Chronischer Husten beim Erwachsenen

Täglich erfolgen Konsultationen in der hausärztlichen Praxis wegen chronischem Husten mit zum Teil hohem Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität. Dieser Artikel soll eine Übersicht über die Differentialdiagnosen sowie pragmatische Therapieansätze aufzeigen.

Mit einer Prävalenz von ca. 10-20% ist der chronische Husten ein häufiger Konsultationsgrund in der Hausarztpraxis (1). Als chronisch wird eine Symptomdauer von über 8 Wochen definiert (bei Kindern Symptomdauer über 4 Wochen). Begleitend können weitere Symptome wie Auswurf, Heiserkeit, pharyngeales Fremdkörpergefühl, Räusperzwang oder auch Dyspnoe bei Anstrengung auftreten. Mögliche Ursachen sind eine zugrunde liegende Erkrankung der oberen und unteren Atemwege, Magensäure-bedingte Beschwerden (GERD, «stiller Reflux»), Medikamentennebenwirkung oder auch Umweltfaktoren (z.B. inhalative Noxen). Nicht jeder Husten ist als Ausdruck einer potenziell schwerwiegenden Erkrankung zu interpretieren. Dennoch sind die sogenannten «red-flags» (Tabelle 1) wie Blut im Sputum, Noxen wie Tabak- oder Alkohol-abusus, ein Malignom oder auch Tuberkulose/Asbest-Exposition in der Vorgeschichte zu beachten und muss ggf. eine vorzeitige weiterführende Diagnostik in die Wege geleitet werden.

Erste Abklärung

Ein häufiger Konsultationsgrund aufgrund chronischen Hustens ist eine Einschränkung der Lebensqualität (soziale und berufliche Interaktion, gestörter Schlaf, usw.). Zur Anamnese gehören neben Beginn, Dauer und möglichem Auslöser des Hustens auch das Erfragen der Begleitsymptome (produktiver Husten, Heiserkeit, Schmerzen, Fremdkörpergefühl im Hals, ständiger Räusperzwang, Magenbrennen/saures Aufstossen). Auch werden Noxen (Tabak, Alkohol) wie auch eine mögliche Exposition zu Tuberkulose oder Asbest erfragt sowie die aktuelle Medikation eruiert (Tab. 2). Zudem sind vorangehende Infekte der Luftwege sowie saisonale resp. tageszeitabhängige Symptome von Bedeutung für die Differentialdiagnosen.
Ergänzend zur klinischen Standarduntersuchung inkl. Lungenauskultation ist eine Bildgebung mittels Röntgen-Thorax nach 8 Wochen unklarem Husten indiziert, bei Vorhandensein der «red-flags» bereits früher (2). Bei Verdacht auf COPD/Asthma sind entsprechende diagnostische Schritte einzuleiten (z.B. Spirometrie). Im Folgenden werden die häufigsten Differentialdiagnosen des chronischen Hustens erläutert, welche sowohl in der Hausarztpraxis wie auch in der HNO-Sprechstunde auftreten.

Upper airway cough syndrom (UACS)

Ursprünglich als Postnasal-Drip Syndrome bezeichnet, ist das UACS ein häufiger Grund für chronischen Husten (häufigster Grund in den USA (3)). Der exakte Pathomechanismus ist bis anhin nicht gänzlich geklärt, respektive erlebt einen Paradigmen-Wechsel. Initial wurde angenommen, dass aufgrund einer chron. Rhinosinusitis mit posteriorer Rhinorrhoe die Mechano- und Chemorezeptoren im Pharynx-/Larynxbereich sowie pulmonal aktiviert werden und somit Husten ausgelöst wird. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass nur 8% der Patienten mit chron. Husten auch wirklich eine posteriore Rhinorrhoe haben. Umgekehrt hatten in einer sorgfältig aufgearbeiteten Studie von 108 Patienten mit chron. Rhinosinusitis und ausgeprägtem postnasal drip nur gerade 21% Hustenbeschwerden (4). Post-nasal drip Patienten haben zudem kein vermehrtes Sekretvolumen sondern eine erhöhte Viskosität des Nasensekretes (5). Es werden also mengenmässig nicht mehr als die physiologischen 500 ml an Nasensekret produziert, sondern umgekehrt eher weniger, indem das Sekret seine Qualität ändert, eingedickt wird und möglicherweise dadurch die Rezeptoren im Pharynx- und Larynxbereich stimuliert. Neuere Arbeiten stellen zudem die These einer erhöhten neuronalen Sensitivität der Hustenrezeptoren im Pharynx- und Larynxbereich bei UACS-Patienten verglichen zur Kontrollgruppe in den Vordergrund (6). Es wird also eher eine primäre pharyngeale Hyperreagibilität postuliert, als eine sekundäre pharyngeale Reizung aufgrund einer chronischen Rhinosinusitis. Eine empirische Therapie mit einem topischen Kortikosteroidspray sowie regelmässige Salzwasserspülungen können versucht werden. Daneben sind in therapierefraktären Fällen Verhaltenstherapien erfolgsversprechend. Die Patienten mit pharyngealer Hyperreagibilität und chronischem Räusperzwang werden z.B. dazu aufgefordert, jeden Hustenreiz mit eisgekühltem Mineralwasser mit Kohlensäure zu unterdrücken (7).

GERD/LPR

Die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD) zeigt typische Beschwerden wie saures Aufstossen, retrosternales Brennen oder Regurgitationen. Gelangt die Magensäure eine Stufe weiter nach kranial in Kontakt mit der Schleimhaut des Kehlkopfes, spricht man von einem laryngopharyngealen Reflux (LPR). In diesem Fall können die säuretypischen Symptome fehlen («stiller Reflux»). Die Patienten beklagen vielmehr ein Fremdkörper- oder Globusgefühl im Hals, gelegentliche Heiserkeit mit vermehrtem Räusperzwang. Ein Zusammenhang zwischen GERD/LPR und chronischem Husten konnte zwar hergestellt werden, die Pathophysiologie sowie die Therapie sind jedoch komplex (8, 9). Nebst der Anamnese sind in der HNO-spezifischen Untersuchung Anzeichen einer LPR wie Rötung und oedematöse Schwellung der Interarytenoidregion oder Verdickung der Stimmlippen zu sehen (Abbildung 1). Dies sind jedoch keine pathognomonischen klinischen Zeichen. Bei anamnestischem/klinischem Verdacht ist eine PPI-Therapie in doppelter Standarddosierung (2x40mg täglich) über mind. 8 Wochen indiziert (10).

Bronchiale Hyperreagibilität

Eine weitere häufige Differentialdiagnose ist die bronchiale Hyperreagibilität mit chronischem Husten, typischerweise im Anschluss eines viralen Infektes des Respirationstraktes. Die Lungenfunktion sowie das Röntgenbild sind bland und die Patienten sprechen auf ein inhalatives Kortikosteroid in der Regel gut an.

Pharmakotherapie-bedingter chronischer Husten

Chronischer Husten aufgrund von ACE-Hemmern kann bei 5% bis 35% der Patienten beobachtet werden, häufiger beim weiblichen Geschlecht (11). Die Symptomatik kann binnen Stunden bis Monate nach erster Einnahme auftreten. Die Verdachtsdiagnose kann einzig mittels Absetzen der Medikation und Besserung der Symptomatik binnen Wochen bis Monaten bestätigt werden. Angiotensin-II-Rezeptor Antagonisten stellen hier eine gute Therapiealternative dar. Eine Reihe weiterer Medikamente können ebenfalls einen chronischen Hustenreiz verursachen (Tab. 2).

Zusammenfassend ist die Differentialdiagnostik des chronischen Hustens sehr breit und oft nicht monokausal bedingt. In therapieresistenten Fällen ist eine weiterführende Abklärung bei einem ORL-Facharzt oder einem Pneumologen zu erwägen. Bei ca. 10-40% der Patienten bleibt die Ursache trotz erweiterter Diagnostik unklar (12). In Abb. 2 ist ein Algorithmus zum pragmatischen Vorgehen bei chronischem Husten dargestellt.

Dr. med. Baktash Aqtashi

Facharzt für HNO, Hals- und Gesichtschirurgie FMH
ORL-Praxis Frauenfeld
Thundorferstrasse 4
8500 Frauenfeld

Dr. med. Christoph Schlegel-Wagner

Klinik für Hals-Nasen-Ohren- und Gesichtschirurgie (HNO)
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6004 Luzern

christoph.schlegel@luks.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Der chronische Husten ist ein sehr häufiges Symptombild in hausärztlicher Praxis. Bei breiter Differentialdiagnostik ist eine sorgfältige Anamnese essentiell.
  • Bei fehlenden «red-flags» ist ein pragmatisches Vorgehen mit empirischen Therapieansätzen bei klinischer Verdachtsdiagnose sinnvoll (inhalative Kortikosteroide, PPI-Blocker, Umstellen der eigenen Medikamente)
  • Trotz weiterführender Diagnostik kann die Ursache des chronischen Hustens nicht immer eruiert werden. Dieser Fakt ist wichtig in der Arzt-Patienten Kommunikation.

1. Chung, KF. Prevalence, pathogenesis, and causes of chronic cough. Lancet 2008;371:1364 :1374
2. Morice AH. Recommendations for the managment of cough in adults. Thorax 2006; 61:i1-I24
3. Pratter MA. Chronic upper airway syndrome secondary to rhinosinus diseases: ACCP evidence-based clinical practice guidelines. Chest 2006;129:63S-71S
4. O’Hara J, Jones NS. « post-nasal drip syndrome »: most patients with purulent nasal secretions do not complain of chronic cough. Rhinology 2006; 44:270-3
5. Bucher S, Soyka MB. Altered viscositiy of nasal secretions in postnasal drip. Chest 2019;04:133
6. Yu L. Capsaicin-sensitive cough receptors in lower airway are responsible for cough hypersensitivity in patients with upper airway cough syndrome. Med Sci Mont. 2013;19:1095- 101
7. Acharya A, Mirza S, Jones N. Ice cold carbonated water: a therapy for persistent hyperawareness of phryngeal mucus and throat clearing. Journal of Laryngology and Otology 2007;121:354-357
8. Irwin RS. Gastroesophageal Reflux and chronic cough. Am J Gastroenterology 2000;95:S9-S14
9. Kahrilas PJ. A causal relationship between cough and gastroesophageal reflux disease (GERD) has been established: a pro/con debate. Lung 2014;192(1):39-46
10. Kahrilas PJ. CHEST expert cough panel. CHEST panel and expert panel report. Chest 2016;150(6)1341-1360
11. Dicpinigaitis PV. Angiotensin-converting enzyme inhibitor-induced cough: ACCP evidence-based clinical practice guidelines. Chest 2006;129(1suppl):169S-173S
12. Irwin RS. Unexplained cough in the adult. Otolaryngol Clin North Am 2010;43:167-80

Chronischer Schwindel

In der Hausarzt-Praxis ist «Schwindel» häufig. Bei akutem Schwindel kann der Hausarzt meist durch eine gezielte Anamnese und wenige Bedside Tests (HINTS) eine bedrohliche Ursache ausschliessen und den Patienten zur weiteren Behandlung zum Neurologen, Ophthalmologen oder HNO Arzt triagieren. Diese Triage ist bei chronischem Schwindel schwierig, häufig gar unmöglich. Wieso?

Schwindel bedeutet eher ein «Alarmzustand» als eine Krankheit und umschreibt eine Vielzahl von subjektiven Zuständen, welche die Orientierung im Raum beeinträchtigen. Das Spektrum reicht von Übelkeit über Bewusstseinsveränderungen zu Gangunsicherheit und Verschwommensehen. Der Gleichgewichtssinn ist ein multisensorischer Sinn und setzt die korrekte Integration von visueller, propriozeptiver und vestibulärer Information voraus. Bei Schwindel können nicht nur die verschiedenen Sensororgane und die Integrationszentren sondern auch das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme gestört sein. Erschwerend kommt dazu, dass Kompensationsmechanismen aktiviert werden, die die Beschwerden beeinflussen. So führt Schwindel zu vermehrter Anspannung der Nackenmuskulatur und weniger Kopf- zu Körperbewegungen und damit zu zusätzlicher Beeinträchtigung des Gleichgewichts und zu Kopfschmerzen.
Da Schwindel ein Alarmsymptom ist und bei akutem Schwindel Kompensationsmechanismen aktiv werden, ist chronischer Schwindel ungewöhnlich und erfordert eine systematische multidisziplinäre Abklärung inklusive Magnetresonanztomographie (MRT) des Neurokraniums. Eine zentrale Pathologie muss ausgeschlossen werden. Eine multifaktorielle Schwindelgenese ist häufig. Die Nutzung von internationalen Klassifikationen und diagnostischen Kriterien ist hilfreich in der Schwindelabklärung.

Vorgehen bei chronischem Schwindel

Mögliche Abklärungsschritte bei chronischem Schwindel sind in Tab.1 aufgelistet.

Systematische Anamnese

Die systematische Anamnese ist essentiell bei chronischem Schwindel und wegweisend. Das erstmalige Auftreten, insbesondere Art und Dauer des Schwindels, muss genau erfragt werden und von nachfolgenden Symptomen getrennt werden Die Unterscheidung von Dreh- und Schwankschwindel ist weniger wichtig als Auslöser und Trigger. Nach Traumata muss gefragt werden, v.a. bei älteren Patienten mit Antikoagulation. Die Unterscheidung von chronischem permanentem Schwindel und chronischem episodischem Schwindel ist wichtig. Bei permanentem Schwindel sind die Befunde als diagnostisch wegweisend zu werten, bei episodischem Schwindel sind Normalbefunde im Intervall die Regel und eine Vorstellung im Anfall sinnvoll mit Frage nach Nystagmen. Tagesform (VAS 1-10), Einflussfaktoren und Trigger sowie Attacken können im Tagebuch erfasst werden. Häufige Ursachen für episodischen Schwindel sind das Menière Syndrom und die vestibuläre Migräne. Beides sind Ausschlussdiagnosen und werden durch kumuliertes Erfüllen von diagnostischen Kriterien und Fehlen anderer Ursachen gestellt (1, 2).

Nicht vestibuläre Schwindelursache ausschliessen

Die Unterscheidung von vestibulärem und nicht vestibulärem Schwindel steht am Anfang der Schwindelabklärung. Wurden Nystagmen beobachtet, ist eine vestibuläre Ursache und damit eine Störung im multisensorischen Gleichgewichtssystem wahrscheinlich. Wurden nie Nystagmen gesehen, stehen differentialdiagnostisch nicht vestibuläre Schwindelursachen im Vordergrund. Voraussetzung für die Identifikation von nicht vestibulären Schwindelursachen ist eine ausführliche klinische Untersuchung inkl. Test des Vibrationssinns und Blutdruckmessung in verschiedenen Positionen. Im Zweifelsfall sind wiederholte Untersuchungen sinnvoll. Multifaktorieller Schwindel ist häufig, v.a. bei älteren Patienten und Polymedikation. Lageabhängige Schwindelbeschwerden sind oft hämodynamisch/orthostatisch bedingt (3). Auch seltene Schwindelursachen wie das Posturale Tachykardiesyndrom (POTS), eine invalidisierende orthostatische Dysregulation, die durch einen Pulsanstieg von > 30 bpm bei Wechsel von Liegen ins Stehen oder einem Ruhepuls > 120 bpm im Stehen gekennzeichnet ist, gehören zu dieser Gruppe. Beispiele für nicht vestibuläre Schwindelursachen finden sich in Tab. 2.

Alle vestibulären Systeme einzeln testen: HNO / Neurologie/ Ophthalmologie

HNO, Neurologie und Ophthalmologie arbeiten interdisziplinär zusammen in der Abklärung von chronischem Schwindel. Abklärungen bei chronischem Schwindel und Beispiele für Ursachen sind hier aufgeführt und in Tab. 3 und 4 dargestellt.

HNO

Die Suche nach einer peripher vestibulären Schwindelursache beinhaltet eine klinische Vestibularisprüfung mit Nystagmusprüfung mit Frenzelbrille, Kopfimpulstest und Test der spinalen Motorik und Koordination sowie Otoskopie und Hörprüfung. Zur Abklärung eines chronischen Schwindels gehört immer eine Lagerungsprüfung, um einen versteckten Lagerungsschwindel ohne suggestive Anamnese (Schwindel von Sekunden Dauer bei spezifischer Lagerung) nicht zu verpassen. Schwindelauslösung oder Nystagmen bei Bewegung in alle Richtungen sprechen gegen einen Lagerungsschwindel.

Neurologie

Die Basis-Abklärung betreffend zentral vestibulärer Schwindelursache beinhaltet einen ausführlichen Neurostatus und ggf. eine Bildgebung des Neurokraniums (MRT). Unter Umständen sind weitere Abklärung mittels Lumbalpunktion oder elektrophysiologische Messungen nötig. Zentral vestibuläre Schwindelursachen beinhalten insbesondere Kleinhirn- und Hirnstammpathologien sowie systemische Erkrankungen mit zentraler Beteiligung. In der klinischen Untersuchung deuten ein pathologischer Vestibulo-okulärer Reflex (VOR)- Suppression Test, vertikale oder richtungswechselnde Nystagmen (Blickrichtungsnystagmen), eine gestörte Blickmotorik (sakkadierte Blickfolge, ungenaue Sakkaden) oder die Unfähigkeit, aufrecht zu stehen, auf eine zentral vestibuläre Schwindelursache hin. Eine Diskrepanz zwischen Symptomatik und Befund ist verdächtig (z.B. Spontannystagmus ohne Schwindel) und zusätzliche fokal neurologische Symptome suggerieren eine zentral vestibuläre Störung.

Ophthalmologie

Die Untersuchung der visuellen Afferenz mit Visus, Gesichtsfeld und Blickmotorik komplettiert die Schwindelabklärung. Visusstörungen für nah oder fern und insbesondere Kontrastsinnstörungen können peripher vestibuläre Funktionsstörungen verstärken und die zentrale Kompensation verzögern. Gleitsichtbrillen sind zugunsten von monofokalen Brillen möglichst zu vermeiden. Okulomotorikstörungen mit Doppelbildern können Schwindel verursachen, machen dies aber eher selten. Die Abdeckung eines Auges über einige Tage kann hier weiterhelfen. Die Erkennung von pathologischen Blick-Zielbewegungen und verschiedenen Nystagmusformen ist von grosser Bedeutung bei der Lokalisation von Schwindelursachen. Kindliche Schielsyndrome führen jedoch kaum je zu Schwindelsyndromen.

Anpass- und Folgeerscheinungen

Bei der Untersuchung von Schwindelpatienten fallen Folgeerscheinungen auf. Die Patienten bewegen sich mechanisch, kleinschrittig und diskoordiniert vor allem bei geschlossenen Augen. Die Schultern sind hochgezogen, der Kopf bewegt kaum. Die klinische Untersuchung zeigt einen Nackenhartspann. Diese Befunde treten im Rahmen von akuten peripher vestibulären Funktionsstörungen regelmässig auf. Persistieren sie, spricht man von Maladaptation. Häufig entsteht eine übermässige visuelle Dominanz im Gleichgewichtsystem, was bedeutet, dass die visuelle Information höher gewichtet wird als der Input der Gleichgewichtsorgane und der Propriozeption. Da bei schnellen Bewegungen die Information der Gleichgewichtsorgane zuverlässiger ist als die der Augen, entstehen Probleme bei schnellen Bewegungen, visueller Reizüberflutung und bewegten Bildern.

Individuelles Ressourcenprofil erstellen und trainieren

Je nach Schwindel auslösenden und verstärkenden Faktoren kann ein individuelles Ressourcenprofil erstellt und mit Gleichgewichtstraining begonnen werden. Mit Ausnahme von Reizzuständen (Labyrinthitis/Menière Syndrom) hilft Training, da durch Habituation der «Alarmzustand» reduziert wird. Die Aufklärung über die an der Schwindelentstehung beteiligten Faktoren hilft den Patienten. Medikamente spielen eine untergeordnete Rolle in der Behandlung von chron. Schwindel.

Dr. med. Claudia Candreia

Klinik für HNO, Hals- und Gesichtschirurgie
Kantonsspital Luzern
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

claudia.candreia@luks.ch

PD Dr. med. Christian P. Kamm

Neurologie
Kantonsspital Luzern
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

Dr. med. Oliver Job

Ophthalmologie
Kantonsspital Luzern
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Chronischer Schwindel ist nicht als normal zu werten und bedarf einer systematischen Abklärung. Häufig finden sich zumindest pathologische Teilfunktionen im Gleichgewichtssystem.
  • Die differenzierte Schwindeluntersuchung beinhaltet eine neurologische, eine HNO-ärztliche und häufig auch eine ophthalmologische Untersuchung mit dem Ziel, alle den Schwindel beeinflussenden Faktoren zu eruieren und deren Rehabilitationspotential abzuschätzen.
  • Findet sich trotz intensiver und systematischer Gleichgewichtsabklärung keine Ursache für die Schwindelbeschwerden, könnte eine Maladaptation im Sinne eines PPPD vorliegen.
  • Durch Aufsplittung des umfassenden Problems «chronischer Schwindel» in lösbare Einzelteile wird dieses grossenteils erklär- und lösbar.
  • Die Therapie richtet sich nach der/den Ursache(n) des Schwindels. Das Zusammenspiel der verschiedenen am Gleichgewicht beteiligten Systeme wird durch spezialisierte vestibuläre Physiotherapie ver-
    bessert.

1. Lopez-Escamez JA, Carey J, Chung WH, Goebel JA, Magnusson M, Mandalà M, Newman-Toker DE, Strupp M, Suzuki M, Trabalzini F, Bisdorff A. [Diagnostic criteria for Menière’s disease according to the Classification Committee of the Bárány Society]. HNO. 2017 Nov;65(11):887-893. doi: 10.1007/s00106-017-0387-z. Review. German. PubMed PMID: 28770282.
2. Lempert T, Olesen J, Furman J, Waterston J, Seemungal B, Carey J, Bisdorff A, Versino M, Evers S, Newman-Toker D. Vestibular migraine: diagnostic criteria. J Vestib Res. 2012;22(4):167-72. doi: 10.3233/VES-2012-0453. PubMed PMID: 23142830
3. Kim HA, Bisdorff A, Bronstein AM, Lempert T, Rossi-Izquierdo M, Staab JP, Strupp M, Kim JS. Hemodynamic orthostatic dizziness/vertigo: Diagnostic criteria. J Vestib Res. 2019;29(2-3):45-56. doi: 10.3233/VES-190655. PubMed PMID: 30883381.
4. Staab JP, Eckhardt-Henn A, Horii A, Jacob R, Strupp M, Brandt T, Bronstein A. Diagnostic criteria for persistent postural-perceptual dizziness (PPPD): Consensus document of the committee for the Classification of Vestibular Disorders of the Bárány Society. J Vestib Res. 2017;27(4):191-208. doi:10.3233/VES-170622. PubMed PMID: 29036855.

Eine sehr seltene Ursache einer portalen Hypertension

Bei typischen Zeichen einer portalen Hypertension muss nicht immer zwingend eine Leberzirrhose als Ursache vorliegen. Wir beschreiben hier einen Fall eines Patienten, der sehr eindrücklich zeigt, dass eine portale Hypertenison selten auch nicht-zirrhotischen Ursprungs sein kann. Um die Diagnose stellen zu können, muss man das Krankheitsbild der sog. «nicht-zirrhotischen portalen Hypertension» (NZPH) kennen. Ihre Hauptursachen können z.B. eine Pfortaderthrombose, Medikamente wie Azathioprin, 6-Thioguanin oder gewisse Chemotherapeutika, Infektionen mit Schistosomen, ein Budd-Chiari-Syndrom oder eine schwere Rechtsherzinsuffizienz sein (1). Die Erkrankungen, die zu einer NZPH führen, involvieren einen vaskulären Pathomechanismus. Die portale Hypertension ist meist eine Spätkomplikation der zugrunde liegenden Erkrankung und sie präsentiert sich ohne Zeichen einer hepatischen Parenchymerkrankung.

Fallbeschreibung:

Es handelt sich um einen aktuell 74-jährigen Mann, bei dem knapp 5 Jahre vorher wegen eines Adenokarzinoms des Sigmas, TNM-Stadium pT3 pN1 (2/25) G2, eine erweiterte Rektosigmoidresektion sowie anschliessend eine adjuvante Chemotherapie mit 8 Zyklen Capecitabin und Oxaliplatin durchgeführt worden sind. Bereits unter der Chemotherapie fanden sich leichtgradig erhöhte Leberwerte. In CTs und MRIs konnten im Verlauf Lebermetastasen ausgeschlossen werden. Im MRI zeigten sich aber kleinnoduläre, nicht-neoplastische Veränderungen, die gemäss dem beurteilenden Radiologen gut zu einer nodulär regenerativen Hyperplasie (NRH), möglicherweise als Folge der früheren Oxaliplatin-Therapie, gepasst hätten (Abb. 1). Vor zwei Jahren wurden deshalb und bei anhaltend erhöhten Leberwerten aus mehreren Segmenten der Leber Stanzbiopsien entnommen, die fokal knotig-proliferiertes Leberparenchym mit Verdacht auf Regeneratknoten zeigten. Atrophe Areale fehlten, weshalb eine NRH nicht bewiesen und andererseits eine umschriebene Zirrhose nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. Eine weitere histologische Abgrenzung der Veränderungen war nicht möglich. Als dann aber im Verlauf eine progredient sich vergrössernde Milz und ein zunehmender Aszites festgestellt wurden, kam nochmals der Verdacht auf eine Leberzirrhose mit portaler Hypertension auf und der Patient wurde einer erneuten hepatologischen Abklärung zugeführt. Diese war aber widererwarten bezüglich einer relevanten Lebererkrankung, insbesondere einer Leberzirrhose, unauffällig. Es fanden sich normale Leberwerte, eine normale Leberfunktion, fehlende sonographische Hinweise auf eine Leberzirrhose oder eine Pfortaderthrombose sowie ein unauffälliger Fibroscan (Lebersteiffigkeit von 3.7 kPa). Chronische Leberkrankheiten wie eine virale Hepatitis B und C, autoimmune Hepatitis, Stoffwechselstörungen wie Hämochromatose, M. Wilson und einen alpha-1-Antitrypsin-Mangel konnten laborchemisch erneut ausgeschlossen werden. Eine Exposition für Alkohol oder relevante lebertoxische Medikamente gab es mit Ausnahme des Oxaliplatins ebenfalls nicht. Bei Vorliegen einer Eisenmangelanämie veranlasste die Onkologin sowohl eine Gastroskopie als auch Koloskopie, welche einerseits Oesophagusvarizen Grad II und andererseits einen breitbasigen adenomatösen Polypen im Zökum, der die Eisenmangelanämie durchaus erklärte, zu Tage führten. Die Zusammenschau all dieser Befunde führte schliesslich zur Diagnose einer portalen Hypertension, deren Ursache aber nicht in einer Leberzirrhose, sondern in einer sehr wahrscheinlichen Oxaliplatin-induzierten NRH resp. in einer sog. «nicht-zirrhotischen portalen Hypertension» (NZPH) liegt. Unter einer diuretischen Therapie mit Spironolacton kam es zu einer raschen Regredienz des Aszites. Zur Primärprophylaxe einer Oesophagusvarizenblutung wurde eine Therapie mit einem nicht-selektiven Betablocker begonnen.

Diskussion:

Fälle mit nicht-zirrhotischer portaler Hypertension (NZPH) im Zusammenhang mit Oxaliplatin-haltigen Chemotherapien bei kolorektalen Karzinomen, für deren Entstehung Oxaliplatin als wahrscheinlichster Faktor befunden worden war, wurden schon vor Jahren beschrieben (2). Die Ursache hierfür ist die Entwicklung einer Medikamenten-induzierten nodulär regenerativen Hyperplasie (NRH), die zu einem sinusoidalen Obstruktionssyndrom (SOS), früher auch venookklusive Erkrankung der Leber genannt, führen kann. Wie Fallbeschreibungen zeigen, können derartige Veränderungen bereits wenige Monate bis mehrere Jahre nach erfolgter Chemotherapie auftreten (2, 3). Die Diagnose wird meistens erst indirekt aufgrund des Vorhandenseins von Zeichen der portalen Hypertension wie Splenomegalie, Aszites und Oesophagusvarizen in Abwesenheit einer Leberzirrhose gestellt. Typischerweise finden sich bei diesen Patienten in aller Regel normale Leberwerte und insbesondere eine normale Leberfunktion. Sehr oft – in fast 50% der Fälle – können nach Oxaliplatin-basierten Chemotherapien bei Patienten mit metastasierendem kolorektalem Karzinom und Hepatektomie mikrovaskuläre, sinusoidale Leberveränderungen gefunden werden (4, 5). Der histologische Nachweis einer NRH ist aber meist schwierig und gelingt in der Minderzahl der Fälle, wie zum Beispiel eine Studie bei 6-Thioguanine-assoziierten NRH gezeigt hat (6). Radiologisch finden sich bei Oxaliplatin-induzierten Leberschäden meist diffuse oder retikuläre Signalveränderungen in Kontrastmittel-(KM-)verstärkten MR-Aufnahmen (7). Wahrscheinlich eher seltener können sich diese Leberschäden auch als fokale Läsionen bemerkbar machen (8, 9). NRH werden im Gegensatz zu Metastasen und normaler Leber nur durch das Pfortadersystem mit Blut versorgt. Bei Verwendung interstitieller KM gibt es deshalb Überschneidungen mit hypovaskulären Metastasen. Zuverlässig gelingt die Unterscheidung von NRH und Metastasen im MRI jedoch mit hepatobiliären KM: In der dynamischen CT- oder MR-Bildgebung ist die NRH in der arteriellen Phase verglichen zum umgebenden Lebergewebe hypodens/hypointens, in der portalvenösen Phase leicht bis mässig hypodens/hypointens und in der Equilibriumphase isodens/isointens. Sie speichert hepatobiliäre KM, wobei die zentrale Portion typischerweise eine relative Hypointensität aufweist (sog. «donut sign»). Dies korreliert zu zentralen Portalgefässen und umgebenden hyperplastischen Hepatozyten (10). Über den Stellenwert der PET-CT zur Unterscheidung von NRH und Metastasen gibt es keine Untersuchungen. Bei unklaren Fällen muss die Differenzialdiagnose von entzündlicher versus maligner Läsion durch die gezielte Biopsie geklärt werden, wie das auch bei unserem Patienten der Fall war. Zum nicht-invasiven Ausschluss einer Zirrhose könnte – wie unser Fall auch zeigt – ein Fibroscan hilfreich werden.
Hätte eine frühere Diagnosestellung bei unserem Patienten den Krankheitsverlauf beeinflusst? Diese Frage kann verneint werden, da es sich um eine progrediente, lange Zeit asymptomatisch verlaufende Erkrankung handelt, die therapeutisch nicht beeinflusst werden kann. Die einzige mögliche Therapie wäre lediglich das Vermeiden weiterer Oxaliplatin-haltiger Chemotherapien. Andererseits ist die frühzeitige Diagnose aber aus prognostischen Gründen für den Patienten von eminenter Bedeutung, weil dadurch ein frühzeitiges Screening bezüglich der Zeichen einer portalen Hypertension eingeleitet werden könnte. Wir denken hier insbesondere an das frühzeitige Erkennen von Oesophagusvarizen mit Initiierung einer Blutungsprophylaxe. So kann eine potentiell letal verlaufende Oesophagusvarizenblutung durchaus die Erstmanifestation einer Oxaliplatin-induzierten NZPH sein (3). Zudem haben Patienten mit Oxaliplatin-induzierten, sinusoidalen Leberparenchymschädigungen, die wegen der Entwicklung von Lebermetastasen einer Hepatektomie unterzogen werden müssen, meistens auch eine höhere postoperative Morbidität und längere Spitalaufenthalte (11, 12).
Ob wir in Zukunft vermehrt derartige Spätkomplikationen einer Oxaliplatin-haltigen Chemotherapie sehen werden, wird sich zeigen. Der vorliegende Fall demonstriert einmal mehr die Bedeutung einer genauen Anamnese.

Wichtigste Abkürzungen: KM = Kontrastmittel; NRH = nodulär regenerative Hyperplasie; NZPH = nicht-zirrhotische portale Hypertension;

Dr. med. René Patzwahl, Institut für Radiologie und Nuklarmedizin, Kantonsspital, Winterthur
Dr. med. Renata Flury-Frei, Institut für Pathologie, Kantonsspital, Winterthur

Dr. med. Sylvia Baumann Kurer

Praxis für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Schaffhauserstrasse 7
8400 Winterthur

Dr. med. Carl M. Oneta

Facharzt FMH für Gastroenterologie, spez. Hepatologie
Praxis für Gastroenterologie und Hepatologie
Schaffhauserstrasse 7
8400 Winterthur

carl@oneta.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Ursache einer portalen Hypertension liegt meistens in einer Leberzirrhose. In sehr seltenen Fällen kann die Ursache auch nicht zirrhotischen Ursprungs sein (sog. «nicht-zirrhotische portale Hypertension»). Diese Erkrankungen betreffen primär das Gefässsystem der Leber.
  • Bei Oxaliplatin-haltigen Chemotherapien, die z. B. bei Kolonkarzinomen adjuvant angewendet werden, muss in sehr seltenen Fällen mit derartigen Spätkomplikationen gerechnet werden.
  • Ein frühzeitiges Erkennen dieser Komplikation ist von grosser prognostischer Wichtigkeit für den Betroffenen, bei dem dann ein frühzeitiges Screening bezüglich Zeichen einer portalen Hypertension durchgeführt werden kann.

1. Khanna R and Sarin SK. Non-cirrhotic portal hypertension – Diagnosis and Management. H Hepatol 2014;60:421-441.
2. Slade JH et al. Portal Hypertension associated with oxaliplatin administration: clinical manifestations of hepatic sinusoidal injury. Clinical Colorectal Cancer 2009;8(4):225-230.
3. Schwarz S et al. Nicht zirrhotische portale Hypertension mit bedrohlicher Blutungskomplikation 7 Jahre nach Oxaliplatin-Chemotherapie. Z Gastroenterol 2014;52:654-656.
4. Rubbia-Brandt L et al. Severe hepatic sinusiodal obstruction associated with oxaliplatin-based chemotherapy in patients with metastatic colorectal cancer. Ann Oncol 2004;15(3):460-466.
5. Rubbia-Brandt L et al. Sinusoidal obstruction syndrome is a major feature of hepatic lesions associated with oxaliplatin neoadjuvant chemotherapy for liver colorectal metastases. J Am Coll Surg 2006;202:199-200.
6. Ferlitsch A et al. 6-Thioguanine asociated nodular regenerative hyperplasia in patients with inflammatory bowel disease may induce portal hypertension. Am J Gastroenterol 2007;102:2495-2503.
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8. Uchino K et al. Oxaliplatin-induced liver injury mimicking metastatic tumor on images: a case report. Jpn J Clin Oncol 2013;43(10):1034-1038.
9. Matteo D et al. Multiple focal nodular hyperplasias induced by oxaliplatin-based chemotherapy. World J Hepatol 2013;5(6):340-344.
10. Yoneda N et al. Benign hepatocellular nodules: hepatobiliary phase of gadoxetic acid-enhanced MR imaging based on molecular background. Radiographics 2016;36:2010-2027.
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Die Grippe und die Grippeimpfung

Trotz jahrzehntelanger Überwachung und Interventionen (pharmakologisch und nicht-pharmakologisch) verursachen saisonale Grippeviren nach wie vor jedes Jahr weltweit schwere Epidemien. In unseren Breitengraden treten jeden Winter Krankheiten auf, die durch die Influenzaviren A / H1N1, A / H3N2 und Influenzae B verursacht werden und in der Schweiz jährlich 1000 bis 5000 Krankenhausaufenthalte und 1500 Todesfälle (www.bag.admin.ch) verursachen. In diesem Artikel werden die aktuellen Erkenntnisse bezüglich Prophylaxe und antiviraler Behandlung zusammengefasst.

Der Schlüsselprozess, der den wiederkehrenden Grippeepidemien zugrunde liegt, ist die evolutionäre Fähigkeit von Viren, der immunologischen Kontrolle zu entweichen, die durch frühere Kontakte (Infektion und/oder Impfung) induziert wurde. Zeitpunkt und Art des Auftretens neuer Sorten bleiben weitgehend unvorhersehbar (1). Die Grippe als keineswegs harmlose Erkrankung ist hoch ansteckend. Die Prävention durch Impfung ist derzeit die wirksamste Massnahme (2-5) und die Empfehlungen haben sich seit 2013 kaum verändert (www.infovac.ch). Der Impfstoff wird jährlich für alle Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko (Tab 1) ohne Nachweis einer Verringerung der Schutzwirkung mit diesem Impfprogramm empfohlen. In der Schweiz werden Influenza-Infektionen durch das Meldesystem Sentinella überwacht und alle im Labor bestätigten Infektionen im Meldeverfahren erfasst. Diese Daten und die Forschungsergebnisse der letzten zehn Jahre haben ein Verbesserungspotenzial bei der Bekämpfung der Grippe aufgezeigt. Sie ermöglichen Forschern nun, epidemische Trends von Influenzaviren zu beobachten und Virussequenzen in öffentlichen Datenbanken zu sammeln. Eine bessere Auswahl der Impfstoffkandidaten und die Früherkennung von arzneimittelresistenten Viren sind die direkte Folge, ebenso wie vielversprechende Fortschritte in der Prävention und Behandlung.

Die Grippesaison 2018/19 in Zahlen

In der Schweiz waren die in der letzten Saison im Umlauf befindlichen Viren überwiegend Influenza-A-Viren vom Typ A / H1N1pdm09 und A / H3N2. Infolgedessen war die Impfrate ausgezeichnet (99,5%). Der vierwertige Impfstoff hatte nur einen sehr kleinen Vorteil, da die Viren der Influenzae B-Yamagata-Linie nur sehr wenig zirkulierten. Studien haben die Wirksamkeit des Impfstoffs bei ambulanten Patienten auf 32-68% geschätzt. Sie war bei den Viren A/H1N1pdm09 (45-72%) signifikant höher als bei A / H3N2 (39 bis 45%).
Während der Überwachung zwischen dem 30. September 2018 und dem 20. April 2019 haben rund 209 200 Personen (2,5% der Schweizer Bevölkerung) einen Hausarzt wegen einer Grippeerkrankung konsultiert, was einer Gesamtinzidenz von 2466 Erstkonsultationen pro 100 000 Einwohner entspricht. Diese Zahl ist 13% niedriger als die durchschnittliche saisonale Gesamtinzidenz in den letzten zehn Saisons (2846/100 000). Die Epidemie-Schwelle für die Saison 2018/19 lag bei 68 Verdachtsfällen von Grippe pro 100 000 Einwohner. Die Häufigkeit der wöchentlichen Konsultationen überschritt diesen Schwellenwert von Mitte Januar (Woche  2/2019) bis Mitte März (Woche 12/2019) für eine Gesamtdauer von 11 Wochen, wobei eine Spitzenepidemie in der sechsten Woche 2019 (306 Konsultationen/100 000 Einwohner) erreicht wurde, was der niedrigste Wert seit 2012/13 war. Während die Inzidenz bei Kindern im Alter von 0-4 Jahren am höchsten war (4993 Konsultationen/100  000 Einwohner), waren die über 65-Jährigen mit 1426 Konsultationen/100 000 Einwohner die am wenigsten infizierte Kategorie der Bevölkerung (www.bag.admin.ch).
In dieser Altersgruppe lag die Zahl der Todesfälle jedoch leicht über den Anfang März 2019 erwarteten Werten. Diese übermässige Sterblichkeit widerspiegelt den Schweregrad der Epidemie in dieser Bevölkerung und das Risiko einer schweren Krankheit bei gefährdeten Menschen. Von allen gemeldeten Grippefällen gehörten 7,6% zu der Gruppe der Menschen mit erhöhtem Komplikationsrisiko und 36,6% zu den über 65-Jährigen. Der höchste Anteil der Krankenhausaufenthalte wegen vermuteter Influenza wurde auch in dieser Population verzeichnet (4,7%) und der niedrigste bei den 5-29-Jährigen (0%). Eine Lungenentzündung wurde bei 3,4% der gemeldeten Verdachtsfälle diagnostiziert, am häufigsten bei Personen über 64 Jahren (10,5%), am seltensten bei Kindern im Alter von 0 bis 4 Jahren (1,5%) (www.bag.admin.ch)
In der Saison 2018/19 waren etwa 7,9 % der Personen, die wegen eines Verdachts auf Grippe mit bekanntem Impfstatus gemeldet wurden, geimpft. In den Gruppen, für die das BAG eine Impfung empfiehlt (Tab. 1), war dieser Anteil höher, bei über 65-Jährigen mit 40,1% und bei denjenigen mit einem erhöhten Komplikationsrisiko mit 33,5%. Eine antivirale Behandlung, in den meisten Fällen mit einem Neuraminidase-Hemmer, wurde 2,2% der mit Grippe infizierten Personen verabreicht; 10,4% erhielten eine antibiotische Behandlung, die wahrscheinlich auf eine bakterielle Superinfektion zurückzuführen ist (www.bag.admin.ch).

Die Grippe ist vor Auftreten der Symptome ansteckend und manchmal sogar asymptomatisch

Die Grippe wird durch direkten Kontakt mit einer infizierten Person (Niesen, Husten bis zu 1 Meter) übertragen, insbesondere in engen Räumen. Aber auch auf inerten Oberflächen können Grippeviren bis zu 48 Stunden am Leben bleiben. Da geschätzt wurde, dass ein erwachsener Mensch bis zu 40 Gesichtskontakte pro Stunde mit seinen Händen haben kann, sind Kontakte mit «kontaminierten» inerten Gegenständen und Oberflächen (Tisch, Türgriffe, Aufzugsknopf, Treppengeländer, Banknoten usw.) ein Übertragungsweg, der nicht trivialisiert werden sollte (6). Kontaminierte Menschen können Grippeviren auf andere übertragen, auch wenn sie sich (noch) nicht krank fühlen (6). Darüber hinaus hat fast ein Drittel der Infizierten keine der spezifischen Symptome und fühlt sich nicht einmal krank (7). Diese Menschen können Übertragungsvektoren sein, ohne die Gefährung ihrer Umgebung zu ahnen.
Die Impfung trägt wesentlich dazu bei, das Übertragungsrisiko bei geimpften Personen zu verringern, aber durch Gruppenimmunität (8) auch bei nicht geimpften Personen, wenn die Impfrate ausreichend ist (≥ 75% der Bevölkerung). Die Angehörigen der Gesundheitsberufe gehören zu den am stärksten von Grippe bedrohten Personen (9). Darüber hinaus bedeutet der daraus resultierende Krankheitsurlaub oft eine zusätzliche Arbeitsbelastung für Kollegen in Seuchenzeiten und/oder Reorganisationsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Teilzeitarbeitskräften, insbesondere in Alters-, Pflegeheimen und Spitälern (10).

Klinik der Grippe

Nach der Kontamination treten die Grippesymptome in der Regel innerhalb von ein bis drei Tagen auf. Die saisonale Grippe manifestiert sich in einem Gefühl des allgemeinen Unwohlseins, einem plötzlichen Anstieg des Fiebers, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Appetitlosigkeit und Schwindel. Die zweite Phase ist gekennzeichnet durch die Intensivierung der Atemwegsbeschwerden (trockener Husten, Halsschmerzen, Heiserkeit, Rhinitis). Das Fieber dauert in der Regel 3 bis 8 Tage und die Genesung 7 bis 15 Tage, kann aber länger in Anspruch nehmen (11). Bei älteren Menschen und/oder Menschen mit chronischen Erkrankungen ist die Grippe jedoch weit davon entfernt, eine gutartige Erkrankung zu sein, und kann mit Komplikationen einhergehen (12). Die häufigsten Komplikationen sind infektiöse Pneumonien. In erster Linie sind sie auf die direkte Virulenz des Influenzavirus zurückzuführen; in zweiter Linie auf bakterielle Superinfektionen (12).

Die jährlich empfohlene Impfung bleibt die wirksamste Prävention

Die Impfung ist nach wie vor die einfachste, wirksamste und wirtschaftlichste Prävention für Menschen mit erhöhtem Risiko für Komplikationen und/oder Übertragung von Influenza-Infektionen (Tab. 1). Die antigene Vielfalt der menschlichen Influenzaviren stellt jedoch nach wie vor eine Herausforderung für die Entwicklung von Impfstoffen mit langfristigem Immunschutz dar (1).

Alternativen zur Impfung

Andere Methoden zur Bekämpfung der Grippe, einschliesslich Hygienemassnahmen, ergänzen die Impfung, können sie aber, wenn auch unerlässlich, nicht ersetzen. Im Zusammenhang mit anderen winterlichen Atemwegsinfektionen, die weder spezifischen Impfungen noch ursächlichen Behandlungen zugänglich sind, bleiben Masken, Atemschutzgeräte und Handhygiene sowie Barrieremassnahmen («Tropfenisolation», soziale Distanz) die einzigen wirksamen Waffen (13-15). Kürzlich wurden die immunmodulatorischen Effekte von Vitamin D bei der Prävention von Grippe und saisonalen Atemwegsinfektionen untersucht (16). In einer randomisierten, kontrollierten Langzeitstudie konnte gezeigt werden, dass eine Supplementierung mit 100 000 IE/Monat Vit. D die Inzidenz akuter Atemwegsinfektionen reduziert (2) im Vergleich zur Standard Supplementierung (400-1000 IE/Tag) (17). Während die antiinfektiösen Wirkungen von Vit. D immer besser dokumentiert sind, gibt es derzeit keine Daten, die einen Effekt von Vit. D auf die Immunogenität von Grippeimpfstoffen bestätigen (18).

Impfstoffe, die in der Saison 2019/2020 für Erwachsene zugelassen sind

Sie enthalten 15 µg Hämagglutinin (HA) pro 0,5 ml Dosis jedes der konstituierenden Virusstämme. Entsprechend der Empfehlung der WHO gibt es in der Saison 2019/2020 dreiwertige Impfstoffe (3 Influenza-Stämme = A / H3N2 (A / Kansas/14/2017) und A / H1N1 (A/Brisbane/02/2018) und B-Victoria (B/Colorado/06/2017) – Agrippal®, Fluarix®, Influvac® und Mutagrip®) und vierwertige Impfstoffe (4 Virenstämme = dreiwertig + B-Yamagata (B / Phuket/3073/2013-like) – Fluarix Tetra® und , VaxigripTetra®). Bei Erwachsenen gibt es keine klinischen Argumente für einen dreiwertigen oder vierwertigen Impfstoff. Der dreiwertige Fluad®-Impfstoff hat die Besonderheit, dass er ein Adjuvans (MF59C) enthält, das die Immunogenität und Wirksamkeit verbessert (19). Es wird besonders für Erwachsene über 65 Jahren empfohlen (www.sevaccinercontrelagrippe.ch) (20). Wenn Impfstoffe nicht für alle verfügbar sind, geht es vor allem darum, Menschen in einer Gruppe mit erhöhtem Komplikationsrisiko zu impfen (Tab. 1) (www.infovac.ch). Alle in der Schweiz zugelassenen Impfstoffe sind inaktiviert und frei von Quecksilber und Aluminium.

Die Kontroverse über die jährliche Impfung

Mehrere Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass eine wiederholte jährliche Impfung einen negativen Einfluss auf den Schutz während bestimmter Jahreszeiten haben könnte. Dieser negative Einfluss wurde hauptsächlich bei der Grippe A/H3N2 (21, 22) beobachtet. Dieses Phänomen ist jedoch mit Vorsicht zu interpretieren und sollte noch nicht zu einer Änderung der Impfpraxis und -politik führen (23). Tatsächlich ist die Zeitverzögerung zu kurz und es wurden zu wenige Studien durchgeführt. Zudem ist die Heterogenität der Ergebnisse sehr hoch. Nur wenige Studien haben die Wirkung mehrerer jährlicher Impfungen auf die Wirksamkeit von Impfstoffen analysiert, obwohl sie darauf hindeuten, dass die Wirksamkeit der Impfung durch deren Applikationsmuster in den vergangenen Saisons beeinflusst werden kann. Wenn auch die Hypothese des «antigenen Abstandes» einen vereinfachten theoretischen Rahmen bietet, um die Auswirkungen einer wiederholten Grippeimpfung zu erklären, sind weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um dieses Phänomen vollständig zu verstehen, und zwar auch in einem Kontext, in dem der Impfstoff für mehr als zwei aufeinander folgende Saisons verabreicht werden. (www.vaxinfopro.be/spip.php?rubrique28). Andere Studien haben bestätigt, dass wiederholte Impfungen, sowohl bei jungen als auch bei älteren Menschen zu hochreaktiven Immunantworten sowohl innerhalb verschiedener viraler Subtypen als auch zwischen verschiedenen antigenen Subtypen beitragen (24, 25, 26). Dies veranschaulicht die Auswirkungen von Alter und Vorgeschichte der Influenza-Exposition auf die Fähigkeit einer Person, auf zukünftige Influenza-Infektionen zu reagieren.

Wie sieht die Zukunft der Impfung aus?

Derzeit verfügbare Impfstoffe reduzieren theoretisch das Grippe-Risiko bei einem gesunden Erwachsenen um 70%, wenn die Impfstämme mit den zirkulierenden Stämmen übereinstimmen (was beispielsweise in der Saison 2015/16 nicht der Fall war) (4). Diese spezifische Immunantwort weist manchmal eine suboptimale Wirksamkeit auf. Wenn auch das Alter und die Immunkapazität der geimpften Person (20) erklären, warum der Impfstoffschutz bei älteren Menschen auf 30-40 % sinkt ( 2, 3), hängt die Qualität des Virenschutzes auch von der Qualität der jährlichen Umformulierung des Impfstoffs ab ( 27). Die Zugabe eines Adjuvans ist ein einfacher und effektiver Weg, um die Immunogenität zu verbessern, aber es erhöht de facto die Reaktionsfähigkeit. Dies wird zwar meist auf intensivere Reaktionen an der Injektionsstelle reduziert (28), führt aber vor allem zu einer Ablehnung der Impfung in der Bevölkerung (29).
Neue so genannte «universelle» Impfstoffe befinden sich derzeit in der Entwicklung. Sie sollten es ermöglichen, die Probleme zu überwinden, die mit der hohen Variabilität der Grippeviren verbunden sind, die eine jährliche Aktualisierung der Zusammensetzung der saisonalen Impfstoffe und der Wiederimpfung erfordern. Diese Impfstoffe werden derzeit hauptsächlich aus hochkonservierten Epitopen der HA-, NA- oder extrazellulären Domäne des Influenza M2-Proteins sowie aus internen Proteinen wie NP und M1 entwickelt. Diese Impfstoffe sollten in der Lage sein, Schutz vor homologen und abgeleiteten Stämmen des Influenzavirus und vor solchen mit antigenem Shift zu bieten, wodurch die notwendige jährliche Neuformulierung vermieden und vor allem die Belastung durch die Krankheit reduziert wird. Wenn diese Impfstoffe ihre Immunogenität, Wirksamkeit und Fähigkeit zur Gewährung einer lang anhaltenden Immunität unter Beweis stellen, könnten sie in die Zusammensetzung der aktuellen Impfstoffe aufgenommen werden oder diese sogar ersetzen (29).

Stellenwert und Wirksamkeit von antiviralen Mitteln zur Grippebekämpfung

Antivirale Grippepräparate helfen, schwere Komplikationen in Hochrisikosituationen im Falle einer Infektion zu vermeiden. Im Idealfall sollten sie so schnell wie möglich nach Auftreten von Grippesymptomen verabreicht werden. Eine empirische Behandlung von Patienten, bei denen der Verdacht auf Grippe besteht, wird in der Regel nicht empfohlen. Eine antivirale Behandlung ist für Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen während der Epidemie mit Grippesymptomen von weniger als 48 Stunden indiziert (30).
Die wichtigsten derzeit verwendeten antiviralen Mittel sind Neuraminidase-Hemmer, die durch Oseltamivir, Zanamivir und Peramivir (in der Schweiz nicht erhältlich) repräsentiert werden (31). Sie begrenzen die Ausbreitung von Viren ausserhalb infizierter Zellen. M2-Protein-Inhibitoren wie Amantadin und Remantadin begrenzen das Eindringen des Virus in die Zelle. Sie reduzieren effektiv Komplikationen und ganz allgemein das Fortschreiten der Symptome. Während die überwiegende Mehrheit der Viren noch empfindlich ist, führen einige Mutationen zu Resistenzen (Neuraminidase: H275Y und E119V; M2-Protein-Gen: Ser31). Die Resistenzen gegen zirkulierende Influenzaviren werden genau überwacht. Die WHO kann Echtzeitinformationen über den möglichen Einsatz bei der therapeutischen oder prophylaktischen Behandlung liefern (z.B. Epidemie in geschlossenen Gemeinschaften, Institutionen usw.) (30, 32). In der Saison 2018/19 zeigte nur ein Abstrich eine Resistenz gegen Oseltamivir (www.bag.admin.ch).
Wenn auch Resistenzfälle selten sind (Europa < 0,3% und USA: 1% von A / H1N1pdm09 und 0% für andere Viren), ist wegen der Möglichkeit von viralen Mutationen und dem Auftreten von neuen Resistenzen ein Effort für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten mit unterschiedlichen Mechanismen sinnvoll und notwendig, insbesondere im Falle eines neuen Pandemiestammes.

Neue antivirale Mittel

Mehrere neue antivirale Mittel befinden sich in verschiedenen Entwicklungsstadien und können neue Behandlungsklassen darstellen, die Symptome und Komplikationen bei Hochrisikopatienten reduzieren könnten (Tab. 1). Baloxavir ist zum Beispiel ein Molekül mit einem neuartigen Wirkmechanismus, das gerade von der Food and Drug Administration in den USA zugelassen wurde (31). Es ist der erste Wirkstoff einer neuen Klasse von Influenzavirus-Endonukleasehemmern, der für die Virusvermehrung in der Wirtszelle notwendig ist. Weitere Ziele werden noch untersucht, darunter virale Kinasen, Endozytose und virale Fusion.

Therapeutische Alternativen

In den letzten zehn Jahren haben eine Reihe von humanen monoklonalen Antikörpern ihre Fähigkeit bewiesen, an ein breites Spektrum von Influenza-A- und -B-Viren zu binden und diese zu neutralisieren. Die meisten dieser monoklonalen Antikörper richten sich gegen den Stamm des viralen Hämagglutinins und einige wurden nun in frühen bis mittleren klinischen Studien untersucht (33). Eine wichtige Schlussfolgerung dieser klinischen Studien ist, dass diese Antikörper sicher sind und die Symptome der Grippe reduzieren. Auch Bi- und Multispezies-Grippeantikörper wurden identifiziert, aber noch nicht in klinischen Studien getestet. In Zukunft könnten antikörperbasierte Therapien ein integraler Bestandteil unseres Arsenals zur Prävention und Behandlung von Influenza sein (33).

Dr. med. Pierre-Olivier Lang, PhD

Genolier Klinik und Montchoisi Klinik
Route du Muids 3
1272 Genolier
plang@genolier.net

plang@genolier.net

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Influenza ist eine hoch ansteckende akute Virusinfektion
  • Die Grippe verursacht jährliche Epidemien mit einem Wintergipfel
  • Die Influenza ist ein grosses Problem der öffentlichen Gesundheit, insbesondere bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen (Tab. 1)
  • Bei 30% der Fälle kann die Grippe asymptomatisch bleiben, aber die Person ist ansteckend und somit potenziell ein Vektor des Virus in ihrer Umgebung
  • Die Beschäftigten im Gesundheitswesen sind besonders anfällig für Infektionen und die Übertragung von Influenza
  • Die Impfung ist derzeit das wirksamste Mittel zur Prävention; individuelle Schutzmassnahmen sind eine gute Ergänzung
  • Im Falle einer Grippe sind antivirale Mittel wirksamer, wenn sie innerhalb der ersten 48 Stunden verabreicht werden

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4 Demicheli V, Jefferson T, Ferroni E, Rivetti A, Di Pietrantonj C.: Impfstoffe zur Vorbeugung der Grippe bei gesunden Erwachsenen. Cochrane Database Syst Rev 2018, 2:CD001269. doi: 001210.001002/14651858.CD14001269.pub14651856.
5. Jefferson T, Rivetti A, Di Pietrantonj C, Demicheli V: Impfstoffe zur Vorbeugung der Grippe bei gesunden Kindern. Cochrane Database Syst Rev 2018, 2:CD004879. doi: 004810.001002/14651858.CD14004879.pub14651855.
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Kardiorespiratorische Fitness als Gesundheitsparameter

Über die vergangenen vier Jahrzehnte ergibt sich aus zahlreichen Studien zunehmende Evidenz, dass die kardiorespiratorische Fitness (CRF) ein wichtiger Gesundheitsparameter ist. Dennoch ist sie in den meisten Scores zur Risikoabschätzung der kardiovaskulären oder Gesamtmortalität bisher nicht enthalten. In diesem kurzen Überblicksartikel soll auf klinische Bedeutung, methodische Aspekte und Möglichkeiten zur Steigerung der CRF eingegangen werden.

Die kardiorespiratorische Fitness (CRF) ist ein komplexer, übergreifender Parameter der Herz- und Kreislauffunktion. Sie spiegelt die Fähigkeit des Organismus zur Sauerstoffaufnahme (⩒O2) über die Lunge wider, den Transport von O2 unter Berücksichtigung der systolischen und diastolischen Pumpfunktion des Herzens, des Couplings zwischen Herz und Gefässen, der Weiterleitung durch das arterielle Gefässsystem bis zur Muskulatur, in der O2 und auch Nährstoffe gemäss den metabolischen Bedürfnissen in der ruhenden oder arbeitenden Muskelzelle verstoffwechselt werden (1, 2). Die ⩒O2 max liegt bei Männern im Vergleich zu Frauen ca. 10% höher und geht im Altersgang in der 3. und 4. Lebensdekade um 3-6% zurück, danach zunehmend stärker um bis zu 20% im Alter über 70 Jahre (3-5).

Gesundheitliche Bedeutung der kardiorespiratorischen Fitness

Personen mit einer höheren CRF haben nach zahlreichen Studien eine Reduktion der Gesamtmortalität um 10-25% pro ein metabolisches Äquivalent (engl. metabolic equivalent of task; MET) zu erwarten. Das entspricht in etwa einer Reduktion des Bauchumfangs um 7- 10 cm, 5-7 mmHg niedrigeren systolischen Blutdruck oder 1-1,2 mmol/l reduzierter Nüchternglukose (6).
Kürzlich konnte in einer prospektiven Beobachtungsstudie (7) (22 878 Teilnehmende, Alter 47,4 (10,3) Jahre zu Baseline, Follow-up 9,2 (SD 4,1) Jahre, 505 Todesfälle) nachgewiesen werden, dass die Risikoprädiktion auf der Basis des SCORE Risikofaktorenmodells mit Hilfe der CRF deutlich verbessert werden kann. Menschen mit ungünstig hohen SCORE-Wert und geringer maximaler CRF (< 11 MET bei der Laufbandergometrie) zeigten ein um das 35,6-fache erhöhtes Mortalitätsrisiko gegenüber Personen mit niedrigen SCORE-Wert und hoher CRF (MET ≥ 11). Bei Personen mit hohen SCORE-Wert, aber gleichzeitig hoher CRF lag das Mortalitätsrisiko beim 8,5-fachen, also um das Vierfache niedriger. Die kardiorespiratorische Fitness war allen SCORE-Parametern als Risikoprädiktor überlegen, was auch zuvor bereits mehrfach gezeigt werden konnte (8-10).
Eine aktuelle Metaanalyse prospektiver Studien (11) von 122 007 Patienten (Alter 53,4 Jahre, 1,1 Millionen Beobachtungsjahre, 13 637 Todesfälle) zum Zusammenhang zwischen CRF und Mortalität zeigte im Vergleich zu manifesten Erkrankungen eindrucksvoll, dass eine stark reduzierte CRF hinsichtlich ihrer prädiktiven Bedeutung für das Versterben gleichbedeutend oder stärker als verschiedene manifeste Komorbiditäten war (u.a. koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie oder Diabetes).

Direkte und indirekte Messung der CRF

Die CRF wird als maximale Sauerstoffaufnahme (⩒O2max) gemessen, die sich aus dem Produkt von Herzfrequenz, Schlagvolumen und peripherer arterio-venöser Sauerstoffdifferenz ergibt (2, 12). Der Goldstandard zur direkten Messung der CRF ist die Spiroergometrie, die in Europa überwiegend auf dem Fahrradergometer erfolgt. Alternativ wird vorwiegend im anglo-amerikanischen Raum die Messung auf dem Laufbandergometer durchgeführt. Dabei fällt die gemessene ⩒O2 aufgrund der grösseren eingesetzten Muskelmasse bei Normalpersonen um ca. 10% höher aus. Eliteradsportler erzielen allerdings bei der Radergometrie vergleichbar hohe ⩒O2-Werte wie bei der Laufbandergometrie aufgrund ihres sportartspezifischen Trainings.
Es empfiehlt sich die Durchführung der Spiroergometrie als Rampentest mit 10-12 min Dauer und einer Steigerung, die an das Leistungsniveau angepasst ist. Die strikte Einhaltung aller Qualitätsanforderungen an die Messung (u.a. Gas- und mechanische Kalibration vor jeder Messung) und Beachtung der Ausbelastungskriterien (13) sichert valide Ergebnisse, was geschultes Personal erfordert (14, 15). Die Messung sollte bei Verlaufsmessungen zur selben Tageszeit durchgeführt werden, wobei die Variabilität innerhalb des Tages mit ca. 8,6% deutlich grösser ausfällt als die Tag zu Tag-Variabilität zur selben Tageszeit mit 3,5% (16). Bei adipösen Personen korreliert die ⩒O2 max besser mit der Muskelmasse als mit der Gesamtkörpermasse, was bei der Interpretation der CRF berücksichtigt werden sollte (17).
Auch ist es möglich, die ⩒O2 max indirekt aus der geleisteten Arbeit abzuschätzen, also die maximal erbrachten Watt auf dem Fahrradergometer oder die Geschwindigkeit auf dem Laufband in aufgenommene Menge Sauerstoff umzurechnen. Für die Umrechnung bei der Laufbandergometrie sind für jedes Belastungsprotokoll gesonderte, gegen direkte ⩒O2-Messung validierte Formeln erforderlich, die aber nur für die wenigsten Protokolle erstellt wurden. Selbst auf dem Fahrradergometer ist die Umrechnung der ⩒O2 aus der Wattzahl wegen der interindividuell divergierenden mechanischen Effizienz nur mit Ungenauigkeiten möglich, so dass die gemessenen ⩒O2 valider sind (18).
Submaximale Tests wie der Astrand-Rhyming Test (19) lassen ebenfalls eine indirekte Abschätzung der CRF zu. Dabei wird auf zwei submaximalen 3-Minuten-Stufen mit einer Herzfrequenz oberhalb von 110/min die registrierte Wattzahl auf die maximale Leistung (und damit ⩒O2-Aufnahme) an der vorhergesagten altersentsprechenden maximalen Herzfrequenz hochgerechnet. Da die maximale Herzfrequenz interindividuell um ± 10 bis 20 Schläge pro Minute vom Mittel abweichen kann, wird klar, dass auch dieses Verfahren der direkten ⩒O2-Messung mittels Spiroergometrie unterlegen ist.
Mit noch grösserer Ungenauigkeit ist die Schätzung der CRF ohne Ergometertest durch Formeln u.a. basierend auf Alter, Geschlecht, Body mass index (BMI), Rauchen, körperlicher Aktivität etc. behaftet (18). Diese Formeln basieren auf Registerdaten. Das bekannteste international Register ist das FRIEND (Fitness Registry and the Importance of Exercise National Database)-Register (20), das sich die verstärkte Nutzung der CRF in Risikoprädiktion und Therapie zum Ziel gesetzt hat. Die aus den FRIEND Daten erstellten geschlechtsspezifischen Algorithmen zur Abschätzung der ⩒O2max bei der Fahrradergometrie (21) lauten: Männer: 1,76 x (Watt x 6,12/Körpergewicht (kg)) + 3,5, Frauen: 1,65 x (Watt x 6,12/Körpergewicht (kg)) + 3,5.
Für die Schweiz werden derzeit im laufenden COmPLETE-Projekt Referenzdaten für gesunde Männer und Frauen zwischen 20 – 100 Jahren erstellt, die erlauben durch die zusätzliche Erfassung von Kraft, neuromuskulärer Koordination und objektiver körperlicher Aktivität neben Geschlecht und Alter weitere Determinanten der CRF zu ermitteln (22).
Nach internationaler Empfehlung (18) sollte die CRF deutlich mehr zur Risikoabschätzung in der Prävention und zur Therapiesteuerung bei Gesunden, präoperativ als auch bei chronisch Kranken eingesetzt werden. Eine Zusammenfassung der Empfehlungen zur Messung der CRF ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Training zur Steigerung der kardiorespiratorischen Fitness

Die CRF ist zu ca. 50% genetisch determiniert (23) und kann bei Untrainierten durch Ausdauertraining nach der Heritage Family Study im Mittel um 18.7% mit einer grossen Spanne zwischen 0% und 40% gesteigert werden (24). Diese Steigerung entspricht der mittleren Zunahme der ⩒O2 um ca. 430 ml bei den Männern und 330 ml bei den Frauen. In MET umgerechnet sind das ca. 1.5 – 2.5 MET Zunahme durch strukturiertes Training. Das ist äquivalent zu einer Risikoreduktion für die Gesamt- und kardiovaskuläre Mortalität um 40-50% (11). Dabei tritt der grösste gesundheitliche Benefit auf, wenn Inaktive ihren unterdurchschnittlichen Trainingszustand beginnen zu verbessern. Die körperliche Aktivität kann vorübergehend unterhalb der allgemeinen Empfehlungen für gesundheitlich wirksames Training liegen bzw. einer Trainingssystematik entbehren, was den Einstieg in einen aktiveren Lebensstil erleichtern kann (25). Ziel ist es jedoch auf jeden Fall, die Pille «Körperliches Training» auch entsprechend medizinisch sinnvoll «einzunehmen» bzw. zu verordnen mit genauer Bezeichnung von Art, Menge, Dosierung und Häufigkeit der Anwendung (siehe Tabelle 2), was definitiv mehr ist als die grobe Empfehlung «jeder Schritt zählt». Die Vorstellung, ein Athlet zu sein oder zu werden, um durch Training von einer verbesserten CRF gesundheitlich zu profitieren, sollte definitiv abgelegt werden.
Ein breites Spektrum von Ausdaueraktivitäten ist geeignet, die CRF bei regelmässigem Praktizieren zu steigern. Die Intensität sollte moderat bis höher sein, bei einer Frequenz von 2-3 x pro Woche liegen und ein Mindestmass pro Trainingseinheit von 20-30 min erfüllen. Auch die Integration in Alltagsaktivitäten wie dem Weg zur Arbeit kann die CRF bereits nach 4 Wochen um annähernd 10% steigern(26).

Prof. Dr. med. Arno Schmidt-Trucksäss

Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit
Birsstrasse 320 B
4052 Basel

arno.schmidt-trucksaess@unibas.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Eine gute kardiorespiratorische Fitness ist der stärkste Schutzfaktor vor der Entstehung von chronischen Erkrankungen und frühzeitigem Versterben
  • Das Wissen um die CRF sollte fest in der ärztlichen Aus- und Weiterbildung und in der täglichen Praxis verankert sein und deutlich stärker als bisher in das Zentrum der ärztliche Prävention und Therapie rücken
  • Strukturiertes Ausdauertraining ist geeignet, die CRF zu verbessern und sollte auch von Ärzten planvoll verordnet werden.

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27. Garber CE, Blissmer B, Deschenes MR, Franklin BA, Lamonte MJ, Lee IM, et al. American College of Sports Medicine position stand. Quantity and quality of exercise for developing and maintaining cardiorespiratory, musculoskeletal, and neuromotor fitness in apparently healthy adults: guidance for prescribing exercise. Med Sci Sports Exerc. 2011;43(7):1334-59. Epub 2011/06/23. doi: 10.1249/MSS.0b013e318213fefb. PubMed PMID: 21694556.

Das Mikrobiom

Die intestinale Mikrobiota ist in den letzten Jahren in den Fokus des wissenschaftlichen wie öffentlichen Interesses gerückt. Die Zahl der Publikationen zum Thema und der Spekulationen über therapeutische Möglichkeiten hat exponentiell zugenommen. In diesem Artikel werden die aktuellen Einsichten zum Thema der Mikrobiota zusammengefasst, um Ärzten eine fundierte und kritische Beratung ihrer Patienten zu ermöglichen.

Die intestinale Mikrobiota, das «Mikrobiom» oder die «Darmflora», ist in den letzten Jahren in den Fokus des wissenschaftlichen wie öffentlichen Interesses gerückt. Hierzu haben zwei Entwicklungen beigetragen. Zum einen konnte gezeigt werden, dass die «Transplantation» von gesunder Spender-Mikrobiota, als sogenannte Stuhltransplantation oder Fecal Microbiota Transplantation (FMT) bei der rezidivierenden Clostridien-Kolitis eine sehr hohe Heilungsrate (> 90%) aufweist, die man mit Antibiotika Therapien nicht annähernd erreicht. Als Folge dieser Ergebnisse wurde die Wertigkeit der FMT auch bei anderen Erkrankungen getestet. Firmen, die FMT und «Spenderstuhl» anbieten, werden vielfach gegründet. Die Federal Drug Administration der USA (FDA) hat die FMT als Behandlungsmethode für die rezidivierende Clostridien Kolitis (nach anfänglichen Bedenken) anerkannt. Weltweit wurden inzwischen Tausende FMTs mit sehr gutem Erfolg in der genannten Indikation durchgeführt.
Zum anderen wurde durch neue Verfahren und Techniken zur Sequenzierung der bakteriellen DNA aus dem Stuhl und anschliessende bioinformatische Analysemethoden Zusammenhänge zwischen einer ganzen Reihe verschiedener Erkrankungen und der Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota hergestellt (oder besser Assoziationen, da fast nie Kausalzusammenhänge gezeigt werden konnten). Diese Erkenntnisse haben zum einen dazu geführt, dass nun eine Vielzahl von Anbietern in einem unkontrollierten Markt Stuhl-Mikrobiota Analysen als diagnostischen Test anbieten. Diese Firmen liefern nicht nur eine (oft scheinbare und zweifelhafte) quantitative Auswertung, sie geben gleichzeitig Empfehlungen für therapeutische Interventionen, zumeist Ernährungsinterventionen oder Therapien mit Probiotika – allerdings weitestgehend ohne genügende Evidenz. Probiotische Interventionen sind bei der Colitis ulcerosa und der Vorbeugung antibiotika-assoziierter Durchfälle sinnvoll und mit guter Evidenz belegt, nicht jedoch beim Morbus Crohn und vielen anderen Erkrankungen. Ob der Einsatz bei einer «Dysbalance der Mikrobiota» oder «Dysbiose» sinnvoll ist, muss als fraglich gelten.
Daher ist es sinnvoll, die aktuellen Einsichten zum Thema der Mikrobiota noch einmal zusammenzufassen, um für Patienten eine fundierte und kritische Beratung zu ermöglichen.

Mikrobiota und Mikrobiom – einige Fakten

Die normale Darm-Mikrobiota des Menschen besteht aus einigen wenigen eukaryotischen Pilzen, Viren und einigen Archaeen, die vorwiegend den unteren Darmtrakt besiedeln (1). Der mit Abstand auffälligste, häufigste und zugleich bisher am besten erforschte Bestandteil der normalen Mikrobiota sind jedoch die Bakterien (2). Bis zu 100 Billionen (1014) Mikroorganismen pro Mensch besiedeln den Darm und machen etwa 2 kg des Körpergewichts aus. Sie repräsentieren mindestens 300-1000 verschiedene Arten (3).
Interessanterweise kann derzeit niemand genau definieren, wie viele Bakterienarten tatsächlich in einer Darm-Mikrobiota-Probe vertreten sind. Dies hängt von dem mathematischen Algorithmus ab, der für die Analyse verwendet wird, und von dem Grenzwert für die Ähnlichkeit der 16S-RNA-Sequenz (normalerweise wird eine Sequenzidentität von 97% gewählt, um verschiedene «Arten» abzugrenzen und eine sogenannte operative taxonomische Einheit (OTU) zu definieren (4)). Das Wissen über die mikrobielle Zusammensetzung des Darminhaltes hat durch die Verwendung kulturunabhängiger Analysemethoden (der Grossteil der Mikroben war lange Zeit nicht kultivierbar) erheblich zugenommen.
Bei kulturunabhängigen Analyse-Methoden werden hauptsächlich Variationen von Genen (meist der 16sRNA) sequenziert, die einerseits bei allen Bakterien gemeinsam sind und in der Evolution stark konserviert wurden, andererseits jedoch mit speziesspezifischen Unterschieden behaftet sind (5-8). Kulturunabhängige Methoden wie die Pyro-Sequenzierung erlauben eine genauere Untersuchung der mikrobiellen Zusammensetzung unter standardisierten Methoden der Probengewinnung. Noch ist wenig darüber bekannt, wie die komplexe Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota durch Umweltfaktoren wie Ernährung, Medikamentenkonsum, Lebensweise, Toxine, das Alter und Geschlecht des Wirtes, der geographische Lebensraum, das Ausmass der regelmässigen körperlichen Bewegung, das Klima und andere exogene Faktoren wie Rauchen moduliert wird (9, 10).
Neben Umwelteinflüssen sind genetische Einflüsse von Bedeutung und eine Anpassung zwischen der genetischen Struktur des Wirts und der mikrobiellen Komposition konnte gezeigt werden (11-15). Die Metaboliten des Wirtes und der Darmbakterien reagieren und interagieren miteinander, sodass ein Gleichgewicht entsteht (16).
Generell sollte man, wenn man die Gesamtheit der Mikroben meint, von der Mikrobiota sprechen. Der Terminus «Mikrobiom» meint eigentlich nur die Gene also das Genom der Mikrobiota, deren Erbinformationen. Allerdings fokussieren fast alle bisherigen Analysenmethoden auf die genetische Information über Sequenzieren. Das bedeutet gleichzeitig, dass unsere Informationen über die Funktionen der Mikrobiota sehr mangelhaft sind. Wenn wir nur das Mikrobiom kennen, wissen wir nichts über dessen Metaboliten, das Metabolom. Die selbe Bakterien Spezies kann jedoch in unterschiedlichen Ökosystemen (sogenannten «Konsortien») sehr unterschiedliche Funktionen erfüllen. Das metabolische Profil verschiedener Bakterienspezies hängt von deren Umgebung und der Funktion anderer Spezies in der Umgebung ab. Die reine DNA Sequenzierung sagt uns daher sehr wenig über die Funktion oder die Pathologie aus. Daher bleiben Begriffe wie «Dysbiose» auch sehr vage und eine Dysbiose könnte funktionell sogar günstig sein.

Darm-Erkrankungen mit einer Veränderung des Mikrobioms

Die Zusammensetzung der Mikrobiota ist bei einer Reihe von Darmerkrankungen verändert, wie in den letzten Jahren gezeigt werden konnte. Hierzu zählen unter anderem die chronisch entzündliche Darmerkrankung (IBD) (17-19), Zöliakie (20-22) oder verschiedene Lebererkrankungen (23-26).
Die «Dysbiose» bei IBD scheint am ausgeprägtesten zu sein, wenn die Entzündung aktiv ist (27-31). Reproduzierbar scheint bei Morbus Crohn eine relative Verminderung von Faecalibacterium prausnitzii und von Roseburia hominis zu sein, die beide Butyrat produzieren (29, 32-34). Eine solche Dysbiose wurde interessanterweise auch bei gesunden Verwandten von Morbus Crohn-Patienten gefunden (33). Bei Patienten der Swiss IBD Cohort Study (SIBDCS) fanden sich Störungen für die Familien der Lachnospiraceae und Ruminococcaceae, die typischerweise kurzkettige Fettsäuren produzieren (35). Diese Veränderungen kennzeichneten besonders Patienten mit häufigen Relapsen und schlechter Therapieantwort auf die Behandlung mit Anti-TNF-α-Antikörpern (35). Bei Patienten mit IBD, die eine Diät einhielten, fanden sich eher depressive Symptome und eine Veränderung der Darm-Mikrobiota (36).
Bei IBD kann generell eine «Reduktion der Vielfalt» («reduced diversity») der Mikrobiota beobachtet werden (31, 37-39) und eine «vielfältigere» Mikrobiota wird in der Regel als vorteilhaft angesehen. Bei Patienten mit IBD findet sich auch eine verminderte Expression von Mucinen im Dickdarm (40). Dies führt dazu, dass die dysbiotische Mikrobiota näher an die Zellen der Darmschleimhaut vordringen kann (41, 42-45).
Die Transplantation fäkaler Mikrobiota, FMT als ein Versuch, die gestörte mikrobielle Zusammensetzung und Vielfalt zu therapieren, wird bei IBD kontrovers diskutiert. Während bei Morbus Crohn wohl kein Nutzen belegt ist und entsprechende Studien negativ sind, zeigt sich bei Colitis ulcerosa in Meta-Analysen ein signifikanter therapeutischer Nutzen einer FMT (46-50). Allerdings wirken nur wenige Spender optimal (51). Daher wird nun in den meisten Studien der Stuhl von bis zu sieben Spendern für eine FMT kombiniert und eine wiederholte Therapie mit bis zu 40 Einläufen mit der Bakteriensuspension verabreicht (52). Auch wenn in einigen Studien ein signifikanter Nutzen bei Colitis ulcerosa gezeigt werden konnte, ist das Resultat (27% Remission versus 8% mit Placebo) bezogen auf den grossen Aufwand ein doch eher enttäuschendes Ergebnis (52). Nicht zu vergessen – eine Transplantation einer hohen Zahl von Keimen ist auch mit potenziellen Risiken verbunden, wie ein erster dokumentierter Todesfall durch eine Infektion mit einem multiresistenten Keim übertragen durch eine FMT eindrücklich vor Augen führt. Die mikrobielle Vielfalt nahm mit der FMT im Stuhl zu und hielt an (53).
Probiotische Therapien haben sich bei Colitis ulcerosa als mässig wirksam erwiesen. Nur die Therapie mit E. coli Nissle zur Erhaltung der Entzündungsfreiheit (Remissionserhaltung) ist in den internationalen Behandlungsempfehlungen enthalten (54, 55).
Die potenzielle Rolle der Darm-Mikrobiota bei der Pathogenese des Reizdarmsyndroms (irritable bowel syndrome, IBS) wird ebenfalls diskutiert und u.A. durch eine kontrollierte positive Studie mit Rifaximin, einem nicht resorbierbaren Derivat von Rifamycin, nahegelegt (56). Zudem gibt es verschiedene Studien, die eine «Dysbiose» bei IBS-Patienten im Vergleich zu Gesunden bestätigen konnten (57). Neben therapeutischen Möglichkeiten eröffnen diese Einsichten natürlich auch ein diagnostisches Potenzial (charakteristische mikrobielle «Fingerabdrücke» zur Identifikation und Charakterisierung von IBS (58)). In einer Studie mit Patienten mit mittelschwerem IBS-D oder IBS-M zeigten 65% der Probanden mit FMT gegenüber 43% Placebo Patienten nach 3 Monaten ein klinisches Ansprechen (p = 0,049) (59). In Meta-Analysen lässt sich jedoch kein sicherer Effekt bestätigen (60).
Die Darm-Mikrobiota und deren Zusammensetzung scheint auch eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Darmkrebs (Colorectal Cancer, CRC) zu spielen (61-65). Es wird vermutet, dass Bestandteile der Darmbakterien oder Metabolite «genotoxischen» Stress induzieren, der genetische und epigenetische Veränderungen in den Darmepithelzellen verursacht und schliesslich zur unkontrollierten Proliferation führt (66, 67). Es wurden deutliche Veränderungen der Mikrobiota bei Darmkrebs, wie z. B. eine Zunahme der Fusobacterium-Sequenzen, beschrieben (68, 69). In einem Tiermodell für Darmkrebs konnte gezeigt werden, dass die alleinige Kolonisation mit dem kommensalen Bakterium E. coli NC101 das invasive CRC fördert (70).

Rheumatologische und kardiovaskuläre Erkrankungen mit einer Veränderung der Mikrobiota

Die intestinale Mikrobiota ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (71-73) und anderen rheumatologischen Erkrankungen verändert.
Die Darm-Mikrobiota spielt ausserdem möglicherweise eine wichtige Rolle für die Entwicklung verschiedener Herzkrankheiten (74). Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen – insbesondere bei Frauen – scheinen ein höheres Risiko für koronare Herzerkrankungen und zerebrovaskuläre Ereignisse zu haben (75), obwohl weniger «klassische» Risikofaktoren vorkommen, was auf zusätzliche Verbindungen zwischen Darm und Herz-Kreislauf-System hinweist. Eine beeinträchtigte Darmbarrierefunktion, gefolgt von einer bakteriellen Translokation und dem Vorhandensein bakterieller Produkte im Kreislauf, kann zu Arteriosklerose und chronischer Herzinsuffizienz führen, wie jüngste Daten belegen (74, 76-78).

Erkrankungen des Zentralnervensystems und das Mikrobiom: Die «Gut-Brain Achse»

Die bidirektionale Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Magen-Darm-Trakt, die sogenannte «Gut-Brain Axis» oder «Gehirn-Darm-Achse», basiert auf einem komplexen System, das den Nervus vagus, aber auch endokrine, immun- und humorale Verbindungen sowie den Einfluss der Darm-Mikrobiota beinhaltet (79). So wird einerseits die gastrointestinale Homöostase reguliert. Andererseits scheinen dadurch emotionale und kognitive Bereiche des Gehirns mit Darmfunktionen verbunden zu sein (80). Die Gehirn-Darm-Achse wird als therapeutisches Target für psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen (81) und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) (82) diskutiert.
Eine Veränderung der Zusammensetzung der menschlichen Mikrobiota wurde bei einem Mausmodell für Depressionen (83) sowie bei Patienten mit depressiven Symptomen (84, 85) gefunden. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass Depressionen mit einer Reihe von Verhaltensänderungen wie Nahrungsaufnahme, Ernährung und körperlicher Aktivität einhergehen, die die Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota beeinflussen können. Zudem finden sich charakteristische Veränderungen des Mikrobioms bei Autismus (86-88). Eine Interventionstherapie mittels FMT konnte bei Patienten mit Autismus die Symptome verbessern (89).
Eine gezielte Mikrobiota-Behandlung könnte zu Verbesserungen der emotionalen Symptome von Patienten führen, die an Depressionen oder Angstzuständen leiden. Es gibt Hinweise darauf, dass Probiotika (90-92) einen Einfluss auf die Aktivität des Nervus vagus haben. Dieser Effekt ist jedoch individuell sehr variabel.
Beim Menschen könnten Probiotika mit entzündungshemmender Wirkung, aufgrund ihrer antidepressiven und anxiolytischen Wirkung nützlich sein, um Patienten mit psychiatrischen Störungen zu behandeln (85, 93-95). Unterschiede in der Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota bei Patienten mit Depressionen im Vergleich zu gesunden Personen wurden nachgewiesen (96) und kürzlich wieder bestätigt (97, 98).

Endokrine Erkrankungen und die Rolle der Darm-Mikrobiota

Die Darm-Mikrobiota spielt nach jüngeren Erkenntnisse auch eine wichtige Rolle in der Pathogenese von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes (99, 100, 101-107) metabolisches Syndrom (108-110) oder Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) (111, 112).
Interessanterweise hat sich gezeigt, dass der adipöse Phänotyp bei Mäusen durch eine FMT übertragbar ist (113-115). Einer aus fetten Mäusen extrahierten und auf magere Mäuse übertragenen Mikrobiota folgte eine signifikante Gewichtszunahme bei den mageren Mäusen. Eine ähnliche Gewichtszunahme wurde auch in Einzelfällen bei Menschen nach einer FMT von Übergewichtigen berichtet (116, 117). Leider funktioniert dies nicht in die entgegengesetzte Richtung (114, 115). Dennoch wird die Veränderung der Darm-Mikrobiota bereits als zukünftige Behandlungsstrategie für Adipositas diskutiert. Vorläufige Daten aus einer kleineren Studie am Menschen, die sich eher auf die Insulinresistenz als auf das Körpergewicht konzentrierte, legten jedoch nur eine sehr bescheidene Wirkung nahe (118).

Prof. Dr. med. Dr. phil. Gerhard Rogler

Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

gerhard.rogler@usz.ch

PD Dr. med. Luc Biedermann

Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem
Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Wir haben erst begonnen, die Bedeutung unserer Darm-Mikrobiota für unsere Gesundheit und die Pathophysiologie einer Vielzahl von Erkrankungen zu verstehen.
  • Eine Reihe von Erkrankungen wurde mit einem «Ungleichgewicht» oder einer «Dysbiose» der mikrobiellen Zusammensetzung der Darm-Mikrobiota in Verbindung gebracht, wie z. B. IBD, rheumatoide Erkrankungen, maligne Erkrankungen wie das CRC, metabolisches Syndrom und sogar psychiatrische Erkrankungen.
  • Bisher sind diese Ergebnisse leider häufig deskriptiv, was den Mangel eines kausal-funktionellen Verständnisses widerspiegelt. Ein eben solch tieferes Verständnis der Wechselwirkungen wird allerdings notwendig sein, um endlich den Weg zu neuen und gerichteten Therapeutika zur Behandlung dieser chronischen Krankheiten zu ebnen.
  • Ein vielversprechender Hinweis darauf, dass in Zukunft Mikrobiota Therapien möglich sein könnten, ist der klinische Erfolg der FMT für rezidivierende Cl. difficile Kolitis. Aus offensichtlichen Gründen erfordern andere Krankheiten spezifischere Ansätze.
  • Es wird wichtig sein, derzeit weder übertriebene Erwartungen zu wecken noch unausgewogene oder enthusiastische Versprechungen zu machen.
  • Der Stuhl-Dysbiose Test oder das Darm-Mikrobiota Monitoring, die Analyse der Mikrobiota Zusammensetzung im Stuhl wird derzeit von über 200 Labors in Europa angeboten. Medizinisch sind diese Tests bedeutungslos.
  • Die Mechanismen, über welche die Darm-Mikrobiota zu Gesundheit und Krankheit beiträgt, müssen genauer untersucht werden.

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