von CD19 und CD22 CAR-T bei Lymphomen und der ALL (9). Diese Strategie soll es den Tumorzellen erschweren, Rückfälle unter Downregulierung der Antigenexpression (sog. antigen escape) zu verursachen. Ob diese Strategie erfolgreich sein wird, werden erst vergleichende Studien zeigen können. Hierzu ein interessantes tierexperimentelles Abstract vom ASH 2019 (10) bei Myelom CAR-T mit einer dualen Strategie gegen BCMA (B-cell maturation Antigen) und GPRC5D: Die Wahl der Antigene soll hier keine Rolle spielen; sondern vielmehr die Beobachtung, dass eine Mischung von 2 CAR-T, die je ein Antigen adressieren (CAR-Pool) oder die Expression der 2 CAR, separat in der gleichen Zelle, oder die Expression eines Doppel-CARs mit unterschiedlicher Verknüpfung nicht identische Resultate ergeben sondern im Tierversuch mit einem Myelommodell sehr unterschiedliche Überlebensdaten liefern. CAR-T gegen BCMA bei Myelompatienten werden wahrscheinlich als nächstes in die Klinik eingeführt. Nicht zu vergessen zu diesem Zeitpunkt: bisher sind erst Phase II Studien zu CAR-T publiziert, keine Studien, die CAR-T mit anderen Behandlungsstrategien vergleichen (insbesondere ein Direktvergleich mit einer autologen Transplantation). Dies wird nachgeholt werden. Da die CAR-T Therapien erhebliche Toxizitäten aufweisen (cytokine release Syndrom, ZNS Toxizitäten, Hämophagozytose Syndrom) und ihre Wirkung verlieren können, ist deren Überlegenheit gegen herkömmliche Therapien noch nicht bewiesen. Eine weitere Herausforderung sind die Kosten solcher innovativen Therapien.

Lymphome

Auf Seiten der Lymphome gehört sicher die Publikation der Echelon-2 Studie, welche die Wertigkeit von Brentuximab Vedotin bei CD30 exprimierenden T-Zell Lymphomen aufzeigte mit einem längeren PFS von 48 im Vergleich zu 21 Monaten (Brentuximab-CHP vs. CHOP) zu den wichtigen Ereignissen. Nach Jahren der Stagnation in der Behandlung der T-Zell Lymphome bei gleichzeitig spektakulären Fortschritten bei den B-Zell Lymphomen ist dies ein wichtiger Schritt vorwärts (11). Brentuximab ist ein Monomethylauristatin E, einem Mikrotubulus Hemmer konjugierter Antikörper, dieselbe Konjugation gibt es auch als Polatuzumab vedotin mit einem Anti CD79b Antikörper verknüpft. Hier sei eine Studie zitiert bei rezidivierten/refraktären DLBCL in der Polatuzumab, Bendamustin, Rituximab, der Kombination Bendamustin Rituximab in PFS aber auch Gesamtüberleben klar überlegen war (12).

Plasmazell Myelom

Auf dem Gebiet des Plasmazellmyeloms sind die Entwicklung von Zweit- und Drittgenerations Immunmodulatoren und Proteasominhibitoren sowie die Verwendung der monoklonalen Antikörper wichtig. Wie bei anderen niedrigmalignen B-Zell Neoplasien gilt für die Behandlungsindikation, dass zugewartet werden soll, solange die Krankheit asymptomatisch ist. Diese Haltung wird durch eine Studie herausgefordert (13), 182 Patienten mit asymptomatischem Myelom wurden mit Lenalidomid behandelt oder beobachtet. Das PFS war nach 3 Jahren 91% vs. 66%. Ob eine solche Studie zur Änderung der Paradigmen zur Behandlungsindikation führen wird, ist unklar, der Unterschied war vorwiegend durch die Untergruppe der «Hochrisiko» - Patienten mit asymptomatischem Myelom bedingt. Risiko ist hier definiert über Knochenmarks-Plasmazellinfiltration (>20%), Höhe des M Proteins (>20g/L), und Ratio der freien Leichtketten (betroffen/nicht betroffen) >20. D.h. bei der frühen Behandlung von asymptomatischem Myelom profitiert vor allem die Gruppe von Patienten, welche dem symptomatischen Myelom am nächsten ist. Beim symptomatischen Myelom sei die CASSIOPEIA Studie (14) welche die heute nicht mehr so übliche Dreierkombination VTD vs. VTD-Daratumumab in der Erstlinienbehandlung bei Patienten, die auch eine autologe Stammzelltransplantation erhielten, verglich. Die Kombination mit dem CD38 Antikörper erreichte eine komplette Remissionsrate von 64% vs. 44%. Das Risiko für Tod oder Krankheitsprogress war halbiert. Die Einordnung dieser Daten ist heute sicher noch schwierig. Wahrscheinlich werden in Zukunft monoklonale Antikörper Teil der Erstlinienbehandlung werden. Neue Substanzen werden in grossem Masse vorwiegend bei rezidivierten / refraktären Patienten getestet, hier als Beispiel Selinexor (15) ein nuklearer Exportin1 Blocker, der bei über 100 dreifach refraktären Patienten (Imide, Proteasominhibitoren, Antikörper), bei einem Viertel der Patienten zu einem mindesten partiellen Ansprechen geführt hat. Die Einordnung solcher Substanzen ist auf Grund der Datenlage natürlich schwierig.

Chronische Lymphatische Leukämie

Auch in der CLL überschlagen sich die Ereignisse, Bruton und andere Kinase Inhibitoren werden zunehmend in der ersten Behandlungs-Linie verwendet werden. Die E1912 Studie konnte erstmals einen Überlebensvorteil für Ibrutinib im Vergleich zu Chemoimmuntherapie (FCR) in der Erstlinientherapie zeigen (16). Ibrutinib kombiniert mit dem BCL2 Inhibitor Venetoxlax führt zu tiefen Remissionen. Die Bedeutung der Negativität für minimale Resterkrankung wird intensiv diskutiert. In einer Studie mit meist älteren Patienten mit Hochrisiko-CLL, > 90% mit: IGHV unmutiert, p53 Aberration oder Chromosom 11q Aberration erreicht die grosse Mehrheit eine komplette Remission und 61% eine komplette Remission ohne minimale Resterkrankung unter der Kombination von Ibrutinib und Venetoclax (17). Nun ist das noch keine Heilung, obwohl bei fast allen lymphoiden Neoplasien die Tiefe der Remission mit der Remissionsdauer korreliert. Die Untersuchung langfristiger Remissionen bei der CLL wird wegen der langen Dauer schwierig, die Studienendpunkte müssen diskutiert werden. Progressionsfreies Überleben, Zeit bis zur Zweitlinienbehandlung und möglicherweise die Tiefe der Remission werden verwendet, weil das Gesamtüberleben dekadenlange Beobachtungszeiten erfordert. In einer weiteren publizierten Studie aus dem letzten Jahr (18) wurde bei über 400 Patienten Venetoclax in Kombination mit dem anti CD20 Antikörper Obinotuzumab mit Chlorambucil + Obinotuzumab in der Erstlinienbehandlung verglichen mit einem PFS von 88% vs. 64% nach 2 Jahren.

Akute Leukämien

Bei der akuten lymphatischen Leukämie (ALL) wurden in einer eindrücklichen Studie mit über 200 Patienten unter 30 Jahren, mit rezidiverter B-ALL nach einer Induktionschemotherapie eine Randomisation durchgeführt für weitere Zyklen Chemotherapie oder der Dauerinfusion mit dem bispezifischen (CD3 /  CD19) Antikörper Blinatumomab. Diese bispezifischen Antikörper sollen T-Zellen des Patienten an die lymphatischen Blasten binden und so immunotherapeutisch wirksam werden. Im Blinatumomab Arm konnten signifikant mehr Patienten anschliessend stammzell-transplantiert werden. Das Gesamtüberleben nach 2 Jahren war 79% vs. 59% im Blinatumomab vs. Standardtherapie Arm bei gleichzeitig geringerer Nebenwirkungsrate (19). Die meisten Entwicklungen bei der ALL gehen in Richtung erweiterter Immuntherapie oder zelluläre Therapien (siehe oben). Bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) gibt es derart viele Entwicklungen, dass diese hier nicht alle besprochen werden können: dazu gehören, optimierte Verwendung von hypomethylierenden Substanzen, neue zielgerichtete Substanzen, IDH1 und IDH2 Antagonisten, FLT3 Hemmer und unspezifischere Therapien wie der bcl2 Inhibitor Venetoclax oder der Hedgehog Inhibitor Glasdegib. In einer Studie verbessert Decitabine Erhaltungstherapie nach Induktionschemotherapie versus keine Therapie das PFS und das Gesamtüberleben, wenn auch in relativ geringem Umfang (20). Noch interessanter, die Studie mit Erhaltungstherapie mit oralem Azacytidine, placebokontrolliert, mit einem medianen Überlebensvorteil von 25 vs. 15 Monaten (21) mit fast 500 randomisierten Patienten. Gezielte Therapien wie der IDH1 Antagonist Enasidenib wurden in einer Studie getestet mit einer kompletten Remissionsrate von 58% unter der Kombination Enasidenib + Azacytidine versus 12% mit Azazytidine alleine (22). Interessante Studien sind auch mit dem bcl2 Inhibitor Venetoclax unterwegs, z.T. in Kombination mit niedrig dosierter Chemotherapie oder in Kombination mit Standard Induktionstherapien bei jüngeren Patienten (23). Es laufen auch Studien mit Mehrfachkombinationen, von zielgerichteten Substanzen mit hypomethylierenden Medikamenten und z.B. dem bcl2 Inhibitor. Es konnte gezeigt werden, dass leukämische Blasten Resistenzen entwickeln z.B. gegen FLT3 Kinaseinhibitoren. Durch Mehrfachkombinationen können möglicherweise solche Resistenzbildungen unterdrückt werden. Zuletzt sei hier die Wiederauferstehung von Gentuzumab Ozogamicin (GO) vermeldet, einem konjugierten Anti-CD33 Antikörper, der bei Core Binding Factor (CBF) AML (d.h. den genetischen Aberrationen vom Typ (t8:21) und (inv16)) besonders wirksam zu sein scheint, mit einer deutlich verbesserten PFS nach FLAG-GO vs. der Kombinationschemotherapie FLAG-Idarubicin von 87% vs. 68% nach 5 Jahren (24). Die CBF AML haben eine starke CD33 Expression, was möglicherweise diese Daten erklärt. Zuvor war GO wegen vermeintlicher Unwirksamkeit vom Handel zurückgezogen worden, jetzt wird es wieder eingeführt.
In der vorgegebenen Kürze ist es leider nicht möglich, weitere Aspekte und wichtige Krankheitsbilder wie die myeloproliferativen Neoplasien, die myelodysplastischen Syndrome und weitere chronische Leukämien zu besprechen. Es soll dem Leser aber der Eindruck vermittelt werden, dass die Zahl der Neuerungen immens ist und dass die Registrierungen in der Schweiz mit der Entwicklung nicht unbedingt Schritt halten können. Nicht zu reden vom Einschluss in die Spezialitätenliste, welche ja erst die geregelte Vergütung dieser fortschrittlichen Therapiekonzepte ermöglichen wird.

Prof. Dr. med. Jakob R. Passweg
Prof. Dr. med. Dimitrios Tsakiris
PD Dr. med. Andreas Holbro
PD Dr. med. Dominik Heim
PD Dr. med. Jörg Halter
Klinik Hämatologie, Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 21, 4031 Basel
Jakob.Passweg@usb.ch

Prof. Dr. med. Jakob R. Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

1. Niihara Y, Miller ST, Kanter J, et al A Phase 3 Trial of l-Glutamine in Sickle Cell Disease. N Engl J Med. 2018 Jul 19;379(3):226-235
2. Ataga KI, Kutlar A, Kanter J, Crizanlizumab for the Prevention of Pain Crises in Sickle Cell Disease. N Engl J Med. 2017 Feb 2;376(5):429-439.
3. Vichinsky E, Hoppe CC, Ataga KI, et al. A Phase 3 Randomized Trial of Voxelotor in Sickle Cell Disease. N Engl J Med. 2019 Aug 8;381(6):509-519
4. Mahlangu J, Oldenburg J, Paz-Priel I et al. Emicizumab Prophylaxis in Patients Who Have Hemophilia A without Inhibitors. N Engl J Med. 2018 Aug 30;379(9):811-822
5. Pasi KJ, Rangarajan S, Mitchell N, et al. Multiyear Follow-up of AAV5-hFVIII-SQ Gene Therapy for Hemophilia A. N Engl J Med. 2020 Jan 2;382(1):29-40
6. George LA, Sullivan SK, Giermasz A, et al. Hemophilia B Gene Therapy with a High-Specific-Activity Factor IX Variant. N Engl J Med. 2017 Dec 7;377(23):2215-2227
7. Jain T, Bar M, Kansagra AJ, et al. Use of Chimeric Antigen Receptor T Cell Therapy in Clinical Practice for Relapsed/Refractory Aggressive B Cell Non-Hodgkin Lymphoma: An Expert Panel Opinion from the American Society for Transplantation and Cellular Therapy. Biol Blood Marrow Transplant. 2019 Dec;25(12):2305-2321.
8. Hirayama AV, Gauthier J, Hay KA, et al. High rate of durable complete remission in follicular lymphoma after CD19 CAR-T cell immunotherapy. Blood. 2019 Aug 15;134(7):636-640
9. Wang N, Hu X, Cao W, et al. Efficacy and safety of CAR19/22 T-cell cocktail therapy in patients with refractory/relapsed B-cell malignancies. Blood. 2020 Jan 2;135(1):17-27
10. Fernandez de Larrea C et al. Optimal Dual-Targeted CAR Construct Simultaneously Targeting Bcma and GPRC5D Prevents Bcma-Escape Driven Relapse in Multiple Myeloma. American Society of Hematology Abstracts 2019
11. Horwitz S, O’Connor OA, Pro B, Brentuximab vedotin with chemotherapy for CD30-positive peripheral T-cell lymphoma (ECHELON-2): a global, double-blind, randomised, phase 3 trial.Lancet. 2019 Jan 19;393(10168):229-240.
12. Sehn LH, Herrera AF, Flowers CR et al. Polatuzumab Vedotin in Relapsed or Refractory Diffuse Large B-Cell Lymphoma. J Clin Oncol. 2019 Nov 6: [Epub ahead of print]
13. Lonial S, Jacobus S, Fonseca R, Randomized Trial of Lenalidomide Versus Observation in Smoldering Multiple Myeloma. J Clin Oncol. 2019 [Epub ahead of print]
14. Moreau P, Attal M, Hulin C, et al. Bortezomib, thalidomide, and dexamethasone with or without daratumumab before and after autologous stem-cell transplantation for newly diagnosed multiple myeloma (CASSIOPEIA): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet. 2019 Jul 6;394(10192):29-38.
15. Chari A, Vogl DT, Gavriatopoulou M et al. Oral Selinexor-Dexamethasone for Triple-Class Refractory Multiple Myeloma. N Engl J Med. 2019 Aug 22;381(8):727-738
16. Shanafelt TD, Wang XV, Kay NE, et al. Ibrutinib-rituximab or chemoimmunotherapy for chronic lymphocytic leukemia. N Engl J Med. 2019; 381(5):432-443.
17. Jain N, Keating M, Thompson P, et al. Ibrutinib and Venetoclax for First-Line Treatment of CLL. N Engl J Med. 2019 May 30;380(22):2095-2103
18. Fischer K, Al-Sawaf O, Bahlo J, et al. Venetoclax and Obinutuzumab in Patients with CLL and Coexisting Conditions. N Engl J Med. 2019 Jun 6;380(23):2225-2236
19. Brown PA et al. A Randomized Phase 3 Trial of Blinatumomab Vs. Chemotherapy As Post-Reinduction Therapy in High and Intermediate Risk (HR/IR) First Relapse of B-Acute Lymphoblastic Leukemia (B-ALL) in Children and Adolescents/Young Adults (AYAs) Demonstrates Superior Efficacy and Tolerability of Blinatumomab: A Report from Children’s Oncology Group Study AALL1331. American Society of Hematology 2019 abstracts
20. Foran JM et al. Maintenance Decitabine (DAC) Improves Disease-Free (DFS) and Overall Survival (OS) after Intensive Therapy for Acute Myeloid Leukemia (AML) in Older Adults, Particularly in FLT3-ITD-Negative Patients: ECOG-ACRIN (E-A) E2906 Randomized Study. American Society of Hematology 2019 abstracts
21. Wei A et al. The QUAZAR AML-001 Maintenance Trial: Results of a Phase III International, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Study of CC-486 (Oral Formulation of Azacitidine) in Patients with Acute Myeloid Leukemia (AML) in First Remission American Society of Hematology 2019 abstracts
22. diNardo CF et al. Enasidenib Plus Azacitidine Significantly Improves Complete Remission and Overall Response Compared with Azacitidine Alone in Patients with Newly Diagnosed Acute Myeloid Leukemia (AML) with Isocitrate Dehydrogenase 2 (IDH2) Mutations: Interim Phase II Results from an Ongoing, Randomized Study. American Society of Hematology 2019 abstracts
23. Aboudalle I et al. A Phase Ib/II Study of the BCL-2 Inhibitor Venetoclax in Combination with Standard Intensive AML Induction/Consolidation Therapy with FLAG-IDA in Patients with Newly Diagnosed or Relapsed/Refractory AML American Society of Hematology 2019 abstracts
24. Borthakur GM et al. Fludarabine, Cytarabine, G-CSF and Gemtuzumab Ozogamicin (FLAG-GO) Regimen Results in Better Molecular Response and Relapse-Free Survival in Core Binding Factor Acute Myeloid Leukemia Than FLAG and Idarubicin (FLAG-Ida) American Society of Hematology 2019 abstracts

Patienten mit metastasiertem Weichteilsarkom

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organi­sation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für die hier vorgestellte Studie oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienverantwortlichen (Coordinating Investigator) oder den Studienkoordinator (Clinical Project Manager).

PazoQoL Quality of life in patients with non-adipocyte soft tissue sarcoma under palliative chemotherapy or pazopanib – a randomized, controlled trial

Bei Patienten mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten Weichteilsarkom gibt es verschiedene Optionen für eine Zweit- oder Drittlinientherapie. Keine dieser Therapien bietet gegenüber den anderen Möglichkeiten einen klaren Vorteil bezüglich Gesamtüberleben. Umso mehr stehen bei diesen Patienten die persönlichen Bedürfnisse und die Lebensqualität im Vordergrund, wenn der Entscheid für eine Behandlung ansteht – vor allem in der palliativen Situation. Therapie-Nebenwirkungen wie Fatigue, Übelkeit oder Appetitlosigkeit können die Lebensqualität stark einschränken.
Die Studie namens «PazoQoL Quality of life in patients with non-adipocyte soft tissue sarcoma under palliative chemotherapy or pazopanib – a randomized, controlled trial» untersucht die Lebensqualität bei Patienten mit einem fortgeschrittenen oder metastasierten Weichteilsarkom unter einer konventionellen Chemotherapie versus unter einer Therapie mit Pazopanib. Da bekannt ist, dass Ärzte das Ausmass und die Relevanz von Nebenwirkungen oft anders einschätzen als Patienten, erfassen die Teilnehmenden in dieser Studie ihre Lebensqualität selbst.
Die 150 Studienteilnehmenden werden in zwei Gruppen randomisiert. Die Patienten der einen Gruppe erhalten eine Standard-Chemotherapie gemäss Vorschlag des behandelnden Arztes (z.B. mit Anthracyclinen, Gemcitabin etc.). Die Patienten der anderen Gruppe nehmen täglich 800 mg Pazopanib (Votrient®) ein, ein Medikament, das in der Schweiz zur Therapie von fortgeschrittenen Weichteilsarkomen in der zweiten Linie mit Ausnahme der Liposarkome zugelassen ist. In den ersten neun Wochen erfasst jeder Patient acht Mal seine Lebensqualität mittels standardisierten Fragebögen – vier Mal füllen die Patienten einen Fragebogen selbstständig zuhause auf einem Tablet aus, vier Mal erfolgt die Erfassung im Rahmen eines Kontrolltermins beim Arzt. Anschliessend folgt die Nachbeobachtungs-Phase, die maximal zwei Jahre dauert: Alle zwölf Wochen gehen die Patienten zur Kontrolle zum Arzt und füllen dort nochmals einen Fragebogen zur Lebensqualität aus.

Studiendesign: Siehe Abbildung 1

Studienname: PazoQoL Quality of life in patients with non-adipocyte soft tissue sarcoma under palliative chemotherapy or pazopanib – a randomized, controlled trial.

Teilnehmende Zentren: Universitätsspital Basel, Kantonsspital Graubünden, Luzerner Kantonsspital.

Coordinating Investigator: Dr. med. Silvia Hofer, Luzerner Kantonsspital, silvia.hofer@luks.ch

Clinical Project Managers: Dr. Stefanie Seiler, SAKK Bern, stefanie.seiler@sakk.ch
Diese Studie wird unterstützt von GWT-TUD GmbH Dresden und Forschungsvereinbarungen mit folgenden Institutionen: Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), Stiftung Krebsforschung Schweiz und Krebsliga Schweiz.

Dr. med. Silvia Hofer

Kommentar zur Studie von Coordinating Investigator Dr. med. Silvia Hofer: Die PazoQol Studie ist seit Juni 2019 in der Schweiz offen, zwei erste Patienten konnten bisher erfolgreich randomisiert werden.
Der Studienplan und die notwendigen Untersuchungen sind nicht mit grösserem Aufwand für das Studienteam verbunden, die Patienten beschreiben die Dokumentation als nicht belastend.

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Will CARs bite the BITEs?

Der diesjährige IO-ESMO-Kongress in Genf begann mit einem Primer, der von der SITC (Society for Immunotherapy of Cancer) und der ESMO gemeinsam organisiert wurde.

Von den Referenten wurde ein sehr guter Überblick über die grundlegenden Mechanismen des Immunsystems sowie dessen Interaktion mit malignen Tumoren gegeben. Bezogen auf die Checkpointblockade wurde aber auch nochmals klar darauf hingewiesen, dass wir nach ca. 10 Jahren der klinischen Anwendung immer noch nicht wissen, wie der Wirkmechanismus im einzelnen Patienten von statten geht. Ausserdem können das Ansprechen und Nicht-Ansprechen nicht vorhergesehen werden. Beide Phänomene lassen sich bis jetzt nicht messen, da nach wie vor die entsprechenden Marker fehlen. Es war beeindruckend zu sehen, wie einig sich alle anwesenden Referenten in Bezug auf das Nicht-Wissen waren.

Diskussion CD19-gerichteter Therapien

Ich war als Referent eingeladen, zum Thema bispezifische Antikörper und chimäre Antigenrezeptoren den Wissensstand zusammenzufassen. Dieses ist eine etwas dankbarere Aufgabe, als die Erklärung der Checkpointblockade, da der mechanistische Ansatz hier doch deutlicher zu erkennen ist. Einschränkend muss aber für diesen therapeutischen Ansatz erwähnt werden, dass bis jetzt nur konklusive klinische Daten für den Einsatz gegen das Zielantigen CD19 vorliegen. Weitere Antigene, vor allem auch bei soliden Tumoren, werden zwar getestet, aber die ersten Ergebnisse sind deutlich weniger beeindruckend als die gegen CD19. Somit hatte ich mich während meines Vortrages aus edukativen Überlegungen auf die Diskussion CD19-gerichteter Therapien fokussiert.
Zunächst hatte ich die strukturellen Unterschiede zwischen bispezifischen Antikörpern und chimären Antigenrezeptoren erklärt, wobei ich bei den bispezifischen Antikörpern exemplarisch auf die BITE (Bi-specific T-cell engager) Technologie eingegangen bin. Ziel beider therapeutischer Ansätze ist die Formation einer artifiziellen immunologischen Synapse zwischen T-Zellen und Tumorzellen, um den T-Zellen die Möglichkeit zu geben, die Tumorzellen abzutöten. Die BITEs sind Antikörper, die aufgrund ihres Designs zwei Strukturen erkennen und binden können. So bindet der klinisch zugelassene und in klinischen Studien getestete Antikörper Blinatumomab an CD19 und CD3 und stellt somit eine Art Brücke zwischen der Tumorzelle (CD19 positiv) und T-Zelle (CD3 positiv) her. Dieses führt dann zur Ausformung der immunologischen Synapse. Chimäre Antigen Rezeptoren (CARs) sind synthetische Rezeptoren, die aus einem Antigen-bindenden Fragment und Signaldomänen bestehen, die T-Zellen aktivieren können. Um diese Rezeptoren zum Einsatz zu bringen, muss die genetische Information der Rezeptoren mittels Gentransfer ausserhalb des Körpers in die T-Zellen des jeweiligen Patienten eingebracht werden. Dieses ist ein technisch und logistisch sehr aufwendiges Verfahren. Derzeit sind zwei gegen CD19 gerichtete CARs in der Schweiz zugelassen und kommerziell erhältlich (Axicabtagene Ciloleucel und Tisagenlecleucel). T-Zellen, die den CAR exprimieren, werden dann mittels einer autologen Transfusion dem Patienten zurückgegeben und können CD19 positive Tumorzellen erkennen und abtöten.

Studienlandschaft

Im Weiteren hatte ich die aktuelle Studienlandschaft diskutiert. Drei grössere Studien konnten klar die Wirksamkeit 3 unterschiedlicher gegen CD19 gerichteter CARs bei Patienten mit rezidivierter ALL und rezidivierten aggressiven Lymphomen demonstrieren (N Engl J Med 2019; 380:45-56, N Engl J Med 2018; 378:449-459, N Engl J Med 2017; 377:2531-2544). In allen Studien tauchten die bekannten Nebenwirkungen einer Therapie gegen CD19 mittels CARs auf. Es ist in 15% der Patienten zu einem höhergradigen Cytokine Release Syndrom und in 25% der Patienten zu höhergradigen neurotoxischen Nebenwirkungen gekommen. Das Cytokine Release Syndrom kann effizient mit Tocilizumab behandelt, die Neurotoxizität mit Steroiden kontrolliert werden. Es zeigt sich, dass die Nebenwirkungen immer besser verstanden und behandelt werden können, so dass diese der weiteren Verbreitung der Therapie in keinster Form im Wege stehen. Als Ausblick auf die CAR Therapie bin ich auf BCMA (B-cell maturation antigen) spezifische CARs eingegangen. Das BCMA Antigen wird auf Myelomzellen exprimiert und ist somit eine attraktive therapeutische Zielstruktur für diese Erkrankung. Eine klinische Studie konnte ein Ansprechen in 85% aller Patienten aufzeigen (N Engl J Med 2019; 380:1726-1737). Um die ersten Schritte und die hiermit verbundenen Probleme bei soliden Tumoren zu demonstrieren, habe ich unsere eigene CAR T-Zell Studie beim malignen Pleuramesotheliom vorgestellt. Hier liegen bis jetzt nur publizierte Daten des ersten Patienten vor (Clin Cancer Res. 2018 Aug 15;24(16):3981-3993, BMC Cancer. 2012 Dec 22;12:615). Das Zielantigen dieser Studie war FAP (Fibroblasten-Aktivierungs-Protein). Ein solches Antigen wird nicht nur in malignen Tumoren exprimiert, sondern auch in entzündeten Geweben. Somit können leicht unkontrollierte Nebenwirkungen entstehen. Dieses Konstrukt könnte sogar eines Tages als Therapie gegen chronisch entzündliche Erkrankungen eingesetzt werden (N Engl J Med 2019; 381:2475-2476), was darauf hinweist wie komplex die biologischen Effekte sein können. Da es hier sehr viel Unwägbarkeiten gibt, wurde der erste Patient nur mit einer sehr geringen Anzahl FAP-spezifischer CAR tragender T-Zellen behandelt, um eine grundsätzliche Machbarkeit zu zeigen.
Spannend aus meiner Sicht war nun der Vergleich dieser aufwendigen zellulären Therapien gegenüber der BITE Technologie. Blinatumomab ist ein relativ kleines Molekül, das als Dauerinfusion verabreicht werden muss, aber in keinster Form so aufwendig in der Herstellung wie autologe CAR-tragende T-Zellen ist. Es wurde eine Studie bei Patienten mit rezidivierter ALL durchgeführt (N Engl J Med 2017; 376:836-847). Hierbei zeigte sich ein signifikant verlängertes Gesamtüberleben und krankheitsfreies Überleben. Aber im Gegensatz zur CAR Therapie kommen weniger Patienten in eine langfristige Remission, so dass die BITE Technologie eher als Brückentherapie zur allogenen Stammzelltransplantation gesehen wird.
Interessant war die zeitliche Überschneidung des ASH-Meetings in Orlando und dem IO-ESMO Meeting. Passend zu meinem Referat wurden weitere Daten zu bispezifischen Antikörpern präsentiert. Zum Beispiel zeigte der CC-93269 Antikörper im IgG Format, welcher CD3 und BCMA bindet, beim Multiplen Myelom ein Ansprechen von 88%. Diese Daten sind sehr vergleichbar mit denen der publizierten BCMA CARs.

Fazit

Aus meiner Sicht wird sich in den nächsten Jahren eine spannende Konkurrenzsituation zwischen bispezifischen Antikörpern und chimären T-Zellrezeptoren ergeben. Ich denke, dass für die Antikörper die einfachere Herstellung, die leichte Applikation und damit grössere allgemeine Nutzbarkeit sprechen. Die zelluläre Therapie bietet aber eventuell grössere immunologische Manipulationen an, wie zum Beispiel der Gentransfer verschiedener CARs in einer T-Zellpopulation an.

Quelle: ESMO Immuno-Oncology Congress, Genf, 11.-14.12.2019

PD Dr. med. Ulf Petrausch

OnkoZentrum Zürich
Seestrasse 259
8038 Zürich

Geduld, Durchhaltewillen, Mut und das richtige «Gschpüri» sind gefragt

Politische Interessenvertretung ist ein legitimer Bestandteil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses in der Schweiz. Die Krebsliga engagiert sich seit Jahren für die Anliegen von Krebsbetroffenen und setzt sich zurzeit im Verband mit der politischen Interessenvertretung auseinander.

Gespannt wurde in der Wintersession 2019 die neue Zusammensetzung des Parlaments beobachtet: Stimmen die Mitglieder des National- und Ständeräts «linker» oder «rechter» im Vergleich zur letzten Legislatur? Wird konservativer entschieden, was wird unter «liberal» verstanden und welche Bündnisse bilden sich? In gesundheits- und sozialpolitischen Fragen sind die Mehrheitsverhältnisse noch nicht eindeutig. Die Veränderungen scheinen aber weniger stark ausgeprägt zu sein als erwartet.

20 Jahre bis zum neuen Gesetz

Das Schweizer Politsystem ist geprägt von Stabilität. Dazu tragen auch die staatspolitischen Prozesse bei. Bis eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz und damit verbundene Massnahmen umgesetzt sind, dauert es nicht selten Jahre. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Krebsregistrierung: 1998 verlangte der damalige Nationalrat Franco Cavalli «auf der Basis der kantonalen und regionalen Register über Tumore ein einheitliches statistisches Informationssystem betreffend die Krebsmorbidität in der Schweiz zu schaffen» (1). Die entsprechende Motion wurde vom Nationalrat in Form eines Postulats an den Bundesrat überwiesen. Das neue Bundesgesetz (2), das schlussendlich im Grundsatz unumstritten war, ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten – notabene über 20 Jahre später. Seit diesem Jahr werden in der Schweiz nun Daten zu allen Krebsfällen einheitlich erfasst, um künftig Präventionsmassnahmen, Früherkennungsprogramme sowie Behandlung und Versorgung besser planen zu können. Ein Anliegen, für das sich die Krebsliga seit über 20 Jahren eingesetzt hat. Dies zeigt, dass es Geduld und Durchhaltewillen braucht und sich diese auch lohnen. Das Ziel ist allerdings noch nicht erreicht – eine Evaluation des Gesetzes ist bereits gestartet, eine Revision der Verordnung wohl absehbar.

Zur richtigen Zeit das politisch Machbare ausschöpfen

Gut vorbereitet kann zur richtigen Zeit und in geeigneter Formation das maximal politische Machbare ausgeschöpft werden. Feuerwehrübungen sind hingegen in unserem Politsystem meist nicht zielführend oder nur mit grossem Aufwand erfolgreich. Hier braucht es das richtige «Gspüri», wie die Deutschschweizer so schön sagen. Eine Gelegenheit muss korrekt erkannt und sinnvoll genutzt werden. Eine Organisation braucht bisweilen auch den Mut, sich proaktiv für ein relevantes Anliegen einzusetzen, selbst wenn die Zeit noch nicht reif dafür ist, und gleichzeitig die Bereitschaft, neue Allianzen einzugehen. Auch dazu gibt es ein aktuelles Beispiel: Seit Jahren setzt sich die Krebsliga für eine Verbesserung der Situation der betreuenden Angehörigen ein. In der Wintersession hat das Parlament nun das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung verabschiedet. Unter anderem erhalten erwerbstätige Eltern von krebskranken Kindern Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von maximal 14 Wochen, der wochen- oder tageweise bezogen werden kann und über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird. Die Verabschiedung der Vorlage ist unumstritten ein wichtiger, wenn auch nur erster Schritt in die richtige Richtung. Im Rahmen der «Interessensgemeinschaft betreuende Angehörige» wird sich die Krebsliga für weitere Schritte einsetzen.

Die Krebsliga bleibt dran

Jede dritte Person erkrankt in der Schweiz an Krebs. Beispielsweise aufgrund des demografischen Wandels steigt die Zahl der Betroffenen kontinuierlich an. Dank dem medizinischen Fortschritt verläuft eine Krebserkrankung nicht mehr zwingend tödlich. So wird es voraussichtlich im Jahr 2030 in der Schweiz eine halbe Million «Cancer Survivors» geben – unumstritten eine grosse Herausforderung für das Schweizer Sozial- und Gesundheitssystem wie auch für unsere Wirtschaft. Damit haben Krebserkrankungen nicht nur eine hohe gesellschaftliche und ökonomische, sondern auch eine politische Relevanz. Aufgrund des hochkomplexen gesundheitspolitischen Umfelds in der Schweiz und den zahlreichen politischen Regulierungsprozessen, welche Krebsbetroffene und ihre Angehörige betreffen, ist ein professionelles und fokussiertes politisches Engagement gefragt. Deshalb hat sich die Krebsliga, die den Dachverband «Krebsliga Schweiz» und die 18 kantonalen und regionalen Ligen vereint, Ziele für die politische Interessensvertretung gesetzt. Sie engagiert sich in der Politik und der Gesellschaft dafür, dass

  • Risikofaktoren von Krebs bekannt sind und wirksame Gegenmassnahmen umgesetzt werden,
  • die Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Informationen sowie zu sinnvollen Früherkennungsmassnahmen und Behandlungen gewährleistet ist,
  • Anliegen von Krebsbetroffenen sowie deren Angehörigen berücksichtigt werden,
  • die Krebsforschung gefördert wird.

Die direkte Demokratie und der Föderalismus erfordern mehrheitsfähige Lösungen. Diese basieren auf durchdachten Kompromissen, deren Zustandekommen Zeit braucht. Demgegenüber stehen die schnellen gesellschaftlichen Entwicklungen und eine zunehmend globale und digitale Welt. Geduld und Durchhaltewillen, aber auch Mut und «Gspüri» wird es auch in Zukunft brauchen.

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

1. siehe Curia Vista 98.3286 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=19983286)
2. siehe SR 818.33 (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20121618/index.html)

Brustkrebs im Frühstadium

Die Prognose für Brustkrebspatientinnen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. In Europa sank die Sterblichkeitsrate für Brustkrebs von 2014 bis 2019 (geschätzt) um 8.7% (1). Welche Faktoren zu dieser positiven Entwicklung beigetragen haben, beantworten im Interview Dr. med. Konstantin Dedes und PD Dr. med. Christian Kurzeder.

Hier finden Sie den ganzen Pharma-Sonderreport

Pharma-Sonderreport verantwortet von MSD Merck Sharp & Dohme AG, Luzern

Telemedizinische Überwachung von Rhythmusstörungen

Die telemedizinische Auswertung von implantierbaren Event-EKGs zur Abklärung von unklaren Synkopen ist etabliert und hat einen klaren Vorteil gegenüber externen event-EKGs, die nur eine limitierte Zeit getragen werden können. Welche Bedeutung asymptomatisches Vorhofflimmern hat, das mit Herzschrittmachern und Defibrillatoren festgestellt wird, ist zum Teil noch unklar. Die stark zunehmende Speicherung von medizinischen Daten durch Smartphones und andere primär nicht-medizinische Geräte bietet viele Möglichkeiten und stellt Patienten, Ärzte und Gerätehersteller vor neue Herausforderungen.

L’  évaluation télémédicale des ECG événementiels implantables pour l’ examen des syncopes non claires est établie et présente un avantage évident par rapport aux ECG événementiels externes qui ne peuvent être portés que pendant une durée limitée. L’ importance de la fibrillation auriculaire asymptomatique, qui est détectée à l’ aide de stimulateurs cardiaques et de défibrillateurs, n’ est toujours pas claire. L’ augmentation rapide du stockage des données médicales par les smartphones et autres appareils primairement non médicaux offre de nombreuses possibilités et pose de nouveaux défis aux patients, aux médecins et aux fabricants d’ appareils.

Die Rechen- und Speicherleistung von medizinischen Geräten entwickelt sich immer weiter. Fast alle implantierbaren Geräte und eine Vielzahl von mobilen Apparaten können heute Langzeitdaten der Patienten speichern und häufig diese direkt übermitteln und ermöglichen so eine Analyse und Beurteilung der Messungen praktisch in Echtzeit. Dazu gehören auch immer mehr Geräte aus dem primär nicht-medizinischen Bereich wie Smartphones oder Pulsuhren. Die gespeicherte Datenmenge steht in diesem Fall häufig dann auch nicht nur den Benutzern, sondern auch den Herstellern der Software zu Verfügung und kann mit anderen Daten verknüpft und vernetzt werden.
Diese Geräte, die sogenannten «wearables» und ihre Applikationen werden in Zukunft noch stark zunehmen und eröffnen ein ganz neues Feld zur Erfassung von Rhythmusstörungen oder anderen medizinischen Problemen. Was diese Daten bedeuten und welcher Nutzen daraus gezogen werden kann, ist noch weitgehend unerforscht.
Die telemedizinische Überwachung von Rhythmusstörungen kommt heute vor allem zum Einsatz zur Abklärung von unklaren Synkopen und zur Früherkennung von Vorhofflimmern und des damit verbundenen Risikos für Schlaganfälle. Es wird nun die Bedeutung der implantierbaren Langzeit-EKGs besprochen, dann die Bedeutung der Befunde, die durch bereits implantierte Herzschrittmacher und Defibrillatoren gesammelt werden und schlussendlich die aktuelle und mögliche zukünftige Bedeutung der «wearables», insbesondere der Smartphones und Smartwatches, die einen völlig neuen Zugang zum Patienten ermöglichen oder sogar erfordern.

Telemedizin zur Erkennung von Rhythmusstörungen

Rhythmusstörungen sind häufige Erkrankungen, treten aber oft nur intermittierend auf. Das Risiko zumindest einmal im Leben zum Beispiel Vorhofflimmern zu entwickeln, liegt gemäss der Framingham-Studie bei ca. 25% (1). Die telemedizinische Auswertung eines Langzeit-EKG-Recorders ist sehr sinnvoll bei Patienten mit seltenen, dafür aber potenziell gefährlichen Rhythmusstörungen und kommt zum Einsatz, nachdem in externen Langzeit-EKGs wie 24h-Holter-EKG oder 7-Tage-Event-EKG keine Diagnose gestellt werden konnte. Bei dieser hochselektionierten Patientengruppe konnte mit einem Loop-Recorder in bis zu 88% der Fälle eine Korrelation zwischen EKG und Symptomen gefunden werden (2). Dementsprechend konnte, verglichen mit herkömmlichen Techniken, mit einem implantierbaren Loop-Recorder bei bisher nicht geklärten Synkopen auch viel schneller und zuverlässiger eine Diagnose gestellt werden (3). Die Recorder, zum Beispiel der RevealLinq von Medtronic (Abb. 1) oder der ConfirmRx von Abbott, können während zwei bis drei Jahren Rhythmusstörungen erkennen und diese telemedizinisch an eine Datenbank übertragen. So wird innert kürzester Zeit die Diagnose gestellt und eine Therapie begonnen, bzw. nach drei Jahren ohne registrierte Rhythmusstörung, diese praktisch sicher ausgeschlossen (Abb. 2).
Besondere Aufmerksamkeit bekommt dabei die Früherkennung von Vorhofflimmern. Vorhofflimmern verläuft in ca. ¼ aller Fälle asymptomatisch und ist unabhängig davon ein wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle (4). Eine Diagnosestellung ist deswegen sehr wichtig, oft aber trotz Praxis- und Langzeit-Holter-EKGs nicht möglich.
Rhythmogene Synkopen sind die häufigsten der kardial bedingten Synkopen, die 10% aller Synkopen ausmachen (5). Der implantierbare Langzeit-Recorder kann sehr gut eine rhythmogene Ursache erkennen, bzw. ausschliessen. Begünstigt durch Vorerkrankungen und Alter sind dies Bradykardien, bzw. Blockierungen im Sinus- oder AV-Knoten oder dann Tachykardien. Deswegen ist es sehr wichtig, dass eine verlässliche Diagnose schnell gestellt und die nötigen Massnahmen, oft die Implantation eines ICDs oder eines Herzschrittmachers, dann erfolgen.

Telemedizinische Überwachung von Rhythmus-störungen mit Schritt-machern und Defibrillatoren

Die meisten Schrittmacher und internen Defibrillatoren speichern Episoden von tachykarden Rhythmusstörungen. Diese intrakardialen Elektrogramme können bei der nächsten Kontrolle oder direkt mittels Telemedizin abgefragt werden. Bisher ist in der Schweiz die telemedizinische Überwachung von implantierten Geräten nicht verbreitet, da die geografische Situation dies nicht erfordert und die Patienten meist den direkten Kontakt zum behandelnden Arzt in der Schrittmachersprechstunde schätzen. Schrittmacher und Defibrillatoren sind zudem sehr zuverlässig, so dass in den meisten Fällen keine telemedizinische Überwachung der Funktion nötig ist.
Gelegentlich kann es aber sehr sinnvoll sein, zum Beispiel bei instabilen Situationen mit gehäuften ventrikulären Tachykardien oder falls die Geräte nicht zuverlässig funktionieren wegen technischen Problemen. Da diese Geräte auch Vorhofflimmern mit einer Sensitivität von fast 95% erkennen und 90% davon asymptomatisch bleibt, kann versucht werden, mittels Telemedizin eine möglichst frühzeitige Diagnose zu erreichen (6). Viele dieser Episoden sind aber nur kurz und dauern wenige Sekunden oder Minuten. Es konnte in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen subklinischem Vorhofflimmern und embolischen Ereignissen dokumentiert werden (7) und dies bereits ab einer Dauer der Vorhofflimmerepisoden von fünf Minuten und noch eindeutiger bei einer längeren Dauer (8).
Ein direkter zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Vorhofflimmern und einem embolischen Ereignis besteht aber nicht. In diesen Studien hatte die Mehrheit der Patienten in dem Monat vor einem Schlaganfall kein Vorhofflimmern. Welche Patienten von einer Antikoagulation profitieren, ist dewegen noch unklar. Zwei Studien versuchen im Moment dies zu klären (9). In einer Studie, bei der in Abhängigkeit des CHA2DS2-VASc-Scores und von telemedizinisch festgestelltem Vorhofflimmern die Antikoagulation gestartet und wieder gestoppt wurde, konnte kein Nutzen festgestellt werden (10).
Bisher wird empfohlen, ab einer Vorhofflimmerdauer von 6 Minuten eine orale Antikoagulation erst zu beginnen, wenn eine konventionelle EKG-Dokumentation vorliegt. Ab einer Dauer der Episoden von über 24 Stunden kann je nach CHA2DS2-VASc-Score direkt mit der OAK begonnen werden (11).
Die telemedizinische Überwachung und das möglichst frühzeitige Entdecken von Vorhofflimmern können in bestimmten Fällen sicher mithelfen, eine Progression der Herzinsuffizienz, das Auftreten von inadäquaten Schockabgaben und das Ausbleiben der kardialen Resynchronisation frühzeitig zu erkennen und zu therapieren. So wurde bei Patienten mit implantierbarem Defibrillator in Langzeitstudien bei 30 – 60% ein bisher nicht diagnostiziertes Vorhofflimmern festgestellt (12).

Wearables

Heute besitzt fast jeder ein Smartphone und speichert damit dauernd eine Vielzahl von Daten. Nicht nur zu Konsumverhalten und der Nutzung von Telefon, Suchmaschinen und sozialen Netzwerken, sondern immer auch Daten zu Standort, Bewegungsverhalten und den Aktivitäten. Bereits über das Smartphone selber ist es möglich, mit der eingebauten Lampe und der Kamera über eine Photopletysmographie die Sauerstoffpulskurve zu messen und dadurch Informationen zu Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung zu speichern. Benutzen die Anwender zusätzliche Geräte wie ein Fitnessband oder eine Smartwatch, können diese Parameter ständig gemessen und kann je nach Ausstattung des Gerätes sogar eine EKG-Ableitung aufgezeichnet werden (Abb. 3). Eine stetig steigende Zahl von Benutzern dokumentiert so ihr Trainingsprogramm und ihre Freizeitaktivitäten und zeichnet auf diese Weise dauernd eine Reihe von Vitalparametern auf, die mit allen anderen Daten verknüpft werden können. Dazu können die Benutzer auch Angaben zu ihrem Befinden eingeben und gezielt die Daten mit ihren Symptomen verbinden. Für uns Ärzte wird die Situation komplex, weil immer mehr Leute mit immer mehr verschiedenen Geräten und Applikationen uns eine stetig steigende Menge von Daten präsentieren und wir nicht immer wissen können, wie zuverlässig die erhobenen Daten tatsächlich sind und welche Relevanz die Messungen haben.

Zudem werden wir wohl immer mehr mit Ergebnissen aus gepoolten Daten von ganz vielen Benutzern und daraus entwickelten Algorithmen konfrontiert werden. Das Smartphone lobt den Benutzer für sein Verhalten oder warnt ihn vor Gesundheitsrisiken aufgrund eines Algorithmus, den wir nicht verstehen oder nachvollziehen können. Dr. Google lässt grüssen und für uns Ärzte wird es spannend, wie wir mit diesen Informationen umgehen und ob sich unsere Rolle gegenüber den Patienten dadurch verändern wird.
Ein sehr interessantes Beispiel ist die «Apple Heart Study», welche vor wenigen Wochen publiziert wurde (13). In einer prospektiven Single-arm-Studie sind 419 297 Teilnehmer untersucht worden. Primärer Endpunkt ist der Anteil Patienten mit einem von der Applewatch entdeckten unregelmässigen Puls, die Vorhofflimmern haben. Gemessen wurde mit dem Pulsoxymeter der Smartwatch. Im Falle eines unregelmässigen Pulses ist den Studienteilnehmern dann ein Holter-EKG zugeschickt worden, mit dem sie ein 24h EKG aufnehmen und dieses zurückschicken mussten. Die Benutzer der Applewatch konnten sich selber in die Studie einschliessen. 0,52% der Studienteilnehmer hatten einen unregelmässigen Herzschlag. An 658 Teilnehmer ist ein Holter-EKG geschickt worden und 450 haben dieses auch wieder zurückgeschickt. In 34% dieser Holter-EKGs wurde Vorhofflimmern diagnostiziert. Die Studie zeigt sehr eindrücklich, wie über das Internet innert kürzester Zeit mehr als 400 000 Studienteilnehmer eingeschlossen werden können und welche Limitationen damit verbunden sind. Nur 0,5% der Teilnehmer hatten einen unregelmässigen Puls und von diesen hat nur ungefähr die Hälfte der Teilnehmer weitere Schritte unternommen. Es gab eine sehr hohe Rate von Ausfällen der Studienteilnehmer, was schliesslich grundsätzlich die Resultate in Frage stellt. Durch die besondere Selektion (alle Besitzer einer Applewatch statt einer medizinisch definierten Risikogruppe) und die mangelnde Adhärenz der Studienteilnehmer besteht vermutlich ein relevanter Bias. Zudem führen diese Gesundheitsreihenuntersuchungen vermutlich auch zu einer sehr hohen Zahl von zusätzlichen und teuren Untersuchungen.
Trotzdem hat die «Apple Heart Study» eine grosse Bedeutung: Sie hat als erste von vermutlich vielen Untersuchungen, die aus der riesigen Menge von Daten, die ständig von Benutzern gespeichert werden, brauchbare Information abzuleiten versucht, sei es direkt für ein Individuum oder über Algorithmen für bestimmte Gruppen oder die ganze Population.

Dr. med. Thomas Stuber

FMH Kardiologe
Kardiologische Gemeinschaftspraxis
Schänzlistrasse 3
3013 Bern

thomas.stuber@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Die telemedizinische Überwachung von Rhythmusstörungen wird sich wegen der Zunahme der «wearables» und der Verknüpfung der Messungen mit allen anderen von uns gespeicherten Daten noch stark weiterentwickeln.
  • Langzeit-EKG-Recorder mit telemedizinischer Übertragung bieten einen grossen Vorteil und Zeitgewinn bei der Abklärung von unklaren Synkopen.
  • Die Bedeutung kurzer Episoden von asymptomatischem Vorhofflimmern, welches mit Schrittmachern und Defibrillatoren erkannt wird,
    ist noch unklar. Entsprechend ist auch der Vorteil der Telemedizin für diese Fragestellung noch nicht erkannt.

Messages à retenir

  • La surveillance télémédicale des perturbations rythmiques continuera à se développer considérablement en raison de l’ augmentation du nombre d’ objets portables et de l’ interconnexion des résultats de mesure avec toutes les autres données que nous stockons.
  • Les enregistreurs ECG à long terme avec transmission télémédicale offrent un grand avantage et un gain de temps dans la clarification de syncopes peu claires.
  • L’ importance des courts épisodes de fibrillation auriculaire asymptomatique, qui sont détectés à l’ aide de stimulateurs cardiaques et de défibrillateurs, n’ est toujours pas claire. Par conséquent, l’ avantage de la télémédecine relative à cette question n’ a pas encore été reconnu.

1. Lloyd-Jones DM et al. Lifetime risk for development of atrial fibrillation: the
Framingham Heart Study. Circulation 2004;110(9):1042-6
2. Solano A et al. Incidence, diagnostic yield and safety of the implantable loop-
recorder to detect the mechanism of syncope in patients with and without structural heart disease. Eur Heart J 2004;25:1116–9.
3. Sulke N et al. The benefit of a remotely monitored implantable loop recorder as a first line investigation in unexplained syncope: the EaSyAS-II trial. Europace 2016;18:912–8.
4. Svennberg E et al. Mass Screening for Untreated Atrial Fibrillation: The
STROKESTOP Study. Circulation 2015 Jun;131(25):2176-84.
5. Soteriades ES et al. Incidence and prognosis of syncope. NEJM 2002;347(12):878-85.
6. Ricci RP et al. Effectiveness of remote monitoring of CIEDs in detection and treatment of clinical and device-related cardiovascular events in daily practice: The Home Guide Registry.Europace 2013;15:970–7.
7. Brambatti M et al. Temporal Relationship Between Subclinical Atrial Fibrillation and Embolic Events. Circulation. 2014;129:2094-9.
8. Healey JS et al. Subclinical atrial fibrillation and the risk of stroke. N Engl J Med 2012;366:120
9. Kirchhof P et al. Probing oral anticoagulation in patients with atrial high rate episodes: Rationale and design of the Non–vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High rate episodes (NOAH–AFNET 6) trial. Am Heart J 2017;190:12-8.
10. Martin DT et al. Randomized trial of atrial arrhythmia monitoring to guide anticoagulation in patients with implanted defibrillator and cardiac resynchronization devices. Eur Heart J. 2015;36(26):1660-8
11. Macle, L et al. The 2014 Atrial Fibrillation Guidelines Companion: A Practical Approach to the Use of the Canadian Cardiovascular Society Guidelines.
12. Botto GL et al. Presence and duration of atrial fibrillation detected by continuous monitoring: crucial implications for the risk of thromboembolic events. J Cardiovasc Electrophysiol 2009;20:241–8.
13. Perez MV et al. Large-Scale Assessment of a Smartwatch to Identify Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2019;381:1909-17