EHA 2019 Amsterdam

Europäischer Hämatologie-Kongress:
«Hochinteressante Perspektiven für die Zukunft»
Die Kollegen von den Universitätsspitälern Zürich, Basel und vom Kantonsspital Winterthur haben für info@onkologie den EHA besucht und berichten über die Highlights:

Myeloische Neoplasien

PTX-2 bei Myelofibrose

Die therapeutische Landschaft bei Myelofibrose unterscheidet sich bezüglich JAK-Inhibitoren und Therapien, welche unabhängig von der JAK-STAT-Signalübertragung wirken. In dieser Phase-II-Studie wird die Wirkung von rekombinantem Pentraxin-2 (PTX-2, PRM-151) untersucht bei Patienten, welche auf den zugelassenen JAK-Inhibitor Ruxolitinib nicht mehr ansprechen oder bei Patienten, welche für eine solche Therapie nicht Frage kommen.

PTX-2 hemmt die Differenzierung von Monozyten in sogenannte Fibrozyten, welche zur Myelofibrose beitragen. Bei Patienten mit Myelofibrose ist die Serum-Konzentration von PTX-2 tief. In einem Mausmodell für Myelofibrose wurde gezeigt, dass die Zugabe von PTX-2 zu einem Rückgang der Myelofibrose und verbessertem Überleben führen kann.
In dieser Dosisfindungsstudie wurde die Wirkung 3 verschiedener PTX-2 Dosierungen bei 97 Patienten untersucht. Der primäre Endpunkt war der Rückgang der Knochenmarkfibrose. Insgesamt konnte bei knapp 30% aller untersuchten Patienten eine Reduktion der Fibrose dokumentiert werden, wobei die höchste Dosis nicht wirksamer war als die anderen Dosierungen. Bei ca. 40% der Patienten konnte eine 50-prozentige Reduktion der Erythrozytentransfusionen erreicht werden und 16% wurden transfusionsunabhängig. Interessanterweise korrelierte ein Hämoglobin-Anstieg mit einer Reduktion der Fibrose. Bei ca. 60% der Patienten konnte eine 50-prozentige Reduktion der Thrombozytentransfusionen erreicht werden. Dabei wurden knapp 50% der Patienten transfusionsunabhängig. Im Gegensatz zur Erythropoiese korrelierte ein Anstieg der Thrombozyten nicht mit einer Reduktion des Fibrosegrades. Ähnlich wie unter JAK-Inhibitoren konnte eine Verbesserung der MF-assoziierten Symptome, sowie eine Reduktion der Milzgrösse festgestellt werden.
Aufgrund dieser Daten ist gut vorstellbar, dass PRM-151 als Monotherapie oder in Kombination mit einem JAK-Inhibitor bei Patienten mit Myelofibrose in Zukunft eingesetzt werden wird.
Quelle: Verstovsek S et al. A randomized, double blind phase 2 study of 3 different doses of PRM-151 in patients with myelofibrosis who were previously treated with or ineligible for Ruxolitinib. EHA Congress 2019, Abstract S828, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Gilteritinib bei refraktärer AML

Die ADMIRAL-Studie untersucht die Wirkung eines FLT3-Inhhibitors der neuen Generation (Gilteritinib) bei Patienten mit rezidivierter oder refraktärer akuter myeloischer Leukämie (AML). Gilteritinib, im Vergleich zum zugelassenen Midostaurin, ist spezifischer für die FLT3-Kinase und wirkt auch bei AML mit FLT3-Mutationen in der Tyrosinkinasedomäne.

In dieser Phase-3-Studie wurde die Wirkung von Gilteritinib gegenüber einer Salvage-Chemotherapie in einer 2:1-Randomisierung verglichen. Die Salvage-Chemotherapie war in ca. 2/3 der Fälle eine intensive Therapie (MEC, Mitoxantron, Etoposid, Cytarabin oder FLAG-IDA, Fludarabin, Cytarabin, Idarubicin). Auch eine hypomethylierende Therapie war aber möglich (ca. 1/3 der Patienten). Patienten konnten nach der Gilteritinib oder Salvage-Chemotherapie einer konsolidierenden allogenen hämatopoietischen Stammzelltransplantation (allo-HSZT) zugeführt werden. Eine Erhaltungstherapie mit Gilteritinib nach allo-HSZT war ebenfalls möglich. Die primären Endpunkte waren das Gesamtüberleben (OS) und die Rate kompletter Remissionen (CR).
Entsprechend der Randomisierung erhielten 247 Patienten Gilteritinib und 124 eine Salvage-Chemotherapie. Zum Zeitpunkt der Präsentation waren 38 Patienten im Gilteritinib-Arm und keine Patienten im Salvage-Chemotherapie-Arm noch in der Studie. Dabei war die Rate kompletter Remissionen im Gilteritinib-Arm doppelt so hoch wie im Chemotherapie-Arm (21% vs. 11%). Das widerspiegelte sich auch in einer deutlich höheren Zahl an mit allo-HSZT behandelten Patienten im Gilteritinib-Arm (26% vs. 15%). Das OS war mit Gilteritinib fast doppelt so lange wie mit Chemotherapie (9.3 Monate vs. 5.6 Monate, p=0.0007). Bemerkenswert ist auch, dass die Erhaltungstherapie nach allo-HSZT mit Gilteritinib das OS signifikant (p=0.024) verlängerte. Die häufigsten Nebenwirkungen in der gesamten Kohorte waren febrile Neutropenie, Anämie und Pyrexie. Grad ≥3 Nebenwirkungen unter Gilteritinib waren v.a. Anämie, febrile Neutropenie und Thrombozytopenie.
Diese Studie zeigt, dass in Zukunft Gilteritinib eine attraktive Alternative zur Salvage-Chemotherapie bei AML mit FLT3-Mutation sein wird. Hinzu kommt, dass Gilteritinib eine orale Therapie ist, welche eine ambulante Betreuung der Patienten ermöglicht.

PD Dr. med.Alexandre Theocharides
Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie, Universitätsspital Zürich
Quelle: Perl A et al. Gilteritinib significantly prolongs overall survival in patients with FLT3-mutated (FLT-MUT+) relapsed/refractory (R/R) acute myeloid leukemia (AML): Results from the phase 3 ADMIRAL Trial.EHA Congress 2019, abstract S876, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

HD16-Studie: PET-basierte Therapie-Stratifizierung im Frühstadium des Hodgkin Lymphoms

Die HD16-Studie untersuchte eine PET-basierte Therapie-Stratifizierung im Frühstadium des HL (Stadium IA ausser LPHD, IB, IIA, IIB ohne einen der folgenden Risikofaktoren: grosser Mediastinaltumor; Extranodalbefall; hohe BSG; >/= 3 befallene Lymphknotenareale). Die Patienten erhielten 2 Zyklen ABVD, anschliessend erfolgte eine FDG-PET/CT-Untersuchung. Im Standardarm erhielten Alle eine 20Gy IF-Bestrahlung (IF-RT). Im experimentellen Arm erhielten nur die PET-positiven Patienten, definiert durch einen Deauville score (DS) ≥3, eine Bestrahlung. Die Ergebnisse, die am ASH 2018 präsentiert wurden, zeigten eine Überlegenheit des Standardarmes in Bezug auf das PFS. Die konsolidierende Bestrahlung gehört also auch im Frühstadium des HL weiterhin zum Therapiestandard.
Am EHA wurden die Ergebnisse der Subanalyse gezeigt. Diese untersuchte, ob mittels Interim PET unter den Patienten, die mit Radiochemotherapie (RCT) behandelt werden (alle Patienten aus dem Standardarm und PET-positive im experimentellen Arm) ein Risikokollektiv identifizierbar ist und ob sich eine Assoziation zwischen Interim DS und Baseline Charakteristika herstellen lässt. Zudem wurde das Outcome mit unterschiedlichen DS-Cut-offs untersucht.
Von den 1007 randomisierten Patienten hatten im Interim PET 667 (66%), 218 (22%) bzw. 122 (12%) einen DS von 1-2, 3 und 4. Von den 693 Patienten, die eine RCT erhielten, hatten 353, 218 bzw. 122 einen DS von 1-2, 3 bzw. 4. Ein Stadium II und ein Tumorbulk waren mit einem ungünstigen DS im Interim PET assoziiert. Eine CT-basierte CR nach der IF-RT fand sich bei 344/348 (99%) der Patienten mit einem Interim DS von 1-2, bei 209/214 (98%) mit DS3, und bei 108/117 (92%) mit DS4 (p=0.016 für DS1-2 vs. 3-4; p=0.0012 für DS1-3 vs. 4). Bei einem medianen FU von 46 Monaten betrug das geschätzte 5-Jahres-PFS 93.2% (90.2–96.2) bei Patienten mit DS1-2, 92.8% (88.8–96.9) bei solchen mit DS3 und nur 80.9% (72.2–89.7) in der Gruppe mit DS4. Bei einem DS ≥3 als Cut-off war die Differenz des PFS nicht signifikant (HR 1.73 [0.99–3.02], p=0.055). Bei einem DS4 als Cut-off wird die Differenz deutlicher mit einem 3-fachen Risiko für ein Therapieversagen bei Patienten mit einem DS4 nach RCT (HR 2.94 [1.63–5.31], p=0.0004). Bezüglich OS zeigten sich keine Differenzen zwischen den Subgruppen (5-Jahres OS 98.2% [96.7–99.8] bei DS1-2, 98.6% [96.0–100] für DS3, 96.5% [92.3–100] für DS4.
Zusammenfassend ist ein positives PET nach 2xABVD bei HL im Frühstadium mit einem grösseren Tumorvolumen assoziiert und stellt für Patienten, die mit Standard-RCT behandelt werden einen Risikofaktor für das PFS dar, dies insbesondere bei einem DS von 4 als Cut-off für die PET-Positivität. Basierend auf diesen Daten sollte der Nutzen einer PET-basierten Therapieintensivierung in dieser Hochrisiko-Subgruppe untersucht werden.

Dr. med. Anouk Widmer,
USZ, Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie

Quelle: Fuchs M et al. (S819) PET after 2 cycles of ABVD in patients with early-stage favorable Hodgkin Lymphoma treated within the phase 3 GHSG HD16 study. Abstract S819:24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

CAR T cell Therapie

Therapien mit CAR T Zellen haben in einigen klinischen Anwendungen grosse Therapieerfolge erzielt. Die Therapie kann aber mit schweren Nebenwirkungen wie Cytokine release Syndrome (CRS) und Neurotoxizität verbunden sein. Über andere Nebenwirkungen wie z. Bsp. Infektkomplikationen ist wenig bekannt.
In einer Studie wurden 19-28Z/4-1BBL CAR T Zellen verwendet. Dabei handelt es sich um eine neuere Generation der CAR T Zellen, von der eine bessere Expansion und ein längeres Überleben erwartet wird. Patienten mit rezidivierten/therapierefraktären Non Hodgkin Lymphomen (DLBCL, Follikuläres Lymphom, M. Waldenström, CLL inkl. Richter Transformation) und B-ALL konnten eingeschlossen werden. Die Konditionierung setzte sich aus Cyclophosphamid mit oder ohne Fludarabin zusammen, gefolgt von eskalierenden Dosen von CAR T Zellen. Insgesamt konnten 28 Patienten eingeschlossen werden, nur einer dieser Patienten hatte eine B-ALL. 11 Patienten entwickelten ein CRS, maximal Grad 2. 3 Patienten zeigten schwerwiegende neurologische Komplikationen. Gut die Hälfte der Patienten erreichten eine komplette Remission (57%). Am besten sprachen die Patienten mit DLBCL (CR in 78%) an, am schlechtesten die Patienten mit einer CLL (30%). Mit einem kurzen medianen Follow-up von 169 Tagen sind noch 29% der Patienten in einer CR. Diese Daten zeigen, dass die Therapie mit CAR T Zellen mehrheitlich gut vertragen wird und dass Patienten mit einem DLBCL am besten, und Patienten mit einer CLL am schlechtesten auf die Therapie ansprechen. Eventuell benötigen CLL-Patienten höhere CAR T Zelldosen. Aufgrund der geringen Patientenzahl und kurzen Beobachtungszeit sind die Daten aber mit Vorsicht zu bewerten.
Quelle: Palomba L et al A phase I first-in-human clinical trial of CD19-targeted 19-28Z/4-1BBL «armored» CAR T cells in patiens with relapsed of refractory NHL and CLL including Richter transformation, 24th EHA Congress 2019, Abstract S1634, Amsterdam, NL

Bekannte Nebenwirkungen der CAR T Zelltherapie sind das Cytokine release Syndrom (CRS) und neurologische Komplikationen. Zudem kann es zu Zytopenien, Hypogammaglobulinämie und einer B-Zell-Aplasie kommen. Differentialdiagnostisch ist es bei Fieber nicht einfach, zwischen einem CRS und einer infektiösen Komplikation zu unterscheiden.
Es wurde eine retrospektive Analyse der Fieberepisoden und Infektkomplikationen innerhalb der ersten 30 Tage nach CAR T Zellgabe gezeigt. 29 schwer vorbehandelte Patienten wurden in die Studie eingeschlossen. 69% hatten ein DLBCL. 45 % der Patienten erhielten Tisagenlecleucel, 55% Axicabtagen-Ciloleucel. Das mediane Alter betrug 50 Jahre (23-77). Fast alle Patienten erhielten eine Pneumocystis- und antivirale Prophylaxe. 83% der Patienten entwickelten Fieber, die mediane Zeit bis zum Auftreten des Fiebers war Tag 3 (0-13). 90% Patienten entwickelten innerhalb dieser 30 Tage eine Neutropenie. Die mediane Neutropeniedauer betrug 6 Tage. Ein Keimnachweis gelang in 8 Fieberepisoden bei 4 Patienten. Dabei handelte es sich um 2 Bakteriämien, einmal mit E. faecalis und S. epidermidis bei einer Cholangitis und einmal mit S. epidermidis bei Katheterinfekt. Ein Patient hatte eine Pneumonie mit Nachweis von E. coli, ein weiterer Patient entwickelte eine C. difficile Enteritits. 4 virale Infektionen wurden beobachtet (je eine mit Rhinovirus, Norovirus, CMV Reaktivierung und BK-Zystitis). Es wurden keine Pilzinfektionen dokumentiert.
Zusammenfassend treten febrile Neutropenien häufig auf nach CAR T Zelltherapie. Es ist wichtig, sich bei Fieber an die üblichen diagnostischen und therapeutischen Massnahmen zu halten.

Dr.med. Gayathri Nair
Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie, Universitätsspital Zürich

Quelle: Di Blasi R et al. Infectious complications in patients receiving anti-CD 19 chimeric antigen receptors T cells (CAR T) for diffuse large B cell lymphoma (DLBCL). A monocentric preliminary experience. 24th EHA Congress 2019, Abstract S1641, Amsterdam, NL

Erstlinientherapie des follikulären Lymphoms

Spagat zwischen wissenschaftlicher Evidenz und Patientenpräferenz

An die Erstlinientherapie eines follikulären Lymphoms stellen der behandelnde Arzt und die betroffenen Patienten oft unterschiedliche Ansprüche. Wodurch diese beeinflusst werden und wie passende Lösungen aussehen könnten, wurde von einer Expertengruppe, bestehend aus Dr. med. Miguel Canales (Madrid/S), Prof. Dr. med. Martin Dreyling (München/D), Dr. med. Wendy Osborne (Newcastle upon Tyne/GB) und Prof. Dr. med. Judith Trotman (Auckland/AUS) diskutiert.
Der erste Teil der Diskussion drehte sich um die Gruppe der jungen, neudiagnostizierten Patienten. Dr. Canales stellte dazu den Fall einer 56-jährigen Patientin mit einem follikulären Lymphom (FL) Grad 1 bis 2, Ann Arbor Stadium IV (Knochenmarkbefall, Befall von zervikalen, axillären und inguinalen Lymphknoten sowie abdominaler Tumorbulk) und einem Hb von 11,8g/dl vor. «Unabhängig davon, welchen prognostischen Score wir bei dieser Patientin anwenden, ob FLIPI, FLIPI-2 oder PRIMA-PI, haben wir es hier mit einer Hochrisikopatientin zu tun», erklärte Dr. Canales.

Hohes Risiko, schlechter Verlauf

Wie Dr. Canales weiter erläuterte, zeigte eine Arbeit aus Frankreich, dass FL-Patienten, trotz einer Verbesserung im Gesamtüberleben (OS) seit der Einführung von Rituximab, nach wie vor an ihrer Erkrankung sterben und dass Hochrisikopatienten (FLIPI-Score 3 bis 5) eine höhere Lymphom-assoziierte Mortalität aufweisen als Patienten mit einem niedrigen Risiko (FLIPI-Score 0-1) (1). Eine weitere Arbeit ergab, dass das Outcome von Hochrisikopatienten unabhängig davon, welcher Chemotherapie-Partner zusammen mit Rituximab eingesetzt wurde, schlechter war als das von Patienten mit intermediärem oder niedrigem Risiko (2). «Mein Ziel im Management solcher Patienten ist es daher, eine möglichst lange Zeit bis zur nächsten Therapie zu erreichen, eine frühe Progression zu verhindern und die behandlungsbezogene Morbidität möglichst zu minimieren», erklärte Dr. Canales an diesem Punkt der Diskussion (Abb. 1). Für die Patientin sei dagegen nicht nur eine langfristige Tumorkontrolle entscheidend gewesen, sondern auch eine gute Lebensqualität, z.B. durch das Fehlen von Langzeitnebenwirkungen einer Behandlung.

Verschiedene Faktoren beeinflussen Wahl der ersten Therapielinie

Bei der Wahl einer Erstlinientherapie für FL-Patienten gilt es nicht nur, sich zwischen einem der beiden Anti-CD20-Antikörpern – Obinutuzumab oder Rituximab – zu entscheiden, sondern auch den am besten zu einem Patienten passenden Chemotherapiepartner zu wählen. «Dabei spielen Faktoren wie Alter, Tumorbulk, Komorbiditäten, Risiken und die Patientenpräferenz eine Rolle», gab Dr. Canales zu bedenken. Das Langzeitfollow-up der FOLL05 Studie bestätigte bei Patienten mit einem fortgeschrittenen FL mit einer 8-Jahres-OS-Rate von 83% den positiven Effekt einer Immunchemotherapie mit R-CHOP, R-CVP oder R-FM (3). Patienten, die mit R-CVP behandelt worden waren, wiesen ein höheres Risiko für eine Progression auf, verglichen mit den mit R-CHOP behandelten Patienten, sowie ein höheres Risiko dafür, eine weitere Therapie zu benötigen.
In der STiL-Studie wurde die Behandlung mit R-CHOP und R-Bendamustin (B-R) miteinander verglichen (4). Sie zeigte eine signifikant längere Zeit bis zur nächsten Therapie (TTNT) mit B-R im Vergleich zu R-CHOP. Eine Subgruppenanalyse ergab jedoch, dass B-R bei Patienten mit einem Hochrisiko-FLIPI-Score im Vergleich zu R-CHOP zu keinem signifikant besseren progressionsfreien Überleben (PFS) führte.

Frühe Progression verhindern

Eine gepoolte Analyse von über 5 000 FL-Patienten bestätigte, dass eine frühe Krankheitsprogression (progression of disease, POD) bei mit einer Chemoimmuntherapie behandelten Patienten – innerhalb von 24 Monaten nach Diagnose (POD24) – ein robuster Indikator für ein schlechtes OS darstellt (5). Als Faktoren, die eine POD24 begünstigen, wurden dabei das männliche Geschlecht, ein schlechter Performance-Status (>  2), ein hoher FLIPI-Score (3 bis 5) und ein erhöhter β2-Mikroglobulin-Ausgangswert ermittelt. Der Einsatz von Rituximab und Anthrazyklinen war dagegen mit einer späteren Progression assoziiert. «Dies wäre ein Argument dafür, bei meiner Patientin aufgrund ihres höheren Risikos R-CHOP als Erstlinientherapie zu wählen», meinte Dr. Canales. Die GALLIUM Studie jedoch zeigte, dass Obinutuzumab (G) kombiniert mit einer Chemotherapie zu einem signifikant besseren PFS und einer ebenfalls signifikant verbesserten TTNT führte als R-Chemo (6). Der Vorteil von Obinutuzumab blieb dabei unabhängig vom verwendeten Chemotherapieregime (Bendamustin, CHOP, CVP) erhalten (7). Auch bestätigte GALLIUM den negativen Einfluss einer frühen Progression auf das OS (8). Das Risiko für eine POD24 wurde dabei durch G-Chemo im Vergleich zu R-Chemo um 46% reduziert. «Dies ist vielleicht eines der überzeugendsten Argumente, um in der Erstlinientherapie eines follikulären Lymphoms Obinutuzumab statt Rituximab zu wählen. Ich habe mich bei der von mir vorgestellten Patientin denn auch für eine Behandlung mit G-CHOP entschieden», so Dr. Canales. Die Patientin erhielt eine Induktionstherapie mit 6 Zyklen G-CHOP. Das anschliessende PET zeigte ein komplettes Ansprechen (CR). Seither erhält sie eine Obinutuzumab-Erhaltungstherapie.

Behandlung älterer, komorbider Patienten

Als nächstes wurde das Thema der älteren, komorbiden Patienten mit einem intermediären Risiko anhand eines Fallbeispiels von Dr. Wendy Osborne diskutiert. Es handelte sich dabei um einen 72-jährigen Mann mit einem metabolischen Syndrom und Status nach Myokardinfarkt. 2011 trat eine axilläre Lymphadenopathie auf und es wurde ein FL Grad 1 bis 2, Stadium III diagnostiziert. «Der Patient arbeitete zu dieser Zeit nach wie vor als selbständiger Taxifahrer und er wollte das auch so beibehalten, weil er seine Familie dadurch ernährte. Dieser Punkt spielte daher bei der Wahl der Therapie eine grosse Rolle», erläutere Dr. Osborne. Da der Patient asymptomatisch war, entschied sich Dr. Osborne für ein Watch-and-Wait. 2015 wurde der Patient, der inzwischen einen weiteren Myokardinfarkt erlitten hatte, mit einem geschwollenen linken Bein vorstellig. Das CT zeigte eine inguinale Lymphadenopathie. «Für diesen Patienten wollte ich eine Therapie mit einer möglichst geringen Toxizität, vor allem einer möglichst geringen kardiovaskulären Toxizität. Und ich machte mir Sorgen bezüglich Infektionen. Für den Patienten selbst stand im Vordergrund, dass er möglichst wenig Zeit im Spital verbringen musste sowie eine möglichst lange Zeit bis zur nächsten Therapie», beschrieb Dr. Osborne die Situation (Abb. 1). Aufgrund der PFS-Daten der FOLL05 Studie hätte sie sich, trotz seiner guten Verträglichkeit, gegen CVP als Chemotherapie-Backbone entschieden (3). «Auch CHOP kam nicht in Frage, da ich bei diesem Patienten kein Anthrazyklin einsetzen wollte», erläuterte sie weiter. Basierend auf den Resultaten der STiL-Studie entschied sie sich schliesslich für B-R.4 Rituximab wählte sie, da 2015 Obinutuzumab noch nicht als Alternative zur Verfügung stand. Prof. Trotman warf hier ein, dass sie bei diesem Patienten aufgrund seines Alters und seines metabolischen Syndroms kein Bendamustin gewählt hätte. Prof. Dreyling meinte daraufhin, dass es für ihn weniger um die Frage «Bedamustin ja oder nein» gehe, sondern vielmehr um die verwendete Dosierung. Er sprach sich für eine Dosis von 70 mg / m2 an den Tagen 1 und 2 aus, sowie für 4 anstelle von 6 Zyklen. Dr. Osborne meinte dazu: «Das zeigt auf, wie wichtig eine individualisierte Therapie ist.» Wie sie weiter erklärte, zeigte der Patient nach Abschluss der Induktionstherapie eine komplette Remission. Basierend auf dem in der PRIMA-Studie gezeigten PFS-Vorteil startet sie anschliessend eine Rituximab-Erhaltungstherapie (9). Aufgrund einer persistierenden Neutropenie und zwei Hospitalisierungen mit febriler Neutropenie musste sie diese jedoch nach 5 Monaten stoppen.
Einige Monate später wurde der Patient mit einer schweren Dyspnoe notfallmässig hospitalisiert. Wie es sich herausstellte, litt er unter einer Pneumocystis jirovecii Pneumonie (PJP). Dr. Osborne sagte dazu: «Ich führe dies auf die Bendamustin-haltige Induktionstherapie zurück. Aus der Gallium Studie wissen wir, dass etwa 5% der Patienten in den ersten zwei Jahren nach einer Bendamustin-haltigen Induktionstherapie starben. Diese Mortalität wurde auf die anhaltende Depletion der T-Zellen nach einer solchen Therapie zurückgeführt. Aufgrund dieser Daten erhalten nun alle meine Patienten, die mit Bendamustin behandelt werden, für zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung eine PJP-Prophylaxe. Dies unabhängig davon, ob sie eine Erhaltungstherapie bekommen oder nicht.» Zum heutigen Zeitpunkt hätte sie bei diesem Patienten eine Behandlung mit Obinutuzumab in Betracht ziehen können, um eine möglichst lange TTNT zu erreichen. «Allenfalls hätte er die Behandlung jedoch abgelehnt, weil er dann für die Infusionen mehr Zeit im Spital hätte verbringen müssen», schloss sie.

Dr. Therese Schwender

Literatur:
1. Sarkozy C et al. Cause of Death in Follicular Lymphoma in the First Decade of the Rituximab Era: A Pooled Analysis of French and US Cohorts. J Clin Oncol. 2019;37:144-152.
2. Nooka AK et al. Examination of the follicular lymphoma international prognostic index (FLIPI) in the National LymphoCare study (NLCS). Ann Oncol. 2013;24(2):441-8.
3. Luminari S et al. Long-Term Results of the FOLL05 Trial Comparing R-CVP Versus R-CHOP Versus R-FM for the Initial Treatment of Patients With Advanced-Stage Symptomatic Follicular Lymphoma. J Clin Oncol. 2018;36:689-696.
4. Rummel MJ et al. Bendamustine plus rituximab (B-R) versus CHOP plus rituximab (CHOP-R) as first-line treatment in patients with indolent lymphomas: Nine-year updated results from the StiL NHL1 study. J Clin Oncol 2017;35 (Suppl): 7501.
5. Casulo C et al. Validation of POD24 As a Robust Early Clinical Endpoint of Poor Survival in Follicular Lymphoma: Results from the Follicular
Lymphoma Analysis of Surrogacy Hypothesis (FLASH) Investigation. Blood 2017;130:412.
6. Townsend W et al. Obinutuzumab-Based Immunochemotherapy Prolongs Progression-Free Survival and Time to Next Anti-Lymphoma Treatment in Patients with Previously Untreated Follicular Lymphoma: Four-Year Results from the Phase III GALLIUM Study. Blood 2018;132:1597.
7. Hiddemann W et al. Immunochemotherapy With Obinutuzumab or Rituximab for Previously Untreated Follicular Lymphoma in the GALLIUM Study: Influence of Chemotherapy on Efficacy and Safety. J Clin Oncol 2018;36:2395-2404.
8. Seymour JF et al. Association of early disease progression and very poor survival in the GALLIUM study in follicular lymphoma: benefit of
obinutuzumab in reducing the rate of early progression. Haematologica 2019;104:1202-1208.
9. Salles GA et al. Long Term Follow-up of the PRIMA Study: Half of Patients Receiving Rituximab Maintenance Remain Progression Free at 10 Years. Blood 2017, 130:486.

Aggressive Lymphome: Car-T-Cells und weitere…?

Daten zur Erstlinientherapie wie die ROBUST-Studie und die ECOG-ACRIN1412-Studie zum Vergleich Lenalidomid plus/minus R-CHOP wurden auf dem wenige Tage nach dem EHA folgenden 15. ICML Meeting in Lugano präsentiert. So gab es aus Amsterdam im Wesentlichen Daten zur Rezidiv-Situation zu berichten. Auch hier war die Rolle der CAR-T-Zell-Therapie für die diffus-grosszelligen B-Zell-Lymphome ein dominierendes Thema.
Interessante Real-Life-Daten konnte Prof. Dr. med Catherine Thieblemont vom Hôpital Saint Louis, Paris in diesem Zusammenhang präsentieren. In Frankreich erlaubt der Einschluss in ein Patienten-Programm die Therapie mit CAR-T-Zellen, sowohl mit den Produkten Axicabtagen-Ciloleucel (YESCARTA) und Tisagenlecleucel (KYMRIAH). Insgesamt wurden in den fünf teilnehmenden Zentren 60 Patienten ausgewählt, darunter waren 68% primär refraktär auf die vorangegangene Therapie. Ein wesentlicher Punkt, auf den während der Präsentation eingegangen wurde, war hier die mittlere Dauer zwischen Einschluss der Patienten und Zeitpunkt der Zell-Re-Transfusion von 47.5 Tagen, mit einem Range von 30 bis 190 Tagen. Dies machte bei annähernd allen Patienten eine Bridging-Therapie notwendig, 5 Patienten starben in der Zeit, 3 an einem Progress, zwei an Infektionen. Dieser Zeitverzug bleibt aktuell in Europa noch ein wesentliches Problem, vor allem vor dem Hintergrund, dass zum Beispiel aus China von einer mittleren Dauer von mitunter bei 8 Tagen berichtet wird, ein Umstand, der auch nach den Sessions intensiv zwischen den Teilnehmern diskutiert wurde.
Quelle: Thieblemont C et al: Real-world results on CD19 CAR T-cell for 60 French patients with relapsed/refractory diffuse large B- cell lymphoma included in a temporary authorization for use (ATU) program.. EHA Congress 2019, Abstract S1600, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Im Bereich der zielgerichteten Therapien wurden die Interims-Daten zum first-in-class anti CD47-Antikörper Hu5F9-G4 in Kombination mit Rituximab bei refraktärem/rezidiviertem Non-Hodgkin-Lymphom vorgestellt. Hierzu waren die Daten der 1b-Phase bereits im November 2018 hochrangig im NEJM publiziert worden (Advani, R. Et al CD47 Blockade by Hu5F9-G4 and Rituximab in Non-Hodgkin’s Lymphoma, N Engl J Med 2018; 379:1711-1721). Dr. med. Mark Roschewski, USA präsentierte für die Studiengruppe nun Phase-2-Daten von 115 Patienten, darunter 59 mit einem DLBCL, insgesamt eine schwer vorbehandelte Population: 59% der Patienten mit einem primär refraktären DLBCL, 85% waren refraktär auf die letzte Therapie mit Rituximab und 89% der Patienten nicht fähig für eine CAR-T-Zell-Therapie.
Die mediane Nachbeobachtungszeit von 3.7 Monaten ist sicher noch kurz, aber es zeigte sich bei akzeptabler Toxizität (im wesentlichen Infusionsreaktionen und Anämie, der Anteil der Grad 3/4 Toxizitäten lag insgesamt bei 7%, für Anämie bei 15%, in 4/100 Fällen musste die Therapie auf Grund von Nebenwirkungen abgebrochen werden) bei dieser Hochrisikogruppe immerhin ein Overall Response von 36%. Diese etwas niedrigere Rate als in der Phase 1b der Studie trägt wohl dem Umstand Rechnung, dass überwiegend nicht CAR-T-Zell-fähige Patienten eingeschlossen worden waren. Insgesamt scheint der Mechanismus aber auch bei intensiv vortherapierten Patienten ein dauerhaftes Ansprechen zu erreichen, wie die Daten aus der 1b-Phase zeigen. Die Dauer des Ansprechens liegt zwischen 2.4 und über 20 Monaten für die DLBCL-Patienten, wobei der Median noch nicht erreicht wurde. Wichtig in diesem Zusammenhang ist sicher auch, dass das Ansprechen mit median 1.8 Monaten schnell erreicht wurde. Die Studie rekrutiert aktuell in der Phase 2 weiter.
Quelle: Ranjana A et al: The first-in-class anti-CD47 antibody HU5F9-G4 with rituximab induces durable repsonses in relapsed/refractory DLBCL and indolent lymphoma: Interim phase 1B/2 results. EHA Congress 2019, abstract S867, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Auch der bispezifische Anti-CD 20 und AntiCD3 IgG4 Antikörper REGN1979 kann möglicherweise eine Option bei intensiv vortherapierten DLBCL-Patienten darstellen. Dr. Rajat Bannerji vom Rutgers Cancer Institute in New Jersey stellte Phase-1-Daten vor. Bisher konnten 39 DLBCL-Patienten eingeschlossen werden, der Behandlungsplan sah die Gabe des Medikamentes als Monotherapie wöchentlich über 12 Wochen, im Anschluss daran alle 2 Wochen über insgesamt weitere 12 Wochen vor. Die Verträglichkeit war gut, hauptsächlich traten Fieber, Schüttelfrost und ein Zytokin-Release-Syndrom auf. Diesen Nebenwirkungen konnte durch eine entsprechende Prämedikation im Verlauf gut begegnet werden. Insgesamt zeigt die Substanz vor allem in einer höheren Dosierung von mindestens 80 mg eine Effektivität, in 4 von 7 so behandelnden Patienten konnte sogar eine CR erreicht werden. Basierend auf diesen positiven Daten ist eine Phase-2-Studie in Planung, wie auch in der vorgehenden Studie werden nicht nur diffus-grosszellige B-Zell-Lymphome eingeschlossen, sondern auch follikuläre Lymphome und Mantelzell-Lymphome, so dass auch für diese Entitäten hoffentlich die therapeutischen Möglichkeiten zahlreicher werden.
Quelle: Bannerji R. Emerging clinical activity of REGN1979, an anti CD 20x Anti CD3 bispecific antibody (AB) in Patients (Pts) with relapsed/refractory (R/R) B-Cell- Non-Hodgkin Lymphoma (B-NHL) EHA Congress 2019, Abstract S868, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam,NL

Für die peripheren T-Zell-Lymphome (PTLD) wurden Daten zu Tipifarnib, einen CXCL12/CXCR4 Signalweg-Inhibitor präsentiert. Das Chemokin CXCL12 wird von 50% der AITL und von etwa einem Drittel aller übrigen peripheren T-Zell-Lymphome stark exprimiert und ist unter anderem essentiell für das Homing der T-Zelle in das lymphatische System und das Knochenmark, Tipifarnib inhibiert das Enzym Farnesyltransferase (FT), in vivo konnte dementsprechend über diesen Mechanismus eine Down-Regulation der CXCL12-Sekretion gezeigt werden. In einer Phase-II-Studie, die Thomas Witzig, Rochester, präsentierte, wurden deshalb Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem histologisch nachgewiesenem AITL oder einem anderen CXCL12-exprimierenden T- Zell-Lymphom eingeschlossen. Die Patienten erhielten 300 mg Tipifarnib 2x täglich an Tag 1 bis Tag 21 eines 28-Tage-Zyklus bis zum Progress. Bei 41 von initial 50 eingeschlossenen Patienten konnten nun die Daten ausgewertet werden. Die Patienten hatten im Mittel drei Vortherapien erhalten. Das Nebenwirkungsprofil lag im erwarteten Bereich mit hauptsächlich hämatologischen Nebenwirkungen (Neutropenie 44%, Thrombozytopenie 37%, Leukopenie 28%, Anämie 22% und febrile Neutropenie 21%). In der AITL-Kohorte konnte eine ORR von 45% beobachtet werden, sicher ein hoffnungsvoller Ansatz einer Monosubstanz in dieser intensiv vorbehandelten Patientenpopulation. In der PTLD-CXCL12+ Gruppe waren 3 Patienten auswertbar (1 PR, 2 SD). Eine hohe CXCL12-Expression korrelierte mit einem besseren Ansprechen auf die Tipifarnib-Therapie, wobei 50% der AITL und 35% der Nicht-AITL-Proben CXCL12 überexprimierten. Die Studie konnte damit bei Patienten mit peripheren T-Zell-Lymphomen, vor allem vom AITL-Typ und bei einer CXCL12-Überexpression eine Aktivität der Substanz nachweisen, für die CXCL12-positive Gruppe rekrutiert die Studie aktuell noch weiter, so dass wir für diese schwierig zu behandelnde Patientengruppe interessante weitere Daten erwarten dürfen.

Dr. med. Wiebke Rösler
Universitätsspital Zürich, Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie

Quelle: Witzig T et al. Tipifarinib in relapsed or refractory angioimmunoblastic T cell lymphoma (AITL) and CXCL12+ peripheral T-cell lymphoma (PTCL): Preliminary results from an open label, phase 2 study. EHA Congress 2019, Abstract S869, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Chronische Lymphatische Leukämie (CLL)

Die viel beachtete Zwischenanalyse der CLL12-Studie wurde von P. Langerbeins et al. präsentiert. Dabei wurden asymptomatische CLL-Patienten mit einem erhöhten Progressionsrisiko (German CLL risk score >3) randomisiert und doppelblind mit Placebo oder Ibrutinib (420mg täglich) bis zu einem symptomatischen CLL-Progress behandelt. Zwischen April 2014 und Februar 2019 wurden 363 Patienten eingeschlossen. Der primäre Endpunkt war die Zeit von der Randomisierung bis zum symptomatischen CLL-Progress. Als sekundärer Endpunkt wurde unter anderem das Gesamtüberleben gewählt. Die beiden Patientengruppen (Ibrutinib 182 Patienten, Placebo 181 Patienten) waren bezüglich der demographischen und CLL-spezifischen Eigenschaften sehr gut vergleichbar. Die mediane Therapiedauer im Ibrutinib-Arm betrug 21 und im Placebo-Arm 18 Behandlungszyklen à 28 Tage. Als Resultat war das progressionsfreie Überleben (median 14,8 Monate im Placebo-Arm: p<0.0001, HR 0.176) und die Zeit bis zur nächsten Therapie (p<0.0001, HR 0.205) im Ibrutinib-Arm signifikant besser. Interessanterweise ergaben sich bei den meisten unerwünschten Ereignissen keine Unterschiede zwischen den beiden Studienarmen. Nur Vorhofflimmern (alle: 17,8% vs. 7,3%; ≥ Grad 3: 6,5 % vs 1.7 %), Blutungen (alle: 27,6% vs. 9,6%; ≥ Grad 3: 3,1 % vs 1.2 %) und hypertensive Veränderungen (alle: 9,7% vs. 3,9%; ≥ Grad 3: 1,6 % vs 1.7 %) waren unter Ibrutinib signifikant häufiger als unter Placebo und waren zugleich die Hauptursachen für einen Behandlungsstopp von Ibrutinib (34.1%). Zusammenfassend muss die Verträglichkeit von Ibrutinib als sehr gut beurteilt werden. Solange jedoch noch keine signifikant besseren OS-Daten im Ibrutinib-Arm präsentiert werden können, muss weiterhin bei allen asymptomatischen CLL-Patienten eine «watch and wait»-Strategie empfohlen werden.
Quelle: Langerbeins P et al. Ibrutinib versus placebo in patients with asymptomatic, treatment-naïve early stage chronic lymphocytic leukemia (CLL): Primary endpoint results oft he pahse 3 double blind randomized CLL12 trial. EHA 2019, Abstract LB2602, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Von A.P. Kater et. al. wurden erste Daten der VISION / HOVON 141 Phase-2-Studie zur MRD-gesteuerten zeitlich limitierten Therapie von Patienten mit refraktärer/rezidivierter CLL mit Ibrutinib und Venetoclax vorgestellt. Dieses rein orale Therapieregime ohne klassisches Chemotherapeutikum erfolgte ab der zweiten Therapielinie unabhängig von der Anzahl an Komorbiditäten bei einer Kreatinin-Clearance von ≥ 30 ml/min. Eine frühere Therapie mit Ibrutinib und/oder Venetoclax war ausgeschlossen. Die Induktions-Behandlung besteht aus einer alleinigen Vorbehandlung mit Ibrutinib 420mg täglich für 2 Therapiezyklen, gefolgt von 15 Zyklen Kombinationstherapie von Ibrutinib (420mg täglich) und Venetoclax (Ramp-up über 4 Wochen bis 400mg täglich) bei einer Zyklusdauer von 28 Tagen. Bei Patienten ohne detektierbare Resterkrankung (flowzytometrisch <10-4 in Blut und Knochenmark zentral analysiert) erfolgt randomisiert entweder eine Erhaltungstherapie mit Ibrutinib oder der Therapieabschluss. Der primäre Endpunkt ist das PFS 12 Monate nach Abschluss der Induktionstherapie. Das mediane Alter der eingeschlossenen Patienten liegt bei 67 Jahren (40-83) wobei ein Drittel dieser Patienten bei Therapiebeginn ein Stadium Binet C aufwies und der überwiegende Anteil männlich ist (71%). In der vorliegenden Zwischenanalyse wurden die Resultate der ersten 51 Patienten gezeigt (Ziel: 207 eingeschlossene Patienten). 29% davon waren am Ende des 9. und 47% am Ende des 12. Therapiezyklus MRD-negativ. Die Verträglichkeit dieser Therapie war gut, mit Feststellung eines laboranalytischen Tumorlyse-Syndroms (TLS) bei 10% der Patienten (keine klinischen TLS). Der mediane Follow-up beträgt 13,5 Monate. Die häufigsten Grad-3-Nebenwirkungen waren Neutropenie (36%) und Infektionen (20%). In dieser Zeit traten bei je 8% der Patienten Blutungen (Grad 2) und Vorhofflimmern (Grad 2) auf. Zusammenfassend zeigen sich auch bei vortherapierten CLL-Patienten mit einer zeitlich limitierten Kombinationstherapie von Ibrutinib und Venetoclax hohe Raten an sehr gutem Therapieansprechen bei insgesamt sehr guter Verträglichkeit.

Dr. med. Jeroen Goede
Medizinische Onkologie und Hämatologie, Kantonsspital Winterthur

Quelle: Kater AP, et al. Safety analysis of venetoclax and ibrutinib for patients with relapsed/refractory chronic lymphocytic leukemia (r/r cll): second interim analysis from the phase II VISION HO141 trial. Abstract S108: 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Fortschritte in der Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie (ALL)

Erstmalige chemotherapiefreie Behandlung der Philadelphia positiven ALL des Erwachsenen: Präliminäre Resultate der GIMEMA LAL2116 D-ALBA Studie.

Seit der Einführung von Tyrosin-Kinase-Hemmern (TKI) und der Anwendung des bispezifischen Antikörpers Blinatumomab hat sich die Behandlung der bcr-abl1 positiven ALL wesentlich gewandelt. Die Autoren zeigen erstmalig die präliminären Resultate einer chemotherapiefreien Induktionstherapie mit Dasatinib und Blinatumomab.
Eingeschlossen werden konnten alle Patienten > 18 Jahre. Nach einer 7-tägigen Steroid-Vorphase wurden für weitere 24 Tage (bis Tag 31) Steroide zusammen mit Dasatinib (140mg/d) verabreicht, welches dann bis Tag 85 fortgesetzt wurde. Anschliessend wurden Patienten mit einer kompletten hämatologischen Remission (CHR, 96.8%) mit mindestens 2 (bis maximal 5, abhängig vom Ansprechen) Zyklen Blinatumomab (28µg/d) behandelt, Dasatinib wurde während dieser Phase unverändert weitergegeben. Eine nicht näher bezeichnete ZNS-Prophylaxe wurde ab Diagnosestellung durchgeführt.
Zwischen Mai 2017 und Januar 2019 konnten 63 Patienten mit einem medianen Alter von 54.5 Jahren (24.1-81.7) in diese Phase-II-Studie eingeschlossen werden. 61/63 konnten die Induktion (Tag 85) abschliessen. 55 erhielten mindestens 1, 17 total 5 Zyklen Blinatumomab.
Den primären Studienendpunkt die MRD-Negativität (CMR oder PNQ (positive non-quantifiable)) erreichten 56.2%. Bei einer noch sehr kurzen medianen Beobachtungszeit von 10 (0.9-21.5) Monaten betrug der OS bzw. DFS nach 12 Monaten 94.8% bzw. 87.8%.
2 Todesfälle (1 in Induktion, 1 in CHR) und 5 Rezidive wurden beobachtet. Überraschend zeigte sich eine hohe Rate an CMV-Reaktivierungen.
Ob diese Patienten zur weiteren Konsolidation einer allogenen Stammzelltransplantation bedürfen, ist momentan nicht klar.
Quelle: Chiaretti S et al. A dasatinib-blinatumomab combination for the front-line treatment of adult PH+ ALL patients. Preliminary results of the GIMEMA LAL2116 D-ALBA trial; on behalf oft he GIMEMA ACUTE LEUKEMIA WORKING PARTY. EHA Congress 2019, Abstract S1617, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Nelarabin als Salvage- und Bridging-Therapie zur allogenen Stammzelltransplantation bei rezidivierter/refraktärer T-ALL. Eine real world Observations Phase 4 Studie.

Die resistente oder rezidivierte akute T-lymphoblastische Leukämie (T-ALL) des Erwachsenen hat eine schlechte Prognose mit einem 5-Jahres-OS von unter 10%. Erstmalig berichteten N. Gökbuget et al. 2011 (Blood 118:3504) über den erfolgreichen Einsatz des Purin Analogs Nelarabin in dieser Situation. Ziel der aktuellen Studie war es, zusätzliche und reproduzierbare Evidenz der Wirksamkeit und Sicherheit von Nelarabin zu erbringen und die Machbarkeit einer anschliessenden Stammzelltransplantation zu belegen.
Eingeschlossen wurden Patienten > 18 Jahre mit einer refraktären/rezidivierenden T-ALL, die mindestens einen Zyklus Nelarabin erhalten hatten. Primäre Endpunkte waren die overall response rate (OOR) und das Überleben (OS). Zwischen Mai 2007 und November 2018 konnten in 27 italienischen Zentren 118 Patienten (65% T-ALL, 35% T-LBL) im medianen Alter von 38 (18-81), 73% Männer, 57% rezidivierend, 43% refraktär, eingeschlossen werden. 55% hatten 2 oder mehr Vortherapien. Im Median wurden 2 (1-4) Zyklen Nelarabin verabreicht.
43/118 (36%) erreichten eine CR, 16/118 (14%) eine PR und 59/118 (50%) zeigten kein Ansprechen (NR). 47/118 (CR 28, PR 4, NR 15) erhielten im Anschluss eine allogene Stammzelltransplantation. Das Gesamtüberleben der ganzen Gruppe (N=118) betrug 38% nach 1 und 18% nach 5 Jahren bei einem medianen Überleben von 8 Monaten. Das mediane Überleben der Rezidivierenden war mit 11.5 Monaten gegenüber den resistenten Patienten mit 4.8 Monaten signifikant besser (p=0.0039). Das 1 Jahres OS nach Stammzelltransplantation war mit 54% gegenüber ohne mit 22% signifikant besser (P<0.0001), ebenso wie das mediane Überleben von 14.5 gegenüber 4.8 Monaten. Von den 32/118 auf Nelarabin ansprechenden und anschliessend transplantierten Patienten betrug das mediane OS 22.5 Monate bzw. der 5 Jahres OS 40%. Die neurologische Toxizität Grad 3/4 betrug 9% (10/118).
Nelarabin und eine anschliessende Stammzelltransplantation ist eine wichtige therapeutische Option bei der rezidivierten/resistenten T-ALL des Erwachsenen mit einer akzeptablen (neurologischen) Toxizität.

PD Dr. med. Urs Schanz
Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie, Universitätsspital Zürich

Quelle: Candoni A et al. Nelarabine as salvage therapy and bridge to allogenic stem cells transplantation in 118 adult patients with relapsed/refractory T cell acute lymphoblastic leukemia/lymphoma. A campus ALL, phase 4 study. Abstract S1620, 24th EHA Congress, 2019, Amsterdam, NL

Myelom

CASSIOPEIA-Studie

Beim diesjährigen EHA-Kongress in Amsterdam wurden die ersten Ergebnisse der CASSIOPEIA-Studie präsentiert, einer randomisierten Phase-III-Studie, die die Wirksamkeit einer 4-fach Kombination mit Daratumumab, Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (D-VTd) in der Induktions- und Konsolidierungstherapie bei Patienten untersucht, die sich für eine autologe Stammzelltransplantation qualifizieren. Präsentiert wurde die Auswertung des ersten Teils der Studie, der den Effekt der 4-fach Kombination nach Induktion- und Konsolidierungsphase beschreibt, Resultate des 2. Teils, der randomisiert eine Erhaltungstherapie mit Daratumumab vs Bobachtung vergleicht, sind ausstehend. Eingeschlossen wurden 1085 Patienten in 111 beteiligten Zentren der HOVON- und IFM-Studiengruppen. Die Patienten erhielten eine Induktionstherapie mit 4 Zyklen VTd +/- Daratumumab und nach erfolgter Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation 2 weitere Zyklen VTd +/- Daratumumab zur Konsolidierung. Im Studienarm mit Daratumumab-VTd konnte eine signifikante Verbesserung der stringenten kompletten Remission (sCR) als primärer Endpunkt und damit eine verbesserte Remissionstiefe zum Zeitpunkt nach Konsolidierung erreicht werden (Dara-VTd 29%, VTd 20%, OR 1.6; 95% CI, 1.21-2.12; P=0.0010). Auch die als sekundäre Endpunkte definierte Rate an MRD-Negativität (64% vs 44% mittels Durchflusszytometrie, P<0.0001), Ansprechen >= CR, PFS ab Zeitpunkt der 1. Randomisation (HR 0.47 (0.33-0.67), P<0.0001) zeigten eine Überlegenheit des Studienarmes, das Gesamtüberleben war zum Zeitpunkt der Analyse bei einem medianen Follow-up von 18.8 Monaten noch nicht auswertbar. Zusammenfassend konnte diese Studie einen klinisch bedeutenden Benefit der 4-fach-Kombination durch Hinzunahme von Daratumumab mit Verbesserung der Remissionstiefe und einer Reduktion des Progressionsrisikos von 53% aufzeigen.
Quelle: Moreau P et al. Phase 3 randomized study of daratumumab + bortezomib/Thalidomide/dexamethasone (D-VTD) versus VTD in ptransplant-eligible newly diagnosed multiple myeloma: Part 1 CASSIOPEIA results. 24th EHA Congress 2019, Abstract S145, Amsterdam, NL

COLUMBA-Studie

Im Kontext der immer häufigeren Verwendung von Daratumumab in unterschiedlichen Behandlungsphasen ist darüber hinaus die am EHA-Kongress vorgestellte Phase-3-COLUMBA Studie erwähnenswert.
Hierbei handelt es sich um eine non-inferiority-Studie, die Daratumumab in einer subkutanen Darreichungsform gegen das etablierte i.v.-Regime untersucht. Die Daratumumab-Infusionszeiten betragen bei Erstinfusion 7 Stunden, bei Zweitapplikation 4.3 Stunden und aber der dritten Infusion 3 Stunden im Median. Eine subkutane Darreichungsform von Daratumumab unter Verwendung rekombinanter humaner Hyaluronidase erlaubt eine deutliche Verkürzung der Applikationsdauer auf 5 Minuten und basierend auf der Phase-1b PAVO-Studie wurde eine Einheitsdosis von 1800mg s.c. gegen das etablierte i.v. Regime getestet. Hierbei waren die getesteten primären Endpunkte Gesamtansprechrate (ORR), minimaler Talspiegel (Ctrough) in beiden Armen vergleichbar und auch die sekundären Endpunkte Progressions-freies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) zeigten keine Unterschiede. Im Hinblick auf unerwünschte Wirkungen war insgesamt ein vergleichbares Sicherheitsprofil festzustellen, die Rate an infusionsbedingten Reaktion im s.c.-Arm war geringer, so dass zusammenfassend von einer vergleichbaren Wirksamkeit bei deutlich komfortablerer Applikationsform ausgegangen werden kann.
Quelle: Mateos MV et al. Randomized, 0pen-label, non-inferiority , phase 3 study of subcutaneous (SC) versus intravenous (IV) daratumumab (DARA) administration in patients with relapsed or refractory multiple myeloma: COLUMBA. 24th EHA Congress 2019, Abstract S823, Amsterdam, NL

FORTE-Studie

Eine weitere interessante Präsentation beinhaltete ein Update zur FORTE-Studie, die den Stellenwert der autologen Stammzelltransplantation im Kontext einer Induktion und Konsolidierung mit Carfilzomib-Lenalidomid-Dexamethason (KRd) oder Carfilzomib-Cyclophosphamid-Dexamethason (KCd) untersucht (KRd4/autologe Stammzelltransplantation (ASCT)/KRd4 vs KCd4/ASCT/KCd4 vs alleinige KRd-Therapie über 12 Zyklen (KRd12)). Bereits beim ASH-Kongress 2018 wurde die Überlegenheit beider lenalidomidhaltiger Regime über KCd/ASCT/KCd gezeigt (Gay et al., ASH 2018). In der aktualisierten Subgruppenanalyse zeigte sich ein signifikant niedriger Anteil an frühen Rückfällen im KRd/ASCT/KRd-Arm im Vergleich zur alleinigen KRd-Therapie (KRd12) in der High-risk-Population, so dass zusammenfassend festgehalten werden kann, dass trotz des Erreichens vergleichbarer Remissionstiefen in den beiden lenalidomid-haltigen Armen aufgrund der hohen Rate an frühen Rückfällen in der Hochrisikosituation die Hochdosistherapie mit autologem Stammzellersatz in diesem Kontext ihren Stellenwert beibehalten wird.

Dr. med. Rouven Müller
USZ, Klinik für medizinische Onkologie und Hämatologie

Quelle: Kumar S et al. A phase 3 study of venetoclax or placebo in combination with relapsed/refractory multiple myeloma. 24th EHA Congress 2019, Abstract LB 2801 Amsterdam, NL

Post EHA Stammzelltransplantation

Bezüglich der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HCT) war der EHA 2019 Kongress nicht so ertragreich wie bei anderen zellulären Therapien. Einige Arbeiten sind aber erwähnenswert, hier seien 3 ausgewählt: zuallererst das Abstract, welches im Presidential Symposium vorgestellt wurde (1). Es geht um Patienten mit akuter myeloischer Leukämie (AML), welche bei erhöhtem Rückfallrisiko in erster Remission allogen stammzelltransplantiert wurden. Hier ist die Frage offen, ob die immuntherapeutische Komponente der HCT oder aber die prätransplantäre Chemotherapie eine grössere Rolle in der Heilung spielen. Zu diesem Zweck wurden 218 Patienten randomisiert (BMT CTN 0901 [NCT NCT01339910]) in eine Gruppe mit intensiver Therapie (Myeloablative Konditionierung, MAC) und in eine Gruppe mit wenig intensiver Therapie (Reduziert intensive Konditionierung RIC). Das Rückfallrisiko wurde näher charakterisiert über eine Bestimmung der minimalen Resterkrankung (MRD) über eine Next Generation Sequencing Analyse der 13 am häufigsten mutierten Gene mit einer ultradeep Sequenziermethode, welche Allelhäufigkeiten von 0.001 detektieren konnte. Wie Abb. 1 zeigt, war das 3-Jahres-Gesamtüberleben bei Patienten ohne detektierbare Resterkrankung mit RIC oder MAC gleich. Hingegen war bei Patienten mit detektierbarer Resterkrankung das 3-Jahres-Gesamtüberleben 61% vs. 44%, p: 0.02 mit MAC vs RIC. Bei Patienten mit detektierbarer Resterkrankung war in der Multivarianzanalyse korrigiert für den Einfluss anderer Faktoren das Rückfallrisiko mit RIC erhöht (HR: 5.98 [3.19-11.26], p: <0.001), das leukämiefreie (HR: 2.80 [1.76-4.44], p<0.001) und das Gesamtüberleben vermindert (HR: 2.16 [1.30-3.60], p: 0.003] im Vergleich zu MAC. Die Interpretation dieser Daten ist dahingehend, dass sowohl die Intensität der prätransplantären Chemotherapie als auch die immunologischen Effekte zur Heilung beitragen und dass insbesondere Patienten zwar in Remission, aber mit tiefensequenzierungsdetektabler Resterkrankung von einer intensiveren prätransplantären Chemotherapie profitieren können.
In der zweiten Arbeit (2) wurden Patienten mit akuter lymphoblastärer Leukämie (ALL) untersucht, welche mit einer haploidenten HCT in CR1 oder CR2 behandelt worden waren. Die HCT von HLA-identischen Geschwistern gehört zur Standardbehandlung, ebenso wenn der Spender ein HLA-identischer unverwandter Spender ist. In den letzten Jahren hat die Verwendung haploidenter Stammzellspender massiv zugenommen, haploident heisst, dass Spender und Empfänger einen HLA-Satz teilen, den zweiten aber nicht, d.h. halbidentisch sind. Da Eltern und Kinder per Definition halbidentisch zum Patienten sind und auch die Hälfte der Geschwister, erhöht die Verwendung von halbidentischen Spendern die Spenderverfügbarkeit ungemein. Haploidente HCT sind aber mit einem erhöhten Graft versus Host Krankheits (GvHD) Risiko behaftet, deshalb werden in der GvHD-Prophylaxe neue Wege beschritten. Einer dieser Wege ist die Verwendung hoher Dosen von Cyclophosphamid posttransplantär (2x50mg/kg; ptCy) nach der HCT, um alloreaktive T-Zellen zu eliminieren, andere Strategien verwenden polyklonale Antikörper, ATG = Antithymozytenglobulin. In dieser observationellen Studie wurden 434 Patienten untersucht, 336 mit ptCY, 98 mit ATG behandelt. In beiden Gruppen waren das Angehen des Transplantates und die Rate an akuter und chronischer GvHD vergleichbar. Die Häufigkeit von Todesfällen an Infektionen betrug vergleichbar 32% und 30% Rückfälle waren unter ptCy seltener: 33.8% vs 43%; [HR] 0.61 [95% CI: 0.39-0.94], p = 0.03), die behandlungsassoziierte Mortalität (TRM) war etwas tiefer mit ptCy (26.7% vs 32.9%; HR 0.68 [0.42-1.11], p = 0.12). Das leukämiefreie und das Gesamtüberleben waren besser mit ptCy (40.3% vs 24.1%; HR 0.67 [0.46-0.96], p=0.03, und 48.4% vs 27.4%; HR 0.60 [0.42-0.84], p=0.003) im Vergleich zu ATG. Die Schlussfolgerung ist, dass hohe Dosen von Cyclophosphamid nach der HCT gegeben zu weniger Rückfällen führen und bezüglich der Kontrolle der GvHD gleichwertig sind wie andere Methoden der GvHD-Prophylaxe.
In der dritten Arbeit (3) geht es um die Bedeutung von anti-HLA Antikörpern, welche beim Patienten vorhanden sein können, auf Grund früher erfolgter Sensibilisierungen (Schwangerschaften, Transfusionen). Diese können heutzutage gut gemessen werden mit der Luminex-Technologie, in welcher Beads mit HLA-Molekülen beschichtet und mit unterschiedlicher Fluoreszenz erlauben, präzise die Spezifität der anti-HLA Antikörper zu charakterisieren und zu bestimmen, ob bei HCT mit HLA «mismatches» zwischen Spender und Empfänger die anti-HLA Antikörper eine Spenderspezifität haben oder nicht (donor specific antibodies, DAS). In dieser Studie wurden 343 Empfänger von Nabelschnurblut-HCT untersucht; Empfänger von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut weisen häufig HLA «mismatches» gegen den Spender auf, Nabelschnurblut-HCTs werden ja unternommen, um die HLA-Barriere bei immunologischer Unreife der Spender besser unterlaufen zu können. Auch ist bei Nabelschnurblut-HCT das Risiko einer Transplantatabstossung höher als bei anderen Stammzellquellen, dafür das GvHD-Risiko kleiner. Bei 25 Patienten wurden spenderspezifische Antikörper mit einer Fluoreszenzintensität von > 1000 gefunden. Ein Angehen des Transplantates wurde bei 75.7% (95% CI, 70.6–80.1) der DSA-negativen Patienten aber in 56.0% (95% CI, 34.1–73.1) der DAS-positiven Patienten (P = 0.03) beschrieben. Diese Studie zeigt, dass präexistierende anti-HLA Antikörper eine Rolle im Transplantatversagen spielen können. Ob Strategien zur Eliminierung dieser Antikörper eine Rolle spielen können, ist nicht klar. Bei Nabelschnurtransplantaten ist es wohl angezeigt einen Spender zu wählen, gegen den der Patient keine präexistenten Antikörper hat.
Insgesamt bleibt die allogene und autologe HCT eine Standardbehandlung für zahlreiche verschiedene Pathologien mit über 45 000 Patienten, die jährlich europaweit so behandelt werden. Sie tritt, mit weiteren zu erwartenden Fortschritten, heutzutage in Konkurrenz mit anderen zellulären Therapien.

Prof. Dr. med. Jakob Passweg
Klinik für Hämatologie, Universitätsspital Basel

Quellen:
1. Hourigan C et al. Impact of conditioning intensity of allogenic transplantation for acute myeloid leukemia with genomic evidence of residual diseae. EHA Library . June 14, 2019, 273253; LB2600
2. Nagler A et al. Post-transplant cyclophosphamide vs ATG for graft-versus-host disease prophylaxis in T replete haploidentical transplantation for acute lymphoblastic leukemia: A report of the ALWP/EBMT EHA Library June 14, 2019; 267315; S114
3. Fuji S et al. Impact of pre-transplant donor specific anti-HLA antibodies in cord blood transplantation on behalf of the transplant complications working group of JSHCT. EHA Library. Jun 14, 2019; 267319; S118

ASCO 2019 CHICAGO

Wie jedes Jahr pilgerten wir mit Prof. Cerny und Prof. von Moos, zusammen mit weiteren 35 000 Onkologie-Interessierten zum Amerikanischen Onkologie Kongress in Chicago, um einmal mehr für unsere Leser die spannenden Neuigkeiten – Innovationen, positive wie auch negative Studienergebnisse – vom ASCO für Sie zusammenzustellen. Aktuelle Diskussionen drehten sich oft um folgende Fragen:
• Einsatz der Checkpoint-Inhibitoren in First- oder Second-Line?
• Genügt eine Monotherapie oder hat der Patient mehr Effekt bei einer Kombinationstherapie?
• Biomarker – welche können eine zuverlässige Therapie voraussagen?

EDITORIAL «Step by step  –  Fortschritt für Alle»

Wie jedes Jahr pilgerten wir mit Prof. Cerny und Prof. von Moos, zusammen mit weiteren 35 000 Onkologie-Interessierten zum Amerikanischen Onkologie Kongress in Chicago, um einmal mehr für unsere Leser die spannenden Neuigkeiten – Innovationen, positive wie auch negative Studienergebnisse – vom ASCO für Sie zusammenzustellen. Aktuelle Diskussionen drehten sich oft um folgende Fragen:
• Einsatz der Checkpoint-Inhibitoren in First- oder Second-Line?
• Genügt eine Monotherapie oder hat der Patient mehr Effekt bei einer Kombinationstherapie?
• Biomarker – welche können eine zuverlässige Therapie voraussagen?
Viele weitere Fragen stehen im Raum und wir haben wieder versucht aus der Fülle der Beiträge für Sie die wichtigsten News und Erkenntnisse vom ASCO, ergänzt mit Interviews von Schweizer Experten, in unserer ASCO-Kongresszeitung darzustellen. Da kurz danach auch der EHA-Kongress in Amsterdam statt fand, haben uns die Hämato-Onkologie Spezialisten ihre Highlights zusammen getragen. Diese finden Sie im hinteren Teil unserer Kongressausgabe.

Fortschritte bei der Krebsbehandlung sind nur so gut, wie Patienten Zugang zu ihnen erhalten. Dabei soll nicht nur die onkologische Medizin einen wichtigen Stellenwert erhalten, sondern auch das Problem des gerechten Zugangs zur Behandlung und Betreuung. Dies stand dieses Jahr in den USA prominent im Fokus des ASCO-Kongresses, was ein absolutes Novum darstellte und die enorme mediale Aufmerksamkeit dieser Thematik betonte. Das Motto: «Cancer treatment advances are only as good as patients’ ability to access them.» In Europa ist das Thema schon seit vielen Jahren virulent, in der Schweiz als «gleicher Zugang für alle» das Ziel Nr. 1 der Nationalen Strategie gegen Krebs NSK.
Die Auswirkungen des in den USA 2012 eingeführten und für die Bundesstaaten fakultativen sog. «Affordable Care Act» (ACA), welche Menschen unter einem gewissen Einkommensniveau finanzielle Unterstützung zu ihren Gesundheitsausgaben leistet, wurden untersucht. Es zeigte sich, dass diese – aus Europäischer Sicht ja letztlich bescheidene Hilfe – eindeutig positive Effekte hat:
Mehr zeitgerechte Diagnosen, den rascheren und qualitativ besseren und gerechteren Therapiezugang und auch bessere Behandlungsresultate. Auch der Zugang zu Früherkennung und Prävention konnte wirksam verbessert werden.
Auch wenn Fakten den amtierenden Präsidenten nicht zwingend beeindrucken, bleibt zu hoffen, dass das Engagement am ASCO für dieses wichtige Anliegen Früchte trägt.

Viel Spass und Gewinn beim Durchstöbern unserer Kongresszeitung
Ihre
Eleonore E. Droux
Prof. Dr. med. Thomas Cerny

Olaparib-Maintenance verlängert das PFS auch beim BRCA+ Pankreaskarzinom

Für diese randomisierte, doppelblinde und Placebo-kotrollierte Phase-3-POLO-Studie wurden 3315 Patienten mit Pankreaskarzinom auf BRCAness gescreent! Dabei fanden sich 247 Patienten mit Mutationen in BRCA1 oder 2. Nach einer platinbasierten Erstlinientherapie mit FOLFIRINOX oder Gem/Nab-Paclitaxel wurden schliesslich 164 Patienten in stabiler Tumorsituation 3:2 randomisiert in eine Olaparib-Erhaltungstherapie (N:92) oder Placebo (N:62). Alle Patienten hatten Keimbahnmutationen in BRCA1 oder BRCA2. Das PFS wurde durch Olaparib 2 x 300mg täglich deutlich verbessert von 3.8 auf 7.2 Monate (HR 0.53, p= 0.004). Das Gesamtüberleben allerdings blieb kaum verändert (HR = 0.91, P = 0.68): eine Interims-OS-Analyse bei 46% «Maturity of Study» zeigte nämlich noch keinen Überlebensvorteil.
Die Lebensqualitäts-Messungen nach EORTC (100 Punkte Skala) waren für beide Arme vergleichbar. Die Inzidenz an Grad > 3 Toxizität wurde im Behandlungsarm mit Olaparib mit 40% und in der Kontrollgruppe mit 23% angegeben. 5% der Patienten im Behandlungsarm und 2% im Placeboarm haben deshalb ihre Behandlung abgebrochen. Somit zeigt sich zusammenfassend, dass die Olaparib-Erhaltungstherapie nach einer wirksamen Induktions-Chemotherapie mit FOLFIRINOX oder Gem/Nab-Pacliaxel das PFS mehr als verdoppelt, dass aber ein OS-Vorteil z.Z. noch nicht dokumentiert werden kann.

Da es sich letztlich nur um eine kleine, aber wohl meist übersehene Gruppe von Patienten beim notorisch refraktären Pankreaskarzinom handelt, ist diese Studie bereits zeitgleich zum ASCO im NEJM publiziert worden.
Die NCCN-Richtlinien haben die Empfehlung zur BRCA-Testung auf Mutationen von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom bereits aufgenommen, was konsequenterweise für alle Pankreaskarzinom-Patienten eine entsprechende genetische Beratung erfordert.

ThC
ASCO 2019, LBA4, Quelle. Kindler HL et al J. Clin Oncol 2019, 37

CNS-Malignomen auf Entrectinib

Hohes Ansprechen von Kindern mit refraktären soliden Tumoren

Die Wichtigkeit der Identifikation von medikamentös beeinflussbaren molekularen Zielstrukturen im pädiatrischen Setting wird auch durch die NCI-COG-Match Trial unterstrichen.

In dieser Studie mit 29 Patienten (Alter 5 Monate bis 20 Jahre) mit refraktären Soliden Tumoren oder CNS-Malignomen wurde Entrectinib, ein oraler CNS-gängiger TrkA/B/C, ROS1 und ALK Tyrosin-Kinase-Inhibitor untersucht. Entrectinib wurde generell gut toleriert. Dosis-limitierend waren erhöhtes Kreatinin, Dysgeusie, Fatigue und Lungenödem. Die empfohlene tägliche Dosis betrug 550 mg/m2. Alle Responders hatten eine Tagesdosis ≥ 400 mg/m2. Alle 11 Kinder und Adoleszenten mit einer NTRK1/2/3, ROS1 oder ALK Fusion sowie ein Fall von Neuroblastom mit einer ALK-Mutation zeigten ein Ansprechen! Patienten ohne Nachweis des Targets von Entrectinib zeigten kein Ansprechen.
Von den 6 Patienten mit dem Entrectinib-Target und Solidem Tumor wurden eine CR und 5 PRs dokumentiert. Bei den 6 Patienten mit ZNS-Malignomen zeigte ebenfalls einer eine CR, 3 zeigten eine PR, ein Patient eine 2PR «unconfirmed» und bei einem Patienten ist es noch zu früh für die Response-Evaluation. Die Zeit bis zum Ansprechen betrug median 57 Tage. Entrectinib ist bei dieser Zielpopulation ein sehr wirksamer neuer Tyrosinkinase-Inhibitor, der nun prioritär weiter untersucht werden muss.

Diese Studie zeigt auch, dass das Finden von therapeutisch beeinflussbaren molekularen Zielstrukturen ein Königsweg ist, um bei seltenen Malignomen wie in der Pädiatrie Fortschritte zu erzielen. Letzteres beabsichtigt genau die NCI-COG-Pediatric Match Trial der Children‘s Oncology Group des NCI. Hier wurden in einem kurzen Zeitraum von 17 Monaten 422 Kinder mit Soliden Tumoren (71%) und ZNS-Tumoren in 24% sowie 6% mit Lymphomen und Histiozytären Malignomen untersucht. Es standen 10 zielspezifische Behandlungsarme zur Verfügung. Von den Kindern unter 12 Jahren konnten 35% einem Behandlungsarm zugewiesen werden, von den Kindern >12 Jahre 25%. Dabei fanden sich HRAS/KRAS/NRAS Mutationen (n = 16), BRAF Mutationen oder Fusionen (n = 14), oder NF1 Mutationen (n = 11). Andere Gene betrafen SMARCB1 (n = 14), ALK (n = 8), CDK4 (n = 8), PIK3CA (n = 7), PTEN (n = 7), FGFR1 (n = 5), und BRCA1/BRCA2 (n = 5). Insgesamt konnte somit in gut einem Viertel der Kinder eine behandelbare molekulare Zielstruktur gefunden werden und es wird sich im weiteren Verlauf zeigen, inwieweit diese Strategie der Personalisierten Onkologie in der Pädiatrie das klinische Ansprechen beeinflussen wird.

ThC
Robinson GW et al J Clin. Oncol. 2019, 37; (Suppl. Abstracts 10 009) Parsons DW et al J Clin. Oncol. 2019, 37; (Suppl. Abstracts 10 011)

Myelom: Neue Optionen für smoldering und 1.Linien Therapie

Gleich drei wichtige positive randomisierte Phase 3 Studien sind am ASCO vorgestellt worden:
1. die Phase2/3 Studie mit Lenalidomid versus Observation beim High-risk Smoldering Myeloma (SSM, abstract 8001).
2. die Studie mit 1.Linien Daratumumab/Lenalidomid-Dex versus Len/Dex für nicht transplantierbare MM Patienten (abstract 8035).
3. die Cassiopeia-Studie, welche die Erstlinientherapie bei transplantierbaren Patienten mit Daratumumab + VTd versus VTd (Bortezomib-Thalidomid und Dex) untersuchte (abstract 8003).

1. Für Patienten mit einem «smoldering Myeloma (SMM)» ist bisher die Observation die standardmässige Vorgehensweise. Die Option einer klinisch bedeutsamen signifikanten Verzögerung des Auftretens eines Multiplen Myeloms mit einer die Patienten wenig belastenden Mono-Therapie wie Lenalidomid ist eine sinnvolle Fragestellung. Eine spanische Gruppe hatte bereits 2013 Resultate einer Phase 3 Studie publiziert, welche mit Len/Dex sowohl eine signifikante Verzögerung des Auftretens eines MM sowie auch einen OS-Vorteil gezeigt hatte (Mateos, NEJM 2013). Es blieb aber unklar, ob dieser positive Effekt nun durch Len oder Dex oder der Kombination erzeugt wurde. In dieser neuen randomisierten Intergroup Phase 3 Intergroup Study E3A06 mit 182 Patienten wurde nun die Hypothese untersucht, dass Lenalidomid alleine für diese Wirkung verantwortlich sei. Zuerst wurde Lenalidomid Monotherapie in einer Phase 2 Studie mit 44 «high risk SMM» getestet und dann die Phase 3 mit 182 Patienten begonnen welche Len gegen alleinige Observation verglich, mit dem primären Endpunkt des PFS. Patienten erhielten 25mg Len d1-21 alle 4 Wochen sowie prophylaktisch Aspirin 325mg täglich. In der Phase 2 Gruppe zeigte sich mit einer medianen Beobachtungszeit von 5 Jahren, dass 78% keine Progression zu einem MM aufwiesen. In der Phase 3 (vgl. Tabelle) zeigte sich im Behandlungsarm nach 2 Jahren eine Risikoreduktion des Auftretens eines MM von 72%. OS Daten liegen noch keine vor. Grad 4 Toxizitäten waren selten und es hat keine neuen Sicherheits-Signale gegeben. Wir sind nun gespannt auf die volle Publikation der reifen Daten.

2. Die grosse offene randomisierte Phase 3 Studie mit 737 nicht transplantierbaren Myelom-Patienten in der 1.Linie verglich Daratumumab + Len/Dex versus Len/Dex als Kontrollarm. Diese Studie ist im NEJM gleichzeitig zum ASCO publiziert worden (Facon, NEJM 2019). Die CR Rate betrug 47.6% versus 24.9% für den Kontrollarm. Neutropenien grad 3-4 (50% versus 35%) und Pneumonien (13.7 versus 7.9%) waren häufiger im Verum-Arm, Anämien Grad 3-4 häufiger im Kontrollarm (11.8.5 versus 19.7%). Es zeigte sich nach einer medianen Beobachtungszeit von 28 Monaten ein hoch-signifikant verbessertes errechnetes PFS nach) 30 Monaten von 70.6 % versus 55.6% für den Kontrollarm. Reife OS Daten liegen noch nicht vor.

3. Die Phase 3 Intergroup Cassiopeia-Studie der IFM und HOVON, welche die Erstlinientherapie bei 1082 transplantierbaren Patienten mit Daratumumab + VTd versus VTd (Bortezomib-Thalidomid und Dex) untersuchte, wurde zeitgleich im Lancet publiziert (Moreau, Lancet 2019). Das Risiko von Progression oder Tod wurde im Behandlungsarm hoch-signifikant um 53% reduziert und die mediane Beobachtungszeit von 18.8 Monate ist noch etwas zu früh um das OS schlüssig zu beurteilen.

ThC
Quelle: ASCO 2019 1.Moreau P et al J Clin. Oncol 2019, 37 (suppl.abstract 8003) 2.Usmani S Z et al J Clin. Oncol 2019, 37 (suppl.abstract 8035) 3.Lonial S et al J Clin. Oncol 2019, 37 (suppl.abstract 8001)

Enfortumab Vedotin EV zeigt eindrückliche und anhaltende Aktivität bei Patienten mit refraktärem Blasenkarzinom

Platine und Checkpointinhibitoren (CPI) sind beim Urothelkarzinom bewährte wirksame Therapien. Danach gibt es keine überzeugenden Optionen mehr. In dieser «unmet need»-Situation kommen nun wirklich eindrückliche Phase-2-Daten, deren Update mit einer Fallzahl von 112 Patienten am ASCO präsentiert wurde (Safety-Population N:155).
Enfortumab Vedotin ist ein Antikörper-Drug-Konjugat mit Vedotin, das als mikrotubuläres Spindelgift an Nektin-4, welches beim Urothelkarzinom und auch anderen Tumoren überexprimiert wird, andockt und über die Blockade der Zellteilung die Apoptose auslöst. Wir kennen das Wirkprinzip bereits von Brentuximab Vedotin (Adcetris), welches ja beim Morbus Hodgkin und bei T-Zell-Malignomen wirksam ist.
Nun wurden die klinischen Daten der Kohorte 1 von 112 vorgestellt, welche mit einem metastasierenden Urothelkarzinom mindestens eine Platin- und CPI-Therapie erhalten hatten. Es wurden 2 Kohorten unterschieden: in Kohorte 1 wurden Patienten mit Platin und CPI-Vorbehandlung, in Kohorte 2 nur Patienten mit CPI-Vorbehandlung eingeschlossen. Die Daten hier betreffen ausschliesslich die Kohorte 1.

Die 112 Patienten waren median 69 Jahre alt (24-86J), 73% waren Männer. 84 Patienten hatten ein Blasenkarzinom und 32 Patienten hatten Lebermetastasen. 94% Patienten waren Platin-refraktär, 73% Patienten hatten bereits eine CPI erhalten. 63% der Patienten hatten mindestens 2 Vorbehandlungen erhalten. Enfortumab Vedotin (EV) wurde als 30-minütige Infusion an den Tagen 1, 8 und 15 alle 4 Wochen verabreicht. Die Therapie wurde soweit gut vertragen, wobei Fatigue mit 54% am häufigsten auftrat. AEs Grade > 3 waren Anämie (8%), Hyponatriämie (7%), Harnwegsinfekt (7%) und Hyperglykämie (6%). Es wurden 4 therapieassoziierte Todesfälle dokumentiert: Lungenversagen, Multiorganversagen, Ketoazidose und Harnwegsobstruktion. Die OR betrug 41% mit 3% CR, und auch bei Patienten mit Lebermetastasen war die OR vergleichbar gut mit 39%. Das PFS betrug 5.4 Monate, die mediane Dauer des Ansprechens 5.7 Monate. Das OS ist mit 13.6 Monaten angesichts der Vorbehandlungen als aussergewöhnlich hoch zu beurteilen. Es darf erwartet werden, dass die FDA mit diesen Daten wohl bald die Zulassung erteilen wird. Eine grosse Phase-3-Studie ist bereits unterwegs und weitere Tumorentitäten wie z.B. Lungen- und HNO-Karzinome sind mögliche weitere Studien-Kandidaten.

ThC
ASCO 2019, abstract LBA 4505, Petrylak DP et al J Clin Oncol 2019, 37 (Suppl abstract)

«Die rechten ins Töpfchen»

Basket Trial findet Therapie für Speicheldrüsen-Karzinom

Bisher gibt es noch gar keine zugelassene Therapie für die sehr seltenen Fälle mit fortgeschrittenem Speicheldrüsen-Karzinom, einer echten «Orphan Disease». Das ändert sich nun für eine kleine Subgruppe dieser Patienten mit dem duktalen Typ (SDC), der besonders aggressiv und in ca. einem Drittel der Fälle HER2-positiv ist. So war die Hypothese auf der Hand, dass eine HER2-gerichtete Therapie hier eine Therapieoption darstellen könnte. In diesem Basket Trial wurden 10 Patienten mit metastasierendem SDC behandelt und erhielten Ado-Trastuzumab Emtansine 3.6mg/kg i.v. alle 3 Wochen. Der primäre Endpunkt war ORR. Weitere Endpunkte waren Ansprechdauer, Toxizität und PFS.
Das mediane Alter der 10 Patienten betrug 65 Jahre (36-90J), 90% waren Männer. Die Anzahl der systemischen Vorbehandlungen betrug median 2 (bis 3). Die ORR betrug 90% (9/10, 95% CI 56-100%) davon 5 CRs. Nach einem Follow-up von 12 Monaten wurden die Endpunkte der Ansprechdauer sowie das PFS noch nicht erreicht. Die Toxizität war mild mit G1 or G2-Infusions-Reaktionen, Thrombozytopenie und Transaminitis; Todesfälle gab es keine.

Diese Studie wird nun mit einer höheren Fallzahl als Extension-Study weitergeführt.

ThC
ASCO 2019, Li B. et al. Abstrac 6001

Saul-Studie

Klinische Ergebnisse nach PD-L1 Status und Alter in der prospektiven internationalen SAUL-Studie mit Atezolizumab (Atezo) bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom (UC) oder Nicht-UC der Harnwege.

Atezolizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen PD-L1, ist eine zugelassene Therapie für lokal fortgeschrittenes/metastatisches Urothelkarzinom auf der Basis der Phase-II- und -III-Studien IMvigor210 und IMvigor211. Die einarmige SAUL-Studie mit einer breiteren Patientenpopulation zeigte ein medianes Gesamtüberleben (OS) von 8,7 Monaten und ein Sicherheitsprofil, das mit früheren Atezoversuchen übereinstimmt.
Patienten mit lokal fortgeschrittenem/metastasiertem UC oder Nicht-UC der Harnwege erhielten alle 3 Wochen Atezo 1200 mg bis zur Progression der Erkrankung oder inakzeptabler Toxizität. Von der IMvigor211-Studie ausgeschlossene Populationen (Niereninsuffizienz, ECOG PS 2, behandelte asymptomatische ZNS-Metastasen, stabil kontrollierte Autoimmunerkrankungen, begleitende Steroide, HIV-positiv, nicht-UC) waren wählbar. Der primäre Endpunkt war Sicherheit. OS und allgemeine Ansprechrate (ORR) waren sekundäre Endpunkte. Vordefinierte Subgruppenanalysen umfassten Ergebnisse nach PD-L1-Status (VENTANA SP142) und Alter in der Gesamtbevölkerung (und die IMvigor211-ähnliche Subgruppe für PD-L1).
Zwischen Nov. 2016 und März 2018 waren 1004 Patienten eingeschlossen; 997 erhielten Atezo. Die Wirksamkeit wird im Folgenden zusammengefasst. Die Häufigkeit von behandlungsbedingten Nebenwirkungen von Grad ≥3 war ähnlich unabhängig vom PD-L1-Status (Gesamt-IC 0/1 vs. 2/3: 11% vs. 16%; IMvigor211-ähnlicher IC 0/1 vs. 2/3: 11% vs. 15%) oder Alter (≥65 y: 13%; ≥75 y: 12%; ≥80 y: 10%).
OS und ORR erscheinen in IC 2/3 gegenüber IC 0/1 Untergruppen günstiger (insgesamt und in der IMvigor211-ähnlichen Bevölkerung). Atezo war effektiv und gut verträglich in allen Untergruppen, auch bei älteren Menschen.

WFR
Quelle: Adams S et al Clinical outcomes according to PD-L1 status and age in the prospective international SAUL study of atezolizumab (atezo) for locally advanced or metastatic urothelial carcinoma (UC) or non-UC of the urinary tract. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 1067)

Nivolumab (NIVO) + Ipilimumab (IPI

Kombinationstherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulärem Karzinom (aHCC): Resultate von CheckMate 040.

m Rahmen der SELECT-D-Studie konnte gezeigt werden, dass Rivaroxaban dem NMH Dalteparin hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit bei Patienten mit einer Krebsassoziierten Thrombose nicht unterlegen ist.
NIVO-Monotherapie (mono) ist bei mit Sorafenib (SOR)-behandelten Patienten mit HCC basierend auf den Daten von CheckMate 040 zugelassen. Dabei zeigten die Patienten eine objektive Ansprechrate (ORR) von 14% und ein medianes Gesamtüberleben (mOS) von 16 Monaten. Die vorliegende Studie ist der erste Bericht über die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination NIVO + IPI bei mit SOR-behandelten Patienten mit aHCC.
Die Patienten wurden zu 3 Armen randomisiert: [A] NIVO 1 mg/kg + IPI 3 mg/kg q3w (4 Dosen) oder [B] NIVO 3 mg/kg + IPI 1 mg/kg Q3W (4 Dosen), jeweils gefolgt von NIVO 240 mg q2w oder [C] NIVO 3 mg/kg Q2W + IPI 1 mg/kg Q6W. Die Behandlung wurde bis zur unerträglichen Toxizität oder zur Progression der Erkrankung fortgesetzt. Zu den primären Endpunkten gehörten Sicherheit und Verträglichkeit, zu den sekundären Endpunkten ORR (BICR gemäss RECIST v1.1), Dauer der Reaktion (DOR), Krankheitskontrollrate (DCR) und OS. Cut-off war der 25.9.2018.
148 mit SOR behandelte Patienten wurden randomisiert. Die minimale Nachverfolgung für das OS des letzten Patienten vom Randomisierungsdatum bis zum Datenschluss betrug 24 Monate. Zu Studienbeginn hatten 88% eine vaskuläre Invasion oder extrahepatische Ausbreitung, 91% hatten ein BCLC-Stadium C, 84% stellten die SOR-Therapie aufgrund des Krankheitsverlaufs ein und 14% aufgrund der Toxizität. Insgesamt betrug die ORR 31% (7 hatten eine vollständige Antwort[CR]) mit einem medianen DOR von 17 Monaten; DCR war 49% und 24 Monate, die OS-Rate betrug 40%. Patienten in Arm A hatten ein mOS von 23 Monaten und 4 Patienten eine CR. Die Tabelle 5 zeigt zusätzliche Wirksamkeitsergebnisse pro Arm. Insgesamt war NIVO + IPI gut verträglich; 37% der Patienten hatten ein behandlungsbedingtes Nebenwirkungsereignis von Grad 3-4 (TRAE; am häufigsten: Juckreiz und Ausschlag); 5% hatten Klasse 3-4 TRAEs, die zum Abbruch führten.
Die Kombination NIVO + IPI führte zu klinisch aussagekräftigen Reaktionen und hatte ein akzeptables Sicherheitsprofil bei SOR-behandelten Patienten, mit einem doppelt so hohen ORR wie bei NIVO mono (31% bzw. 14%). Patienten in Arm A hatten ein vielversprechendes mOS von 23 Monaten.

WFR
Quelle: Yau Th. et al. Nivolumab (NIVO) + ipilimumab (IPI) combination therapy in patients with advanced hepatocellular carcinoma (aHCC): Results from CheckMate 040. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 4012)

Wie ist die Prognose nach 5 Jahren?

Pembrolizumab-Therapie beim lokal metastasierenden NSCLC

Bisher war die Chance eines Patienten mit metastasierendem Nichtkleinzelligem Lungenkarzinom, der häufigsten Art von Lungenkrebs, nach 5 Jahren noch zu leben bei 5-6%. Nun liegen die 5-Jahres-Daten aus der ersten Phase-1b-Studie mit Pembrolizumab (Keytruda) bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Nichtkleinzelligem Lungenkarzinom NSCLC vor. Zu beachten ist dabei, dass zu diesem Zeitpunkt weder die optimale Dosis noch die optimale Behandlungsdauer bekannt waren. Diese KEYNOTE-001 Studie hatte im Jahr 2011 mit der Aufnahme von Patienten begonnen. Von den insgesamt 550 Teilnehmern waren 449 vorbehandelt und 101 erhielten den PD-1-Inhibitor als Erstlinien-Therapie. Die Patienten erhielten 2 mg/kg Körpergewicht (KG) Pembrolizumab i.v. alle 3 Wochen oder 10mg/kg KG i.v. alle 2 oder 3 Wochen. Primärer Endpunkt war die Ansprechrate, sekundärer Endpunkt das Gesamtüberleben.
Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 60,6 Monaten zeigt sich jetzt, dass noch 100 der insgesamt 550 Patienten am Leben sind (18%). Für die nicht vorbehandelten Patienten ist die 5-Jahres-Überlebensrate 23.2%, für die anderen 15.5% (vgl. Tabelle). Das Gesamtansprechen betrug 42% für die nicht vorbehandelte Gruppe und 23% für die vorbehandelten Patienten. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 38,9 Monate bez. 16,8 Monate. Immunologische Nebenwirkungen nach 5 Jahren wurden in 17% dokumentiert, wie bereits nach 3 Jahren Beobachtungsdauer. Die Patienten, welche nach 2 Jahren weiterhin in Remission waren, hatten in der Mehrheit die 5-Jahres-Überlebenszeit erreicht. Auch war die Expression von PD-L1 klar korreliert mit dem Ansprechen und der Prognose: d.h. von den nicht vorbehandelten Patienten mit einer PD-L1-Expression von > 50% war sogar fast jeder Dritte (29,6%) nach 5 Jahren noch am Leben, unter denjenigen mit einer niedrigeren PD-L1-Expression (PD-L1: 1-49%) war es nur jeder siebte (15,7%). Ebenso war die Dauer der Behandlung mit dem Resultat korreliert, indem von den 60 Patienten, welche Pembrolizumab 2 Jahre lang erhalten hatten, noch 46 nach 5 Jahren am Leben waren. Immunologische Nebenwirkungen wurden in 17% dokumentiert, am häufigsten wurden leichte Hypothyreosen diagnostiziert und die bedrohlichste Nebenwirkung war die Pneumonitis mit 4%.
Es gilt zukünftig, diese hochwirksame Therapie weiter zu optimieren, zu individualisieren und evt. auch zu kombinieren mit anderen wirksamen Therapien und die Patienten, die eine hohe Aussicht auf Erfolg haben, upfront so zu behandeln.

ThC
Quelle: CO 2019, Garon EB et al Five-year long-term overall survival for patients with advanced NSCLC treated with pembrolizumab. Results from KEYNOTE-001. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl. abstr. LBA 9015)

Da Vinci mal anders:

Phase-3-Studie MONALEESA-7 bringt die Optionen bei hormonsensitiven, HER2-negativen prämenopausalen Brustkrebspatientinnen einen Schritt weiter

In dieser grossen Phase-3-Studie wurden 672 prämenopausale Frauen mit hormonsensitivem HER2-negativem Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium untersucht. Ribociclib, ein bereits auf dem Markt erhältlicher CDK4/6-Inhibitor, wurde in Kombination mit einer endokrinen Therapie (Goserelin, Tamoxifen oder einem Aromatase-Inhibitor) verabreicht und randomisert verglichen mit einem Placebo-kontrollierten Vergleichsarm. In dieser Studie, welche zeitgleich im NEJM publiziert wurde (Im, NEJM 2019), wurden nun die ersten OS-Daten der geplanten Interimsanalyse mit einer medianen Beobachtungsdauer von 42 Monaten vorgestellt. Es wurden im Behandlungsarm 83 (24.8%) und im Kontrollarm 109 (32.3%) Todesfälle registriert. Das errechnete OS nach 42 Monaten erreichte statistische Signifikanz mit 70.2% (95% CI, 63.5 bis 76.0) in der Ribociclib- und 46.0% (95% CI, 32.0 bis 58.9) in der Placebo-Gruppe (HR, 0.71; 95% CI, 0.54 bis 0.95; P = 0.0097).
Die nachfolgenden Systemtherapien, 68.9% in der Ribocylin- und 73.2% in der Placebo-Gruppe, waren in beiden Gruppen vergleichbar. Die erwähnten signifikanten OS-Resultate waren insbesondere für mit Aromatase-Hemmer behandelte Patientinnen dokumentiert, jedoch nicht (oder noch nicht) für die Tamoxifen-Gruppe. Hier gibt es Hinweise, dass es einen antagonistischen Effekt geben könnte und deshalb sollte in dieser Kombination Tamoxifen vorerst vermieden werden. Auch wurden in der mit Tamoxifen behandelten Ribocyclib-Gruppe vermehrt QT-Verlängerungen dokumentiert, allerdings ohne klinische Konsequenzen. Bezüglich Verträglichkeit sind keine neuen Beobachtungen gemacht worden und die Beobachtungszeit ist noch zu kurz, um unerwünschte Späteffekte ausschliessen zu können.

In Erinnerung rufen möchte ich hier die Paloma-3-Studie mit Palbociclib und endokriner Therapie in einer ähnlichen Population, welche trotz klarem PFS-Benefit bisher keinen OS-Vorteil zeigen konnte, auch nicht in der Subgruppe der prämenopausalen Frauen. Es darf erwartet werden, dass hier weitere klärende Datenanalysen und Follow-up-Ergebnisse noch folgen werden.

ThC
Hurvitz S. et al. ASCO 2019, LBA 1008

Neue Option bei der Erstbehandlung von CLL-Patienten mit Venetoclax und Obinutuzumab

In der Phase-3-Studie CLL14, initiiert von Köln, wurde untersucht, ob eine Erstlinientherapie mit Venetoclax und Obinutuzumab (VenG) gegenüber einem Kontrollarm mit Chlorambucil und Obinutuzumab (ClbG) bei Patienten mit therapiebedürftiger CLL und Komorbiditäten überlegen ist. Die Resultate dieser praxisrelevanten Studie wurden zeitgleich im NEJM publiziert (Fischer, NEJM 2019).
Die Patienten mit einem CIRS-Score >6 (Cumulative Illness Rating Scale), einer Kreatinin-Clearance <70 ml/min und mit unbehandelter CLL wurden 1:1 randomisiert zu einer je 12 Monate dauernden Therapie mit VenG versus ClbG, wobei Venetoclax in der Dosis von 400 mg täglich verabreicht wurde. Der primäre Endpunkt war das PFS, sekundärer Endpunkt war insbesondere MRD-Negativität im Blut und Knochenmark.
Es wurden 432 Patienten randomisiert. Die OR Rate betrug 84.7% für VenG versus 71.3% (p<0.001) für ClbG. Nach 29 Monaten medianer Beobachtungszeit zeigte sich das PFS im VenG-Arm gegenüber dem ClbG-Vergleichs-Arm deutlich verbessert. Dabei waren ein Jahr nach Abschluss der Therapie im VenG-Arm 88.2% und im ClbG-Arm noch 64.1% ohne Progression (HR 0.35; 95% CI 0.23-0.53; P<0.0001). Auch die MRD-Negativität war signifikant höher im Ven/O-Arm gegenüber dem Clb/O-Arm in both PB (76% vs. 35% [P<0.0001]) und BM (57% vs 17% [P<0.0001]) 3 nach Therapie Ende. Insgesamt 75% der Ven/O-Patienten, welche im Blut MRD-negativ waren, waren auch im Knochenmark negativ versus 49% in der ClbG-Kontroll-Gruppe. Der MRD-Status nach einem Jahr war stark korreliert mit dem PFS. Eine höhere MRD-Negativitäts-Rate wurde früher und anhaltend mit VenG in 81% versus 27% im ClbG-Kontrollarm erreicht. Die Toxizitäten (Grade 3-4) mit VenG und ClbG waren Leukopenien in 52.8% versus 48.1% und Infektionen in 17.5% versus 15.0%. Neue Sicherheitssignale wurden nicht beobachtet. Allerdings ist zu vermerken, dass die Gesamtmortalität in der Studie für VenG 9.3% betrug versus 7.9% für ClbG, was statistisch zwar nicht signifikant war, aber zur Vorsicht mahnen sollte. Langzeitresultate werden wichtig sein, um den Stellenwert dieser Therapie richtig einschätzen zu können neben den vielen anderen Optionen.
Diese neue Kombinationstherapie mit VenG wurde von der FDA in einem neuen Verfahren – «FDA’s Real-Time Oncology Review and Assessment Aid pilot programme» – bereits in den USA zugelassen und dürfte bald auch andernorts eine der Standard-Optionen werden.

ThC
Quelle: Fischer K et al. Effect of fixed-duration venetoclax plus obinutuzumab on progression-free survival, and rates and duration of minimal residual disease negativity in previously untreated patients with chronic lymphocytic leukemia and comorbidities. J Clin Oncol 2019; 37 (supp. abstr. 7502)

Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination von Nivolumab (NIVO) plus Ipilimumab (IPI)

Patienten mit symptomatischen Melanom-Hirnmetastasen (CheckMate 204)

Über die Wirksamkeit und Sicherheit von NIVO+IPI bei Patienten mit unbehandelten, asymptomatischen Melanom-Hirnmetastasen (MBM) wurde bereits aus der CheckMate 204-Studie berichtet. Der folgende Bericht ist der erste zu NIVO+IPI bei Patienten mit symptomatischen MBM und es wird über aktualisierte Daten bei Patienten mit asymptomatischem MBM berichtet.
In diesePhase-II-Studie wurden Patienten mit ≥1 messbaren, nicht bestrahlten MBM 0,5-3,0 cm in zwei Kohorten aufgenommen: 1. diejenigen ohne neurologische Symptome oder Steroid-Therapie (asymptomatisch; Kohorte A); und 2. diejenigen mit neurologischen Symptomen, unabhängig davon, ob sie Steroide erhielten oder nicht (symptomatisch; Kohorte B). In beiden Kohorten erhielten die Patienten NIVO 1 mg/kg + IPI 3 mg/kg Q3W × 4, darauf NIVO 3 mg/kg Q2W bis zur Progression oder Toxizität. Der primäre Endpunkt war die intrakranielle klinische Nutzensrate (CBR; Anteil der Patienten mit kompletter Ansprache [CR] + partielle Ansprache [PR] + stabile Erkrankung [SD] ≥6 Monate). Am klinischen Stichtag, 1. Mai 2018, waren alle behandelten Patienten (101 in Kohorte A und 18 in Kohorte B) während 6 Monaten oder länger beobachtet worden.
In dieser aktualisierten Analyse der Kohorte A (medianes Follow-up von 20.6 Monaten) betrug die CBR 58,4% (Tab. 1). In Kohorte B erhielten die Patienten im Median 1 NIVO+IPI-Dosis, und 2 von 18 Patienten (11%) erhielten alle 4 Dosen. Bei einem medianen Follow-up von 5.2 Monaten in Kohorte B betrug die intrakranielle objektive Ansprechrate 16,7% und die CBR 22,2%. Nebenwirkungen vom Grad 3/4 traten in 54,5% der Patienten in der Kohorte A und in 55,6% der Patienten in der Kohorte B auf (6,9% bzw. 16,7% im Nervensystem), wobei ein Todesfall mit der Behandlung in der Kohorte A zusammenhängt (immunbedingte Myokarditis).

Bei Patienten mit asymptomatischem MBM zeigen die aktualisierten Ergebnisse eine hohe Rate an dauerhaftem intrakraniellem Ansprechen und unterstützen NIVO+IPI als Erstlinientherapie in dieser Population. Die intrakranielle Antitumoraktivität wurde mit NIVO+IPI bei Patienten mit symptomatischem MBM beobachtet. Es bedarf jedoch weiterer Studien, um die biologischen Mechanismen der Resistenz gegen die Immuntherapie zu verstehen und die Behandlungen in dieser herausfordernden Population zu verbessern.

WFR
Quelle: Hussein Abdul-Hassan Tawbi et al. Efficacy and safety of the combination of nivolumab (NIVO) plus ipilimumab (IPI) in patients with symptomatic melanoma brain metastases (CheckMate 204). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 9501) CheckMate 204_BMS Melanoma

Die Qual der Wahl

Was ist nun der Standard beim hormonsensitiven fortgeschrittenen Prostatakarzinom?

Nach Jahrzehnten Desinteresse der Pharmafirmen am Prostatakarzinom, folgen sich nun in hoher Kadenz gleich mehrere hochwirksame Medikamente als Ergänzung zur etablierten Hormonblockade mit LHRH-Medikamenten bei Patienten mit hormonsensitivem Prostatakarzinom. Das Ziel, die Krankheitsprogression gegenüber einer bisher etablierten Androgen-deprivierenden Therapie (ADT) weiter hinaus zu zögern und das Gesamtüberleben durch eine maximale Androgenblockade zu verlängern, wird damit klar erreicht.
Die positiven Daten aus diesen sehr grossen Studien mit neuen oder erweiterten Indikationen sind letztlich vergleichbar. Nun haben wir also, neben dem bewährten Abirateron (Zytiga), auch Apalutamid (Erleada), Enzalutamid (Xtandi) und bald auch Darolutamid zur Verfügung, um die Androgenblockade zu optimieren und die bisherige weniger wirksame ADT der nicht-steroidalen Anti-Androgene wie Bicalutamid, Nilutamid oder Fluatamid weiter zu verdrängen.
Am ASCO wurden zeitgleich mit der Publikation im NEJM die Daten der Phase-3-TITAN-Studie vorgestellt. Apalutamid plus ADT führte bei 1052 1:1 randomisierten Patienten, im Vergleich zu Placebo plus ADT, zu einer signifikanten Verlängerung des OS bei einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 33 Prozent (HR=0,67; 95 % CI, 0,51-0,89; P=0,0053). In beiden Studienarmen wurde das mediane OS noch nicht erreicht. Die Kombination aus Apalutamid plus ADT resultierte ausserdem in einer signifikanten Verbesserung des rPFS mit einer Reduzierung der radiologischen Progression oder der Mortalität um 52 Prozent im Vergleich zu Placebo plus ADT (HR=0,48; 95 % CI, 0,39-0,60; P<0,0001). Das mediane rPFS betrug 22,1 Monate bei dem Placebo-ADT-Arm und wurde im Apalutamid-ADT-Arm noch nicht erreicht. Die Zwei-Jahres-OS-Raten nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22,7 Monaten betrugen 82 Prozent bei Apalutamid plus ADT im Vergleich zu 74 Prozent beim Placebo-ADT-Arm. Damit wird eine Indikationserweiterung für Patienten mit metastasierendem hormonsensitivem Prostatakarzinom erwartet.
Dass hier bereits weitere Substanzen am Horizont sind, zeigt die grosse randomisierte SAKK 08/16 Studie mit Darolutamid (einem weiteren 2.-Generations-Androgenrezeptor-Antagonist), nun als Erhaltungstherapie bei Patienten mit hormonrefraktärem metastasierendem Prostatakarzinom eingesetzt, welche nach einer Antigenrezeptortherapie und anschliessender Taxan-Therapie nicht progredient sind. Sie wurde als Poster von PD Dr. med. Richard Cathomas (ASCO 2018) vorgestellt. Sie rekrutiert seit 2017 in der Schweiz und in Italien und sucht weitere Partner.
In der Enzalutamid-Studie (ENZAMET-Trial), welche von Australien und Neuseeland geleitet wurde, wurden 1125 Patienten 1:1 randomisiert zu Enzalutamid und ADT oder ADT alleine. Nach median 34 Monaten wurde diese Auswertung gemacht: 80% der mit Enzalutamid behandelten Männer waren am Leben versus 72% der Männer im Kontrollarm. Von 596 Männern mit einem hohen Tumorvolumen lebten 71% versus 64% im Kontrollarm. Bei den 529 Männern mit kleinerem Tumorvolumen waren 90% versus 82% im Kontrollarm noch am Leben. Das Risiko zu versterben wurde im Behandlungsarm um 33% gegenüber dem Kontrollarm reduziert und ist praktisch identisch mit dem Resultat der oben angeführten TITAN-Studie. SAEs wurden im Enzalutamid Arm in 42% dokumentiert versus 34% im Kontrollarm.
Die Diskussion über die individualisierte Optimierung der Behandlung der Patienten mit hormonsensitivem metastasierendem Prostatakarzinom hat damit erst so recht begonnen. Auch Docetaxel ist weiterhin eine wichtige Alternative und die knochenschützenden Massnahmen müssen weiterhin strikt beachtet werden.

ThC
Chi KN et al J Clin. Oncol. 2019; 37: (suppl. Abstract 5006 (Titan-Trial) Sweeny Ch et al J Clin. Oncol.2019;37:suppl. Abstract LBA 2 (ENZAMET-Trial)

Endlich eine neue aktive Substanz bei Kleinzeller: Lurbinectidin!

Lurbinectidin ist ein synthetisches Analog von Trabectidine, also letztlich ein Abkömmling aus der faszinierenden Meeresbiologie. Lurbinectidin hemmt die RNA-Polymerase II und stört dadurch die transaktivierte Transkription, was zur Apoptose führt. Ein Synergismus mit Anthrazyklinen wird postuliert.
In dieser multizentrischen einarmigen Basket Studie wurden 105 vorbehandelte Patienten mit SCLC eingeschlossen (abstract 8506). Die Patienten erhielten 3.2 mg/m2 Lurbinectidin als 1-h iv Infusion alle 3 Wochen.
Grad 3-4 Toxizität wurde in 35% der Patienten registriert und bestand hauptsächlich aus Neutropenia (22.9%), Anämie (6.7%), Fatigue (6.7%), Thrombozytopenie (4.8%), febriler Neutropenie (4.8%), und Pneumonia (1.9%).

Die Ansprechrate betrug 35.2% (37/105) und ebenso bemerkenswert war, dass weitere 35 Patienten eine SD (stable disease) aufwiesen, so dass die Krankheits-Kontrollrate 68.6.% betrug. Eine Tumorregression wurde bei 65% der Patienten dokumentiert und 5 von 8 Patienten, welche auf eine Immuntherapie refraktär waren, haben angesprochen. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug 5.8 Monate. Patienten, welche auf die vorgängige Therapie gut angesprochen hatten, zeigten eine Ansprechrate von 44% versus 22% für refraktäre Patienten.
Nach einer medianen Beobachtungsdauer von 17.1 Monaten betrug das mediane OS 9.3 Monate und das 1  -  Jahres OS betrug 34.2%. Für auf eine vorgängige Therapie ansprechende Patienten betrug das OS 11.9 Monate versus 5.0 Monate für primär resistente Patienten. Eine grosse Phase 3 Zulassungs-Studie («Atlantis» N:600) von Lurbinectdin+Doxorubicin versus Standardtherapie sollte Mitte Jahr die nötige Fallzahl erreicht haben. Nun endlich nach >20 Jahren wieder ein klar aktives Medikament beim Kleinzeller!

ThC
Quelle: Paz-Ares LG et al. Efficacy and safety profile of Lurbinectidin in second-line SCLC patients. Results from a phase II single-agent trial. J Clin Oncol 2019; 37 (supp. 8506)

Protokollspezifizierte Endanalyse der Phase-III-KEYNOTE-048-Studie

Protokollspezifizierte Endanalyse der Phase-III-KEYNOTE-048-Studie mit Pembrolizumab (Pembro) als Erstlinientherapie für rezidivierendes/metastasiertes Kopf- und Hals-Plattenzellkarzinom (R/M HNSCC).

KEYNOTE-048 ist eine Phase-III-Studie mit Pembrolizumab (Pembro) oder mit Pembro + Chemo (C) vs. EXTREM (E) als First-Line-Therapie bei R/M HNSCC. Bei der zweiten Zwischenanalyse (IA2) verbesserte Pembro das OS signifikant im PD-L1-kombinierten positiven Score (CPS) um ≥20 und in ≥1 Population und zeigte ein nicht-unterlegenes OS in der Gesamtbevölkerung mit günstiger Sicherheit; Pembro +Chemo verbesserte das OS in der Gesamtbevölkerung signifikant bei vergleichbarer Sicherheit. Die Autoren präsentierten die protokollspezifizierten Endergebnisse.
882 Patienten mit lokal unheilbarem R/M HNSCC und keiner vorherigen systemischen Therapie im R/M-Setting, die eine Tumorprobe für den PD-L1-Test lieferten, wurden randomisiert mit Pembro 200 mg Q3W während 24 Monaten (n = 301), Pembro für 24 Monate + 6 Zyklen C (Cisplatin 100 mg/m2 oder Carboplatin AUC 5 Q3W + 5-FU 1000 mg/m2/d während 4 Tagen Q3W) (n = 281), oder E (Cetuximab 400 mg/m2 Belastung/250 mg/m2 QW + 6 Zyklen Chemo) (n = 300) behandelt. Die OS-Überlegenheit wurde sequentiell auf Pembro + C vs. E in der CPS ≥20-Population, dann auf die CPS ≥1-Population und auf Pembro vs. E in der Gesamtbevölkerung getestet (Überlegenheitsgrenzen: einseitig P = 0.0023, 0.0026 und 0.0059). Der Datenschnitt erfolgte am 25. Februar 2019 (ca. 25 Monate nach Randomisierung des letzten Patienten).
Pembro + C verbesserte das OS vs. E deutlich in der CPS ≥20 (HR 0,60, 95% CI 0,45-0,82, P = 0.0004; Median 14,7 vs. 11,0 Monate) und der CPS ≥1 Population (HR 0,65, 95% CI 0,53-0,80, P< 0.0001; Median 13,6 vs. 10,4 Monate). Die HR (95% CI) für PFS betrug 0,76 (0,58-1,01) für CPS ≥20 und 0,84 (0,69-1,02) für CPS ≥1. ORR (Pembro + C vs. E) war 42,9% vs. 38,2% für CPS ≥20 und 36,4% vs. 35,7% für CPS ≥1; das mediane DOR betrug 7,1 vs. 4,2 Monate und 6,7 vs. 4,3 Monate. Pembro verbesserte das OS vs. E in der Gesamtbevölkerung nicht signifikant (HR 0,83, 95% CI 0,70-0,99, P = 0.0199; Median 11,5 vs. 10,7 Monate). Die HR (95% CI) für PFS betrug 1,29 (1,09-1,53). ORR (Pembro vs. E) betrug 16,9% vs. 36,0%; das mediane DOR lag bei 22,6 vs. 4,5 Monate. Grad 3-5 AE-Raten infolge jeglicher Ursache lagen bei 54,7% für Pembro, 85,1% für Pembro + C und 83,3% für E.
Fazit:
Insgesamt zeigte KEYNOTE-048, dass Pembro + C im Vergleich zu E ein überlegenes OS in der PD-L1 CPS ≥20, der CPS ≥1 und der Gesamtpopulationen mit vergleichbarer Sicherheit hatte und dass Pembro ein überlegenes OS in den CPS ≥20 und ≥1 Populationen, ein nicht unterlegenes Os in der Gesamtpopulation und eine günstige Sicherheit hatte . Diese Ergebnisse unterstützen Pembrolizumab und Pembrolizumab + Platin + 5-FU als neue 1L-Standards der Versorgung für R/M HNSCC.

WFR
Quelle: Rischin D et al. Protocol-specified final analysis of the phase 3 KEYNOTE-048 trial of pembrolizumab (pembro) as first-line therapy for recurrent/metastatic head and neck squamous cell carcinoma (R/M HNSCC). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 6000)

Immuntherapie beim Nierenzellkarzinom

Sicherheit und Wirksamkeit von Nivolumab plus Ipilimumab (NIVO+IPI) bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom (aRCC) mit Hirnmetastasen: Zwischenanalyse von CheckMate 920.

Frühere klinische Studien mit Patienten mit aRCC, einschliesslich CheckMate 214, haben Patienten mit Hirnmetastasen weitgehend ausgeschlossen. Allerdings wurde eine Antitumoraktivität bei Melanom-Patienten mit Hirnmetastasen, die mit NIVO 1 mg/kg + IPI 3mg/kg behandelt wurden, und bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, die mit NIVO 240 mg + IPI 1mg/kg behandelt wurden, beobachtet. CheckMate 920 ist eine laufende klinische Studie der Phase 3b/4 zur Behandlung von NIVO + IPI bei Patienten mit aRCC, die hohen medizinischen Bedarf haben.
Die Autoren stellen die Zwischenergebnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit für die Kohorte der Patienten mit Hirnmetastasen vor.
Patienten mit bisher unbehandeltem aRCC jeglicher Histologie, mit asymptomatischen Hirnmetastasen (nicht unter Kortikosteroiden oder Bestrahlung) und Karnofsky-Leistungsstatus ≥70% wurden einer Behandlung mit NIVO 3 mg/kg + IPI 1 mg/kg alle 3 Wochen für 4 Dosen zugeordnet, gefolgt von NIVO 480 mg alle 4 Wochen. Die Patienten wurden bis zur Progression der Erkrankung, bis zu inakzeptabler Toxizität oder maximal 2 Jahre lang behandelt. Der primäre Endpunkt war die Häufigkeit von hochgradigen immunvermittelten Nebenwirkungen (IMAEs). Wichtige sekundäre Endpunkte waren das progressionsfreie Überleben (PFS) und die objektive Ansprechrate (ORR) unter RECIST v1.1 pro Prüfer. Die explorativen Endpunkte umfassten zusätzliche Sicherheitsanalysen und das Gesamtüberleben (OS).
Insgesamt wurden 28 Patienten in die Kohorte der Hirnmetastasen aufgenommen. Bei einer minimalen Nachbeobachtungszeit von 6,47 Monaten wurden in 6 Fällen IMAEs der Klasse 3-4 innerhalb von 100 Tagen nach der letzten Dosis gemeldet. Die in ≥ 1 Fällen beobachteten Grad 3-4 IMAEs waren Durchfall, Kolitis, diabetische Ketoazidose, immunvermittelte Hepatitis, Hypophysitis und Ausschlag jeglicher Art (n = je 1). Es wurden keine behandlungsbezogenen IMAEs von Grad 5 gemeldet. Das ORR unter RECIST v1.1 pro Prüfer in allen behandelten Probanden betrug 28,6% (95% CI 13.2-48.7). Das mediane PFS bei allen behandelten Patienten betrug 9,0 Monate (95% CI 2,9 bis nicht erreicht). Das mittlere OS wurde nicht erreicht (95% CI 13.1 bis nicht erreicht).
Bei Patienten mit aRCC und Hirnmetastasen, die oft von klinischen Studien ausgeschlossen werden, zeigte die NIVO + IPI-Behandlung ein Sicherheitsprofil, das mit früheren Berichten über dieses Dosierungsschema übereinstimmt, bei einer ermutigenden Antitumoraktivität.

WFR
Quelle: Emamekhoo H et al. Safety and efficacy of nivolumab plus ipilimumab (NIVO+IPI) in patients with advanced renal cell carcinoma (aRCC) with brain metastases: Interim analysis of CheckMate 920. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 4517)

Pembrolizumab +/- Chemo und Chemo alleine beim Magenkarzinom

Die Keynote-062 4, eine 4-armige Phase-3-Studie, untersuchte als Erstlinien-Therapie Pembrolizumab versus Standardchemotherapie versus Pembrolizumab und Standardchemotherapie bei 737 Patienten mit fortgeschrittenem, PDL1-positivem, HER2-negativem Magenkarzinom, davon 146 Patienten mit GEJ-Karzinom. Die Studie wurde als Non-inferiority-Studie konzipiert. Pembrolizumab erwies sich gegenüber Chemotherapie als nicht unterlegen, dabei war die Kombination von Pembrolizumab und Chemotherapie auch besser als alleinige Chemotherapie. Bei Patienten mit einem PDL1 CPS von ≥10 war Pembrolizumab allerdings einer Chemotherapie signifikant überlegen (HR = 0.69, P < 0.05).
Die folgende Tabelle zeigt die klinischen Resultate entsprechend der PDL1-Expression der Patienten.
Die OS-Daten für die Patienten-Subgruppe mit einer CPS >10 sind auf der nächsten Kurve zu sehen. Dabei ist zu beachten, dass initial das OS schlechter ist für Pembrolizumab und erst nach 9 Monaten einen dann allerdings klinisch signifikanten Vorteil zeigt (median OS 17.4. versus 10.8. Monate.).

Die Konklusion der Studie ist, dass Pembrolizumab einer Chemotherapie nicht unterlegen ist, klar besser verträglich war und bei der Patienten-Gruppe mit CPS >10 nach 9 Monaten einen OS-Vorteil erbringt.

ThC
Quelle: Tabernero J et al. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr LBA4007)

Nierenzellkarzinom mit sarkomatösen Merkmalen

CheckMate 214 Post-Hoc-Analysen von Nivolumab plus Ipilimumab oder Sunitinib bei IMDC-Patienten mit intermediärem/niedrigem Risiko mit bisher unbehandeltem fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit sarkomatösen Merkmalen.

Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom mit sarkomatösen Merkmalen (sRCC) haben eine schlechte Prognose und suboptimale Ergebnisse unter einer gezielten Anti-VEGF-Therapie. Nivolumab plus Ipilimumab (N+I) zeigte in bisher unbehandelten Patienten mit International Metastatic RCC Database Consortium (IMDC) intermediärem/niedrigem (I/P)-Risiko, klarzelligem, fortgeschrittenem RCC in der Phase-3-CheckMate 214-Studie eine überlegene objektive Ansprechrate (ORR) und ein Gesamtüberleben (OS) gegenüber Sunitinib (S).
In der vorliegenden Studie wurde eine post-hoc explorative Analyse von N+I vs. S bei CheckMate 214 sRCC-Patienten durchgeführt. Das Vorhandensein von sarkomatösen Merkmalen wurde durch die Stichwortsuche nach «sarcomatoid» bei Patienten bewertet, bei denen lokale Pathologieberichte von Tumorproben aus der Vorbehandlung vorlagen.
842 (77%) der 1096 Intention-to-Treat-Patienten verfügten über lokale Pathologieberichte, darunter 112 randomisierte Patienten mit I/P-Risiko-SRCC (N+I, n = 60; S, n = 52). Die Basiseigenschaften der sRCC-Patienten waren zwischen den Behandlungsarmen ausgeglichen. Insbesondere hatten 47% vs. 53% der I/P-Risiko sRCC-Patienten in den N+I und S Armen eine Tumor PD-L1 Expression ≥1% bei Studienbeginn, die höher war als in allen I/P-Risikopatienten (N+I, 26% vs. S, 29%). Bei deskriptiven Analysen nach einer minimalen Nachbeobachtungszeit von 30 Monaten, waren bestätigte ORR und komplette Ansprechraten pro Prüfer (nach RECIST v1.1), OS und progressionsfreies Überleben (PFS) pro Prüfer unter N+I vs. S in I/P-Risikopatienten mit sRCC besser (Tab. 1). Es wurden keine neuen Sicherheitssignale bei sRCC-Patienten gesehen.
In dieser post-hoc deskriptiven Subgruppenanalyse von CheckMate 214 zeigte N+I eine vielversprechende Wirksamkeit und ein verlängertes Überleben gegenüber S, bei gleichbleibender Sicherheit, bei bisher unbehandelten Patienten mit, I/P-Risiko, fortgeschrittenem klarzelligem RCC mit sarkomatösen Merkmalen. Prospektive Studien von N+I, die Patienten mit sRCC beinhalten, sind im Gange.

WFR
Quelle: McDermott DF et al. CheckMate 214 post-hoc analyses of nivolumab plus ipilimumab or sunitinib in IMDC intermediate/poor-risk patients with previously untreated advanced renal cell carcinoma with sarcomatoid features. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 4513)

ImPassion130-Studie

Ergebnisberichte von Patienten der Phase-III-Impassion130-Studie mit Atezolizumab plus Nabpaclitaxel bei metastasiertem triple-negativem Brustkrebs (mTNBC).

In der IMpassion130-Studie in der First-Line-Therapie bei mTNBC (N = 902) war PFS mit Atezo + nP signifikant besser als mit Placebo (P) + nP bei ITT (HR, 0,80) und PD-L1 IC+ Patienten (HR, 0,62). Klinisch bedeutsame OS-Verbesserungen (HR, 0,62) wurden auch bei PD-L1+ Patienten gesehen. PROs wurden verwendet, um Patienten-Perspektiven auf den klinischen Gesamtnutzen von Atezo + nP zu dokumentieren.
Die Patienten erhielten entweder Atezo 840 mg oder P q2w + nP 100 mg/m2 an den Tagen 1, 8 und 15 eines jeden 28-Tage-Zyklus bis zur Progression der Krankheit oder Intoleranz. Die Patienten absolvierten das EORTC QLC-C30 und das Brustkrebsmodul (QLQ-BR23) am ersten Tag eines jeden Zyklus, am Ende der Behandlung und q4w während der Nachbeobachtung während eines Jahres. Die Zeit bis zur Verschlechterung der HRQol (TTD; erste ≥ 10-Patienten-Abnahme gegenüber Baseline während 2 Zyklen) war ein vordefinierter sekundärer Endpunkt. Zu den explorativen Endpunkten gehörten TTD in der Funktion sowie der MIttelwert und die mittlere Veränderung der BL-Scores (Änderungen ≥ 10 wurden als klinisch bedeutsam erachtet) in HRQoL, Funktion und Krankheits-oder therapiebezogenen Symptomen.
Die Baseline-Completion betrug 92% (QLQ-C30) und 89% (QLQ-BR23) und blieb > 80% während des Zyklus 20 in ITT und PD-L1 IC+ Patienten. Keine Unterschiede wurden im medianen TTD bei der HRQoL (ITT: HR, 0,97[95% CI: 0,80, 1,18]; PD-L1 IC+: HR, 0,94[95% CI: 0,69, 1,28]), der körperlichen Funktion (ITT: HR, 1,04[95% CI: 0,86, 1.26]; PD-L1 IC+: HR, 1.02 [95% CI: 0.76, 1.37]) oder der Rollenfunktion (ITT: HR, 1.01[95% CI: 0.83, 1.22]; PD-L1 IC+: HR, 0.77[95% CI: 0.57, 1.04]) zwischen den Armen in beiden Therapiegruppen beobachtet. Die Durchschnittswerte bei BL für HRQoL (ITT: 66,0 [Atezo + nP] vs. 64,3[P + nP]; PD-L1 IC+: 67,5 vs. 65,0), für die körperliche Funktion (ITT: 80,4 vs. 79,2; PD-L1 IC+: 82,8 vs. 79,4) und für die Rollenfunktion (ITT: 72,7 vs. 71,0; PD-L1 IC+: 73,7 vs. 71,7) waren ähnlich zwischen den Armen und im Verlauf der Therapie. In beiden Armen waren HRQoL, Körper- und Rollenfunktion und therapiebedingte Symptome (Müdigkeit, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen) während der Therapie stabil, wobei keine klinisch bedeutsamen Veränderungen beobachtet wurden, bis die Patienten die Therapie einstellten. PRO-Daten deuten darauf hin, dass Atezo + nP tolerierbar und ähnlich wie nP allein bei der Aufrechterhaltung der HRQoL und der täglichen Funktion im Vergleich zur Baseline war. Dies bestätigt, dass Atezo + nP einen klinischen Nutzen hatte, ohne die HRQoL, die physische und die Rollenfunktion zu beeinträchtigen oder die Therapie-bedingten-Symptome gegenüber P + nP bei 1L mTNBC zu verschlechtern.
Quelle: Adams S et al Patient-reported outcomes (PROs) from the phase III IMpassion130 trial of atezolizumab (atezo) plus nabpaclitaxel (nP) in metastatic triple-negative breast cancer (mTNBC). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 1067)

Impassion 130: Erweiterte Sicherheitsanalyse aus einer P3-Studie mit Atezolizumab (A) +nab-paclitaxel (np) bei Patienten mit Therapie-naivem, lokal fortgeschrittenem triple negativem Brustkrebs (mTNBC).
IMpassion130 zeigte einen PFS-Vorteil mit A + nP vs. Placebo (P) + nP als First-Line-Therapie bei mTNBC in ITT und PD-L1 IC+ Patienten. Die Studie berichtet über erweiterte Sicherheitsdaten mit 4,5 Monate längerem Follow-up (FU), wobei der Fokus auf unerwünschte Ereignisse von besonderem Interesse (AESI), die möglicherweise immunitätsbedingt sind, lag.
Patienten mit inoperablem lokal fortgeschrittenem oder mTNBC erhielten nP 100 mg/m2 i.v. (an den Tagen 1, 8 und 15 eines 28-Tage-Zyklus) + A 840 mg i.v. q2w oder P bis zur Krankheitsprogression oder Toxizität. Sicherheit war ein sekundärer Endpunkt. Mit 15,6 Monaten medianem FU hatten von 453 Patienten mit A+nP und 437 Patienten mit P+nP 49% und 43% Grad 3/4, 1% und <1% Grad 5 unerwünschte Ereignisse. 23% und 19% hatten schwere AEs, und 58% und 42% hatten AESI. Die meisten AESI (≥86%; in beiden Armen) waren Grad 1/2. 14% unter A+nP vs. 6% unter P + nP erhielten systemische Kortikosteroide innerhalb von 30 Tagen nach Beginn der AESI. Die einzigen Unterschiede in AESI zwischen A + nP vs. P + nP waren Ausschlag (34% vs. 26%), Hypo- (18% vs. 5%) und Hyperthyreose (5% vs. 1%) sowie Pneumonie (4% vs. <1%). Die Hauptursache für Abbruch war periphere Neuropathie, wobei Klasse 3 6% der Patienten unter A + nP gegenüber 3% unter P + nP betraf. Die mediane Zeit bis zum Einsetzen des AESI (TTO) war konsistent mit Atezolizumab-Monotherapie-Studien.
A + nP hatte ein tolerierbares Sicherheitsprofil, ohne bedeutende Änderungen seit dem primären Datenschnitt. Bei längerem FU wurden keine kumulativen Toxizitäten oder neue oder spät einsetzende Sicherheitssignale beobachtet.
Quelle: Schneeweiss A et al. IMpassion130: Expanded safety analysis from a P3 study of atezolizumab (A) + nab-paclitaxel (nP) in patients (pts) with treatment naïve, locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer (mTNBC). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 1068)

IMpassion130: Aufdatiertes Gesamtüberleben (OS) in einer globalen, randomisierten, doppelblinden, kontrollierten Phase-III-Studie mit Atezolizumab (atezo) + nab-Paclitaxel (nP) bei vorher unbehandelten Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem triple-negativen Brustkrebs (mTNBC).
IMpassion130 evaluierte Atezo (Anti-PD-L1) + nP vs. Placebo + nP in der First-Line-Therapie bei mTNBC. Die primäre PFS-Analyse ergab, dass Atezo + nP das PFS in intent-to-treat (ITT) und PD-L1+ Patienten gegenüber Placebo + nP signifikant verbesserte, wobei die Wirksamkeit von der PD-L1+ Population bestimmt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde die erste OS-Zwischenanalyse durchgeführt (Schmid, NEJM 2018). In der vorliegenden Studie wird über die 2. Zwischenanalyse des OS berichtet.
Wählbare Patientinnen hatten histologisch dokumentierten lokal fortgeschrittenen Brustkrebs oder mTNBC, ECOG PS 0-1 und Tumorgewebe für die PD-L1-Tests. Die Patientinnen wurden 1:1 zu i.v. Atezolizumab 840 mg oder Placebo randomisiert und wurden am Tag 1 und Tag 15 + nP 100 mg/m2 an den Tagen 1, 8 und 15 jedes 28-Tage-Zyklus bis zur Progression behandelt (Stratifikationsfaktoren waren vorherige Taxane, Lebermetastasen, PD-L1 auf tumorinfiltrierenden Immunzellen [IC]). RECIST 1.1 PFS (in ITT und PD-L1+ Patientinnen) und OS (getestet in ITT und, wenn signifikant, PD-L1+ Patientinnen) waren co-primäre Endpunkte.
Die OS-Daten sind in der Tabelle 2 wiedergegeben. Zum Zeitpunkt der Datenüberprüfung (2.1.2019) befanden sich 9% der Patientinnen im Atezo + nP Arm und 3% im Placebo + nP Arm noch in Behandlung. Die statistische Signifikanz wurde in den ITT-Patientinnen nicht nachgewiesen, aber eine Verbesserung des medianen OS um 7,0 Monate wurde in PD-L1+-Patientinnen mit Atezo + nP (25,0 Monate) vs. Placebo + nP (18,0 Monate; HR, 0,71[95% CI: 0,54, 0,93]) beobachtet. Ein Sicherheitsupdate nach 4.5 Monaten (Schneeweiss, ASCO 2019, eingereicht) zeigte, dass Atezo + nP tolerierbar blieb.
Die zweite IMpassion130 Interims-OS-Analyse stand im Einklang mit der ersten Analyse und bestätigte den klinisch bedeutsamen OS-Nutzen mit Atezo + nP bei bisher unbehandeltem PD-L1+ mTNBC.
Quelle: Schmid P. et al. IMpassion130: updated overall survival (OS) from a global, randomized, double-blind, placebo-controlled, Phase III study of atezolizumab (atezo) + nab-paclitaxel (nP) in previously untreated locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer (mTNBC). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 1003)
WFR

IMpower150: Analyse der Wirksamkeit bei NSCLC Patienten mit Lebermetastasen.

ACBP (Atezolizumab (Atezo) + Bevacizumab (Bev) + Chemo (Carboplatin + Paclitaxel (CP) zeigte ein verbessertes PFS und OS vs. Bev + CP (BCP) bei Patienten mit Chemo-naivem NSCLC in IMpower150. Der Nutzen von ABCP vs. BCP wird erweitert auf wichtige Untergruppen, einschliesslich Patienten mit Baseline (BL) Lebermetastasen, was ein schlechter prognostischer Faktor bei metastasiertem NSCLC ist. Ähnliche Ergebnisse wurden mit Atezo + Chemo (IMpower150 [Atezo + CP; ACP]; IMpower130; IMpower132) nicht beobachtet, was darauf hindeutet, dass die Zugabe von Bev zu Atezo + Chemo wichtig ist, um einen klinischen Nutzen bei diesen Patienten zu erzielen. In der vorliegenden Studie untersuchten die Autoren weitere Eigenschaften und das Ansprechen von Patienten mit BL-Leber-Metastasen in der Studie IMpower150.
1202 ITT-Patienten wurden im Verhältnis 1:1:1 zu ABCP, ACP oder BCP randomisiert. Die Dosierungen waren: A, 1200 mg; B, 15 mg/kg; C, AUC 6 mg/mL/min; P, 200 mg/m2. Koprimäre Endpunkte waren OS und vom Prüfer bewertetes PFS in ITT-Wildtyp-Patienten. Explorative Analysen umfassten Wirksamkeit und Sicherheit in Patienten mit Lebermetastasen.

Die Datenerfassung erfolgte nach einem ≥ 20-Monate-Follow-up in ITT Patienten (Datenabbruch: 22. Januar 2018). 162 Patienten hatten BL-Lebermetastasen (ABCP, n = 52; ACP; n = 53; BCP, n = 57), mit einem Median von 3 metastatischen Stellen und einem Median BL-Tumor SLD von 109 mm (Bereich, 10-249). Die BL-Charakteristika bei diesen Patienten waren im Allgemeinen über alle Studienarme hinweg ausgeglichen. PFS und OS wurden mit ABCP vs. BCP verbessert (Tabelle 1). Grad 3-4 behandlungsbezogene AEs traten in 52,1%, 36,5% und 54,5% der Patienten mit Lebermetastasen in den Armen ABCP, ACP und BCP auf.

WFR
Quelle: Socinski MA et al. IMpower150: Analysis of efficacy in patients (pts) with liver metastases (mets). J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 9012) IMPower150_Roche Tecentriq

Neoadjuvante Immuntherapie bei operablem NSCLC Patienten

Neoadjuvantes Nivolumab (N) oder Nivolumab plus Ipilimumab (NI) beim resektablen nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC): Klinische und korrelative Ergebnisse aus der NEOSTAR-Studie.

Neoadjuvante Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICIs) induzieren eine hohe Rate an pathologischen Reaktionen (MPR) von 20 bis 45% bei reseziertem NSCLC. In der Studie wurde über die Ergebnisse von NEOSTAR, einer Phase-2-Studie mit neoadjuvantem N oder NI bei NSCLC, berichtet
Patienten mit Stadium I-IIIA (single N2) resezierbarem NSCLC (AJCC 7), PS 0-1, wurden randomisiert für N (3 mg/kg i.v., Tage 1, 15, 29) oder N plus I (1 mg/kg i.v., Tag 1), gefolgt von einer Operation (n = 44). Der primäre Endpunkt war MPR (≤10% viabler Tumor), hypothetisch höher als die MPR bei den Kontrollen unter der Induktionschemotherapie. Tumorimmun-
infiltrate und Pre- & Post-ICI-Tumor, % PD-L1 wurden mit Durchflusszytometrie und Immunhistochemie (IHC) untersucht.
44 Patienten wurden randomisiert, 23 N, 21 NI: Durchschnittsalter 66, 64% Männer, 18% Nichtraucher, 59% Adenokarzinome, Stadien: IA 8 (18%), IB 15 (34%), IIA 7 (16%) IIB 5 (11%); IIIA 9 (20%). Nur 3 Patienten erhielten < 3 Dosen aufgrund von TRAEs (7%). 34 Patienten hatten OP-Post-ICIs (7 wurden nicht reseziert [7/41], 17%,[2 N, 5 NI], 3 ausstehend). Es gab 10 MPRs bei insgesamt 41 Patienten (24%, 4 N, 6 NI), von denen 6 path-CRs waren (15%, 2 N[9%], 4 NI[21%]). Bei 34 resezierten Patienten lag die MPR-Rate bei 29% (N 20%, NI 43%). Der mediane Prozentsatz an viablem Tumor war niedriger nach NI gegenüber N (20% vs. 65%, p = .097). Das ORR (RECIST v1.1) betrug 22% (8 PRs[5 N, 3 NI], 1 CR[NI]); 15% der Patienten hatten progressive Krankheit (3 N, 3 NI). Der Anteil von CR+PR in MPRpos. war höher als in MPRneg. (6 [60%] vs. 2 [7%], p < .001). Zu den chirurgischen Komplikationen gehörten 2 Bronchopleuralfisteln (BPFs) bei N und 8 Luftlecks (5 N, 3 NI). G3-G5 TRAEs beinhalteten einen Todesfall aufgrund von BPF poststeroidbehandelter Pneumonie (G5, N); G3-Pneumonie, Hypoxie, Hypermagnesiämie (je 1, alle N), G3-Durchfall (1 NI). CD3+ und CD103+ Gewebe-gespeicherte CD8+ TILs waren bei mit NI-behandelten Tumoren gegenüber N höher (CD3+ 81,2% vs. 54,4%, p = 0.028; CD8+ 56,2% vs. 38,3%, p = 0.069). Das mediane Tumor PD-L1 vor Behandlung war bei Patienten mit Ansprechen (MPR+, CR+PR) höher als bei Nicht-Ansprechenden (80% vs. 1%, p = 0.024), und der Prozentsatz an viablemTumor war niedriger bei Tumoren mit PD-L1 > 1% vs. PD-L1 ≤1% (Median 20% vs. 80%, p = 0.046).
Insgesamt wurde eine 24%ige MPR-Rate für neoadjuvante ICIs beobachtet. NI induzierte einen höheren Prozentsatz an nicht viablem Tumor und gewebeeigenen Memory-TILs vs. N. Die Antitumoraktivität war mit höheren PD-L1-Werten vor der Behandlung verbunden.

WFR
Quelle: Cascone T et al. Neoadjuvant nivolumab (N) or nivolumab plus ipilimumab (NI) for resectable non-small cell lung cancer (NSCLC): Clinical and correlative results from the NEOSTAR study. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr 8504)

L’ alcoolisme des seniors au féminin

Ancré dans la société, l’ alcool fait partie intégrante de notre quotidien. La consommation abusive chez les personnes âgées passe encore trop souvent inaperçue, surtout chez les femmes. Certaines femmes développent un alcoolisme tôt dans l’ existence, qui s’ améliore ou se péjore en vieillissant selon leur environnement de vie. D’ autres femmes développent une dépendance à l’ alcool à l’ âge avancé, qui se combine avec une humeur anxio-dépressive et peut entraîner des conséquences dévastatrices.

Une large étude européenne sur la prévalence des troubles psychiatriques à l’ âge avancé a récemment montré que le trouble d’ utilisation de l’ alcool (AUD) est parmi les plus fréquents (1). Selon le Manuel diagnostique et statistique des troubles mentaux (DSM-V), un trouble d’ utilisation de l’ alcool (AUD) est un mode problématique d’ utilisation de l’  alcool qui conduit à une altération du fonctionnement ou une souffrance cliniquement significative, survenant en 12 mois, et témoignant d’ au moins deux des douze symptômes résumés dans le Tableau 1 (APA, 2).
Selon cette étude, 81 % des personnes âgées de 65 à 85 ans rapportent une consommation d’ alcool dans leur vie habituelle. Parmi ces consommateurs, 5.3% (9.1 % à Genève) présentent un AUD développé au cours des 12 derniers mois, et 8.8 % (14.1 % à Genève) un AUD développé plus tôt dans leur vie. Cette entité est cinq fois plus fréquente chez les hommes que chez les femmes, avec une prévalence deux fois plus grande au troisième (65-70 ans) qu’ au quatrième âge (80-85 ans) (1). En effet, plusieurs personnes âgées décèdent des complications somatiques de leur consommation abusive d’ alcool avant d’ atteindre 80-85 ans (maladies cardiaques, démence, chutes).

Une habitude ou un trouble ?

Malgré la forte prévalence et les conséquences néfastes, la consommation d’ alcool reste largement banalisée chez les 55 + ans. Elle permet de maintenir une vie sociale et un réseau amical. Les personnes âgées consomment par habitude et routine avec leur partenaire, des proches ou des amis. Ces habitudes sont souvent la poursuite de patterns de consommation acquis plus tôt dans la vie. Dans ces contextes, la consommation reste en général en-dessous du seuil d’ une consommation à risque selon les critères de l’ OMS (voir Tabl. 2, WHO, 3), à l’ exception de certains évènements sportifs tels que les matchs de foot par exemple, et elle est identifiée comme un choix de vie avec une connotation positive et une adéquation aux normes sociales (4). En miroir, le fait de vivre seul double le risque de développer un trouble d’ utilisation d’ alcool (1). La retraite et le manque de moyens financiers ont un effet ambigu sur la consommation. Ils la favorisent chez certaines personnes, alors qu’ ils la baissent chez d’ autres, à cause de la diminution des rencontres sociales. Kelly et coll. (4) soulignent que la consommation d’ alcool est considérée comme bénéfique par plusieurs personnes âgées, notamment pour les maladies cardiaques, pour soulager les symptômes physiques, ou encore pour se détendre. Les personnes âgées rapportent un certain scepticisme envers les risques potentiels de l’ alcool et les mises en garde de la part des médecins.

Femmes et troubles d’ utilisation d’ alcool

Un effet télescopique de la consommation d’ alcool a été suggéré chez les femmes. Bien qu’ elles commencent à consommer de l’ alcool plus tard dans la vie que les hommes, leur consommation évoluerait plus rapidement d’ une consommation abusive vers une dépendance à l’ alcool en comparaison avec les hommes. Cet effet télescopique a été mis en évidence en Asie, mais n’ a pas pu être reproduit dans d’ autres pays, notamment aux Etats-Unis (5). Au contraire, les normes sociales concernant la consommation d’ alcool chez les femmes ont évolué au cours des siècles. Cette évolution tend à atténuer les différences de genre dans des cohortes plus récentes (5, 6, 7).
A cause des différences relatives au métabolisme de l’ alcool, mais aussi de facteurs psycho-socio-culturels, les femmes sont davantage à risque pour des consommations excessives d’ alcool que les hommes à tout âge. Elles présentent des conséquences physiques, médicales, sociales et psychologiques plus importantes (6, 7). Ainsi, elles présentent plus de maladies cardio-vasculaires et de diabète que les hommes (33 % versus 10 %), après une durée de consommation moins longue et des quantités d’ alcool moins importantes. L’ âge au moment des décès directement causés par la consommation de l’ alcool se situe 24 ans en-dessous de l’ espérance de vie ans pour les femmes, et 15 ans en-dessous pour les hommes (7). Les femmes développent plus rapidement des cirrhoses du foie et souffrent davantage de la neuro-toxicité de l’ alcool que les hommes (6, 8, 9). Une diminution de la substance blanche dans les régions frontales ne diffère pas selon le sexe, or les femmes présentent davantage de lésions de la substance grise contrairement aux hommes, alors même que la quantité d’ alcool consommé est inférieure (10, 11). Les femmes sont plus sensibles aux conséquences neurocomportementales (ralentissement psychomoteur, capacité de conduite) de l’ alcool que les hommes, alors que les hommes sont plus sensibles aux conséquences neurophysiologiques (régulation émotionnelle) que les femmes (7). Cette neuro-toxicité plus élevée chez les femmes a été expliquée par des taux sanguins d’ alcool supérieurs chez les femmes pour une même dose d’ alcool consommé, à cause de leur taille inférieure avec une plus faible proportion de l’ eau corporelle totale, ainsi que d’ une concentration plus faible d’ hormones antidiurétiques au niveau gastro-intestinal, ou encore d’ un métabolisme plus long lors de certaines phases du cycle menstruel (12).

Les troubles d’ utilisation d’ alcool à début tardif

En 1974, Sheldon Zimberg a défini les AUD à début tardif (late-onset) comme un appel à l’ aide contre la solitude, la dépression et le stress lié au vieillissement, et depuis plusieurs auteurs ont exploré ce point de vue. Selon une révision de la littérature, jusqu’ à 1 / 3 des AUD ont commencé après l’ âge de 65 ans (13, 14). Les personnes ont recours à l’ utilisation de l’ alcool pour affronter les événements de vie douloureux dès l’ âge de 50 ans (solitude, deuil, pertes, maladie somatique, influence des pairs). Dans ces situations, la consommation d’ alcool tend à être excessive, non maîtrisée ou en cachette. Les personnes concernées mettent fréquemment en place des stratégies de consommation contrôlée (p.ex. éviter de boire durant la journée ou que pendant les repas) et tendent à faire appel à l’ aide à leur médecin traitant en cas de besoin (4).
La spécificité des AUD à début tardif a été surtout étudiée dans des populations masculines. Ces AUD touchent des hommes avec un niveau socio-économique plus élevé, et sont décrits comme moins sévères, moins diagnostiqués, moins traités, et moins dérangeants socialement, que les AUD à début plus précoce. Ils sont classiquement déclenchés par des événements de vie stressants. La consommation d’ alcool est initialement utilisée pour soulager des affects négatifs, les insomnies, les douleurs ou pour réussir à gérer des situations douloureuses. Environ un quart des personnes évolue vers un AUD (14, 15, 16). Les personnes concernées présentent une thymie dépressive, une baisse de l’ estime de soi et un accès facilité à l’ alcool. Elles sont adressées pour une aide médicale en partie sur ordonnance pénale, par exemple suite à un retrait de permis (17). A noter que selon des évaluations neuropsychologiques les AUD à début tardif sont associés à des atteintes cognitives (flexibilité mentale, inhibition, attention, mémoire de travail) aussi importantes que des personnes qui ont commencé à consommer plus précocement, soulignant la vulnérabilité du cerveau vieillissement face aux effets toxiques de l’ alcool (18).
L’ absence d’ études sur les populations féminines constitue un manque flagrant. En effet, alors que moins d’ un tiers des hommes présentent un début tardif (40-60 ans selon les auteurs) de leur trouble d’ utilisation d’ alcool, 50 % des femmes entrent dans cette catégorie (19). Les femmes qui présentent un AUD à début tardif présentent un tableau clinique spécifique. Elles sont décrites comme utilisant l’ alcool de manière conjointe à des traitements psychopharmacologiques pour soigner une humeur anxio-dépressive, avec un risque d’ interaction entre les substances et de croisement des addictions. Dans une étude sur 6000 personnes âgées de 63.3 ans (9.0), la consommation d’ alcool était associée au risque de développer et maintenir une thymie anxio-dépressive exclusivement pour les femmes, et non pas pour les hommes (20). Ces auteurs émettent l’ hypothèse d’ une activation plus intense de l’ axe hypothalamo-hypophyso-surrénalien (HPA ou axe du stress) chez les femmes, induite par la combinaison de l’ humeur dépressive, des comportements de consommation, et des changements hormonaux liés au vieillissement (7, 20).
A l’ âge avancé, les femmes tendent à boire en solitaire, ou alors à consommer de l’ alcool sous la pression de leur époux consommateur. Elles affrontent des défis et risques particuliers qui les diffèrent des hommes : ménopause, veuvage, perte du rôle maternel (syndrome du nid vide), et cancer du sein (6). Elles se sentent facilement stigmatisées et tendent peu à faire appel à une aide médicale spécialisée pour leurs consommations abusives d’ alcool (21). Les troubles d’ utilisation d’ alcool chez les femmes âgées sont par conséquent sous-diagnostiqués et sous-traités. Cependant, pour les personnes qui décident de consulter, les résultats peuvent être favorables (21).

Conclusion

Une meilleure compréhension des populations cliniques cibles, à savoir des personnes âgées qui présentent un AUD à début tardif, et notamment les femmes, représentent une population clinique spécifique. Le déni et la honte des patients d’ un côté et le manque de connaissance de cette problématique chez les professionnels de la santé mentale de l’ autre côté renforcent le risque d’ une prise en charge inadéquate.

Kerstin Weber, PhD en psychologie

Service des mesures institutionnelles

Direction médicale et qualité
Hôpitaux universitaires de Genève
Avenue Rosemont 12b
1208 Genève

kerstin.weber@hcuge.ch

Pr Panteleimon Giannakopoulos

Service des mesures institutionnelles

Direction médicale et qualité
Hôpitaux universitaires de Genève
Avenue Rosemont 12b
1208 Genève

panteleimon.giannakopoulos@hcuge.ch

Les auteurs n’ ont déclaré aucun conflit d’ intérêts en relation avec cet article.

  • La consommation d’alcool chez les seniors comporte fréquemment une connotation positive, avec une banalisation des risques pour la santé.
  • La majorité des études sur les syndromes de dépendance à l’alcool à début tardif ont été réalisées dans des populations masculines.
  • Les femmes âgées combinent l’utilisation d’alcool avec les traitements médicamenteux pour soigner leur humeur dépressive, avec un risque d’interaction entre les substances et de croisement des addictions.

1. Muñoz M, Ausín B, Santos-Olmo AB, et al. Alcohol use, abuse and dependence in an older European population: Results from the MentDis_ICF65+ study. PLoS One. 2018. doi:10.1371/journal.pone.0196574
2. American Psychiatric Association. Diagnostic and statistical manual of mental disorders (5th ed.) (DSM-5). Washington, DC, 2013.
3. World Health Organization. International guide for monitoring alcohol consumption and related harm. World Health Organization, 2000.
4. Kelly S, Olanrewaju O, Cowan A, Brayne C, Lafortune L. Alcohol and older people: A systematic review of barriers, facilitators and context of drinking in older people and implications for intervention design. PLoS One. 2018. doi:10.1371/journal.pone.0191189
5. Keyes KM, Martins SS, Blanco C, Hasin DS. Telescoping and gender differences in alcohol dependence: New evidence from two national surveys. Am J Psychiatry. 2010. doi:10.1176/appi.ajp.2009.09081161
6. Epstein, E.E., Fischer-Elber, K. Al-Otaiba, Z. (2007). Women, aging, and alcohol use disorders. J Women Aging, 19(1-2):31-48.
7. Erol A, Karpyak VM. Sex and gender-related differences in alcohol use and its consequences: Contemporary knowledge and future research considerations. Drug Alcohol Depend. 2015. doi:10.1016/j.drugalcdep.2015.08.023
8. Brennan PL, Moos RH, Kim JY. Gender differences in the individual characteristics and life contexts of late-middle-aged and older problem drinkers. Addiction. 1993. doi:10.1111/j.1360-0443.1993.tb02092.x
9. Carvalho AF, Stubbs B, Maes M, et al. Different patterns of alcohol consumption and the incidence and persistence of depressive and anxiety symptoms among older adults in Ireland: A prospective community-based study. J Affect Disord. 2018. doi:10.1016/j.jad.2018.06.041
10. Hommer DW, Momenan R, Kaiser E, Rawlings RR. Evidence for a gender-related effect of alcoholism on brain volumes. Am J Psychiatry. 2001. doi:10.1176/appi.ajp.158.2.198
11. Schweinsburg BC, Alhassoon OM, Taylor MJ, et al. Effects of alcoholism and gender on brain metabolism. Am J Psychiatry. 2003. doi:10.1176/appi.ajp.160.6.1180
12. Limosin F. [Clinical and biological specificities of female alcoholism].Encephale. 2002 Nov-Dec;28(6 Pt 1):503-9. Review. French.
13. Zimberg, S. The elderly alcoholic. Gerontologist, 1974; 14(3), 221–224.
14. Emiliussen J, Nielsen AS, Andersen K. Identifying Risk Factors for Late-Onset (50+) Alcohol Use Disorder and Heavy Drinking: A Systematic Review. Subst Use Misuse. 2017. doi:10.1080/10826084.2017.1293102
15. Gilson KM, Bryant C, Judd F. Understanding older problem drinkers: The role of drinking to cope. Addict Behav. 2017. doi:10.1016/j.addbeh.2016.08.032
16. Wetterling T, Veltrup C, John U, Driessen M. Late onset alcoholism. Eur Psychiatry. 2003. doi:10.1016/S0924-9338(03)00025-7
17. Atkinson RM. Aging and Alcohol Use Disorders: Diagnostic Issues in the Elderly. Int Psychogeriatrics. 1990. doi:10.1017/S1041610290000308
18. Kist N, Sandjojo J, Kok RM, Van Den Berg JF. Cognitive functioning in older adults with early, late, and very late onset alcohol dependence. Int Psychogeriatrics. 2014. doi:10.1017/S1041610214000878
19. Cowart ME, Sutherland M. Late-life drinking among women. Geriatr Nurs (Minneap). 1998. doi:10.1016/S0197-4572(98)90155-0
20. Carvalho AF, Stubbs B, Maes M, et al. Different patterns of alcohol consumption and the incidence and persistence of depressive and anxiety symptoms among older adults in Ireland: A prospective community-based study. J Affect Disord. 2018. doi:10.1016/j.jad.2018.06.041
21. Dauber H, Pogarell O, Kraus L, Braun B. Older adults in treatment for alcohol use disorders: Service utilisation, patient characteristics and treatment outcomes. Subst Abus Treat Prev Policy. 2018. doi:10.1186/s13011-018-0176-z

Traitement de l’ hypertension artérielle chez la personne âgée

La prévalence de l’ hypertension artérielle augmente avec l’  âge, atteignant 60% chez les patients de plus de 60 ans, et 75 % à plus de 75 ans. Selon les dernières recommandations des Sociétés Européennes de Cardiologie et d’ Hypertension (ESC/ESH) pour la prise en charge de l’ hypertension artérielle (1), une personne est définie comme âgée à > 65 ans et très âgée à > 80 ans.

Existe-t-il un bénéfice à un traitement antihypertenseur ?

Pendant plusieurs années, l’ âge avancé a été un obstacle dans le traitement de l’ hypertension de la personne âgée, en raison de craintes concernant une faible tolérance au traitement et d’ effets indésirables. Certains rapports ont suggéré que les interventions visant à normaliser la tension artérielle (TA) peuvent provoquer une dysfonction d’ organes. Cette appréciation est inappropriée, car l’ évidence émanant d’ études randomisées et contrôlées (RCT) montre que le traitement anti-hypertenseur chez la personne âgée et très âgée diminue la morbidité et la mortalité cardiovasculaires, ainsi que la mortalité de toute cause (2). Finalement, le traitement de l’ hypertension artérielle est en général bien toléré.

Comorbidités, fragilité, et traitement anti-hypertenseur

Toutefois, les patients âgés présentent souvent des comorbidités telles qu’ une insuffisance rénale, une vasculopathie athérosclérotique et une hypotension orthostatique, qui peuvent toutes être aggravées par l’ instauration d’ un traitement anti-hypertenseur. La polymédication peut également constituer une limitation majeure, des interactions médicamenteuses pouvant augmenter le risque d’ effets indésirables des traitements anti-hypertenseurs. Plus important encore, les patients très fragiles, dépendants et ceux présentant une hypotension orthostatique n’ ont pas été inclus dans les études randomisées et contrôlées ayant testé l’ effet des traitements anti-hypertenseurs. Le bénéfice de ces traitements dans le contexte des comorbidités et d’ une espérance de vie réduite est dès lors incertain. En conséquence, le patient âgé avec une hypertension artérielle est souvent plus difficile à traiter qu’ un patient jeune, car la décision d’ initier un traitement doit tenir compte de sa fragilité, de ses comorbidités et des traitements concomitants.

Traitement antihypertenseur chez le patient âgé

L’ âge ne doit jamais être le seul argument en défaveur d’ un traitement anti-hypertenseur, car une TA élevée est un facteur de risque cardiovasculaire important, y compris chez la personne très âgée. Une récente étude a montré une réduction du risque d’ événements cardiovasculaires et de la mortalité après instauration d’ un traitement antihypertenseur, y compris chez les patients de plus de 85 ans dans une population générale, incluant également des patients fragiles (3). Les directives internationales recommandent donc l’ initiation d’ un traitement quand la TA est au-dessus du seuil indiqué dans la Figure 1. En général, une monothérapie semble appropriée chez le patient très âgé. Toutefois, un traitement combiné est possible chez le patient âgé, mais chaque molécule devrait être débuté à la dose la plus basse disponible.

Eléments à considérer dans le traitement anti-hypertenseur

En raison du risque associé à l’ hypotension orthostatique, cette complication doit être recherchée, en particulier chez le patient sous traitement antihypertenseur présentant des symptômes compatibles avec des épisodes hypotensifs non-reproductibles durant la consultation. Il est à noter que les diurétiques de l’ anse et les alpha-bloqueurs devraient être évités, sauf en cas d’ indication autre, en raison de leur association avec les chutes (4). Finalement, la fonction rénale doit être évaluée fréquemment à la recherche d’ une péjoration de la fonction rénale pouvant être induite par une diminution de la perfusion rénale. Si toléré, la TA doit être abaissée à des valeurs systoliques de 130-139 mmHg et diastoliques de < 80 mmHg. Une valeur systolique de < 130 mmHg doit être évitée (1).
Une attention particulière doit être apportée à la recherche d’ effets secondaires et de problèmes de tolérance associés au traitement hypertenseur de la personne âgée, et plus particulièrement de la personne très âgée. Ces complications surviennent de manière plus fréquente chez les personnes âgées que rapporté dans les essais cliniques randomisés, et imposent donc une expertise spécialisée et un suivi rapproché visant à les minimiser.
Une problématique importante est l’ hypotension orthostatique de la personne très âgée et fragile et dépendante, profil fréquemment exclu des RCT. Toutefois, l’ étude SPRINT a montré que le bénéfice d’ une réduction de la pression artérielle s’ étend aussi aux personnes âgées fragiles, et celles avec une vitesse de déplacement réduite (5), et non pas uniquement aux personnes âgées en relatif bon état de santé. Il faut finalement noter que la magnitude du bénéfice d’ un tel traitement chez la personne âgée très fragile et institutionnalisée est inconnue. Chez certains patients, la valeur tensionnelle la plus adéquate peut être plus élevée que les cibles recommandées, mais il doit être reconnu que chaque décrément de tension artérielle apporte probablement un bénéfice ainsi qu’ une réduction du risque d’ événements cardiovasculaires majeurs (en particulier celui d’ AVC et d’ insuffisance cardiaque) et de mortalité.

Dr Nicolas Barras
Dr Tamila Abdurashidova
Dr Patrick Yerly
Dr Julien Regamey

Pr Roger Hullin

CHUV, Service de Cardiologie
Département Cœur-Vaisseaux
Rue du Bugnon 44
1011 Lausanne

roger.hullin@chuv.ch

Les auteurs ont déclaré n’avoir aucun conflit d’ intérêts en relation avec cet article.

  • L’ évidence émanant d’ études randomisées et contrôlées (RCT) montre que le traitement anti-hypertenseur chez la personne âgée et très âgée diminue la morbidité et la mortalité cardiovasculaires, ainsi que la mortalité de toute cause.
  • Le patient âgé avec une hypertension artérielle est souvent plus difficile à traiter qu’ un patient jeune, car la décision d’ initier un traitement doit tenir compte de sa fragilité, de ses comorbidités et des traitements concomitants.
  • Une attention particulière doit être apportée à la recherche d’ effets secondaires et de problèmes de tolérance associés au traitement hypertenseur de la personne âgée, et plus particulièrement de la
    personne très âgée.

1. Williams B, Mancia G, Spiering W, Agabiti Rosei E, Azizi M, Burnier M, et al. ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. European Heart J 2018, 39 :3021-3014.
2. Beckett NS, Peters R, Fletcher AE, Staessen JA, Liu L, Dumitrascu D, et al. HYVET Study Group. Treatment of hypertension in patients 80 years of age or older. N Engl J Med 2008;358:1887-1898.
3. Corrao G, Rea F, Monzio Compagnoni M, Merlino L, Mancia G. Protective effects of antihypertensive treatment in patients aged 85 years or older. J Hypertens 2017;35:1432-1441.
4. Corrao G, Mazzola P, Monzio Compagnoni M, Rea F, Merlino L, et al.. Antihypertensive medications, loop diuretics, and risk of hip fracture in the elderly: a population-based cohort study of 81,617 Italian patients newly treated between 2005 and 2009. Drugs Aging 2015;32:927-936.
5. Williamson JD, Supiano MA, Applegate WB, Berlowitz DR, Campbell RC, Chertow GM, et al. SPRINT Research Group. Intensive vs standard blood pressure control and cardiovascular disease outcomes in adults aged >_75 years: a randomized clinical trial. JAMA 2016;315:2673–2682.

Abcès et fistules anales

Les abcès et les fistules ano-rectales entrent dans le groupe des pathologies proctologiques fréquemment rencontrées. Leur incidence est de 2 cas sur 10 000 habitants. Elles doivent être connues du praticien qui est en mesure d’en faire le diagnostic et d’initier la prise en charge sans délais. Cet article aborde le traitement des abcès anaux et des fistules ano-rectales.

Pour la petite histoire

Le roi-soleil Louis XIV souffrait de crises récidivantes de maladie fistuleuse ano-rectale. Les médecins du Roy, à leur tête Antoine Daquin, impuissants à le traiter firent appel au barbier Charles François Félix. Ils étudièrent et planifièrent une section directe de la fistule à l’  aide d’ un fistulotome inspiré de méthodes italiennes. Après une période d’ essais « cliniques» auprès de condamnés de la Bastille et de volontaires, l’ intervention de la fistule royale eut lieu le 18 novembre 1696 et le roi soleil fut débarrassé définitivement de sa maladie fistuleuse. En guise de récompense, outre de riches présents octroyés par Louis XIV, Louis XV son petit fils créa « la royale académie chirurgicale» et donna ainsi ses lettres de noblesse à la confrérie des barbiers, tant décriés par les Médecins du Roy. Pour rendre grâce à cette guérison Lulli composa un hymne « Grand Dieu sauve le Roy » qui fut repris 28 ans plus tard par Haendel et devint le God save the King (Queen) hymne national Anglais actuel.

La fréquence des abcès anaux et des fistules est élevée. Ils surviennent de préférence chez l’ homme jeune. Ces pathologies trouvent leur origine au niveau des glandes anales situées dans l’ espace inter-sphinctérien. Leur classification dépend de leur localisation par rapport aux sphincters de l’ anus. L’ histoire de la maladie et l’ examen clinique du patient suffisent en général à poser le diagnostic et élaborer le traitement chirurgical. Des investigations complémentaires (endoscopie, endosonographie, résonance magnétique) sont utiles en cas d’ abcès ou de fistules complexes. Le but de la chirurgie lors d’ abcès est de drainer l’ infection tout en préservant l’ intégrité anatomique des sphincters. Le risque de récidive de l’ abcès ou son évolution vers une fistule est limité. Il peut résulter d’ un drainage insuffisant. Le traitement de la fistule dans le même temps du drainage de l’ abcès est réservé aux fistules superficielles qui n’ interférent pas avec le sphincter. Il doit être réalisé par un chirurgien expérimenté. Tous les autres types de fistules doivent être traités en un second temps. Le traitement de la fistule est chirurgical il peut être réalisé, en fonction du type de la fistule par les techniques suivantes :

  • Drainage par fil de séton, fistulotomie, fistulectomie
  • Plastie et reconstruction du sphincter (sphinctéroplastie, lambeau muqueux, LIFT), techniques endo luminales (VAAFT)
  • Techniques d’ occlusion (fibrine, plug, clip, laser…).
    Seules les fistules dont le trajet est distal peuvent être traitées par fistulotomie ou fistulectomie. Toutes les fistules hautes doivent bénéficier d’ une technique protégeant le sphincter et par la même la continence du patient. Les résultats des différentes techniques de reconstruction et de plastie du sphincter sont superposables. Les techniques d’ occlusions sont grevées d’ un taux de récidive plus élevé. Notre propos s’ attachera à donner les clés du diagnostic et du traitement des abcès et des fistules basé sur notre expérience et la revue de la littérature.

Les abcès ano-rectaux et les fistules anales sont parmi les pathologies les plus fréquemment rencontrées en pratique proctologique. Leur incidence est de 2 cas par 10 000 habitants. Elles doivent être connues du praticien qui est parfaitement à même d’ en initier le traitement (1).
L’ abcès ano-rectal et la fistule anale sont deux entités mentionnées souvent séparément. Elles représentent en fait les phases successives d’ une même pathologie, la maladie fistuleuse ano-rectale (2).

Etiologie

La majorité des abcès et des fistules anales (90  %) sont d’ origine crypto-glandulaire. La maladie débute dans une des glandes lubrificatrices d’ Hermann et Desfossés situées dans l’ espace inter-sphinctérien de l’ appareil sphinctérien, suite à la diminution ou l’ abolition du drainage glandulaire (Fig. 1) (3).
L’ infection glandulaire évolue rapidement en abcès à germes intestinaux et se draine dans les espaces périanaux et périnéaux de moindre résistance. Comme l’ homme a plus de glandes lubrificatrices que la femme la maladie fistulaire est plus fréquente chez l’ homme entre 30 et 50 ans dans un ratio 2/3 – 1/3 (1, 4).
Certains facteurs favorisants la venue de ces abcès ont été décrits comme le diabète, l’ obésité, l’ alcoolisme et le tabagisme (5, 6). De même la station assise prolongée, le sédentarisme, les poussées lors de la défécation et le stress psychosocial sont considérés comme facteur de risques par certains auteurs (7, 8).
Cette phase aiguë de la maladie fistuleuse crypto-glandulaire doit être différenciée d’ un abcès compliquant une maladie sous-jacente. Parmi ces abcédations dites secondaires, il faut mentionner les abcès liés à une fissure, à une hidrosadénite suppurée (maladie des glandes apocrines), à l’ infection d’ une glande sébacée, à un sinus pilonidal proche de l’ anus ou à une infection sexuellement transmise ano-rectale. En présence de récidive ou de trajets fistuleux multiples, la question d’ une maladie de Crohn sous-jacente doit être posée et la maladie inflammatoire recherchée. Finalement, les abcès compliquent fréquemment les plaies traumatiques ano-rectales (lésion sur corps étranger, plaie pénétrante, lésion iatrogène chirurgicale, obstétricale ou endoscopique) et peuvent être difficiles à relier à leur cause, en particulier si celles-ci sont ignorées ou occultées volontairement par le patient à son médecin (Tab. 1).

Voies de dissémination

L’ extension et les voies de drainage spontané des abcès de la région ano-rectale sont régies par les lois des pressions. Aux structures fermes s’ opposent des zones de moindre résistance, créant ainsi des voies de facilitation de la dissémination de l’ infection. Pour mieux le comprendre, l’ image d’ un labyrinthe peut être empruntée. Les cloisons sont le muscle sphincter interne, le muscle sphincter externe, le raphé ano-coccygien et le muscle releveur de l’ anus.
L’ abcès situé à l’ origine dans l’ espace inter-sphinctérien est guidé par les structures à haute résistance et peut diffuser soit distalement dans la région para-anale, soit proximalement dans l’ espace pelvi-rectal, au-dessus des muscles élévateurs de l’ anus, soit à travers le muscle sphinctérien externe en direction de la fosse ischio-rectale ou plus superficiellement vers le périnée (Fig. 2.)
L’ abcès tout d’ abord inter-sphinctérien évolue ainsi respectivement en abcès para-anal, pelvi-rectal, ischio-rectal ou périnéal (Fig. 3).
L’ abcès en fer à cheval se développe postérieurement au-dessus du raphé ano-coccygien. Il diffuse bilatéralement en direction des deux fosses ischio-rectales (9). Les abcès para-anaux et périnéaux représentent environ 50 % des cas, les abcès ischio-rectaux 25 %.

Tableau clinique des abcès ano-rectaux

Les symptômes cardinaux classiques des abcès ano-rectaux sont les mêmes que ceux de toute pathologie infectieuse abcédée. Ils associent douleur, rougeur, tuméfaction et chaleur. Les douleurs sont intenses et pulsatiles, stimulées par la position assise, la marche ou la défécation. Lorsque la collection est périnéale ou péri-anale, une induration palpable de la fesse apparaît. Un certain degré de cellulite d’ accompagnement peut exister. La prise en charge de ces abcès est une urgence chirurgicale.
La fièvre, parfois associée à des frissons est souvent retrouvée et ceci d’ autant plus que la lésion est haut située et donc de diagnostic plus difficile. L’ examen clinique et l’ anuscopie ne permettent d’ identifier l’ orifice interne primaire que dans 30 à 40 % des cas (2).
L’ abcès inter-sphinctérien reste un défi diagnostique du fait de l’ absence de signes cliniques extérieurs associé à des douleurs aiguës rendant tout examen anuscopique impossible. Celui-ci peut être réalisé sous anesthésie générale et laissera palper une petite voussure de la taille d’ un grain de riz dans l’ espace inter-sphinctérien. L’ échographie endoanale est une aide diagnostique appréciable dans ces situations, elle permet également de diriger l’ incision de drainage (Fig. 4) (10).
Si l’ abcédation n’ est pas prise en charge rapidement, le tableau clinique peut se compliquer et évoluer vers un sepsis sévère, dont il faut se rappeler l’ importante mortalité chez les patients fragiles (11). Une cellulo-fascéite anaérobie du périnée ou des bourses, nommée alors gangrène de Fournier (12, 13) représente un autre mode de complication septique gravissime, qui nécessitera un débridement agressif en extrême urgence avec parfois nécessité à confectionner une colostomie de décharge temporaire (14). Le spectre de telles complications nous rappelle la nécessité de traiter adéquatement et dans l’ urgence non différée tout abcès de la région ano-rectale.

Traitement de la maladie fistuleuse abcédée

Les abcès de la région périnéale et ano-rectale évoluent lentement et difficilement vers un drainage spontané à l’ issue d’ un trajet plus ou moins complexe. En règle générale, ils ne peuvent pas se résoudre d’ eux-mêmes spontanément. La base du traitement est le drainage chirurgical dirigé de la cavité abcédée. La recherche du trajet fistuleux d’ amont ne doit se faire que dans la deuxième phase lors du traitement de la fistule ano-rectale.
Une antibiothérapie seule est insuffisante à la guérison de l’ abcès, toujours présent dans la maladie fistulaire. Elle tend à chroniciser l’ infection et de ce fait à rendre plus complexe le drainage chirurgical (15).

Principe du drainage de l’ abcès

L’ incision est menée assez largement pour assurer un bon drainage et éviter une rétention du pus dans la poche abcédée (principe du sablier). Ceci aboutirait à un retard de la guérison, une fermeture précoce de la plaie opératoire, une persistance de l’ abcès. Elle est radiaire dans tous les cas. La recherche de tractus fistuleux et de l’ orifice primaire doit être évitée à la phase aiguë en raison du risque de fausses routes, dues à la déliquescence des tissus. Même l’ effondrement des cloisons et le curetage ne sont pas recommandés. Un lavage au sérum physiologique à la seringue est amplement suffisant. Une mèche à but hémostatique sera mise en place pour les premières 12 à 24 heures. Le traitement des abcès ano-rectaux a la particularité de pouvoir être pratiqué en anesthésie locale, sans couverture antibiotique et sans mise en culture du pus.
Nous avons l’ habitude d’ inciser les abcès para-anaux et périnéaux, qui sont les plus fréquents, en anesthésie locale et selon un mode ambulatoire. Une infiltration douce du derme qui contient les terminaisons nerveuses, par un anesthésique local tamponné par du bicarbonate (lidocaïne 0.5 % 10ml plus NaBic 0.8 mmol 1ml) en regard de l’ abcès et une incision radiaire sans pression assurent une antalgie suffisante (Fig. 5).
L’ incision d’ un abcès intersphinctérien sera menée avec prudence et avec le plus grand respect des sphincters. Les abcès sus-lévatoriens, ischio-rectaux haut placés et les abcès en fer à cheval requièrent une anesthésie générale ou péridurale.
L’ utilisation systématique d’ an-tibiotiques n’ est pas recommandée, puisqu’ il ne s’ agit pas d’ un traitement causal, celui-ci reposant sur le vieil adage « ubi pus ibi evacua». L’ introduction d’ un traitement antibactérien doit être discutée cependant, dans les contextes de patients fragilisés, immuno supprimés ou porteurs de valve cardiaque. Les germes habituellement retrouvés en culture sont des souches intestinales classiques. La mise en culture du pus n’ est donc pas utile de routine, elle sera impérative et dirigée lors de suspicion d’ infections sexuellement transmissible.

Les soins locaux

Ils doivent être facilités. La mèche est retirée par le malade lui-même le lendemain de l’ intervention et un rinçage de la plaie opératoire par douche anale pluriquotidienne est prescrit. Des antalgiques à base de paracétamol et d’ anti-inflammatoires à dose dégressive sont prescrits. La plaie est contrôlée à 24-48 heures puis de manière hebdomadaire.

Le bilan intermédiaire

4 à 6 semaines après l’ incision et après guérison de la maladie abcédée, à distance de la phase aiguë sensible, il est important de faire un bilan de la maladie fistuleuse résiduelle. Dans 25 % des cas environ, on constate la fermeture de l’ orifice secondaire, la disparition de la fistule et l’ absence d’ orifice primaire résiduel (16, 17). Dans les autres cas, l’ examen anal et rectal soigneux retrouvent l’ orifice glandulaire primaire, sous la forme d’ une caroncule palpable, de la taille d’ un grain de riz. L’ anuscopie en permettra souvent le repérage visuel. Il est important d’ exclure à ce stade toute autre pathologie du canal anal, en particulier un cancer ano-rectal abcédé.

Tableau clinique des fistules ano-rectales constituées

Les plaintes principales du patient porteur d’ une fistule anale constituée sont des écoulements para-anaux ou mal localisés du siège, salissant régulièrement les sous-vêtements. Un prurit d’ irritation péri-anal est parfois associé. Les écoulements sont classiquement intermittents. Ils sont rythmés par la séquence : occlusion du tractus fistulaire – micro-abcédation douloureuse – libération purulente à l’ orifice secondaire – écoulements et disparition des douleurs. Les problèmes d’ hygiène peuvent devenir handicapants, en particulier lorsque les orifices secondaires se multiplient au cours d’ une maladie fistulaire non traitée ou d’ une maladie de Crohn.
En cas de trajet fistuleux persistant, et à la seule inspection, la règle de Goodsall garde toute sa valeur dans la prédiction de la localisation de l’ orifice primaire situé à la ligne pectinée en fonction de l’ endroit de drainage cutané secondaire. Les tractus fistuleux drainés antérieurement sont plutôt linéaires, tandis que les trajets postérieurs sont curvilignes. Un trajet antérieur à plus de 3 cm de la marge anale peut trouver son origine dans la portion postérieure du canal anal (Fig. 6).
La palpation retrouve souvent un cordon fistuleux entre pouce et index. L’ anuscopie recherche l’ orifice primaire sous forme d’ une ombilication muqueuse ou de la présence de tissu de granulation.
Toute fistule constituée fera l’ objet d’ une tentative de mise en place d’ un drainage de séton constitué d’ un double monofilament de 4.0 ou 5.0.
Une aiguille boutonnée sera conduite dans le canal anal depuis l’ orifice secondaire avec précaution et sans pression afin d’ éviter toute fausse route.
Nous utilisons de l’ air pulsé à la seringue pour ouvrir le trajet et en repérer la perméabilité sous forme de bulles apparaissant à l’ orifice primaire. Les fils de séton lâches permettent un drainage prolongé et renforcent ainsi la fibrose péri-fistulaire. Ils peuvent être laissés en place de manière prolongée de plusieurs mois à plusieurs années, comme dans le cas particulier de la maladie de Crohn (Fig. 7).
Le repérage ultra-sonographique des trajets fistuleux aidé de l’ examen 3D, peut être utile dans le cas particulier des fistules complexes ou récidivantes (18, 19). Il peut éventuellement être associé à une IRM du petit bassin, à la recherche d’ une lésion pelvienne.
Dans des mains expertes, ces 2 examens ont une précision diagnostique comparable (20). Notre préférence va à l’ échographie endoanale 3D que nous considérons comme partie intégrante de l’ examen d’ une fistule avec pour avantage une réponse pendant la consultation et un coût inférieur.
L’ examen clinique aidé de l’ endosonographie 3D ou de l’ IRM permet de classifier les fistules. La classification la plus utile et la plus utilisée est celle de Parks (21) (Fig. 8).
Elle permet d’ associer le type de fistule à un choix de traitement chirurgical en fonction de la quantité de sphincter inclus dans le trajet. Pour l’ école genevoise, les trajets distaux peuvent être traités par l’ ablation de la fistule avec section du sphincter. Les trajets hauts doivent être traités par des techniques respectant le sphincter. Les fistules inter-sphinctériennes et trans-sphinctériennes distales re-
présentent entre 50 et 60  % des cas et les fistules trans-sphinc-tériennes hautes 25 %.

Traitement des fistules ano-rectales

Le but du traitement de la fistule ano-rectale est l’ excision du tractus fistuleux fibreux qui emporte la glande responsable de la fistule, des tractus fistuleux accessoires, la suppression de l’ orifice primaire, la préservation de la fonction anale par protection du capital sensitif et musculaire.
On peut considérer trois groupes de traitement chirurgicaux
Les chirurgies avec section du sphincter
Séton tracteur, séton chimique, Fistulotomie, Fistulectomie
Les chirurgies avec respect des sphincters avec ablation du trajet fistuleux
Fistulectomie et reconstruction du sphincter, Lambeau d’ avancement, LIFT technique
Nouvelles méthodes par occlusion du trajet fistuleux
Laser, VAAFT, OTSC clip, Colle de fibrine, Injection de collagène, Injection de cellules germinale autologues, plug.

Les récidives restent cependant nombreuses malgré le développement récent de nouvelles techniques chirurgicales. Les traitements les plus pratiqués dans notre clinique sont la fistulotomie, la fistulectomie, le lambeau d’ avancement et l’ encollage fistulaire en fonction du type de fistule rencontré.

Les traitements classiques

Séton tracteur ou chimique

Cette technique déjà connue de l’ antiquité et rapportée par Hippocrate (22) a pour but la section progressive du sphincter compris entre la fistule et la peau. Cette section est due soit à la pression du fil soit à une destruction chimique par les composants phytothérapiques du séton (Kshara Sutra).
Si on observe une guérison de la fistule dans 80 à 100 % des cas, le taux d’ incontinence anale rapportée varie de 0 à 92 % ce qui est largement inacceptable (23, 24). Pour cette raison évidente le traitement de fistule par section progressive est abandonnée dans notre service.

Fistulotomie

La fistulotomie consiste en la mise à plat et au curetage du « tunnel fistuleux». Cette technique est réservée aux trajets muco-cutanés ou très distaux qui ne touchent pas les fibres musculaires sphinctériennes. Dans ce cas, la guérison est obtenue dans pratiquement 84 % des cas avec un taux de continence et une qualité de vie comparables à celui de la population générale (25).

Fistulectomie avec ou sans reconstruction du sphincter

Par fistulectomie, on entend l’ excision complète de l’ ensemble du trajet fistuleux et de son orifice primaire. Le revêtement cutané qui couvre la fistule est excisé avec le cordon fistuleux et la guérison se fait per secundam. Le muscle sphincter est sectionné à minima et peut être reconstruit par suture directe en cas de nécessité (26). Cette technique s’ applique aux fistules les plus distales, et de préférence postérieures. C’ est à dire les fistules périnéales, inter-sphinctériennes ou trans-sphinctériennes distales. Cette intervention peut être pratiquée en anesthésie locale parfois sur un mode ambulatoire. Dans notre expérience de 983 cas consécutifs revus de 2010 à 2018, 5.2 % des patients ont récidivé et aucun cas d’ incontinence majeure n’ est à signaler. Notre expérience est superposable aux résultats de la littérature qui démontrent un succès dans 93 % des cas avec 12 % de troubles de la continence mineurs aux gaz occasionnellement (27).

Lambeau d’ abaissement rectal (LAR)

Le traitement des fistules ano-rectales hautes ou antérieures chez la femme représente un risque pour les structures sphinctériennes et par voie de conséquence peut être grevé d’ un taux non négligeable d’ incontinence anale postopératoire.
La technique du lambeau d’ abaissement muqueux est une approche chirurgicale élégante pour les cures de fistules hautes situées dans le canal anal. Elle permet de préserver un maximum de tissu de l’ appareil sphinctérien. Elle s’ adresse donc aux fistules trans sphinctériennes hautes et aux fistules supra ou extra-sphinctériennes.
L’ excision des fistules n’ est possible qu’ en terrain calme, en présence de tractus devenus fibreux et si possible drainés par un fil de séton. L’ abaissement muqueux nécessite également un tissu parfaitement sain. Après libération d’ un lambeau de muqueuse, cette dernière est suturée sans tension et sans risque d’ ischémie. Une inflammation aiguë, un terrain post-radique, une maladie de Crohn ou néoplasique, ainsi que des forces de tension sur la ligne de suture sont voués à l’ échec de la technique.
Cette intervention est menée sous antibioprophylaxie sans préparation intestinale, ni rasage préopératoire. Une stomie d’ amont n’ est jamais réalisée.
Le premier temps opératoire consiste en l’ excision complète du trajet fistuleux qui est menée progressivement à partir de l’ orifice secondaire par une dissection au contact du tractus fibreux jusqu’ à l’ orifice interne. Cette dissection réalise alors un « carottage» trans sphinctérien qui vise à n’ emporter idéalement que le tractus fibreux en respectant le tissu musculaire. Une collerette de muqueuse anale autour de l’ orifice primaire est également excisée. Le deuxième temps réalise la fermeture musculaire, par des points séparés d’ un mono filament résorbable. La mobilisation du lambeau proximal muqueux représente le dernier temps opératoire. Celui-ci est abaissé ensuite au-delà de la suture musculaire, telle une persienne protégeant une fenêtre sans chevauchement direct des zones suturées (Fig. 9).
La plaie de l’ orifice secondaire est laissée ouverte afin d’ en assurer le drainage et recouverte d’ une mèche grasse pour 24 à 48 heures (28).
En phase postopératoire, on doit éviter toute constipation, ou diarrhée délétère pour le lambeau abaissé. Les douches pluriquotidiennes, six fois minimum de la plaie cutanée secondaire sont de rigueur. Un contrôle médical hebdomadaire jusqu’ à guérison complète par l’ opérateur, sans examen endo-anal jusqu’ à la 3ème semaine est recommandé. Le taux de récidive de ces fistules en fistules complexes dans notre expérience est de 25 % (29). Chez les patients fumeurs, ce taux peut doubler. Le tabagisme est donc un facteur important à la récidive des fistules anales après traitement chirurgical. Une des grandes questions est que faire en cas de récidive ?
Le lambeau d’avancement rectal (LAR) est une solution thérapeutique reconnue pour traiter des fistules anales complexes. Peu de données existent sur les résultats d’un nouveau lambeau d’avancement sur une fistule récidivante déjà opérée par cette procédure. Nous avons réalisé une étude afin d’évaluer les résultats d’un second lambeau d’avancement comme traitement de la fistule anale complexe récidivante après un premier lambeau.
Cette étude rétrospective, mono centrique porte sur 120 patients opérés par LAR d’une fistule anale crypto-glandulaire. 38 patients ont présenté une récidive de fistule (31,6 %). La récidive était complexe chez 29 patients (24.1 %) et simple chez 9 (7.5 %). Un second LAR a été réalisé chez les 29 ayant une récidive complexe. 83 % (24) de ces patients ont fermé leur fistule, alors que 17 % (5) ont présenté une seconde récidive.
Le LAR est une option intéressante pour la prise en charge d’une récidive de fistule anale complexe. Un premier lambeau n’altère pas les chances de guérison et n’augmente pas la morbidité. Un effet « down-staging », avec en particulier 24 % de fistules simples après un premier LAR, et une transformation des fistules complexes hautes (supra-sphinctériennes ou trans-sphinctériennes hautes) en basses de 16 %, permettent une prise en charge plus aisée de ces récidives (30).

Nouveautés thérapeutiques des fistules anales

LIFT (Ligation inter-sphincterial of fistula tract)

Cette technique LIFT, décrite en 2007 par Rojanasakul (31), a gagné en popularité en raison de sa facilité d’ exécution et de la préservation de la continence. Cette technique consiste à déconnecter l’ orifice primaire de la fistule du trajet au travers de l’ espace inter- sphinctérien en réséquant la zone de la glande infectée. Le taux de succès varie de 40 à 90 %. Les récidives semblent dues au résidu fistuleux laissé en place. Cette technique garanti un succès de 50 % et aucune lésion du sphincter avec seulement 5.5 % de complications post opératoires (32). Contrairement au LAR, le nombre de récidive augmente avec les réinterventions par LIFT (33).
Le grand avantage du LIFT, par rapport à toutes ces nouvelles techniques, est son coût limité.

VAAFT (Video Assisted Anal Fistula Treatment)

Le trajet de la fistule est visionné par un endoscope pédiatrique. Il est rincé, cureté puis, soit brûlé, soit rempli de colle de fibrine. L’ orifice interne est fermé par des fils ou une agrafeuse, ce qui augmente drastiquement le coût. Le taux de guérison se situe entre 58 et 87 % (34, 35).

Techniques d’ occlusion endo luminales

Injection de fibrine et de collagène

L’ utilisation de la colle de fibrine dans le traitement des fistules a été proposée en 1982 (36). Les premiers résultats étaient encourageants. La technique consiste à repérer le trajet fistuleux, le laver, le cureter. L’ encollage se fait ensuite à l’ aide de colle de fibrine, de collagène de colle biologique (37) ou synthétique par canulation du trajet de la fistule. La colle de fibrine, outre son effet occlusif, stimulerait selon les auteurs la cicatrisation du trajet fistuleux. Une étude prospective de Buchana (38) démontre un taux de succès de 14 %, 14 mois après le traitement. Nous avons appliqué la technique de l’ encollage en cas de fistules complexes comme les fistules urétro-rectales ou les fistules de Crohn. Dans ces conditions le taux de récidive est de 60 %, comparable à celui de la chirurgie avec l’ avantage d’ être moins délétère (16).

Injection de cellules germinales autologues

Les cellules mésenchymateuses adultes ont la capacité de se différencier. On peut les utiliser dans la régénération des tissus endommagés et donc dans les fistules. Quelques études toutes issues d’ Espagne prélèvent ces cellules par lipoaspiration du tissu adipeux. Après curetage de la fistule elles sont injectées dans le trajet et l’ orifice primaire est suturé.
Si les résultats sont médiocres (35 % de succès) pour les fistules crypto glandulaires, ils semblent encourageants pour les fistules de Crohn (39, 40). Le facteur limitant reste le coût important de ces techniques.

Plug anal

Le plug anal est un composé lyophilisé issu de tissu porcin dénué de cellules. Ce tissu est placé dans le trajet de la fistule après avoir nettoyé et débridé cette dernière en le tractant à l’ aide d’ un fil. Son extrémité proximale de diamètre supérieur est nouée au sphincter par un nœud en 8. L’ extrémité distale plus fine est sectionnée au niveau de la peau à l’ orifice externe. Les résultats encourageants des premières études n’ ont malheureusement pas pu être reproduits, le taux de succès est de 24 % dans une étude randomisée comparant plug et LAR (29). Notre expérience reflète parfaitement ces résultats puisque nous avons placés 20 plugs avec 1 seul succès.

Laser

L’ application de laser endoluminal a pour but de détruire l’ épithélium résiduel responsable d’ une partie des récidives. Ce laser devrait permettre une oblitération thermique de la fistule Le succès initial reporté chez 11 patient est de 81 % avec un suivi court de
7 mois (41). Une étude menée sur 35 patients porteurs de fistules de Crohn montre une guérison dans 71 % des cas ce qui est très surprenant (42). Le guideline allemand sur les abcès et fistules conclut d’ ailleurs au sujet de ce traitement : Aucune recommandation ne peut être donnée en raison des résultats actuels (15).
A ce jour, il est difficile de se faire une opinion objective sur ces nouvelles techniques. Beaucoup de questions restent sans réponse incluant le bien fondé et surtout les conflits d’ intérêts évidents que génèrent les coûts liés à ces traitements (43).
De toutes ces nouvelles techniques la seule qui échappe à ce raisonnement est le LIFT.

Conclusions

La pathologie abcédée de la région ano-rectale est extrêmement fréquente et doit être prise en charge sans délai. Son traitement consiste en un drainage chirurgical en urgence sous éventuelle couverture antibiotique. Il peut être réalisé dans la majorité des cas sous anesthésie locale.
Lorsque la phase aiguë est passée, le ou les trajets fistuleux sont recherchés. La mise en place d’ un fil de séton permet le drainage et génère la sclérose des fistules.
Après exclusion d’ une maladie sous-jacente ou fistulisante, il est procédé au traitement chirurgical de la fistule. La technique est adaptée à la quantité de muscle sphincter mise en danger par l’ incision chirurgicale. De nombreuses techniques existent pour le traitement des fistules, ce qui démontre la complexité de cette maladie et la non reproductibilité des résultats de ces traitements.
Dans ces conditions, les techniques classiques gardent toute leur valeur. Le LAR reste l’ intervention de référence pour traiter les fistules complexes. Le LIFT de par sa simplicité, son coût limité et ses résultats encourageants pourrait jouer un rôle important dans le futur du traitement des fistules. Les techniques d’ occlusions sont séduisantes mais pour l’ instant les résultats sont insuffisants, surtout si on considère le rapport coût qualité.
Pour toutes ces raisons, il reste important d’ adapter la technique chirurgicale au type de fistule à traiter et non la fistule à la technique chirurgicale.

Dr Karel Skala
Pr Roland Chautems
Dr Guillaume Zufferey

Pr Bruno Roche

Centre de proctopérinéologie Clinique des Grangettes
chemin des Grangettes 7
1224 Chêne-Bougeries

bruno.roche@grangettes.ch

Les auteurs n’ont déclaré aucun conflit d’intérêts en relation avec cet article.

  • La plupart des abcès para-anaux sont primaires et proviennent de l’ infection d’ une glande inter-sphinctérienne. L’ abcès situé à l’ origine dans l’ espace inter-sphinctérien se draine en suivant les voies de moindre résistance et constitue ainsi un abcès para-anal, ischio-rectal, en fer à cheval, pelvi-rectal ou inter-sphinctérien. Le diagnostic est plutôt aisé dans les présentations classiques d’ abcès para-anal. Il devient plus difficile lors d’ abcès inter-sphinctérien ou de la fosse ischio-rectale. Le diagnostic peut être précisé par un examen endoscopique, une échographie endo-anale ou IRM du pelvis.
  • La pierre angulaire du traitement de l’ abcès ano-rectal est le drainage chirurgical. Il peut être assuré par le praticien formé. Celui-ci peut le réaliser souvent en anesthésie locale, sans couverture antibiotique et les cultures de germes ne s’ imposent pas.
  • Le traitement chirurgical est une urgence et ce geste ne doit pas être repoussé. Cette attitude est motivée par le spectre dramatique d’ une évolution vers un sepsis sévère ou une gangrène de Fournier. L’ orifice fistulaire primaire endoanal n’ est pas recherché à la phase aiguë.
  • 25% des cas ferment définitivement et spontanément leur trajet fistuleux. Dans les autres cas de figure, on place un drainage préopératoire en séton et l’ option thérapeutique chirurgicale est choisie en fonction de la localisation et de la complexité de la maladie fistulaire.

1. Sainio P. Fistula-in-ano in a defined population. Incidence and epidemiological aspects. Annales chirurgiae et gynaecologiae. 1984;73(4):219-24.
2. Ramanujam PS, Prasad ML, Abcarian H, Tan AB. Perianal abscesses and fistulas. A study of 1023 patients. Diseases of the colon and rectum. 1984;27(9): 593-7.
3. Klosterhalfen B, Offner F, Vogel P, Kirkpatrick CJ. Anatomic nature and surgical significance of anal sinus and anal intramuscular glands. Diseases of the colon and rectum. 1991;34(2):156-60.
4. Zanotti C, Martinez-Puente C, Pascual I, Pascual M, Herreros D, Garcia-Olmo D. An assessment of the incidence of fistula-in-ano in four countries of the European Union. International journal of colorectal disease. 2007;22(12):1459-62.
5. Adamo K, Sandblom G, Brannstrom F, Strigard K. Prevalence and recurrence rate of perianal abscess–a population-based study, Sweden 1997-2009. International journal of colorectal disease. 2016;31(3):669-73.
6. Devaraj B, Khabassi S, Cosman BC. Recent smoking is a risk factor for anal abscess and fistula. Diseases of the colon and rectum. 2011;54(6):681-5.
7. Wang D, Yang G, Qiu J, Song Y, Wang L, Gao J, et al. Risk factors for anal fistula: a case-control study. Techniques in coloproctology. 2014;18(7):635-9.
8. Cioli VM, Gagliardi G, Pescatori M. Psychological stress in patients with anal
fistula. International journal of colorectal disease. 2015;30(8):1123-9.
9. Hamilton CH. Anorectal problems: the deep postanal space–surgical significance in horseshoe fistula and abscess. Diseases of the colon and rectum. 1975;18(8):642-5.
10. Bussen D, Sailer M, Wening S, Fuchs KH, Thiede A. [Usefulness of anal endosonography in the assessment of fistula-in-ano]. Zentralblatt fur Chirurgie. 2004;129(5):404-7.
11. Badrinath K, Jairam N, Ravi HR. Spreading extraperitoneal cellulitis following perirectal sepsis. The British journal of surgery. 1994;81(2):297-8.
12. Yilmazlar T, Ozturk E, Ozguc H, Ercan I, Vuruskan H, Oktay B. Fournier’s gangrene: an analysis of 80 patients and a novel scoring system. Techniques in coloproctology. 2010;14(3):217-23.
13. Di Falco G, Guccione C, D’Annibale A, Ronsisvalle S, Lavezzo P, Fregonese D, et al. Fournier’s gangrene following a perianal abscess. Diseases of the colon and rectum. 1986;29(9):582-5.
14. Ozturk E, Sonmez Y, Yilmazlar T. What are the indications for a stoma in Fournier’s gangrene? Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland. 2011;13(9):1044-7.
15. Ommer A, Herold A, Berg E, Furst A, Post S, Ruppert R, et al. German S3 guidelines: anal abscess and fistula (second revised version). Langenbeck’s archives of surgery. 2017;402(2):191-201.
16. Hamalainen KP, Sainio AP. Incidence of fistulas after drainage of acute anorectal abscesses. Diseases of the colon and rectum. 1998;41(11):1357-61; discussion 61-2.
17. Rizzo JA, Naig AL, Johnson EK. Anorectal abscess and fistula-in-ano: evidence-based management. The Surgical clinics of North America. 2010;90(1):45-68, Table of Contents.
18. Cheong DM, Nogueras JJ, Wexner SD, Jagelman DG. Anal endosonography for recurrent anal fistulas: image enhancement with hydrogen peroxide. Diseases of the colon and rectum. 1993;36(12):1158-60.
19. Kolodziejczak M, Santoro GA, Obcowska A, Lorenc Z, Manczak M, Sudol-Szopinska I. Three-dimensional endoanal ultrasound is accurate and reproducible in determining type and height of anal fistulas. Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland. 2017;19(4):378-84.
20. Siddiqui MR, Ashrafian H, Tozer P, Daulatzai N, Burling D, Hart A, et al. A diagnostic accuracy meta-analysis of endoanal ultrasound and MRI for perianal fistula assessment. Diseases of the colon and rectum. 2012;55(5):576-85.
21. Parks AG, Gordon PH, Hardcastle JD. A classification of fistula-in-ano. The British journal of surgery. 1976;63(1):1-12.
22. McCourtney JS, Finlay IG. Setons in the surgical management of fistula in ano. The British journal of surgery. 1995;82(4):448-52.
23. Ritchie RD, Sackier JM, Hodde JP. Incontinence rates after cutting seton treatment for anal fistula. Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland. 2009;11(6):564-71.
24. Vial M, Pares D, Pera M, Grande L. Faecal incontinence after seton treatment for anal fistulae with and without surgical division of internal anal sphincter: a systematic review. Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland. 2010;12(3):172-8.
25. Gottgens KW, Janssen PT, Heemskerk J, van Dielen FM, Konsten JL, Lettinga T, et al. Long-term outcome of low perianal fistulas treated by fistulotomy: a multicenter study. International journal of colorectal disease. 2015;30(2):213-9.
26. van Tets WF, Kuijpers HC. Continence disorders after anal fistulotomy. Diseases of the colon and rectum. 1994;37(12):1194-7.
27. Ratto C, Litta F, Donisi L, Parello A. Fistulotomy or fistulectomy and primary sphincteroplasty for anal fistula (FIPS): a systematic review. Techniques in coloproctology. 2015;19(7):391-400.
28. Ozuner G, Hull TL, Cartmill J, Fazio VW. Long-term analysis of the use of transanal rectal advancement flaps for complicated anorectal/vaginal fistulas. Diseases of the colon and rectum. 1996;39(1):10-4.
29. Ortiz H, Marzo J, Ciga MA, Oteiza F, Armendariz P, de Miguel M. Randomized clinical trial of anal fistula plug versus endorectal advancement flap for the treatment of high cryptoglandular fistula in ano. The British journal of surgery. 2009;96(6):608-12.
30. Podetta M, Scarpa CR, Zufferey G, Skala K, Ris F, Roche B, et al. Mucosal advancement flap for recurrent complex anal fistula: a repeatable procedure. International journal of colorectal disease. 2019;34(1):197-200.
31. Rojanasakul A, Pattanaarun J, Sahakitrungruang C, Tantiphlachiva K. Total anal sphincter saving technique for fistula-in-ano; the ligation of intersphincteric fistula tract. Journal of the Medical Association of Thailand = Chotmaihet thangphaet. 2007;90(3):581-6.
32. Sirany AM, Nygaard RM, Morken JJ. The ligation of the intersphincteric fistula tract procedure for anal fistula: a mixed bag of results. Diseases of the colon and rectum. 2015;58(6):604-12.
33. Abcarian AM, Estrada JJ, Park J, Corning C, Chaudhry V, Cintron J, et al. Ligation of intersphincteric fistula tract: early results of a pilot study. Diseases of the colon and rectum. 2012;55(7):778-82.
34. Kochhar G, Saha S, Andley M, Kumar A, Saurabh G, Pusuluri R, et al. Video-
assisted anal fistula treatment. JSLS : Journal of the Society of Laparoendoscopic Surgeons. 2014;18(3).
35. Meinero P, Mori L. Video-assisted anal fistula treatment (VAAFT): a novel sphincter-saving procedure for treating complex anal fistulas. Techniques in coloproctology. 2011;15(4):417-22.
36. Hedelin H, Nilson AE, Teger-Nilsson AC, Thorsen G. Fibrin occlusion of fistulas postoperatively. Surgery, gynecology & obstetrics. 1982;154(3):366-8.
37. Giordano P, Sileri P, Buntzen S, Stuto A, Nunoo-Mensah J, Lenisa L, et al. A prospective multicentre observational study of Permacol collagen paste for anorectal fistula: preliminary results. Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland. 2016;18(3):286-94.
38. Buchanan GN, Bartram CI, Phillips RK, Gould SW, Halligan S, Rockall TA, et al. Efficacy of fibrin sealant in the management of complex anal fistula: a prospective trial. Diseases of the colon and rectum. 2003;46(9):1167-74.
39. Garcia-Olmo D, Herreros D, Pascual I, Pascual JA, Del-Valle E, Zorrilla J, et al. Expanded adipose-derived stem cells for the treatment of complex perianal fistula: a phase II clinical trial. Diseases of the colon and rectum. 2009;52(1):79-86.
40. Herreros MD, Garcia-Arranz M, Guadalajara H, De-La-Quintana P, Garcia-Olmo D, Group FC. Autologous expanded adipose-derived stem cells for the treatment of complex cryptoglandular perianal fistulas: a phase III randomized clinical trial (FATT 1: fistula Advanced Therapy Trial 1) and long-term evaluation. Diseases of the colon and rectum. 2012;55(7):762-72.
41. Wilhelm A. A new technique for sphincter-preserving anal fistula repair using a novel radial emitting laser probe. Techniques in coloproctology. 2011;15(4): 445-9.
42. Giamundo P, Geraci M, Tibaldi L, Valente M. Closure of fistula-in-ano with laser–FiLaC: an effective novel sphincter-saving procedure for complex disease. Colorectal disease : the official journal of the Association of Coloproctology of Great Britain and Ireland. 2014;16(2):110-5.
43. Limura E, Giordano P. Modern management of anal fistula. World journal of gastroenterology. 2015;21(1):12-20.

Diabète sucré de type 2 et insuffisance rénale

Un dentiste retraité de 72 ans souffre de diabète sucré de type 2 depuis au moins 15 ans dans le cadre d’ un syndrome métabolique. Lors de l’ examen, vous constatez une insuffisance rénale progressive. Quelles sont les considérations thérapeutiques appropriées ? Cet article présente des suggestions bien fondées.

L’ homme de 72 ans atteint de diabète sucré de type 2 de longue date a bénéficié pendant de nombreuses années d’ un bon contrôle glycémique avec la metformine et Jardiance® 10 mg par jour pendant environ 2 ans. Il a bien répondu aux deux médicaments et a atteint des valeurs d’ HbA1c de 6,5-7 %. Le patient se réjouit de recevoir la plus moderne et meilleure thérapie existante. Il
vient dans votre cabinet de médecin généraliste pour en discuter. Il s’ est acheté un glucomètre capillaire et mesure de temps en temps sa glycémie à jeun, le plus souvent autour de 8 mmol / l avec des valeurs préprandiales d’ environ 8-10 mmol / l.

Anamnèse personnelle

lDiabète sucré de type 2, diagnostiqué pour la première fois il y a 15 ans avec les lésions secondaires des organes suivantes : coronaropathie coronarienne stable et AOMI de stade IIa, polyneuropathie périphérique, insuffisance rénale chronique avec microalbuminurie.
lCardiopathie coronarienne, premier diagnostic il y a 5 ans avec une fraction d’ éjection ventriculaire gauche d’ environ 45 %.

Médicaments actuels

Metformine 1000mg p.o. 1-0-0
Jardiance 10mg p.o. 1-0-0
Atorvastatine 40 mg p.o. 1-0-0
Aspirine 100mg p.o. 1-0-0
Périndopril 5mg p.o. 1-0-0
Amlodipine 5mg p.o. 0-0-1-1

État clinique

Taille 168 cm, 78 kg, IMC 27,6 kg / m2, tension artérielle 144 / 75, pouls 64 / min, réflexes rotulien et achilléen non déclenchables, monofilament 10 / 10 des deux côtés, sens de vibration 4 / 8 des deux côtés.

Laboratoire

HbA1c 7,6 %,
eGFR selon CKD-EPI 28 ml / min (il y a 2 ans : 45 ml / min)
LDL 2,5 mmol / l
Hémoglobine 105 g / l
Vitamine B12 175 ng / l (norme > 190 ng / l)
Ferritin 64 μg / l (norme 30 – 400 μg / l
CRP 1,5 mg / l (norme < 5 mg / l)

La thérapie doit-elle être laissée telle quelle ?

Si la fonction rénale est altérée (eGFR < 30 ml / min), il faut arrêter d’ administrer la metformine et l’ inhibiteur de SGLT-2. Bien que l’ effet hypoglycémiant des inhibiteurs de la SGLT-2 diminue avec la diminution de la fonction rénale, les propriétés rénoprotectrices et cardioprotectrices demeurent intactes, ce qui est particulièrement important avec une FEVG de 45 %. Dans les études portant sur les paramètres cardiovasculaires, l’ empagliflozine (Jardiance®) et, plus particulièrement la canagliflozine (Invokana®), ont démontré un bénéfice cardiovasculaire et rénal pouvant atteindre 30 ml/min eGFR.
C’ est pour ces raisons que le traitement par Jardiance pourrait être interrompu si la fonction rénale ne se détériore pas davantage. Toutefois, en cas de maladie aiguë, de chirurgie, etc., la Jardiance doit être arrêtée immédiatement (risque d’ acidocétose).
La metformine pourrait être remplacée par un inhibiteur de la DPP-4, Trajenta® (linagliptine) 5 mg. C’ est un traitement sûr pour abaisser la glycémie, mais il n’ a pas d’ effet positif sur les critères d’ évaluation rénovasculaires et cardiovasculaires.
Si l’ IMC était de ≥ 28 kg / m2, nous pourrions aussi envisager un traitement avec un agoniste des récepteurs GLP1, par exemple l’ Ozempic® hebdomadaire (semaglutide), qui peut être administré jusqu’ à un eGFR de 10 ml / min. Il a été démontré que les GLP1-RA ont un effet positif sur les paramètres cardiovasculaires et rénaux.
Une autre possibilité serait l’ insulinothérapie (insuline de base (par exemple Tresiba® ou Glargine 300 Toujeo®) ou Ryzodeg® co-formulé (70 % d’ insuline Tresiba et 30 % de NovoRapid)), ou une sulfonylurée à action rapide sans métabolites actifs (par exemple gliclazide 30-60 mg/jour). Les deux alternatives présentent un risque d’ hypoglycémie. Les insulines ultra-longues Tresiba® et Toujeo® présentant un risque d’ hypoglycémie considérablement plus faible que les insulines NPH, les insulines mixtes (Mixtard, Humalog® Mix) ou Lantus® et Levemir®.

Le diabète sucré de type 2 est-il bien ajusté avec une HbA1c de 7,6 % ?

Tout d’ abord, la crédibilité de la valeur de l’ HbA1c doit être remise en question, car divers facteurs affectant l’ érythropoïèse peuvent rendre la valeur de l’ HbA1c erronément élevée ou faible. Dans le cas d’ une carence en vitamine B12, les valeurs d’ HbA1c sont plutôt surestimées. Dans le cas d’ insuffisance rénale chronique, elles sont plutôt faussement faibles. Les valeurs de glycémie mesurées par voie capillaire donnent une moyenne d’ environ 9 mmol / l, ce qui correspond bien à l’ HbA1c de 7,6 % et démontre que l’ effet changeant de la carence en vitamine B12 et l’ insuffisance rénale s’ annulent approximativement.
Chez les patients de 72 ans atteints de divers dommages secondaires aux organes, l’ objectif thérapeutique principal est l’ absence d’ hypoglycémie et un taux d’ HbA1c acceptable de 7,6 % (taux cible d’ HbA1c 7,5 %). Si un traitement sans risque d’ hypoglycémie est utilisé, par exemple un inhibiteur de la SGLT-2, de la GLP-1 RA ou de la DPP-4, il faudrait que le patient ait une HbA1c aussi normale que possible (< 7,0 %).
La tension artérielle systolique est légèrement trop élevée. Cependant, il ne faudrait pas non plus que la pression artérielle diastolique soit inférieure à 70 mm Hg. La grande différence entre la tension artérielle systolique et diastolique peut probablement s’ expliquer par la médiasclérose typique. Éventuellement, la dose de l’ inhibiteur de l’ ECA et/ou de l’ antagoniste du calcium pourrait être légèrement augmentée.

Pr Roger Lehmann

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

Roger.Lehmann@usz.ch

Dr Matthias Ernst

UniversitätsSpital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zurich

matthias.ernst@usz.ch

RL: Participation à des Advisory Boards et honoraires de conférencier avec Novo, Nordisk, Sanofi, MSD, Boehringer Ingelheim, Servier et Astra Zeneca.
ME: Frais de voyage et de congrès d’ Eli Lilly et Ipsen.

  • Traitement du diabète sucré de type 2 à eGFR < 30 ml / min
    – Pas de metformine (danger d’ acidose lactate)
    – Amélioration prouvée du risque cardiovasculaire et rénal :
    – Inhibiteurs de SGLT2 jusqu’ à un eGFR de 30 ml/min avec effet cardioprotecteur et renoprotecteur prouvé (baisse de l’ hypoglycémie)
    – Agonistes des récepteurs GLP1 (p. ex. Ozempic à eGFR 10 ml/min approuvé) si IMC ≥ 28 kg / m2.
  • Inhibiteurs de la DPP4 (p. ex. Trajenta 5 mg / jour) sûrs, mais sans effet bénéfique pour les paramètres cardiovasculaires et rénaux. Insuline ou sulfonylurées à action rapide sans métabolites actifs (p. ex. gliclazide)
  • « Sick day rules » : Arrêter la metformine et les inhibiteurs de la SGLT2 dans les cas de maladie aiguë, vomissements, diarrhée, chirurgie, etc.
  • Toujours remettre en question la valeur de l’ HbA1c et, en cas de doute ou de difficulté d’ interprétation dans des situations particulières, la comparer avec les mesures de glycémie capillaire.
    – Principales causes de fausses valeurs élevées d’ HbA1c : anémie ferriprive et carence en vitamine B12.
    – Principales causes de fausses valeurs faibles d’ HbA1c : insuffisance rénale chronique, néosynthèse d’  érythrocytes (par ex. carence en fer fraîchement supplémentée), anémie hémolytique et cirrhose du foie.