Rezidiv und Nachsorge

Die Betreuung von Frauen in der Nachsorge bei gynäkologischen Tumorerkrankungen stellt vielfältige Ansprüche. Neben der frühen Erkennung eines Rezidivs sind mögliche Langzeitnebenwirkungen sowie psychoonkologische und psychosoziale Themen für die Betroffenen von hoher Relevanz. Aufgrund der ungünstigen Langzeitprognose des Ovarialkarzinoms sowie der Seltenheit der epithelialen / mesenchymalen Tumore des Corpus uteri richten wir unser Augenmerk im Beitrag lediglich auf das glanduläre Endometrium- und das epitheliale Zervixkarzinom.

La prise en charge pour le suivi d’une patiente atteinte d‘une tumeur gynécologique doit satisfaire à de multiples exigences. Outre le diagnostic précoce d’une récidive, les potientiels effets secondaires à long terme des traitements et les répercussions psycho-oncologiques et psycho-sociales ont une grande importance pour les patientes. Vu le pronostic à long terme défavorable du cancer de l’ovaire et la rareté des tumeurs mésenchymateuses et épithéliales du corps utérin, l’article proposé se concentre sur le suivi en cas d’adénocarcinome du corps utérin et de cancer épidermoïde du col utérin.

Während bei Frauen mit der Diagnose einer gynäkologischen Tumorerkrankung in der Betreuung die oft beeinträchtigenden Therapien und deren Nebenwirkungen im Zentrum stehen, rückt in der Nachsorge insbesondere auch die Lebensqualität in den Fokus. In der Nachsorgephase beginnt für die Patientin häufig erst die intensivere Auseinandersetzung mit sich selbst, der Prognose und der Angst vor dem Rezidiv.

Standardisierte versus symptomorientierte Nachsorge – weniger ist oft mehr

Die Nachsorge wird einheitlich empfohlen, obwohl die Datenlage zur Nachsorge bei gynäkologischen Malignomen spärlich ist. Es liegen keine prospektiven oder gar randomisierten Studien vor, welche die Wirksamkeit einer standardisierten Untersuchung von asymptomatischen Frauen im Vergleich zu einer symptomorientierten Nachsorge untersuchen.

Endometriumkarzinom – Rezidivrisiko und Nachsorge

Die Rezidivrate des Endometriumkarzinoms ist insgesamt niedrig und liegt über alle Stadien verteilt bei 13%, wobei die Rückfallrate für die Patientinnen mit niedrigem Risiko bei lediglich knapp 3% liegt. In den vergangenen Jahren verbesserte sich die mittlere 5- bzw. 10-Jahresüberlebensrate auf 77% bzw. 70% (1). Die serösen oder klarzelligen Karzinome (Typ-II-Karzinome) sind insgesamt zwar seltener (10-15%), dennoch sind sie auf Grund ihre aggressiveren Biologie für 50% der Rückfälle verantwortlich. (2). Die Mehrheit der Patientinnen mit einem Rezidiv äussert Symptome und nur 30% aller Rezidive sind klinisch asymptomatisch. Bedenkt man, dass sich die Rezidive in etwa gleichen Teilen auf loko-regionäre Rezidive und auf Fernmetastasen aufteilen, erklären sich auch die häufigsten Symptome wie vaginale Blutungen, unspezifische Abdominalbeschwerden, Gewichtsverlust, Lymphödem und persistierender Husten (3). Je nach Studie traten 68-100% der Rezidive innerhalb der ersten drei Jahre nach Ende der Primärtherapie auf. Die PORTEC-1 Studie zeigt, dass die 3-Jahres-Überlebensrate bei einem isolierten Vaginalrezidiv nach Endometriumkarzinom mit 73% deutlich günstiger ist als bei einem pelvinen Rezidiv (14%) oder bei Fernmetastasierung (8%) (4). Nicht einheitlich ist die Studienlage bezüglich der Frage, ob die Überlebensdauer bei asymptomatischen Frauen mit Rezidiv länger ist als bei symptomatischen Rezidiven (5).
Beim Endometriumkarzinom beginnt die leitliniengerechte Nachsorge nach Abschluss der Primärtherapie und sollte in den ersten drei Jahren viertel – bis halbjährlich und in den Jahren vier und fünf in sechsmonatigen Abständen durchgeführt werden (6).
Die Nachsorge umfasst eine sorgfältige Anamneseerhebung hinsichtlich Beschwerden eines Rezidivs sowie Evaluation von Spät-/Langzeitfolgen der Primärtherapien mit ihren Auswirkungen auf die Lebensqualität. In der körperlichen Untersuchung inklusive Allgemeinstatus, gynäkologischer Spekulumeinstellung und rektovaginaler Palpation sowie Vaginalsonographie beziehungsweise Sonographie der ableitenden Harnwege ist die Erkennung eines Rezidivs oder Spätfolgen (6) der Therapie möglich. In einigen Studien konnte bereits durch die gynäkologische Untersuchung inklusive rektovaginaler Palpation eine Detektionsrate für Vaginalrezidive von 35–68 % erreicht werden ohne weitere apparative Diagnostik (7). Auch der zytologische Abstrich wird beim Endometriumkarzinom nicht mehr empfohlen, da er nicht kosteneffizient ist und in nur ca. 10% zur Diagnose beim asymptomatischen Rezidiv führt.

Zervixkarzinom – Rezidivrisiko und Nachsorge

Das mittlere 5- bzw 10 Jahresüberleben beim Zervixkarzinom liegt derzeit in der Schweiz bei 70% bzw. 60% (1). Eine systematische Literaturübersicht von 17 eingeschlossenen retrospektiven Studien von kurativ therapiertem Zervixkarzinom zeigt ein mittleres Intervall bis zum Rezidiv von 7-36 Monaten, etwa ¾ aller Rezidive treten somit in den ersten 2 Jahren nach Abschluss der Primärtherapie auf (8). Die Rezidivrate betrug 8-26 %, davon 14-57 % mit lokalem Beckenrezidiv und 15-61% mit Fernmetastasen (9). Unbestritten ist dabei, dass die Rezidivrate abhängig vom primären Tumorstadium ist (10), wobei bereits ab dem FIGO-Stadium ≥ IIB von einem fortgeschrittenen Stadium gesprochen wird und das Rezidivrisiko über 25% liegt. Klinisch asymptomatisch sind 25% der Patientinnen (11). Insbesondere das lokale Rezidiv äussert sich mit Symptomen wie Ausfluss, Blutungen, Schmerzen und Lymphödem. Patientinnen mit Metastasen haben häufiger unspezifische Symptome. Bei Frauen mit einem lokalen Rezidiv kann die Therapie mit einem kurativen Ansatz erfolgen, deshalb sind diese möglichst frühzeitig zu diagnostizieren. Insgesamt sind die Überlebensraten nach Therapie eines Rezidivs sehr ernüchternd.
Entgegen der noch gültigen S3-Leitlinie 2014 wird an anderen Stellen keine routinemässige Zervixzytologieabnahme nach Radiotherapie im Rahmen der Nachsorge empfohlen. Die technische Auswertung der Zytologie nach erfolgter Radiotherapie ist aufgrund von radiogenen Veränderungen oft erschwert und nur bedingt aussagekräftig. Weiterhin empfohlen wird die Zytologie des Vaginalstumpfes hingegen bei Frühstadien des Zervixkarzinoms, welche mit Hysterektomie therapiert wurde (12). Zum Nutzen der Kolposkopie in der Nachsorge des Zervixkarzinoms gibt es keine publizierten Daten. Sie kann hilfreich sein zur Detektion beim zentralen Rezidiv oder bei Residualtumoren sowie bei präinvasiven Rezidiv-/Zweitläsionen (VIN, VAIN). Ebenfalls ist die HPV-Bestimmung speziellen Fragestellungen vorbehalten (13).

Bildgebung in der Nachsorge des Endometrium- und Zervixkarzinoms

Die in jeder gynäkologischen Praxis zu Verfügung stehende Sonographie kann in der Nachsorge eingesetzt werden (6, 13, 14). Die transvaginale Sonographie ist kosteneffizient und zeigt eine hohe Detektionsrate für Rezidive gynäkologischer Malignome. Zusätzlich ermöglicht die transabdominale Sonographie eine frühzeitige Entdeckung eines Harnstaus als Komplikation der Operation oder Strahlentherapie.
Erst beim Vorliegen des klinischen Verdachts auf ein Rezidiv ist die Durchführung weiterführender diagnostischer Massnahmen empfohlen. Das frühzeitige Erkennen von Fernmetastasen führte in keiner Studie zu einer Verbesserung des Überlebens (3, 15, 16). Bildgebende Untersuchungen wie PET-CT, CT, MRI und Tumormarkerbestimmungen sind daher in der Nachsorge asymptomatischer Patientinnen nicht indiziert (12, 13).
Im Falle eines lokalen Rezidivs oder einer Fernmetastasierung ist nach der histologischen Sicherung, die immer erfolgen soll, eine Festlegung des weiteren Procedere abhängig von der Art der Primärtherapie und der Lokalisation des Rezidivs interdisziplinär zu diskutieren.
Die Tabellen 1 und 2 zeigen je ein Schema der Nachsorge bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom bzw. Zervixkarzinom (Tabellen 1 und 2 nach 6, 13).

Psychoonkologische, psychosoziale und sexualmedizinische Beratung

Mit der Rückkehr in den Alltag nimmt das Thema Lebensqualität, einschliesslich sexueller Bedürfnisse, wieder an Bedeutung zu. Betrachtet man die aktuellen Langzeitüberlebensdaten des Endometrium- und Zervixkarzinoms, beinhaltet die Tumornachsorge eine Langzeitbetreuung der Frau im Beziehungsfeld von Familie, Partnerschaft, Beruf. Bei Patientinnen mit einer gynäkologischen Tumorerkrankung finden sich Anpassungsstörungen mit etwa 13%, gefolgt von Angststörungen mit 12% sowie depressive Störungen von 8% (17).
Ziel ist, im Gespräch diese Thematik zu erkennen, anzusprechen und geeignete Massnahmen einzuleiten. Weiter sollen standardisierte und validierte Screeningverfahren (Bsp. NCCN Distress Thermometer) zur Feststellung der psychosozialen Belastung sowie des psychoonkologischen Behandlungsbedarfs eingesetzt werden (18). Sekundäre Prävention im Sinne eines gesundheitsfördernden Verhaltens mit Beratung hinsichtlich Ernährung, Nikotinabstinenz, Gewichtskontrolle, körperlicher Aktivität sowie Stressreduktion spielen eine wichtige Rolle. Gewichtsabnahme bei vorbestehender Adipositas und regelmässige körperliche Aktivität wirken sich positiv auf krebsassoziierte Mortalität und die Lebensqualität aus. Fatigue ist ein unterschätztes Problem, welches oft lange nach Therapieende persistiert und auch durch körperliche Aktivität reduziert werden kann (min. 150 Minuten pro Woche moderate körperliche Aktivität und / oder in Kombination von allgemeinem Krafttraining zwei Mal pro Woche) (12, 19). Analog zur individualisierten Therapie sollte auch die Nachbetreuung individualisiert werden und neben den wenigen empfohlenen klinischen Untersuchungen Zeit für die individuelle Beratung der Patientin bieten.

Dr. med. Karin Breu

Stadtspital Triemli
Frauenklinik
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

karin.breu@triemli.zuerich.ch

Dr. med. Heike Passmann

Stadtspital Triemli
Frauenklinik
Birmensdorferstrasse 501
8063 Zürich

heike.passmann@triemli.zuerich.ch

KD Dr. med. Stephanie von Orelli

Stadtspital Triemli
Frauenklinik
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

stephanie.vonorelli@zuerich.ch

Die Autorinnen haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Trotz fehlender Evidenz wird einheitlich eine Nachsorge empfohlen.
  • Sinnvoll erscheint eine Begleitung der Patientinnen mit symptomorientiertem Fokus sowie Erhebung des Ernährungszustandes und psychoonkologisches Screening.
  • Die meisten Rezidive treten innerhalb der ersten 3 Jahre nach Therapie auf.
  • Einzig das frühzeitige Erkennen eines heilbaren Rezidivs hat Einfluss auf die Überlebensrate.
  • Die Diagnose und Therapie einer asymptomatischen Metastasierung führt zur Einschränkung der Lebensqualität und zeigt keine Verbesserung der Überlebensrate.

Messages à retenir

  • Un suivi post-thérapeutique est généralement recommandé – malgré l’ absence d’évidence fondée sur des preuves.
  • Le suivi des patientes ciblé sur les symptômes tout comme l’ évaluation de l’ état nutritionnel et un dépistage psycho-oncologique semble bénéfique.
  • La plupart des récidives se manifeste dans les trois ans après le
    traitement.
  • Uniquement la découverte précoce d’une récidive qui est curable
    a une influence sur le taux de survie.
  • Le diagnostic et le traitement d’ une métastase asymptomatique
    n’ a comme effet qu’ une diminution de la qualité de vie mais ne montre aucune amélioration du taux de survie.

1. Bundesamt für Statistik (BFS) Nationales Institut für Krebsepidemiologie und -registrierung (NICER) Schweizer Kinderkrebsregister (SKKR) Schweizerischer Krebsbericht 2015
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6. Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebs-gesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF) 2018.S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientinnen mit Endometriumkarzinom, Langversion 0.1, 2018, AWMF Registernummer: 032/034-OL.
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Entwicklung neuer Krebsmedikamente

Die bisherige Entwicklung neuer Therapien war dadurch gekennzeichnet, dass für eine bestimte Tumorentität ein neues Medikament gegen den bisherigen Standard verglichen wurde. Ein vertieftes molekularbiologisches Verständnis und die Erkenntnis, dass bestimmte genetische Veränderungen das Tumorwachstum antreiben, stellen diesen Grundsatz nun in Frage. Neue Medikamente werden basierend auf genetischen Veränderungen und unabhängig von der Tumorlokalisation – sogenannt tumoragnostisch – entwickelt.

Le développement précédent de nouvelles thérapies était caractérisé par le fait qu’ un nouveau médicament était comparé à l’ ancien standard pour une entité tumorale spécifique. Une meilleure compréhension de la biologie moléculaire et la reconnaissance du fait que certains changements génétiques sont à l’ origine de la croissance des tumeurs remettent maintenant ce principe en question. De nouveaux médicaments sont mis au point en fonction des modifications génétiques – et dans une approche dite agnostique – indépendamment de la localisation de la tumeur.

Die onkologische Therapie hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Neben den herkömmlichen Chemotherapeutika wurden neue Medikamente entwickelt. Neuzulassungen von Medikamenten basierten in aller Regel auf randomisierten Phase III Studien, die eine Verbesserung des Gesamtüberlebens oder zumindest der progressionsfreien Zeit im Vergleich zur bisher bei dieser Tumorentität etablierten Standardtherapie zeigen mussten. Ein verbessertes molekularbiologisches Verständnis der Tumorentstehung und Tumorzellentwicklung mit Nachweis von spezifischen molekularen Veränderungen hat zur Entwicklung sogenannt zielgerichteter Medikamente geführt. Für zahlreiche Tumoren sind bestimmte somatische Genmutationen oder andere genetische Aberrationen bekannt, die für das Tumorwachstum verantwortlich sind (sogenannte «Treibermutationen»). Diese Treibermutationen können in Tumoren ausgehend von unterschiedlichen Ursprungsorganen auftreten. Diese Erkenntnis hat zur Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten geführt. Solche Medikamente wirken entsprechend nur dann, wenn die entsprechende molekulare Veränderung in der Tumorzelle vorliegt. Solche spezifischen molekularen Veränderungen können innerhalb einer Tumorentität in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Beim nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (non-small cell lung cancer) beispielsweise liegt bei kaukasischen Patienten in rund 10-15% eine EGFR-Mutation vor (1). EGFR-TKIs wurden in randomisierten Phase III Studien gegen konventionelle Chemotherapie verglichen und zeigten in der Erstlinientherapie eine Verbesserung der progressionsfreien Zeit (2). Für die meisten Studien konnte kein Überlebensvorteil nachgewiesen werden, da ein grosser Teil der Patienten, die auf den Chemotherapie-Arm randomisiert wurden, später einen EGFR-TKI erhalten haben (sogenanntes «cross-over»). Dies ist dadurch begründet, dass schon vorgängig die hohe Aktivität von EGFR-TKIs gezeigt wurde und es daher unethisch gewesen wäre, den Patienten im Chemotherapie-Arm die nachgewiesenermassen aktive Therapie zu verwehren. Dieser Umstand führt jedoch dazu, dass es gelegentlich schwierig sein kann, Patienten für prospektiv randomisierte Studien zu rekrutieren, weil sowohl die behandelnden Ärzte als auch gut informierte Patienten eine hohe Erwartungshaltung an die neue Therapie haben. Dies wird insbesondere dadurch erschwert, wenn solche neuen Substanzen ausserhalb von Studien bereits verfügbar gemacht werden.

Basket-Studien für die Untersuchung zielgerichteter Therapien

Gewisse molekulare Veränderungen kommen in einigen Tumorentitäten nur sehr selten vor. Als Beispiel sei hier die BRAF-Mutation beim NSCLC genannt, welche bei rund 2% aller Patienten vorkommt (1). Beim metastasierten Melanom dahingegen sind diese Mutationen bei rund der Hälfte der Patienten zu finden. Nachdem gegen BRAF gerichtete Therapien beim Melanom etabliert wurden, stellte sich die Frage, ob sie auch beim NSCLC wirksam sind. Erste Hinweise zur Aktivität von BRAF-gerichteten Therapie beim NSCLC stammen aus Fallberichten (3, 4). Im weiteren Verlauf hat eine internationale retrospektive Kohortenstudie den Stellenwert von BRAF-gerichteten Therapien gezeigt (5). Auch in einer sogenannten Basket-Studie, in welcher 122 Patienten mit verschiedenen Tumorentitäten mit Vorliegen einer BRAF-Mutation eingeschlossen und mit dem BRAF-Inhibitor Vemurafenib behandelt wurden, zeigte sich bei 20 Patienten mit NSCLC eine vielversprechende Ansprechrate von 42% nach meist ausgiebiger chemotherapeutischer Vorbehandlung (6). Zur Zulassung von Dabrafenib und Trametinib führte die prospektive Phase II Studie BRF113928 mit insgesamt 93 Patienten. In Kohorte B wurden 57 Patienten nach Vorbehandlung mit Chemotherapie eingeschlossen (7) und in Kohorte C 36 therapie-naive Patienten (8). Dieses Beispiel zeigt bereits die Schwierigkeit der Etablierung neuer Therapien bei seltenen molekularen Subgruppen. Hier sind randomisierte Studien.
die traditionell die beste Evidenz liefern, aus vielerlei Hinsicht nicht durchführbar. Für solche Situationen werden häufiger sogenannte Basket-Studien durchgeführt, in welchen Patienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten auf eine bestimmte molekulare Veränderung hin untersucht und bei Vorliegen derselben mit einer entsprechenden zielgerichteten Therapie behandelt werden. Dieser Ansatz wird auch als tumoragnostisch bezeichnet. Eine direkte Kontrollgruppe gibt es bei Basket-Studien nicht. Ihre hohe Aussagekraft erreichen sie durch das gezielte medikamentöse Ansteuern eines biologischen Mechanismus. Bis dato hat dieser Ansatz in der Schweiz noch nicht zu einer tumoragnostischen Zulassung von Medikamenten geführt. In den USA wurden in den letzten zwei Jahren durch die staatliche Zulassungsbehörde FDA erstmals neue Medikamente tumoragnostisch zugelassen. Auch die europäische Zulassungsbehörde EMA hat im Sommer diesen Jahres erstmals eine tumoragnostische Zulassung vorgenommen.

Tumoragnostische Studienprotokolle und Zulassungen neuer Medikamente

NTRK-Fusionen kommen bei rund 1% aller Tumoren vor (9). Am häufigsten zu finden sind sie bei Speicheldrüsenkarzinomen, bestimmten Weichteilsarkomen sowie beim infantilen Fibrosarkom. Zudem kommen sie bei einer Vielzahl weiterer solider Tumoren (u.a. Schilddrüsenkarzinom, NSCLC) vor. Basierend auf einer Phase I Studie (NCT02122913), einer Phase I/II bei Kindern (SCOUT, NCT02637687) sowie einer Phase II Basket-Studie für Patienten mit NTRK-Fusionen (NCT02576432) mit insgesamt 122 Patienten in allen drei Studien zusammen wurde der spezifische Inhibitor Larotrectinib in den USA und jüngst auch in Europa tumoragnostisch zugelassen (10-12). Die EMA hat eine bedingte Zulassung erteilt. Bedingte Zulassungen können erteilt werden, wenn ein hoher therapeutischer Bedarf vorliegt und die verfügbaren Daten zu einer günstigen Nutzen-Risiko-Abwägung führen. Die Zulassungsinhaber sind aufgefordert, weitere klinische Daten zu liefern, um dann später eine definitive Zulassung zu erreichen. Dies wird häufig über sogenannte Phase IV Studien erreicht. Ebenfalls durch die FDA zugelassen wurde Entrectinib, ein weiterer NTRK-Inhibitor, basierend auf der kombinierten Analyse der beiden Phase I Studien ALKA-372-001 und STARTRK-1 sowie der Phase II Studie STARTRK-2 (13, 14).
Eine weitere tumoragnostische Zulassung durch die FDA erfolgte für Pembrolizumab bei Patienten mit mikrosatelliteninstabilen (MSI-H) beziehungsweise Mismatch Repair defizienten (dMMR) Tumoren nach entsprechender Vorbehandlung und ohne etablierte Therapiealternativen. Erstmals konnte in einer Phase II Studie mit 10 Patienten mit dMMR kolorektalem Karzinom und 7 Patienten mit anderen Tumoren eine hohe Aktivität von Pembrolizumab bei Patienten mit dMMR-Tumoren gezeigt werden (15). In einer Expansion mit insgesamt 86 Patienten konnten diese Resultate bestätigt werden (16). In der Folge wurden zwei unabhängige Phase II Studien für Patienten mit MSI-H bzw. dMMR Tumoren initiiert, eine für Patienten mit kolorektalem Karzinom (KEYNOTE-164) (17) und eine für Patienten mit anderen soliden Tumoren (KEYNOTE-158) (18). In der zweiten Studie wurden 233 Patienten mit insgesamt 27 verschiedenen Tumoren eingeschlossen. Diese tumoragnostische Entwicklung von Pembrolizumab bei MSI-H/dMMR-Tumoren basiert auf einer biologischen Rationale, da diese Tumoren eine erhöhte Mutationslast und eine höhere Zahl von Neoantigenen tragen (19).

Tumoragnostischer Ansatz – ein Paradigmenwechsel mit Folgen

Die tumoragnostische Zulassung von neuen onkologischen Therapien bedeutet einen Paradigmenwechsel, da dadurch neue – durch Biomarker definierte – Krankheitsentitäten entstehen. Mit dieser tumoragnostischen Zulassung definiert neu das Vorhandensein eines bestimmten Biomarkers die Erkrankung nicht mehr das Ursprungsorgan. Auch schon früher wurden bestimmte Medikamente basierend auf einer Biomarkeranalyse zugelassen, jedoch stets für eine bestimmte Tumorentität. Für die zukünftige Entwicklung hat diese eine grosse Bedeutung. Wie bereits vorgängig diskutiert, ist die Durchführung von tumoragnostischen klinischen Studien schon seit längerem etabliert. Als Beispiel tumoragnostischer Studien wurden Basket-Studien erwähnt, es gehören aber auch sogenannte Plattform-Studien dazu, in welchen mehrere Studien in einem Masterprotokoll durchgeführt werden, als Beispiel hierzu sei die NCI-MATCH Studie erwähnt. Solche tumoragnostischen Studien können wichtige Resultate liefern, die dann in adaptierten Studien weiter untersucht werden und können gegebenenfalls in eine tumoragnostische Entwicklungsstrategie übergehen, in welcher dann neben weiteren klinischen Daten auch pharmakokinetische Daten und Medikamenteninteraktionen tumoragnostisch eingeschlossen werden. Die Durchführung solcher Studien mit adaptivem Studiendesign, bei welchem im Laufe der Studie basierend auf ersten Auswertungen Hypothesen verworfen und neue aufgestellt werden und diese dann die Weiterführung der Studie direkt beeinflussen, stellt ebenfalls grosse Herausforderungen an die Planer und Durchführer, aber auch an die Zulassungsbehörden, da viele der bisherigen Beurteilungskriterien ihre Gültigkeit verlieren. Diese Entwicklung bietet jedoch nicht nur Chancen, sondern bedarf auch einer kritischen Beurteilung. Es gilt, die Heterogenität und die unterschiedliche Biologie innerhalb einer Biomarker-definierten Gruppe von Tumoren zu berücksichtigen, was gegebenenfalls zusätzlicher Studien für bestimmte Tumorentitäten braucht. Hier können in Anbetracht der Seltenheit bestimmter Tumorentitäten und molekularer Veränderungen Daten aus Register- und Kohortenstudien von Bedeutung sein. In der Schweiz wird demnächst die SAKK 86/18 (ONCONAVIGATOR) Studie anlaufen. In diese Kohortenstudie können alle Patienten eingeschlossen werden, deren Tumor mittels moderner Sequenzierung (next-generation sequencing, NGS) analysiert wurde. Basierend auf der Sammlung von molekularen und klinischen Daten sollen durch artifizielle Intelligenz Behandlungsalgorithmen erstellt werden, die dann in einer nächsten Phase des Projekts prospektiv geprüft werden. Eine weitere Schwierigkeit tumoragnostischer Studien ist die Frage des klinischen Endpunktes. Progressionsfreie Zeit und Gesamtüberleben sind in solchen Studien aufgrund der Heterogenität und der damit verbundenen unterschiedlichen Prognose schwierig zu prüfen. Auch sollte man sich der Tatsache bewusst sein, dass eine rasche Zulassung basierend auf einem tumoragnostischen Ansatz gegebenenfalls die Weiterentwicklung, beispielsweise durch die Untersuchung von Therapiekombinationen bei bestimmten Tumorentitäten, verzögern oder verunmöglichen kann. Ein weiteres wichtiges Themengebiet bei der Entwicklung neuer zielgerichteter Therapieansätze ist die molekulare Testung. Wird ein Medikament aufgrund des Vorhandenseins eines bestimmten Biomarkers zugelassen, so muss die Detektion dieses Markers zuverlässig und reproduzierbar erfolgen können.
Zusammenfassend darf gesagt werden, dass ein verbessertes molekularbiologisches Verständnis der Tumorentstehung und -entwicklung zu einem Paradigmenwechsel in der klinischen onkologischen Forschung geführt hat. Die heutige Medikamentenentwicklung erfordert in vielen Fällen die Implementierung neuer Studiendesigns. Dies führt in vielen Fällen dazu, dass neue Medikamente schneller zu den Patienten kommen und damit deren Prognose verbessern können. Es gilt in dieser Entwicklung aber, kritische Punkte bei der Diagnostik, der Studienplanung und der Validierung von Studienergebnissen zu berücksichtigen.

Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Sacha Rothschild

Kantonsspital Baden
Zentrum für Onkologie & Hämatologie
Im Ergel 1
5404 Baden

sacha.rothschild@ksb.ch

Honorare für Advisory Boards von AstraZeneca, BMS, Boehringer-Ingelheim, Eisai, Eli-Lilly, Merck Serono, MSD, Novartis, Pfizer, Roche und Takeda (an die Institution). Forschungsgelder von AstraZeneca, Boehringer-Ingelheim, BMS, Eisai und Merck Serono.

  • Ein verbessertes molekularbiologisches Verständnis der Tumorentstehung und -entwicklung hat zu einem Paradigmenwechsel in der klinischen onkologischen Forschung geführt
  • Die Entwicklung zielgerichteter Therapien erfordert neue Studiendesigns, wie zum Beispiel Basket-Studien oder Plattform-Studien
  • Die tumoragnostische Entwicklung neuer Medikamente bietet sich für zielgerichtete Therapien für gut validierte prädiktive Marker an

Messages à retenir

  • Une meilleure compréhension de la biologie moléculaire de l’ apparition et du développement des tumeurs a conduit à un changement de paradigme dans la recherche clinique en oncologie.
  • Le développement de thérapies ciblées nécessite de nouvelles conceptions d’ études, telles que des études de panier ou des études de plateforme.
  • L’  approche dite agnostique du développement de nouveaux médicaments se prête à des thérapies ciblées pour des marqueurs prédictifs bien validés.

1 Barlesi F, Mazieres J, Merlio J-P, et al. Routine molecular profiling of patients with advanced non-small-cell lung cancer: results of a 1-year nationwide programme of the French Cooperative Thoracic Intergroup (IFCT). Lancet 2016; 387: 1415–26.
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12 Lassen UN, Albert CM, Kummar S, et al. Larotrectinib efficacy and safety in TRK fusion cancer: an expanded clinical dataset showing consistency in an age and tumor agnostic approach. Annals of Oncology (2018) 29 (suppl_8): viii133-viii148. 10.1093/annonc/mdy279.
13 Drilon A, Siena S, Ou S-HI, et al. Safety and Antitumor Activity of the Multitargeted Pan-TRK, ROS1, and ALK Inhibitor Entrectinib: Combined Results from Two Phase I Trials (ALKA-372-001 and STARTRK-1). Cancer Discov 2017; 7: 400–9.
14 Paz-Ares L, Doebele RC, Farago AF, et al. Entrectinib in NTRK fusion-positive non-small cell lung cancer (NSCLC): integrated analysis of patients enrolled in STARTRK-2, STARTRK-1 and ALKA-372-001. Ann Oncol 2019;30 (suppl 2); abstract 113O
15 Le DT, Uram JN, Wang H, et al. PD-1 Blockade in Tumors with Mismatch-Repair Deficiency. N Engl J Med 2015; 372: 2509–20.
16 Le DT, Durham JN, Smith KN, et al. Mismatch repair deficiency predicts response of solid tumors to PD-1 blockade. Science 2017; 357: 409–13.
17 Le DT, Kim TW, Van Cutsem E, et al. Phase II Open-Label Study of Pembrolizumab in Treatment-Refractory, Microsatellite Instability–High/Mismatch Repair–Deficient Metastatic Colorectal Cancer: KEYNOTE-164. J Clin Oncol 2019 Nov 14;JCO1902107.
18 Marabelle A, Le DT, Ascierto PA, et al. Efficacy of Pembrolizumab in Patients With Noncolorectal High Microsatellite Instability/Mismatch Repair–Deficient Cancer: Results From the Phase II KEYNOTE-158 Study. J Clin Oncol 2019; :Nov 4:JCO.19.02105.
19 Cancer Genome Atlas Network. Comprehensive molecular characterization of human colon and rectal cancer. Nature 2012; 487: 330–7.

Digitale Tools zur Stärkung der Selbstwirksamkeit von Krebsbetroffenen

Krebsbetroffenen stehen zahlreiche Hilfsmittel zur Verfügung, welche zur Bewältigung ihrer Situation beitragen können. Die Welle der Digitalisierung aller Gesellschaftsbereiche erfasst erfreulicherweise auch diesen Bereich, so dass immer mehr digitale Hilfsmittel, Apps oder «Tools» angeboten werden.

Les personnes atteintes de cancer disposent de nombreux outils qui peuvent les aider à faire face à leur situation. Heureusement, la vague de digitalisation de tous les domaines de la société affecte également ce domaine, de sorte que de plus en plus d’aides numériques, d’applications ou de «tools» sont ainsi mis en place.

Diese digitalen Helfer können zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden, so beispielsweise zur Unterstützung bei der Krebsfrüherkennung, zum Erfassen individueller Symptome, zur Kommunikation zwischen Betroffenen und Behandelnden, zur Beratung bezüglich Nebenwirkungen von Therapien sowie generell zum Umgang mit der belastenden Situation einer Krebserkrankung.
Die Krebsliga Schweiz hat im Rahmen eines Projekts der Nationalen Strategie gegen Krebs bereits im 2018 einen Kongress zu solchen Apps durchgeführt. In diesem Rahmen kamen die Experten zum Schluss, dass einer der kritischen Momente auf dem Weg solcher Tools zum Patienten der Übergang von der Studienphase – welche solche Tools meistens durchlaufen – in den Alltag der Betroffenen, also in die Regelversorgung darstellt. Unklarheiten bezüglich Finanzierung, Betreuung bzw. Weiterentwicklung solcher Tools in dieser Phase stellen grosse Hürden dar.
Um sich über Herausforderungen und Erfahrungen in Zusammenhang mit diesem Übergangsmoment auszutauschen, wurde im Oktober 2019 ein Folge-Anlass zur ersten Tagung organisiert. Im Rahmen des «Forum SELF», der entsprechenden Plattform des Bundesamts für Gesundheit BAG, diskutierten insgesamt über 50 Personen aus Praxis, Verwaltung, Industrie und weiteren Kreisen, wie diese Implementierung von Tools im Bereich Selbstwirksamkeit von Krebspatienten in die Regelversorgung idealerweise angegangen werden sollte. In diesem Artikel wird auf zwei der dort besprochenen Tools eingegangen und die «Take Home Messages» dieses Anlasses werden vorgestellt.

Symptom-Navi-Programm*:
Selbstmanagement verbessern

Krebsbetroffene leiden aufgrund ihrer Erkrankung oder der erhaltenen Therapie an den verschiedensten Symptomen, welche sich negativ auf den Alltag der Betroffenen und deren Angehöriger auswirken können. Solche Symptome werden in der Onkologie mittels supportiver Therapien angegangen. Mit dem Symptom-Navi-Programm können krebserkrankte Menschen ihre Symptome auch im Selbstmanagement angehen. Laut Prof. Manuela Eicher (IUFRS, Universität Lausanne/CHUV), Verantwortliche des Symptom-Navi-Programms, wurde gezeigt, dass Menschen, die den Umgang mit den Auswirkungen ihrer Erkrankung auf ihren Alltag verbessern können, gesünder weiterleben, weniger Probleme haben und besser im Alltag zurechtkommen.
Das Symptom-Navi-Programm besteht aus 16 Informationsblättern mit schriftlichen Kurzinformationen zu häufigen Symptomen sowie einem Schulungskonzept für Pflegefachpersonen zur Patientenedukation bei der Abgabe der Informationsblätter. Jedes dieser 16 Informationsblätter ist einem Symptom gewidmet. Ziel der verschiedenen Produktangebote ist, Betroffenen dabei zu helfen, auftretende Symptome mit einem Ampelsystem «Grün, Gelb, Rot» in ihrer Intensität richtig einzuschätzen und wirksame Massnahmen zu treffen.
Das Symptom Navi ersetzt keineswegs die Betreuung und das Gespräch mit einer Fachperson. Es soll vielmehr die Information und Beratung durch Fachpersonen unterstützen. Es liegt nahe – und wurde aus Betroffenenkreisen auch nachgefragt – diese Informationen in einer Smartphone-App zusammenzufassen bzw. zur Verfügung zu stellen. Dies hat viele Vorteile: Beispielsweise, dass sich Videos und Audio-Files leicht einbinden lassen. So drückt der Nutzer auf einen Link, der ihn direkt zu Videos und weiteren Informationen und Vernetzungen führt. In der digitalen Version findet der Patient zudem die Koordinaten möglicher Ansprechpartnerinnen und -partner in seiner Gegend, wie etwa die Telefonnummer der wichtigsten Personen seines Behandlungsteams.
Aus der Patientenperspektive sind das klare Verbesserungen. Auch aus Sicht der Anbieter bringt die elektronische Version Vorteile. So können beispielweise Statistiken zur Nutzung der einzelnen Informationen angelegt und analysiert werden. Allerdings sind es, wenig überraschend, hauptsächlich Aspekte zur Finanzierung sowie zum Datenschutz, welche die Initianten beim Prozess der Digitalisierung und Implementierung vor grosse Herausforderungen stellen, so dass die Implementierung in die Regelversorgung noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie sich dies die Initianten wünschten.

STREAM: Stress aktiv mildern

Das Online-Programm STREAM hilft neudiagnostizierten Krebserkrankten dabei, den erfahrenen Stress zu senken und die Lebensqualität dadurch zu steigern. STREAM ist ein Akronym und steht für «Stress aktiv mindern». Anhand von acht Modulen mit Fragen, Informationen, Übungen und verhaltenstherapeutischen Anleitungen erhält der Krebsbetroffene eine Unterstützung bei der Bewältigung der Belastungen, welche die Krankheit auslöst. In den Übungen arbeitet sie oder er Themen durch wie: Was löst Stress aus, wer kann mich wie unterstützen, wie finde ich Ressourcen? Innerhalb des Programms steht der Krebspatient in einem regelmässigen schriftlichen Kontakt mit einem Psychoonkologen.
Nach acht Wochen der gestützten Selbsthilfe kann der Betroffene laut Prof. Vivianne Hess (Leitende Ärztin Onkologie USB), Studienleiterin STREAM, mit seiner Krankheit besser umgehen. Ein digitales Programm wie STREAM hat den Vorteil, dass man Betroffene in einem grossen geographischen Raum erreichen kann. Die Teilnehmer schätzen es, dass sie selbständig entscheiden können, wann, wo und wie oft sie das Programm inklusive den Übungen zum Runterladen (eigens produzierte Videos und Audio-Files) benutzen.
Weitere Vorteile sind, dass sich die Betroffenen die «Sitzungen» zeitlich einteilen und dazu einen bequemen Ort wählen können. Trotz der Schriftlichkeit bauen die Betroffenen gemäss Pilotstudie eine persönliche Beziehung zum Therapeuten auf, die ähnlich stark ist wie bei der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Diese Beziehung ist wichtig und führt zu einer Steigerung der Wirksamkeit der Intervention im Vergleich zu reinen Selbsthilfeprogrammen. Man darf sogar die Frage aufwerfen, ob in gewissen Situationen die digitale Psychoonkologie vielleicht sogar besser geeignet ist als Sitzungen von Angesicht zu Angesicht es sind.
Über die ganze Zeit der Behandlung – bei STREAM über elf Wochen – gesehen, ist das digitale Programm wahrscheinlich zeit-
effizienter: die schreibenden Psychoonkologinnen wendeten pro Woche im Durchschnitt nur 13 Minuten für einen Patienten auf. Persönliche Sitzungen dauern in der Regel schnell eine Stunde. Das Alter der Teilnehmer an der STREAM-Pilotstudie hat nachweislich keinen Einfluss in Bezug auf die Nutzung des digitalen Angebots.
Wie beim Symptom-Navi-Programm sind auch bei STREAM Finanzierung und Datenschutz zwei zentrale Probleme in Bezug auf die Implementierung in die Regelversorgung. Ein privates Unternehmen interessierte sich zwar für den Kauf des ganzen Programms, den Initiantinnen ist es aber wichtig, dass das Programm auf mehrere Stakeholder abgestützt ist, bzw. eine Anbindung an eine öffentliche oder Non-Profit Organisation wie der Universität Basel oder der Krebsliga Schweiz besteht.

Erkenntnisse aus der Tagung «Forum SELF» des BAG

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat am 29. Oktober 2019 das zweite Forum der «Plattform SELF» mit dem Jahresthema «Good-practice-Angebote der Selbstmanagement-Förderung» durchgeführt. Ausgehend von den Ergebnissen des Zwischenberichts «Nachhaltige Finanzierung und Qualität in der Selbstmanagement-Förderung – eine Studie mit Beispielen guter Praxis», wurden im Rahmen von Workshops die Empfehlungen des Berichtsentwurfs diskutiert sowie verschiedene der porträtierten Good-practice-Beispiele vorgestellt.
Als Teil der Veranstaltung bot die Krebsliga Schweiz einen Workshop an, in welchem sowohl das Symptom-Navi-Programm wie auch STREAM durch Projektbeteiligte vorgestellt und die Inhalte der Präsentationen mit dem Publikum diskutiert werden konnten. Dies als Folgeveranstaltung zur Tagung «digiself 2018». Dabei bestätigte sich, dass die Frage nach der Finanzierung der Transition solcher Apps vom akademischen ins Regelversorgungs-Setting für Projektverantwortliche eine zentrale Herausforderung darstellt.
Die während der Diskussion genannten, dafür benötigten finanziellen Mittel – 250’000 Franken als Richtwert für die Durchführung einer Studie zu einem solchen digitalen Tool und gar eine halbe Million Franken für die Implementierung in die Regelversorgung – wurden in einem ersten Moment ungläubig aufgenommen. Allerdings: Allein die Zertifizierung eines solchen Tools bringt Kosten in der Grössenordnung von CHF 100’000 mit sich.
Weitere gewichtige Kostenpunkte sind laut den Projektverantwortlichen das Online-Marketing des Tools bei der Zielgruppe durch Social Media oder auch bezahlte Google-Werbung sowie insbesondere das Sicherstellen von Datenschutz und die ständige Aktualisierung des Inhalts. Wenn man zusätzlich den Aufwand bezüglich Aufbereitung für die verschiedenen technischen Plattformen (inkl. Updates) berücksichtigt, erklären sich die hohen Beträge.

Benutzerfreundliche Ausgestaltung

Ein Knackpunkt beim Erfolg der Implementierung eines solchen Tools ist des Weiteren die Benutzerfreundlichkeit. So sind die User-Präferenzen, beispielsweise bei Art und Häufigkeit der erforderlichen Interaktion mit dem Tool stark individualisiert. Nebst persönlichen Vorlieben (Zitat Workshop-Teilnehmer: «Ich will nicht ständig vom Handy zu etwas aufgefordert werden.») gibt es auch stratifizierte Unterschiede, je nach Art der Unterstützungsleistung des Tools bzw. der angestrebten Wirkung bei der Zielgruppe.
Den Gedanken des richtigen Masses weiterführend, wurde auch die «Schwemme» von Apps und Webseiten, mit denen wir in Kontakt kommen, kritisch hinterfragt. Um ein drohendes Überangebot zu vermeiden, aber auch um Synergien zu nutzen, zielte das Schlusswort von Astrid Grossert, Vertreterin von STREAM, auf alle Anbieter von Patienten-orientierten Tools und es soll auch hier multipliziert werden: im Sinne der Effizienz, aber auch um es den Betroffenen zu vereinfachen, sollten Ressourcen unbedingt gebündelt und Projekte in grösstmöglicher Vernetzung geplant und vor allem implementiert werden.

*Der Abschnitt enthält Passagen aus Interviews mit den im Text erwähnten Personen, zu finden auf www.nsk-krebsstrategie.ch

Dr. sc. nat. Michael Röthlisberger

Co-Gesamtprojektleiter NSK
Nationale Strategie gegen Krebs
c/o Oncosuisse
Effingerstrasse 40
Postfach
3001 Bern

michael.roethlisberger@nsk-krebsstrategie.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

auf Anfrage beim Verfasser

Therapie von Patienten mit Knochenmetastasen mit Denosumab (XGEVA®)

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) stellt in dieser Ausgabe eine Studie vor. Die SAKK ist eine Non-Profit-Organi­sation, die klinische Studien in der Onkologie durchführt. Bei Interesse für die hier vorgestellte Studie oder falls Sie eine Patientin oder einen Patienten zuweisen möchten, kontaktieren Sie bitte den Studienverantwortlichen (Coordinating Investigator) oder den Studienkoordinator (Clinical Project Manager).

Therapie von Patienten mit Knochenmetastasen mit XGEVA® zur Verhinderung von symptomatischen Komplikationen am Skelett mit Denosumab 120 mg, verabreicht alle 4 Wochen gegenüber alle 12 Wochen.

Knochenmetastasen, die Ausbreitung der Krebserkrankung auf den Knochen, sind eine häufige Komplikation bei Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung und werden in der Schweiz bei mehr als 5000 Menschen jährlich neu diagnostiziert. Seit der Marktzulassung im Dezember 2011 wird Denosumab (120 mg; XGEVA®) vermehrt für die Therapie von Patienten mit Knochenmetastasen verwendet.
Das Projekt SAKK 96/12 soll zeigen, dass eine weniger häufige Dosierung des Medikaments mindestens gleich wirksam ist wie die zugelassene Standarddosierung. Das Projekt wurde lanciert, weil Studiendaten nahelegen, die zugelassene Therapie mit XGEVA® hinsichtlich Dosierung, Toxizität und Kosten-Nutzen-Verhältnis zu hinterfragen. Neben der Wirksamkeit werden auch Nebenwirkungen und Lebensqualität genau beobachtet, da angenommen wird, dass eine weniger häufige Verabreichung insgesamt zu weniger Nebenwirkungen und somit auch zu einer besseren Lebensqualität führt.
Da die steigenden Kosten im Gesundheitswesen und die Kosteneffizienz medizinischer Behandlungen zu immer grösseren gesellschaftlichen Herausforderungen führen, besteht ein weiteres Ziel dieses Projektes darin, gesundheitsökonomische Aspekte zu untersuchen. Das Projekt SAKK 96/12 wird in Zusammenarbeit mit den Krankenversicherern durchgeführt.
Diese Studie wird unterstützt von: Stiftung Krebsbekämpfung, santésuisse und Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI.

Studiendesign: offene, randomisierte Nicht-Unterlegenheits-Studie der Phase III
(Open-label randomized phase III non-inferiority trial)

Studientitel: SAKK 96/12 / REDUCE: Prevention of symptomatic skeletal events with Denosumab (DN) administered every 4 weeks (q4w) versus every 12 weeks (q12w): a non-inferiority phase III trial.

Teilnehmende Zentren: Hirslandenklinik Aarau, Kantonsspital Aarau, Kantonsspital Baden, Brustzentrum Basel – Praxis Thorn, Basel/Caba Zentrum für Onkologie, Psychologie und Bewegung, Basel/Claraspital, Universitätsspital Basel, Bellinzona/EOC – Istituto Oncologico della Svizzera Italiana, Bern/Inselspital, Bern/Lindenhofgruppe – Engeriedspital, Spitalzentrum Biel, Hôpital du Valais/Spital Brig, Kantonsspital Graubünden, Chêne-Bougeries/Clinique des Grangettes, Spital Thurgau – Kantonsspital Frauenfeld, Hôpital Fribourgeois – Hôpital Cantonal, Clinique de Genolier, Hôpitaux Universitaires de Genève, Lausanne/CCAC – Centre de Chimiothérapie Anti-Cancéreuse, CHUV – Centre hospitalier universitaire vaudois, Kantonsspital Baselland Liestal, Locarno/Fondazione Oncologia Lago Maggiore, Lugano/Oncologia Varini&Calderoni, Luzern/Hirslandenklinik St. Anna, Luzerner Kantonsspital, Spital Männedorf, Spital Thurgau – Kantonsspital Münsterlingen, Network – Hôpital Neuchâtelois, Kantonsspital Olten – Solothurner Spitäler, Sargans/Rundum Onkologie am Bahnhofpark, Hôpital du Valais/Hôpital de Sion, Bürgerspital Solothurn – Solothurner Spitäler, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen/Tumor- und Brustzentrum ZeTuP, Spital STS AG Thun, Kantonsspital Winterthur, Zürich/Brustzentrum (Seefeld), Zürich/Hirslanden Klinik Hirslanden, Zürich/Hirslanden Klinik Im Park, Zürich/Onkologie Bellevue, Zürich/Spital Limmattal, Zürich/Stadtspital Triemli, UniversitätsSpital Zürich, Landeskrankenhaus Feldkirch (AT), Universitätsklinikum Düsseldorf (DE), UKSH/Universitätsklinikum Schleswig Holstein Lübeck (DE), Universitätsklinikum Ulm (DE).

Coordinating Investigator:
Prof. Dr. med. Roger von Moos,
Kantonsspital Graubünden,
roger.vonmoos@ksgr.ch

Clinical Project Managers:
Corinne Schär, SAKK CC Bern, corinne.schaer@sakk.ch
Priska Stocker, SAKK CC Bern, priska.stocker@sakk.ch

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Behandlungen verbessern dank Forschungsförderung

Im Jahr 2018 haben die Stiftung Krebsforschung Schweiz, die Krebsliga Schweiz und die kantonalen und regionalen Ligen 175 verschiedene Forschungsinstitutionen und -vorhaben mit insgesamt 30,1 Mio. Franken unterstützt. Dies geht aus dem neu publizierten Bericht «Krebsforschung in der Schweiz» hervor.

Um die Ursachen von Krebs besser zu verstehen, die Entstehung von Krebserkrankungen zu vermeiden und Krebs wirksamer zu behandeln, ruht auf der Forschung grosse Hoffnung –nur dank einem vertieften Verständnis von Krebserkrankungen lassen sich letztlich bessere Behandlungsmethoden entwickeln. Deshalb kommt gerade auch der Forschungsförderung eine tragende Rolle zu. Im vergangenen Jahr erreichte die Fördersumme, die in vielversprechende Projekte investiert wurde, einen neuen Spitzenwert.
Der Bericht «Krebsforschung in der Schweiz» gewährt vertieften Einblick in die geförderten Projekte in den Bereichen klinische, psychosoziale, epidemiologische, Grundlagen- und Versorgungsforschung. Die Bandbreite an Themen in der neuen Publikation ist gross: Es geht um die neuen zellulären Therapien und deren Potenzial zur Heilung von bisher nicht behandelbaren Erkrankungen, um regionale Unterschiede in der Versorgung von Krebspatienten oder um die psychischen Herausforderungen, die Betroffene und ihre Partner nach dem Ende der Behandlung meistern müssen, um wieder an ihr Leben vor der Erkrankung anzuknüpfen.

Intensiver Wettbewerb

Mit dem grössten Teil der Fördergelder unterstützen Krebsforschung Schweiz (KFS) und die Krebsliga Schweiz (KLS) die freie Projektforschung, bei der die Forschenden bestimmen, welcher Fragestellung zu Krebs sie nachgehen wollen. Im Jahr 2018 sind bei den beiden Partnerorganisationen insgesamt 185 Forschungsgesuche eingegangen. Nach der sorgfältigen Prüfung aller Projekte hat die dafür zuständige Wissenschaftliche Kommission (WiKo) 110 Projekte als solid und erfolgsverheissend eingestuft und deshalb zur Finanzierung empfohlen.
Aufgrund der begrenzten Fördermittel konnten der Stiftungsrat der KFS und der Vorstand der KLS allerdings nur 73 Projekten die Bewilligung erteilen, das sind knapp 40 % aller eingereichten Projekte. Für die anderen 37 qualitativ hochstehenden Projekte reichten die Mittel in der freien Projektförderung leider nicht aus: Obwohl die Vorhaben bei der Evaluation durch die WiKo sehr gut abgeschnitten hatten, mussten KFS und KLS den Projektleitenden eine Absage erteilen.
Der Wettbewerb um die beschränkten Fördergelder war auch im KFS-Förderprogramm Versorgungsforschung zu spüren. Dort haben im Jahr 2018 acht von 33 Projekten eine Förderung erhalten. Die Projekte im Bereich Versorgungsforschung werden nicht wie alle anderen von der WiKo, sondern von einem eigens für das KFS-Förderprogramm eingesetzten Expertenpanel begutachtet, in dem auch Personen mit ausgewiesenen Fachkenntnissen in Gesundheitsökonomie oder Pflegewissenschaften Einsitz haben.
Der 108-seitige Bericht ist in gedruckter Form kostenlos in Deutsch, Französisch und Englisch erhältlich und auch als PDF-Datei abrufbar unter www.krebsliga.ch/forschungsbericht.

Dr. Rolf Marti, PhD

Leiter des Bereichs Forschung, Innovation & Entwicklung der Krebsliga Schweiz &
Leiter der Geschäftsstelle der Stiftung Krebsforschung Schweiz

rolf.marti@krebsliga.ch

Weiterentwicklung von zellulären Immuntherapien

Am 23.10. wurden in Zürich die diesjährigen Preisträger des SWISS BRIDGE AWARD gekürt. Den Preis im Wert von 500 000 Franken durften sich ein Forschungsteam aus Genf und eines aus Heidelberg teilen. Beide Gruppen beschäftigen sich mit der Weiterentwicklung von zellulären Immuntherapien, die eine Verringerung der Nebenwirkungen und eine Ausweitung der Anwendung von zellulären Immuntherapien zum Ziel haben. Die Laudatio hielt Prof. Gordon McVie, Präsident der wissenschaftlichen Jury, nach einer Einführung durch den Präsidenten des Stiftungsrates, Prof. Jakob Passweg, Basel.

Insgesamt 52 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich um den Swiss Bridge Award 2019 beworben. Die aus international renommierten Expertinnen und Experten zusammengesetzte Jury wählte in einem zweistufigen Verfahren zwei Projekte aus. Die Projektleiter Dr. med. Denis Migliorini, Genf und Dr. med. Lukas Bunse, Heidelberg, erhielten die Preise zur Realisierung ihrer Forschungsvorhaben. Der diesjährige Preis der privaten Stiftung Swiss Bridge ging an Projekte zur zellulären Immuntherapie. Bei dieser neuen Therapieform werden körpereigene Abwehrzellen von Tumorpatientinnen und -patienten ex vivo gentechnisch verändert und vervielfacht dem Körper zurücktransfundiert, wo sie dank der genetischen Aufrüstung verstärkt gegen die Tumorzellen vorgehen können. Diese neue Anwendung der zellulären Immuntherapie hat bei einigen Patienten zu spektakulären Erfolgen geführt. Diese Therapien können aber mit schwerwiegenden Nebenwirkungen einhergehen und sie haben sich bislang vor allem bei verschiedenen Arten von Blutkrebs als erfolgreich erwiesen. Der Preis ging deshalb an eine Forschungsgruppe, die sich vorwiegend mit den Nebenwirkungen befasst und eine, die eine Ausweitung der Therapie auf Hirntumore untersucht.

Neurotoxische Nebenwirkungen verringern


Die Forschungsgruppe um Dr. med. Denis Migliorini am Laboratory of Tumor Immunology and Department of Oncology, am Universitätsspital Genf arbeitet daran, die beträchtlichen neurotoxischen Nebenwirkungen, die mit den aktuell zugelassenen zellulären Immuntherapien einhergehen, zu verringern. Bei bis zu 30 bis 50 Prozent der behandelten Patientinnen und Patienten treten neurotoxische Nebenwirkungen auf. Diese reichen von vorübergehenden neurologischen Ausfällen, wie Beschwerden beim Gehen oder Sprechen, bis zu schweren Anfällen mit komatösen Zuständen, die in einigen wenigen Fällen sogar tödlich enden können.
Dr. Migliorini und sein Team haben herausgefunden, dass das Zielmolekül der genetisch veränderten Abwehrzellen nicht nur auf der Oberfläche von Krebszellen vorhanden ist, sondern auch auf der Oberfläche der Perizyten. Diese sind zusammen mit den Endothelzellen und den Astrozyten für Funktion sowie Aufbau und Entwicklung der Blut-Hirn-Schranke von grosser Bedeutung. Die Gruppe um Dr. Migliorini hat in ihrem Forschungsprojekt das Ziel, die Abwehrzellen mit einem zusätzlichen Gen auszurüsten, welches den gentechnisch veränderten Zellen erlaubt, zwischen den Krebszellen und den Perizyten zu unterscheiden. Dadurch würden nur noch die Krebszellen abgetötet.

Immuntherapien für Hirntumoren


Zelluläre Immuntherapien haben bisher vor allem bei der Bekämpfung verschiedener Arten von Blutkrebs Erfolge gezeitigt. Dr. med. Lukas Bunse und sein Team sind nun daran, die Behandlungsmethode auf Gliome auszuweiten. Das sind Hirntumoren, die umgebendes Gewebe infiltrieren und aufgrund ihres invasiven Wachstums mit einer operativen Entfernung derzeit nicht zu heilen sind. Die Forscher um
Dr. Bunse haben in bisherigen Studien vielversprechende Zielmoleküle in den Gliomzellen ausfindig gemacht und beabsichtigen, im geplanten Forschungsprojekt neue genetisch veränderte Abwehrzellen herzustellen, die sich gezielt gegen diese Strukturen der Hirntumorzellen richten. Anschliessend planen die Wissenschaftler – zunächst an Mäusen und anschliessend bei Patienten – zu überprüfen, ob diese Abwehrzellen in der Lage sind, die Ausbreitung der Gliome zu verhindern.
Dr. Lukas Bunse leitet die Gruppe Translationale Vakzinentwicklung und zelluläre Therapien in den neuroimmunologischen Laboratorien von Prof. Dr. Michael Platten, dem Direktor der Neurologischen Klinik der UMM und der Klinischen Kooperationseinheit «Neuroimmunologie und Hirntumorimmunologie» am DKFZ.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Eleonore E. Droux

droux@medinfo-verlag.ch