Das Schlaf-Apnoe Syndrom (SAS)

Nachdem in der epidemiologischen Studie in Lausanne (SomnoLaus) die Häufigkeit des Schlaf-Apnoe Syndroms deutlich höher ausfiel als bisher international bekannt, ist das Interesse an Diagnostik und Behandlung des SAS auch in der Schweiz insbesondere in der Geriatrie weiter gewachsen. In diesem Artikel werden aktuelle Erkenntnisse und Entwicklungen zusammengefasst.

Als Haupttreiber für das Entstehen einer Alzheimer Demenz wird die Akkumulation von Beta-Amyloid angesehen. Dies wird im Schlaf über die Blut-Hirn-Schranke aus dem Gehirn transportiert. Gestörter Schlaf, insbesondere durch Arousal im Rahmen der Apnoen führt zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von kognitiven Defiziten oder Demenz. In 2 Studien mit 298, bzw. 1414 Patienten und > 7000 Kontrollpersonen ergab sich eine odds ratio von 2,04, bzw. 1,7.
Im Alter steigt die Neigung der oberen Atemwege zum nächtlichen Kollaps und damit die Häufigkeit von Apnoen. Bisher war die Notwendigkeit einer Behandlung umstritten und bis heute wird diskutiert, die Normwerte im Alter evtl. auf einen Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) von 15/h anzupassen. Zusätzliche Parameter wie v.a. die Sauerstoffsättigung, aber auch die Schlafstruktur und Arousalhäufigkeit sollten in die Therapieentscheidungen mit einfliessen.
In kleineren Untersuchungen konnte ein positiver Effekt einer CPAP-Behandlung bereits nach 2 Monaten nachgewiesen werden. Verbesserungen zeigten sich neben Schlafarchitektur und Tagesschläfrigkeit v.a. bei verbalem Lernen und kognitiver Flexibilität.
Aus meiner Sicht hat es sich in der Praxis bewährt, bei ausreichender Mitarbeit von Betroffenen und/oder Angehörigen einen Therapieversuch über 2 Monate ab einem AHI von 10/h, evtl. bei Tagesschläfrigkeit auch schon bei > 5/h, durchzuführen.
Eine intensive Anleitung und Begleitung, sowie Ergebnisevaluation sind aber nötig.
In Zukunft wäre eine Zusammenarbeit mit geriatrischen Spitälern und Alten- sowie Pflegeheimen sinnvoll, da dort bereits Fachpersonen arbeiten. Eine kontinuierliche Weiterbildung, Anleitung und auch Ansprechbarkeit von Schlafspezialisten ist dafür erforderlich.

SAS ist mit Unfällen assoziiert

Eine erhöhte Unfallgefährdung bei Patienten mit SAS ist bekannt, als mögliche Ursache wird Tagesschläfrigkeit angenommen, die zu Aufmerksamkeitsstörungen führen kann. Eine kürzlich publizierte Studie konnte nun nachweisen, dass auch das Haltungsgleichgewicht bei Patienten mit SAS gestört ist, und zwar bereits in den ersten Stunden des Tages, mit einer Korrelation mit der tiefsten nächtlichen O2-Sättigung.

Therapiealternativen zur Ventilationstherapie

Goldstandard und von den Krankenkassen finanzierte Behandlung eines OSAS ist weiterhin die CPAP-Therapie, die jedoch nur symptomatisch und mechanisch die Atmung verbessert. Unterkieferprotrusionsschienen bleiben bei AHI < 30/h und BMI < 30 nach S3-Leitlinie weiter eine Behandlungsoption.
In den letzten Jahren werden erneut operative Alternativen diskutiert. Seit der Einführung der transoralen Roboterchirurgie hat sich die Repositions-Pharyngoplastik mittels mit Widerhaken versehenem Nahtmaterial (barbed repositioning pharyngoplasty) als wenig invasive Behandlungsoption für das SAS erwiesen, dessen Wirksamkeit in kleinen Studien dokumentiert ist, dessen Stellenwert im Rahmen aller Behandlungsmöglichkeiten aber noch offen ist. Neben den bekannten Optionen im Bereich des weichen Gaumens, der Kiefer und der Nase gewinnt die Behandlung einer der Hauptursachen, des Übergewichts, mittels Adipositaschirurgie an Bedeutung.
Die Zusammenarbeit mit Adipositaszentren zur umfassenden Behandlung wird deshalb wichtiger. Bei Adipositas Grad 2-3 führt eine deutliche Gewichtsreduktion in etwa 50% zu einer signifikanten Verbesserung, evtl. sogar Normalisierung des AHI.
Trotz der zunehmenden OP-Zahlen (2014 weltweit 579000) gibt es aber bisher keine grösseren Studien sondern nur ein Konsensuspapier einer internationalen Expertengruppe (2017).
Bei Kindern ist die Tonsillektomie als Therapie der Wahl bereits bei AHI von > 2/h zu diskutieren bei im Alltag relevanten Störungen, wie Entwicklungsverzögerung oder Leistungsknick.
Eine weitere Option ist die Zungengrundstimulation. Hierbei wird über eine atemgesteuerte Stimulation des Nervus Hypoglossus ein Zungenvorschub ausgelöst, der die Atemwege offen hält. Voraussetzung ist ein gescheiterter CPAP-Versuch und ein AHI >15/h. Dann ist sie als 2. Linienbehandlung zugelassen. Nach Abklärung des Kollapsortes in Propofolschlaf wird analog zum Herzschrittmacher eine Elektrode am Zwerchfell platziert und eine am Zungengrund. Den Generator kann der Patient abends mit Magnet einschalten. Eine individuelle Einstellung unter Schlaflaborbedingungen ist notwendig. In der STAR-Studie wird der AHI auch über 3 Jahre um ¾ reduziert, ebenso die Tagesschläfrigkeit. Die Compliance ist hoch. In der Schweiz sind bisher etwa 40 Patienten mit dieser noch sehr teuren Therapie versorgt.

Verbesserte Diagnostik

Bei der Diagnostik gibt es weiter Bestrebungen, die ambulanten Möglichkeiten zu verbessern. Als Screening-Methoden v.a. für die hausärztliche Anwendung gibt es immer kleinere Polygraphie-Geräte. Zum Teil können diese mit EEG zur Erfassung des Schlafs ergänzt werden.
Ideal wäre eine Screeningmethode auf Grund von Biomarkern. Ein Team aus Tschechien hat kürzlich die Resultate einer Studie vorgestellt, in welcher unter anderem Pentraxin-3 (PTX-3) als potenzieller Biomarker evaluiert wurde. Dabei zeigte es sich, dass die Erhöhung des PTX-3-Serumspiegels signifikant mit einem mittleren bis schweren obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom verbunden ist und in der Lage sein könnte, Patienten mit OSAS von gesunden Personen zu unterscheiden. Zur endgültigen Diagnose ist aber weiter die Polysomnographie sinnvoll, vor allem zur Differentialdiagnose von Beinbewegungsstörungen (RLS) oder anderen Schlafstörungen.

Dr. med. Christian Neumann

Schlaflabor Fluntern
Ärztehaus Fluntern
Zürichbergstrasse 70
8044 Zürich

schlaflabor-fluntern@gmx.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Häufigkeit des Schlaf-Apnoe Syndroms ist gemäss SomnoLaus-Studie deutlich höher als bisher international bekannt. Gestörter Schlaf, insbesondere durch Arousals im Rahmen der Apnoen führt zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von kognitiven Defiziten oder Demenz.
  • Zur Beurteilung der Notwendigkeit einer Behandlung des OSAS sollen neben dem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) zusätzliche Parameter wie die Sauerstoffsättigung, die Schlafstruktur und Häufigkeit von Arousals berücksichtigt werden.
  • Ein positiver Effekt einer CPAP-Behandlung kann bereits nach 2 Monaten nachgewiesen werden. Neben der klassischen CPOAP-Behandlung stehen Gewichtsverlust, gegebenenfalls mittels Bariatrischer Chirurgie, Unterkieferprotrusionsschienen, Tonsillektomie bei Kleinkindern und Zungengrundschrittmacher je nach Situation zur Diskussion.

Skabies, welche Behandlungen sind dem Grundversorger zugänglich?

Die Skabies ist eine mit quälendem Juckreiz einhergehende Hauterkrankung des Menschen, die durch eine Infestation mit dem humanpathogenen Parasit Sarcoptes scabiei variatio hominis (Krätzmilbe) ausgelöst wird. Der Begriff Infestation beschreibt hierbei, dass die Sarcoptesmilbe als Ektoparasit die Epidermis nicht durchdringt (1). Die Lebensdauer ausserhalb der menschlichen Haut beträgt gerade einmal 1-3 Tage. Die Skabiesmilbe gehört zu den Spinnentieren (Arachnida) und hat im Nymphen- und Adultstadium vier Beinpaare. Weibliche Skabiesmilben erreichen eine Grösse von 0,3-0,5 mm, Männchen sind mit 0,2-0,3 mm etwas kleiner. Nach der Paarung der Milben an der Hautoberfläche stirbt das Männchen ab und das Weibchen beginnt, sich in das Stratum corneum einzugraben. Die Weibchen legen dort täglich 2 bis 3 Eier ab, aus denen nach 2 bis 3 Tagen die Larven schlüpfen (2). Der Weg führt die Larven an die Hautoberfläche, wo sie sich zu Nymphen und schliesslich zu adulten Milben entwickeln. Mit blossem Auge ist eine adulte weibliche Skabiesmilbe gerade eben noch zu erkennen. Dermatoskopisch können Gangstrukturen und bräunliche Dreiecke, die dem Vorderleib der Milben entsprechen, sowie Kotballen erkannt werden.

Klinik

Die ansteckende Erkrankung wird gekennzeichnet durch Milbengänge, einen morphologisch heterogenen Hautausschlag und quälenden Juckreiz («scabere», lat. Kratzen). Die ersten Symptome erscheinen bei der Erstinfestation nach zwei bis fünf Wochen, bei einer Reinfestation aufgrund einer bereits bestehenden Sensibilisierung auf Milbenprodukte geschieht dies bereits innerhalb der ersten ein bis vier Tage. Prädilektionsstellen sind die Interdigitalfalten der Hände und Füsse, Ellenbogenstreckseiten, vordere Axillarfalten, Brustwarzenhof, Nabelregion, Gürtellinie, Gesäss, Analfalte, Perianalregion, Leisten, Knöchelregion, die medialen Fussränder und beim Mann insbesondere der Penisschaft (längliche Papeln in dieser Lokalisation sind nahezu beweisend für eine Skabies) (1). Die Primäreffloreszenzen sind kommaartige, oft unregelmässig gewundene, wenige Millimeter bis ein Zentimeter lange Milbengänge, an deren Ende sich manchmal ein kleines Bläschen ausbildet (3). Im Sinne einer zellvermittelten Immunantwort vom verzögerten Typ gegen den Kot der Milben kommt es zu einer Ekzemreaktion mit disseminierten erythematösen und teilweise krustösen Papeln, Bläschen und Papulovesikeln (Abb. 1) (4, 5). Charakteristisch ist eine Zunahme des Pruritus in der Nacht, wahrscheinlich aufgrund einer Senkung der Juckreizschwelle. Das klinische Bild im Säuglings- und Kleinkindalter umfasst häufig Bläschen, Blasen und Pusteln. Betroffene Kinder fallen ausserdem durch Appetitlosigkeit bis hin zu Gedeihstörungen auf (6, 7).

Typischerweise leben lediglich 5 bis 15 adulte weibliche Milben auf einem Patienten mit einer klassischen Skabies. Diese Zahl kann bei der Borkenkrätze (Skabies crustosa) Hunderte oder sogar Millionen Milben betragen (8). Die Skabies crustosa tritt überwiegend bei immunsupprimierten Patienten auf, bei denen sich die Milben ungehemmt vermehren können (9). Daher ist diese Form der Skabies hoch ansteckend.
Zur Diagnosestellung einer Skabies eignet sich neben dem nativen lichtmikroskopischen Nachweis von Milben, Eiern und Skybala (Milbenkot) aus Hautgeschabsel («skin scraping») insbesondere auch die Dermatoskopie, mit der sich eine Sensitivität von bis zu 91% bei einer Spezifität von 86% erreichen lässt (Abb. 2) (10). Insbesondere bei typischer Anamnese mit mehreren betroffenen engen Kontaktpersonen und bei typischer Klinik mit gewundenen Gangstrukturen an den Prädilektionsstellen in Kombination mit Juckreiz lässt sich die Diagnose auch ohne direkten Milbennachweis stellen (11).

Therapie

In der Schweiz ist Permethrin (Scabi-med® Creme 5%) das einzige zugelassene Antiscabiosum, welches in den Apotheken verfügbar ist. Crotamiton (Eurax®, eingestellt 2012) und Benzylbenzoat sind beide nicht mehr im Handel und nicht registriert, und können allenfalls noch mittels Magistralrezeptur bei entsprechend motivierten Apotheken hergestellt werden lassen. Als systemisches Reservemedikament ist Ivermectin (z.B. Stromectol®, Scabioral®) in einigen Kantonsapotheken verfügbar. Der Einsatz sollte reserviert bleiben für Fälle, die resistent auf eine topische Behandlung sind, da Ivermectin auch für viele andere parasitäre Infestationen (u.a. Helminthen, Fadenwürmer, Läuse) ein wichtiges Medikament darstellt.
Permethrin (Scabi-med® 5%) ist das Medikament der ersten Wahl für die Skabies in der Schweiz. Es ist zugelassen bei Kindern ab dem 3. Lebensmonat, die Sicherheit und Wirksamkeit von Scabi-med 5% Creme bei Kindern unter 2 Monaten ist bisher nicht geprüft worden. Säuglinge < 3 Monaten empfehlen wir in den entsprechenden Kinderkliniken stationär zu behandeln, gegebenenfalls auch Säuglinge < 1 Jahr bei schwieriger Compliance oder familiärer Situation. Säuglingen sollten in der Folge der Anwendung Baumwollhandschuhe angezogen werden, damit Permethrin nicht abgeleckt und peroral aufgenommen wird. Die Autoren der S1-Leitlinie der AWMF halten eine off label Therapie in den ersten beiden Lebensmonaten für möglich (1).
Einige Studien legen nahe, dass eine einmalige Anwendung von Permethrin bei unkomplizierter Skabies zumeist ausreicht, da der Wirkstoff scabizid und ovozid ist (12-14). Aufgrund möglicher Anwendungsfehler und zur sicheren Abtötung frisch geschlüpfter Larven aus verbliebenen Eiern empfehlen wir typischerweise eine zweite Anwendung nach 7-10 Tagen (15, 16). Die Lokaltherapie erfolgt auf den ganzen Körper lückenlos vom Unterkiefer abwärts einschliesslich der Retroaurikularfalten sowie inklusive Handflächen, Fusssohlen, unter Finger- und Zehennägeln, äusseres Genitale und Gesäss (Tab. 1).

Das Kürzen der Fingernägel ist wichtig, da es die subunguale Verfügbarkeit von Permethrin erhöht und die Rezidivfrequenz mindert. Bei Personen über 60 Jahren und Kindern unter 3 Jahren wird zusätzlich auch die Gesichts- und Kopfhaut mitbehandelt, da in diesen Altersgruppen gehäuft ein Befall in diesen Regionen beobachtet wird. Bei klinischem Verdacht sollten diese Hautstellen auch bei Erwachsenen mitbehandelt werden. Nach 8-12 Stunden soll Permethrin gründlich mit Wasser und Seife abgespült werden.
Studiendaten weisen darauf hin, dass die lokale Therapie mit Permethrin auch in der Schwangerschaft und Stillzeit als sicher und effizient betrachtet werden kann (17). Dennoch lautet die Empfehlung der Fachinformation, eine Behandlung während des 1. Trimenons aus Vorsichtsgründen zu vermeiden, es sei denn, der klinische Zustand der Frau erfordere eine Behandlung. Da sich Permethrin in der Muttermilch nachweisen lässt, lautet die Empfehlung ausserdem, nach der Anwendung von Permethrin eine Stillpause von 5 Tagen einzuhalten.
Wir empfehlen unseren Patienten nach der Behandlung jeweils frische Unterwäsche, Kleider, Schuhe, usw. anzuziehen, und zuvor getragene Kleider sowie Bettwäsche und Handtücher bei mindestens 60°C zu waschen. Nicht waschbare Gegenstände sollen für mindestens 7 Tage in geschlossenen Plastiksäcken aufbewahrt werden. Alternativ können Gegenstände etc. für mindestens 24 Stunden ins Gefrierfach gelegt, und Schuhe für 7 Tage ausgelüftet werden. Handschuhe und Socken sollten während mindestens 24 Stunden weggelassen werden.
Die Nachbehandlung des Juckreizes erfolgt durch eine Polidocanol-enthaltende Lotion/Creme 1x täglich für 4 Wochen, eventuell sind topische Steroide 1x täglich für 1-2 Wochen sinnvoll, um ein postskabiöses Ekzem abzufangen. Generell sollten die Patienten darauf hingewiesen werden, dass nach der akariziden Behandlung die Tiere noch bis zu 4 Wochen (tot) in der Haut verbleiben können, bis die normale Abschilferung die Epidermis vollständig ersetzt hat. Erst dann ist der immunologisch-entzündliche Trigger vollständig eliminiert. Falls im Verlauf die Beschwerden des Patienten nicht besser sind, ist nach eingehender Überprüfung der Diagnose und Evaluation anderweitiger Differentialdiagnosen die ganze Therapie gegebenenfalls noch einmal zu wiederholen. Multiple Runden von antiskabiöser Behandlung ohne Skabiesnachweis sind wegen der psychosozialen Belastung für die Patienten und wegen der generierten Kosten nicht zu rechtfertigen.
Ivermectin (Scabioral®, Stromectol®): Orales Ivermectin ist in der Schweiz bisher nicht registriert und muss deshalb im Bedarfsfall importiert oder bei einer spezialisierten Apotheke bezogen werden. An grösseren Spitälern mit einer eigenen Dermatologie ist der Wirkstoff in der Regel für dort behandelte Patienten erhältlich. Ivermectin führt über eine Bindung an Chlorkanäle zur Lähmung und zum Tod der Skabiesmilben; die Tabletten sollen nüchtern als Einzeldosis eingenommen werden (höhere Resorption mit potenziellen Nebenwirkungen bei Einnahme mit fettreicher Kost, zwei Stunden vor und nach Einnahme Nahrungskarenz). Bei rein akarizider, nicht ovozider Wirkung ist eine Therapiewiederholung nach 7 Tagen notwendig. Die Effektivität ist etwa vergleichbar mit topischem Permethrin (12, 18). Die Dosis beträgt 0,2 mg/kg Körpergewicht, die Tabletten sind als 3 mg Tabletten erhältlich, bis zur Maximaldosis von 12 mg pro Einnahmetag. Die Anwendungssicherheit ist bei Patienten < 15 kg nicht belegt (eine Altersbegrenzung wird nicht angegeben in der europäischen Zulassung), wobei aber neue Studien zeigen, dass die orale Gabe von Ivermectin bei Patienten zwischen 4-14.5 kg, bei denen in 90% eine zweite Gabe verabreicht wurde, nur bei insgesamt 4% zu unerwünschten Nebenwirkungen führte. Mehrere Studien belegen die Unbedenklichkeit einer oralen Ivermectin-Gabe bei Patienten unter 15 kg Körpergewicht, aber die Behandlung erfolgt off label (19, 20). Die zweite Ivermectingabe sollte innert 7-15 Tagen erfolgen, da längere Intervalle mit höherer Rezidivrate assoziiert sind.
Für eine Massenbehandlung bei einer nachgewiesenen Skabiesepidemie in einem Heim/Spital empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit einem Dermatologiezentrum/Spitalhygiene, um das Vorgehen zu planen. Die publizierten Daten deuten darauf hin, dass die Ivermectingabe hier die besten Resultate zeigt und gerade in dieser Altersgruppe nicht nur die lästige Skabies hocheffizient kurieren kann, sondern auch postskabiöse Komplikationen wie Ekzeme, Abszesse oder Poststreptokokken-Glomerulonephritis deutlich reduzieren kann.
Bei Therapieresistenz (echter oder Complianceproblematik oder Reinfektion) empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einer Klinik für Dermatologie, unter Einsatz von Magistralrezepturen von Crotamiton, Benzylbenzoat in Kombination mit Ivermectin. Allerdings existieren inzwischen Berichte über Resistenzen gegen Permethrin, Benzylbenzoat, Crotamiton, Lindan und Ivermectin.

Dr. med. Nikolaus Wagner

Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

nikolausbenjamin.wagner@kssg.ch

Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Antonio Cozzio

Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
Haus 20
9007 St. Gallen

antonio.cozzio@kssg.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Beitrag keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Skabies ist eine stark juckende Parasitose und bedarf einer
    konsequenten Therapie
  • Medikament der ersten Wahl ist Permethrin 5% Creme, zweimalig anzuwenden
  • Bei Versagen der Erstlinientherapie oder bei immunsupprimierten
    Patienten oder bei Skabies crustosa wird eine systemische Behandlung mit Ivermectin empfohlen
  • Eine zusätzliche Therapie des immunvermittelten Ekzems mit topischen Glukokortikosteroiden und juckreizlindernden Externa sollte erfolgen
  • Der Patient sollte informiert werden, dass der Juckreiz und das Ekzem auch nach erfolgreicher Behandlung noch einige Wochen anhalten können.

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Nahrungsmittelallergien

Die schwerste Manifestation einer Nahrungsmittelallergie ist der potentiell letal verlaufende anaphylaktische Schock. In den Spitälern ist eine drastische Zunahme der Notfalleinweisungen wegen lebensbedrohender Reaktionen infolge Nahrungsmittelallergie zu verzeichnen. Adrenalin ist das First-Line-Medikament für die Behandlung einer anaphylaktischen Reaktion. Der Allergiker sollte immer das Notfallset auf sich tragen.

Todesfälle auf Grund einer Nahrungsmittelallergie sind ein neues Phänomen der letzten 3 Jahrzehnte: noch 1982 stand in einem Artikel in Annals of Allergy: »In der medizinischen Literatur gibt es keine Dokumentation einer tödlichen Nahrungsmittelreaktion» (1). Der erste Fall einer tödlich verlaufenden Nahrungsmittelallergie bei Erwachsenen datiert auf 1988 und betraf eine 24-jährige Frau mit bekannter Erdnussallergie nach Genuss eines Haselnusscakes mit Marzipan (Mandel)-Glasur (2). Die kanadische Patientin hatte wiederholt das Gebäck in dieser Bäckerei gekauft und reaktionslos ertragen. Die gerichtsmedizinische Abklärung dieses ausserordentlichen Todesfalles ergab, dass die Paste für die Herstellung der Glasur inzwischen «arachides» enthielt; diese Bezeichnung wurde vom englischsprechenden Bäcker nicht erkannt. Es folgten regelmässige Berichte in der medizinischen Literatur und in der Laien-Presse über letale Fälle (3 – 7), wie aus den folgenden Zeitungsartikeln hervorgeht.

Mädchen stirbt an Kuss

Ein 15-jähriges Mädchen mit einer Erdnuss-Allergie ist nach einem Kuss seines Freundes gestorben. Auch eine sofortige Adrenalinspritze konnte den Teenager nicht mehr retten. Der Junge hatte vorher ein Erdnussbutterbrot gegessen (The Edmonton Journal , Saturday, November 26, 2005; Spiegel Online, 25.11.2005).

Killed by an Ice Cream

Katrina, 37 J., gestorben in einem Restaurant nach Genuss eines einzigen Löffels von Eiscreme (mit Walnuss), obwohl sie einen Ausweis über ihre Nussallergie in verschiedenen Sprachen auf sich trug und denselben dem Servicepersonal vorgelegt hatte (Daily Telegraph, 5.5.1995).

Tragedy of Nuts Allergy Student

Nicola, eine 18-j. Studentin mit bekannter Nussallergie, starb nach einer Mahlzeit mit Ihrem Freund in einem indischen Spezialitäten-Restaurant (The Northern Echo, 22.1. 2000).

Groom with fish allergy dies after hotel party

Der Bräutigam, Meeresfischallergiker, starb nach Essen einer Frühlingsrolle – offenbar mit Seafood kontaminiert – anlässlich der Cocktail Party zur Hochzeit, obwohl er den Chef de Service vorgängig über seine Allergie orientiert hatte (Daily Mirror, September 27, 1996).

Tod durch Erdnussallergie nach Konsum eines einzeln verpackten Müsliriegels, gesetzkonform ohne Deklaration der Inhaltsstoffe.

(Allergo Journal, 2006; 15: 521-608).

Lucia starb einen tragischen Tod

16-jähriges Bibersteiner Mädchen ass versehentlich Erdnüsse, auf die es allergisch war, in der Meinung, es seien gebrannte Mandeln (Aargauer Zeitung, 27.6.2009).

Welche sind die risikoreichen Nahrungsmittel?

  • In den verschiedenen Statistiken stehen Erdnüsse und Nüsse, Soja, Eier, Milch, Fisch, Schalentiere, Sellerie u.a. im Vordergrund.
  • Nahrungsmittel mit «versteckten» Allergenen wie Pizza (Abb. 1), Hamburger, Kuchen, Gebäcke, Saucen, Salat Dressings, orientalische Spezialitäten sind für Allergiker besonders gefährlich.
  • Konfektionierte Nahrungsmittel mit unbefriedigender Etikettierung (kann …. enthalten) sind heimtückisch oder der Allergiker beachtet die Etikette nicht.

Das Anaphyklaxie-Register

Aus Statistiken verschiedener Länder, z.B. in den UK, geht hervor, dass in den letzten Jahren die Inzidenz schwerer Anaphylayxien zunimmt (8). Im Jahre 2006 wurde in Deutschland ein Anaphylaxie-Register eingeführt. Gemäss den Daten vom Statistischen Bundesamt Deutschland waren in den Jahren 2006 bis 2008 92 Todesfälle, die Diagnoseschlüssel einer Anaphylaxie beinhalten, und in den Jahren 2009 bis 2011 113 Todesfälle gemeldet worden (9). Dies zeigt eine steigende Tendenz, die sich auch in Österreich und der Schweiz abzeichnet (Österreich: 2006 bis 2008 5 Fälle, 2009 bis 2011 7 Fälle; Schweiz: 2006 bis 2008 16 Fälle, 2009 bis 2011 27 Fälle) (9). Da nicht alle Todesfälle infolge einer Anaphylaxie erkannt werden, ist davon auszugehen, dass die realen Todesfallzahlen wahrscheinlich um den Faktor 10 bis 50 höher liegen (9). Bis 2019 wurden mehr als 10 000 Anaphylaxiefälle aus dem deutschsprachigen Raum, zusammen mit einzelnen europäischen Ländern erfasst (10). Die Daten zeigen, dass Nahrungsmittel vor allem bei Kindern häufige allergische Reaktionen auslösen.

Behandlung der Nahrungsmittelallergien

Die einzige wirksame Therapie einer Nahrungsmittelallergie ist die Eliminationsdiät: trotz der neuen, verschärften Lebensmittelverordnung (LV), die seit dem 1. Mai 2018 in der Schweiz verpflichtend ist (Tab. 1), bleiben weiterhin für den Nahrungsmittelallergiker Restrisiken: Allergene, die nicht auf der Liste figurieren, z.B. Buchweizen, oder Verunreinigungen von < 1000 mg/kg, welche bei hochgradigen Allergikern noch Reaktionen auslösen können, sowie beim Auswärtsessen und bei «take-away» food. Die Etikettierung: «kann …. enthalten» ist keine Lösung. Der Nahrungsmittelallergiker lebt deshalb in grosser Unsicherheit: er sollte daher nach schweren Reaktionen in der Vergangenheit immer ein Notfallset (Kortison- und Antihistaminika-Tabletten oder -Lösungen, z.B. Levocetirizin 2 x 5 mg oder Bilastin 2 x 20 mg oder Bilastin Schmelzablette 2 x 10 mg für Kinder, bw. 4 x 10 mg für Erwachsene, und 2 x 50 mg Prednisolon, sowie Adrenalin-Autoinjektor) auf sich tragen (Abb. 2). Die Handhabung des Adrenalin-Autoinjektors ist zu instruieren und zu kontrollieren (11). Leider zeigt das Anaphylaxie-Register bei der Analyse der letalen und der schwersten anaphylaktischen Fälle, dass Adrenalin, obwohl von nationalen und internationalen Leitlinien als First-Line-Medikament empfohlen, nur sehr wenig unter Real-Life-Bedingungen eingesetzt wird (9). Es ist wichtig, dass der Hausarzt immer wieder bei seinen Patienten mit schweren allergischen Reaktionen auf diese lebensrettende Massnahme hinweist.
Lösungsansätze für eine bessere Lebensqualität der Nahrungsmittelallergiker sind Kampagnen wie «Allergendeklaration in Gastronomie und Offenverkauf in Zusammenhang von aha!-Patientenorganisation» (12), «Ratgeber: Allergene im Offenverkauf» (13) und das Allergie-Gütesiegel von aha (14).

Prof. em. Brunello Wüthrich

Langjähriger Leiter der Allergiestation
der Dermatologischen Klinik,
Universitätsspital Zürich,
Im Ahorn 18, 8125 Zollikerberg

bs.wuethrich@bluewin.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Anaphylaxie ist die schwerste Manifestation einer mastzellabhängigen Sofortreaktion und kann auch tödlich verlaufen
  • In den letzten Jahrzehnten ist eine Zunahme lebensbedrohender und sogar letaler allergischen Reaktionen auf Nahrungsmittel zu verzeichnen
  • Nahrungsmittel lösen vor allem bei Kindern häufig schwere allergische Reaktionen aus
  • Erdnüsse und Nüsse, Soja, Eier, Milch, Fisch, Schalentiere und Sellerie sind die häufigsten Auslöser tödlicher Nahrungsmittelreaktionen
  • Die einzige wirksame Therapie einer Nahrungsmittelallergie ist die Eliminationsdiät
  • Adrenalin wird von nationalen und internationalen Leitlinien als First-Line-Medikament empfohlen. Jedoch zeigt das Anaphylaxie-Register bei der Analyse der letalen und der schwersten anaphylaktischen Fälle, dass Adrenalin von Patienten unter Real-Life-Bedingungen selten eingesetzt wird
  • Der Hausarzt sollte bei der Betreuung seiner Patienten mit schweren allergischen Reaktionen nicht nur ein Notfallset mit einem Adrenalin-Auto-Injektor verschreiben, sondern auch immer wieder auf die Notwendigkeit seiner Benützung bei allergischen Zwischenfällen hinweisen (immer das Notfallset auf sich tragen, Verfall-Datum der Adrenalin-Spritze beachten).

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9. Jossé S. Interview mit Worm M. Anaphylaxie Register: Wie werden Anaphylaxie Patienten versorgt? 2013: https://www.mein-allergie-portal.com/anaphylaxie/200-anaphylaxie-register-wie-werden-anaphylaxie-patienten-versorgt/all-pages.html
10. Worm M. Das Anaphylaxie-Register: Erkenntnisse für Patienten, Ärzte und Wissenschaft. Allergologie 2017;40:205.
11. Helbling, A; Fricker, M; Bircher, A; Eigenmann, P; Eng, P; Köhli-Wiesner, A; Müllner, G; Pichler, W; Schmid-Grendelmeier, P; Spertini, F. Notfallbehandlung beim allergischen Schock. Swiss Medical Forum 20;1:206-212.
12. Sereina. Allergen- und Deklarationsmanagement in der Gastronomie. https://www.saviva-blog.ch › allergen-und-deklarationsmanagement-in-der…
13. Information im Offenverkauf – BLV. https://www.blv.admin.ch › blv › tagung-lmr-2017 › Offenverkauf-de.
14. Aha Allergiezentrum Schweiz – aha.ch. Zertifizierte Produkte. Das Schweizer Allergie-Gütesiegel: Mehr über die zertifizierten Produkte und Dienstleistungen.
https://www.aha.ch/allergiezentrum-schweiz/leben-mit-allergien

Clinical Pearls: Ein Feuerwerk von speziellen Fallvignetten

Eine Reihe von speziellen Fällen aus der Praxis bereicherte auch in diesem Jahr das Programm der SGAIM-Herbsttagung. Prof. Dr. med. Martin Krause präsentierte unerwartete Notfälle, die in die Klinik für Innere Medizin am Kantonsspital Münsterlingen eingewiesen worden waren.

Fall 1: Bei diesem handelt es sich um einen 23-jährigen Studenten, der in der Notfallambulanz vorstellig wird. Er ist mit dem linken Fuss (barfuss) in einen Rechen getreten, hat eine Schwellung an der Fusssohle und rote Pappeln am inneren Fussrand, berichtete

Prof. Martin Krause

Prof. Dr. med. Martin Krause, Münsterlingen. Es erfolgt eine Eiterentleerung aus einer der Verletzungsstellen. Nach einer Woche Behandlung mit Ciprofloxacin po stellt sich wenig Besserung ein. Um welchen Erreger könnte es sich handeln?
Der Referent zählt die folgenden möglichen Erreger dieser Infektion auf: Staphyloccus aureus, Sporothrix schenkii, Nocardia asteroides, Mycobacterium marinum und Leishmania infantum.
Der Patient besitzt ein Aquarium, neben welchem der Rechen lag. Damit erhebt sich der Verdacht auf eine Infektion mit Mycobacterium marinum (Schwimmbadgranulom). Die Kultur/PCR erfolgt aus einer Hautbiopsie.
Die Behandlung mit Clarithromycin 2 x 500 mg (plus Ethambutol/Rifampicin) wurde bis zur Abheilung durchgeführt und 2 zusätzliche Monate, d.h. 4-6 Monate lang.

Fazit:

Bei Aquariumbesitzern mit Infektion an Mycobacterium marinum denken.

Fall 2: Bei einer zweiten klinischen Perle handelte es sich um einen Architekten, der über rechtsseitige Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen und dunklen Urin klagte. Der Patient hat gelbe Augen. Er trinkt ein Glas Wein alle 2 Tage und nimmt keine Medikamente. Vor zwei Monaten war er in Ungarn auf der Jagd. Der Patient ist 184 cm gross, hat einen BMI von 28.4 kg/m2, er weist einen Ikterus auf, keine Kratzspuren, Druckdolenz im rechten Oberbauch. Seine Laborwerte sind Bilirubin 226 µmol/l (< 17), ASAT 2135 U/l (< 50), ALAT 2788 U/l (< 50), Alk. Phosphatase 131 U/l (< 129), gamma-GT 220 U/l (< 66), INR 1.6.
Handelt es sich um eine aethylische, virale oder medikamentöse Hepatitis oder eine Cholangitis? Die Zuhörerschaft tippt mit überwiegender Mehrheit auf eine virale Hepatitis. Die Virusserologie ergibt eine Hepatitis-E-Infektion (serologisch und PCR).
Die E-Virus-Hepatitis ist die häufigste virale Hepatitis, so der Referent. Weltweit gibt es 20 Mio. HEV-Infektionen pro Jahr. 3.3 Mio. sind symptomatisch, 60000 Todesfälle werden jährlich registriert. Die HEV-Seroprävalenz in der Schweiz beträgt 5-20% beim Menschen, 12% bei Wildschweinen und > 50% bei Hausschweinen. Die Übertragung erfolgt von Tieren über die Lebensmittelkette auf den Menschen (Europa und Nordamerika). In Teilen Asiens, Afrikas und Mexikos gelangt das Virus fäko-oral, d.h. durch die direkte oder indirekte Einnahme von Fäkalien, in den Organismus. Dies geschieht meistens durch kontaminiertes Wasser. HEV-Infektionen sind meldepflichtig. Es existiert eine Impfung gegen HEV.

Fazit des Referenten:

Jäger oder Liebhaber von Wild mit einer Gelbsucht = Hepatitis E.

Fall 3: betrifft einen 34-jährigen Mann, der seit 6 Wochen an Kopfschmerzen vom Nacken nach frontal ausstrahlend leidet. Er arbeitet in der IT-Branche, lebt allein.
Es wird bei ihm eine Wesensveränderung festgestellt, Fehlleistungen am Arbeitsplatz, Antriebsminderung, Gleichgültigkeit, Rückzug aus dem Freundeskreis. Es erfolgen zahlreiche Mahnungen und schliesslich die Kündigung der Arbeitsstelle, KESB.
Status: antriebslos, orientiert. Internistischer sowie neurologischer Status unauffällig. Im Labor werden keine Elektrolytstörungen gefunden, Nieren- und Leberfunktion normal.
Im MRI wird ein Tumor festgestellt. Folgende Diagnosen werden durch den Referenten hervorgehoben: Malignes Meningeom, Melanom-Metastase, Glioblastoma multiforme, Herpesenzephalitis, Cocain-induzierter «stroke». Die Zuhörerschaft tippt mehrheitlich auf ein Glioblastom.

Fazit:

Ein Neurostatus ohne fokale Ausfälle und der depressiv-inhibitorische Symptomkomplex passen zu einem Glioblastom.

Fall 4: eine 66 Jahre alte Frau aus der Psychiatrie mit einer Selbstgefährdung und Aggression und einer Vigilanzverminderung. Sie war kaum ansprechbar (soporös). Der Blutdruck betrug 160/85 mmHg, Herzfrequenz 108/min, AF 20/min, Temperatur 37.8°C, sO2 88%. Kein Meningismus, Pupillen isokor und lichtreagibel, kein fokal neurologisches Defizit. Laborwerte: Na 144 mmol/l, Ca 4.70 mmol/l (2.1-2.6), Mg 1.00 mmol/l (0,7- 1.1), Kreatinin 388µmol/l, Phosphat 1.78 mmol/l (0.87-1.45). Auffällig war der hohe Calciumwert. Erklärt das hohe Calcium die Vigilanzverminderung? Etwa 60% meinen Ja, je ca. 20% nein oder vielleicht. Ist die Niereninsuffizienz durch das hohe Calcium zusammen mit dem hohen Phosphat erklärt? Etwas mehr als die Hälfte der Zuhörerschaft meint Ja. Für die weitere Untersuchung ist die Bestimmung des Parathormons entscheidend. Dabei ergab sich ein Wert von 233pmol/l! (Norm 1.6-6.9). Normalerweise ist bei hohem Ca das Parathormon tief und umgekehrt. Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen Hyperparathyreoidismus. Die operative Entfernung der krankhaften Nebenschilddrüsen stellt bei einer Nebenschilddrüsenüberfunktion die einzige therapeutische Option dar.

Fazit:

Hypercalcämie macht zerebrale Symptome, hohes Calcium/Phosphatprodukt = Risikofaktor für Organ- und Gefässverkalkungen. Entscheidender Parameter in der Abklärung einer Hypercalcämie ist das Parathormon.

Fall 5: Eine 55-jährige Frau beklagt, dass sie seit 6 Monaten Schnupfen habe und nie mehr gesund sei. Vor 4 Jahren erkrankte sie an einem Burkitt Lymphom. Die Frau hat Gesichtsschmerzen, eitrige Rinorrhoe, Schleim im Hals, morgendlicher Husten mit eitrigem Auswurf, verstopfte Ohren mit Taubheitsgefühl, Konjunktivitis bds.
Handelt es sich um eine Allergie, einen Immundefekt oder ein Rezidiv des Burkitt-Lymphoms? Die Zuhörerschaft äussert sich mehrheitlich für einen Immundefekt. Die Frau weist keine Eosinophilie auf, und keine IgE gegen Katzenhaare, aber ein tiefes IgA mit 0.06 g/l > 0.7), IgG 2.4 g/l (> 6.9), IgM ist nicht nachweisbar. Vor 4 Jahren erhielt die Patientin Rituximab-Hyper-CVAD, Rituximab-Methotrexat-Cytarabin. Es handelt sich um ein sekundäres Antikörpermangelsyndrom.

Fazit:

Nach Rituximab-Therapie kann ein jahrelanger symptomatischer Immunglobulinmangel entstehen.

Fall 6: Kann eine Hypophosphatämie Bewusstseinsverminderung, Gefühlsstörungen und Kraftlosigkeit verursachen?
Der Referent stellt eine 45-jährige Frau mit diesen Symptomen vor. Bereits vor 2 Monaten hatte sie ein ähnliches Ereignis. Der Phosphatwert beträgt 0.18 mmol/l (> 0.87). Ein Phosphatwert < 0.32 mmol/l bedeutet schwere Hypophosphatämie. Er geht einher mit metabolischer Encephalopathie (Delir, Krampfanfälle, Koma), Muskelschwäche/Rhabdomyolyse, Ateminsuffizienz. Die Blutgasanalyse ergibt einen pH-Wert von 7.68, pCO2 1.9kPa, pO2 15.5 kPa, HCO3 18 mmol/l. Es handelt sich um eine akute respiratorische Alkalose. Die Patientin erhält 1mg Lorazepam. 4 Stunden später ist der Phosphatwert von 0.17 auf 0.69mmol/l angestiegen.

Fazit:

Eine akute respiratorische Alkalose induziert einen Phosphat-Shift nach intrazellulär und dadurch eine schwere Hypophosphatämie. Diese muss nicht substituiert werden – sie ist nach der Korrektur der Hyperventilation rasch reversibel.

Quelle: SGAIM-Herbsttagung, St. Gallen 20.09.2019

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

10. Wiler Hausarzt-Symposium der SRFT

Das Hausarzt-Symposium der Spitalregion Fürstenland Toggenburg nimmt seit Jahren im Terminkalender der prakt. Ärzte der Ostschweiz eine zentrale Stelle ein, und so vermochte auch die 10. Ausgabe am 28. November 2019 über 70 interessierte Mediziner anzulocken. Es hat sich auch diesmal für alle gelohnt. Die ganztägige Fortbildungsveranstaltung (unter Leitung von Dr. M. Rütti, internistischer Chefarzt am Spital Wil) war sehr gut organisiert und der Mix aus sechs Hauptreferaten und den dazwischen gestreuten Workshops in vier Sälen hat sich auch diesmal voll bewährt.

An erster Stelle referierte Prof. Dr. Mathias Binswanger (Fachhochschule Nordwestschweiz) über die leidige Frage «Warum die Gesundheitskosten auch in Zukunft steigen werden». Seine Antwort lautete klar: weil rundum die (Fehl-)Anreize zur Mengenausdehnung allzu gross sind. Es bestünde ein zu geringes Kostenbewusstsein beim Bezug von Leistungen, und die Nachfrage würde über das Angebot gesteuert (Asymmetrie zwischen Anbietern und Nachfrage). Der Referent nannte in seinem humorvollen, beachtenswerten Vortrag eine lange Liste von angedachten Sparmöglichkeiten, diese werden aber durch immer neues gewinnorientiertes Wettbewerbsdenken «überrundet». Gleichzeitig nimmt die Bürokratie im Gesundheitswesen bedrohlich zu. Das Referat musste nachdenklich stimmen.
Auch der Schlussvortag von Prof. Dr. med. dipl. soz. Tanja Krones (LA Klinische Ethik am USZ) betraf dieselbe Problematik: «Wo wir auch in Zukunft auf keinen Fall sparen sollen». Sie plädierte für ethisches Denken in der Medizin (Stichwort: advanced care planning), der Patient müsse trotz aller Fehlanreize im Mittelpunkt stehen. Die Ärzte seien vorab aufgerufen, einen vorzeitigen Tod zu vermeiden, den Krankheiten vorzubeugen, die Kranken zu betreuen, das Leiden zu vermindern. Die Liste «Choosing wisely» der verschiedenen Fachgesellschaften sei zu beachten.
Das zweite Hauptreferat am Vormittag, von PD Dr. med. Chr. Schmied (Facharzt Kardiologie und Sportmedizin, USZ), stand unter dem provokativen Titel «Ist Sport wirklich Mord?», wie es immer wieder z.B. nach einem plötzlichen Herztod in der Presse heisst. Aber Sport ist gesund, mindestens 30 Min. täglich (2,5 Std. pro Woche), die präventive Wirkung auf Herz-Kreislauf ist klar bewiesen.Trotzdem sind über 50% der Schweizer unter 60 Jahre «sportfaul». Das Optimum wäre sogar 2 Std. körperliche Bewegung täglich. Vergl. Schweizerische Empfehlungen auf www.hepa.ch. – 90% der plötzlichen Herztod-Fälle bei Sportlern könnten vermieden werden, wenn diese vorgängig genau abgeklärt würden (inkl. EKG) und wenn sie bei Ermüdung (die berühmten letzten 10 Minuten beim Langstreckenlauf) auf ihren Körper achten würden. Die «Internistischen Seattle Kriterien» zur Beurteilung des Sportler-EKGs sind massgeblich.
Das Referat «Eisen-Update» von Dr. med. M. Rütti (Chefarzt Medizin Spital Wil) vermochte das kontrovers diskutierte «Eisenmangelsyndrom» etwas zu klären. Die Kontroverse bezüglich nichtanämischem Eisenmangel (Hb über 110-120 g/l, Ferritin unter 16-30 μg/l) bleibt zwar weiter bestehen. Eine Eisensubstitution bei entsprechenden Symptomen (Müdigkeit, Schwäche, Fatigue) kann aber sehr oft Besserung bringen. Kurzinfusionen (15 min.) von Ferinject sind oft besser verträglich als die per os-Medikation.
Iatrogene Eisenüberlastung ist unbedingt zu vermeiden. Eisensubstitution, vor allem auch bei Schwangeren, ist vielfach notwendig. Nach Absetzen einer Eisen-Substitution empfiehlt sich die Ferritin-Kontrolle erst nach 6-8 Wochen.
Der Chefarzt Chirurgie Spital Wil, Dr. med. Sandro Lionetto, referierte über das praxisnahe Thema «Gallenstein – wie weiter?». Die Cholelithiasis nimmt mit zunehmendem Alter zu; 20% der europäischen Bevölkerung sind Steinträger (besonders Frauen, Diabetiker, Übergewichtige), dauernd symptomfrei bleiben nur wenige. Asymptomatische Steinträger sind nicht zu behandeln. Bei akuter Kolik stehen NSAR und Spasmolytika an erster Stelle. Da über 50% der Patienten später Komplikationen aufweisen und doch operiert werden müssen, wird die rasche Operation innert 72 Std. empfohlen, auch bei Schwangeren (besonders im 2.Trimester). Die biliäre Pankreatitis ist abzuwenden. Auch bei der akuten Cholecystitis empfiehlt sich die blosse konservative Therapie nicht. («Einmal symptomatisch bedeutet Operation») Wenn die Operation (bei High-Risk-Patienten) nicht möglich ist, muss 6-8 Wochen zugewartet werden.
Am Symposium berichten traditionsgemäss auch zwei Praktiker über ganz besonders lehrreiche, eindrückliche Krankheitsfälle aus ihrer Praxis. – Dr. med. B. Gräsel (Wilen bei Wil) referierte einerseits über einen schweren Fall von Zerebraler Sinus-Venen-Thrombose und späterer Subduraler Blutung C7-Th 3, wobei sich die Pat. von beiden gefährlichen Notfällen wieder erholte. Eine Gerinnungsstörung bestand auffallenderweise nicht. Anschliessend wurde von einem chronischen Migräne-Patienten berichtet, der plötzlich multiple embolische Hirninfarkte bei unbekanntem persistierenden Foramen Ovale erlitt. Der RoPE Score ist hier für die Beurteilung massgebend. – Dr. med. Th. Clerc (Aadorf) stellte einen verzwickten Fall eines zu lang verkannten Pankreaskopfkarzinoms vor. Die vorgängige extreme Gewichtsabnahme und die langdauernden therapieresistenten Durchfälle waren lange verwirrend.
Die vier Workshops in kleineren Gruppen erfreuen sich jedes Jahr grosser Beliebtheit. Leider können nur drei von 4 besucht werden: so kann hier über den sicher interessanten, bildreichen Kurs «Fallbeispiele aus der Dermatologie» (Dr. med. U. Hauswirth, Dermatologe in Wattwil) nicht berichtet werden.
Der Workshop «Muskelschmerzen in der Rheumatologie» (Dr. med. N. Krüger, Klinik Rheumatologie KSp St. Gallen) behandelte vorerst die unklare Ursache, die schwierige Diagnostik (vergl. Deutsche FMS-Leitlinien) und die oft frustrierende Therapie der Fibromyalgie. Typischerweise sind die Schmerzen in Gelenknähe (11 von 18 Trigger-Points positiv), die Symptomatik ist meist mit psychischen Auffälligkeiten (Depression!) verbunden. Die individualisierte Behandlung ist vorab nicht-medikamentös (es sind explizit keine Medikamente für die FMS zugelassen). Amitriptylin, SSRI und Pregabalin werden versucht. – Bei der Polymyalgia rheumatica wies die Referentin auf die neue PMR-Klassifikation hin und riet zu einem modifizierten Therapieschema: Beginn der Prednison-Therapie mit nur 15 mg (2 Wochen), dann 2 Wochen 12,5 mg, 2 Wochen 10 mg, und dann nur 1 mg pro Monat reduzieren. Therapiedauer 11 Monate. Allenfalls muss Methotrexat erwogen werden. Häufige Verlaufskontrollen sind nötig (Komorbiditäten?). Schliesslich wurden die Dermatomyositis, das Antisynthetase-Syndrom und die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (meist Statin-assoziiert, aber auch als paraneoplastisches Geschehen) erörtert, sie ist nicht zu verwechseln mit der «gewöhnlichen» Statin-Myopathie.


Im Workshop «Psychosomatische Notfälle» präsentierte der Moderator (Dr. med. M. Brabetz, Klinik Littenheid) eindrückliche Fälle von anfänglich falsch beurteilten «psychiatrischen» Fällen: «Depression» bei HIV-Patient mit Sepsis, Erschöpfungszustand und vegetative Symptome bei verkannter schwerer Hyperkalzämie (prim. Hyperparathyreoidismus), Psychose bei Drogenabusus vs. schwere Kardiomyopathie bei unbekanntem Brugada-Syndrom, sowie auffällige Persönlichkeitsstörung (Alexithymie) bei akuter lymphatischer Leukämie.
Schliesslich behandelte Dr. med. M. Diethelm (Chefarzt-Stv. Ksp St. Gallen) im Workshop «Arterielle Hypertonie – neue Zielwerte, alte Diskussionen» die Kontroverse über die anzustrebenden Zielwerte in den verschiedenen Guidelines unter Berücksichtigung der «number needed to treat». Die Empfehlungen sind je nach Kontinent unterschiedlich; Alter, Geschlecht, Nierenfunktion, übrige Risikofaktoren sind zu berücksichtigen. Da hilft der AGLA-Risikorechner oder die Webseite chd.bestsciencemedicine.com/calc2.html weiter. Eine evidenzbasierte Blutdruck-Therapie strebt – natürlich bei modifiziertem life style – systolische Werte von 130-140/80 mmHg an, bei kardiovaskulärem Risiko eventuell 10% tiefer. Aber was gilt bei Älteren: «How low is too low?»; sicher diastolisch nicht unter 70  mm Hg, meinte der Moderator.
Bei der Verabschiedung konnte der Symposiumsleiter wiederum feststellen: Der Fortbildungstag (5 Credits) hat sich mehr als gelohnt und die Teilnehmer haben sich bereits das 11. Wiler Hausarzt-Symposium am 26.11.2020 vorgemerkt. – Die Referate sind unter www.wiler-symposium.ch abzurufen.

Quelle: 10. Wiler Hausarzt-Symposium der SRFT, katholisches Pfarreizentrum Wil, 28. November 2019

Dr. med. Hans-Ulrich Kull

Küsnacht

Optimale Behandlung einer schweren asymptomatischen Aortenstenose

Der beste Zeitpunkt und die Indikation für eine chirurgische Intervention bei Patienten mit asymptomatischer schwerer Aortenstenose werden kontrovers beurteilt.

In aktuellen Guidelines wird verlangt, dass Patienten mit schwerer Aortenstenose Symptome im Zusammenhang mit ihrer Klappenkrankheit aufweisen, um für einen TAVI oder einen operativen Aortenklappenersatz zu qualifizieren.
In einer südkoreanischen Multicenter Studie wurden zur Klärung dieser Frage 145 asymptomatische Patienten mit sehr schwerer Aortenstenose einer frühen chirurgischen Sanierung oder einer konservativen Behandlung gemäss den aktuellen Guidelines randomisiert zugeführt. Der primäre Endpunkt war eine Kombination von Tod während oder innert 30 Tage nach Operation oder Tod aus kardiovaskulären Gründen während der ganzen Follow-up-Periode.
In der Gruppe mit früherer Operation wurden 69 von 73 Patienten innert 2 Monaten nach Randomisierung operiert. Der primäre Endpunkt trat bei 1 Patienten in der früh operierten Gruppe auf und bei 11 von 72 Patienten in der konservativ behandelten Gruppe (HR 0,09, P = 0.003). In der früh operierten Gruppe verstarben insgesamt 5 Patienten und 15 in der konservativ behandelten Gruppe (HR 0,33), wobei es in beiden Gruppen keine operative Mortalität gab. Ohne Operation kam es nach 4 Jahren bei 4% und nach 8 Jahren bei 14% zu einem plötzlichen Tod.
Bemerkenswert ist, dass auch in der primär konservativ behandelten Gruppe im Laufe der Zeit 78% der Patienten operiert werden mussten, 17% notfallmässig. Die Resultate dieser Studie stellen in Frage, ob bei der Sanierung einer schweren Aortenstenose tatsächlich auf das Vorhandensein von assoziierten Symptomen abgestellt werden müsse. Allerdings müssen vor der Übernahme dieser Resultate in die tägliche Praxis in Anbetracht eines in der heutigen Zeit immer breiteren und früheren Einsatzes eines TAVI die Resultate von aktuellen grösseren randomisierten Studien zum Thema abgewartet werden.

Quelle: Early Surgery or Conservative Care for Asymptomatic Aortic Stenosis. Kang D-H. et al: N Engl J Med 2020; 382:111-119.

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch