Nicht-alkoholische Fettleber und Diabetes

Prof. Roger Lehmann, Zürich, referierte an der Jahrestagung der SGAIM in Basel zum Thema «nichtalkoholische Fettleber». Motiviert dazu ist er durch die hohe Prävalenz dieser Erkrankung in der westlichen Welt und durch die Erkenntnis, dass die Kombination von Diabetes und Fettleber überzufällig häufig ist.

Professor Roger Lehmann nimmt einleitend Stellung zur Frage nach der Prävalenz des Formenkreises von nichtalkoholischer Fettleber. Dabei ist zu beachten, dass die reine Fettleber (NAFL) meistens eine gutartige, stabile Erkrankung ist, während die nichtalkoholische Fettleberkrankheit (NAFLD) in eine nichtalkoholische Steatosehepatitis (NASH) übergehen kann, welche ihrerseits zu Leberzirrhose und zum hepatozellulären Karzinom führen kann. Die Prävalenz der NAFLD beträgt in der westlichen Welt rund 25%, und man kann davon ausgehen, dass etwa ¼ davon an einer NASH leiden.
Bei der klinischen Abgrenzung zu einer alkoholischen Leberkrankheit sprechen die Befunde eines erhöhten Körpergewichts, eines erhöhten Nüchternblutzuckerspiegels respektive eines erhöhten HbA1c und einer Erhöhung von ALT eher für eine nichtalkoholische Fettleberkrankheit, während die Angabe eines Alkoholkonsums von mehr als 20 g für Frauen um mehr als 30 g für Männer, eine erhöhte AST, ein erhöhtes Verhältnis von AST: ALT über 1,5, eine deutlich erhöhte GGT, ein hohes HDL Cholesterin und ein hohes MCV eher für eine alkoholische Leberkrankheit sprechen. Ist der Verdacht gestellt, gilt es Differenzialdiagnosen auszuschliessen, wie eine Hepatitis insbesondere vom Typ B und C anhand einer entsprechenden Serologie, eine HIV-Erkrankung und eine Erkrankung aus dem Formenkreis der autoimmunen Hepatopathien. Weiter gilt es, den Verdacht zu erhärten, in 1. Linie mit einem Ultraschall, welcher das typische hyperechogene Leberparenchym zeigt, oder einer Computertomografie, in welcher die typische Fettleber hypodens erscheint im Vergleich zu Milz und Lebervenen. Im weiteren ist abzuklären, ob bereits eine fortgeschrittene Fibrose bestehe. Dabei ist die Existenz eines Diabetes mellitus der stärkste prädiktive Faktor für eine fortgeschrittene Fibrose mit einer OR von 18,2. Übergewicht mit einem BMI über 30 sagt eine Fibrose mit einer OR von 9,1 voraus. Hoher Blutdruck und Alter stellen diesbezüglich per se keine prädiktiven Faktoren dar. Weiter lässt sich das Fibroserisiko anhand verschiedener typischer Laborkonstellationen berechnen, erwähnt wird der Fibrosis-4-Index, welcher sich aus Alter, AST, ALT und Thrombozyten berechnet sowie der NAFLD-Fibrosis-Score, zu dessen Berechnung zusätzlich Albumin, BMI und das Vorhandensein eines Diabetes berücksichtigt werden. Dazu stehen heute Apps und Online-Rechner zur Verfügung. Weiter lassen sich Existenz und Ausmass einer Fibrose nicht invasiv mit dem Fibroscan oder einer MR Elastographie abschätzen und der Goldstandard ist nach wie vor die Leberbiopsie, anhand welcher sich das Fibrosestadium in die Stadien F0 bis F4 einteilen lässt in dem Sinn, dass F0 keine Fibrose bedeutet, F1 portale Fibrose ohne Septen, F2 Portalfibrose mit wenig Septen, F3 zahlreiche Septen ohne Zirrhose, F4 Leberzirrhose.
Aufgrund dieser Abklärung lassen sich Patienten mit einer Lebersteatose in 3 Profile einteilen, ein niedriges Risiko haben junge Patienten ohne Übergewicht und ohne Diabetes, bei welchen die nicht invasiven Teste keine Hinweise für eine Fibrose aufweisen. Diese können beobachtet werden mit Reevaluation bei Veränderung des Risikofaktorprofils. Ein mittelgradiges Risiko weisen Patienten auf, welche übergewichtig sind, über 40 Jahre alt, vielfältige Zeichen eines metabolischen Syndroms und bezüglich Fibrose Grenzwerte aufweisen. Bei diesen kann eine Leberbiopsie erwogen werden. Patienten mit hohem Risiko weisen ein deutlich erhöhtes AST auf gegenüber ALT, eine Thrombopenie und zeigen in den nicht invasiven Abklärungen Zeichen einer Leberfibrose. Diese sollen weiter abgeklärt werden (Abb. 1).

1/5 aller Patienten mit Leberfibrose im Stadium F3 und F4 entwickeln über 2 Jahre eine Progression. Patienten mit dem Vollbild einer NASH haben ein 8-fach erhöhtes Risiko, ein HCC zu entwickeln.
Das Management der Fettleber umfasst Lifestyle Modifikationen, insbesondere Gewichtsreduktion um 8-10%, Kontrolle der übrigen Risikofaktoren, insbesondere Statine falls indiziert, und bei Erfolglosigkeit dieser Massnahmen kann eine bariatrische Chirurgie in Betracht gezogen werden. Falls eine NASH vorliegt, werden in medikamentöser Hinsicht Liraglutid als GLP-1 Rezeptor Agonist sowie SGLT-2 Hemmer eingesetzt. Von Pioglitazon ist ebenfalls ein Effekt nachgewiesen, diese Substanz als Insulinsensitizer wird heute in der Schweiz aber praktisch nicht mehr verwendet. Zusammenfassend erweist es sich, dass der Algorithmus zur Behandlung von Patienten mit Prädiabetes / Typ 2 Diabetes mit einer NASH sich nicht grundsätzlich unterscheidet von der modernen Diabetestherapie (Abb. 2).

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
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8044 Zürich

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Aktuelle Fragen aus der Frauenheilkunde

An der Nachlese zum Jahreskongress des American College of Physicians, welche die VZI unter dem Motto «Highlights from Philadelphia als Multiple small Feedings of the Mind» präsentiert hat, wurden 3 klinisch aktuelle Fragen an die Frauenärztin von KD Dr. med. Stephanie von Orelli mit Blick auf die Antworten der amerikanischen Kollegen aus Schweizer Sicht beantwortet.

Frau KD Dr. med. Stefanie von Orelli, Zürich, nimmt Stellung zur Frage «Was sind die neuesten Erkenntnisse bezüglich Risiken, Nutzen und Dauer der postmenopausalen Hormonersatztherapie?» Die Referentin präsentiert neue Daten der Womens Health Initiative (WHI), der Studie, die ursprünglich dazu geführt hat, dass bei vielen Frauen in der Menopause die Hormonersatztherapie abgebrochen wurde mit der Folge von erheblichen Beschwerden. Nach einem Follow up von 18 Jahren zeigt sich nun bei den 16608 beobachteten Frauen, die im Schnitt während 5.6 Jahren unter Östrogen und Gestagen standen, dass sich kein Unterschied ergibt bezüglich Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität und totaler Krebsmortalität. Auch bei den 10 739 während im Schnitt 7.2 Jahren nur mit Östrogen behandelten Frauen zeigt sich nach 18 Jahren kein Unterschied bezüglich Gesamtmortalität, kardiovaskulärer Mortalität und Krebsmortalität. Zu einem ähnlichen Schluss kam eine koreanische Metaanalyse. Weder unter Östrogen Monotherapie noch unter Kombinationstherapie konnte eine Verschlechterung der Überlebensraten aufgezeigt werden, im Gegenteil ergaben sich Hinweise auf eine geringe, nicht signifikante Verbesserung. Eine 2016 im New England Journal publizierte Berichtigung von 2 der Autoren der WHI-Studie führte zu einem kleinen Erdbeben. Nach deren Einschätzung seien die Resultate der WHI-Studie unangemessen verwendet worden, um Entscheidungen bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren, die unter Wallungen leiden, zu treffen. Viele Nebenwirkungen der WHI-Studie würden sich nicht auf jüngere Frauen anwenden lassen. Der minimale Anstieg von Herzkrankheiten, Stroke und Brustkrebs in der Gruppe der Kombinationsbehandlung wird durch die reduzierte Gesamtmortalität mehr als kompensiert, nebst einer Reduktion an Frakturen und Diabetes. Die Resultate unter Östrogen-Monotherapie sind noch günstiger. Konkret ist das Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse im Alter < 60 Jahre mit 1-2/ 10 000 Frauenjahre sehr klein, jedoch im Alter > 60 signifikant erhöht. Es gibt ein optimales Fenster für eine Hormonsubstitution, man soll eine solche nicht bei Frauen über 60 Jahre beginnen. Bei Frauen unter 60 Jahre soll nach zusätzlichen Risiken gemäss Framingham Risk Score geforscht werden und positivenfalls eine transdermale Substitution, die ein etwas weniger grosses Risiko aufweist, in Betracht ziehen. Das gleiche gilt bei Risiko für venöse Thromboembolien. Zusammenfassend hält die Referentin fest, dass bei starken menopausalen Symptomen, wie insbesondere starken Hitzewallungen, Östrogene und Gestagene gegeben werden dürfen. Prophylaktische Ziele stellen eher keine Indikation dar. Es gibt ein günstiges Fenster – wenn die Ersatztherapie innert 10 Jahren nach der Menopause respektive vor dem 60. Lebensjahr gegeben wird, übersteigt der Nutzen das Risiko. Möglichst nicht länger als 5 Jahre. Bei persistierendem Leidensdruck kann versucht werden, die Dosierung ausschleichend auf das tiefst mögliche Niveau zu reduzieren. Der Begriff der «bioidentischen Hormone» ist nicht einheitlich definiert, einige Autoren verwenden den Ausdruck für 17-beta-Estradiol (v.a. transdermal in Gel und Pflaster verwendet) im Gegensatz zu Estradiol-Valerat. Bei allen Östrogenen gilt die Pflicht zur Kombination mit Gestagenen bei erhaltenem Uterus.

«Wie beraten wir Patientinnen über Brustkrebsrisiko im Zusammenhang mit topischen Östrogenen und oralen Verhütungsmitteln». Basierend auf einer dänischen Register Studie kommt die Referentin zum Schluss, dass das Brustkrebsrisiko in Abhängigkeit von der Anwendungsdauer gering erhöht ist, das relative Risiko steigt nach 5 - 10-jähriger Anwendung auf rund 1.3 und nach über 10 Jahren auf 1.5. Dabei muss berücksichtigt werden, dass eine Reihe von weiteren Faktoren das Risiko ebenfalls um rund 20% steigern, wie z.B. Obesitas oder moderater Alkoholkonsum. Sicher ungünstig ist die Kombination all dieser Risikofaktoren, während der alleinige Östrogengebrauch bei einer schlanken, sportlichen Person ohne signifikanten Alkoholkonsum klinisch kaum ins Gewicht fällt. Dementsprechend ist eine kombinierte hormonelle Kontrazeption gemäss der neuesten Empfehlung des CDC sogar bei Patientinnen mit gutartigen Brusterkrankungen und bei positiver Familienanamnese für Brustkrebs ohne Einschränkung möglich.
Hingegen ist eine menopausale Hormonsubstitution während oder nach einem Mammakarzinom ein absolutes «no go». Eine entsprechende randomisierte Studie musste abgebrochen werden, nachdem innert 2,1 Jahren unter Hormonsubstitution das Risiko für ein Brustkrebsereignis um den Faktor 3,3 auf über 25% gesteigert war.
Zur Frage, ob wenigstens lokal Östrogene nach Brustkrebs eingesetzt werden können, erläutert eine aktuelle ACOG Commitee Opinion, dass üblicherweise lokal Estriol, E3, angewendet wird, welches als grosses Molekül kaum resorbiert wird und dementsprechend die Östrogenwerte im Blut kaum ansteigen. Ausnahme bei Patientinnen unter Therapie mit Aromatasehemmern. Aktuelle Daten zeigen keine erhöhte Rückfallraten. Trotzdem sollen lokale Östrogene in dieser Population nur bei fehlender Wirksamkeit anderer lokaler Applikationen, wie Befeuchtungsmittel o.ä. angewendet werden.

«Wie beeinflusst die Brustdichte unser Vorgehen in der Brustkrebsvorsorge?». Die Dichte der Brust wird in 4 Kategorien eingeteilt, «Primär Fett», «Fibroglandulär», «Heterogen» und «Extrem dicht». Die mittleren beiden sind am häufigsten anzutreffen, die Dichte nimmt tendenziell mit dem Alter zu, so dass v.a. Frauen ab 50 von einem Screening profitieren, während bei jüngeren Frauen die Bildgebung oft falsch positiv ist oder nicht aussagekräftig. Das ist eine Frage an den Radiologen, aber Frau Dr. von Orelli nimmt sie zum Anlass, grundsätzlich auf das Thema Brustkrebsvorsorge einzugehen. Sie ist in der Schweiz nicht einheitlich organisiert, so dass oft ein sog. wildes Screening durchgeführt wird. Für die Referentin ist essenziell, dass Frauen über das Mammographie Screening informiert sind, wenn sie sich ihm unterziehen. Als Grundlage ist das Faktenblatt der Krebsliga nützlich. Von 1000 Frauen mit Screening benötigen 250 weitere Abklärungen wegen unklaren Befunden. Schlussendlich kann die Diagnose bei 65 Frauen gestellt werden, davon versterben 20 am Brustkrebs. Bei 1000 Frauen ohne Screening wird in 55 Fällen die Diagnose gestellt, davon versterben 16 an Brustkrebs, also 4 weniger als mit Screening. Von den 10 häufiger diagnostizierten Fällen werden lediglich 4 gerettet, bei den übrigen bestehen Überdiagnosen und Übertherapien. Ein Vorteil bezüglich Gesamtmortalität besteht nach ungezieltem Screening nicht! Im 2014 publizierten Canadian Trial fand sich sogar über 25 Jahre kein Vorteil bezüglich Brustkrebs-spezifischer Mortalität. So kommt Frau Dr. von Orelli zum Schluss, dass keine Empfehlungen bestehen zu einer Änderung des Screenings bei erhöhter Brustdichte und auch in Leitlinien keine Empfehlungen für den Einsatz von CT oder Tomosynthese. Jedoch favorisiert die Referentin, Frauen mit einem hohen à priori-Risiko (>20% Lebensrisiko) zu identifizieren und diese dann einer Beratung für genetische Testung und gegebenenfalls einer intensivierten Bildgebund mit MRI zuzuführen. Dazu eignet sich der modifizierte IBIS Kalkulator, welcher neben dem neuen Kriterium Brustdichte das Alter, den BMI, die Parität, Alter bei Menarche, Familienanamnese für Brust- oder Ovarialkarzinom, Ashkenazy Jüdische Herkunft, eigene Anamnese für High Risk Läsionen, lobuläres Ca in situ oder Ovarialkarzinom, Menopausenstatus und menopausale Hormontherapie berücksichtigt
(http://www.ems-trials.org/riskevaluator/).

Quelle: VZI Highlights from Philadelphia, 4. Juli 2019, Lake Side, Zürich

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
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Therapieempfehlungen für primäre Kopfschmerzen

Die Schweizerische Kopfwehgesellschaft SKG hat kürzlich die 10., vollständig überarbeitete Auflage ihrer Therapieempfehlungen für primäre Kopfschmerzen herausgegeben und diese mit einem praktischen Kopfschmerzalgorithmus für den Hausarzt ergänzt. Sie beruhen auf wissenschaftlicher Evidenz und/oder auf der klinischen Erfahrung der Autoren und sind unter www.headache.ch aufgeschaltet. Ziel der Behandlung von primären Kopfschmerzen ist die Verbesserung der Lebensqualität.

Die 25 Seiten umfassende Empfehlung berücksichtigt neben der Erfassung von Warnsignalen die Möglichkeiten der Akutbehandlung und Langzeitprophylaxe von Migräne, Cluster-Kopfschmerz, episodischem und chronischem Spannungs-typ-Kopfschmerz sowie Medikamentengebrauchs-Kopfschmerz. Weiter sind eigene Abschnitte dem Themenkreis Schwangerschaft, Menstruation, Kontrazeption und Menopause gewidmet, den Kopfschmerzen beim Kind, der Neuralgie und den chirurgischen und interventionellen Therapien. Dr. med. Andreas Gantenbein schreibt in der Einleitung: «Unser Leitfaden unterstützt den behandelnden Arzt in seiner praktischen täglichen Arbeit mit Kopfschmerzpatienten bewährterweise in einer Form, die übersichtlich ist und zeitsparend konsultiert werden kann».

Primäre (idiopathische) Kopfschmerzen liegen vor, wenn keine zugrundeliegende, andere Leiden bekannt sind und keine organische Läsion fassbar ist; sie haben eine ausgeprägte Eigengesetzlichkeit und folgen einem bestimmten Zeitmuster. Die wichtigsten primären Kopfschmerzen sind Migräne, Cluster-Kopfschmerzen und Spannungstyp-Kopfschmerzen. Die Diagnose wird nach den aktuellen Kriterien der International Headache Society («International Classification of Headache Disorders», 3rd edition, ICHD-3; www.ihs-headache.org) gestellt. Sekundäre (symptomatische) Kopfschmerzen treten im Rahmen eines anderen Grundleidens, das gesucht und behandelt werden muss, auf.

Warnzeichen sollen aktiv gesucht werden und bei entsprechenden Hinweisen weiterführend diagnostiziert werden: neurologische Ausfälle, systemische Zeichen (Fieber, Meningismus), allgemeine internistische Zeichen, Bewusstseinsstörungen, Alter > 50 Jahre, ungewöhnliche Intensität und Dauer der Schmerzen, rasch einsetzender stärkster Kopfschmerz (Donnerschlag-Kopfschmerz), progrediente Schmerzen, Therapieresistenz.

Allgemeine Aspekte. Die Diagnose soll auch nach Einsetzen der Therapie, insbesondere bei Therapieresistenz, überprüft werden. Die Behandlung erfolgt in erster Linie durch den Hausarzt mit Überweisung an den Kopfschmerzspezialisten bei Therapieresistenz. Cave Medikamentenübergebrauch, insbesondere unkontrollierte Selbstmedikation mit Schmerzmitteln. Modulatoren der Kopfschmerzprobleme erfassen, wie Menstruation, Hormone, Wetter, festgefahrene Situationen usw. Haltung des Patienten beachten und Eigenverantwortung unterstützen. Noxen kontrollieren (Alkohol, Koffein, Nikotin, etc.), innere Ökonomie überprüfen (Freizeit, Tagesrhythmus, Selbstbestimmung, Stressmanagement, etc.). Kopfwehkalender führen (möglichst schon 1 Monat vor Behandlungsbeginn). Festlegung der Behandlungsstrategie: Anfallsbehandlung oder Intervalltherapie versus Langzeitprophylaxe oder beides.

Migräneattacken von geringer Intensität und ohne Behinderung im Alltag. Hier können NSAR und andere Analgetika genügen. Prinzipiell sind alle anwendbar, vorzugsweise als «rapid» oder Granulatform.

Migräneattacken mit mittlerer und hoher Schmerzintensität und Behinderung im Alltag. Die Behandlung erfolgt vorwiegend mit Triptanen. Diese wirken spezifisch bei Migräne, haben die grösste Wirksamkeit und sollten früh eingesetzt werden, jedoch bei Migräne mit Aura nicht in der Auraphase. Zur Auswahl stehen Almotriptan Tbl. 12.5 mg, Eletriptan Tbl. 40/80 mg, Frovatriptan Tbl. 2.5 mg, Naratriptan Tbl. 2.5 mg, Rizatriptan Tbl. 5/10 mg oder Lingualtbl. 5/10 mg, Sumatriptan s.c. 6mg oder Tbl. 50 mg oder Nasalspray 10-20 mg sowie Zolmitriptan Tbl. 2.5 mg oder Lingualtbl. 2.5 mg oder Nasalspray 2.5/5 mg. Opioide und Tranquilizer sollten aufgrund ihres hohen Suchtpotentials nicht zur Behandlung der Migräneattacken eingesetzt werden. Im Notfall können Acetylsalicylat, Diclofenac, Metamizol oder Sumatriptan parenteral verabreicht werden oder Zolmitriptan nasal.

Migräne Langzeitprophylaxe. Sinnvoll, wenn mehr als 3 Anfälle im Monat (> 5 Tage), sehr schwere oder lang andauernde Anfälle, protrahierte oder gehäufte Auren, Unverträglichkeit von Akuttherapeutika, bei Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz, bei ausgeprägter Beeinträchtigung der Lebensqualität und bei Patientenwunsch. Nicht-medikamentöse Zusatztherapien sind wichtig. Neu findet sich für die Migräne und für Cluster-Kopfschmerzen zunehmende Evidenz einer Wirksamkeit von transdermaler Elektrostimulation, transkranieller Gleichstrom- und Magnetstimulation. Bei der Langzeitprophylaxe mit Medikamenten haben Komorbiditäten einen Einfluss auf die Medikamentenwahl. Zudem können erwünschte Nebenwirkungen gezielt eingesetzt werden. Bei der Prophylaxe mit Lamotrigin und Topiramat ist auf Interaktionen mit hormonalen Kontrazeptiva zu achten! Topiramat und Valproat sind teratogen und dürfen nur unter sicherer Antikonzeption eingesetzt werden! An Medikamentenklassen stehen Antidepressiva, Antikonvulsiva, Betablocker und Antihypertensiva zur Verfügung sowie Kalziumantagonisten, natürliche Substanzen u.a. Neu sind die mit Limitationen versehenen CGPR-Antikörper zu erwähnen, wie Erenumab, und Galcanezumab. Fremanezumab ist in der Schweiz noch nicht zugelassen.
Bei der Attackenbehandlung von Cluster-Kopfschmerzen kommen neben Maskeninhalation von 100% O2 Sumatriptan und Zolmitriptan zum Einsatz. Ein Prednisonstoss kann die Episoden verkürzen.

Chronische Spannungstyp-Kopfschmerzen. Hier steht die Langzeitprophylaxe im Vordergrund mit täglichen Entspannungsübungen, Ausdauertraining und Biofeedback-Therapie. Als Medikamente am besten in einem multidisziplinären Behandlungsprogramm kommen Amitriptylin, Mirtazapin oder Venlaflaxin zum Einsatz.

Chronische Migräne & Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerzen (MÜKS). Bei regelmässiger Einnahme von Akutmedikamenten besteht die Gefahr eines chronischen Kopfschmerzes durch Übergebrauch. Deshalb soll eine Obergrenze von maximal 10 Einnahmetagen pro Monat berücksichtigt werden. Die wichtigste Massnahme: vollständiger Entzug der Akutmedikamente für mindestens 4 Wochen.

Schwangerschaft. Bei der Behandlung von Kopfschmerzen in der Schwangerschaft steht die Unschädlichkeit der Behandlung im Vordergrund. In schweren Fällen können Paracetamol zur Akutbehandlung und Magnesium zur Prophylaxe eingesetzt werden.

Die Empfehlungen werden abgerundet durch Ratschläge zum Management von Kontrazeption, Menopause und Hormonersatz bei Migräne, Kopfschmerzen bei Kindern, Neuralgie sowie Informationen zu chirurgischen und interventionellen Therapien bei primären Kopfschmerzen. Eine Vorstellung der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft fehlt ebenso wenig wie eine Zusammenstellung der 10 Schlüsselfragen zur Kopfschmerz-Diagnostik und der erwähnte wirklich praxisnahe Abklärungs-Algorithmus. Ein rundum gelungener Leitfaden, der in jede Praxis gehört.

Quelle: Therapieempfehlungen für primäre Kopfschmerzen inkl. Kopfschmerzalgorithmus für den Hausarzt der Schweizerische Kopfwehgesellschaft SKG 10. Auflage, 2019.
https://headache.ch/download/Content_attachments/FileBaseDoc/SKG_Therapieempfehlungen_2019_DE_12_3-seitig_WEB.pdf

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

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Ein vergessener Ort hoch über der Magadinoebene

Die Alpe di Ruscada liegt am bergseitigen Ende der unwegsamen Valle di Cugnasco, einem der wenig beachteten kleinen Täler unmittelbar nördlich der Piano di Magadino. Die Alp ist eingebettet zwischen den Felskreten des Madonetto im Westen und der Cima di Morisciolo im Osten. Gegen Norden begrenzt die Cima dell’Uomo die Alpweiden. Ein kleiner Pass erlaubt den Übergang in die Val della Porta der Valle Verzasca mit den weiten Weiden der Alpe Mognora und der Capanna Borgna, die aus den Häusern des obersten Stafels dieser Alp errichtet wurde. Vor rund 40 Jahren war auch dieser oberste Stafel noch mit Grossvieh bestossen und übernachteten wir dort in der zugigen Alphütte, wärmten uns am offenen Feuer, dessen Rauch zwischen den Steinplatten des Daches und durch die offene Tür abzog. Heute erwarten uns zwei komfortable Selbstversorgerhütten, in denen nicht nur Gas- und Holzherd zur Verfügung stehen, sondern auch eine warme Dusche möglich ist.
Eine Fahrstrasse führt gegen Nordwesten von Cugnasco über Agarone und Monti di Ditto zu den Monti di Motti hinauf. In der Val del Carcale zweigen wir bei der Höhenquote 1028 Meter gegen Südosten ab und erreichen nach kurzer Zeit den Parkplatz bei der Barriere auf den Monti della Motta. So lassen sich die ersten 900 Höhenmeter leicht überwinden. Zu Fuss folgen wir weiter der Fahrstrasse bis zu den Häusern der Monti della Gana. Hier zweigt ein Bergweg gegen Osten ab und schwenkt später gegen Nordosten in die Valle di Cugnasco ein. Talseitige Abzweigungen lassen wir unbeachtet. Immer steiler fallen die Talflanken in die Schlucht, bis der gute Weg eine überhängende Felswand umgeht und schliesslich in östlicher Richtung zu den Alpweiden von Ruscada mit den Corti di fondo, di mezzo und di cima hinüberleitet. Nun lassen wir die letzten Geräusche des hektischen Lebens unten in der Ebene endgültig hinter uns zurück und sind plötzlich von einer tiefen Stille umgeben, die nur noch vom Rauschen des Baches durchbrochen wird. Jetzt im Herbst erstrahlt der Bergwald in den herrlichsten Farben, leuchten die Alpweiden goldgelb (Abb. 1).

Abb. 1: Alpe di Ruscada, Corte di fondo

Beim Corte di mezzo können wir uns noch nicht für ein Bad in einem der grün schimmernden Felsenbecken motivieren und folgen gleich dem Pfad in exakt nördlicher Richtung zum Corte di cima, wo wir Mittagsrast halten. Die aus dem anstehenden Gneis erbauten Alphütten verschmelzen mit den Geröllhalden, die vom Madonetto herunterziehen. Einige kleine und ein grösseres Stallgebäude sind direkt an oder unter Felsblöcke gebaut, eine mächtige Felsplatte diente als Dach für einen Keller, in dem Milch, Butter und Käse kühl gelagert werden konnten. Das am weitesten talwärts liegende Stallgebäude wurde bergwärts durch eine massive Steinmauer gegen Steinschlag und Lawinen geschützt. Ein Rundgang macht einerseits deutlich, unter welch einfachen Bedingungen die Menschen noch im letzten Jahrhundert die Sommermonate in dieser Abgeschiedenheit verbringen mussten, sich andererseits aber auch auf äusserst geschickte Weise den Gegebenheiten der Natur anzupassen wussten (Abb. 2).

Abb. 2: Alpe di Ruscada, Corte di cima

Immer gegen Norden steigen wir zu dem kleinen Passübergang auf, über den wir später gegen Südwesten die Capanna Borgna erreichen. Vorerst gönnen wir uns allerdings noch ein herbstlich erfrischendes Bad in einem der letzten Wasserbecken des Baches und lassen uns anschliessend in der warmen Sonne trocknen. Auf Borgna treffen wir zwar keine Menschenseele an, werden dafür aber durch eine grosse Herde schwarzer Ziegen der Nera Verzasca-Rasse begrüsst. Diese nehmen sich neugierig unserer glücklicherweise gut verschlossenen Rucksäcke an, während wir den Schalensteinen nachgehen, die auf eine bereits sehr frühe Besiedelung der Valle Verzasca hinweisen. In der Hütte findet sich eine Beschreibung dieser Steine.
Für den Abstieg wählen wir den Pfad, der gegen Süden zur Forcola östlich der Cima di Sassello quert und danach in mehreren langen Kehren zu den Monti di Gana zurückführt. Vorerst beherrscht uns der weite Rundblick vom Pizzo di Vogorno über die Val della Porta bis hin zu den Walliser Alpen, später der Tiefblick auf die Piano di Magadino und den Lago Maggiore (Abb. 3).

Abb. 3: Im Abstieg zur Forcola mit Blick auf die Val della Porta und den Corte di fondo der Alpe Mognora

Wir können uns nicht genug sattsehen am herbstlichen Aufflammen der Farbenpracht, bevor der Winter seinen Einzug halten wird. Entlang der Fahrstrasse zurück zu den Monti della Motta leuchtet hoch über uns die Felszinne des Sassariente im abendlichen Licht und lässt uns den harten Strassenbelag vergessen (Abb. 4).

Abb. 4: Routenverlauf

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

Stellungnahme der 5 Universitätskliniken für Kardiologie der Schweiz sowie der SGK

Es kommt sehr selten vor, dass eine wissenschaftliche Studie eine Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie zu Folge hat. Dies zeigt die Tragweite der Resultate des ISCHEMIA Trial (International Study of Comparative Health Effectiveness With Medical and Invasive Approaches) im Alltag!

Der ISCHEMIA Trial ist eine relevante, grosse, qualitativ hochstehende und durch eine angesehene akademische Gruppe durchgeführte, am AHA Kongress vorgestellte, jedoch noch nicht publizierte Studie, die durch die National Institutes of Health in den USA unterstützt wurde.

Studiendesign: Strategie-Trial

Sie vergleicht zwei sich nicht gegenseitig ausschliessende Behandlungsstrategien:

  • Die invasive Strategie bestehend aus medikamentöser Therapie, Herzkatheteruntersuchung (durchgeführt bei 98% aller Patienten) sowie Revaskularisation (80% aller Patienten) falls möglich mittels PCI/Stent (74% der Patienten) oder ACB-Operation (26% der Patienten)
  • Die konservative Strategie, bestehend aus medikamentöser Therapie und Möglichkeit des Cross-Over im Fall eines Therapieversagens (28% Cross-Over innerhalb von 3.3 Jahren).

Studien-Population

Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit (chronisches Koronarsyndrom – CCS), mindestens moderater Ischämie und verblindet durchgeführter CT-Angiographie der Koronargefässe zwecks Ausschluss einer Hauptstamm-Stenose und Nachweis mindestens einer signifikanten Koronarstenose. Welche Patienten wurden ausgeschlossen? Patienten mit medikamentös unkontrollierter Angina-Pectoris-Symptomatik, Herzinfarkt (i.e. akutes Koronarsyndrom (ACS)), eingeschränkter Pumpfunktion, schwerer Herzinsuffizienz, schwerer Niereninsuffizienz, PCI oder ACB-Operation während des vorangegangenen Jahres.

Ergebnisse

Zwei Präsentationen, welche am AHA Kongress erstmals präsentiert wurden, sind relevant

  • Die klinischen Outcome Ergebnisse des primären Endpunkts sowie der sekundären Endpunkte
  • Die Ergebnisse der Lebensqualitäts-Analyse (QoL), Angina- Pectoris-Häufigkeit und physischen Belastbarkeit.

Zusammenfassung der klinischen Outcome-Resultate über 3.3 Jahre mediane Verlaufskontrolle:

1. Kein signifikanter Unterschied der Strategien (invasiv 13.3% versus konservativ 15.5%, HR = 0.93, CI 0.80-1.08, p = 0.34) hinsichtlich des primären Endpunkts (kardiovaskulären Tod, Myokardinfarkt, Hospitalisation für instabile Angina Pectoris oder Herzinsuffizienz oder überlebten plötzlichen Herztod).
2. Kein signifikanter Unterschied der Strategien (invasiv 11.7% versus konservativ 13.9%, HR = 0.90, CI 0.77-1.06, p = 0.21) hinsichtlich des sekundären Endpunkts kardialer Tod und Herzinfarkt.
3. Der Endpunkt Herzinfarkt zeigte eine zeitabhängige Variabilität
a. Höhere peri-prozedurale Herzinfarktrate invasiv
b. Geringere spontane Herzinfarktrate invasiv
Daher kreuzen die Kaplan-Meier-Ereigniskurven nach 2 Jahren für den Endpunkt Herzinfarkt und den primären Endpunkt und driften auseinander zugunsten der invasiven Therapie. Die Prognose von spontanen Myokardinfarkten ist langfristig schlechter als diejenige von periprozeduralen Myokardinfarkten.

Zusammenfassung der Ergebnisse der Lebensqualitäts-Analyse (QoL), Angina Pectoris Häufigkeit und Einschränkung in physischen Aktivitäten
1. Überlegenheit der invasiven gegenüber der konservativen Strategie hinsichtlich aller gemessenen Parameter (Lebensqualität, Häufigkeit Angina Pectoris und physische Belastbarkeit)
2. Der Effekt war unmittelbar nach Revaskularisation erkenntlich und unverändert erhalten während des Langzeitverlaufs
3. Wahrscheinlichkeit für Verschwinden der Angina in Abhängigkeit von der Häufigkeit zu Studienbeginn
a. Invasiv 45%
b. Konservativ 15%
Absolute Risikoreduktion 30% entsprechend einer Number Needed to Treat von 3 (d.h. 3 Patienten werden behandelt, um bei einem die Angina komplett zum Verschwinden zu bringen, für eine medizinische Intervention sehr wirksam)
4. Geringere Einnahme anti-anginöser Medikamente in der invasiven Gruppe

Interpretation

1. ISCHEMIA zeigt, dass Patienten mit symptomatischer, stabiler koronarer Herzkrankheit, die den Einschlusskriterien entsprechen, einen grossen therapeutischen Nutzen hinsichtlich Lebensqualität, Freiheit von Angina Pectoris und physischer Belastbarkeit zugunsten der invasiven Strategie aufweisen. Daher ist die invasive Strategie eine sehr wertvolle Therapie in der Behandlung von symptomatischen, sonst gesunden und aktiven Patienten.
2. ISCHEMIA unterstreicht die hohe Wirksamkeit der medikamentösen Therapie, die bei allen Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung als Basistherapie etabliert sein sollte –
vor allem lipidsenkende Medikamente und Thrombozytenaggregationshemmer.
3. ISCHEMIA zeigt, dass Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit, die den Einschlusskriterien entsprechen, keinen nachweisbaren Nutzen hinsichtlich ischämischer Ereignisse (Tod, Herzinfarkt) während der Verlaufskontrolle über 3,5 Jahre mit einer invasiven Strategie aufweisen.
4. Der Verlauf der Ereigniskurve (bimodale Distribution) der Herzinfarkte erfordert jedoch den Langzeit-Verlauf zu untersuchen, um zu bestimmen, ob die Unterschiede hinsichtlich spontaner Myokardinfarkte sich weiter zugunsten der invasiven Gruppe fortsetzen werden.
5. Die Studienresultate beziehen sich ausschliesslich auf Patienten, welche in die Studie eingeschlossen wurden und dürfen nicht auf andere Populationen übertragen werden. Patienten mit Herzinfarkt (> 50% aller behandelten Patienten an Tertiärzentren in der Schweiz) profitieren von einem hohen prognostischen Nutzen (Tod und Myokardinfarkt) von einer rasch durchgeführten invasiven Abklärung (Klasse I Indikation). Ebenso sollten stark symptomatische Patienten, solche mit eingeschränkter Pumpleistung des Herzmuskels und Patienten mit Hauptstamm-Stenosen revaskularisiert werden.

Leitlinien-Relevanz

  • Die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie übernimmt die Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie nach Vernehmlassung und offizieller Präsentation am Jahreskongress der SGK. Leitlinien zur myokardialen Revaskularisation wurden 2018 publiziert und Leitlinien zum Thema chronisches koronares Syndrom (CCS) im Jahr 2019.
  • Die Ergebnisse des ISCHEMIA Trials unterstützen die Empfehlungen der aktuellen Leitlinien. Initial wird die Implementierung einer medikamentösen Therapie empfohlen mit der Durchführung von nicht-invasiven Tests bzw. CT Angiographie. Eine invasive Strategie wird empfohlen im Fall von persistierenden Beschwerden, Symptomverschlechterung unter medikamentöser Therapie, Hochrisiko-Konstellationen sowie Medikamentenunverträglichkeit.
  • Im Fall einer invasiven Strategie wird der Nachweis einer relevanten Ischämie bei Patienten mit Symptomen empfohlen.
  • Leitlinien Updates benötigen einen etwa 2-jährigen Review-Prozess und der ISCHEMIA trial wird einfliessen.
  • Aktuell ist der ISCHEMIA Trial noch nicht zur Publikation eingereicht und Leitlinien berufen sich auf publizierte, «peer reviewed» Daten.

Fazit

ISCHEMIA ist eine wichtige Studie, die den Nutzen der Revaskularisation in der Symptomkontrolle von Patienten mit stabiler koronarer Herzkrankheit eindrücklich dokumentiert (Lebensqualität). Des Weiteren zeigt ISCHEMIA, dass die medikamentöse Therapie wichtigste Grundlage für alle betroffenen Patienten ist, und dass die Revaskularisation keinen zusätzlichen Nutzen auf die Lebenserwartung hat. Die Studienresultate sind im Einklang mit den aktuellen Leitlinienempfehlungen sowie den Empfehlungen für die Behandlungspraxis in der Schweiz.

Diese Stellungnahme wurde verfasst von:
Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie (SGK)
Swiss Working Group Interventional Cardiology der SGK
Universitätsspital Basel (USB)
Inselspital, Universitätsspital Bern (Inselspital)
Hôpitaux universitaires Genève (HUG)
Centre hospitalier universitaires vaudois (CHUV)
UniversitätsSpital Zürich (USZ)

Vertreter SGK
Prof. Dr. med. Giovanni Pedrazzini, Präsident SGK
Dr. med. Daniel Weilemann, Präsident Swiss Working Group Interventional Cardiology

Vertreter Universitätsspitäler
Prof. Dr. med. François Mach, médecin-chef de service,
Service de cardiologie, HUG
Prof. Dr. med. Olivier Muller, médecin-chef de service,
Service de cardiologie, CHUV
Prof. Dr. med. Stefan Osswald, Chefarzt, Kardiologie, USB
Prof. Dr. med. Frank Ruschitzka, Klinikdirektor, Universitäres Herzzentrum Zürich, USZ
Prof. Dr. med. Stephan Windecker, Direktor und Chefarzt,
Universitätsklinik für Kardiologie, Inselspital

Ansprechperson für weitere Auskünfte:

Prof. Dr. med. Giovanni Pedrazzini, giovanni.pedrazzini@cardiocentro.org

Experteninterviews ESC 2019 – Paris

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Isabella Sudano, Universitätsspital Zürich

Welche neuen Studienergebnisse haben Sie besonders interessiert? Welche waren enttäuschend?

Die Ergebnisse des DAPA-HF waren für mich sehr interessant und besonders relevant für meine Praxis.
Andere Studien wie die Phase-3-Studie ORION-11, die vorliegenden Daten mit Eicosapentaensäure oder Bempedoinsäure waren aus Forschungssicht auch sehr interessant.
Mit Interesse habe ich die Ergebnisse der familiären Hypercholesterinämie-Studienkooperation, die letzten Daten aus der PURE-Studie oder die aktuelleren Daten zur Lipid- und Blutdruckkontrolle verfolgt.
Ich bin normalerweise von den Studienergebnissen nie enttäuscht, da jedes Ergebnis interessant und nützlich ist, um unser Wissen zu erweitern.

Werden die Ergebnisse der DAPA-HF-, COMPLETE- und ISAR-RCT-Studie Ihren klinischen Alltag beeinflussen?

Die Ergebnisse der DAPA-HF werden sicherlich einen Einfluss auf meine klinische Tätigkeit haben, die Ergebnisse der COMPLETE- und ISAR-RCT-Studie sind für mich weniger relevant.

Wie beurteilen Sie die Resultate der PARAGON-HF-Studie?

Auch wenn der primäre Endpunkt der Studie nicht erreicht wurde, deuten die Ergebnisse der PARAGON-Studie darauf hin, dass die Behandlung mit Entresto zu klinisch wichtigen Vorteilen führen kann, insbesondere bei Untergruppen von Patienten (Frauen und Patienten mit einer EF gleich oder niedriger als der Median von 57%) mit Herzinsuffizienz mit konservierter Ejektionsfraktion (HFpEF), einer heterogenen Art von Herzinsuffizienz ohne zugelassene Behandlung.

Gibt es interessanteste medikamentöse Innovationen?

Daten über neue lipidsenkende Medikamente wurden am ESC-Kongress vorgestellt, und auch wenn diese Medikamente in Kürze nicht in unserer klinischen Praxis zur Verfügung stehen werden, denke ich, dass Inclisiran- oder Bempedoinsäure in Zukunft von grossem Interesse sein könnten.

Welche Auswirkung haben die neu vorgestellten Guidelines für Ihre Praxistätigkeit?

Die neuen Cholesterin-Guidelines haben die Zielwerte noch einmal gesenkt. Sind diese Werte realistisch? Wie können sie erreicht werden? Wie werden Sie im klinischen Alltag die Richtlinien umsetzen?
Unter den 5 neuen Leitlinien, die am ESC-Kongress vorgestellt wurden, werden die Leitlinien für Dyslipidämie, Diabetes und chronischem Koronarsyndrom die grösste Bedeutung für meine klinische Praxis haben. Die neuen Zielwerte für LDL werden durch die aktuell verfügbaren Studien unterstützt, und auch wenn sie in manchen Fällen schwer zu erreichen sein werden, denke ich, dass es richtig ist zu zeigen, dass das Erreichen solcher Zielwerte das Risiko eines atherosklerotischen Ereignisses reduzieren wird.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit PD Dr. med. Micha Maeder, Kantonsspital St. Gallen

Welche neuen Studienergebnisse haben Sie besonders interessiert? Welche waren enttäuschend?


Am diesjährigen ESC-Kongress wurden diverse sehr interessante und wegweisende Studien vorgestellt. Mein Hauptinteresse galt den Daten zur Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz und zur Therapie des akuten Koronarsyndroms. Enttäuschende Ergebnisse gab es keine. Im Bereich Herzinsuffizienz war die DAPA-HF-Studie von Dr. John McMurray ein absolutes Highlight mit dramatischen Ergebnissen. Die PARAGON-HF-Studie von Dr. Scott Solomon und die GALACTIC-Studie von Prof. Christian Mueller lieferten auf den ersten Blick «negative», besser neutrale Ergebnisse, haben aber sehr interessante Erkenntnisse geliefert, welche das Feld weitergebracht haben. Im Bereich akutes Koronarsyndrom hat die COMPLETE-Studie bestätigt, was viele dachten und schon praktizieren, während die ISAR-REACT 5-Studie ein für viele eher unerwartetes Resultat hervorgebracht hat, welches zum Nachdenken zwingt.

Werden die Ergebnisse der DAPA-HF-, COMPLETE- und ISAR-RCT-Studie Ihren klinischen Alltag beeinflussen?

Alle diese Studien werden unsere Praxis über kurz oder lang beeinflussen. Zu DAPA-HF: diese Studie stellt einen Meilenstein dar, da gezeigt wurde, dass ein neues Medikament aus einer neuen Medikamentenklasse, welche sich von der etablierten RAAS-Blockade unterscheidet, das Überleben verbessert und Herzinsuffizienz-Hospitalisationen verhindert, und dies in einer HFrEF-Population mit sehr guter Basis-Therapie. Diese Ergebnisse werden mit Sicherheit in die nächsten HF-Guidelines einfliessen, wobei es wichtig sein wird, wie die anderen Endpunktstudien der anderen SGLT2-Hemmer ausfallen werden. Ich bin sehr gespannt, wie die SGLT2-Hemmer (bzw. aktuell Dapagliflozin) in den aktuellen HFrEF-Behandlungsalgorithmus integriert werden. Zu COMPLETE: wir werden nun sicher am Konzept der möglichst kompletten Revaskularisierung von Patienten mit STEMI und Mehrgefässerkrankung festhalten soweit dies Sinn macht (Viabilität des Myokards). Wir wissen nun aber auch, dass wir einen Zweiteingriff nicht innert weniger Tage durchführen müssen, sondern dies sicher auch im Rahmen einer zweiten Hospitalisation innert Monatsfrist tun können. Parallel werden ergänzende Studienresultate einfliessen, welche uns informieren werden, wie wir die Relevanz von non-culprit-Läsionen überprüfen sollen, und über das Timing der Intervention an der non-culprit-Läsion. Zu ISAR-REACT 5: die Überlegenheit von Prasugrel gegenüber Ticagrelor (kombinierter Endpunkt; kein Unterschied bezüglich Mortalität) hat viele überrascht und den Stellenwert von Prasugrel klar gefestigt. Schon nur in der Schweiz existieren in verschiedenen Kliniken x verschiedene Schemata, wie beim ACS bezüglich Einsatz der dualen Thrombozytenaggregationshemmung zu verfahren ist. Es wird nun nicht einfacher werden. Sicher ist aber, dass Prasugrel bei invasiv behandelten Patienten mindestens so gut wie Ticagrelor verwendet werden kann. Vorteile von Prasugrel umfassen die einmal tägliche Gabe und das fehlende Problem der Dyspnoe. Man darf die Dosisreduktion bei den älteren und leichteren Patienten aber nicht vergessen. Ticagrelor bleibt das breiter einsetzbare Medikament, da es auch bei konservativ behandelten Patienten gegeben werden kann, und das ist ja initial nicht immer klar.

Wie beurteilen Sie die Resultate der PARAGON-HF-Studie?

Das Ergebnis der PARAGON-Studie ist auf den ersten Blick neutral und damit ernüchternd. Die Daten zeigen klar, dass wir für die echten HFpEF-Patienten (LVEF klar über 50%) keine Therapie haben. Diese Patienten haben auch einen völlig anderen Phänotypen als die HFrEF-Patienten, so dass wir nicht erwarten konnten, dass ein Medikament, das einen günstigen Remodeling-Effekt bei HFrEF (Grössenreduktion des linken Ventrikels, Verbesserung LVEF) hat, auch eine strukturelle und funktionelle Verbesserung bei HFpEF (Vergrösserung des Cavums?, Reduktion Myokardhypertrophie, Verbesserung Relaxation und «Stiffness») bewirkt. Hier stehen wir weiter an. Einen eindeutig günstigen Effekt (eine Interaktion, die Studie war nicht dafür gepowert) hat PARAGON-HF im Stratum der Patienten mit relativ tiefer LVEF (die Studie hat Patienten bis LVEF 45% eingeschlossen) gezeigt. Dies passt ausgezeichnet zu den post hoc-Ergebnissen von CHARM-preserved und TOPCAT, wo Patienten bis LVEF von 40% bzw. 45% eingeschlossen worden waren, welche anders (günstig) als die echten HFpEF-Patienten auf Candesartan bzw. Spironolacton angesprochen haben. Somit formiert sich Evidenz für eine Behandlung von Patienten mit LVEF 40-50% («midrange» LVEF, HFmrEF) mit Angiotensinrezeptorblockern, Spironolacton und Sacubitril. Interessant ist die Tatsache, dass CHARM-preserved für die Patienten mit LVEF 40-50% schon einen Effekt des Angiotensinrezeptorblockers gegenüber Placebo gezeigt hat, und dass uns nun PARAGON-HF (Angiotensinrezeptorblocker+Neprilysin-Inhibitor versus Angiotensinrezeptorblocker allein) informiert hat, dass der Neprilysin-Inhibitor einen zusätzlichen Benefit bringt.

Gibt es interessanteste medikamentöse Innovationen?

Aus meiner Sicht klar die Einführung der SGLT2-Hemmer in der Therapie der Herzinsuffizienz. Sehr gespannt bin ich auf die Resultate der weiteren Studien der anderen SGLT2-Hemmer bei HFrEF, aber auch auf diejenigen der Studien bei HFpEF.

Welche Auswirkung haben die neu vorgestellten Guidelines für Ihre Praxistätigkeit?

a) Wie werden sich die neuen Guidelines zur chronischen koronaren Herzkrankheit auf die Abklärung von Patienten mit Angina Pectoris auswirken? Was bedeutet das für die Praxis?
Die neuen Guidelines haben sich von fixen Abklärungs-Algorithmen entfernt und propagieren ein flexibles Konzept des Einsatzes von Koronarangiografie, CT-Koronarangiografie und nicht-invasivem Test in Abhängigkeit von der Vortestwahrscheinlichkeit (deren Berechnung nun differenzierter erfolgt) aber auch lokaler Expertise. Für die Diagnostik wurde die CT-Koronarangiografie weiter aufgewertet, während die Ergometrie verlor. Notabene kann die Ergometrie immer noch zur Risikostratifizierung eingesetzt werden. Wir werden lernen müssen, mit diesem Konzept umzugehen.

b) Die neuen Cholesterin-Guidelines haben die Zielwerte noch einmal gesenkt. Sind diese Werte realistisch? Wie können sie erreicht werden? Wie werden Sie im klinischen
Alltag die Richtlinien umsetzen?
Diese Empfehlungen sind wissenschaftlich nachvollziehbar, werden aber oft nicht erreicht werden können. Sehr gut finde ich das Konzept einer lebenslangen Risikofaktoren-Optimierung. Die nicht-pharmakologischen Massnahmen (Ernährung, Gewichtsmanagement, Training, Nikotinabstinenz) sind essentiell, werden aber oft nicht ausreichend umgesetzt. Hier liegt sehr viel Potential. Ich finde den Einsatz von sehr teuren Cholesterin-Senkern nur sinnvoll, wenn hier alles wirklich optimiert ist.

Ihre persönlichen Highlights vom ESC-Kongress 2019?

Neben DAPA-HF und PARAGON-HF sicher die Präsentation der GALACTIC-Studie durch Prof. Christian Mueller. Diese Studie, bei der wir ein Studienzentrum waren, hat sehr wichtige Information bezüglich des Managements von Patienten mit akuter Herzinsuffizienz erbracht. Insbesondere wissen wir nun, dass eine frühe und aggressive kombinierte Vasodilatatoren-Therapie gegenüber einer Standard-Therapie keine sicheren Vorteile bringt. Andererseits bestätigt die Studie den Stellenwert der Schleifendiuretika bzw. die Wichtigkeit einer effizienten «Decongestion» in den ersten Tagen der Dekompensation.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Franz Eberli, Stadtspital Triemli, Zürich

Welche neuen Studienergebnisse haben Sie besonders interessiert?


Es sind die Studien, welche sich mit Indikationsstellungen für Interventionen und Studien, welche die Nachbetreuung von Patienten untersucht haben, die mich als interventionellen Kardiologen natürlich besonders interessiert haben. Die COMPLETE-Studie untersuchte, ob bei Patienten mit Myokardinfarkt und einer Mehrgefässerkrankung nur das Infarktgefäss oder alle stenosierten Gefässe routinemässig revaskularisiert werden sollen. Patienten, welche vollständig revaskularisiert wurden, haben im Verlauf nicht nur weniger häufig erneut mittels PCI behandelt werden müssen, sie haben in den nächsten drei Jahren auch weniger Myokardinfarkte erlitten und weniger Patienten sind verstorben. Damit ist nun klar, dass Patienten mit Mehrgefässerkrankung vollständig revaskularisiert werden sollen. In der COMPLETE-Studie wurde die Revaskularisation einige Tage bis einige Wochen nach der primären PCI durchgeführt. Zu prüfen bleibt, ob die vollständige Revaskularisation während der primären PCI noch bessere Resultate bringt oder ob sie eventuell gefährlich ist.
Bei Patienten mit Vorhofflimmern und Status nach PCI empfehlen die Guidelines nach einem Jahr eine orale Antikoagulation als Monotherapie. Diese Empfehlung beruhte bis jetzt auf wenig Evidenz. Nun hat die AFIRE-Studie diese Richtlinien gestützt. In AFIRE wurden Patienten mit Vorhofflimmern nach einem Jahr nach PCI randomisiert zu OAK mittels Rivaroxaban-Monotherapie oder zu Rivaroxaban plus einem Plättchenhemmer (Aspirin, Clopidogrel, Prasugrel). Nach zwei Jahren wurde die Studie vorzeitig gestoppt, weil mit der Kombinationstherapie eine höhere Mortalität verbunden war. Die Monotherapie war nicht nur sicherer, sondern auch effizienter. Der Plättchenhemmer kann und soll deshalb bei Patienten mit Vorhofflimmern und KHK nach einer PCI nach einem Jahr gestoppt werden.

Werden die Ergebnisse der DAPA-HF-, THEMIS- und ISAR-REACT-Studie Ihren klinischen Alltag beeinflussen?

Die DAPA-HF-Studie hat das Potential, den klinischen Alltag in der Behandlung der Herzinsuffizienz zu verändern. Die Studie untersuchte den Effekt von Dapagliflozin, einem SGLT-2-Inhibitor, also einem Antidiabetika bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit und ohne Diabetes. Alle in die Studie eingeschlossenen Patienten waren bereits optimal medikamentös eingestellt. Trotzdem hat das Dapagliflozin nicht nur die Rate an Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz und an Verschlechterung der Herzinsiffizienz reduziert, sondern auch die kardiovaskuläre Mortalität gesenkt. Dies galt sowohl für die PatientInnen mit und ohne Diabetes. Der Mechanismus des positiven Effekts bleibt weiterhin unklar. Sollten sich aber die Resultate in anderen, bereits laufenden Studien mit SGLT-2-Inhibitoren bewahrheiten, so werden die SGLT-2-Inhibitoren als neue Behandlungsmodalität in der Herzinsuffizienztherapie Eingang finden.
Die THEMIS- und ISAR-REACT-Studie werden den klinischen Alltag unterschiedlich beeinflussen. Die THEMIS-Studie untersuchte, ob diabetische Patienten mit koronarer Herzkrankheit, aber ohne durchgemachten Myokardinfarkt, von einer doppelten Plättchenhemmung mit Ticagrelor und Aspirin profitieren. In dieser grossen Studie zeigte sich, dass zwar ein minimer anti-ischämischer Effekt mit der doppelten Plättchenhemmung erreicht wird, dass aber der positive Effekt durch eine Zunahme von klinisch
bedeutsamen Blutungen neutralisiert wird. Die Subgruppenanalyse der Patienten, welche in der Vorgeschichte eine PCI hatten, zeigte zwar einen etwas sichereren Effekt, aber die Resultate waren nicht überzeugend. Die Langzeittherapie mit doppelter Plättchenhemmung bringt dem diabetischen Koronarpatienten daher keinen Nutzen.
Die ISAR-REACT-Studie ist die erste Studie, die die zwei potenten P2Y12-Rezeptorenblocker Ticagrelor und Prasugrel miteinander verglichen hat. Gleichzeitig wurde geprüft, ob das Vorladen (mit Ticagrelor) oder kein Vorladen (mit Prasugrel) überlegen ist. Zur Überraschung selbst der Studienautoren hat bei allen ACS das Prasugrel gegenüber der Therapie mit Ticagrelor den primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall) signifikant gesenkt. Zusätzlich war die Rate der Stentthrombosen tiefer unter Prasugrel als unter Ticagrelor. Da Prasugrel nicht nur offensichtlich effektiver ist im Verhindern von ischämischen Ereignissen nach einem ACS, sondern auch von der Handhabung her einfacher ist (einmal tägliche Einnahme, weniger Nebenwirkung z.B. keine Dyspnoe) als Ticagrelor, wird Prasugrel sicher vermehrt eingesetzt werden.

Wie beurteilen Sie die Resultate der PARAGON-HF-Studie?

Die PARAGON-HF-Studie, welche den Nutzen von Entresto (Salcubitril/Valsartan) bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) untersucht hat, war eine Enttäuschung. Entresto hat bei Patienten mit HFpEF keinen Effekt auf die kardiovaskuläre Mortalität oder die Hospitalisationsrate wegen Herzinsuffizienz gebracht. Die Hoffnung wurde nicht erfüllt, dass wir mit dem Entresto endlich eine Therapie für die HFpEF finden würden. Der Grund dürfte nicht an der Wirksamkeit des Entresto liegen, sondern vielmehr in der Heterogenität der Pathophysiologie der HFpEF. Die Therapien müssen bei Patienten mit HFpEF wahrscheinlich viel genauer auf die Ursache der HFpEF ausgerichtet sein.

Gibt es interessanteste medikamentöse Innovationen?

Die interessantesten Medikamente sind die neuen Medikamente zur Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie. Es werden für die HKM mehrere Medikamente mit ganz neuen Wirkmechanismen entwickelt. Einige kleine Studien sind präsentiert worden, aber für die klinische Anwendung sind die Medikamente noch zu wenig ausgereift.

Welche Auswirkung haben die neu vorgestellten Guidelines für Ihre Praxistätigkeit?

a) Wie werden sich die neuen Guidelines zur chronischen koronaren Herzkrankheit auf die Abklärung von Patienten mit Angina Pectoris auswirken? Was bedeutet das für die Praxis?
Die neuen Guidelines der chronisch koronaren Herzkrankheit reflektieren die sich bereits veränderte Abklärung und Behandlung der chronisch koronaren Herzkrankheit. Sie geben insgesamt der nicht-invasiven Bildgebung, d.h. dem koronaren CT eine grössere Rolle. Das hat sich aber in der Praxis bereits sehr gut etabliert. Wichtig ist auch, dass die neuen Guidelines die Vortestwahrscheinlichkeit für eine KHK wesentlich verändert haben. Die Berechnung der Vortestwahrscheinlichkeit beruht immer noch auf Alter, Geschlecht und Art der Symptome. Nun ist aber die Prozent-Wahrscheinlichkeit massiv reduziert worden. Dadurch werden viele nicht-invasive und invasive Abklärungen nicht mehr nötig werden. Diese Änderung wird die Praxis der Abklärung der KHK deutlich beeinflussen.

b) Die neuen Cholesterin-Guidelines haben die Zielwerte noch einmal gesenkt. Sind diese Werte realistisch? Wie können sie erreicht werden? Wie werden Sie im klinischen Alltag die Richtlinien umsetzen?
Die neuen Cholesterin-Guidelines empfehlen, das LDL-Cholesterin bei Patienten mit sehr hohem Risiko, d.h. bei allen Patienten in der Sekundärprävention unter 1,4 mmol/L, zu senken. Bei Patienten, welche in den letzten zwei Jahren zwei kardiovaskuläre Ereignisse erlitten haben, wird sogar ein Senken des LDL-C unter 1,0 mmol/L empfohlen. In der Primärprävention gelten bei sehr hohem Risiko (z.B. Patienten mit Diabetes und Endorganschaden) ebenfalls ein LDL-C < 1,4 mmol/l als Behandlungsziel. Diese ambitionierten Ziele sind aufgrund der Resultate der Studien mit der Kombination von Statinen mit Ezetrol und/oder den PCSK-9-Inhibitoren gefasst worden. Realistischerweise können die Ziele bei den Patienten nur mit diesen Kombinationstherapien inklusive den PCSK-9-Inhibitoren erreicht werden. Aufgrund der Limitatio, die das BAG korrekterweise für die PCSK-9-Inhibitoren erlassen hat, werden dieselben aber für viele Patienten nicht zur Verfügung stehen. Eine Umsetzung der Richtlinien ist daher erst nach einer Änderung der Limitatio möglich. Der damit verbundene Kostenschub für unser Gesundheitswesen wird aber ohne massive Preisreduktion für die PCSK-9-Inhibitoren enorm sein.

Ihre persönlichen Highlights vom ESC-Kongress 2019?

Der diesjährige ESC Kongress war in meinen Augen der beste ESC-Kongress, den ich je besucht habe. Die Qualität der wissenschaftlichen Beiträge, die vielen ausserordentlich wichtigen Studien, die präsentiert wurden, die lebendigen und innovativen Formate der Präsentationen, nicht zuletzt die ausgezeichneten Informationen über die Social Media, waren enorm stimulierend. Ein grosses Kompliment an die Organisatoren und Programmverantwortlichen!

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Thomas F. Lüscher, FRCP Imperial College London und Universität Zürich

Welche neuen Studienergebnisse haben Sie besonders interessiert? Welche waren enttäuschend?

Der diesjährige ESC-Kongress brachte eine Reihe von bedeutenden Trials, die die klinische Praxis beeinflussen werden. Zudem publizierte das European Heart Journal 5 wichtige ESC-Guidelines zum Lipidmanagement, zu Diabetes, der stabilen Angina (nun Chronic Coronary Syndromes genannt), zur Behandlung supraventrikulärer Tachykardien und der Lungenembolie.
Enttäuschend war der PARAGON Trial, der bei Patienten mit sogenannter Heart Failure with preserved Ejection Fraction (HFpEF) mit Valsartan/Sacubitril gegen Placebo den primären Endpunkt verfehlte. Aus meiner Sicht ist weiterhin die Definition von HFpEF unklar, und bei Patienten mit einer EF von unter 60% handelt es sich meiner Meinung nach (siehe Lüscher TF: Lumpers & Splitters Eur. Heart J. 2019 Sep 12. pii: ehz644. doi: 10.1093/eurheartj/ehz644) um frühe Stadien von HFrEF. In der Tat hat eine Subanalyse in dieser Gruppe – wie auch schon im TOPCAT Trial eine Wirkung gezeigt. Patienten mit wirklicher HFpEF bleiben weiterhin ein Enigma. Hier braucht es weitere Forschung.

Werden die Ergebnisse der DAPA-HF-, COMPLETE- und ISAR-REACT-Studie Ihren klinischen Alltag beeinflussen?
DAPA-HF ist besonders interessant, da erstmals ein Diabetes-Medikament (Dapaglifozin, ein Sodium-Glucose-Transport Type 2 Inhibitor, SGLT2i) das Outcome von Patienten mit HFrEF zusätzlich zu einer optimalen Herzinsuffizienz-Therapie deutlich verbessert hat. SGLT2i verbessern nicht nur das Outcome von Diabetikern trotz minimaler Wirkung auf die Glukosespiegel – insbesondere Tod und Herzinsuffizienz –, sondern auch Tod, Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz und die Lebensqualität von Patienten mit HFrEF mit oder ohne Diabetes (Abb. 1). Die SGLT2i wirken als Diuretika und verbessern auch die Myokardfunktion durch Akkumulation von Ketonkörpern – kurzum eine neue vielversprechende Medikamentenklasse für Diabetiker und Patienten mit Herzinsuffizienz.

Der COMPLETE Trial untersuchte bei Patienten mit ST-Hebungsinfarkt (STEMI), welche eine perkutane koronare Intervention (PCI) der Infarktarterie hatten, ob ein Eingriff an weiteren koronaren Läsionen das Outcome verbessert. Dazu wurden über 4 000 Patienten mit STEMI und Mehrgefässerkrankung zu einer Strategie mit kompletter Revaskularisation oder nur der infarkt-bezogenen Arterie randomisiert. Nach 3 Jahren kam es bei 7.8% der Patienten mit einer kompletten Revaskularisation zu kardialen Ereignissen, hingegen bei 10.5% bei solchen, bei welchen nur die infarkt-bezogene Arterie behandelt worden war, eine 25%ige hochsignifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse durch eine komplette Revaskularisation. Somit scheint die komplette Revaskularisation bei Patienten mit STEMI und einer Mehrgefässerkrankung einer konservativen, ausschliesslich auf die Infarktarterie bezogenen Intervention überlegen, klinisch ein sehr bedeutsames Ergebnis.
Nicht weniger bedeutsam ist die ISAR-REACT 5 Studie, welche 4 018 Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom entweder zu Prasugrel oder Ticagrelor randomisiert hat. Überraschenderweise zeigte Prasugrel eine 36%ige Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse im Vergleich mit Ticagrelor. Diese Studie ist deshalb von grosser Bedeutung, da fast überall Ticagrelor, welches doch mit einigen Nebenwirkungen, insbesondere Atembeschwerden, assoziiert ist, Verwendung findet und Prasugrel fast vom Markt verschwunden ist. Diese Studie macht deutlich, dass Prasugrel das Medikament der Wahl bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom sein sollte, zumal selbst Blutungen bei Patienten unter Ticagrelor bei 5.4% und mit Prasugrel bei nur 4.8% auftraten. Obgleich dieser letztere Unterschied nicht signifikant war, zeigt die Studie doch insgesamt eine deutliche Überlegenheit von Prasugrel (Abb. 2).
Viele Zentren müssen sich daher nun überlegen, ob sie nicht grundsätzlich eher Prasugrel als Medikament der 1. Wahl nach einem akuten Koronarsyndrom einsetzen sollten.

Welche Auswirkung haben die neu vorgestellten Guidelines für Ihre Praxistätigkeit?

a) Wie werden sich die neuen Guidelines zur chronischen koronaren Herzkrankheit auf die Abklärung von Patienten mit Angina Pectoris auswirken? Was bedeutet das für die Praxis?
Die 2019 ESC Guidelines for the Diagnosis and Management of Chronic Coronary Syndromes bringen zunächst einmal einen neuen Namen in Anlehnung an Acute Coronary Syndromes. Diese Namensänderung will deutlich machen, dass die koronare Herzkrankheit einen dynamischen Prozess darstellt und von symptomlosen Plaques bis zu einem akuten Ereignis reicht. Dazu kommen funktionelle Veränderungen der Koronarzirkulation wie Koronarspasmus und mikrozirkuläre Ischämien, welche bisher nicht mit berücksichtigt wurden. Neu wird ein nicht-invasives funktionelles Imaging bei allen diesen Patienten entsprechend der klinischen Wahrscheinlichkeit oder anderen Patientencharakteristika empfohlen; gleiches gilt für unklare Befunde in der Computertomografie. Direkt zu einer Koronarangiografie soll nur bei Patienten geschritten werden, welche eine hohe klinische Wahrscheinlichkeit aufweisen. Eine Dual Anti-Platelet Therapy (DAPT) wird bei Patienten mit einem hohen ischämischen Risiko und geringem Blutungsrisiko empfohlen. Bei Patienten mit chronisch koronarem Syndrom und Vorhofflimmern dagegen soll ein NOAC in Kombination mit nur einem Thrombozytenhemmer Verwendung finden. Nach einer PCI bei diesen Patienten wird empfohlen, Aspirin nach einer Woche abzusetzen und ein NOAC mit Clopidogrel in Betracht zu ziehen. Daneben gibt es eine Reihe weiterer diagnostischer und therapeutischer Empfehlungen.

b) Die neuen Cholesterin-Guidelines haben die Zielwerte noch einmal gesenkt. Sind diese Werte realistisch? Wie können sie erreicht werden? Wie werden Sie im klinischen Alltag die Richtlinien umsetzen?
Die ESC Guidelines on Management of Dyslipidemia, welche im European Heart Journal erschienen sind, haben die Zielwerte des LDL-Cholesterins noch einmal deutlich gesenkt, wie dies aufgrund neuerer Studien auch richtig ist. So zeigen insbesondere Mendelian Randomisation Studies mit PCSK9 missense mutations, dass Patienten mit extrem tiefen Cholesterinwerten nicht nur gesund sind, sondern praktisch keine kardiovaskulären Ereignisse erleiden. Sowohl die FOURIER- wie auch die ODYSSEY-Studie mit Evolocumab bzw. Alirocumab konnten beide über 3 bzw. 4 Jahre zeigen, dass eine weitere Senkung der LDL-Cholesterinwerte zusätzlich zu Statinen und Ezetimib kardiovaskuläre Ereignisse noch einmal um 15-20% reduziert. Besonders bedeutsam waren zudem Untersuchungen die zeigten, dass eine sehr tiefe Cholesterinsenkung sicher und ohne Nebenwirkungen ist und wohl vor allem, wenn man das Lifetime-Risk über Dekaden in Betracht zieht, eine beeindruckende Wirkung zeigt. Entsprechend wurden die Zielwerte für das LDL-Cholesterin bei Hochrisikopatienten von 1.8mmol/L auf 1.4mmol/L und für solche mit repetitiven Ereignissen sogar auf unter 1.0mmol/L gesenkt. Solch tiefe LDL-Cholesterinwerte lassen sich mit einem Statin und Ezetimib nur in wenigen Fällen erreichen, sodass hier vor allem PCSK9-Inhibitoren zum Einsatz kommen müssen. Solche Massnahmen sind insbesondere aufgrund der noch immer hohen Ereignisrate nach einem akuten Koronarsyndrom richtig und ich unterstütze daher die neuen Richtlinien voll und ganz. Sicher wird dies in einigen Ländern, vor allem aufgrund der hohen Preise der PCSK9,Inhibitoren, Diskussionen auslösen; allerdings muss in Betracht gezogen werden, dass Diabetesmedikamente wie die GLP-1 Agonisten auf einem vergleichbaren Preisniveau liegen. Sicher wird mit der weiteren Verwendung der PCSK9-Inhibitoren, welche nicht nur wirksam, sondern eben auch sicher sind, sich das Preisniveau senken lassen und es wird möglich werden, bei Hochrisiko- und Höchstrisikopatienten die Ereignisraten dank dieser neuen Medikamente deutlich zu senken. Die neuen Zielwerte sind also personalisiert nach dem individuellen Risiko und langfristig gewiss bedeutsam für hoch- und Höchstrisikopatienten.

c) Wie werden die anderen neuen Guidelines – Diabetes, supraventrikuläre Arrhythmien und Lungenembolien – ihre Praxistätigkeit beeinflussen?
Das Management des Diabetes hat eine Revolution erlebt, durch die Entwicklung von Sodium-Glucose-Transport-Type 2 (SGLT2) Inhibitoren, sowie den Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) Agonisten. Die SGLT- Inhibitoren senken bei Diabetikern die Mortalität (Empagliflozin) und das Auftreten von Herzinsuffizienz und Herzinsuffizienz-Hospitalisationen (Dapagliflozin), während die GLP-1 Agonisten die Mortalität senken und zu einer Gewichtsreduktion führen, jedoch keine Wirkung auf das Auftreten einer Herzinsuffizienz aufweisen. Sie sind daher komplementär. Aufgrund dieser eindrücklichen Ergebnisse haben sich die Autoren der neuen Diabetes-Guidelines entschlossen, bei Patienten mit einer arteriosklerotischen, vaskulären Erkrankung, das heisst mit Herzinfarkt, Hirnschlag oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit, primär SGLT2-Inhibitoren zu empfehlen und Metformin erst in zweiter Linie einzusetzen, während bei kardiovaskulär noch gesunden Diabetikern weiterhin Metformin und erst dann die neuen Medikamente empfohlen werden. Dies wird sicher das Management von Diabetikern deutlich verändern, sicher zum Vorteil von Diabetikern, welche zu den Höchstrisikopatienten der kardiovaskulären Medizin gehören.
Auch die ESC Guidelines for the Management of Patients with Superventricular Tachycardia bringen einige Neuerungen. So wird Ivabradin zusammen mit einem Betablocker bei Patienten mit Inappropriate Sinus Tachycardia Syndrome – ein häufig für normal gehaltenes genetisch determiniertes Syndrom – empfohlen, sowie bei Patienten mit orthostatischem Tachykardiesyndrom. Dann wird auch empfohlen, dass auch bei Patienten mit Vorhofflattern eine Antikoagulation in Betracht gezogen werden soll. Ibutilid wird zur Konversion von Vorhofflattern gegeben und ebenso bei Overpacing empfohlen. Umgekehrt wurden Verapamil und Diltiazem von I auf IIa zurückgestuft, ebenso wie Procainamid und Amiodaron für das akute Management von Breitkomplex QRS Tachykardien. Sodann sollen im ersten Trimester einer Schwangerschaft alle Antiarrhythmika vermieden werden. Weitere Empfehlungen sind vor allem für Spezialisten von Bedeutung und weniger für Ärzte in der Praxis.
Die ESC Guidelines on Pulmonary Embolism 2019 bieten auch eine Reihe von Neuerungen, so zum Beispiel in der Diagnostik einen alters-adjustierten Normwert für die D-Dimere, Imaging des rechten Ventrikels und Bestimmung des NTproBNPs zur Risikostratifizierung. In der akuten Phase werden nun auch NOACs empfohlen. In der chronischen Phase wird für Patienten mit Antiphospholipid-Antikörpersyndrom eine lebenslange Antikoagulation vorgesehen. Patienten ohne identifizierbaren Risikofaktor für das Ereignis sollten, neben vielen weiteren kleineren Änderungen, ebenfalls verlängert antikoaguliert werden.

Ihre persönlichen Highlights vom ESC-Kongress 2019?

Natürlich das erfolgreiche Editorial Board Meeting des European Heart Journals, das auch 2019 mit einem Impact Factor von 24 889 Nr. 1 in der kardiovaskulären Medizin weltweit geblieben ist.
Ein weiteres Highlight war zeitgleich, fand aber in London statt: Die British Medical Association zeichnete unser ESC Textbook of Cardiovascular Medicine (Editors John A. Camm, Thomas F. Lüscher, Gerald Maurer und Patrick W. Serruys; Oxford University Press 2018) mit dem Preis für das beste Lehrbuch aus, vor Braunwald’s Heart Disease.

Eleonore E. Droux