Experteninterviews ASCO 2019

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Roger von Moos, Chur

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Der diesjährige ASCO war mehr durch Evolution als Revolution geprägt. Die ganz grossen Überraschungen und überwältigenden News blieben aus.
Zu meinen persönlichen Highlights gehören drei Studienresultate:
Die Studie Monaleesa 7 hat prä- und perimenopausale Frauen mit einem ER-positiven Tumor in eine Gruppe mit Standard endokrine Therapie (Goserelin plus Tamoxifen oder nicht steroidaler Aromataseinhibitor) gegenüber Standard endokrine Therapie plus Ribociclib verglichen (LBA 1008). Am ASCO wurde nun der sekundäre Endpunkt Gesamtüberleben präsentiert. Das mediane Überleben im experimentellen Arm war noch nicht erreicht, im Standard-Arm betrug es 40.9 Monate. Die Landmark-Analyse nach zwei Jahren zeigte ein Überleben von 72 versus 65%. Dies sind die ersten Daten für einen CDK4/6-Inhibitor, welche einen Überlebensvorteil zeigen. Natürlich sind noch viele Fragen offen, wie welche Subgruppe am meisten profitiert und ob diese Kombination wirklich für alle Frauen notwendig sein wird.
Eine zweite kleinere Studie, welche als Poster präsentiert wurde, zeigt ebenfalls interessante Resultate. Im Rahmen einer Phase-1-Studie mit Extension Cohort wurden Patienten mit Magen- respektive Colonkarzinom untersucht (Abstract 2522). Alle Patienten hatten einen mikrosatelliten stabilen Tumor. Die Patienten wurden mit Regorafenib in steigender Dosierung zusammen mit Nivolumab behandelt. Die maximal tolerable Dosis für Regorafenib lag bei 80 mg. Die Overall Response Rate lag bei 40%, beim Colonkarzinom bei 33%, beim Magenkarzinom bei 44%. Das progressionsfreie Überleben beim Colonkarzinom lag bei 6.3 Monaten, beim Magenkarzinom bei 5.8 Monaten. Das sind sehr ermutigende Resultate für eine solch stark vorbehandelte Gruppe mit MSS-Tumoren. Auf jeden Fall sollte diese Kombination in diesen als auch anderen Entitäten weiter untersucht werden.
Last but not least zeigten die Kanadier um den Studienleiter Marc Clemons die ersten Vergleichsdaten von Denosumab alle 12 versus alle 4 Wochen (Abstract 11501). Im REaCT-BTA Trial wurden Patientinnen mit ossär metastasiertem Mammakarzinom oder Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom eingeschlossen. Ob eine Vortherapie oder keine durchgeführt wurde war egal. Der primäre Endpunkt war Quality of life, der sekundäre Endpunkt Rate der symptomatischen skelettalen Events (SSE). Die Studie lief über 1 Jahr und es wurden insgesamt 263 Patienten eingeschlossen. Betrachtet man die Subgruppe der Patienten mit Denosumab, waren 77 versus 71 Patienten in den zwei Armen. Für die Gesamtgruppe war die Studie im primären Endpunkt Lebensqualität positiv. Die postulierte Gleichwertigkeit von Denosumab alle 12 versus alle 4 Wochen mit dem Endpunkt SSE kann durch die Studiendaten aber in keiner Weise gestützt werden. Trotz interessantem Ansatz muss hier auf die SAKK-Studie 96/12 (REDUSE) gewartet werden.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Wie bereits oben erwähnt, sind die grossen Überraschungen am ASCO ausgeblieben. Möglicherweise wird aber bereits im Herbst am ESMO in Barcelona wieder Highlight nach Highlight präsentiert. Durch die stetigen sensationellen Resultate der letzten Jahre ging man natürlich auch mit sehr grossen Erwartungen nach Chicago.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Schaut man alle Resultate im Detail an, so geht es immer mehr in Richtung individualisierte Therapie. Die Möglichkeiten der therapeutischen Optionen nehmen exponentiell zu, viele Fragen aus der täglichen Praxis bleiben aber offen. So zum Beispiel: Kann ich Patienten, die nicht durch die Ein- und Ausschlusskriterien der Studien abgedeckt waren genau gleich behandeln? Sind in diesen Patienten die Toxizitäten und die Vorteile gleich? Hier haben wir leider keinerlei Antworten. Ein weiteres Problem ist die Sequenz der Therapien. Auch hier kriegen wir meist keine Antworten, ob wir zuerst die Therapie A und dann B und C nehmen sollen oder zuerst C dann A und dann B.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Wir haben wieder viele Resultate für den durchschnittlichen Patienten gehört. Welche Patientengruppe aber am meisten oder kaum profitiert, wissen wir nicht. Es sind viel mehr Anstrengungen nötig, zielgerichtete Therapien auch gezielt nur den Patienten zu verabreichen, welche am meisten profitieren. Daneben braucht es mehr Forschung zur optimalen Dosierung von Substanzen, besseres Nebenwirkungsmanagement, und Fragen zur Therapiesequenz müssen gelöst werden. In diesen Bereichen wird die SAKK weitere Anstrengungen vornehmen.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Die SAKK ist an den grossen Kongressen jeweils gut repräsentiert. Natürlich können wir nicht jedes Jahr gross auftreten, für das sind wir zu klein und das Studienportfolio in der Gesamtzahl ist zu gering. Dieses Jahr durften wir viele Gespräche mit unseren Partnern zu neuen Studienideen besprechen. Insgesamt bin ich mit den Resultaten zufrieden.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit PD Dr. med. Richard Cathomas, Chur

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Ich finde, dass ASCO dieses Jahr ein sehr gutes Motto für den Kongress gefunden hat:«Caring for every patient, learning from every patient». Tatsächlich ist das unsere tägliche Aufgabe und Herausforderung und einer der Gründe, warum die Arbeit als Onkologe Freude macht. Wenn wir zudem gemeinsam von jedem Patienten lernen und dieses Wissen weitergeben, dann können sowohl Patienten wie Ärzte von diesem grossen Erfahrungsschatz profitieren. Passend zum Motto wurden in verschiedenen Sessions die Schwierigkeiten in der täglichen Patientenbetreuung thematisiert. Dazu gehören auch Ungerechtigkeiten beim Zugang zu Therapien; dieses Thema wurde sogar in der Plenary session aufgenommen (Abstract LBA1). Diese Problematik betrifft jedoch nicht nur die USA, sondern zunehmend auch die Schweiz und daher sollten wir die Entwicklung mitgestalten.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Wie auch in anderen Bereichen, so stand der ASCO 2019 auch im urogenitalen Bereich im Zeichen einer gewissen Konsolidierung der Resultate. Insofern gab es nicht so viele neue Erkenntnisse. Etwas überraschend war, dass die Kombination von Abirateron und Enzalutamid beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) in einer grossen randomisierten Studie keine Verbesserung gegenüber einer Monotherapie mit einer der beiden Substanzen zeigte (Abstract 5008). Enttäuschend war auch das Resultat einer Studie Metformin beim mCRPC: die Zugabe von Metformin zu Docetaxel hatte keinerlei Einfluss auf die Wirksamkeit, aber führte zu etwas verstärkter Toxizität (Abstract 5004).
Als positive Überraschung zu werten ist das Resultat einer Phase-2-Studie mit dem Antibody-drug conjugate Enfortumab vedotin, das gegen Nectin-4 auf Urothelkarzinomzellen gerichtet ist. Bei stark vorbehandelten Patienten (Chemotherapie und Immuntherapie) mit metastasiertem Urothelkarzinom wurde eine Ansprechrate von 44% und ein mittleres Überleben von mehr als 11 Monaten gezeigt bei akzeptabler Toxizität (Abstract LBA4505).

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Praxisrelevant sind die Resultate der beiden grossen Phase-3-Studien für Patienten mit
metastasiertem hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC): sowohl mit der Gabe von Apalutamid (TITAN-Studie, Abstract 5006, Publikation im NEJM) wie auch mit Enzalutamid (ENZAMET-Studie, Abstract LBA2, Publikation im NEJM) kann das Überleben dieser Patienten signifikant verlängert werden. Beide Substanzen ergänzen nun die Therapieoptionen für Pateinten mit neu diagnostiziertem mHSPC. Diese Resultate bestätigen vorangehende Studien mit Abirateron sowie Docetaxel in der gleichen Population. Interessant an beiden Studien war der Einschluss von Patienten mit vorangehender Gabe von Docetaxel. Für diese Patienten schien die zusätzliche Gabe von Apalutamid oder Enzalutamid keinen Einfluss auf das Gesamtüberleben zu haben.
Wichtig ist auch das Update der CARMENA-Studie zum Einsatz der Nephrektomie beim metastasierten Nierenzellkarzinom (Abstract 4508). Die Studie wurde im vergangenen Jahr in der Plenary session vorgestellt und im NEJM publiziert, aber sehr kontrovers diskutiert. Das Update zeigt nun, dass die zytoreduktive Nephrektomie bei Patienten der intermediären Risikogruppe gemäss IMDC, die nur einen Risikofaktor aufweisen, ihren Stellenwert behält. Für Patienten mit mehr als einem Risikofaktor soll jedoch primär eine Systemtherapie begonnen werden und die Nephrektomie allenfalls im Verlauf bei gutem Ansprechen erfolgen.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Nach wie vor fehlen für die immer häufiger angewendeten Immuntherapien verlässliche prädiktive Biomarker. Trotz grosser Anstrengungen in vielen verschiedenen Studien hat sich bislang immer noch kein Marker wirklich etablieren können. Interessant in diesem Zusammenhang war eine retrospektive Analyse bei Melanompatienten , die mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt worden waren: Der Nachweis einer Erhöhung von CRP oder Interleukin-6 ist ein starker negativer prognostischer Faktor (Abstract 100). Beide Laborwerte sind einfach zu bestimmen und günstig und könnten uns im Alltag hilfreich sein.
Im Bereich des Prostatakarzinoms müssen für viele Patienten mittlerweile mehrjährige Therapien mit intensivierter Androgendeprivation vorgenommen werden. Hier erscheint es sinnvoll, Ansätze für eine Deeskalierung zu prüfen. Allenfalls könnte weniger auch mal mehr sein.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Am diesjährigen ASCO war die Schweiz weniger präsent als in den Vorjahren. Aufgrund der vielen laufenden und gut rekrutierenden SAKK-Studien in vielen verschiedenen Bereichen ist damit zu rechnen, dass sich dies bald wieder ändern wird. Die Schweiz hat den grossen Vorteil, dass wir über ein gut funktionierendes Netzwerk verfügen und so relevante Fragestellungen angehen können. Ich freue mich auf jeden Fall bereits jetzt auf die Schweizer Präsentationen an kommenden ASCO-Kongressen!

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Dieter Köberle, Basel

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Aus Sicht der Gastrointestinalonkologie waren dies zwei Studien: Die IDEA-Analyse zum Kolonkarzinom im Stadium II mit Risikofaktoren und die erste positive randomisierte Studie zur Präzisionsonkologie beim metastasierten Pankreaskarzinom. Beide Studien sind praxisrelevant und werden unter Punkt 3 näher ausgeführt. Daneben gab es ein reichhaltiges Programm zu diversen Themen der GI-Tumoren, welche interessante Erkenntnisse gebracht haben – in Summe ein hochattraktives Meeting für diesen Fokus.
Das Meeting selbst stand unter dem Namen «Caring for every patient, learning from every patient». Betreffend «Caring», bzw. «patient care» fanden sich, wie auch in den Vorjahren, zahlreiche und beachtenswerte Beiträge am ASCO-Meeting. Die Parole «learning from every patient» ist hochrelevant, da weiterhin nur ein Bruchteil der Patienten in klinischen Studien behandelt werden und die Majorität aus vielen Gründen ausgeschlossen bleibt. Der gemeinsam nutzbare Erkenntnisgewinn aus dieser riesen Ressource liegt noch brach. Das Thema «real-world evidence» hat enormes Potenzial  , die onkologische Versorgung zu verbessern, vorbehaltlich der grundsätzlichen Bereitschaft und mittelfristig der technischen Lösungen zum Datenaustausch, sowie einer übergeordneten Strategie, aus diesen Daten einen Nutzen zu generieren.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Ein Beispiel einer positiven Überraschung war für mich eine Studie aus dem UK zum metastasierten Magen- und Speiseröhrenkarzinom (Abstract 4006). Es handelt sich um die bislang grösste Studie für ältere und schwächere Patienten, bei der die Frage gestellt wurde, ob eine XELOX-Chemotherapie mit 100%, 80% oder 60% der Zieldosis gegeben werden soll, ohne dass ein relevanter Nachteil entsteht (Non-Inferioritätsstudie). Eingeschlossen wurden 512 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 76 Jahren. Mehr als die Hälfte der Patienten wurde als sehr schwach eingestuft. Betreffend Lebenszeit, wie auch progressionsfreie Zeit, ergab sich keine Unterlegenheit für die 60% Dosis, welche auch in der sogenannten «overall treatment utility» (einer Betrachtung von klinischem Profit, Patientenzufriedenheit, Toxizität und Lebensqualität) am besten abgeschnitten hat.
Eine Enttäuschung war für mich die KEYNOTE-240-Studie, welche eine Immuntherapie gegenüber BSC in der zweiten Behandlungslinie beim HCC untersucht hat. Diese randomisierte Studie hat negative Ergebnisse präsentiert. Die entstandene Enttäuschung beruht auf der (weiter bestehenden) Erwartung einer Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren beim HCC, basierend auf verschiedenen Phase-II-Studien. Weitere, gross angelegte Studien beim HCC werden folgen, weswegen es aktuell voreilig wäre, breitere Schlüsse aus der KEYNOTE-240-Studie zu ziehen.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Die IDEA-Analyse (Abstract 3505) zum Kolonkarzinom im Stadium II mit Risikofaktoren zeigt, dass man mit einer XELOX-Chemotherapie über 3 Monate den Patienten eine zeitverkürzte Alternative zu einer 6-monatigen Chemotherapie mit FOLFOX oder mit Capecitabine (mono) anbieten kann. Für mich stellt dies eine attraktive Variante für die Praxis dar.
Das Thema Olaparib beim metastasierten Pankreaskarzinom (Abstract LBA 4, vgl. auch die entsprechende Publikation im NEJM) ist ein erstes Indiz, dass ein zielgerichteter Therapieansatz beim Pankreaskarzinom möglich ist. Die praktische Umsetzung lässt aber noch viele Fragen offen. Aus meiner Sicht sollte bei jüngeren Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom, insbesondere, wenn eine Familienanamnese vorliegt und/oder ein gutes Ansprechen auf FOLFIRINOX, eine Keimbahnanalyse auf BRCA 1&2 vorgenommen werden. Bei Nachweis einer gBRCA-Mutation erweitert eine Therapie mit Olaparib das bestehende Behandlungsspektrum und verspricht bei Erreichen einer Remission unter dieser Therapie eine chemotherapiefreie Zeit von rund 2 Jahren.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Die personalisierte Onkologie macht zahlreiche Fortschritte – dazu zählte eine vielbeachtete ASCO-Präsentation zu frühen klinischen Daten von einem neuen Molekül namens AMG 510, einem oralen KRASG12C-Inhibitor. Dieser, wie auch andere KRAS-Inhibitoren werden hoffentlich die bislang verschlossene Tür zu den KRAS-getriebenen Tumoren öffnen und damit – aufgrund ihrer hohen Mutationsfrequenz – einen Meilenstein in der Onkologie bilden. Frühe Daten wohlgemerkt, die aber vielversprechend sind!

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. med. Christoph Renner, Zürich

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Bezogen auf die Hämato-Onkologie waren die High-lights recht dünn gesät. Zu erwähnen sind 2 Studien:
1. CASSIOPEIA mit der Frage der CD38 MAb - Therapie in Kombination mit dem Triplet VTD als Induktion in der Erstlinientherapie von bisher unbehandelten fitten Myleom-Patienten.
2. Venetoclax + Obinutuzumab in der Erstlinien-Behandlung komorbider CLL-Patienten für einen definierten Zeitraum von 12 Monaten.
In beiden Studien war der experimentelle (neue) Arm dem bisherigen Standard überlegen und legt damit einen Wechsel im Therapiealgorithmus nahe.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Oben genannte Resultate waren vielleicht nicht überraschend, aber haben erfreulicherweise doch gezeigt, dass Medikamente mit Wirksamkeit in sog. späteren Therapielinien auch in der Erstlinientherapie wirksam sind und sich gut mit bestehenden Medikamenten kombinieren lassen. Das ist vielversprechend. Enttäuschend aus hämato-onkologischer Sicht waren die Daten zum Hodgkin-Lymphom und den aggressiven Lymphomen, da wurden schlicht keine wegweisenden Studiendaten präsentiert.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Schwierig abzuschätzen, da sämtliche Studien bzw. die eingesetzten Medikamente in der verabreichten Form einen Off-Label use darstellen und damit einer Kostengutsprache durch die Krankenkassen bedürfen. Prinzipiell würde man aber gerne die neuen Medikamente frühzeitig zum Wohle der Schweizer Patienten einsetzen.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Patienten mit frühem Rezidiv. Dies gilt sowohl für Patienten mit Lymphomen als auch Myelomen. Für beide Entitäten gilt, dass ein frühes Rezidiv bzw. eine primär refraktäre Situation mit einer sehr raschen Krankheitsprogression einhergeht. Auch wenn zum Teil wirksame Medikamente zur Verfügung stehen, so sind die Kombinationsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt und es Bedarf einer intensiven Studientätigkeit.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Auch dies ist schwierig. Die Schweiz wird keine eigenständigen grossen Studien durchgführen können. Aufgrund der zunehmenden Fragmentierung der Erkrankungen (z.B. durch die molekulare Definition von Subgruppen) fehlen uns die Patientenzahlen. Daher können wir in der Regel nur kleinere Phase-I/II-Studien im Sinne einer «Hypothesis-generating»-Studie durchführen.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. Dr. Markus Jörger, St. Gallen

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Die wichtigsten und praktisch relevantesten Highlights dieses Jahr kamen aus den Bereichen des androgensensitiven Prostatakarzinomes, des fortgeschrittenen Magenkarzinomes und des fortgeschrittenen Pankreaskarzinomes. Die TITAN-Studie zeigte einen Überlebensvorteil durch Addition des Androgenrezeptorblockers Apalutamid zu einer konventionellen Androgenblockade in Patienten mit metastasiertem, androgensensitivem Prostatakarzinom (HR  =  0.67, P  =  0.005). Die ENZAMET-Studie untersuchte ebenfalls Patienten mit metastasiertem, androgensensitivem Prostatakarzinom, und zwar wurde Enzalutamid verglichen mit einem nichtsteroidalen Antiandrogen (Bicalutamid, Nilutamid, Flutamid), und beide Patientengruppen erhielten eine konventionelle Androgenblockade und konnten auch Docetaxel erhalten haben. Auch die ENZAMET - Studie zeigte einen Überlebensvorteil unter Enzalutamid (HR =  0.66, P  =  0.002).
Die Keynote-062 Studie untersuchte Pembrolizumab versus Standardchemotherapie versus Pembrolizumab und Standardchemotherapie in Patienten mit fortgeschrittenem, PDL1-positivem, HER2-negativem Magenkarzinom in der ersten Therapielinie. Pembrolizumab präsentierte sich als nicht-inferior gegenüber Chemotherapie, allerdings war die Kombination von Pembrolizumab und Chemotherapie auch superior gegenüber Chemotherapie. In Patienten mit einem PDL1 CPS von ≥10 war Pembrolizumab allerdings einer Chemotherapie signifikant überlegen (HR = 0.69, P < 0.05). Die POLO-Studie schliesslich untersuchte den Wert einer Olaparib-Erhaltungstherapie in Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom nach mindestens einer Krankheitsstabilisierung unter Chemotherapie. Alle Patienten hatten Keimbahnmutationen in BRCA1 oder BRCA2. Das progressionsfreie Überleben wurde durch Olaparib deutlich verbessert (HR 0.53, = 0.004), das Gesamtüberleben allerdings blieb kaum verändert (HR = 0.91, P =  0.68). Die NCCN-Richtlinien empfehlen in der Zwischenzeit die Testung von Patienten mit fortgeschrittenem Pankreaskarzinom auf BRCA-Mutationen, was auch eine entsprechende genetische Beratung mit sich bringt.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Enttäuscht haben die Resultate der ANNOUNCE-Studie, welche keinen Vorteil des anti-PDGFRa monoklonalen Antikörpers Olaratumab zu Doxorubicin gegenüber Doxorubicin- Monotherapie in Patienten mit fortgeschrittenem Weichteilsarkom zeigen konnte. Diese Resultate waren im Januar diesen Jahres bereits vom Hersteller verkündet worden und werden die provisorische FDA-Zulassung von Olaratumab in dieser Indikation beenden. Ebenfalls enttäuschend waren Resultate der APACT-Studie, welche keinen Benefit einer Hinzugabe von Abraxane zu Gemzitabine in der adjuvanten Situation beim Pankreaskarzinom aufzeigen konnte (DFS: HR = 0.88, P = 0.18). Positiv überrascht haben sehr vielversprechende Daten für einige frühklinische Substanzen beim Bronchialkarzinom, etwa JNJ-732 (28% Tumoransprechen beim EGFR-mutierten Bronchialkarzinom nach Osimertinib), U3-1402 (31% Tumoransprechen beim EGFR-mutierten Bronchialkarzinom nach Osimertinib), Poziotinib (55% Tumoransprechen beim EXON20-mutierten Bronchialkarzinom), Tepotinib (58% Tumoransprechen beim MET-Exon14 mutierten Bronchialkarzinom), BLU-667 (60% Tumoransprechen beim RET-mutierten Bronchialkarzinom) oder AMG510 (30% Tumoransprechen beim KRAS G12C-mutierten Bronchialkarzinom).

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Die Resultate der TITAN- und ENZAMET-Studien werden die neuen Androgenrezeptorblocker im Setting des metastasierten, hormonsensitiven Prostatakarzinoms einführen. Die
Daten der Keynote-062 Studie werden gewissen Patienten mit fortgeschrittenem PDL1-positivem, HER2-negativem Magenkarzinom eine Alternative zur Chemotherapie bieten.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Es gibt leider weiterhin einige Tumorentitäten, welche nur wenige Fortschritte in der Behandlung erzielen konnten, insbesondere das Glioblastom, die Sarkome sowie die kleinzelligen Karzinome. Hier herrscht der grösste Forschungsbedarf. Grosse Aufmerksamkeit dürfte das Thema «synthetische Lethalität» bei soliden Tumoren in den nächsten Jahren erhalten. Nachdem dieses Prinzip für die PARP-Inhibitoren klar aufgezeigt wurde, gibt es eine Vielzahl neuerer Substanzen, die ebenfalls zielgerichtet – und möglicherweise präferentiell in Kombination – effektiv eingesetzt werden können, etwa Inhibitoren von ATR, WEE1, CKH u.a.m.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. Reinhard Dummer, Zürich

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Im Themenbereich Hautkrebs gab es einige beachtenswerte Beiträge. Ein Schwerpunktthema war die Behandlung von Patienten mit Hirnmetastasen. Hier hat eine grosse internationale Studie den Stellenwert der adjuvanten Ganzhirnbestrahlung (zusätzlich zu stereotaktischer Bestrahlung oder Operation) untersucht. Diese sehr aufwändige Studie in der ca. 200 Patienten randomisiert wurden, zeigte ganz klar, dass die adjuvante Ganzhirnbestrahlung keinen Nutzen für Melanompatienten bringt. Dies bestätigt das Vorgehen in der Schweiz und zeigen insbesondere die Entscheidungen des Hautkrebstumorboards am Universitätsspital, die die Ganzhirnbestrahlung nur in Ausnahmefällen empfehlen.
Gleich in der anschliessenden Präsentation wurden Resultate zur Kombinationsbehandlung von Ipilimumab und Nivolumab gezeigt. Wie schon im Vorjahr konnte eindeutig gezeigt werden, dass Patienten mit kleinen Hirnmetastasen ähnlich gut auf die Kombinationsimmunbehandlung reagieren wie Patienten ohne Hirnmetasten. Die Ansprechrate im Gehirn ist durchaus vergleichbar mit der ausserhalb des ZNS. Nun wurden zusätzliche Patienten untersucht, die eine höhere Tumorlast im Gehirn zeigten. Die Auswertung dieser Patienten war leider weniger erfreulich. Nur ca. 20% der Patienten zeigten die gewünschten Resultate. Diese Remissionsrate ist etwa nur halb so hoch wie die bei Patienten mit kleiner Tumorlast im ZNS. Das bestätigt die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen, insbesondere zur Kombinationstherapie von Kinase-Inhibitoren, Immunmodulatoren und radiotherapeutischen Therapieverfahren.
Weitere Highlights waren die aktuellen Ergebnisse der neoadjuvanten Therapieansätze. Darunter verstehen wir eine Systemtherapie vor der operativen Entfernung von Melanommetastasen. Alle Therapieverfahren wurden inzwischen im neoadjuvanten Setting untersucht einschliesslich Immuntherapie, zielgerichtete Behandlung und replizierenden Herpesviren. Bei allen kommt es zu einem histologischen dokumentierten kompletten Verschwinden von Melanommetastasen, das mit einem sehr positiven Langzeiteffekt verbunden ist.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Überrascht haben mich die Resultate einer neoadjuvanten Studie mit dem replizierenden Herpesvirus T-VEC bei Patienten mit Melanom. Diese nur 12 Wochen dauernde
Behandlung hat zu einer überraschend deutlichen Verbesserung des Rezidiv-freien Intervalls geführt. Soweit beurteilbar wahrscheinlich auch zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens. Sehr vielversprechend sind auch neue rekombinante T-Zell-Rezeptoren für die Behandlung des Aderhautmelanoms. Negative Überraschungen blieben weitgehend aus. So lagen die 5-Jahres-Überlebensrate bei der Behandlung mit kombinierten Kinase-Inhibitoren (Dabrafenib und Trametinib) und die 4-Jahres-Überlebensrate mit der Kombination Encorafenib und Binimetinib in dem Bereich, der erwartet werden durfte.
Bestätigt wurden auch positive Behandlungsergebnisse mit dem Anti-PD1-Antikörper Cemiplimab bei Patienten mit fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom der Haut.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Als grosses international anerkanntes Forschungszentrum haben wir an vielen der beschriebenen Projekte federführend mitgearbeitet und kennen ihre Bedeutung. Diese Ergebnisse fliessen schon sehr früh in unsere täglichen Therapieentscheidungen ein. Insbesondere ist der Einschluss in klinischen Studien zu erwähnen. Das führt dazu, dass wir durchschnittlich neue therapeutische Verfahren 2-3 Jahre vor der Einführung einsetzen. Das gilt aktuell zum Beispiel für die Behandlung von Patienten mit einer 3-fachen Immuntherapie oder mit einer Kombinationsbehandlung aus 2 Kinase-Inhibitoren sowie einem immunmodulatorischen Antikörper. Somit werden unsere internen Algorithmen nicht geändert.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Der grösste Forschungsbedarf besteht meines Erachtens im Bereich der Biomarker. Es ist äusserst wichtig, Patienten zu identifizieren, die von bestimmten Behandlungsansätzen profitieren bzw. Patienten, die nur einen Behandlungsansatz benötigen, damit Kosten und Nebenwirkungen reduziert werden können.
Daneben ist es äussert dringend notwendig, Behandlungsoptionen für seltene Melanomformen wie das Aderhautmelanom oder die Schleimhautmelanome zu entwickeln. Entsprechende Studien sind inzwischen am Universitätsspital Zürich in der Dermatologischen Klinik etabliert worden.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Die Schweiz ist ein Land mit höchster medizinischer Qualität und mit sehr guter allgemeiner Versorgung. Das Schweizer Gesundheitssystem erhebt zu Recht den Anspruch auf einen der besten Plätze in der Welt. Leider ist dies aus meiner Sicht an internationalen Kongressen nicht genügend zu sehen. Dies liegt in erster Linie daran, dass die Fallzahlen in klinischen Studien eingebracht werden und die Fallzahlen für Biomarker-Analysen zu gering sind. Hier wäre es zwingend notwendig, dass die universitären Zentren, die diese Forschung vorantreiben, durch die niedergelassenen Onkologen besser unterstützt werden und Patienten gezielt zur Behandlung in klinischen Studien zugewiesen werden. Leider sehe ich in den letzten Jahren genau die gegenteilige Entwicklung. Unter wirtschaftlichem Druck macht man erst einmal das, was man auch peripher machen kann und schickt den Patienten erst spät, oft ist es dann schon zu spät für klinische Studien. Ein Umdenken wäre dringend angezeigt.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit PD Dr. Aurelius Omlin, St.Gallen

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Das Highlight am ASCO ist jeweils die Interaktion mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. Dieser Austausch, die Diskussionen und Interpretationen helfen, das neu erworbene Wissen in den Kontext der bestehenden Informationen zu integrieren.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Gross überraschende Erkenntnisse gab es dieses Jahr keine am ASCO, aber es gibt immer Erweiterungen und neue Aspekte, welche evtl. auch in Zukunft wichtig sein könnten. Interessant waren die Daten aus dem Royal Marsden/ICR zur PSMA-Expression an Tumorbiopsien, präsentiert von Dr. Paschalis. Die grosse Intra- und Inter-Patienten-Variabilität war uns so sicher nicht bewusst. Diese Information kann wichtig sein bei der Interpretation von Daten zur Radio-Liganden-Therapie (RLT) mittels Lutetium-177 (Lu-177) markierten PSMA-Antagonisten. Diese Therapie ist in der Schweiz noch nicht verfügbar und bislang liegt nur eine prospektive Studie mit weniger als 50 behandelten Männern vor, grosse
prospektive und randomisierte Studien sind am Laufen.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Zwei Studien wurden zum metastasierten kastrations-sensitiven Prostatakarzinom präsentiert (TITAN, ENZAMET), welche zeigen, dass die neuen Androgenrezeptor-Antagonisten Apalutamide und Enzalutamide in Kombination mit ADT zu einem Gesamtüberlebensvorteil führen gegenüber ADT alleine. Allerdings gibt es in dieser Indikation bereits zwei therapeutische Optionen (Abiraterone und Docetaxel) und somit stellen die neuen Resultate mehr eine Erweiterung der Therapie-Möglichkeiten in diesem Bereich dar.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Beim Prostatakarzinom sind es ganz klar prädiktive Marker, welche bislang leider mehrheitlich fehlen. Dies hat vor allem Auswirkungen bei der Wahl der Therapien, es gilt überwiegend noch der «one-size fits all»-Approach.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Im Uro-onkologischen Bereich war, soweit ich das überblicken kann, die Schweiz nur minimal vertreten. Prof. Silke Gillessen hat eine Education Session zum Thema «Disparities in Prostate Cancer» geleitet und eine Discussion von 3 Abstracts in der Session «Symptoms and Survivorship» geführt.

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit Prof. Dr. Silke Gillessen, St.Gallen

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Aus der Perspektive des Urogenitalkarzinoms ist für mich das Highlight die ENZAMET-Studie, in der getestet wurde, ob die Zugabe von Enzalutamid, einem der neueren Androgenrezeptor-Antagonisten, zu ADT bei Start der ADT-Therapie, also in der kastrastions-sensitiven/naiven Situation, das Überleben verbessert. Das Gesamtüberleben war durch diese Kombinationstherapie klar signifikant verbessert. ENZAMET ist die Studie einer kollaborativen Gruppe und keine Firmenstudie, was einmal mehr zeigt, dass man gute akademische Studien machen kann.
Generelles Highlight ist, wie die «medicaid expansion» im Rahmen des ACA (Affordable Care Act) klar die «racial disparities» bei «access to care» reduziert hat. Ich denke, ein Thema das in den USA besonders dominant ist, aber auch bei uns in der Schweiz wichtig ist. Die Unterschiede in verschiedenen Bevölkerungsschichten in Bezug auf Information, Prävention, Frühdiagnose und Behandlung sind auch in Europa vorhanden und sollten angegangen werden.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Ich war positiv überrascht, wie viel man durch eine gesundheitspolitische Änderung erreichen kann, auch wie relativ schnell das gehen kann.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Auch wieder die Erkenntnisse aus der ENZAMET-Studie. Sobald die Zulassung erfolgt ist, ergibt sich mit Enzalutamid in Kombination mit ADT eine weitere Option für Männer mit einem neu diagnostizierten metastasierten Prostatakarzinom.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

«Best use» von zugelassenen Medikamenten und die Erforschung einiger seltener Krebsarten.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Leider habe ich nicht viel Schweizer Studien gesehen, aber ich habe in meiner Discussion in der Oral Survivorship Session, die REDUSE (SAKK 96/12) Studie erwähnt, meines Erachtens eine sehr wichtige Studie, die vor allem dank des grossen Engagements von Prof. Roger von Moos durchgeführt wird. Wir müssen unbedingt mehr Werbung dafür machen, damit die Zentren Patienten in die Studie einschliessen und wir diese bald abschliessen können. Man wartet auf diese Resultate!

Eleonore E. Droux

Im Gespräch mit PD Dr. med. Arnoud Templeton, Basel

Welches waren für Sie die Highlights am diesjährigen ASCO?

Wenn in der Plenary session eine akademische Prostatakarzinom-Studie präsentiert wird, ist das sicher ein Highlight.

Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?

Mir fallen gleich zwei Beispiele ein, die zeigen wie wichtig Phase-3-Studien sind: Nachdem Olaratumab zur Behandlung von Sarkomen bereits zugelassen war (in Ergänzung zu Doxorubicin), war die Phase-3-Studie klar negativ. Oder: Avastin bei metastasiertem Urothelkarzinom sah in einer einarmigen Studie super aus, hat aber in der randomisierten Phase- 3-Studie überhaupt nichts gebracht. Positiv überrascht war ich z.B. über die Wirkung von Enfortumab vedotin, einem Antibody Drug Conjugate, bei metastasiertem Urothelkarzinom nach vielen Vortherapien. Aber auch hier gilt: Jetzt braucht es randomisierte Studien.

Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis die grösste Bedeutung?

Enthusiasmus für Neues ist gut, eine kritische Reflektion über Neues aber mindestens so wichtig.

Welches sind die Bereiche mit dem noch grössten Forschungsbedarf?

Kosten-Nutzen-Analysen neuer Therapien und Verfahren.

Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ASCO repräsentiert?

Mein Eindruck war, dass am diesjährigen ASCO Referenten und Arbeiten aus der Schweiz und Europa klar unterrepräsentiert waren.

Eleonore E. Droux

Innovation – Frühjahrskongress SGAIM 2019

Der traditionelle wissenschaftliche Kongress der SGAIM fand auch dieses Jahr im Congress Center Basel statt und stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Frau PD Dr. med. Esther Bächli und Prof. Dr. med. Thomas Fehr. Das Kongressthema «Innovation» erwies sich nicht nur als zeitgemäss, sondern vielmehr als äusserst fruchtbar, da es geradezu einlud, das Thema von allen Seiten her zu beleuchten. So resultierte ein gelungener Anlass, welcher mit seinen vielfältigen Facetten allen Bedürfnissen in Spital und Praxis zu genügen vermochte.

Wie wurde das Motto «Innovation» umgesetzt? Es war der erste papierlose Kongress der SGAIM, was den Teilnehmern erlaubte, den Kongress bereits vor Antritt detailliert zu planen und während dem Kongress vermehrt mit den Veranstaltern in den Dialog zu treten. Sodann wurden neben den altbewährten Veranstaltungen dem Nachwuchs in Klinik und Forschung die Möglichkeit zu neuartigen Posterpräsentationen geboten unter dem Motto «kein Beitrag ohne eine Form von Präsentation und Feedback». Unter dem Eindruck von sich immer wieder verändernden bahnbrechenden neuen Erkenntnissen in der Medizin wurden in ausgewählten Bench-to-bedside Referaten exemplarisch die Entwicklungen von der Zellkultur bis zum Patienten gezeigt. In Pro/Con Sessions wurde der Diskurs geführt, welche Innovation bei welchen Patienten angewandt werden soll – im Sinne von gelebter «smarter Medizin». Aber auch für die Diskussion von Kehrseiten der Innovation stand genügend Raum zur Verfügung, so zur Debatte über die hohen Preise moderner Therapieformen, Fragen der Datensicherheit und -Zuverlässigkeit im Zusammenhang mit eHealth sowie Perspektiven der ärztlichen Honorierung.

Workshop Dr. med. Adrian Forster «Arthrose – konservative Therapien: was gibt es Neues?»

In seinem Workshop «Arthrose – konservative Therapien: was gibt es Neues?» erläuterte Dr. med. Adrian Forster, Zürich, die wichtigsten Neuerungen in der konservativen Behandlung einer Arthrose, wobei er seine Ausführungen auf das Kniegelenk fokussierte, welches am besten untersucht ist und dessen prothetische Behandlung tendenziell weniger problemlos ist als zum Beispiel die der Hüfte. Er basiert seine Ausführungen auf die OARSI Guidelines (2014), welche der physikalischen Therapie einen höheren Stellenwert zumisst als der medikamentösen.

Nicht-medikamentöse Massnahmen

Es ist üblich, Arthrosepatienten zu Gymnastik sowie Kraft- und Ausdauertraining zu motivieren. Dabei war lange Zeit unklar, welchen Einfluss Laufen auf die Entwicklung einer Gonarthrose ausübe. Diese Frage klärte eine im vergangenen Jahr publizierte Studie: 1854 Patienten wurden über 5 Jahre bezüglich Kniegelenkersatz bei Arthrose untersucht in Abhängigkeit von Ausmass und Geschwindigkeit von Gehen. Dabei erwies sich eine Gehgeschwindigkeit von 100 Schritten pro Minute als kritisch, langsameres Gehen blieb ohne Einfluss auf die Entwicklung einer Arthrose, während schnelleres Gehen diese signifikant zu hemmen vermochte (Master J. et al. ACR Meeting 2018).
Die Diskussionen, ob es mit Medikamenten gelinge, den Verlauf einer Arthrose zu beeinflussen, empfindet der Referent als bemühend in Anbetracht der Tatsache, dass es eine Therapie, nämlich Gewichtsreduktion gibt, deren Effektivität hieb und stichfest bewiesen ist. Sie wirkt sich nicht nur positiv auf Funktion und Schmerzen eines erkrankten Gelenkes aus, sondern bewirkt auch eine signifikante Verlangsamung der Degradation des Knorpels. Der Nutzen der Gewichtsabnahme ist am grösstem, wenn diese durch eine Kombination von Diät und körperlichem Training herbeigeführt wird (Gerrsing AS et al 2019), und mit Diät besser als mit alleinigem Training. Die Frage nach dem Nutzen einer lateralen Fersenkeileinlage bei medialer Kniegelenksarthrose wurde kürzlich in einer Studie untersucht, bei der Femoropatellararthrosen sorgfältig ausgeschlossen worden waren. Nach 8 Wochen konnte ein klarer Effekt bezüglich Schmerzlinderung nachgewiesen werden, jedoch mit geringer Effektgrösse (Felson DT et al. 2019). Aber immerhin denkt der Referent, dass sich bei rein medialer Kniegelenksarthrose ein Versuch rechtfertigt.

Medikamentöse Therapie von Arthroseschmerzen

Dazu werden 2 Studien referiert, einerseits der Vergleich von Cox-2-spezifischen versus unspezifische Antirheumatika und andererseits Voltaren gegenüber Naproxen. In einer vom Pfizer durchgeführten Studie wurde bei Patienten mit bekanntem kardiovaskulären Risiko Celebrex mit Naproxen verglichen, wobei sich bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse kein Unterschied nachweisen liess. Ibuprofen war in sehr hoher Dosis geringgradig um 13% schlechter (Nissen SE et al 2016). Bezüglich gastrointestinaler Ereignisse war Celecoxib um rund 29-35% besser als Ibuprofen/Naproxen, allerdings erhielten alle Patienten gleichzeitig einen PPI. Bezüglich Ereignisse der Niere war Ibuprofen etwas schlechter, sodass der Referent zum Schluss kam, dass man Arthrosepatienten mit 200 mg Celecoxib täglich nicht schade und dass diese Substanz bezüglich gastrointestinaler und renaler Ereignisse etwas besser abschneide als die übrigen Antirheumatika. Eine 2. Studie untersuchte die Inzidenz von Myokardinfarkten bei Patienten mit Spondylarthritis oder Arthrose unter Diclofenac oder Naproxen. Patienten mit Spondylarthritis hatten unter Diclofenac ein dreifach erhöhtes Risiko, einen Myokardinfarkt zu erleiden, als unter Naproxen. Auch bei Patienten mit Arthrose war die Inzidenz signifikant, aber absolut nur geringgradig erhöht. Diese Studie bestätigt das hohe kardiovaskuläre Risiko von Diclofenac und der Autor empfiehlt, diese Substanz Patienten mit einem kardiovaskulären Risiko vorzuenthalten.
Vor dem Hintergrund der aktuell in den Vereinigten Staaten laufenden Prozesswelle wegen der dortigen Opioide-Epidemie hält der Referent fest, dass Patienten mit chronischen Schmerzen von Opioiden nicht profitieren. Wenn auch die Schmerzen geringgradig beeinflusst werden können, ist das Aktivität- und Partizipationsniveau unter Opioiden schlechter und auch die Lebensqualität wird negativ beeinflusst. Patienten mit einer Opioidmedikation vor Knie-Arthroplastik hatten 6 Monate postoperativ ein signifikant schlechteres Resultat als Vergleichspatienten (Smith SR et al. 2017). In einer randomisierten Studie an 240 Patienten im Durchschnittsalter von 58 Jahren führte eine Opioidmedikation im Vergleich zu einer üblichen Schmerzmedikation über 12 Monate nicht nur zu keiner Verbesserung der Schmerzen allgemein, sondern auch zu einer Verdoppelung der Rate an Nebenwirkungen (Krebs EE et al 2018).

Intraartikuläre Therapien: Eine vor 2 Jahren publizierte Studie hilft, die Wirkung von intraartikulären Steroiden auf die Knorpeldichte zu beurteilen. Nach 3-monatlichen Injektionen von Steroiden liess sich nach 24 Monaten eine Verdoppelung der Abnahme der Knorpeldicke von 1 mm unter NaCl auf 2 mm unter Triamcinolon nachweisen (Mc Alindon TE et al. 2017). Der Referent hält fest, dass Steroide intraartikulär bei einer aktivierten Arthrose nach wie vor sinnvoll sein können, er warnt aber vor repetitiver Steroidinjektion. Die Viskosupplementation mit Hyaluronsäure wird kontrovers diskutiert, wenn auch eine gewisse Wirkung anerkannt ist, ist deren Ausmass umstritten. Eine Studie verglich die Zeit von der Erstkonsultation bis zur Implantation einer Kniegelenkprothese von Kohorten ohne und mit Hyaluronsäure. Während es ohne Supplement im Schnitt 326 Tage dauerte bis zur Prothese profitierte die Gruppe mit Hyaluronsäure von einer Wartezeit von 908 Tagen, was einer Verlängerung von 582 Tagen entspricht (Altmann R et al 2016). Die Aspiration zur vollständigen Entleerung des Kniegelenks vor Viskosupplementation führt nach 25 Wochen zu einem deutlich besseren Therapieeffekt. Derzeit ist eine Vielzahl von Substanzen zur intraartikulären Anwendung in klinischer Entwicklung, einige Substanzen befinden sich in Phase II, die meisten in Phase III, sodass in den nächsten Jahren mit einigen Fortschritten, vor allem von zellbasierten Substanzen gerechnet werden darf.
Zum Einsatz von Bisphosphonaten bei Patienten mit Kniegelenksarthrose konnte eine Studie zeigen, dass die Inzidenz von Kniegelenksersatz über einen Beobachtungszeitraum von 3 Jahren von 29/1000 auf knapp 22/1000 gesenkt werden konnte. Der Referent schliesst daraus, dass Arthrosepatienten, bei welchen aus anderen Gründen eine Indikation für den Einsatz von Bisphosphonaten besteht, sicher ohne Schaden in Bezug auf Gelenke behandelt werden können.
Als Schlussfolgerung wird festgehalten, dass jede einzelne Massnahme zur konservativen Therapie der Arthrose eine kleine Effektgrösse aufweist, dass die Behandlung aber umso erfolgreicher wird je multimodaler sie erfolgt.

«Track Family Doctors» Prof. Milo Puhan «Lungenkarzinom: Braucht es ein Screening Programm für die Schweiz»

Die Sitzung «Track Family Doctors» wird eröffnet durch Prof. Milo Puhan, Zürich, der seinem Referat «Lungenkarzinom: Braucht es ein Screening Programm für die Schweiz» folgende Probleme zu Grunde legt: Das Lungenkarzinom ist in der Schweiz häufig und verursacht hier einen von 20 Todesfällen. Weltweit gesehen ist das Lungenkarzinom mittlerweile Todesursache Nummer 12. Das 5-Jahres-Überleben ist trotz aller modernen Medikamente immer noch tief, wobei sich die Schweiz nicht wesentlich von anderen europäischen Ländern unterscheidet. Von den Männern leben nach 5 Jahren noch knapp und von den Frauen noch gut 15%. Gegenwärtig rauchen immer noch rund 30% aller Bewohner der Schweiz, das Einstiegsalter liegt in den meisten Fällen zwischen 14-20 Jahre. Ein Tabakproduktegesetz, das Minderjährige schützt, hätte das Potenzial, zu einer tieferen Raucherprävalenz mit vielen positiven Folgen zu führen. Um das zu erreichen ist in Anbetracht der Tabak- und industriefreundlichen Politik in der Schweiz eine enorme Anstrengung von Nöten.
Die Hoffnung für ein Lungenkarzinom-Screening beruht darauf, dass der Ersatz einer symptombasierten Diagnose durch eine screeningbasierte Diagnose zu einem Stageshift führt, in welchem potenziell mehr Betroffene kurativ therapiert werden können. Dabei ist bekannt, dass ein Lungenkarzinom-Screening mit einem Röntgenthorax die Mortalität nicht senkt. Geschichtlich betrachtet war die 2006 publizierte Elcap-Studie die erste, welche die Hoffnung aufkommen liess, dass mit einem tiefdosierten CT Lungenkrebs in einem früheren Stadium diagnostiziert werden könne. Von 484 diagnostizierten Lungen Karzinomen befanden sich 85% in einem Stadium I. Das Problem der Studie war die Tatsache, dass bei ihr der potentielle Schaden einer Screening-Untersuchung nicht systematisch erfasst wurde und dass sich deshalb über den Nettonutzen der Screening-Untersuchung keine Aussage machen liess. Dieses Manko wurde im 2011 publizierten amerikanischen National Lung Screening Trial (NLST) beseitigt, 53.454 Teilnehmer im Alter von 55-64 Jahren mit über 30 Pack-Years oder weniger als 15 Jahre Exraucher wurden 3-jährlichen Screenings mit low dose CT in hochspezialisierten Zentren unterzogen. Pro Jahr fanden sich bei 24% der untersuchten positive Befunde, wovon 96% falsch positiv waren. 16 Patienten starben innert 60 Tagen an Komplikationen des diagnostischen Work-ups. Trotzdem konnte durch die Massnahme die Mortalität infolge Lungenkarzinom um 20% reduziert werden und die Gesamtmortalität um 7%. Derzeit ist eine Reihe von Studien mit unterschiedlichen Protokollen im Gang, kürzlich wurde die italienische MILD-Studie publiziert mit einer Reduktion der Lungenkrebsmortalität um 39% und bei der berühmten europäischen Nelson-Studie, deren Publikationen unmittelbar bevorsteht, wurde an Kongressen über eine Reduktion der Mortalität bei Männern um 26% und bei Frauen um gar 39% nach 10 Jahren berichtet. Die Nelson-Studie unterscheidet sich von der amerikanischen Studie in 2 wichtigen Punkten, einerseits wurden die radiologischen Veränderungen nicht unmittelbar behandelt, sondern beobachtet und bei Veränderung behandelt. Andererseits basiert die Diagnostik auf der Bestimmung des Volumens von pathologischen Befunden, was zusammen zu einer markanten Senkung von falsch positiven Resultaten von 23,3 auf 1,6% führte bei unveränderter Rate von richtig positiven Befunden (1,1 versus 1,0%), die Rate an Diagnosen im Stadium I lag mit 63 respektive 64% hoch. Bei der Einschätzung von Nutzen und Schaden einer Screening-Untersuchung stehen dem Nutzen in Form einer reduzierten Mortalität und Morbidität der potentielle Schaden in Form von Strahlenbelastung, invasiven Abklärungen oder Therapienebenwirkungen sowie Kosten entgegen. Als Globalparameter gelten die Gesamtmortalität, die gewonnenen Lebensjahre oder QALYs. Dabei ist zu bedenken, dass beim Screening die absoluten Zahlen praktisch immer sehr tief sind. Beispiel Lungenkrebs: ohne Screening versterben 14 von 1000 Personen, mit Screening 10-11. D.h. das Screening von 1000 Personen führt zu einer Reduktion um 3-4 Sterbefälle. In dieser Situation ist die Balance von Nutzen und Schaden und Kosten besonders kritisch und ist abhängig von Einschlusskriterien und der Art der Durchführung des Screenings.
Um zu untersuchen, wie ein Lungenkarzinom-Screening in der Schweiz am besten eingeführt werden könne, wurde eine Studie zur Kosteneffizienz in europäischen Ländern mit hoher Prävalenz von Rauchern in Abhängigkeit verschiedener Faktoren durchgeführt und im vergangenen Jahr publiziert. Mittels Mikrosimulation wurde das Leben einzelner Personen analysiert, ausgehend von einer Kohorte, welche zwischen 1935 und 64 geboren war und bis 2015 verfolgt wurde. Es gelang so, unter Annahme verschiedener Screeningsstrategien die Anzahl von Todesfällen in Relation zu setzen zur Anzahl von verhüteten Todesfällen, gewonnenen Lebensjahre und falsch positiven Resultate sowie den entstehenden Kosten. Diese Strategie erlaubte, die Kosteneffizienz des Screenings zu berechnen, die sich pro gewonnenes Lebensjahr in der Grössenordnung von 27 500-37 800 Fr. bewegte.
Der Referent kam zum Schluss, dass beim Lungenkarzinom Screening mittels low dose CT in der Schweiz die Balance von Nutzen-Schaden-Kosten von den Einschlusskriterien, den Rauchstopp Angeboten und dem Umgang mit falsch-positiven Befunden abhängt. Ein Screeningsprogramm sollte nur mit klar definierten Standards, in dafür qualifizierten Zentren und mit Evaluation stattfinden. Eine ausgewogene Information und bewusste Entscheidungsfindung zur Teilnahme sind sehr wichtig. Als nächster Schritt ist eine sorgfältige Abklärung notwendig, was für die Schweiz Sinn machen würde.

Dr. med. Philipp Bruggmann «Hepatitis C: ist die Elimination von HCV in der Schweiz realisierbar?»

In der gleichen Sitzung referiert Dr. med. Philipp Bruggmann, Zürich, abschliessend über das Thema «Hepatitis C: ist die Elimination von HCV in der Schweiz realisierbar?». In der Schweiz leiden rund 40 000 Personen an einer chronischen Hepatitis C. Diese Erkrankung ist der häufigste Grund für Leberkrebs und Lebertransplantation. Die jährliche Mortalität beträgt 200 und hat diejenige infolge HIV schon vor Jahren überschritten. 74% aller Erkrankten sind zwischen 1950 und 1979 geboren. Die Folgen einer chronischen Infektion sind neben Leberzirrhose und Leberkrebs Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Depression, Diabetes Typ 2, Arthritis, Hautveränderungen, Glomerulonephritis und Lymphome. In gesellschaftlicher Hinsicht kommt es zu Stigmatisation. Zur Testung auf Hepatitis C empfiehlt der Referent die Entnahme einer Blutprobe, darin werden zuerst HCV Antikörper bestimmt und erst sekundär, wenn diese positiv sind, die HCV RNA. Auf die Bestimmung des HCV Genotyps darf heute primär verzichtet werden. Die Therapie der Hepatitis C hat seit 2014 einen Quantensprung gemacht, die Heilungsrate ist unter den heutigen direkt wirkenden antiviralen Medikamenten (DAA) auf über 95% angestiegen bei deutlicher Abnahme von Komplexität und Nebenwirkungsrate. Der Verein Hepatitis Schweiz strebt in seinem aktuellen Strategiepapier die Elimination der Hepatitis C in der Schweiz bis 2030 an. Berechnungen zeigen, dass dieses Ziel erreichbar ist, falls in der Schweiz die Rate an Diagnosen und Behandlungen um 30% gesteigert werden. Dabei zeigt eine Berechnung der Kosteneffektivität, dass die Behandlung aller Individuen mit chronischer Hepatitis C kosteneffizient ist. Um das Ziel zu erreichen, wären zum Beispiel in der Schweiz 2019 4000 Behandlungen notwendig. Der aktuelle Trend weist jedoch eine fallende Tendenz auf in Richtung von weniger als 2000 Behandlungen im laufenden Jahr.

HepCare wurde vom Netzwerk Schweizer Hepatitis-Strategie entwickelt, welches von Hepatitis Schweiz koordiniert wird, und ist eines der Schlüsselprojekte zur Erreichung des Eliminationsziels. Darin sollen die Grundversorger eine wesentliche Rolle spielen und ihren Patienten die neuen Behandlungen in der Praxis verabreichen können. Dabei arbeiten sie mit einem Spezialisten im Hintergrund zusammen, welcher für die Rezeptausstellung und die Beratung beigezogen werden muss. Für weiterführende Informationen verweist er auf https://www.hepcare.ch/grundversorger.php.
Der Referent kommt zum Schluss, dass die Elimination der Hepatitis C in der Schweiz ein realistisches Ziel darstellt und kosteneffektiv ist. Dazu sind Anstrengungen nötig, um das Bewusstsein um die Erkrankung, deren Diagnostik und Behandlung zu verbessern. Im Rahmen des Projekts HepCare können Grundversorger Ihre Patienten mit Hepatitis C direkt in der Praxis behandeln.

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

Eine Gletschertour

Diese Gletschertour sind wir mit der ganzen Familie bereits einmal vor vier Jahren gegangen, einmal bis zum Pass, und einmal bis zum Refuge des Bouquetins. Schon damals war ich erschüttert angesichts des Gletscherschwundes, der seit meiner Jugendzeit und der alljährlichen Gebirgsausbildung im Centre Alpin d’Arolla stattgefunden hat. Der Bas Glacier d’Arolla ist zu einem Nichts zusammengeschrumpft, unvorstellbar, dass wir auf ihm damals Spaltenrettung trainiert hatten. Selbst der Glacier du Mont Collon weist bereits ein grosses eisfreies Fenster auf. Der Gletscherarm des Glacier de Vuibé, der unterhalb der Pointe des Vignettes herunterfloss und erfüllt war vom Krachen der berstenden Séracs, ist mittlerweile ganz verschwunden. Wir schätzen, dass die Zunge des Haut Glacier d’Arolla, den wir heute erneut begehen wollen, sich in den letzten vier Jahren um gut 40 Meter zurückgezogen hat.

Wir beginnen unseren Aufstieg (August 2017) beim Parkplatz von Les Magines, der bei der letzten Hahrnadelkurve der Talstrasse nach Arolla gelegen ist. Dieses erste Wegstück, das entlang der Borgne d’Arolla bis zum Vorfeld des Bas Glacier d’Arolla führt, ist leider teils asphaltierte, teils naturbelassene Fahrstrasse. Vor uns dominiert der mächtige Klotz des Mont Collon, der zum Dent Blache-Gebirgssockel gehört und ganz aus dem basischen Eruptivgestein Gabbro besteht. Eher ungewöhnlich ist, dass dieser von sauren Magmen begleitet wird, weshalb wir auf unserer Tour immer wieder auf farbige Granite stossen. Der gesamte Talabschluss wird von mehreren Tunnels durchzogen, die die verschiedenen Stauseen zwischen Zermatt und Grande Dixence verbinden.

Am Ende der Fahrstrasse, beim früheren Parkplatz im Gletschervorfeld, folgen wir gegen Südosten dem Hüttenweg der Cabane de Bertol bis in das Tälchen oberhalb der Zugangsstollen mit der Madonnenstatue, wo der Pfad zum tiefer liegenden südlichen Teil der Plan de Bertol abzweigt. Eine Tafel erinnert hier an den Tod eines Mädchens, das im ersten Schnee verloren ging und in der Blütezeit der ersten Bergblumen des darauffolgenden Jahres wieder gefunden wurde. Auf Plan de Bertol beeindruckt der Blick über den Eisabbruch des Glacier du Mont Collon hinaus zum Petit Mont Collon und Pigne d’Arolla, dessen Normalroute gegenüber früher keine reine Eistour mehr ist (Abb. 1). Seine Nordwand, einst eine bekannte Eiswand, ist mittlerweile vollständig ausgeapert.
In einem kurzen Abstieg erreichen wir das Tal des Haut Glacier d’Arolla zwischen Mont Collon und der Gipfelkette der Bouquetins. Wir passieren zahlreiche Murgänge, die die Instabilität der Moränenhänge unterhalb der Dents de Bertol erkennen lassen. Kurz vor der Gletscherzunge beginnt die blau-weisse Wegmarkierung. Vor vier Jahren erreichte man über den seitlichen Eisrand die Mittelmoräne des Gletschers. Dieses Mal ist der östliche Gletscherrand von Spalten durchzogen, sodass wir eine schmale, von Geröll bedeckte Eisrippe benutzen müssen, um auf den Gletscher zu gelangen.

Wir folgen der Mittelmoräne bis auf Höhe der im Westen gelegenen Mitre de l’Evêque und wenden uns erst dann in Richtung des vom Col de l’Evêque herunterziehenden oberen Teils des Gletschers. So umgehen wir das westlich gelegene Spaltenfeld. Oberer und unterer Teil des Haut Glacier d’Arolla haben ihre Verbindung verloren. Das Gelände dazwischen ist instabil und birgt teilweise noch Eis unter den Geröll- und Schuttmassen (Abb. 2). Deshalb kann der Routenverlauf in Abhängigkeit der aktuellen Verhältnisse stark variieren. Vor vier Jahren stiegen wir über die nördliche Moräne zum Col Collon auf, der südwestlich des Felszackens der La Vierge gelegen ist. Dieses Mal müssen wir das südliche Moränenfeld wählen, da die alte Route unter Muren längst begraben worden ist.
Der Col Collon ist mittlerweile ebenfalls frei von Eis und Firn. Zurück bleibt auf der italienischen Seite ein kleiner Gletschersee. Unmittelbar unterhalb des Passes überraschen uns zwei Steingeissen mit ihren Jungen (Abb. 3). Zuerst beobachten sie uns, dann beginnen sie in atemberaubender Weise herumzuklettern, als wollten Sie uns Zweibeinern zeigen, wie man sich wirklich elegant im schwierigen Gelände bewegt. Nach ausgiebiger Rast kehren wir auf demselben Weg nach Arolla zurück (Abb. 4).

Abb. 4: Routenverlauf

Gutes Wetter vorausgesetzt, handelt es sich um eine einfache Gletschertour. Nebel kann die Orientierung allerdings wesentlich erschweren, da die Stangenmarkierungen auf dem Gletscher wenig zuverlässig sind und diese im Übergang zum oberen Gletscherfeld gänzlich fehlen. Es empfiehlt sich, Eispickel, Steigeisen und Seil dabeizuhaben, da die stetigen Veränderungen des Terrains einzelne Passagen ohne Hilfsmittel deutlich erschweren können. Wer nicht gletscherkundig ist, dem sei der Weg bis zur Gletscherzunge trotzdem empfohlen, da er Einblick in eine gewaltige Gebirgslandschaft bietet. Der Unermüdliche mag auch noch das nicht bewirtete Refuge des Bouquetins besuchen wollen. Zu beachten sind die Spalten westlich der Hütte, die man gegen Süden umgeht. So erreicht man auch den im Süwesten der Schutzhütte beginnenden Pfad, über den man das rund hundert Meter höher gelegene Biwak erreicht. Dieser Umweg beansprucht hin und zurück rund zwei Stunden und sollte in seiner Länge nicht unterschätzt werden.

Aufgepasst

In dieser Rubrik werden Berg- und Schneeschuhwanderungen vorgestellt, die in der Regel wenig bekannt sind, zu aussergewöhnlichen Orten führen und die Genugtuung einer besonderen persönlichen Leistung bieten, sei es, dass man sich am Abend nach der Arbeit noch zu einer kleinen körperlichen Anstrengung überwindet, bzw. sich in ein oder zwei Tagen abseits breit getretener Wege unvergessliche Naturerlebnisse erschliesst. Zur besseren Beurteilbarkeit des Schwierigkeitsgrades der Tourenvorschläge wird jeweils eine Einschätzung anhand der SAC-Skala für Berg- (B, EB, BG) und für Schneeschuhwanderungen (WT 1 – 6) gegeben. Die schwierigste Wegstelle, unabhängig von ihrer Länge, bestimmt jeweils die Gesamtbewertung der Route. Letztendlich bleibt aber jeder selbst für die Beurteilung seiner Fähigkeiten und Eignung für die vorgestellte Wanderung verantwortlich. Die Gehzeiten sind Richtwerte und gelten für normal trainierte Wanderer. Sie müssen nicht zwingend mit den Angaben auf Wegweisern übereinstimmen.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz

Vorhofflimmern betrifft rund 2% der Bevölkerung mit einer dreifach höheren Inzidenz in der älteren Population. Die Herzinsuffienz ist eine weitere Erkrankung der Alters und rund 20% der herzinsuffizienten Patienten leiden unter Vorhofflimmern. Herzinsuffizienz erhöht zum einen das Risiko für das Auftreten von Vorhofflimmern und hat zum anderen eine schlechtere Prognose bei Vorhofflimmern. Die Koexistenz der beiden Erkrankungen ist also häufig und es ist oft unklar, ob das Vorhofflimmern Folge oder Ursache einer Herzinsuffizienz ist.

La fibrillation auriculaire touche environ 2% de la population, avec une incidence trois fois plus élevée chez les personnes âgées. L’  insuffisance cardiaque est une autre maladie liée à l’  âge et environ 20% des patients souffrant d’  insuffisance cardiaque souffrent de fibrillation auriculaire. L’  insuffisance cardiaque augmente le risque de fibrillation auriculaire, d’  une part, et le pronostic est pire pour la fibrillation auriculaire, d’  autre part. La coexistence des deux maladies est donc fréquente et il est souvent difficile de savoir si la fibrillation auriculaire est le résultat ou la cause de l’  insuffisance cardiaque.

Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz ist eine klinische Manifestation mit charakteristischen Symptomen und variabel vorhandenen typischen Zeichen. Ursache hierfür ist eine zugrundeliegende strukturelle oder funktionelle Herzerkrankung, die in einem reduzierten kardialen Output und/oder erhöhten intrakardialen Füllungsdrücken in Ruhe bzw. unter Belastung resultiert.

Vorhofflimmern

Im Jahr 2030 werden europaweit 14 bis 17 Millionen Patienten mit Vorhofflimmern erwartet, mit einer jährlichen Inzidenz von ca. 120 000 – 215 000 Fällen pro Jahr (1). Die steigende Prävalenz resultiert aus Fortschritten in der apparativen Diagnostik mit zunehmender Detektion asymptomatischer Patienten, sowie aus der demographischen Entwicklung mit steigender Lebenserwartung und damit einhergehender Comorbidität (2, 3, 4). Vorhofflimmern erhöht per se Morbidität und Mortalität.

Physiologische Beziehung zwischen Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz

Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern haben gemeinsame Risikofaktoren, wie arterielle Hypertonie, zunehmendes Alter, Diabetes mellitus, Hyperlipidämien und Atherosklerose; darüber hinaus erhöht die jeweilige Entität die Prävalenz der anderen. Vorhofflimmern kann durch die Entwicklung einer Tachymyopathie direkt zu Symptomen einer Herzinsuffizienz und zu einer Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion führen. Herzinsuffizienz führt wiederum zu Vorhofflimmern infolge hämodynamischer Effekte und hormoneller Alterationen, mit dem Endergebnis eines Remodellings auf Vorhofebene. So ist eine valvuläre Herzerkrankung beispielsweise in fast der Hälfte der Fälle mit Vorhofflimmern vergesellschaftet.
Auf der Suche nach modifizierbaren Risikofaktoren wurden Daten von rund 40 000 im US-amerikanischen Gesundheitswesen beschäftigten Frauen aus der Women,s Health Study über einen Zeitraum von rund 20 Jahren analysiert. Neu aufgetretenes Vorhofflimmern ging mit einem erhöhten Risiko für Herzinsuffizienz einher (Hazard Ratio 9,03). Risikofaktoren für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz waren ein erhöhter Blutdruck (systolisch > 120 mmHg), Übergewicht (Body Mass Index > 30), Rauchen und ein Diabetes mellitus Typ 2. Diesen vier modifizierbaren Risikofaktoren konnte ein Risiko von 62% zugeordnet werden (5). Dies unterstreicht die Wichtigkeit einer adäquaten Prävention und konsequenten Behandlung dieser häufigen Komorbiditäten.

Therapie des Vorhofflimmerns bei Herzinsuffizienz

Orale Antikoagulantien (NOAK)

Eine manifeste Herzinsuffizienz stellt einen Risikofaktor für thromboembolische Komplikationen bei Vorhofflimmern dar, erhöht jedoch zugleich das Blutungsrisiko. Dies spiegelt sich in beiden üblichen Scores zur Risikostratifizierung (CHA2DS2-Vasc- und HAS-BLED-Score) wider. Neue orale Antikoagulantien könnten in dieser Situation aufgrund ihrer pharmakokinetischen Eigenschaften von Vorteil sein, randomisierte Studien zum direkten Vergleich mit Vitamin K-Antagonisten speziell bei herzinsuffizienten Patienten fehlen jedoch.

Medikamentöse Therapie

ACE-Hemmer, AT1-Rezeptorblocker, Aldosteronantagonisten und Angiotensinrezeptor-Neprilysininhibitoren finden bei Patienten mit Vorhofflimmern und einer HFrEF analog zu den Patienten mit Sinusrhythmus breite Anwendung. Herzglykoside werden in den Leitlinien zur Herzinsuffizienztherapie nicht routinemässig empfohlen (IIb-Indikation), einen höheren Stellenwert haben sie jedoch im Rahmen der medikamentösen Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern (Ib-Indikation).

Frequenz- oder Rhythmuskontrolle?

In der klinischen Praxis werden die ersten Episoden von Vorhofflimmern bei herzinsuffizienten Patienten häufig mithilfe einer elektrischen Kardioversion behandelt. Von medikamentöser Seite stehen lediglich Amiodarone und eingeschränkt Sotalol als spezifische Antiarrhythmika zur medikamentösen Rhythmuskontrolle bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung zur Verfügung.
Mehrere Studien haben sich dem Vergleich zwischen einer rhythmuserhaltenden und einer frequenzkontrollierenden medikamentösen Strategie untersucht.
Weder die AF-CHF-Studie noch die AFFIRM-Studie konnten einen Vorteil der Rhythmuskontrolle im Hinblick auf kardiovaskuläre Mortalität oder Symptomkontrolle und Lebensqualität zeigen (6, 7). Hingegen konnte eine Subgruppenanalyse der CHF-STAT-Studie nachweisen, dass eine Therapie mit Amiodarone mit dadurch erzielter Konversion in Sinusrhythmus zu einer signifikanten Mortalitätssenkung bei herzinsuffizienten Patienten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe führen konnte (8). Ein direkter kausaler Zusammenhang zwischen medikamentös nicht konvertierbarem Vorhofflimmern und Verschlechterung der Prognose konnte jedoch nicht unmittelbar geschlussfolgert werden.

Die Katheterablation Pulmonalvenenisolation

Khan und Kollegen konnten 2008 erstmalig nachweisen, dass die Pulmonalvenenisolation zu einer besseren Lebensqualität, zu einer Besserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit (gemessen am 6-Minuten-Gehtest) und zu einer Zunahme der linksventrikulären Ejektionsfraktion bei Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz führen kann (9).
Weitere Forschungsgruppen, so zum Beispiel Di Biase at al. (10), konnten zeigen, dass eine Katherablation wesentlich erfolgreicher in der Erhaltung des Sinsurhythmus ist als eine spezifische antiarrhythmische Therapie mit Amiodarone.
Die bisher umfangreichste Studie zu diesem Thema ist die CASTLE-AF-Study (11). Hierfür wurden 363 herzinsuffiziente Patienten mit paroxysmalem (ca. 30%) oder persistierendem (ca. 70% der Fälle) Vorhofflimmern in zwei Gruppen randomisiert, die entweder eine Katheterablation oder eine rein medikamentöse Therapie erhielten. Alle wiesen eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion ≤ 35%, eine NYHA-Klasse ≥II und das Vorhandensein eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) mit Homemonitoring aus primär- oder sekundärprophylaktischer Indikation auf. Weiteres Kriterium war eine im Vorfeld wegen Nebenwirkungen oder Ineffektivität (jeweils 13% bzw. 46% der Teilnehmer) abgebrochene oder grundsätzlich vom Patienten abgelehnte antiarrhythmische Therapie mit Amiodarone. Als primärer Endpunkt wurden ein Tod jeglicher Ursache und eine Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz definiert. Nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 3 Jahren konnte dieser relativ um 38% bzw. absolut um 16% mit einem «number needed to treat» von 8,3 gesenkt werden. Somit konnte zum ersten Mal dokumentiert werden, dass eine Katheterablation die Überlebensrate von herzinsuffizienten Patienten mit eingeschränkter LV-Pumpfunktion (HFrEF) signifikant erhöhen kann.

Ablate and Pace

Patienten mit verminderter Leistungfähigkeit bei persistierendem Vorhofflimmern und nicht ausreichender Frequenzkontrolle trotz optimaler medikamentöser Therapie können von einer kombinierten Therapie mit AV-Knoten-Ablation und Implantation eines Schrittmachers profitieren.
Im Falle einer reduzierten LV-Pumpfunktion ist eine biventrikuläre Stimulation gegenüber einer alleinigen rechtsventrikulären Stimulation zu favorisieren. (12)
In der APAF-CRT-Studie konnten Brignole und Coautoren die Überlegenheit des CRT-Systems im Vergleich zur medikamentösen frequenzkontrollierenden Therapie bezüglich Hospitalisierung und Symptomkontrolle zeigen. In dieser Population haben die Patienten mit LVEF < 35% am meisten profitiert. Ein Trend im Hinblick auf eine Reduktion der Mortalität wurde auch gezeigt, sodass im Moment eine Substudie läuft (13).

Stellenwert des Telemonitorings mithilfe aktiver medizinischer Implantate

Spannend und Objekt einer stetigen technischen Weiterentwicklung ist das Feld der Telekardiologie. Mittlerweile haben alle Hersteller aktiver medizinischer Implantate (Herzschrittmacher, Defibrillatoren und kardiale Resynchronisationssysteme) Konzepte und Systeme zum Telemonitoring in den klinischen Alltag gebracht.
Die frühzeitige Erfassung von z.B. asymptomatischen Episoden von Vorhofflimmern ermöglicht die unmittelbare Umsetzung in therapeutische Massnahmen (medikamentöse Frequenz- vs. Rhythmuskontrolle, orale Antikoagulation, Planung einer elektrischen Kardioversion oder Ablation).
Zusammenfassend sind wir klinisch häufig mit dem gemeinsamen Auftreten von Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz konfrontiert. Die Therapie zielt auf eine optimale Herzinsuffizienztherapie und wenn immer möglich den Erhalt des Sinusrhythmus ab. Medikamentös steht in dieser Population meist nur Amiodarone zur Verfügung. Es verdichten sich aber die Hinweise dafür, dass gerade herzinsuffiziente Patienten von einer invasiven Therapie im Sinne einer Pulmonalvenenisolation profitieren.
Sollte die Rhythmuskontrolle kein realistisches Therapieziel mehr sein, kann zur, medikamentös häufig schwer zu erzielenden, ventrikulären Frequenzkontrolle die Implantation eines CRT-Schrittmachers oder CRT-ICD mit anschliessender Ablation des AV-Knotens zum Einsatz kommen.

Dr. med. Antonio Madaffari

Kardiologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Antonio.Madaffari@usb.ch

Prof. Dr. med. Christian Sticherling

Kardiologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz sind häufige Erkrankungen mit z.T. kausalem Zusammenhang. Beide liegen nicht selten kombiniert vor.
  • Die Behandlung gemeinsamer Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Adipositas und Nikotinabusus kann die Inzidenz beider Erkrankungen senken.
  • Zur medikamentösen Rhythmuskontrolle wird in der Regel Amiodarone eingesetzt. Insbesondere bei Langzeittherapie junger Patienten muss mit erheblichen Nebenwirkungen gerechnet werden.
  • Allein für die Katheterablation konnte eine signifikante Senkung der Mortalität nachgewiesen werden.
  • Bei permanentem Vorhofflimmern senkt die «Ablate and Pace» Strategie mit Implantation eines CRT-Systems die Hospitalisationsrate.

Messages à retenir

  • La fibrillation auriculaire et l’ insuffisance cardiaque sont des maladies courantes, dont certaines sont causales. Les deux sont souvent combinées.
  • Le traitement des facteurs de risque courants tels que le diabète sucré, l’  hypertension artérielle, l’ obésité et l’ abus de nicotine peut réduire l’ incidence des deux maladies.
  • L’ amiodarone est habituellement utilisé pour contrôler le rythme de manière médicamenteuse. En particulier dans le cas d’ un traitement à long terme de jeunes patients, il faut s’ attendre à des effets secondaires considérables.
  • Seulement pour ablation par cathéter, une réduction significative de la mortalité a été démontrée.
  • En cas de fibrillation auriculaire permanente, la stratégie «Ablate and Pace» avec implantation d’ un système CRT réduit le taux d’ hospitalisation.

1. Kirchhof P et al. 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS, Eur Heart J 37:2893–2962(2016)
2. Wang TJ et al. Temporal relations of atrial fibrillation and congestive heart failure and their joint influence on mortality: the Framingham Heart Study, Circulation 107:2920–2925(2003)
3. Sanna T et al. Cryptogenic stroke and underlying atrial fibrillation, N Engl J Med 370:2478–2486(2014)
4. Schnabel RB et al. 50 year trends in atrial fibrillation prevalence, incidence, risk factors, and mortality in the Framingham Heart Study: a cohort study, Lancet 386:154–162(2015)
5. Chatterjee NA et al. Modifiable Risk Factors for Incident Heart Failure in Atrial Fibrillation, JACC Heart Fail 5(8):552–560(2017)
6. Roy D et al. Rhythm control versus rate control for atrial fibrillation and heart failure, N Engl J Med 358:2667-2677(2008)
7. Wyse DG et al. A comparison of rate control and rhythm control in patients with atrial fibrillation, N Engl J Med 347:1825-1833(2002)
8. Naccarelli GV et al. Old and new antiarrhythmic drugs for converting and maintaining sinus rhythm in atrial fibrillation: comparative efficacy and results of trials, Am J Cardiol 91:15D-26D(2003)
9. Khan MN et al. Pulmonary-vein isolation for atrial fibrillation in patients with heart failure, N Engl J Med 359:1778-1785(2008)
10. Di Biase L et al. Ablation Versus Amiodarone for Treatment of Persistent Atrial Fibrillation in Patients With Congestive Heart Failure and an Implanted Device: Results From the AATAC Multicenter Randomized Trial, Circulation 133:1637-1644(2016)
11. Marrouche NF et al. Catheter Ablation for Atrial Fibrillation with Heart Failure N Engl J Med 378:417-427(2018)
12. Slotwiner DJ et al. Impact of Physiologic Pacing Versus Right Ventricular Pacing Among Patients With Left Ventricular Ejection Fraction Greater Than 35%: A Systematic Review for the 2018 ACC/AHA/HRS Guideline on the Evaluation and Management of Patients With Bradycardia and Cardiac Conduction Delay J Am Coll Cardiol. 2018 Oct
13. Brignole M et al. A randomized controlled trial of atrioventricular junction ablation and cardiac resynchronization therapy in patients with permanent atrial fibrillation and narrow QRS Eur Heart J. Dec 1;39(45):3999-4008(2018)

Synkopen: Wichtigste Schritte zur Abklärung

Im letzten Jahr wurden die neuen Leitlinien zu Synkopen von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie herausgegeben (1). Ein wesentlicher Teil dieser Leitlinien widmet sich der Differenzierung der verschiedenen Zustände von transientem Bewusstseinsverlust und der Abklärung von Synkopen im Speziellen. Weiterhin eine zentrale Rolle spielen die Anamnese und die klinische Untersuchung (insbesondere die Blutdruckmessung), die in manchen Fällen die Ursache der Synkope bereits ohne weitere Tests klären können. Einfache apparative Untersuchungen wie ein Routine-EKG oder – bei pathologischem Befund – ein EKG-Monitoring gehören zu den weiteren Abklärungsschritten. Dieser Review-Artikel fasst die wichtigsten diagnostischen Schritte bei der Abklärung von Synkopen zusammen.

L’  année dernière, les nouvelles directives sur les syncopes ont été publiées par la Société Européenne de Cardiologie(1). Une partie essentielle de ces lignes directrices est consacrée à la différenciation des différents états de perte de conscience transitoire et à la clarification de la syncope en particulier. L’ anamnèse et l’ examen clinique (en particulier la mesure de la tension artérielle), qui, dans certains cas, peuvent déjà
clarifier la cause de la syncope sans autres tests, jouent également un rôle central. De simples examens instrumentaux tels qu’ un ECG de routine ou - dans le cas de découvertes pathologiques - une surveillance par ECG sont des étapes supplémentaires dans le processus de clarification. Cet article de synthèse résume les étapes diagnostiques les plus importantes dans la clarification de la syncope.

Einleitung

Die Synkope ist ein häufiges Symptom und hat eine Lebenszeit-Prävalenz von ca. 20% bei den über 45-Jährigen (2). Es finden sich zwei Inzidenz-Peaks, einer in der späten Adoleszenz (häufigste Ursache vasovagal), ein anderer, höherer Peak im Alter > 70 Jahre (3). Die Abklärung einer Synkope und damit eine Prognoseabschätzung ist gelegentlich schwierig, da nicht selten transiente Ursachen (Reflexe, intermittierend auftretende Arrhythmien, unglückliches Zusammenspiel mehrere Faktoren) im Spiel sind und damit die Abklärungen nicht konklusiv ausfallen können. Im Folgenden soll ein Abriss über die wichtigsten Untersuchungen (mit rhythmologischem Schwerpunkt) gegeben werden.

Basisuntersuchungen

Anamnese
Die Anamnese, idealerweise unter Einschluss einer Fremdanamnese eines Beobachters, ist der wichtigste Schritt der Synkopen-Abklärung. Sie sollte folgende Fragen klären: (a) erfüllte das Ereignis die Kriterien eines transienten Bewusstseinsverlusts? (b) wenn ja, handelte es sich um eine Synkope oder einen nicht-synkopalen Bewusstseinsverlust? (c) Ist eine Ursache klar ersichtlich? (d) gibt es Hinweise auf ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse oder vitale Gefährdung (Risikostratifikation)? (1).
Ein transienter Bewusstseinsverlust (charakterisiert durch eine kurze Dauer, eine abnorme motorische Kontrolle (Tonusverlust, Krampfanfälle), eine Nicht-Ansprechbarkeit und eine Amnesie für die Zeit des Bewusstseinsverlustes) kann nebst der Synkope mehrere Ursachen haben (Abb. 1). Die Unterscheidung zwischen den Unterformen des transienten Bewusstseinsverlusts und damit die Planung der weiteren Untersuchungen geschieht hauptsächlich über die Anamnese.
Eine Synkope ist ein transienter Bewusstseinsverlust, welcher durch eine globale, zerebrale Hypoperfusion charakterisiert ist. Zur Ursachensuche einer Synkope sollten suggestive anamnestische Elemente (Tab. 1) systematisch erfragt werden. Verdächtig auf eine kardiale Ursache sind ein Auftreten während einer körperlichen Belastung oder im Liegen, ein plötzlich einsetzendes Herzrasen gefolgt von einer Synkope, eine positive Familienanamnese bezüglich plötzlichem Herztod bei jungen Verwandten oder eine strukturelle Herzkrankheit. Auch Verletzungsfolgen sind Hinweise auf «nicht-banale» Synkopen und somit ein Warnsignal.
Nebst dem Versuch einer Zuordnung des transienten Bewusstseinsverlusts zu einer pathophysiologischen Ursache sollten allgemeine anamnestische Elemente wie die persönliche Anamnese (zB bekannte koronare Herzkrankheit? Aktive Tumorerkrankung? Neurologische Erkrankung?) oder auch die Medikamentenanamnese nicht vergessen werden. Verschiedene Medikamente können zu orthostatischen Problemen führen (Antihypertensiva, Prostata-Medikamente), symptomatische Bradykardien induzieren (zB Betablocker, Nicht-Dihydropyridin-Kalziumkanalblocker)
oder über eine Verlängerung der QT-Zeit (Antiarrhythmika, Psychopharmaka) arrhythmogen wirken.

Klinische Untersuchung

Ein weiterer wichtiger Pfeiler der Basisabklärungen ist die sorgfältige klinische Untersuchung. Von grosser Wichtigkeit ist die Blutdruckmessung, wobei der Blutdruck nach einer (oder wiederholten) Messung(en) im Liegen repetitiv während 3 Minuten Stehen gemessen werden soll (Orthostase-Test), um eine orthostatische Hypotonie zu entdecken. Die Kriterien für die Diagnose einer orthostatischen Hypotonie sind: (a) Abfall des systolischen Blutdrucks ≥ 20mmHg oder (b) Abfall des diastolischen Blutdrucks ≥10mmHg oder (c) Abfall des systolischen Blutdrucks unter 90mmHg (1). Eine orthostatische Synkope kann diagnostiziert werden, wenn diese hämodynamischen Kriterien erfüllt sind und der Patient dabei symptomatisch wird. Eine orthostatische Synkope ist wahrscheinlich, wenn die hämodynamischen Kriterien bei asymptomatischem Patienten erfüllt sind und die Anamnese suggestiv ist für eine orthostatische Synkope (Tab. 1).

Ruhe-EKG

Ein Ruhe-EKG gehört zwingend zur Diagnostik der Synkope und kann in manchen Fällen bereits die Ursache nachweisen (Tab. 2). Jedes pathologische EKG erhöht die Vortestwahrscheinlichkeit für eine kardiale Ursache, und entsprechend grosszügig sollte die Indikation zu einem EKG-Monitoring und/oder weiteren kardialen Abklärungen gestellt werden. Eine Sinusbradykardie mit einer Herzfrequenz von 40-50/min oder ein langsam übergeleitetes Vorhofflimmern (Kammerfrequenz 40-50/min) ohne negativ chronotrope Medikamente und ohne überdurchschnittliche Fitness (regelmässiges Ausdauertraining) ist verdächtig auf eine Bradykardie-induzierte Synkope. Spezifische Ursachen wie zum Beispiel ein Brugada-Syndrom (Abb. 2), ein langes (> 460 ms) oder kurzes (< 340 ms) QT-Intervall, eine Präexzitation oder EKG-Zeichen einer arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiopathie (T-Negativierung in den rechtspräkordialen Ableitungen, ev. Epsilon-Welle) müssen sorgfältig gesucht werden.

Diagnose und diagnostische Kriterien

Obschon es keinen Goldstandard in der Diagnostik der Synkope gibt, besteht Einigkeit darüber, dass bestimmte Kriterien eine spezifische Synkopen-Ursache sehr wahrscheinlich machen (Tab. 1, 2), sodass in diesen Fällen keine weitere Diagnostik mehr betrieben werden muss und eine – falls vorhanden – spezifische Therapie eingeleitet werden kann (1). In den übrigen Fällen sind weitere Abklärungen in der Regel indiziert. Die im Folgenden kurz vorgestellten Untersuchungen finden bei Verdacht auf eine spezifische Synkopen-Ursache ihren Einsatz.

Wichtigste weitere Untersuchungen

Labor

Es werden keine routinemässigen Laboruntersuchungen empfohlen, sofern kein Verdacht auf ein spezifisches Krankheitsbild besteht. Allenfalls ist eine Blutzuckermessung (Hypoglykämie?) oder eine Elektrolyt-Bestimmung sinnvoll. Obwohl eine Erhöhung von Troponin und BNP Hinweis auf eine ernstere Prognose sein kann, ist der Platz dieser Untersuchungen im Abklärungsalgorithmus der unklaren Synkope noch offen.

EKG Monitoring

Ein EKG-Monitoring – sei es als stationäres Monitoring oder als ambulantes Langzeit-EKG – wird empfohlen, wenn eine Arrhythmie als Synkopen-Ursache vermutet wird. Bei Patienten mit Hochrisikomerkmalen für eine potenziell gefährliche Synkope sollte ein stationäres Monitoring durchgeführt werden. Bei allen anderen Patienten mit möglicher arrhythmogener Synkope sollte ein Langzeit-EKG durchgeführt werden, wobei sich die Form des Langzeit-EKGs nach der Häufigkeit der Symptome richtet: Ein 7-Tage-Holter für Patienten mit häufigen (mehr als 1 Episode pro Woche) Symptomen, ein externer Loop-Recorder bei Patienten mit mehr als 1 Episode pro Monat oder ein implantierbarer Loop-Recorder (ILR, Abb. 3) bei Patienten mit wiederholten Synkopen aber seltenerem Auftreten. Die heute verfügbaren ILR können in einer einfachen Prozedur injiziert werden, besitzen eine Batterielebensdauer von bis zu drei Jahren und erlauben eine rasche telemetrische Übermittlung von vordefinierten Arrhythmieereignissen. Ein ILR kann auch sinnvoll sein bei Patienten mit Reflexsynkope, um die prädominante Reflexantwort (kardioinhibitorisch versus vasodepressorisch) zu dokumentieren im Hinblick auf eine mögliche Schrittmacher-Indikation. Eine Synkope bei gleichzeitig dokumentiertem, normalem EKG schliesst eine Arrhythmie als Ursache der Synkope weitgehend aus.

Carotis-Sinus-Massage

Die Carotis-Sinus-Massage besteht aus einer manuellen Kompression am Ort des maximalen Carotis-Pulses. Beide Seiten werden konsekutiv je 10 Sekunden massiert, zuerst in liegender, dann in aufrechter Position. Vorgängig sollte sichergestellt werden, dass kein Karotis-Strömungsgeräusch besteht. Eine ventrikuläre Pause > 3 Sekunden und/oder ein Blutdruckabfall > 50 mmHg wird als Carotis-Sinus-Hypersensitivität bezeichnet (vor allem in höherem Alter ein häufiger und deshalb unspezifischer Befund). Die Diagnose eines Carotis-Sinus-Syndroms kann gestellt werden, wenn bei diesen Befunden gleichzeitig die Symptome (Synkope oder Präsynkope) reproduziert werden (1). Die Carotis-Sinus-Massage wird bei Patienten > 40 Jahre (1) mit Synkope unklarer Ursache empfohlen. Aufgrund des eingeschränkten positiven Prädiktivwertes (4), vor allem in höherem Alter, sowie der manchmal schwierigen Beurteilbarkeit des Tests bei vagen Symptomen führen wir die Carotis-Sinus-Massage bei uns nur bei Patienten mit suggestiver Anamnese (Synkope bei Kopfwendung, während Rasieren oder Druck auf den Hals) durch. Ähnlich wie für die Kipptisch-Untersuchung und die elektrophysiologische Untersuchung hat die Möglichkeit der Langzeit-Rhythmusaufzeichnung (ILR) zu einer Abschwächung des Stellenwerts der Carotis-Sinus-Massage bei unklaren Synkopen geführt.

Echokardiografie

Eine Echokardiografie ist indiziert, wenn aufgrund der Anamnese oder der Untersuchung (zum Beispiel Herzgeräusch oder pathologisches Ruhe-EKG) eine strukturelle Herzkrankheit vermutet wird. Nur selten kann die Echokardiografie die zur Synkope führende Ursache aufdecken (zB Aortenklappenstenose). Sie kann aber Patienten identifizieren, welche aufgrund einer eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion oder einer hypertrophen Kardiopathie genauer bezüglich einer Defibrillator-Versorgung bei hohem Arrhythmie-Risiko evaluiert werden müssen.

Ergometrie

Eine Ergometrie sollte durchgeführt werden bei Patienten mit Synkope während oder kurz nach einer körperlichen Belastung, um eine belastungsinduzierte Herzrhythmusstörung (zum Beispiel bei einer katecholaminergen, polymorphen Kammertachykardie mit unauffälligem Ruhe-EKG) oder Koronarischämie zu erkennen.

Kipptischuntersuchung

Die Kipptisch-Untersuchung dient unter anderem zur Reproduktion einer durch längeres Stehen ausgelösten Synkope, zum Beispiel einer Reflex-Synkope oder einer orthostatischen Synkope. Verschiedene hämodynamische Reaktionsmuster auf den Orthostase-Stress sind beschrieben (1). Eine kardioinhibitorische Antwort impliziert mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Asystolie als Synkopenursache. Eine negative Kipptischuntersuchung schliesst das Vorliegen einer Reflexsynkope nicht aus und hypotensive Stressreaktionen sind relativ unspezifisch, sodass eine Kipptischuntersuchung im Falle einer unklaren Synkope diagnostisch meist wenig hilfreich ist. Die relativ aufwändige Kipptischuntersuchung spielt aufgrund der suboptimalen Sensitivität/Spezifität in den Britischen NICE-Guidelines (und auch an unsrer Institution) nur noch eine untergeordnete Rolle in der Synkopen-Abklärung (5).

Elektrophysiologische Untersuchung

Die heutigen Möglichkeiten des ILR zur langfristigen, unkomplizierten Rhythmusüberwachung, die relativ alten Studiendaten zur elektrophysiologischen Untersuchung (EPU) bei der Synkopenabklärung (6) sowie die vereinfachten (von einer EPU unabhängigen) Selektionskriterien von Patienten mit eingeschränkter Pumpfunktion bezüglich primärprophylaktischer ICD-Implantation haben den Stellenwert einer EPU in der Synkopendiagnostik geschmälert. Gemäss den Europäischen Synkopen-Leitlinien (1) besteht für Patienten mit Synkope und durchgemachtem Myokardinfarkt eine Empfehlung für eine EPU, wenn die Synkope nach den nicht-invasiven Abklärungen weiterhin unklar bleibt. Die Amerikanischen Leitlinien (6) fordern eine klinische Korrelation zwischen einer in der EPU induzierten Kammertachykardie und der Synkope, was beispielsweise über einen ILR möglich ist, den Stellenwert der EPU per se aber relativiert.

Zusammenfassung

Die Synkopen-Abklärung besteht aus einer Basisuntersuchung, welche als wichtigste Elemente eine ausführliche Anamnese inkl. Fremdanamnese, eine klinische Untersuchung mit besonderem Augenmerk auf Herz und Neurologie, eine sorgfältige Blutdruckmessung (liegend und stehend) sowie ein Ruhe-EKG beinhaltet. Nach diesen Untersuchungen kann in einem wesentlichen Anteil der Patienten bereits eine Diagnose gestellt oder vermutet werden. Die weiteren Abklärungsschritte sind von der Verdachtsdiagnose abhängig. Ein relevanter Anteil an Patienten mit unklarer Synkope erhält eine Form eines EKG-Monitorings.

Dr. Dr. med. Roman Brenner

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
9007 St.Gallen

Roman.brenner@kssg.ch

Prof. Dr. med. Peter Ammann

Klinik für Kardiologie
Kantonsspital St. Gallen
9007 St.Gallen

Dr. med. Markus Diethelm

Klinik für Innere Medizin/Hausarztmedizin
Kantonsspital St. Gallen
9007 St.Gallen

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Die Anamnese und die klinische Untersuchung (insbesondere die Blutdruckmessung) spielen eine zentrale Rolle in der Abklärung von Synkopen und transienten Bewusststeinsstörungen.
  • Eine Blutruckmessung gehört in jedem Fall zu den obligaten Abklärungsschritten und muss mehrere stehende Messungen beinhalten.
  • Bei pathologischem Ruhe-EKG soll in Abhängigkeit der Pathologie eine EKG-Überwachung im Spital oder eine ambulante Langzeit-EKG-Untersuchung durchgeführt werden.
  • Ein implantierbarer Loop-Recorder hat bei der Abklärung von wiederholten, unklaren Synkopen oder Synkopen mit Hochrisikomerkmalen ohne Auffälligkeiten in den vorausgegangenen Untersuchungen eine wichtige Bedeutung; die Wertigkeit von Carotis-Sinus-Massage,
    Kipptisch-Untersuchung und elektrophysiologischer Untersuchung sind eher in den Hintergrund gerückt.

Messages à retenir

  • L’ anamnèse et l’ examen clinique (en particulier la mesure de la
    tension artérielle) jouent un rôle central dans la clarification de la
    syncope et des troubles transitoires de la conscience.
  • Une mesure de la tension artérielle fait dans tous les cas partie des étapes de clarification obligatoires et doit contenir plusieurs mesures.
  • Dans le cas d’ un ECG de repos pathologique, la surveillance de l’ ECG doit être effectuée, selon la pathologie, à l’ hôpital ou un examen ECG
    à long terme en ambulatoire.
  • Un enregistreur à boucle implantable joue un rôle important dans
    la clarification de syncopes répétées et peu claires ou de syncopes présentant des caractéristiques à haut risque sans anomalies lors des examens précédents ; l’ importance du massage du sinus carotidien, de l’ examen sur table basculante et de l’ examen électrophysiologique ont perdu du terrain.

1. Brignole, M., et al., 2018 ESC Guidelines for the diagnosis and management of syncope. Eur Heart J, 2018. 39(21): p. 1883-1948.
2. Chen, L.Y., et al., Prevalence of syncope in a population aged more than 45 years. Am J Med, 2006. 119(12): p. 1088 e1-7.
3. Soteriades, E.S., et al., Incidence and prognosis of syncope. N Engl J Med, 2002. 347(12): p. 878-85.
4. Solari, D., et al., Clinical context and outcome of carotid sinus syndrome diagnosed by means of the ’ method of symptoms’ . Europace, 2014. 16(6): p. 928-34.
5. https://www.nice.org.uk/guidance/cg109. accessed on May 2019.
6. Shen, W.K., et al., 2017 ACC/AHA/HRS Guideline for the Evaluation and Management of Patients With Syncope: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines and the Heart Rhythm Society. J Am Coll Cardiol, 2017. 70(5): p. e39-e110.

Pulmonale Hypertonie

Anlässlich der Jahresversammlung 2019 der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie fand ein Symposium zum Thema «Pulmonale Hypertonie» statt. Dieser Bericht fasst zwei wichtige Beiträge zu diesem Thema zusammen: das Einstiegsreferat von Prof. Dr. med. Markus Schwerzmann sowie die von Prof. Dr. med. Otto Schoch präsentierten Therapieoptionen bei Pulmonaler Hypertonie.

Einstiegsreferat zum Krankheitsbild

Eine Übersicht zur Definition der pulmonalen Hypertonie, zu den verschiedenen Klassen der pulmonalen Hypertonie, zu den Todesursachen von Patienten mit pulmonaler Hypertonie und zu den prognostischen Markern gab

Prof. Schwerzmann

Prof. Dr. med. Markus Schwerzmann, Bern. Der Blutdruck in den beiden Kreisläufen, Körperkreislauf und Lungenkreislauf, ist unterschiedlich. Während er im grösseren Körperkreislauf, in welchem das Blut einen grösseren Widerstand überwinden muss, etwa 120mmHg auf 80mmHg (Mittelwert ca 93mmHg) beträgt, sind die mittleren Werte im Lungenkreislauf nur etwa 20 auf 8 mmHg (Mittelwert 15 mmHg).
Der transpulmonale Druckgradient (TPG), definiert durch die Differenz zwischen dem mittleren pulmonal arteriellen Druck (PAP) und dem linken Vorhofdruck (allgemein geschätzt durch den pulmonalen Kapillarkegeldruck), wird für den Nachweis einer intrinsischen pulmonalen Gefässerkrankung bei Linksherz-Zuständen im Zusammenhang mit einem erhöhten pulmonalen Venendruck empfohlen
Der pulmonal-kapilläre Verschlussdruck (PCWP, pulmonary capillary wedge pressure) wird gemessen, indem ein Herzkatheter in eine periphere Vene (z.B. Jugular- oder Oberschenkelvene) eingeführt und dann in den rechten Vorhof, rechten Ventrikel, Lungenarterie und in einen Ast der Lungenarterie vorgeschoben wird. Normal ist ein TPG von 7mmHg, eine pulmonale Hypertonie liegt ab einem Wert von 15mmHg vor.

Ätiologie der pulmonalen Hypertonie

Mögliche Mechanismen sind

  • Erhöhter Fluss: Zustände mit hohem Output, kongenitale Herzerkrankung
  • Erhöhter Widerstand: Lungenerkrankung, Verdünnung der Lungengefässe, idiopathische pulmonal arterielle Hypertonie, Lungenembolie und ihre Konsequenzen. Der Referent verglich die Mechanismen mit einem Gartenschlauch, der voll aufgedreht oder gestaut werden kann.
  • Erhöhter PCWP, rheumatische Herzkrankheit, Linksherz-Krankheit (Aortenstenose, Herzinsuffizienz, Mitralinsuffizienz, etc.).

Diagnose – Echokardiographie / TTE

Es kann nur der systolische Blutdruck gemessen werden, nicht der mittlere Blutdruck. Transpulmonale Gradienten können nicht berechnet werden.
Üblicherweise ist der mittlere PAP = 0.6 x systolischer PAP. Systolischer PAP > 40 mmHg bedeutet pulmonale Hypertonie.

Ursachen für pulmonale Hypertonie weltweit

In Europa sind es zu je 48% Linksherz-Krankheit und Lungenkrankheit und zu 4% andere Ursachen wie idiopathische, Bindegewebserkrankung, HIV, portale Hypertonie, kongenitale Herzerkrankung. Im mittleren Osten sind es Linksherz-Krankheit zu 50%, Lungenkrankheit zu 40%, in Afrika zu 40% Linksherzkrankheit und zu 30% Lungenkrankheit.

Klinische Klassifikation der pulmonalen Hypertonie

Die pulmonale Hypertonie (PH) wird in 5 verschiedene Gruppen eingeteilt:
Gruppe 1: pulmonale arterielle Hypertonie (PAHT)
Idiopathisch, genetisch, mit pulmonal arterieller Hyper-
tonie assoziierte Krankheit, KHK, HIV, Sklerodermie,
Leberkrankheit
Gruppe 2: PH wegen Linksherz Krankheit
Gruppe 3: PH wegen Lungenkrankheit
Gruppe 4: PH wegen chronischer Lungenembolie
Gruppe 5: PH infolge unklarer Mechanismen
z.B. Sarkoidose, Splenektomie, Sichelzellanämie

Diagnostische Schritte bei Verdacht auf pulmonale Hypertonie

Bei Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie gilt es zunächst die pulmonale Hypertonie zu bestätigen (TPG, PCWG) und anschliessend nach der Ätiologie zu suchen: Herzkrankheit? Lungenkrankheit? Lungenembolie? Rheumatische Erkrankung? HIV? Lebererkrankung?

Prognose mit pulmonaler Hypertonie – die ausfallende rechte Herzkrammer

Bei pulmonaler Hypertonie passt sich die rechte Herzkammer der zunehmenden Gefässbelastung an, indem sie die Kontraktilität erhöht, um den Fluss aufrecht zu erhalten. Die ventrikuloarterielle Kopplung bedeutet, dass sich das Hubvolumen wenig ändert und gleichzeitig der ventrikuläre Wirkungsgrad erhalten bleibt. Letztendlich entsteht eine Phase, in der eine ventrikuläre Dilatation stattfindet, um die Reduzierung des Hubvolumens zu begrenzen, mit Entkopplung und damit verbundener erhöhter Wandbeanspruchung. Da die Kopplung durch Hypertrophie bis zum Endstadium der Erkrankung aufrechterhalten wird, wenn die fortschreitende Dilatation beginnt, ist das rechtsventrikuläre Volumen der wesentliche Parameter zur Messung bei der Nachsorge von Patienten mit pulmonaler Hypertonie.

Fazit

  • Die pulmonale Hypertonie ist häufig auf eine Linksherz-Erkrankung oder pulmonale Lungenerkrankung zurückzuführen
  • Die Diagnose erfordert eine Katheterisierung
    o mittlerer pulomal-arterieller Druck
    o PCWP
  • Verschiedene Krankheiten führen zu peripherer arterieller pulmonaler Hypertonie/pulmonaler Hypertonie
  • Die Prognose hängt von der ventrikulären Funktion ab
  • Prognosefaktoren sind funktionelle Kapazität, ventrikuläre Funktion, Herzzeitvolumen

Therapieoptionen bei pulmonaler Hypertonie

Prof. Schoch

Eine umfassende Diagnostik ist Voraussetzung für eine gezielte Therapie, stellte Pof. Dr. med. Otto Schoch, St. Gallen eingangs fest. Er erwähnte die verschiedenen Klassen der pulmonalen Therapie.

Die Therapieoptionen bei PH Klasse 2

Pulmonale Hypertonie im Zusammenhang mit der linksseitigen Herzkrankheit (PH-LHD) ist die häufigste Form der pulmonalen Hypertonie. Bei Patienten mit linksseitiger Herzerkrankung ist das Vorhandensein von pulmonaler Hypertonie typischerweise ein Marker für fortgeschrittenere Erkrankungen, schwerwiegendere Symptome und schlechtere Prognosen. Die Therapieoptionen der verschiedenen Entitäten der PH Klasse 2 sind in der Tabelle enthalten.
Die SERAPHIN-Studie mit dem Endothelinrezeptorantagonisten Macicentan zeigte, dass die Langzeitbehandlung der PAH mit Macicentan die Morbidität und Mortalität verringern kann.

Therapieoptionen bei PH Klasse 3

Diese beinhaltet Pulmonale Hypertonie infolge Lungenkrankheiten und/oder Hypoxie. Sie umfasst folgende Krankheitsbilder: Chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD), interstitielle Lungenkrankheit, andere Lungenkrankheiten mit gemischtem restriktivem und obstruktivem Muster, Schlafatmungsstörungen, Alveoläre Hypoventilationsstörungen, chronische Höhenexposition und Entwicklungsstörungen der Lungen.
Die Therapieoptionen bei PH Klasse 3 je nach Krankheitsbild umfassen

  • bei COPD:
  • Raucherentwöhnung, Rehablilitation, Inhalation (Beta-Agonisten, Anticholinergika), Steroide, Antibiotika (gegen Exazerbationen), Langzeit-Oxygen, Reduktion des Lungenvolumens, Lungentrasplantation;
  • bei Interstitiellen Lungenkrankheiten:
  • Langzeit Oxygen, immunsuppressive und antifibrotische Wirkstoffe, Lungentransplantation;
  • bei anderen Lungenkrankheiten (chronische Lungenfibrose mit Emphysem): Raucherentwöhnung, Langzeit-Oxygen, Lungentransplantation
  • Bei Schlafatmungsstörungen:
    CPAP, Lebensstiländerungen (Gewichtsreduktion etc.), Unterkiefervorschubgeräte;
  • bei alveolären Hypoventilationsstörungen:
    nichtinvasive Ventilation, Gewichtsreduktion (Hypoventilation bei Übergewicht);
  • bei chronischer Höhenexposition:
    Verschiebung auf geringere Meereshöhe, Langzeit-Oxygen;
  • bei Entwicklungsabnomalitäten: Chirurgische Behandlung erwägen.

Therapieoptionen bei PH Klasse 4

Diese umfasst die Chronisch Embolische Pulmonale Hypertonie (CTEPH) und es steht die Operation (Pulmonale Endarteriektomie) im Vordergrund. Falls technisch nicht operabel, sollte eine Zweitmeinung eingeholt werden und eine gezielte medikamentöse Therapie in Erwägung gezogen werden. Bei dieser PH-Klasse wurde Riociguat (Adempas®) als erste Substanz zugelassen. Adempas® ist auch zur Behandlung der pulmonal-arteriellen Hypertonie zugelassen.

Therapieoptionen bei PH Klasse 1, pulmonal arterielle Hypertenie (PAH)

Die PAH kann idiopathisch, vererbt (BMPR2-Muttion, andere Mutationen), Medikament- oder Toxin-induziert oder mit verschiedenen Krankheiten, wie Bindegewebserkrankung, HIV Infektion, Portalhypertonie, kongenitaler Herzkrankheit oder Schistosomiasis assoziiert sein. «Wenn es eine Revolution in der medizinischen Therapie in den letzten Jahrzehnten gibt, ist es die Behandlung der PAH», so Sergio Harari (Eur Respir Rev 2016;35:361-363). Der Referent nennt verschiedene medikamentöse Therapien und die Empfehlungen gemäss der WHO FC (Galié N. et al Eur Heart J 2015;doi10.1093:1-58). Macicentan zu Sildenafil, Riociguat zu Bosentan, oder Selexipag zu einem ERA und/PDE5i werden darin als Klasse-I/B-Empfehlungen erwähnt.

Fazit

  • Therapieoptionen bei pulmonaler Hypertonie sind abhängig von der Diagnosekategorie: vollständiges Assessment inklusive Herzkatheter, Lungenfunktion, Radiologie, VQ-Scan, Ergospirometrie, Schlafstudien etc.
  • PH Klasse 2 (kardial) und 3 (pulmonal) kausale Therapie, keine Medikamente für pulmonal-arterielle Hypertonie
  • PH Klasse 4 (CTEPH) primär Operation evaluieren
  • PAH Klasse 1: Spezifische Therapie aus 3 Substanzklassen, initial oder bei unbefriedigendem Ansprechen im Verlauf Kombination
  • Basistherapie: O2- Supplementation und Rehabilitation nicht vergessen

Quelle: SGK Jahrestagung Interlaken, 19.-21. Juni 2019

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch