Geduld, Durchhaltewillen, Mut und das richtige «Gschpüri» sind gefragt

Politische Interessenvertretung ist ein legitimer Bestandteil des demokratischen Meinungsbildungsprozesses in der Schweiz. Die Krebsliga engagiert sich seit Jahren für die Anliegen von Krebsbetroffenen und setzt sich zurzeit im Verband mit der politischen Interessenvertretung auseinander.

Gespannt wurde in der Wintersession 2019 die neue Zusammensetzung des Parlaments beobachtet: Stimmen die Mitglieder des National- und Ständeräts «linker» oder «rechter» im Vergleich zur letzten Legislatur? Wird konservativer entschieden, was wird unter «liberal» verstanden und welche Bündnisse bilden sich? In gesundheits- und sozialpolitischen Fragen sind die Mehrheitsverhältnisse noch nicht eindeutig. Die Veränderungen scheinen aber weniger stark ausgeprägt zu sein als erwartet.

20 Jahre bis zum neuen Gesetz

Das Schweizer Politsystem ist geprägt von Stabilität. Dazu tragen auch die staatspolitischen Prozesse bei. Bis eine Gesetzesänderung oder ein neues Gesetz und damit verbundene Massnahmen umgesetzt sind, dauert es nicht selten Jahre. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Krebsregistrierung: 1998 verlangte der damalige Nationalrat Franco Cavalli «auf der Basis der kantonalen und regionalen Register über Tumore ein einheitliches statistisches Informationssystem betreffend die Krebsmorbidität in der Schweiz zu schaffen» (1). Die entsprechende Motion wurde vom Nationalrat in Form eines Postulats an den Bundesrat überwiesen. Das neue Bundesgesetz (2), das schlussendlich im Grundsatz unumstritten war, ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten – notabene über 20 Jahre später. Seit diesem Jahr werden in der Schweiz nun Daten zu allen Krebsfällen einheitlich erfasst, um künftig Präventionsmassnahmen, Früherkennungsprogramme sowie Behandlung und Versorgung besser planen zu können. Ein Anliegen, für das sich die Krebsliga seit über 20 Jahren eingesetzt hat. Dies zeigt, dass es Geduld und Durchhaltewillen braucht und sich diese auch lohnen. Das Ziel ist allerdings noch nicht erreicht – eine Evaluation des Gesetzes ist bereits gestartet, eine Revision der Verordnung wohl absehbar.

Zur richtigen Zeit das politisch Machbare ausschöpfen

Gut vorbereitet kann zur richtigen Zeit und in geeigneter Formation das maximal politische Machbare ausgeschöpft werden. Feuerwehrübungen sind hingegen in unserem Politsystem meist nicht zielführend oder nur mit grossem Aufwand erfolgreich. Hier braucht es das richtige «Gspüri», wie die Deutschschweizer so schön sagen. Eine Gelegenheit muss korrekt erkannt und sinnvoll genutzt werden. Eine Organisation braucht bisweilen auch den Mut, sich proaktiv für ein relevantes Anliegen einzusetzen, selbst wenn die Zeit noch nicht reif dafür ist, und gleichzeitig die Bereitschaft, neue Allianzen einzugehen. Auch dazu gibt es ein aktuelles Beispiel: Seit Jahren setzt sich die Krebsliga für eine Verbesserung der Situation der betreuenden Angehörigen ein. In der Wintersession hat das Parlament nun das Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung verabschiedet. Unter anderem erhalten erwerbstätige Eltern von krebskranken Kindern Anspruch auf einen Betreuungsurlaub von maximal 14 Wochen, der wochen- oder tageweise bezogen werden kann und über die Erwerbsersatzordnung finanziert wird. Die Verabschiedung der Vorlage ist unumstritten ein wichtiger, wenn auch nur erster Schritt in die richtige Richtung. Im Rahmen der «Interessensgemeinschaft betreuende Angehörige» wird sich die Krebsliga für weitere Schritte einsetzen.

Die Krebsliga bleibt dran

Jede dritte Person erkrankt in der Schweiz an Krebs. Beispielsweise aufgrund des demografischen Wandels steigt die Zahl der Betroffenen kontinuierlich an. Dank dem medizinischen Fortschritt verläuft eine Krebserkrankung nicht mehr zwingend tödlich. So wird es voraussichtlich im Jahr 2030 in der Schweiz eine halbe Million «Cancer Survivors» geben – unumstritten eine grosse Herausforderung für das Schweizer Sozial- und Gesundheitssystem wie auch für unsere Wirtschaft. Damit haben Krebserkrankungen nicht nur eine hohe gesellschaftliche und ökonomische, sondern auch eine politische Relevanz. Aufgrund des hochkomplexen gesundheitspolitischen Umfelds in der Schweiz und den zahlreichen politischen Regulierungsprozessen, welche Krebsbetroffene und ihre Angehörige betreffen, ist ein professionelles und fokussiertes politisches Engagement gefragt. Deshalb hat sich die Krebsliga, die den Dachverband «Krebsliga Schweiz» und die 18 kantonalen und regionalen Ligen vereint, Ziele für die politische Interessensvertretung gesetzt. Sie engagiert sich in der Politik und der Gesellschaft dafür, dass

  • Risikofaktoren von Krebs bekannt sind und wirksame Gegenmassnahmen umgesetzt werden,
  • die Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Informationen sowie zu sinnvollen Früherkennungsmassnahmen und Behandlungen gewährleistet ist,
  • Anliegen von Krebsbetroffenen sowie deren Angehörigen berücksichtigt werden,
  • die Krebsforschung gefördert wird.

Die direkte Demokratie und der Föderalismus erfordern mehrheitsfähige Lösungen. Diese basieren auf durchdachten Kompromissen, deren Zustandekommen Zeit braucht. Demgegenüber stehen die schnellen gesellschaftlichen Entwicklungen und eine zunehmend globale und digitale Welt. Geduld und Durchhaltewillen, aber auch Mut und «Gspüri» wird es auch in Zukunft brauchen.

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

1. siehe Curia Vista 98.3286 (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=19983286)
2. siehe SR 818.33 (https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20121618/index.html)

Brustkrebs im Frühstadium

Die Prognose für Brustkrebspatientinnen hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. In Europa sank die Sterblichkeitsrate für Brustkrebs von 2014 bis 2019 (geschätzt) um 8.7% (1). Welche Faktoren zu dieser positiven Entwicklung beigetragen haben, beantworten im Interview Dr. med. Konstantin Dedes und PD Dr. med. Christian Kurzeder.

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Pharma-Sonderreport verantwortet von MSD Merck Sharp & Dohme AG, Luzern

Telemedizinische Überwachung von Rhythmusstörungen

Die telemedizinische Auswertung von implantierbaren Event-EKGs zur Abklärung von unklaren Synkopen ist etabliert und hat einen klaren Vorteil gegenüber externen event-EKGs, die nur eine limitierte Zeit getragen werden können. Welche Bedeutung asymptomatisches Vorhofflimmern hat, das mit Herzschrittmachern und Defibrillatoren festgestellt wird, ist zum Teil noch unklar. Die stark zunehmende Speicherung von medizinischen Daten durch Smartphones und andere primär nicht-medizinische Geräte bietet viele Möglichkeiten und stellt Patienten, Ärzte und Gerätehersteller vor neue Herausforderungen.

L’  évaluation télémédicale des ECG événementiels implantables pour l’ examen des syncopes non claires est établie et présente un avantage évident par rapport aux ECG événementiels externes qui ne peuvent être portés que pendant une durée limitée. L’ importance de la fibrillation auriculaire asymptomatique, qui est détectée à l’ aide de stimulateurs cardiaques et de défibrillateurs, n’ est toujours pas claire. L’ augmentation rapide du stockage des données médicales par les smartphones et autres appareils primairement non médicaux offre de nombreuses possibilités et pose de nouveaux défis aux patients, aux médecins et aux fabricants d’ appareils.

Die Rechen- und Speicherleistung von medizinischen Geräten entwickelt sich immer weiter. Fast alle implantierbaren Geräte und eine Vielzahl von mobilen Apparaten können heute Langzeitdaten der Patienten speichern und häufig diese direkt übermitteln und ermöglichen so eine Analyse und Beurteilung der Messungen praktisch in Echtzeit. Dazu gehören auch immer mehr Geräte aus dem primär nicht-medizinischen Bereich wie Smartphones oder Pulsuhren. Die gespeicherte Datenmenge steht in diesem Fall häufig dann auch nicht nur den Benutzern, sondern auch den Herstellern der Software zu Verfügung und kann mit anderen Daten verknüpft und vernetzt werden.
Diese Geräte, die sogenannten «wearables» und ihre Applikationen werden in Zukunft noch stark zunehmen und eröffnen ein ganz neues Feld zur Erfassung von Rhythmusstörungen oder anderen medizinischen Problemen. Was diese Daten bedeuten und welcher Nutzen daraus gezogen werden kann, ist noch weitgehend unerforscht.
Die telemedizinische Überwachung von Rhythmusstörungen kommt heute vor allem zum Einsatz zur Abklärung von unklaren Synkopen und zur Früherkennung von Vorhofflimmern und des damit verbundenen Risikos für Schlaganfälle. Es wird nun die Bedeutung der implantierbaren Langzeit-EKGs besprochen, dann die Bedeutung der Befunde, die durch bereits implantierte Herzschrittmacher und Defibrillatoren gesammelt werden und schlussendlich die aktuelle und mögliche zukünftige Bedeutung der «wearables», insbesondere der Smartphones und Smartwatches, die einen völlig neuen Zugang zum Patienten ermöglichen oder sogar erfordern.

Telemedizin zur Erkennung von Rhythmusstörungen

Rhythmusstörungen sind häufige Erkrankungen, treten aber oft nur intermittierend auf. Das Risiko zumindest einmal im Leben zum Beispiel Vorhofflimmern zu entwickeln, liegt gemäss der Framingham-Studie bei ca. 25% (1). Die telemedizinische Auswertung eines Langzeit-EKG-Recorders ist sehr sinnvoll bei Patienten mit seltenen, dafür aber potenziell gefährlichen Rhythmusstörungen und kommt zum Einsatz, nachdem in externen Langzeit-EKGs wie 24h-Holter-EKG oder 7-Tage-Event-EKG keine Diagnose gestellt werden konnte. Bei dieser hochselektionierten Patientengruppe konnte mit einem Loop-Recorder in bis zu 88% der Fälle eine Korrelation zwischen EKG und Symptomen gefunden werden (2). Dementsprechend konnte, verglichen mit herkömmlichen Techniken, mit einem implantierbaren Loop-Recorder bei bisher nicht geklärten Synkopen auch viel schneller und zuverlässiger eine Diagnose gestellt werden (3). Die Recorder, zum Beispiel der RevealLinq von Medtronic (Abb. 1) oder der ConfirmRx von Abbott, können während zwei bis drei Jahren Rhythmusstörungen erkennen und diese telemedizinisch an eine Datenbank übertragen. So wird innert kürzester Zeit die Diagnose gestellt und eine Therapie begonnen, bzw. nach drei Jahren ohne registrierte Rhythmusstörung, diese praktisch sicher ausgeschlossen (Abb. 2).
Besondere Aufmerksamkeit bekommt dabei die Früherkennung von Vorhofflimmern. Vorhofflimmern verläuft in ca. ¼ aller Fälle asymptomatisch und ist unabhängig davon ein wichtiger Risikofaktor für Schlaganfälle (4). Eine Diagnosestellung ist deswegen sehr wichtig, oft aber trotz Praxis- und Langzeit-Holter-EKGs nicht möglich.
Rhythmogene Synkopen sind die häufigsten der kardial bedingten Synkopen, die 10% aller Synkopen ausmachen (5). Der implantierbare Langzeit-Recorder kann sehr gut eine rhythmogene Ursache erkennen, bzw. ausschliessen. Begünstigt durch Vorerkrankungen und Alter sind dies Bradykardien, bzw. Blockierungen im Sinus- oder AV-Knoten oder dann Tachykardien. Deswegen ist es sehr wichtig, dass eine verlässliche Diagnose schnell gestellt und die nötigen Massnahmen, oft die Implantation eines ICDs oder eines Herzschrittmachers, dann erfolgen.

Telemedizinische Überwachung von Rhythmus-störungen mit Schritt-machern und Defibrillatoren

Die meisten Schrittmacher und internen Defibrillatoren speichern Episoden von tachykarden Rhythmusstörungen. Diese intrakardialen Elektrogramme können bei der nächsten Kontrolle oder direkt mittels Telemedizin abgefragt werden. Bisher ist in der Schweiz die telemedizinische Überwachung von implantierten Geräten nicht verbreitet, da die geografische Situation dies nicht erfordert und die Patienten meist den direkten Kontakt zum behandelnden Arzt in der Schrittmachersprechstunde schätzen. Schrittmacher und Defibrillatoren sind zudem sehr zuverlässig, so dass in den meisten Fällen keine telemedizinische Überwachung der Funktion nötig ist.
Gelegentlich kann es aber sehr sinnvoll sein, zum Beispiel bei instabilen Situationen mit gehäuften ventrikulären Tachykardien oder falls die Geräte nicht zuverlässig funktionieren wegen technischen Problemen. Da diese Geräte auch Vorhofflimmern mit einer Sensitivität von fast 95% erkennen und 90% davon asymptomatisch bleibt, kann versucht werden, mittels Telemedizin eine möglichst frühzeitige Diagnose zu erreichen (6). Viele dieser Episoden sind aber nur kurz und dauern wenige Sekunden oder Minuten. Es konnte in verschiedenen Studien ein Zusammenhang zwischen subklinischem Vorhofflimmern und embolischen Ereignissen dokumentiert werden (7) und dies bereits ab einer Dauer der Vorhofflimmerepisoden von fünf Minuten und noch eindeutiger bei einer längeren Dauer (8).
Ein direkter zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Vorhofflimmern und einem embolischen Ereignis besteht aber nicht. In diesen Studien hatte die Mehrheit der Patienten in dem Monat vor einem Schlaganfall kein Vorhofflimmern. Welche Patienten von einer Antikoagulation profitieren, ist dewegen noch unklar. Zwei Studien versuchen im Moment dies zu klären (9). In einer Studie, bei der in Abhängigkeit des CHA2DS2-VASc-Scores und von telemedizinisch festgestelltem Vorhofflimmern die Antikoagulation gestartet und wieder gestoppt wurde, konnte kein Nutzen festgestellt werden (10).
Bisher wird empfohlen, ab einer Vorhofflimmerdauer von 6 Minuten eine orale Antikoagulation erst zu beginnen, wenn eine konventionelle EKG-Dokumentation vorliegt. Ab einer Dauer der Episoden von über 24 Stunden kann je nach CHA2DS2-VASc-Score direkt mit der OAK begonnen werden (11).
Die telemedizinische Überwachung und das möglichst frühzeitige Entdecken von Vorhofflimmern können in bestimmten Fällen sicher mithelfen, eine Progression der Herzinsuffizienz, das Auftreten von inadäquaten Schockabgaben und das Ausbleiben der kardialen Resynchronisation frühzeitig zu erkennen und zu therapieren. So wurde bei Patienten mit implantierbarem Defibrillator in Langzeitstudien bei 30 – 60% ein bisher nicht diagnostiziertes Vorhofflimmern festgestellt (12).

Wearables

Heute besitzt fast jeder ein Smartphone und speichert damit dauernd eine Vielzahl von Daten. Nicht nur zu Konsumverhalten und der Nutzung von Telefon, Suchmaschinen und sozialen Netzwerken, sondern immer auch Daten zu Standort, Bewegungsverhalten und den Aktivitäten. Bereits über das Smartphone selber ist es möglich, mit der eingebauten Lampe und der Kamera über eine Photopletysmographie die Sauerstoffpulskurve zu messen und dadurch Informationen zu Herzfrequenz, Blutdruck und Sauerstoffsättigung zu speichern. Benutzen die Anwender zusätzliche Geräte wie ein Fitnessband oder eine Smartwatch, können diese Parameter ständig gemessen und kann je nach Ausstattung des Gerätes sogar eine EKG-Ableitung aufgezeichnet werden (Abb. 3). Eine stetig steigende Zahl von Benutzern dokumentiert so ihr Trainingsprogramm und ihre Freizeitaktivitäten und zeichnet auf diese Weise dauernd eine Reihe von Vitalparametern auf, die mit allen anderen Daten verknüpft werden können. Dazu können die Benutzer auch Angaben zu ihrem Befinden eingeben und gezielt die Daten mit ihren Symptomen verbinden. Für uns Ärzte wird die Situation komplex, weil immer mehr Leute mit immer mehr verschiedenen Geräten und Applikationen uns eine stetig steigende Menge von Daten präsentieren und wir nicht immer wissen können, wie zuverlässig die erhobenen Daten tatsächlich sind und welche Relevanz die Messungen haben.

Zudem werden wir wohl immer mehr mit Ergebnissen aus gepoolten Daten von ganz vielen Benutzern und daraus entwickelten Algorithmen konfrontiert werden. Das Smartphone lobt den Benutzer für sein Verhalten oder warnt ihn vor Gesundheitsrisiken aufgrund eines Algorithmus, den wir nicht verstehen oder nachvollziehen können. Dr. Google lässt grüssen und für uns Ärzte wird es spannend, wie wir mit diesen Informationen umgehen und ob sich unsere Rolle gegenüber den Patienten dadurch verändern wird.
Ein sehr interessantes Beispiel ist die «Apple Heart Study», welche vor wenigen Wochen publiziert wurde (13). In einer prospektiven Single-arm-Studie sind 419 297 Teilnehmer untersucht worden. Primärer Endpunkt ist der Anteil Patienten mit einem von der Applewatch entdeckten unregelmässigen Puls, die Vorhofflimmern haben. Gemessen wurde mit dem Pulsoxymeter der Smartwatch. Im Falle eines unregelmässigen Pulses ist den Studienteilnehmern dann ein Holter-EKG zugeschickt worden, mit dem sie ein 24h EKG aufnehmen und dieses zurückschicken mussten. Die Benutzer der Applewatch konnten sich selber in die Studie einschliessen. 0,52% der Studienteilnehmer hatten einen unregelmässigen Herzschlag. An 658 Teilnehmer ist ein Holter-EKG geschickt worden und 450 haben dieses auch wieder zurückgeschickt. In 34% dieser Holter-EKGs wurde Vorhofflimmern diagnostiziert. Die Studie zeigt sehr eindrücklich, wie über das Internet innert kürzester Zeit mehr als 400 000 Studienteilnehmer eingeschlossen werden können und welche Limitationen damit verbunden sind. Nur 0,5% der Teilnehmer hatten einen unregelmässigen Puls und von diesen hat nur ungefähr die Hälfte der Teilnehmer weitere Schritte unternommen. Es gab eine sehr hohe Rate von Ausfällen der Studienteilnehmer, was schliesslich grundsätzlich die Resultate in Frage stellt. Durch die besondere Selektion (alle Besitzer einer Applewatch statt einer medizinisch definierten Risikogruppe) und die mangelnde Adhärenz der Studienteilnehmer besteht vermutlich ein relevanter Bias. Zudem führen diese Gesundheitsreihenuntersuchungen vermutlich auch zu einer sehr hohen Zahl von zusätzlichen und teuren Untersuchungen.
Trotzdem hat die «Apple Heart Study» eine grosse Bedeutung: Sie hat als erste von vermutlich vielen Untersuchungen, die aus der riesigen Menge von Daten, die ständig von Benutzern gespeichert werden, brauchbare Information abzuleiten versucht, sei es direkt für ein Individuum oder über Algorithmen für bestimmte Gruppen oder die ganze Population.

Dr. med. Thomas Stuber

FMH Kardiologe
Kardiologische Gemeinschaftspraxis
Schänzlistrasse 3
3013 Bern

thomas.stuber@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Die telemedizinische Überwachung von Rhythmusstörungen wird sich wegen der Zunahme der «wearables» und der Verknüpfung der Messungen mit allen anderen von uns gespeicherten Daten noch stark weiterentwickeln.
  • Langzeit-EKG-Recorder mit telemedizinischer Übertragung bieten einen grossen Vorteil und Zeitgewinn bei der Abklärung von unklaren Synkopen.
  • Die Bedeutung kurzer Episoden von asymptomatischem Vorhofflimmern, welches mit Schrittmachern und Defibrillatoren erkannt wird,
    ist noch unklar. Entsprechend ist auch der Vorteil der Telemedizin für diese Fragestellung noch nicht erkannt.

Messages à retenir

  • La surveillance télémédicale des perturbations rythmiques continuera à se développer considérablement en raison de l’ augmentation du nombre d’ objets portables et de l’ interconnexion des résultats de mesure avec toutes les autres données que nous stockons.
  • Les enregistreurs ECG à long terme avec transmission télémédicale offrent un grand avantage et un gain de temps dans la clarification de syncopes peu claires.
  • L’ importance des courts épisodes de fibrillation auriculaire asymptomatique, qui sont détectés à l’ aide de stimulateurs cardiaques et de défibrillateurs, n’ est toujours pas claire. Par conséquent, l’ avantage de la télémédecine relative à cette question n’ a pas encore été reconnu.

1. Lloyd-Jones DM et al. Lifetime risk for development of atrial fibrillation: the
Framingham Heart Study. Circulation 2004;110(9):1042-6
2. Solano A et al. Incidence, diagnostic yield and safety of the implantable loop-
recorder to detect the mechanism of syncope in patients with and without structural heart disease. Eur Heart J 2004;25:1116–9.
3. Sulke N et al. The benefit of a remotely monitored implantable loop recorder as a first line investigation in unexplained syncope: the EaSyAS-II trial. Europace 2016;18:912–8.
4. Svennberg E et al. Mass Screening for Untreated Atrial Fibrillation: The
STROKESTOP Study. Circulation 2015 Jun;131(25):2176-84.
5. Soteriades ES et al. Incidence and prognosis of syncope. NEJM 2002;347(12):878-85.
6. Ricci RP et al. Effectiveness of remote monitoring of CIEDs in detection and treatment of clinical and device-related cardiovascular events in daily practice: The Home Guide Registry.Europace 2013;15:970–7.
7. Brambatti M et al. Temporal Relationship Between Subclinical Atrial Fibrillation and Embolic Events. Circulation. 2014;129:2094-9.
8. Healey JS et al. Subclinical atrial fibrillation and the risk of stroke. N Engl J Med 2012;366:120
9. Kirchhof P et al. Probing oral anticoagulation in patients with atrial high rate episodes: Rationale and design of the Non–vitamin K antagonist Oral anticoagulants in patients with Atrial High rate episodes (NOAH–AFNET 6) trial. Am Heart J 2017;190:12-8.
10. Martin DT et al. Randomized trial of atrial arrhythmia monitoring to guide anticoagulation in patients with implanted defibrillator and cardiac resynchronization devices. Eur Heart J. 2015;36(26):1660-8
11. Macle, L et al. The 2014 Atrial Fibrillation Guidelines Companion: A Practical Approach to the Use of the Canadian Cardiovascular Society Guidelines.
12. Botto GL et al. Presence and duration of atrial fibrillation detected by continuous monitoring: crucial implications for the risk of thromboembolic events. J Cardiovasc Electrophysiol 2009;20:241–8.
13. Perez MV et al. Large-Scale Assessment of a Smartwatch to Identify Atrial Fibrillation. N Engl J Med 2019;381:1909-17

Herz und Schlafstörungen

Wenn das Hirn schläft, schläft auch das Herz. Deshalb beeinträchtigen Schlafstörungen nicht nur den Wachzustand des Hirns, sondern können auch dem Herz-Kreislaufsystem schaden. Hier gebe ich Einblick in die neuronale Kommunikation zwischen Hirn und Herz während des Schlafs. Untersuchungen an der schlafenden Maus weisen auf eine neue Form dieser Kommunikation hin, die die Aufweckbarkeit im knappen Minu­tentakt reguliert. Diese könnte für die Aufklärung weitverbreiteter Schlafstörungen beim Menschen von Bedeutung sein.

Quand le cerveau dort, le cœur dort aussi. C’ est pourquoi les troubles de sommeil affligent non seulement l’état d’éveil du cerveau, mais aussi le fonctionnement du système cardiovasculaire. Je résume ici l’ état des connaissances sur la communication neuronale entre le cerveau et le cœur pendant le sommeil. De récentes études expérimentales chez la souris endormie ont mis en évidence que cette communication est en rapport avec la propensité à s’éveiller sur une échelle de temps d’environ 1 minute. Celle-ci pourrait s’ avérer importante pour comprendre des troubles de sommeil répandues chez l’ humain.

Beim Gedanken an eine unruhige Nacht denkt man zunächst an die Müdigkeit des darauffolgenden Tages, das generelle Unwohlsein, die fehlende Unternehmungslust. Schlechter Schlaf verursacht tagsüber mangelndes Konzentrationsvermögen, Gedächtnislücken und emotionale Unausgeglichenheit. Langfristig gilt Schlafmangel als Risikofaktor für weitverbreitete Krankheiten wie Alzheimer, Depressionen, Übergewicht und Diabetes. Entsprechend interessiert sich die Grundlagenforschung heute in erster Linie für die durch Schlafmangel hervorgerufenen Auswirkungen auf die wichtigen neuronalen Kontaktstellen zwischen Nervenzellen im Gehirn, die Synapsen. Sie frägt insbesondere nach deren Rolle in der Verfestigung von Gedächtnisinhalten, der emotionalen Steuerung und der Regulation des Appetits.
Gestörter Schlaf belastet aber auch das Herz-Kreislaufsystem  (1). Epidemiologische Studien zeigen ein klar erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten und Sterblichkeit bei verschiedenen Schlafstörungen (2-5). Andererseits führen kardiovaskuläre Erkrankungen wie Bluthochdruck zu Schlafstörungen, so dass sich ein regelrechter Teufelskreis einstellen kann. Es gibt also einen wechselseitigen Dialog zwischen Hirn und Herz, der durch schlechten Schlaf aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Trotz seiner klinischen Bedeutung verstehen wir die physiologischen Grundlagen dieses Dialogs noch ungenügend. In diesem Artikel zeige ich auf, wie Studien an der Maus hier weiterhelfen können. Sie bieten zudem neue Ansätze, die auch auf den Menschen übertragbar sind.

Vom Hirn zum Herz

Wenn das Hirn einschläft, «schläft» auch das Herz. Zwar schlägt es weiter, aber die verschiedenen Schlafstadien sind eng an ganz bestimmte Veränderungen der kardiovaskulären Aktivität, wie auch der Funktion anderer Organe, gekoppelt (6). Der Schlaf beginnt mit dem Eintritt in den sogenannten Non-Rapid-Eye-Movement (Non-REM-Schlaf), der etwa 80% der Schlafzeit einnimmt (Abb. 1A). Dabei generiert das Hirn zunehmend langsamere elektrische Wellen, die dafür sorgen, dass wir das Bewusstsein verlieren und uns von den sensorischen Reizen der Umwelt entkoppeln, um uns zu erholen und Gedächtnisinhalte zu konsolidieren. Nun senkt sich die Herzfrequenz um bis zu 10 Schläge pro Minute unter den Ruhepuls, die Gefässe erweitern sich, der arterielle Blutdruck erniedrigt sich um mindestens 10-15% gegenüber dem Wachzustand. Für diese Veränderungen massgeblich ist eine Verringerung der sympathischen Aktivität des autonomen Nervensystems (7), so dass der Einfluss des parasympathischen Nervensystems überhandnimmt. Beim Menschen lässt sich dies sehr schön an der veränderten Variabilität der Herzfrequenz erkennen, da die verschiedenen Frequenzkomponenten das Gleichgewicht zwischen der parasympathischen und sympathischen Aktivität widerspiegeln (8). In der tiefsten sogenannten N3-Phase des Non-REM Schlafes befindet sich das Herz fast ausschliesslich unter parasympathischer Kontrolle. Aus Tierversuchen zeigt sich, dass schlafregulatorische Zentren im Hypothalamus die autonome Kontrolle des Herzens direkt modifizieren, zum Beispiel indem sie hemmende Synapsen an prämotorischen sympatho-exzitatorischen Zellen des Hypothalamus und des Hirnstamms aktivieren (9). Durch synaptische modulatorische Mechanismen könnte sich auch die Empfindlichkeit der autonomen Reflexbögen, wie beispielsweise diejenige des Barorezeptor-Reflexes und der Kopplung von Atmung an Herzrate, zumindest zu Beginn der Nacht erhöhen (8, 9).

Beim Eintritt vom Non-REM- in den REM-Schlaf, auch paradoxaler Schlaf genannt, erhöhen sich dagegen Herzfrequenz und Blutdruck wieder, die sympathische Aktivität steigt an (7) (Abb. 1B). Die Situation erinnert auf den ersten Blick an diejenige des Wachzustandes, der Organismus schläft jedoch weiter (8). Der REM-Schlaf ist bekanntlich traumreich und für die Verarbeitung emotionaler Erlebnisse zuständig. Bildgebende Verfahren zeigen eine gesteigerte Aktivität von Hirnarealen wie der Amygdala und des Frontalkortex während des REM-Schlafs, die an der Entstehung von Furcht und Emotionen beteiligt sind und die sympathische Aktivität steigern (10).
Insgesamt ist die autonome Kontrolle des Herzens im Non-REM-Schlaf gezeichnet durch eine verstärkte Verschaltung an den autonomen Reflexbögen, wohingegen im REM-Schlaf subkortikale und kortikale Hirnareale modifizierend eingreifen (10).
Die Bedeutung des Schlafes für die Gesundheit des kardiovaskulären Systems kann nicht hoch genug eingestuft werden. Das sogenannte «Dipping» (das Abtauchen) der Herzrate und des Blutdrucks während des Non-REM-Schlafs gilt als Bewährungstest für eine gesunde autonome Herzkontrolle. Geschwächtes Dipping wird mit fortschreitendem Alter, Bluthochdruck, Stress und Depression verbunden und gilt, im Falle von Bluthochdruck, als ernstzunehmendes Risiko für Herzerkrankungen, Atherosklerose und erhöhte Sterblichkeit (11). Der Schlaf selber fördert auch die kardiovaskuläre Gesundheit. Häufiges Aufwachen während der Nacht sollte nicht nur als zwar quälend aber im Grunde harmlos abgetan werden. Auch wenn unter Umständen die Schlafdauer kaum verkürzt ist, kann häufiges Aufwachen vorübergehend Blutdruck und Herzrate erhöhen, und die wiederholte Aktivierung des Sympathikus unterbricht die wichtigen Phasen des Dipping. Besonders ausgeprägt sind diese Zusammenhänge bei der ob­struktiven Schlaf-Apnoe, bei der die Atmung während des Schlafes unterbrochen wird (12). Dadurch erniedrigt sich der Sauerstoffgehalt des Blutes, was der Körper durch erhöhten Blutdruck und Herzrate zu kompensieren versucht. Dies fördert das Aufwachen und die Ausschüttung von Stresshormonen, was langfristig zu Bluthochdruck führen kann. Etwa 50% aller Patienten mit obstruktiver Schlaf-Apnoe haben Bluthochdruck und sind damit gefährdet, mögliche Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Schlafapnoe gehört heute zu den etablierten unabhängigen Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen.

Vom Herz zum Hirn

Schlafstörungen können nicht nur ursächlich zu Folgeerkrankungen des Herzens führen, sondern umgekehrt auch aus Herzerkrankungen hervorgehen. Sie entstehen zum Beispiel aufgrund Sauerstoffmangel und erhöhter Kohlendioxidwerte, die bei Herzschwäche entstehen können, und die über mehrere, peripher und zentral liegende, chemosensorische Signalwege zu einer Aktivierung von Kernen des Hirnstamms wie dem parabrachialen und dem darin liegenden Kölliker-Fuse-Nukleus führen (13). Diese rufen über ihre Projektionen zu Wachzentren des Hirns eine Weckreaktion hervor, um die Leistung des Herzens zu erhöhen und die Atemmuskulatur anzuregen. Die Wahrnehmung der eigenen Herzrate scheint bei Insomniepatienten erhöht (14) und korreliert mit dem Auftreten von Alpträumen im REM-Schlaf (15). Dies illustriert, wie stark die kardiovaskuläre Aktivität das Schlafverhalten beeinflusst. Noch ist aber wenig über viele der dazugehörigen neuronalen Wege bekannt. Anatomische Studien zeigen, dass die Eingangsstelle für vagale sensorische Afferenzen, der Nucleus tractus solitarius, breitgefächerte Projektionen in wichtige Wach-Kontrollzentren des Hirnstamms schickt (16). Erstaunlicherweise zeichnet es sich auch ab, dass die im Schlaf empfangenen autonomen Signale nicht nur für die Schlafstabilität sondern auch für Schlaffunktionen mitbestimmend sind. Es gibt zum Beispiel eine zeitliche Kopplung des Herzschlags an die für gesunden Schlaf wichtigen langsamen elektrischen Wellen (17). Die Behandlung von Schlafapnoe mit der «Continuous-positive-airway-pressure»-Methode verbessert diese Kopplung (18). Es gibt sogar Zusammenhänge zwischen der Dominanz der parasympathischen Aktivität auf das Herz während des Schlafes und der Fähigkeit, Gedächtnisinhalte am Morgen abzurufen (19).

Der ultralangsame, 50-Sekunden-Dialog zwischen Herz und Hirn

Der Dialog zwischen Hirn und Herz ist zwar je nach Schlafzustand strikt geregelt, er ist jedoch nicht statisch. Wir beobachteten, dass Mäuse auch im konsolidierten (über die Zeit stabilen) Non-REM-Schlaf mal leichter und mal weniger leicht aufwachten, wenn sie kurzem Lärm ausgesetzt wurden (20). Bei genauerer Analyse zeigte es sich, dass diese variable Weckbarkeit sich auf einer periodischen Zeitskala von einer knappen Minute (ca. 50 Sekunden) wiederholte (Abb. 1C). Auf der gleichen Zeitskala veränderte sich im Schlaf-Elektroenzephalogramm das Auftreten wichtiger Hirnwellen, wie der Schlafspindeln und der hippokampalen Ripple-Events. Erstere sind für ihre Rolle in der Abkopplung des schlafenden Hirns von sensorischen Reizen aus der Umgebung bekannt, und gemeinsam mit letzteren sind sie für die Verarbeitung von Gedächtnisspuren wichtig. Beide Wellen zeigten sich vermehrt während der vor Lärm geschützten «Continuity»-phase, und sie waren in der durch erhöhte Aufwachtendenz charakterisierten «Fragility»-Phase verringert. Auf der gleichen 50-Sekunden-Zeitskala veränderte sich auch die Herzrate – sie war erhöht während der Fragility-Phase. Eine andere Studie fand, dass sich der Durchmesser der Pupillen auf derselben Zeitskale veränderte (21). Insgesamt ergibt sich damit das Bild einer Koordination von Hirn- und Herzaktivität im Minutentakt, die mit der geordneten Abwicklung eines wichtigen Verhaltensmerkmals des Schlafs koordiniert ist – der Weckbarkeit. Die Herzrate erhöht sich in jeder Fragility-Periode leicht und nimmt so ein mögliches Aufwachereignis vorweg. In Zusammenarbeit mit Professor Jan Born von der Universität Tübingen haben wir analoge Schwankungen beim Schlaf des Menschen nachweisen können und gefunden, dass diese während der leichten N2-Schlafphase besonders ausgeprägt sind. Unsere neusten Resultate weisen darauf hin, dass diese Schwankungen zentral gesteuert und über parasympathische Mechanismen geregelt werden. Dies würde darauf hinweisen, dass zentrale Mechanismen, die die Weckbarkeit regulieren, auch in die parasympathische Kontrolle des Herzens eingreifen. Als Favorit bietet sich hier der noradrenerge Hirnstammkern des Locus Coeruleus an. Der Locus Coeruleus ist hochaktiv während des Wachzustandes und vermittelt Phasen angespannter Aufmerksamkeit, Stress und Panik im Hirn, wobei er zugleich über das autonome Nervensystem Herzschlag und Blutdruck hochtreibt und die Pupillen erweitert. Interessanterweise bleiben zumindest einige Zellgruppen während des Non-REM-Schlafes phasisch aktiv und regulieren über Synapsen ins Vorderhirn die Aktivität von Spindelwellen (22, 23). Der Locus Coeruleus ist also als Verbindungsglied zwischen kortikalen Schlafrhythmen und der Herzaktivität während des Schlafes prädestiniert. Mit den heutigen genetischen und optogenetischen Methoden in der Maus lassen sich diese, wie auch andere Hypothesen zu den neuronalen Mechanismen, jetzt direkt testen. Langfristig werden solche Studien Fragen, wie individuelle und altersabhängige Eigenschaften des Locus Coeruleus die Herzratenvariabilität und die Schlafqualität beim Menschen beeinflussen, anregen.

Klinische Bedeutung des ultralangsamen Dialogs zwischen Herz und Hirn

Phänomenologische Beobachtungen im halben bis knappen Minutentakt beim menschlichen Schlaf sind nicht neu. Das Cyclic Alternating-Pattern (CAP), auch als «unstabiler» Schlaf bekannt, tritt mit einer 20-40 Sekunden-Rhythmik bevorzugt an Übergangsphasen zwischen Non-REM und REM-Schlaf auf und zeigt spektrale Charakteristika eines Aufwachens im EEG, erhöhte Herzrate und Blutdruck, wie auch erhöhte Weckbarkeit (8, 24). Die CAPs zeigen sich gehäuft in Patienten mit schlafbezogenen Atmungs- oder Bewegungsstörungen. Eindrücklich periodisch finden sich Beinbewegungen alle 20-40 Sekunden bei Restless-Leg-Syndrome-Patienten, aber auch bei vielen Normalschläfern (25, 26). Die Cheyne-Stokes-Atmung, die sich bei Herzschwächepatienten einstellen kann, spielt sich ebenfalls auf solchen Zeitskalen ab (27, 28). Dass ultralangsame Zeitintervalle im Schlaf mehr ins Schweinwerferlicht der Forschung geraten, hängt viel mit dem technischen Fortschritt zusammen. Sie werden in konventionellen EEG-Messungen wegen Hochpassfiltern nicht erfasst, sondern benötigen die technisch schwierigere direct-current-coupled-EEG-Methode (29). Da lässt sich eine ultralangsame Periodik erkennen, die als übergeordnetes Signal das Auftreten mehrerer Schlafwellen wie der Delta-Wellen im gesunden Probanden steuert. Auch das Auftreten von interiktalen epileptiformen Ereignissen im schlafenden Epilepsie-Patienten kann über solche Zeitspannen moduliert werden. Funktionelle Magnetresonanzmessungen weisen auf ultralangsame Fluktuationen in der koordinierten hämodynamischen Aktivierung von subkortikalen und kortikalen Hirnstrukturen, den sogenannten Resting-State-Networks, hin (30). Noch besteht aber Unklarheit darüber, inwiefern diese die Aufweckbarkeit beeinflussen.
Wie und ob die 50-Sekunden-Fluktuation in der Maus und im Menschen mit CAPs und hämodynamischen Aktivitäten im Schlaf zusammenhängen, ist gegenwärtig Gegenstand mehrerer Forschungsgruppen im In- und Ausland. Die Studien an der Maus, bei der wir erstmals variables Aufwachverhalten als natürlichen Teil des Non-REM-Schlafs dokumentiert und mit zentralen und peripheren Parametern quantifiziert haben, hat diesen Fragestellungen neuen Auftrieb gegeben. Die Ursachen und Mechanismen für schlafbezogene Atmungs- und Bewegungsstörungen werden jetzt im Zusammenhang mit einer neuen Dynamik des Non-REM-Schlafs gesehen. Interesse besteht an der erweiterten Rolle von wachaktiven Hirnstrukturen wie dem Locus Coeruleus für den Schlaf. Einblick in ihre elektrische Aktivität und synaptischen Projektionen eröffnen Perspektiven, die Rolle von Stress und Emotionen während des Tages auf Schlafstörungen neu zu gewichten und neue verhaltenstherapeutische und pharmakologische Ansätze für die Kontrolle des Dialogs zwischen Hirn und Herz im Schlaf anzudenken.

Danksagungen: Ich danke Frau Dr. Laura M.J. Fernandez, Senior Scientist in meiner Arbeitsgruppe an der Universität Lausanne, für die gestalterische Mitarbeit an der Abbildung 1. Für Anregungen und wertvolle Literaturhinweise danke ich Frau Dr. Stephany Fulda, Sleep & Epilepsy Center, Neurocenter of Southern Switzerland, Civic Hospital (EOC), Lugano, Schweiz. Frau cand. med. Selina Steiger, Universität Zürich danke ich herzlich für das Korrekturlesen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. Anita Lüthi

Associate Professor
Department für Fundamentale Neurowissenschaften (DNF)
Universität Lausanne
Rue du Bugnon 9
1005 Lausanne

anita.luthi@unil.ch

Die Autorin hat im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert. Danksagungen:

  • Der Schlaf steuert die autonome Kontrolle des Herzens. Die parasympathische Kontrolle dominiert die Phases des Non-REM-Schlafs,
    daraus resultiert ein «Dipping» von Herzrate und Blutdruck, welche ein Mass für die kardiovaskuläre Gesundheit darstellt.
  • Der Dialog zwischen Hirn und Herz ist wechselseitig – nicht nur greift das Hirn in die autonome Kontrolle des Herzens ein, sondern das Herz sendet Rückmeldungen über vagale Afferenzen, die die Aktivität von Wach-Kontrollzentren des Hirnstamms mitregulieren.
  • Dieser wechselseitige Dialog steht vielseitigen Ursachen von Schlafstörungen zugrunde, von denen einige verheerende Auswirkungen auf die kardiovaskuläre Gesundheit haben können.
  • Tierversuche weisen auf ein dynamisches Wechselspiel zwischen Hirn und Herz im knappen Minutentakt hin, welches die Weckbarkeit steuert und in Verbindung mit weitverbreiteten Schlafstörungen wie der Schlaf-Apnoe oder dem Restless-Leg-Syndrom gebracht werden kann.

Messages à retenir

  • Le sommeil modifie le contrôle autonome du cœur. La voie parasympathique domine les phases du sommeil non-REM. Il en résulte un «Dipping» de la fréquence cardiaque et de la pression sanguine qui est une mesure pour la santé cardiovasculaire.
  • Le dialogue entre cerveau et cœur est réciproque – le cerveau interfère dans le contrôle autonome du cœur, et le cœur envoie des messages à travers des afférences vagales qui régulent l’activité des centres d’éveil dans le tronc cérébral.
  • Ce dialogue réciproque peut être à l’origine de troubles du sommeil dont certains ont des effets délétères sur la santé cardiovasculaire.
  • Des expérimentations animales ont révélé l’existence d’un dialogue sur un intervalle d’un peu moins d’une minute. Celui-ci est mis en relation avec des troubles de sommeil répandus tels que les apnées du sommeil ou le syndrome des jambes sans repos.

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COVID-19 und das Herzgefäss-System

COVID-19, die durch das SARS-CoV-2-Virus verursachte Krankheit, dominiert gegenwärtig unser berufliches Tun.
Deshalb versuche ich anstelle eines Editorials eine Zusammenfassung der Beteiligung respektive der Auswirkung von COVID-19 auf das Herzkreislaufsystem zu geben.

Obwohl COVID-19 vor allem die oberen Luftwege und die Lunge befällt, kommt es bei einigen Patienten zur schweren kardialen Mitbeteiligung. Zudem werden kardiovaskuläre Faktoren für die Pathogenese und den Krankheitsverlauf mitverantwortlich gemacht. Das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2) dient als Rezeptor und Eintrittspforte für das SARS-CoV-2-Virus in die Zelle. Ob ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptoren-Blocker (ARB) das ACE-2 modifizieren und dadurch die Infektion begünstigen, ist nicht sicher geklärt. Für den Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion könnte die vermehrte Expression von ACE-2 aber eine günstige Wirkung haben. Das von ACE-2 produzierte Angiotensin-(1-7) wirkt dem schädlichen Effekt von Angiotensin-II entgegen und vermindert den Lungenschaden. Die Schädigung des Myokards durch COVID-19 kann direkt oder indirekt erfolgen. Da auch Myozyten ACE-2-Rezeptoren exprimieren, kann es zu einer direkten Infektion des Herzens im Sinne einer Myokarditis kommen. Im Verlauf der schweren COVID-19-Infektion mit ARDS kann eine von Zytokinen vermittelte myokardiale Schädigung auftreten, welche mit einem schlechten Verlauf einhergeht. Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen gelten als besonders gefährdet und zählen zur Risikogruppe für eine COVID-19-Infektion. Der Einfluss kardiovaskulärer Vorerkrankungen auf die Infektanfälligkeit oder auf den Verlauf der COVID-19-Krankheit ist aber weitgehend unklar.

Klinische Manifestation von COVID-19

COVID-19 wird durch das Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) verursacht. Es ist das siebte bekannte, für den Menschen pathogene Coronavirus. Vier Coronaviren (229E, OC43, NL63 und HKU1) verursachen einen «gewöhnlichen» Schnupfen. Drei Coronaviren können mit einer, wie es im Namen ausgedrückt ist, schweren Lungenentzündung einhergehen. Das SARS-CoV-Virus war für das Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) des Jahres 2002 und das MERS-CoV-Virus für das Middle East Respiratory Syndrome (MERS) des Jahres 2012 verantwortlich. Das SARS-CoV-2 hat mit dem SARS-CoV- und dem MERS-CoV-Virus gemeinsam, dass es wahrscheinlich von Fledermäusen über einen Zwischenwirt auf den Menschen übertragen wurde. Beim SARS-CoV-2-Virus ist möglicherweise das malaiische Schuppentier dieser Zwischenwirt (1, 2). Zwei Oberflächenproteine der menschlichen Zellen interagieren mit dem SARS-CoV-2-Virus vor dessen Eintritt in die Zelle. Das erste ist eine Proteinase, die transmembrane Proteinase Serin 2 (TMPRSS2), das zweite das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2) (3). Die Proteinase (TMPRSS2) aktiviert am Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus die sogenannte rezeptorbindende Domäne. ACE-2 ist eine membrangebundene Aminopeptidase, deren Aufgabe die Spaltung von Angiotensin-II ist. Im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 dient es aber als Rezeptor für das aktivierte Spike-Protein des Virus. Der ACE-Virus-Komplex gelangt mittels Endozytose in die Zelle. ACE-2 wird in hohem Masse in den alveolären epithelialen Zellen und den Endothelzellen der Lunge, dem Herz, aber auch im Epithel des Magendarmtrakts, dem Endothel und der Niere exprimiert. Das Spike-Protein des SARS-CoV-2-Virus sitzt übrigens wie eine Zacke auf der ovalen Oberfläche des Virus. Im Elektronenmikroskop ergibt dies ein Bild ähnlich einer Krone mit Zacken, daher der Name Coronavirus.
Es wird angenommen, dass die Übertragung vorwiegend über Tröpfchen des Atemsystems erfolgt, ähnlich wie bei der Influenza (4). Die Inkubationszeit variiert zwischen 2-14 Tagen. Angesteckte Individuen bleiben infektiös, d. h. können die Krankheit zwischen acht bis 37 Tage übertragen. Bei über 90% der Infizierten können aber 10 Tage nach Ausbruch der Symptome keine Viren mehr nachgewiesen werden. Wie allgemein bekannt, variiert die Klinik der Krankheit stark und die Schwere der Krankheit ist altersabhängig. Ein unbekannter, vielleicht beträchtlicher Teil der angesteckten Personen kann asymptomatisch bleiben. Interessanterweise finden sich aber auch bei asymptomatischen Patienten in 50% in einer CT-Untersuchung der Lunge die Zeichen der Infektion mit typischen retikulären Zeichen und Verschattungen. Die klinischen Symptome sind in der Tabelle 1 zusammengefasst. Die Krankheit beginnt meist mit Symptomen einer Infektion der oberen Luftwege und des Nasenrachenraums. Selten können Übelkeit und Durchfall die ersten Symptome sein (5). Eine Pneumonie mit Dyspnoe entwickelt sich meist über Tage. Damit einhergehend steigt das Fieber an, welches am Anfang der Infektion fehlen kann. Ausgeprägte Hustenattacken provoziert durch die Passage der Nahrung im Rachenraum kann die Nahrungsaufnahme bei einigen Patienten praktisch verunmöglichen. Hohes Fieber, Tachypnoe und Sättigungsabfall deutlich unter 90% sind die häufigsten Gründe für eine Hospitalisation. Von den wegen der Tachypnoe und Hypoxämie hospitalisierten Patienten müssen 75% intubiert und beatmet werden. Bei 50% der wegen des ARDS beatmeten Patienten kommt es im Verlauf zu einem Nierenversagen, welches eine Hämodialyse erfordert. Gegenwärtig laufen viele klinische Studien mit Medikamenten, die den Krankheitsverlauf in den verschiedenen Stadien günstig zu beeinflussen versuchen. Die wichtigsten sind in der Tabelle 2 aufgeführt. Die Beherrschung der Infektion ist aber schlussendlich nur durch einen potenten Impfstoff möglich.

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) und COVID-19

Initiale Berichte über eine erhöhte Prävalenz von COVID-19 bei Patienten mit Hypertonie haben Spekulationen geschürt, dass die Therapie mit ACE-Hemmern und Angiotensin-Rezeptoren-Blockern (ARB) die Infektiosität erhöht durch eine Hochregulation des ACE-2 (6). Von einigen Wissenschaftlern, und von der Presse deutlich verstärkt, wurde empfohlen ACE-Hemmer und ARBs durch andere antihypertensive Medikamente zu ersetzen, um die Pandemie zu verlangsamen (6). Die Wirkung des RAAS-Systems und seine Regulation ist jedoch komplex, indem gegen jeden Wirkmechanismus systemeigene gegenregulatorische Mechanismen vorhanden sind. Darum ist ein direkter Zusammenhang zwischen ACE-2-Expression und Infektanfälligkeit nicht so einfach herzustellen. Das ACE-2 ist ein Schlüsselenzym der protektiven Achse des RAAS. Seine Rolle in der COVID-Infektion kann vielleicht am besten als zweischneidiges Schwert bezeichnet werden (7).
Um dies verständlich zu machen, müssen wir uns den Wirkmechanismus des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems vor Augen halten. Das RAAS wird in der Infektion angeregt und es kommt zur üblichen Spaltung von Angiotensin-I zu Angiotensin-II durch das Angiotensin-Converting-Enzyme. Das Angiotensin-II bindet sich an den AT1-Rezeptor und führt so zu den bekannten Wirkungen, d.h. Vasokonstriktion, Erhöhung der vaskulären Permeabilität, Fibrose, Zellproliferation, Entzündung und damit zu akutem Lungenschaden und unvorteilhaftem myokardialem Remodeling. Diesen Effekten des Angiotensin-II stehen zwei gegenläufige Regelkreise gegenüber. Zum einen bindet sich das Angiotensin-II nicht nur an den AT1-Rezeptor, sondern auch an den AT2-Rezeptor, welcher gegenteilige Effekte auslöst, z.B. zu einer Vasodilatation und Antiproliferation führt. Der wichtigere gegenregulatorische Regelkreis läuft aber über das Angiotensin-Converting-Enzyme-2 (ACE-2). Die Aufgabe von ACE-2 ist es, Angiotensin-II in Angiotensin-(1-7) zu spalten, welches über den Mas-Rezeptor den Wirkungen des Renin-Angiotensin-Systems entgegenwirkt. Das Angiotensin-(1-7) via Mas-Rezeptor hat eine antihypertrophe, antifibrotische, vasodilatierende, antiinflammatorische und antioxidative Wirkung (7). Im Rahmen der SARS-CoV-2-Infektion vermindert es die alveoläre Zellapoptose, die endotheliale Zellaktivierung, die Ödembildung und begrenzt die Bildung von proinflammatorischen und profibrotischen Zytokinen (8). In der COVID-19-Krankheit wird das ACE-2-Regelsystem aber folgendermassen nachhaltig gestört. Das SARS-CoV-2-Virus tritt als Komplex mit dem ACE-2 in die Zelle ein. Durch die gemeinsame Endozytose wird das ACE-2 von der Zelloberfläche entfernt. Dadurch wird potentiell die Wirkung des Angiotensin-II verstärkt und dies kann den Lungenschaden bei der COVID-19-Krankheit verstärken. In der SARS-Krankheit wurde der protektive Effekt von Angiotensin-(1-7) und des ACE-2 als wichtig für einen günstigen Krankheitsverlauf erkannt (9). Es ist gut möglich, dass eine Hochregulation des ACE-2 auch in der COVID-19-Krankheit protektiv ist (7, 10). In Tiermodellen konnte jedenfalls gezeigt werden, dass die Virusinfektion zu einer Abnahme des ACE-2 in den Zellmembranen führte und dass eine erhöhte Angiotensin-II-Aktivität zum Gewebeschaden beitrug. Dieser Gewebeschaden konnte experimentell mit ARBs vermindert werden. Des Weiteren hat die Gabe von rekombinantem ACE-2 in präklinischen Studien zu einer Abnahme des Lungenschadens geführt (11). Dazu sind nun klinische Studien im Gang. Ebenso sind Studien am Laufen, um bei hospitalisierten und nicht hospitalisierten Patienten mittels Losartan den Krankheitsverlauf der COVID-19-Infektion zu verbessern (5) (siehe Tab. 2).

Insgesamt spricht die Evidenz also eher dafür, dass die Therapie mit ACE-Hemmern und ARBs eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Krankheit hat und dementsprechend haben die Schweizerische Gesellschaft für Kardiologie und die Schweizerische Gesellschaft für Hypertonie sowie praktisch alle grossen Fachgesellschaften empfohlen, dass diese Medikamente nicht abgesetzt resp. kein Wechsel auf ein anderes antihypertensives Medikament vorgenommen werden soll.

Akuter Myokardschaden

Die COVID-19-Krankheit kann mit einem Myokardschaden einhergehen. Es lassen sich zwei unterschiedliche Muster abgrenzen. Zum einen geht mit der allgemeinen Erkrankung des respiratorischen Systems auch eine kardiale Mitbeteiligung einher. Bei etwa 7-17% der COVID-19-Patienten liegt bei Eintritt eine leichte Troponin-Erhöhung vor. Der Anstieg und die erreichte Höhe des Troponins korrelieren mit der Mortalität der Patienten (12, 5, 13). Obwohl bei einigen Patienten auch elektrokardiographische Veränderungen und in der Echokardiographie eine abnehmende Pumpfunktion festgestellt werden konnten, ist die Ursache der kardialen Mitbeteiligung pathophysiologisch nicht geklärt. Es kann zu einer direkten Infektion der Myozyten kommen, wahrscheinlicher aber sind zytokininduzierte Schädigungen des Myokards (12). Da bei vielen Patienten bei ARDS und Schockzustand eine Niereninsuffizienz auftritt und eine Dialyse nötig ist, kann die Niereninsuffizienz zum Anstieg des Troponins beitragen.
Das SARS-CoV-2-Virus kann auch direkt das Myokard schädigen. Etwa 5-10% der Patienten zeigen denn auch als initiale Symptome Palpitationen und Thoraxschmerzen (13, 12). Bei einigen Patienten kommt es zur fulminanten Myokarditis (14). Die fulminante Myokarditis muss entsprechend einer akuten schweren Herzinsuffizienz behandelt werden. Nach Abklingen der Infektion kann sich die Pumpfunktion wieder normalisieren (14). In einigen Fällen scheint sie allerdings zum Tod zu führen (12).

Kardiovaskuläre Vorerkrankungen und Risiko der COVID-19-Krankheit

In den Berichten aus China werden kardiovaskuläre Vorerkrankungen, insbesondere die Hypertonie, als Risikofaktoren aufgeführt. Allerdings betrug die Prävalenz der Hypertonie in der grössten Studie (15) bei COVID-19-Patienten 15%, was unter der Prävalenz der normalen Bevölkerung in der berichteten Altersgruppe in China liegt.
Dass die Prävalenz der kardiovaskulären Vorerkrankungen und der Hypertonie bei den COVID-19-Patienten nicht höher als in der allgemeinen Population ist spricht eher dafür, dass sie nicht wesentlich die Gefahr einer Ansteckung erhöhen. Es bleibt die Frage zu klären, ob kardiovaskuläre Erkrankungen und die Hypertonie den Krankheitsverlauf beeinflussen. Auch in diesem Bereich gibt es keine guten Daten. Wenn die Patientencharakteristika einer multivariaten Analyse unterzogen wurden, war höheres Alter, aber nicht die kardiovaskulären Risikofaktoren und insbesondere nicht die Hypertonie mit dem Entwickeln eines ARDS in der COVID-19 Krankheit assoziiert (16). Des Weiteren hatten Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen keine erhöhte Sterblichkeit gezeigt, im Gegensatz zu Patienten, welche durch die Krankheit einen akuten Myokardschaden erlitten (17). Die durch die Entzündung direkte und durch die Zytokin induzierte indirekte myokardiale Schädigung kommt bei Patienten mit und ohne kardiovaskulären Vorerkrankungen gleich häufig vor und ist ein prognostisch schlechtes Zeichen.

Akutes Koronarsyndrom und COVID-19

Entzündliche Krankheiten begünstigen einen akuten Myokardinfarkt. Bis jetzt gibt es allerdings noch keine Publikationen, dass COVID-19-Patienten akute Myokardinfarkte erlitten haben. Ausnahmsweise präsentieren sich COVID-19-Patienten aber mit den klassischen Symptomen eines akuten Koronarsyndroms (ACS) mit Palpitationen, thorakalem Druckgefühl und gelegentlich leicht erhöhtem Troponin. Sollten Zeichen eines respiratorischen Infekts vorliegen oder keine Hinweise auf eine koronare Ursache der Beschwerden gefunden werden, muss eine SARS-CoV-2-Infektion ausgeschlossen werden. Umgekehrt sollen COVID-19-Patienten mit leicht ansteigendem Troponin nicht zum Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit invasiv untersucht werden.
Interessanterweise ist es in den ersten Wochen der Pandemie in allen Ländern zu einem deutlichen Abfall der Myokardinfarktrate gekommen. Es wird vermutet – und die Vermutung kann durch die eigene Erfahrung unterstützt werden – dass Patienten aus Angst vor der COVID-19-Krankheit nicht ins Spital gekommen sind, insbesondere wenn die Symptome des Myokardinfarktes etwas atypisch waren. Es ist im Rahmen der COVID-19-Krankheit aber nicht nur zu einem spürbaren Anstieg des sogenannten patient delay gekommen, es ist vielerorts auch ein system delay eingetreten. Da die Prozesse auf dem Notfall auf die Corona-Epidemie ausgerichtet sind, kann es zu verzögerter Diagnose und zur verzögerten Behandlung beim ST-Hebungsinfarkt kommen (18). Es gilt also wachsam zu sein, um neben der Corona-Epidemie akute Koronarsyndrome rechtzeitig zu erkennen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

  • Die Rolle von ACE-2 bei der SARS-CoV-2-Infektion ist noch nicht geklärt. ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptoren-Blocker haben aber eher eine günstige Wirkung und sollen nicht abgesetzt werden.
  • Patienten mit typischen Symptomen eines akuten Koronarsyndroms sollen ermutigt werden, sich trotz der Angst vor COVID-19-Krankheit auf die Notfallstation zu begeben.
  • Palpitationen und unspezifische thorakale Schmerzen können Symptome der COVID-19-Krankheit sein.
  • SARS-CoV-2 kann eine akute fulminante Myokarditis auslösen.
  • Hypertonie und kardiovaskuläre Vorerkrankungen werden als Risikofaktor bei der COVID-19-Krankheit überbewertet. Hingegen ist hohes Alter mit sehr schlechtem Krankheitsverlauf verbunden.

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Troubles cognitifs chez les personnes âgées

Les troubles cognitifs chez les personnes âgées sont courants et, s’  ils sont diagnostiqués tôt et correctement, ils peuvent être influencés de façon décisive par des mesures médicamenteuses et non médicamenteuses actuellement disponibles. L’  examen clinique ainsi que la thérapie sont adaptés à chaque patient et dépendent dans une large mesure du consentement du patient, de son état de santé et de sa situation sociale.

Nous pouvons être confrontés à des plaintes de patients concernant des troubles cognitifs chez les jeunes adultes, mais surtout chez les gens du 3ème et 4ème âge. Dans tous les cas, ces plaintes doivent être prises au sérieux, car si le diagnostic est correct et que des mesures thérapeutiques sont prises à un stade précoce, l’ évolution de la maladie peut être considérablement influencée. Bien que le terme « démence » n’ existe plus depuis l’ introduction du DSM-5,
ce tableau clinique commun chez les personnes âgées (une personne sur trois âgée de plus de 85 ans !) n’ a bien sûr pas disparu. Bien que l’ incidence de la démence ait chuté de près de 50 % au cours des 20 dernières années grâce à un meilleur traitement des facteurs de risque vasculaire, l’ évolution démographique a pratiquement neutralisé ce progrès médical en termes de nombre. La prise en charge moderne des troubles cognitifs dans le développement de la démence repose sur 4 piliers (fig. 1) : diagnostic précoce et précis, pharmacothérapie, mesures non pharmacothérapeutiques et soutien ciblé des proches et des aidants (1).

Y a-t-il des troubles cognitifs « normaux » chez les personnes âgées ?

Les patients – comme nous les médecins – ont tendance à expliquer l’ oubli progressif et d’ autres « petits » échecs cérébraux par le processus de vieillir ou la vieillesse en général. La réalité est différente. Le vieillissement cérébral normal a été scientifiquement très bien étudié et n’ est associé qu’ à un ralentissement discret des processus de réflexion et de réaction. Donc, si un nom ne peut pas être mémorisé immédiatement, mais avec un certain délai, c’ est toujours « normal ». Si l’ on a toujours eu une mauvaise mémoire des noms, il ne faut pas s’ attendre à une amélioration dans la vieillesse ! Mais si l’ oubli est nouveau et que la pression subjective de souffrance des patients causée par l’ oubli est présente (même avec un examen neuropsychologique avec des résultats normaux), il faut l’ évaluer en fonction des résultats les plus récents comme « Subjective Cognitive Decline », qui conduit à la démence dans 25 % des cas en 6 ans (2). Malheureusement, les troubles cérébraux sont encore principalement réduits à la mémoire et à l’ oubli par de nombreuses personnes. Mais notre cerveau fait beaucoup plus ! De nombreux processus de démence commencent également dans d’ autres domaines de la performance cérébrale, où les détériorations (la capacité mémorielle étant préservée) deviennent visibles principalement à travers différents comportements (par exemple, davantage de problèmes avec des tâches complexes telles que la gestion des affaires financières ou la préparation de repas plus compliqués). De tels changements ne sont pas normaux et doivent être clarifiés !

Distinction entre « normal » et « pathologique »

Dans la pratique quotidienne, il doit être possible de décider en peu de temps si les troubles cognitifs doivent être clarifiés plus promptement, si d’ autres observations sont nécessaires ou s’ il n’ est pas nécessaire de prendre des mesures ! Le dépistage précoce (coûteux en temps) des troubles cognitifs à l’ aide du MMSE et du test de l’ horloge a été remplacé ces dernières années par un « dépistage des cas » plus sensible et plus ciblé à l’ aide d’ une « App» (fig. 2). L’ application payante « BrainCheck », développée par les « Swiss Memory Clinics » et les médecins de famille suisses, sépare « normal » et « pathologique » en quelques minutes avec une sélectivité de 90 % (3).
Le patient doit répondre à trois questions simples et passer un test d’ horloge. En même temps, on pose 7 questions brèves à la famille proche du patient ou à son partenaire. Tous les résultats peuvent être enregistrés et évalués immédiatement dans l’ application. La brève évaluation peut être facilement intégrée dans l’ historique médical électronique sous forme de fichier PDF !
Si des clarifications supplémentaires sont nécessaires, une décision doit être prise avec le patient et ses proches sur la manière dont le diagnostic doit être approfondi. Dans un premier temps, l’ exclusion (simple) des causes rapidement traitables est impérative. Un trouble thyroïdien peut être exclu par la détermination du taux de TSH, une dépression par l’ échelle GDS (Geriatric Depression Scale) et une situation de stress psychosocial (stress load) peut être détectée par une anamnèse attentive et, dans le cas positif, traitée par des mesures de prévention appropriées. En cas de suspicion fondée sur l’ anamnèse, il est également possible d’ examiner le statut en vitamine B et de faire une sérologie de la luès. Si l’ on trouve quelque chose dans les domaines mentionnés ci-dessus et que l’ on commence une thérapie, il est recommandé de contrôler la cognition au moyen de BrainCheck environ 6 mois plus tard.

Troubles cognitifs à clarifier

Le type de clarification supplémentaire des troubles cognitifs est très individuel et dépend du consentement du patient, de son état de santé, de son espérance de vie et de sa situation sociale. Les personnes âgées plus jeunes et plus en forme devraient toujours être examinées par un spécialiste de la démence ou en clinique de mémoire. Cela comprend un examen médical en laboratoire et avec des biomarqueurs ainsi qu’ un examen neuropsychologique par imagerie cérébrale (IRM). Chez les patients très âgés et fragiles, une évaluation cognitive raccourcie, par exemple par l’ évaluation MoCa (4) peut également être effectuée. Avec un peu d’ expérience, cela peut être réalisé dans le cabinet du médecin généraliste et être évalué sur le plan diagnostique. Ici aussi, l’ imagerie cérébrale (IRM ou CT) est impérative afin de déterminer la raison neuropathologique la plus probable du développement de la démence. Ceci est décisif pour le type de thérapie à initier.

Troubles cognitifs : Options thérapeutiques

Selon le DSM-5, les troubles cognitifs « légers » se situent dans les deux variations standard d’ un résultat cognitif normal. Sur le plan thérapeutique, outre les mesures médicamenteuses (ginkgo biloba 240 mg/j et vitamine D (24 000 unités par mois), les mesures non médicamenteuses sont particulièrement importantes : activité physique et sociale (cognitive) régulière, alimentation saine et adaptée à l’ âge (protéines régulières et suffisantes (1,2 g / kg par jour ; alimentation méditerranéenne avec une teneur suffisante en acides gras oméga 3) et bonne maîtrise médicale des facteurs de risque vasculaire (hypertension, diabète, hypercholestérolémie). Dans l’ étude finlandaise FINGER (5), ces mesures du mode de vie à elles seules ont permis d’ obtenir des améliorations cognitives significatives après 2 ans !

Options médicamenteuses

Avant d’ utiliser de nouveaux médicaments, toute polypharmacie existante doit faire l’ objet d’ un test de dépistage des substances anticholinergiques provoquant une altération cognitive. Selon le DSM-5, les troubles cognitifs « majeurs » (démence) sont définis par la neuropathologie sous-jacente au processus afin de déterminer la pharmacothérapie (généralement par imagerie et/ou biomarqueurs). S’ il s’ agit d’ un processus neurodégénératif (maladie d’ Alzheimer), le ginkgo, les inhibiteurs de la cholinestérase et la mémantine sont les médicaments de premier choix selon le stade (fig. 3). Lors de ce traitement symptomatique (s’ il est commencé tôt), l’ évolution de la maladie est considérablement améliorée en ce qui concerne le maintien de la fonctionnalité et de l’ indépendance. Ces médicaments agissent très lentement, mais ont un taux de réponse élevé grâce à un « nombre nécessaire à traiter » (NNT) de moins de 10 (pour les trois classes de substances !). Par rapport aux populations témoins non traitées, toutefois, les premières différences cliniques ne surviennent qu’ après un an de traitement ; toutefois, elles deviennent très pertinentes les années suivantes, car le traitement entraîne une réduction impressionnante du nombre d’ admissions dans les foyers de soins (6) (fig. 4). Le traitement combiné de la mémantine et des inhibiteurs de la cholinestérase (avec MMSE < 20) s’ est avéré très efficace. En Suisse, cela n’ est cependant possible que de manière « off-label » et n’ est pas entièrement couvert par l’ assurance de base en raison d’ une limitation. Néanmoins, de nombreux patients (compte tenu de la chute marquée des prix des médicaments antidémences) sont heureux de payer eux-mêmes les quelques centaines de francs par an si cela permet d’ économiser beaucoup plus de frais d’ institutionnalisation. En plus de leur capacité de maintenir la fonctionnalité quotidienne plus longtemps, les médicaments antidémentiels, permettent de réduire considérablement les anomalies comportementales associées à la démence (agressivité, pleurs, agitation motrice, etc.).
Si la pathologie sous-jacente à la démence est purement vasculaire, les médicaments antidémentiels ci-dessus (à l’ exception du ginkgo) ne sont pas efficaces et donc pas indiqués. L’ objectif est de ralentir la progression de la maladie par tous les moyens, avec des mesures de style de vie et le contrôle des facteurs de risque vasculaires. Dans les formes mixtes de démence d’ origine vasculaire et neurodégénérative, des agents anti-démence peuvent être utilisés. Dans les pathologies rares de la démence telles que la maladie de Lewis-Body, la maladie de Parkinson ou la démence fronto-temporale, il est utile de consulter les spécialistes appropriés.

Options non médicamenteuses

Excepté les situations d’ urgence, les interventions non médicamenteuses chez les patients atteints de démence sont recommandées par de grandes associations professionnelles et des groupes d’ experts comme approche primaire dans les symptômes comportementaux et psychologiques de la démence (SCPD) (7). Selon Cohen-Mansfield (8), la plupart des médecins sont formés et instruits pour l’ administration des médicaments lors de SCPD, mais seulement quelques-uns connaissent les thérapies non médicamenteuses et leur efficacité. Les antipsychotiques sont donc fréquemment utilisés avant toute tentative d’ intervention non médicamenteuse.
Contrairement aux capacités cognitives déjà limitées ou perdues au début de la démence, les compétences émotionnelles et psychosociales sont beaucoup moins affectées par ce déclin jusqu’ aux stades avancés de la démence. C’ est là que se situe l’ intervention non médicamenteuse en accédant aux ressources existantes du pouvoir cérébral – abandonnant la focalisation sur le déficit – pour les utiliser et consolider de manière ciblée. L’ activité physique, les activités musicales ainsi qu’ une alimentation riche en protéines et en vitamine D pour maintenir la santé musculaire en cas de démence se sont avérées les plus efficaces (9). L’ effet cérébral des activités motrices associées à la musique, comme la danse et le rythme, est passionnant et fait l’ objet de recherches répétées. Dans l’ étude de cohorte « Einstein Aging », la danse régulière comme activité de loisir a été associée à un risque réduit de démence pouvant
atteindre 80 % (10). Dans une étude d’ intervention utilisant la rythmique Dalcroze, la capacité motrice et cognitive des personnes âgées vivant à domicile a été améliorée et le risque de chute a été réduit de plus de 50 % (11). Aux stades avancés de la démence, la rythmique Dalcroze semble favoriser non seulement l’ influence positive sur les SCPD, mais aussi les aptitudes linguistiques (12). Les interventions non pharmacologiques chez les patients
atteints de démence sont un élément essentiel de la prise en charge moderne de la démence à 4 piliers. Le principal effet attendu de ces mesures est l’ influence positive et sans effet secondaire des SCPD. Les programmes d’ activité physique présentent des avantages supplémentaires pour le fonctionnement quotidien, qui peuvent être maintenus beaucoup plus longtemps, en particulier avec une alimentation riche en protéines et une supplémentation en vitamine D simultanée. La musique et les programmes de mouvements musicaux tels que la danse et le rythme semblent particulièrement qualifiés pour mobiliser les réserves cérébrales et ainsi améliorer significativement la cognition.

Prof. Dr. med. Reto W. Kressig

Ärztlicher Direktor & Klinischer Professor für Geriatrie
Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER & Universität Basel
Burgfelderstrasse 101
4002 Basel

RetoW.Kressig@felixplatter.ch

L’  auteur n’  a pas déclaré aucun conflit d’  intérêts en relation avec cet article.

  • La thérapie symptomatique non médicamenteuse et médicamenteuse lors de troubles cognitifs n’ est qu’ une composante de la prise en charge multifactorielle de la démence à 4 piliers.
  • Les approches non médicamenteuses ont des effets cognitifs marginaux à indétectables, mais elles sont efficaces dans les troubles du comportement, les symptômes psychiatriques et le stress du soignant.
  • En pharmacothérapie, il est important de réduire autant que possible une polymédication existante et d’ arrêter les substances potentiellement nocives (liste de Priscus).
  • Actuellement, il n’ y a aucune justification rationnelle de ne pas utiliser les médicaments antidémentiels symptomatiques disponibles aujourd’ hui (inhibiteurs de la cholinestérase, mémantine et extrait de ginkgo).
  • Dans le cas d’ effets cliniques immédiats relativement faibles au début du traitement, les avantages à long terme (institutionnalisation retardée de plusieurs années, troubles du comportement nettement moins fréquents) sont au premier plan.

1. Kressig RW. Aktuelle Pharmakotherapie der Alzheimer Demenz. der informierte Arzt 2015;10:30-33
2. Wolfsgruber S, et al. AgeCoDe Study Group. Differential Risk of Incident Alzheimer’s Disease Dementia in Stable Versus Unstable Patterns of Subjective Cognitive Decline.J Alzheimers Dis. 2016;54:1135-1146
3. Ehrensperger MM, et al. BrainCheck – a very brief tool to detect incipient cognitive decline: optimized case-finding combining patient- and informant-based data. Alzheimers Res Ther. 2014;6:69
4. Nasreddine ZS, et al. The Montreal Cognitive Assessment, MoCA: a brief screening tool for mild cognitive impairment. J Am Geriatr Soc. 2005;53:695-99
5. Kivipelto M et al. The Finnish Geriatric Intervention Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability (FINGER): study design and progress. Alzheimers Dement. 2013;9:657-65.
6. Lopez OL et al. Long-term effects of the concomitant use of memantine with cholinesterase inhibition in Alzheimer disease. J Neurol Neurosurg Psychiatry. 2009 Jun;80(6):600-7
7. Savaskan E et al. Recommendations for diagnosis and therapy of behavioral and psychological symptoms in dementia (BPSD).Praxis (Bern 1994). 2014;103:135-48
8. Cohen-Mansfield J. Nonpharmacologic interventions for inappropriate behaviors in dementia: a review, summary, and critique. Am J Geriatr Psychiatry. 2001;9:361-81
9. Kressig RW. Non-pharmacological interventions in dementia. Internistische Praxis 2017;58:1-7
10. Verghese J et al. Leisure activities and the risk of dementia in the elderly. N Engl J Med. 2003;348:2508-16
11. Trombetti A et al. Effect of music-based multitask training on gait, balance, and fall risk in elderly people: a randomized controlled trial. Arch Intern Med. 2011 Mar 28;171:525-33.
12. Winkelmann A et al. La rythmique Jacques-Dalcroze. Une activité physique novatrice pour les personnes agées. Gériatrie Pratique 2005;3:52-55