Intrauterine Wachstumsrestriktion

Bei der IUGR (intrauterine growth restriction) werden grundlegend zwei Kategorien voneinander unterschieden. Die frühe, chronisch verlaufende Form ist mit einer Störung der plazentaren Entwicklung assoziiert. Der späten Form liegt mehr eine Diffusionsstörung bei nahezu normal entwickelter Plazenta zugrunde. Diese Zusammenfassung informiert über die neuesten Diagnosekriterien. Die Unterschiede im Management der early- und late-onset Form werden zusammen mit der Strategie zur Ermittlung des optimalen Entbindungszeitpunktes erklärt.

Les retards de croissance intrautérins (RCIU) peuvent être classés dans deux catégories. La forme précoce, d’évolution chronique, est associée à une anomalie du développement pla-
centaire, tandis que la forme tardive est plutôt due à une perturbation de la diffusion dans un placenta de développement à peu près normal. Cette revue présente les critères diagnostiques les plus récents et explique les différences de prise en charge de la forme précoce et de celle tardive avec les stratégies adéquates pour définir le moment optimal pour terminer la grossesse.

Definition: Was ist zu klein?

Bei einer IUGR schöpft der Fetus sein vorgegebenes Wachstums-potential nicht aus. Das Wachstum ist pathologisch restringiert und hat die Erhöhung der perinatalen Morbidität und Mortalität zur Folge. Davon unterschieden werden SGA Feten (small for gestational age). Sie sind konstitutionell klein, ihr Wachstum ist adäquat und liegt lediglich im untersten Normalbereich. Andererseits kann auch das Schätzgewicht eines IUGR-Feten im Normalbereich liegen. Guidelines ziehen teils unterschiedliche Definitionskriterien heran (Tab. 1 und 2). Ebenso wird auch ein unterschiedliches Zeitintervall zwischen Verlaufsuntersuchungen zur Definition der Wachstumsabflachung genannt, zwischen 2 und 3 Wochen je nach Guideline. (1, 2, 3)

Überprüfung der Fetometrie


In der 11. bis 14. SSW wird anhand der Biometrie bei einem Abweichen der Scheitelsteisslänge > 5 d das Gestationsalter korrigiert (4). Die S2k-Leitlinie empfiehlt eine Korrektur ab einer Abweichung von > 6 d (1). Ab der 12. SSW kann, besonders bei variabler Kopfhaltung, der BIP herangezogen werden. Die Korrektur erfolgt dann bei einer Differenz > 6 d (4). Liegt nach bereits erfolgter Terminkorrektur im 1. Trimenon erneut eine biometrische Differenz von > 6 d  vor, sollte bei V.a. frühe IUGR und Chromosomenstörung zur spezialisierten pränatalen Diagnostik überwiesen werden. Bei sicherem Konzeptionstermin (z.B. ICSI) erfolgt keine Korrektur.
Das biometrische Profil (Tab. 3) hilft bei der ersten differentialdiagnostischen Einschätzung. Referenzkurven von Einlingsschwangerschaften können vor allem im letzten Trimenon nicht ohne weiteres auf Zwillingsschwangerschaften übertragen werden (5).

Infektionsscreening

Bei schwerer SGA oder IUGR sollte ein serologisches Screening auf CMV und Toxoplasmose veranlasst werden, bei Risikopatientinnen auch auf Malaria und Syphilis.

Ultraschallfeindiagnostik und genetische Abklärung


Die Fetometrie < 10. Perzentile ist eine Indikation zur sonographischen Diagnostik durch einen spezialisierten Untersucher (1). Malformationen oder Hinweiszeichen auf eine syndromale Erkrankung sollten verlässlich ausgeschlossen werden. Die Plazenta sollte morphologisch sowie hinsichtlich einer velamentösen Nabelschnurinsertion beurteilt werden. Feten mit genetischen Anomalien fallen oft durch eine vermehrte Fruchtwassermenge zusammen mit normaler Dopplersonographie auf. Eine Amniozentese sollte dann erwogen und diskutiert werden. Bei normalem Karyotyp sollte eine hochauflösende molekulare Karyotypisierung (Array CGH) angefordert werden. Mikrodeletionssyndrome wie das Wolf-Hirschhorn (4q) oder das Cri-du-Chat Syndrom (5 q) sind Beispiele für genetische Ursachen einer Wachstumsstörung beim Feten. Darüber hinaus kann ein auf die Plazenta beschränktes chromosomales Mosaik (z.B. 16 oder 9 q) Ursache für Plazentainsuffizienz mit konsekutiver fetaler Wachstumsstörung eines genetisch unauffälligen Feten sein (6). Solche plazentaren Mosaiktrisomien können mit NIPD (Nicht invasive Pränataldiagnostik) entdeckt werden, die nachfolgende Amniozentese zeigt einen normalen fetalen Karyotyp. Die NIPD kann in diesen Fällen im Sinne einer Plazentauntersuchung die erhöhte Wahrscheinlichkeit für deren Dysfunktion vorhersagen.

Doppleruntersuchung

Mit dem Nachweis erhöhter Gefässwiderstände in der Art. uterina und Art. umbilicalis lassen sich IUGR und SGA voneinander unterscheiden.
Die frühe IUGR ist durch eine Minderentwicklung und Obliteration von Plazentazotten charakterisiert. Die Erhöhung der Pulsatilität der Art. umbilicalis tritt erst nach Verschluss von 30% der Zottenarterien ein. Bei fehlendem enddiastolischem Fluss (AEDF , absent enddiastolic flow) oder reversem enddiastolischen Fluss (REDF , reversed enddiastolic flow) sind mehr als 60% der Zottenarterien verschlossen (7).
Als Zeichen der fetalen Kompensation bei Hypoxie sinkt der Widerstandsindex in der Art. cerebri media, typischerweise bei early-onset-IUGR. Die Pulsatilität der Art. cerebri media ist erniedrigt. Die Messung erfolgt nahe am Circulus arteriosus Willisii. Die cerebroplazentare Ratio sinkt unter die 5. Perzentile.
Die späte IUGR ist weniger durch eine Erhöhung des Gefässwiderstands in der Art. umbilicalis gekennzeichnet. Die Doppleruntersuchung der Art. umbilicalis kann normal ausfallen. Führendes und oft einziges Zeichen einer fetalen Verschlechterung ist die Erniedrigung der Pulsatilität in der Art. cerebri media.
Zudem kompensiert der Fetus die suboptimale plazentare Perfusion durch eine verstärkte Neubildung von Erythrozytenvorstufen. Die konsekutive Polyglobulie kann beim Neugeborenen sehr ausgeprägt sein. Bei fortgeschrittenen Fällen kommt es jedoch durch Downregulation der Erythropoese zur fetalen Anämie. Diese wird bei chronischer IUGR über die erhöhte Maximalgeschwindigkeit in der Art. cerebri media nachgewiesen (8).
Bei pathologischem Widerstand in der Art. umbilicalis ist die Dopplersonographie des Ductus venosus Teil der Überwachung (Abb.1). Die Erhöhung der Pulsatilität bis hin zum Verlust der a-Welle reflektiert die Flusseinschränkung während der Vorhofkontraktion. Eine reverse a-Welle oder Erhöhung des PI ≥ 95. Perz. im Ductus venosus ist ein Hinweis auf eine drohende Azidose. Die kardiale Funktion des Feten ist eingeschränkt und das Risiko für intrauterinen Fruchttod (IUFT) verdoppelt sich täglich (9).
Pulsationen in der Nabelvene sind Ausdruck fortgeschrittener Hypoxie und können präterminal gesehen werden.

Computerisiertes CTG

Das konventionelle CTG vermag zwar eine akute fetale Hypoxie anzuzeigen, ist aber wenig hilfreich, um den optimalen Entbindungszeitpunkt zu ermitteln. Es sollte nicht als alleinige Überwachungsmethode herangezogen werden (3, 10). Im computerisierten CTG (cCTG, auch: Oxford-CTG) wird mittels einer computerbasierten Analyse die Kurzzeitvariabilität (KZV) ermittelt. Sie ist Ausdruck fetaler Hirnfunktion, reflektiert den fetalen Säure-Basen-Status und steigt mit zunehmendem Gestationsalter an. Die Beurteilung ist objektiv. Die KZV trägt somit zur besseren Terminierung des Entbindungszeitpunktes bei. Das Erreichen der sogenannten Dawes-Redman-Kriterien oder eine KZV > 4,5 ms haben hohen prädiktiven Wert für einen stabilen metabolischen Status des Feten.

Management

Wie kontrollieren und wann entbinden?

  • Bei unauffälligem Doppler in der Art. umbilicalis: alle 2 Wochen bei früher IUGR (1)
  • Bei PI ≥ 95. Perz. in Art. umbilicalis: wöchentlich ambulant
  • Bei AEDV bis REDV in Art. umbilicalis: < 32 SSW: Hospitalisation in Perinatalzentrum, Lungenreifung. Empfohlen ist die tägliche Ductus-venosusDoppleruntersuchung, jedoch wurde die Untersuchungsfrequenz in der TRUFFLE-Studie nicht getestet. (11)

Unabhängig von der fetalen Überwachung ist bei schwerer Präeklampsie oder HELLP die mütterliche Indikation zur Entbindung gegeben. Die fetale Indikation zur unmittelbaren Entbindung liegt bei spontanen rezidivierenden Dezelerationen oder persistierendem Variabilitätsverlust im konventionellen CTG vor.

Early onset IUGR

Bei AEDF in der Art. umbilicalis: sollte die Entbindung per Sectio spätestens mit 34 + 0 SSW erfolgen. Bei REDV in der Art. umbilicalis: spätestens mit 32 + 0 SSW oder entsprechend dem lokalen Protokoll ggf. auch schon früher (1,11). Pulsationen in der Nabelschnurvene gelten jedoch immer als Indikation für die zügige Entbindung (12). Das optimale Timing der Entbindung hat das normale entwicklungspädiatrische und neurologische Langzeit-outcome zum Ziel. Die Resultate der TRUFFLE Studie bieten Hilfe bei der Entscheidungsfindung. Der optimale Entbindungszeitpunkt wird mit seriellen Doppleruntersuchungen des Ductus venosus und Monitoring mittels cCTG ermittelt. Bei negativer a-Welle im Ductus venosus sollte die Entbindung indiziert werden. Zusätzlich und unabhängig von Ductus-venosus-Doppler gelten folgende cCTG-Veränderungen als Entbindungskriterium: Zum einen kontinuierliche Abnahme der KZV in seriellen Messungen (1) oder, zum anderen, eine KZV < 2,6 ms (26 + 0 bis 28 + 6 SSW) oder < 3 ms (29+0 bis 32 + 0 SSW). Die Abnahme der KZV ist Hinweis auf eine fetale metabolische Azidose und reflektiert den fetalen Zustand über einen anderen Mechanismus als die venöse Dopplersonographie. (10, 11)

Late onset IUGR

Die späte IUGR ist durch die Wachstumsabflachung gekennzeichnet. Die Fetometrie kann dabei noch in der Norm sein, die Wachstumsstörung ist weniger ausgeprägt (13). Die Diagnose ist deswegen erschwert. Wegen des hohen Stoffwechselumsatzes des Feten am Termin ist die
Intoleranz von Hypoxie deutlich höher. Die Latenz zum IUFT ist bei fortgeschrittenem Gestationsalter kürzer als bei der frühen IUGR < 32 SSW. Es liegt weniger ein Problem der Obliteration von Zottenarterien vor, sondern eher eine Diffusionsrestriktion. Es gibt keine klaren Cut-Offs für die
Definition der frühen versus späten IUGR (13). Für die Ermittlung des optimalen Entbindungszeitpunktes gibt es für das Gestationsalter 32 – 37 SSW wenig Evidenz. Ab 37 SSW ist die cerebroplazentare Ratio bzw. der PI in der Art. cerebri media wichtig für das Timing der Geburt, auch bei normalem Umbilicalarteriendoppler (14, 15, 16). Bei
schwerer SGA < 3.Perzentilie mit normalem Doppler sollte auch mit 37  SSW entbunden werden.
Bei SGA mit normalem Doppler sollte die 40. SSW nicht überschritten werden.

Dr. med.Alice Winkler

FMH für Fetomaternale Medizin
Ultraschalltutorin SGUMGG | DEGUM II
Luzerner Kantonsspital
Frauenklinik, Spitalstrasse
6000 Luzern 16

alice.winkler@luks.ch

Die Autorin hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Bei der frühen IUGR < 32 SSW ist die computerisierte CTG-Beurteilung zusammen mit seriellen Dopplersonographien des Ductus
    venosus als simultanes Monitoring einzusetzen. Die biometrische Wachstumsstörung ist häufig ausgeprägt.
  • Ab der 37. SSW wird vor allem mittels PI in der Art. cerebri media
    der optimale Entbindungszeitpunkt bestimmt. In der Biometrie dominiert die späte Wachstumsabflachung.

Messages à retenir

  • Dans la forme précoce de RCIU (< 32 SA), la surveillance à
    recommander est l’utilisation combinée du CTG computérisé (cCTG, « Oxford-CTG ») avec l’analyse Doppler répétée du ductus venosus. Dans la forme précoce le déficit de croissance à la biométrie est souvent important.
  • Dès la 37ème semaine de grossesse le moment optimal pour accoucher se détermine au Doppler par l’indice de pulsatilité (PI) dans l’artère cérébrale moyenne. Le symptôme dominant à la biométrie est le fléchissement tardif de la courbe de croissance.

1. Intrauterine Wachstumsrestriktion, s2k-Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG, AWMF Register Nr. 015/080. 2016
2. Gordijn SJ et al. Consensus definition of fetal growth restriction. Ultrasound Obstet Gynecol 2016
3. Vayssière C et al. Fetal growth restriction and intra-uterine growth restriction: guideline for clinical practice from the French College of Gynaecologists and Obstetricians. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol 2015
4. Empfehlungen der Ultraschalluntersuchung in der Schwangerschaft, 3. Auflage, SGUMGG 2011
5. Stirrup OT et al. Fetal growth reference ranges in twin pregnancy: analysis of the Southwest Thames Obstetric Research Collaborative multiple pregnancy cohort. Ultrasound Obstet Gynecol 2014
6. Sparks TN et al. Mosaic trisomy 16: what are the obstetric and long-term childhood outcomes? Genet Med 2017
7. Morrow RJ et al. Effect of placental embolization on the umbilical arterial velocity waveform in fetal sheep. Am J Obstet Gynaecol 1989
8. Baschat AA. Fetal responses to placental insufficiency: an update. Br J Obstet Gynaecol 2004
9. Turan OM et al. Duration of persistent abnormal ductus venosus flow and its impact on perinatal outcome in fetal growth restriction. Ultrasound Obstet Gynecol 2011
10. Lees CC et al. TRUFFLE study group. 2 year neurodevelopmental and intermediate perinatal outcomes in infants with very preterm fetal growth restriction: a randomized trial. Lancet 2015
11. Bilardo MC et al. Severe fetal growth restriction at 26-32 weeks: key messages from the TRUFFLE study. Ultrasound Obstet Gynecol 2017
12. RCOG greentop guideline. The investigation and management of the Small-for-gestational-Age Fetus. 2014
13. Figueras F, Gratacos E. Update on the Diagnosis and Classification of Fetal Growth Restriction and Proposal of a Stage-Based Management Protocol. Fet Diagn Ther 2014
14. Flood K et al. Results of the multicenter PORTO study. Am J Obstet Gynaecol 2014
15. O’Dwyer V et al. Defining the risks of adverse perinatal outcome in growth restricted fetuses with normal umbilical artery blood flow. Am J Obstet Gynaecol 2014

Perorale Therapie des metastasierten Prostatakarzinoms

Abiraterone (Zytiga®) ist eine perorale Therapie für Männer mit metastasiertem Prostatakarzinom. Die initial registrierte Indikation beschränkte sich auf Patienten mit kastrationsrefraktärem Karzinom. Neuere Daten zeigen, dass auch die hormonsensitive Krankheit vom Einsatz dieses Medikamentes profitiert. Die Standard-Dosis ist 1 000 mg täglich kontinuierlich per os.

Szmulewitz RZ et al. J Clin Oncol 2018; 36:1389-95
Kolesar JM, Liu GX. J Clin Oncol 2018;36:1385-6
Tannock I. J Clin Oncol 2018 Sep 6: JCO2018792358 . [Epub ahead of print]

Die Studie von Szmulewitz RZ et al. stellte die simple Frage, ob es dosis-mässig «nid es bitzeli weniger sein dürfte»; angesichts des hohen Preises einer typischen Monatsdosis von Zytiga® (Publikumspreis rund CHF 4 000.-) ist diese Frage ökonomisch interessant.

Aktuell wird den Patienten empfohlen, ihre Tagesdosis von Abiraterone mit einem Sicherheitsabstand zur vorigen und zur nächsten Mahlzeit einzunehmen, was logistisch nicht immer ganz einfach zu bewerkstelligen ist.

Die Studie geht der interessanten Beobachtung aus der Zeit der frühen klinischen Studien dieses Medikaments nach, wonach die Einnahme von Abiraterone zusammen mit einer Mahlzeit höhere Medikamentenspiegel ergibt als die Einnahme auf nüchternen Magen. Da Mahlzeiten nicht kassenpflichtig sind, ergäbe beispielsweise die Kombinationstherapie Abiraterone-Birchermüesli eine nennenswerte Einsparung an Kosten.

Die Studie verglich bei Patienten mit kastrationsrefraktärem Prostatakarzinom Abiraterone à 1000 mg täglich nüchtern (= Standard-Arm) mit der Kombination Abiraterone à 250 mg täglich zuzüglich ein «low fat meal». Der primäre Endpunkt war PSA-Ansprechen innert 12 Wochen nach Therapiestart. Die kostengünstige Niedrigdosis-Kombination war der klassischen Verabreichung nicht unterlegen.
Somit weist diese Studie darauf hin, dass weniger Abiraterone möglicherweise gleich viel oder sogar mehr wert wäre (letzteres, falls die Ersparnis an Medikamentenkosten berücksichtigt wird). Dies hiesse, dass die Patienten mit weniger Dosis und logistisch einfacher, also mit besserer Compliance bei der Tabletteneinnahme (einfach 1 Tabl. zum Zmorge) zu behandeln wären, ohne nennenswerte Bedenken wegen einer möglichen Wirkungseinbusse. Dem halten Kritiker, z.B. die Autoren des begleitenden Editorials, entgegen, die Studie hätte nicht die Bedeutung einer gross angelegten Phase-III-Studie mit Gesamtüberleben als primärem Endpunkt – die Daten seien deshalb ohne wirkliche Konsequenz für unseren klinischen Alltag. Ian Tannock, dessen Artikel grundsätzlich immer lesenswert sind, widerspricht in seinem Leserbrief: eine Behandlung, die die Krankenversicherung nur mit einem Viertel an Medikamentenkosten belastet, sei im Lichte der Daten grundsätzlich zu befürworten. Ein sinkendes PSA sei zugegeben nicht «the full clinical monty» zur Beurteilung der klinischen Wirkung von medikamentösen Therapien beim Prostatakarzinom; ein validierter Surrogat-Erfolgs-Marker ist es allemal.

Hussain M, et al. N Engl J Med 2018;378:2465-74

Enzalutamide zur Behandlung nicht-metastatischer, kastrationstresistenter Prostatakarzinome

Bleiben wir der Übung halber beim Prostatakarzinom. Enzalutamide (Xtandi®) ist, wie Abiraterone, ein neueres Medikament zur Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms, initial getestet beim kastrationsrefraktären Karzinom, und später auch für hormonsensitive Tumoren für wirksam befunden. Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einer speziellen Gruppe von Männern mit Prostatakarzinom; mit Patienten nämlich, die unter androgen-suppressiver Therapie zwar keine nachweisbaren Fernmetastasen aufweisen, deren PSA aber kontinuierlich steigt. Es ist anzunehmen, dass diese Patienten kastrationsrefraktäre okkulte Fernmetastasen haben (die dem Nachweis im konventionellen CT oder MRI momentan noch entgehen), oder/und eine Progredienz ihres Primärtumors, oder progredienten Tumorbefall in der Prostataloge bei Status nach Prostatektomie aufweisen. Die Prognose dieser Patienten ist insgesamt nicht sehr gut – das Auftreten von symptomatischen Metastasen lediglich eine Frage der Zeit. Die Behandlung bestand in Enzalutamide in der typischen Tagesdosis von 160 mg (muss es wirklich so viel sein? Siehe oben!!) oder Placebo. Der primäre Endpunkt war metastasenfreies Überleben. Die Suche nach Metastasen wurde gemäss Protokoll alle vier Monate vorgenommen. Untersuchungen dieser Art müssten stringent mit diszipliniert gleichem «timing» in beiden Studienarmen vorgenommen werden. Falls die Suche nach Metastasen im einen oder anderen Arm nachlässig vorgenommen wird, mit Verpassen fälliger Termine, so wäre zu erwarten, dass der Endpunkt im anderen Arm früher erreicht wird, auch wenn Metastasen in «Echtzeit» nicht früher auftreten (sondern lediglich früher gefunden werden). Leider ist dem Artikel im NEJM nicht zu entnehmen, wie diszipliniert die Studienärzte die Patienten in den beiden Armen untersuchen liessen – ein wissenschaftlicher Mangel, und das in einem besonders renommierten Journal!!

Eine Zugabe gefällig (wie bei Klavierabenden bedeutender Pianisten)? Et voilà:

Tasmanischer Beutelteufel – Übertragung vitaler Krebszellen

Der Beutelteufel («Tasmanian devil» – Sarcophagus Harisii) ist ein fleischfressender («Sarcophagus») Raubbeutler aus Tasmanien, der sich mit seinen Artgenossen beim Vertilgen und im Verteilkampf erbeuteter Tiere oder Aas rabiate Schlachten mit Beissverletzungen liefert.

Kosack L et al. Cancer Cell 2019;35:125-39.e9. Tovar C et al. Sci Rep 2017;7:43827. doi: 10.1038/srep43827

Diese Tischmanieren besiegeln nun beinahe das Schicksal der vom Aussterben bedrohten Species, da bei Bissen vitale Krebszellen («devil facial tumour disease») von Tier zu Tier übertragen werden, die vom Immunsystem des Beissopfers nicht abgestossen werden, und innert Monaten zum Tode des sarkophagen Patienten führen. Es gibt beim Menschen keine Beobachtungen, wonach Krebs durch Übertragung intakter Krebszellen vom einen auf ein anderes Individuum übergehen kann; nicht einmal bei schwangeren Frauen, die an einer akuten Leukämie erkranken, sind Leukämiefälle beim Kind beschrieben. Die fazialen Karzinome beim Beutelteufel exprimieren offenbar keine Proteine der Major Histocompatibility Complex Class I (MHC-I), und deshalb werden sie vom Immunsystem des gebissenen Teufels nicht erkannt. In den Tumorzellen sind alte Bekannte aus der Krebsmolekularbiologie aktiv, nämlich der ERBB-RAS-RAF-MAPK-STAT3 Pfad, der MHC-I unterdrückt. Ein ERBB-Tyrosin-Kinase-Inhibitor kombiniert mit Interferon-γ vermag die Sache (fast) ins Reine zu bringen. Eine klinische Studie bei neun Teufeln zeigte, dass der Transfer von Tumorzellen, die MHC-I exprimierten, nicht zu einer klinischen Krebserkrankung führte. Nebenbei sei angemerkt, dass die für die Studie nötigen Blutentnahmen bei den Patienten unter besonderen Kautelen für einen guten Bissschutz der Studienärzte vorgenommen wurden. Auch wenn die Studie nicht in die Humanmedizin extrapoliert werden kann, so bietet sie doch einen interessanten Einblick in einen vernetzten molekular-immunologischen Pfad für alle Onkologen, die am Beispiel von Sarcophagus Harisii gerne einmal über den humanen Tellerrand hinausschauen möchten.

Woher stammt das Zitat «Wie sich die Bilder gleichen!»
Lösung:

* «Wie sich die Bilder gleichen» ist die deutsche Übersetzung der Arie des Mario Cavaradossi aus dem ersten Akt der Oper «Tosca» von Puccini. In der italienischen Originalfassung heisst der Text «Recondita armonia di bellezze diverse! …. E bruna Floria (Tosca), l’ardente amante mia.» etc. Die beste CD-Aufnahme ist immer noch die Einspielung mit Maria Callas, Giuseppe di Stefano und Tito Gobbi, dirigiert von Victor de Sabata.

Prof. em. Dr. med. Martin Fey

Bern

martin.fey@insel.ch

Beratungsmandat Nestlé Health Sciences, Epalinges – Aktien bei Novartis, Roche, und Johnson&Johnson

5- vs. 10-Tages Decitabin Protokoll bei älteren Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie: eine randomisierte Phase 2 Studie

Short NJ et al. Lancet Haematol 2019; 6:e29-37

Hintergrund. Hypomethylierende Substanzen wie z.B. Decitabin, sind der Standard bei älteren Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie. Einarmige Studien haben gezeigt, dass ein 10-tägiges Decitabin-Regime zu besseren Ergebnissen führt als das übliche 5-Tagesregime. In der Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit dieser beiden Protokolle miteinander verglichen. Methoden. Einschliessbare Patienten waren 60 Jahre oder älter mit akuter myeloischer Leukämie, die für eine intensive Chemotherapie-Behandlung ungeeignet waren (oder < 60 Jahre, wenn sie für eine intensive Chemotherapie mit Anthrazyklin plus Cytarabin nicht in Frage kamen).
Die ersten 40 Patienten wurden durch computergenerierte Block-Randomisierung zu gleichen Teilen den beiden Behandlungsgruppen zugeordnet (Blockgrösse 40), daraufhin wurde ein Ansprechen-adaptiver Randomisierungsalgorithmus angewandt, der alle Behandlungs- und Ansprechdaten früherer Patienten verwendete, um über die Zuordnung jedes folgenden Patienten zu entscheiden, wobei die Gruppe mit überlegenem Ansprechen bevorzugt wurde. Die Patienten wurden zur Gabe von 20 mg / m² Decitabin an 5 oder 10 aufeinanderfolgenden Tagen als Induktionstherapie intravenös alle 4-8 Wochen für bis zu drei Zyklen zugeordnet. Patienten mit Ansprechen erhielten anschliessend Decitabin als Konsolidierungstherapie nach dem 5-tägigen Zeitplan während bis zu 24 Zyklen. Kombinierter primärer Endpunkt war das Erreichen einer kompletten Remission, einer kompletten Remission mit unvollständiger Thrombozytenerholung (CRp) oder die komplette Remission mit unvollständiger hämatologischer Regeneration (CRi), zu jeglichem Zeitpunkt gemäss «intention to treat» Analyse. Resultate. Zwischen dem 28. Februar 2013 und dem 12. April 2018 wurden 71 Patienten in die Studie eingeschlossen. 28 Patienten erhielten Decitabin 5-Tageszyklen und 43 Patienten Decitabin 10-Tageszyklen. Alle waren hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit auswertbar. Der primäre Endpunkt wurde zu ähnlichen Verhältnissen in beiden Behandlungsgruppen erreicht (12 [43%] von 28 in der 5-Tage-Plangruppe, 95% glaubwürdiges Konfidenzintervall 26-60, und 17 [40%] von 43 in der 10-Tage-Plangruppe, 26-54, p=0-78; Differenz 3%, -21 bis 27). Die gesamte Nachbeobachtung betrug 38.2 Monate. Das mediane Gesamtüberleben betrug 5.5 Monate (IQR 2-1-11-7) in der 5-Tages-Gruppe und 6.0 Monate (1-9-11-11-7) in der 10-Tages-Gruppe. Das 1-jährige Gesamtüberleben betrug in beiden Gruppen 25%. Das Erreichen einer vollständigen Remission, CRp, CRi, und das Gesamtüberleben war zwischen den beiden Gruppen, nach Stratifizierung gemäss Zytogenetik, de novo versus sekundäre oder therapiebedingte akute myeloische Leukämie oder TP53mut-Status, nicht unterschiedlich. Die häufigsten Nebenwirkungen Grad 3-4 waren neutropenisches Fieber (7 Patienten [25%] in der 5-Tage-Gruppe und 14 [33%] in der 10-Tage-Gruppe) und Infektionen (5 [18%] und 16 [37%]). Ein Patient (4%) starb an einer Sepsis im Zusammenhang mit neutropenischem Fieber, Infektion und Blutungen in der 5-Tage-Gruppe. In der 10-Tage-Gruppe starben sechs Patienten (14%) an einer Infektion. Die Frühmortalität war in den beiden Gruppen ähnlich.
Interpretation. Bei älteren Patienten mit neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie bestand zwischen einem 5-tägigen oder 10-tägigen Decitabin-Regime kein Unterschied hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit.

Horwitz S et al. Lancet 2019;393:229–40

Brentuximab vedotin in Kombination mit Chemotherapie für CD30-positive periphereT-zell Lymphome (ECHELON-2): eine globale, doppelblinde, randomisierte Phase 3 Studie

Basierend auf der ermutigenden Aktivität und dem Sicherheitsprofil, welche in einer Phase-1-Studie beobachtet wurden, wurde die Echelon-2-Studie initiiert, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Brentuximab vedotin, Cyclophosphamid, Doxorubicin und Prednison (A+CHP) mit Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin und Prednison (CHOP) zur Behandlung von CD30-positiven peripheren T-Zell-Lymphomen zu vergleichen.
ECHELON-2 ist eine doppelblinde, doppel-Dummy, randomisierte, placebo-kontrollierte, aktive Phase-3-Vergleichsstudie. Einschliessbare Erwachsene aus 132 Standorten in 17 Ländern mit bisher unbehandelten CD30-positiven peripheren T-Zell-Lymphomen (zu 75% mit systemischem anaplastischem Großzell-Lymphom) wurden randomisiert im Verhältnis 1:1 entweder zu A+CHP oder CHOP für sechs oder acht 21-Tages-Zyklen zugeordnet. Die Randomisierung wurde nach histologischem Subtyp gemäss lokaler Pathologie und nach internationalem prognostischem Indexwert stratifiziert. Alle Patienten erhielten Cyclophosphamid 750 mg/m² und Doxorubicin 50 mg/m² an Tag 1 jedes Zyklus intravenös und Prednison 100 mg einmal täglich an den Tagen 1 bis 5 jedes Zyklus oral, gefolgt von entweder Brentuximab vedotin 1-8 mg/kg und einer Placebo-Form von Vincristin intravenös (A+CHP-Gruppe) oder Vincristin 1-4 mg/m² und einer Placebo-Form von Brentuximab vedotin intravenös (CHOP-Gruppe) am ersten Tag jedes Zyklus. Der primäre Endpunkt, progressionsfreies Überleben nach verblindeter unabhängiger zentraler Überprüfung, wurde nach dem intention to treat Prinzip analysiert.
Zwischen dem 24. Januar 2013 und dem 7. November 2016 wurden 601 Patienten auf ihre Eignung zum Studieneinschluss untersucht. Davon wurden 452 Patienten eingeschlossen und 226 wurden randomisiert der A+CHP-Gruppe oder der CHOP-Gruppe zugeordnet. Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 48.2 Monate (95% CI 35.2 – nicht auswertbar) in der A+CHP-Gruppe und 20.8 Monate (12.7-47.6) in der CHOP-Gruppe (Hazard Ratio 0.71[95% CI 0.54-0.93], p=0.0110). Unerwünschte Ereignisse, einschließlich der Inzidenz und Schweregrad fieberhafter Neutropenie (41[18%] Patienten in der A+CHP-Gruppe und 33[15%] in der CHOP-Gruppe) und der Inzidenz peripherer Neuropathien (117[52%] in der A+CHP-Gruppe und 124[55%] in der CHOP-Gruppe), waren ähnlich zwischen den Gruppen. Fatale Ereignisse traten bei sieben Patienten (3%) n der A+CHP-Gruppe und bei neun Patienten (4%) in der CHOP-Gruppe auf.
Interpretation: Die Front-Line-Behandlung mit A+CHP ist CHOP bei Patienten mit CD30-positivem T-Zell-Lymphomen überlegen. Dies wurde in dieser Studie durch eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens und des Gesamtüberlebens, sowie einem vertretbaren Sicherheitsprofil gezeigt.

Prof. Dr. med.Markus G. Manz

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

PD Dr. med. Alexandre Theocharides

Zentrum für Hämatologie und Onkologie
UniversitätsSpital Zürich

Alexandre.Theocharides@usz.ch

Nachsorge von Hodentumoren

In den vergangenen Jahren konnte in Europa zwischen Onkologen und Urologen ein Konsens für die Nachsorge von Patienten mit Hodentumoren definiert werden. Diese Empfehlungen wurden im Jahre 2018 sowohl von der Onkologiegesellschaft ESMO wie auch von der urologischen Gesellschaft EAU publiziert (1, 2). Die Nachsorge konnte vereinfacht und vereinheitlicht werden mit der Bildung von drei grossen Hauptgruppen und somit nur noch drei Nachsorgeschemata (siehe Tab. 2-4).

Ces dernières années, les oncologues et les urologues en Europe ont pu définir un consensus pour le suivi des patients atteints de tumeurs testiculaires. Ces recommandations ont été publiées en 2018 par la société d’oncologie ESMO et la société d’urologie EAU (1, 2). Le suivi des soins pourrait être simplifié et normalisé par la formation de trois grands groupes principaux et donc seulement trois programmes de suivi post-cure (voir tableaux 2-4).

Hintergrund

Die Nachsorge von Patienten mit Hodentumoren, sei es in einem Surveillance Programm bei Stadium I oder nach Abschluss einer Therapie, stellt einen wichtigen Bestandteil in der Behandlung dieser Patienten dar. Dies umso mehr als Patienten zunehmend in einem frühen Stadium diagnostiziert werden und die aktive Überwachung sich in vielen Fällen als primäre Therapie etabliert hat. Die korrekte Durchführung dieser Überwachung mit Vermeidung von zu häufigen Kontrollen und unnötiger Strahlenbelastung bei den überwiegend jungen Patienten in kurativer Situation ist entscheidend für den Erfolg.
Erstes Ziel der Nachsorge ist natürlich die frühzeitige Entdeckung eines Rezidivs, damit eine möglichst gering belastende kurative Nachfolgetherapie durchgeführt werden kann. Hierzu ist es erforderlich, die unterschiedlichen Verläufe der Hodentumorerkrankung abhängig von Histologie, Stadium, initialer Therapie und Behandlungserfolg einschätzen zu können. Basierend auf dieser Einteilung kann für jeden Patienten die geeignete Nachsorge festgelegt werden. Darauf basierend wurden für die Schweiz und Deutschland im Jahr 2011 entsprechende Empfehlungen publiziert (3).
An einer interdisziplinären Konsensuskonferenz der ESMO im Jahr 2016 wurde eine Vereinfachung und Vereinheitlichung der Nachsorge für Patienten mit Hodentumoren beschlossen. Die Ergebnisse wurden 2018 publiziert (1). Erfreulicherweise hat die europäische urologische Fachgesellschaft EAU die Empfehlungen für die Nachsorge in ihren Richtlinien unverändert übernommen (2), so dass seit 2018 erstmals in Europa identische Empfehlungen zur Nachsorge von Hodentumoren für Onkologen und Urologen bestehen.

Festlegung der Modalität und Frequenz der Nachsorge gemäss Rezidivrisiko

Zum Staging bei Erstdiagnose ist zwingend eine Computertomographie (CT) von Thorax, Abdomen und Becken vorzunehmen. In der Nachsorge stellt das CT ebenfalls eine wichtige Bildgebung dar. Aufgrund der mit der ionisierenden Strahlung verbundenen Risiken soll das CT jedoch sparsam und gezielt eingesetzt werden. Grundsätzlich ist die Bildgebung auf das in den Empfehlungen vorgeschlagene notwendige Minimum zu reduzieren. Beim Abdomen kann anstelle des CT auch eine Magnetresonanztomographie (MRI) vorgenommen werden. Dazu muss jedoch die Expertise zur Durchführung und Beurteilung eines MRI des Abdomens vorliegen. Grundsätzlich ist zur Untersuchung der Lunge im Verlauf ein konventionelles Thoraxröntgenbild ausreichend. Die Bildgebung des kleinen Beckens (CT oder MRI) ist nur beim Vorliegen von folgenden Faktoren notwendig: St.n. adjuvanter Radiotherapie beim Seminom Stadium I, initial grosse retroperitoneale Tumormassen > 5 cm, Anamnese mit Kryptorchismus oder Orchidopexie, Anamnese von skrotalen Eingriffen, St.n. Tumorinvasion in die Tunica vaginalis testis.
Das PET-CT hat keine Wertigkeit im Staging oder in der Nachsorge von Hodentumoren und sollte nicht eingesetzt werden.
Das mit ionisierender Strahlung verbundene erhöhte Krebsmortalitätsrisiko kann mittels stochastischen Risikokalkulationen berechnet werden. Das Risiko ist erhöht bei jüngerem Alter und kumuliert mit der Anzahl Untersuchungen und ist nicht unerheblich.
Die Nachsorgedauer und die Intervalle in der Nachsorge richten sich in erster Linie nach dem Rezidivrisiko. Das Rezidivrisiko kann gemäss Initialstadium, Histologie und Behandlung basierend auf den Resultaten von grossen retrospektiven Analysen und publizierten Therapiestudien abgeschätzt werden. Tabelle 1 zeigt eine entsprechende Übersicht.

Nachsorgeempfehlungen für die ersten fünf Jahre

Basierend auf den in Tabelle 1 aufgeführten Erkenntnissen können unter Berücksichtigung der initialen Diagnose (Histologie, Stadium) und der gewählten Behandlung aufgrund der Rezidivhäufigkeit und des Rezidivmusters drei Hauptgruppen für die Nachsorge unterschieden werden:

  • Patienten mit Seminom im Stadium I (unter active surveillance oder nach adjuvanter Therapie mittels Chemotherapie oder Radiotherapie)
  • Patienten mit Nicht-Seminom Stadium I unter active surveillance
  • Alle anderen Patienten die entweder eine adjuvante Therapie oder eine kurative Therapie bei metastasierter Erkrankung erhalten haben und darunter eine komplette Remission erzielt haben

Die Nachsorgeempfehlungen für diese drei Gruppen sind in den Tabellen 2-4 aufgeführt. Es handelt sich dabei um minimale Empfehlungen basierend auf den Abstimmungen am Konsensusmeeting. Bei gewissen Untersuchungen und Intervallen plädierte eine relevante Minderheit für intensivierte Kontrollen, dies ist in den Fussnoten der Tabellen vermerkt. Zu beachten ist, dass die Empfehlungen nicht für Patienten der poor prognosis Risikogruppe und auch nicht für Patienten mit residuellen Befunden gelten (Ausnahme: beim Seminom sind Residualbefunde bis 3 cm erlaubt). Patienten nach Rezidiv müssen ebenfalls individuell nachgesorgt werden. Alle diese Patienten sollten in spezialisierten Zentren mitbetreut werden.
Die Bestimmung der drei Tumormarker AFP, HCG und LDH ist bei jeder Nachsorgekontrolle in den ersten fünf Jahren zwingend. Gemäss Konsensusempfehlung sollen immer bei jedem Patienten unabhängig von der Histologie und von den initialen Werten alle drei Tumormaker bestimmt werden. Selbst initial markernegative Patienten können im Rezidiv in bis zu 40% der Fälle Marker entwickeln. Die Aussagekraft der LDH ist eingeschränkt und dieser Wert muss daher vorsichtig und im Gesamtkontext interpretiert werden. Bezüglich des kontralateralen Hodens ist im längeren Verlauf in etwa 3-5% mit dem Auftreten eines Zweittumors zu rechnen. Daher ist eine Hodenpalpation bei jeder Nachsorgekontrolle vorzunehmen. Eine regelmässige Sonographie des Hodens ist unabhängig von einer erfolgten Biopsie nicht mehr empfohlen.

Nachsorge mehr als fünf Jahre nach Diagnosestellung

Sehr späte Rezidive nach 5 Jahren sind ausgesprochen selten und treten nur in etwa 0.5% aller Hodenkarzinompatienten auf. Die tumorspezifische Nachsorge kann daher nach fünf Jahren abgeschlossen werden. Zu diesem Zeitpunkt kommt es zu einem Paradigmenwechsel und anstelle der Rezidiventdeckung tritt die Identifikation von Spätfolgen der Therapien in den Vordergrund. Empfohlen sind regelmässige hausärztliche Kontrollen alle 2-3 Jahre zur Identifikation und frühzeitigen Therapie von Spättoxizitäten. Dazu gehören das metabolische Syndrom, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, renale Funktionseinschränkungen, periphere Polyneuropahtie und Ototoxizität, Raynaud Syndrom, Hypogonadismus und psychosoziale Belastungen. Zudem besteht bei Langzeitüberlebenden nach Behandlung eines Hodentumors ein erhöhtes Risiko für Zweitmalignome. Das relative Risiko für solide Tumore beträgt je nach Organ und Therapie 1.5 – 4, dasjenige für hämatologische Malignome 3.4 – 4.5.
Sehr wichtig ist es, die Patienten zu Eigenverantwortung und einem gesunden Lebensstil mit körperlicher Aktivität, Nichtrauchen und Kontrolle des Körpergewichts zu motivieren. Ebenso soll der Patient zur regelmässigen selbständigen Hodenpalpation angehalten werden.
Die Besprechung der möglichen Spättoxizitäten und der Symptome eines Spätrezidivs mit dem Patienten sowie die Information des Hausarztes (und die schriftliche Abgabe eines Survivorship care Plans, Tab. 5) sind entscheidende Bestandteile der langfristigen Nachsorge.
In der Schweiz sowie in Deutschland und Österreich wird im Rahmen einer prospektiven Registerstudie (SAG TCCS) seit einigen Jahren die Nachsorge bei Patienten mit Hodentumoren erfasst. An 14 Zentren wurden bislang über 500 Patienten erfasst. Erste Resultate wurden im 2018 publiziert (4). Interessierte können sich an den Studienleiter Dr. Christian Rothermundt (christian.rothermundt@kssg.ch) wenden.

Prof. Dr. med. Richard Cathomas

Klinik für Onkologie/Hämatologie
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur

richard.cathomas@ksgr.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Die onkologischen (ESMO) und urologischen (EAU) europäischen Fachgesellschaften haben sich auf identische Empfehlungen zur Nachsorge von Patienten mit Hodentumor geeinigt und diese 2018 publiziert.
  • Die active surveillance von Patienten im Stadium I sowie die Nachsorge bei allen Patienten in Remission nach Therapie soll gemäss den publizierten Richtlinien vorgenommen werden.
  • Es bestehen drei Hauptgruppen mit entsprechenden Nachsorgeschemata: Seminom Stadium I; Nichtseminom Stadium I in active surveillance; alle Patienten in kompletter Remission nach adjuvanter oder kurativer Therapie.
  • Nach 5 Jahren kann die tumorspezifische Nachsorge abgeschlossen werden. Im Vordergrund steht nun die Erfassung und Therapie von Spättoxizitäten. Die Abgabe eines Survivorship Care Planes an die
    Patienten ist empfohlen.

Messages à retenir

  •  Les sociétés européennes d’oncologie (ESMO) et d’urologie (EAU) se sont mises d’accord sur des recommandations identiques pour le suivi des patients atteints de tumeurs testiculaires et les ont publiées en 2018.
  • La surveillance active des patients de stade I et le suivi de tous les patients en rémission après le traitement doivent être effectués conformément aux directives publiées.
  • Il y a trois groupes principaux avec les régimes de suivi appropriés : seminoma stade I ; tumeurs non séminomateuses stade I dans la surveillance active ; tous les patients en rémission complète après traitement adjuvant ou curatif.
  • Après 5 ans, le suivi spécifique de la tumeur peut être complété. L’accent est maintenant mis sur la détection et le traitement des toxicités tardives. Il est recommandé d’offrir un plan de soins aux patients survivants.

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2. Albers P et al. EAU guidelines on testicular cancer, European Association of Urology 2018; www.uroweb.org
3. Cathomas R et al. Interdisciplinary Evidence-Based Recommendations for the Follow-Up of Testicular Germ Cell Cancer Patients. Onkologie 2011;34: 59–64
4. Rothermundt C et al. Baseline Characteristics and Patterns of Care in Testicular Cancer Patients: First Data from the Swiss Austrian German Testicular Cancer Cohort Study (SAG TCCS). Swiss Med Wkly 2018 Jul 24;148:w14640

Wegweiser durch die Präzisionsmedizin?

Tumormarker – ihre Zahl steigt täglich, zumindest gemessen an den Publikationszahlen. In die klinische Routine haben jedoch nur die wenigsten Einzug gehalten. Während die Präzisionsmedizin auf neue akkurate Marker dringend angewiesen ist, bleiben die altbekannten statistischen Masszahlen Sensitivität, Spezifität, Prävalenz und positiv prädiktiver Wert oft unüberwindliche Hindernisse auf dem Weg der Translation. Hoffnung gibt es jedoch bei neuen Anwendungsgebieten, z.B. in der Vorhersage des Therapieansprechens oder der Prognose und Prävention.

Les marqueurs tumoraux – leur nombre augmente chaque jour, au moins mesuré par les chiffres de publication. Dans la routine clinique, cependant, le le plus petit d’entre eux. Alors que la médecine de précision a besoin de toute urgence de nouveaux marqueurs précis, les nombres bien connus, la sensibilité, la spécificité, la prévalence et la valeur prédictive positive souvent sont des obstacles insurmontables sur le chemin de la translation. Un espoir reste dans les nouveaux domaines d’application, par exemple dans la prédiction de l’évolution de la réponse thérapeutique ou le pronostic et la prévention.

Der neueste «Hype» in der Medizin, die «Präzisionsmedizin», setzt sich zum Ziel, jedem Patienten eine auf ihn abgestimmte Therapie anbieten zu können – dies bedarf nicht nur massgeschneiderter Therapien, sondern auch einer spezifischen Diagnostik – im Fall der Onkologie einer ganzen Batterie neuer «Tumormarker»(1, 2).
Tumormarker sind mess- oder berechenbare Entitäten, die sensitiv, spezifisch und ohne Bias die Prädisposition, das Auftreten, die Progression, das Therapieansprechen oder die Abwesenheit eines Tumors oder seines Surrogates bezeichnen (3–5). Unter eine solche Definition fallen neben den klassischen klinisch-chemischen Einzelanalysen auch Ratios von freien und totalen Markern (z.B. totales und freies PSA) (6), Anstiegsgeschwindigkeiten (z.B. beim PSA (7)), Scores (8), komplexe Metabolitmuster (9) und Algorithmen (10). Aufgrund der Vielzahl der Anwendungsgebiete greift jedoch der Begriff des «Tumormarkers» zu kurz, denn ein Marker, der sensitiv die Präsenz einer Malignität anzeigt, ist für eine Prognoseabschätzung möglicherweise ungeeignet oder ein genetischer Marker, der mit grosser Sicherheit die Empfindlichkeit bzw. Resistenz eines Tumors gegenüber einer spezifischen Behandlung voraussagt, ist unter Umständen für die Verlaufsbeobachtung unbrauchbar.

Prädispositionsmarker

In den letzten Jahren wurde eine grosse Menge genetischer Risikofaktoren aufgedeckt, die als gemeinsame oder spezifische Risikofaktoren für die Entstehung von malignen Tumoren in Frage kommen (11). Zu den bekanntesten zählen BRCA-Mutationen für das Mammakarzinom (12, 13) oder hereditäre Kolonkarzinome (14). Während die aktuellen Ansätze des Whole-Genome-Sequencings (WGS) immer neue Mutationen und Varianten ans Licht bringen, bleibt die klinische Wertigkeit solcher Befunde häufig unklar. Daraus entstehen Herausforderungen für die moderne Medizin: zum einen an die Aufarbeitung und Übermittlung (15, 16) von Daten mit potenziell prädisponierender Information, zum andern an den Umgang mit aufgeklärten Patienten (vgl. «patients like me» ), aber auch an die Regularien für die Befundmitteilung, wie z.B. ab welchem Grad an Verlässlichkeit der Patient informiert werden sollte. Für klinische Studien (17) und nationale Verbundprojekte, wie z.B. im Rahmen des Swiss Personalized Health Networks (SPHN) sind diese Fragen essentiell.
Da sich insbesondere auf dem Gebiet der genetisch bedingten Tumoren die Datenlage extrem schnell ändert, ist es empfehlenswert, sich mit Hilfe der Literatur (z.B. aktuelle Guidelines(18, 19)), molekularen Tumorboards (20), in Tumorkonferenzen unter Beteiligung molekularer Pathologen und Genetiker und mit modernen Werkzeugen des Risikoassessments (21)«up-to-date» zu halten.

Abbildung 1: Die Schemazeichnung zeigt exemplarisch einen Verlauf von Tumormarkermessungen im Krankheitsverlauf. Während die Messwerte zu Beginn innerhalb des Referenzbereichs schwanken, zeigt sich im Verlauf des Tumorwachstums langsam eine Zunahme, wobei der Referenzbereich erst recht spät überschritten wird (vgl. Hori & Gambhir). Nach der Exstirpation des betroffenen Organs fallen die Werte unter die Nachweisgrenze ab, um im Rezidivfall wieder darüber hinaus anzusteigen.

Marker für die Früherkennung

Die Früherkennung von Tumorerkrankungen ist von herausragender Bedeutung, da viele Tumoren, wenn sie denn rechtzeitig erkannt werden, durch chirurgische und häufig auch konventionelle Verfahren effektiv behandelt und ggf. sogar geheilt werden können (22). Daher steht die Nutzung von Tumormarkern zur Früherkennung von Karzinomen im Interesse der aktuellen Forschung. Eine inzwischen unüberschaubare Anzahl an Publikationen «entdeckt» immer neue Frühmarker und nutzt dazu hochkomplexe und für jedweden Bias anfällige «-omics»-Technologien (5, 23). Häufig wird dabei aber vergessen, dass sich Tumoren, und damit auch die meisten Tumormarker, von ursprünglich gesundem Gewebe ableiten – deswegen haben insbesondere die «klassischen» Tumormarker Referenzbereichsgrenzen, welche die Variabilität der Marker in der Population abbilden. Hori und Gambhir (24) konnten mit Hilfe einer mathematischen Modellierung nachweisen, dass z.B. ein Ovarialkarzinom einen Durchmesser von ca. 2.5cm erreichen muss, bevor CA125 als Tumormarker den Referenzbereich überschreitet – dies würde einer «lead-time» von 10 bis 12 Jahren entsprechen. Von Früherkennung kann hier keine Rede sein (vgl. Abbildung 1). Generell haben die Entwicklungen der letzten 20 Jahre eher enttäuschende Ergebnisse geliefert (25, 26). Einen Ausweg könnten neue labormedizinische Technologien bieten, so z.B. die sog. «circulating tumor cells» (CTCs), «circulating tumor DNA“ (ctDNA), «cell free RNA» (cfRNA), «tumor-educated platelets» (TEPs) und Exosomen im Rahmen der sog. «liquid biopsy». Weil Tumoren mit spezifischen Mutationen einhergehen, die im gesunden Organ nicht vorkommen, können Tumorgenom-Sequenzen aus wenigen Zellen, Thrombozyten oder Exosomen im Blut amplifiziert und so ausgeschwemmte Tumorzellen im peripheren Blut nachgewiesen z. B. werden (27). Aktuell stellt die geringe Konzentration der genetischen Marker im Blut noch eine technische Herausforderung für die Analytik dar (28).

Screening

Noch kritischer als für die Früherkennung sind die Anforderungen für Tumormarker, wenn sie für ein populationsbasiertes Screening eingesetzt werden sollen. Die in der generellen Bevölkerung niedrige Prävalenz von Tumorerkrankungen führt auch bei ausserordentlich hoher Spezifität zu einer kritischen Anzahl falsch positiver Befunde, die in der Regel eine belastende Folgediagnostik nach sich zieht. Eine gute Masszahl zur diagnostischen Einschätzung von Tumormarkern (29) bietet daher der positiv prädiktive Wert (PPV, «positive predictive value»), der angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein positives Testergebnis auch indikativ für die Erkrankung ist. Für die Beurteilung klinischer Konsequenzen der Anwendung eines Tumormarkertests bietet sich z.B. die Decision-Curve-Analysis (DCA) an (30). Während die Verwendung von Tumormarkern für Screeningzwecke in der älteren Literatur mehr als zurückhaltend betrachtet wird (25, 31), zeigen neuere Arbeiten, dass sich mit Hilfe von rechnergestützten Simulationen, ausgehend von initialen Basiswerten und ihrer Variabilität, die Tumordetektionszeiten verkürzen lassen, wenn eine grössere falsch-positiv-Rate (FPR) in Kauf genommen wird (32, 33). Dies lässt die Vermutung zu, dass aufgrund der hohen inter-individuellen Variabilität von Tumormarker-Konzentrationen ein in gesundem Zustand gemessener, individueller Ausgangswert, auch in Anbetracht der FPR für die Beurteilung eines späteren Anstiegs hilfreich sein könnte. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl an präanalytischen Einflussgrössen und Störfaktoren die gemessenen Markerkonzentrationen beeinflussen kann (25) und dass sich für dieselbe Probe je nach Hersteller des Testkits die Werte erheblich unterscheiden können, auch wenn das Verfahren selbst prinzipiell vergleichbar ist (34).

Diagnostische Marker

Neben den seit Jahrzehnten bewährten Tumormarkern (25) haben trotz ihrer bekannten Limitationen (31) nur wenige neue Marker den Sprung in die Routinediagnostik geschafft (35): Belastbare, evidenzbasierte Daten (Evidenzstufe I [Markerstudie mit ausreichend Power bzw. Meta-Analyse] der Kategorie A [prospektive Evaluationsstudie]) liegen für neue Marker kaum vor (siehe Tabelle 1).
Für eine Übersicht über die aktuell in der Routine verwendeten Tumormarker sei auf die Übersichtsliteratur verwiesen (39–42).

Companion Diagnostics

Als Companion Diagnostics werden in vitro-Diagnostika bezeichnet, die Informationen für die sichere und effektive Nutzung eines korrespondierenden therapeutischen Produkts bereitstellen (43): Häufig werden Companion Diagnostics zusammen mit einem Therapeutikum entwickelt und hergestellt. Während der präklinischen Studienphasen werden Biomarker evaluiert, die das Therapieansprechen im individuellen Patienten vorhersagen können und selbige dann in späteren klinischen Phasen analytisch und klinisch evaluiert. Ihr Hauptanwendungsgebiet finden Companion Diagnostics derzeit in der Onkologie, prinzipiell sind sie aber für das gesamte Spektrum der personalisierten Medizin interessant (44). Durch ihren konsequenten Einsatz können oft sehr teure, unnötige Therapiekosten eingespart werden (45), wobei sich die Aufwandsbetrachtung Therapien dabei jeweils auf die Gesamtkosten beziehen sollte. In Zukunft dürfte sich die Zahl der als Companion Diagnostics bezeichneten Marker im Zuge der Personalisierung der Tumortherapie rapide erhöhen, was im Gegenzug eine Validierung mit ausreichend grossen Kohorten zur Herausforderung werden lässt. Für die korrekte Auswahl, Messung und Interpretation gewinnt eine patientenzentrierte, interdisziplinäre Zusammenarbeit von Klinikern sowie von Pathologen und Labormedizinern immer grössere Bedeutung – ein Umstand, dem z.B. in Bern mit der Neugründung eines integrativen Clinical Genomics Lab (CGL) Rechnung getragen wird.

Prognosemarker

Neben der rein diagnostischen Funktion kommt einer Reihe von Tumormarkern auch eine prognostische Aussagekraft zu, so z.B. dem CEA, CA125, S100A4 und Mesothelin beim Pankreaskarzinom (46, 47), ein Panel von 26 histologischen Markern bei Lebermetastasen einem kolorektaler Karzinome (48), oder zirkulärer RNA beim hepatozellulären Karzinom (49) bzw. epigenetische Marker bei unterschiedlichen Tumoren(50), um nur einige wenige epigenetischen Markern Beispiele zu nennen. Während der Nutzen für den Patienten, der bei jeder Diagnostik im Vordergrund stehen sollte, bei einer rein prognostischen Wertigkeit fraglich bleibt, käme einer präventiven Therapie unter regelmässiger Überwachung durch geeignete Marker, die derzeit noch weitgehend fehlen, eine grosse Bedeutung zu (51).

Choosing Wisely

Wie geht es weiter mit den Tumormarkern? Angesichts der Fülle jedes Jahr publizierter neuer Marker und der Schwierigkeit, die Validität von Markerstudien im Einzelfall zu erfassen, kommt Initiativen wie «Choosing Wisely» (19) eine immer grössere Bedeutung zu. Eine Gruppe Schweizer Autoren hat kürzlich im Journal der European Society for Medical Oncology eine Übersichtsarbeit (52) verfasst, die sich mit Strategien befasst, wie unangemessene Diagnostik und Behandlung vermieden und die Fachdisziplinen in einen produktiven Dialog gebracht werden können. Als besondere Hemmnisse identifizieren sie Voreingenommenheiten, die in einem hierarchisch organisierten Medizinsystem wohl erst mit ihren Vertretern Schritt für Schritt weniger werden, daneben aber auch eine «defensive», innovationsfeindliche Grundhaltung in der Medizin und Interessenkonflikte. Als mögliche Lösungsansätze sehen sie nicht nur eine Ausbildung künftiger Ärzte in medizinischer Entscheidungsfindung, sondern auch in der Einführung von elektronischen Werkzeugen, die die Adhärenz an Guidelines zu einem gewissen Grad automatisieren und damit so vereinfachen, dass davon abzuweichen schwerer fällt, als sich daran zu halten. Solche automatisierten Diagnostik- und Therapieempfehlungen werden in Zukunft ein unverzichtbarer Wegweiser durch das immer undurchdringlichere Dickicht aus neuen Markern und Therapien und dazu beitragen, den Patienten eine passende, auf sie personalisierte Medizin zu ermöglichen.

PD Dr. med. Alexander Leichtle

Universitätsinstitut für Klinische Chemie und Insel Data Science Center
Inselspital – Universitätsspital Bern und Universität Bern
3010 Bern

Prof. Dr. med. Georg Martin Fiedler

Universitätsinstitut für Klinische Chemie
Inselspital – Universitätsspital Bern und Universität Bern
3010 Bern

Die Autoren geben an, dass für diese Publikation kein Interessenkonflikt vorliegt.

  • Bei einer sehr niedrigen Erkrankungsprävalenz wird für Screeninganwendungen die falsch-positiv– Rate auch bei guter Spezifität eines Tumormarkers zum Problem.
  • Die Aussagekraft eines Tumormarkers hängt wesentlich von seinem Anwendungszweck (z.B. Verlaufsbeurteilung, Screening) ab.
  • Die grosse Mehrheit der alljährlich publizierten „Tumormarker“ erreicht keine Evidenzgrade, die eine schnelle Einführung in die klinische Routine erlauben.

Messages à retenir

  • Avec une très faible prévalence de la maladie, le taux de faux positifs devient un problème pour le dépistage des applications même avec une bonne spécificité d’un marqueur tumoral.
  • L’importance d’un marqueur tumoral dépend essentiellement de son utilisation prévue (p. ex. évaluation des progrès, dépistage).
  • La grande majorité des „marqueurs tumoraux“ publiés chaque année n’atteignent aucun niveau de preuve permettant une introduction rapide dans la routine clinique.

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48. Torén W, Ansari D, Andersson R. Immunohistochemical investigation of prognostic biomarkers in resected colorectal liver metastases: a systematic review and meta-analysis. Cancer Cell Int. 2018;18:217.
49. Huang X, Zhang W, Shao Z. Prognostic and diagnostic significance of circRNAs expression in hepatocellular carcinoma patients: A meta‐analysis. Cancer Med-us. 2019;
50. Ding W, Chen G, Shi T. Integrative analysis identifies potential DNA methylation biomarkers for pan-cancer diagnosis and prognosis. Epigenetics. 2019;1–14.

CAR-T-Zelltherapie –  eine neue Behandlungsoption

Die Mehrzahl der Rückfälle beim diffusen grosszelligen B-Zell Lymphom (DLBCL) treten in den ersten 5 Jahren auf. Die Standardbehandlung besteht in einer Salvage- und einer konsolidierenden Hochdosis-Chemotherapie mit klar kurativem Ziel. Die Prognose ist bei einem Frührezidiv bzw. refraktärer Situation, und vor allem wenn eine Hochdosis-Therapie nicht durchgeführt werden kann, wesentlich ungünstiger. Die Chimeric Antigen Receptor (CAR) T-Zell Therapie stellt für diese PatientInnen eine Behandlungsoption dar, die in den USA seit Oktober 2017, und am 22.10.2018 auch in der Schweiz zugelassen ist. Diese Therapie ist in jeder Hinsicht und für alle Beteiligten Neuland.

La majorité des rechutes dans le lymphome diffus à grandes cellules B (DLBCL) se produisent au cours des 5 premières années. Le traitement standard consiste dans une thérapie de sauvetage et d’ une chimiothérapie à forte dose dans un but curatif clair. Le pronostic est nettement moins favorable en cas de récidive précoce ou de situation réfractaire, en particulier si le traitement à forte dose ne peut être effectué. Le traitement par les cellules CAR-T (chimeric antigen receptor T cells) est une option thérapeutique pour ces patients qui a été approuvée aux Etats-Unis depuis octobre 2017 et en Suisse depuis le 22 octobre 2018. Cette thérapie est un territoire inexploré à tous les égards et pour toutes les personnes concernées.

Therapie des DLBCL – derzeitige Erfolge und Grenzen

Das diffuse grosszellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist eines der häufigsten Lymphome. Phänotypisch, genetisch und klinisch handelt es sich um eine sehr heterogene Erkrankung. Mit der Standardchemotherapie CHOP in Kombination mit dem CD20-Antikörper Rituximab wurde bei über 60-Jährigen nach 10 Jahren ein Gesamtüberleben von 44% und ein progressionsfreies Überleben von 37% erreicht (1). Diverse Versuche zur Verbesserung der Resultate der Erstbehandlung sind, auch bei jüngeren PatientInnen, bisher leider gescheitert. 87% der Rezidive treten in den ersten 3 Jahren auf (1). Fitten PatientInnen mit Rückfällen muss eine Salvage- und eine konsolidierende Hochdosis-Chemotherapie mit autologer Stammzell-Transplantation angeboten werden, was bei einem 3-Jahresgesamtüberleben von 50-70% klar kuratives Potential hat (2, 3). In der Population der über 60-Jährigen werden allerdings 70% innerhalb der ersten 2 Jahre versterben (1). Bei einem Frührezidiv bzw. refraktärer Situation ist die Prognose mit einem medianen Gesamtüberleben von 14.4 Monaten auch bei jungen PatientInnen ebenfalls ungünstig, und mit 5.1 Monaten noch eingeschränkter, sofern eine Hochdosis-Chemotherapie nicht durchgeführt werden kann (4). Standardtherapien bei Rezidiven nach autologer bzw. allogener Transplantation sind beschränkt bzw. fehlten bisher. Für diese PatientInnen sind neue Optionen also sehr willkommen.

CAR-T-Zell Therapie

Prinzip: Die Behandlung basiert auf manipulierten körpereigenen Abwehrzellen (vgl. auch info@onkologie, 03_2017). T-Zellen beseitigen normalerweise Krankheitserreger und können im Prinzip auch Krebszellen abtöten. Letzteres funktioniert nicht zuverlässig, da z. B. die T-Zellen ohne Antigenpräsentation Tumorzellen nicht erkennen und damit nicht wirksam angreifen können. Bei der neuartigen Therapieform erhält die T-Zelle einen künstlichen Rezeptor, der sich aus dem körpereigenen T-Zell-Rezeptor und einem Antikörper (z. B. CD19) zusammensetzt. Durch die Manipulation erhalten T-Zellen des Patienten die Fähigkeit, Tumorzellen direkt und spezifisch zu erkennen und effizient abzutöten. Es handelt sich also im wahrsten Sinne um eine individuelle, d.h. auf den einzelnen Betroffenen zugeschnittene Therapie.
Ablauf: Zur Herstellung von CAR-T-Zellen müssen dem Patienten T-Zellen entnommen werden. Dieser als Leukapherese bezeichnete ambulante Schritt erfolgt ohne spezielle Vorbereitung und aus dem peripheren Blut. Die Umprogrammierung erfolgt im Labor mit Hilfe eines viralen Vektors und umfasst auch eine Vermehrung der gentechnisch veränderten Abwehrzellen. Die Produktion dauert 2 bis 3 Wochen. Zur besseren Wirkung und längeren Verbleibedauer der CAR-T-Zellen werden die unmanipulierten Lymphozyten der Patienten mit einer Lymphozyten-depletierenden Chemotherapie (Fludarabin und Cyclophosphamid) entfernt, die Rückgabe der CAR-T-Zellen erfolgt 2 bis 7 Tage später. Je nach Zustand wird zusammen mit der Nachbeobachtungsphase von 10-14 Tagen die Behandlung eine Hospitalisationsdauer 2 bis 3 Wochen erfordern. Zudem wird gefordert, dass der Patient nach Austritt in den ersten 30 Tagen nach der Infusion das Behandlungszentrum je nach Produkt innert 60-120 Minuten erreichen kann. Wegen der möglichen, verzögerten Neurotoxizität muss der Patient während dieser Zeit auch auf das Autofahren verzichten.

Wirksamheit bei Lymphomen

Nach den ersten positiven Erfahrungen mit anti-CD19 CAR-T-Zellen bei der akuten, lymphatischen Leukämie < 26 Jahren wurde die Entwicklung bei Erwachsenen mit Rezidiven oder refraktären aggressiven Lymphomen weitergeführt. Dies hat im Oktober 2017 in den USA und im August 2018 auch zur Zulassung der zwei ersten kommerziellen Produkte durch die EMA geführt. Grundlage dazu waren die Resultate der ZUMA-1 und JULIET-Studien (5). In der Schweiz ist seit dem 22.10.2018 Kymriah® in der gleichen Indikation sowie für die akute lymphatische Leukämie bei Kindern und jungen Erwachsenen zugelassen (Tab. 1).
In ZUMA-1 mit dem von Gilead aufgekauften Produkt Axicabtagene ciloleucel (Yescarta®) wurden in den USA und Israel 111 Patienten eingeschlossen; 109 erhielten das Produkt, das mit einem Median von 17 Tagen vergleichsweise rasch zur Verfügung stand. Yescarta® wird ungefroren geliefert. Bei mehrfach vorbehandelten Patienten mit aggressiven Lymphomen (inkl. primär mediastinalen Lymphomen) liess sich eine Gesamtansprechrate von 82% (komplett in 54%) erreichen, welche nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15.4 Monaten in 42% anhielt. Die Gesamtüberlebensrate nach 18 Monaten betrug 52%.
Bei der JULIET-Studie wurde Tisagenlecleucel (Kymriah®) von Novartis verwendet. In der Zulassungsstudie wurden weltweit 165 Patienten eingeschlossen. Nur 111 (67%) erhielten schliesslich das aufgetaute Produkt nach 30 bis 96 Tagen, was durch Produktionsengpässe bedingt war, und teilweise überbrückende Therapien notwendig gemacht hat. Das Gesamtansprechen war 53% (komplett in 40%) und noch 37 bzw. 30% nach 6 Monaten. Wichtig war die Beobachtung, dass das Erreichen einer CR nach 3 Monaten mit Langzeitansprechen korreliert. Die mediane Ansprechdauer ist noch nicht erreicht.
Das dritte Konstrukt JCAR017 von Celgene wird in einem CD4/CD8-Verhältnis von 1:1 und in einer fixen Zieldosis von 1 x 108 T-Zellen verabreicht. Die Resultate der TRANSCEND-Studie von 140 amerikanischen Patienten, vorgestellt am ASH 2017, ergab bei einer vergleichsweise bisher kurzen Beobachtungszeit von 6.2 Monaten eine Ansprechrate von 74%, die in 52% komplett war und dann median 9.2 Monate anhielt. Die Wirksamkeit und Logistik zur Verabreichung von JCAR017 wird derzeit im Rahmen der JCAR017-BCM-001 Studie auch in 16 europäischen und 2 japanischen Zentren weiter untersucht (Abb. 1).

Abb. 1: JCAR017-BCM-001 Studie (NCT03484702, Sponsor: Celgene)

Die Studie rekrutiert zunächst in die Kohorte 1; das Inselspital ist eines der 16 Europäischen Zentren.

Nebenwirkungen

Die Wirkung von CAR-T-Zellen erklärt die häufigste Nebenwirkung: nach der Infusion sollen diese die Tumorzellen erkennen und via direkte Bindung zerstören. Dies führt zur Ausschüttung von Zytokinen, wodurch die Patienten nach median 3 (bis 10) Tagen nach der Infusion Fieber, Hypotonie und Hypoxämie entwickeln können. Diese Nebenwirkung verlief in einigen Fällen auch schwer und hat zum Tod einzelner Patienten geführt. Dieses sogenannte «cytokine-release syndrome» (CRS) erfordert daher eine engmaschige Überwachung, und supportive Massnahmen inkl. Gabe des anti-IL-6-Rezeptor-Antikörpers Tocilizumab und recht häufig intensivmedizinische Interventionen. In den Publikationen zu den drei Produkten wurde über Häufigkeiten zwischen 46 bis 93 % bzw. in höhergradigem Ausmass (mind. G3) 6 bis 23 % berichtet. Die Spannbreite ist zumindest teilweise durch unterschiedliche Definitionen und Klassifikationen, sowie durch unterschiedliche Richtlinien zur Verabreichung von Tocilizumab erklärt.
Die neurologischen Nebenwirkungen kennen wir von der Verwendung des bispezifischen CD3-CD19 Antikörpers Blinatumomab. Zu den ersten Anzeichen gehören Wortfindungs- und Aufmerksamkeitsstörungen bis hin zu Enzephalopathien mit Hirnödem und epileptischen Anfällen. Die Symptome treten meist nach dem CRS und auch verzögert auf, und können Stunden bis mehrere Tage andauern. Im Vergleich zur akuten, lymphatischen Leukämie tritt diese Nebenwirkung bei Lymphompatienten mit 12-31% seltener auf. Der zugrundeliegende Mechanismus wird derzeit nicht verstanden. Wie beim CRS erfordert das Management dieser glücklicherweise meist reversiblen Nebenwirkung ein speziell geschultes und zugeordnetes interdisziplinäres Behandlungsteam.
Neben den Medikamenten-spezifischen Nebenwirkungen können diese Patienten natürlich auch krankheitsbedingte Symptome oder persistierende Nebenwirkungen früherer Behandlungen und, wenn auch ältere Patienten diese Behandlung erhalten, auch durch Komorbiditäten bedingt sein. Von Zentren mit mehrjährigen Erfahrungen zu CAR-T-Zell-Therapien wird aber auch über wenig ereignisreiche Verläufe berichtet, so dass die Behandlung teilweise ambulant durchgeführt wurde. Individuell wird dies von den Indikationen, dem Zustand der Patienten und in Zukunft sicherlich auch vom wachsenden Erfahrungsschatz der Behandlungsteams abhängen.

Organisatorische Aspekte

Kymriah® ist seit dem 22. Oktober 2018 in der Schweiz zugelassen, die Mitteilung hat in der Presse ein grosses Echo ausgelöst. Im Vergleich zu anderen Medikamenten kann es trotzdem derzeit nicht einfach eingesetzt werden, da das Medikament stationär verabreicht wird bis mehr klinische Erfahrung vorhanden ist. Dies erfordert die Finanzierung der Therapie über das DRG System, die aktuell noch nicht verfügbar ist. Daher ist die zeitnahe Aufnahme in die Liste der Medikamente mit Zusatzentgelt zwingend. Letzteres ist von uns Anwendern zu fordern, da die erwarteten Medikamenten-Kosten von 370’ 755 CHF für das Spital systemrelevant sind und anders nicht zu finanzieren sind. Es ist zu hoffen, dass sich die involvierten Parteien der Gesamtverantwortung bewusst sind und durch Kompromisse rasch zu einer allgemeingültigen Lösung beitragen. Vielleicht könnte diese Therapie auch dazu dienen, das System der Zulassung neuer Medikamente resp. innovativer Technologien in der Schweiz prinzipiell zu überdenken.
Mit der Anwendung von «lebenden Medikamenten» inkl. dem Spektrum von Nebenwirkungen wird medizinisches Neuland betreten. Derzeit beschränken sich die klinischen Erfahrungen mit CAR-T-Zellen weltweit auf wenige Zentren. Nach der Vorstellung von Novartis soll Kymriah® in der Schweiz nach und nach an einer begrenzen Anzahl Krebszentren angewendet werden. Das Inselspital wurde als erstes Zentrum in der Schweiz für die Anwendung von Kymriah® zertifiziert. Ungewöhnlich ist auch die Tatsache, dass in absehbarer Zeit bis zu drei Medikamente für die praktisch gleiche Population zur Verfügung stehen werden. Neben Unterschieden in der Wirksamkeit oder Nebenwirkungen können in Zukunft z. B. auch logistische Aspekte entscheidend sein.

Zusammenfassung und Ausblick

Die drei Produkte sind in der Lage, bei ~1/3 von schwerkranken vorbehandelten Lymphompatienten komplette Remissionen zu erreichen, die auch länger andauern können.[6] Die publizierten Beobachtungszeiten übersteigen 2.5 Jahre nur in Einzelfällen, so dass gegenüber Heilsversprechen derzeit ein vernünftiges Mass an Skepsis entgegenzuhalten ist. Und doch ist die Wirksamkeit dieser zellulären Immuntherapie klar besser als alles, was wir bisher diesen Patienten anbieten konnten. Direkte Vergleiche mit der Hochdosis-Therapie, z. B. im Rahmen der ZUMA-7- (mit drei Zentren in der Schweiz) und der JCAR017-BCM-003-Studie, an welcher das Inselspital teilnehmen wird, könnten ggf. gar zur Ablösung der konventionellen Therapien bei Rezidiven führen. Zudem wird die Therapie bereits auch bei anderen CD19-exprimierenden Lymphomen (z. B. Mantelzell-Lymphom) untersucht.

Dr. med. Barbara Jeker

Inselspital
Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie
Loryhaus
3010 Bern

Prof. Dr. med. Thomas Pabst

Inselspital
Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie
Loryhaus
3010 Bern

PD Dr. med. Urban Novak

Inselspital
Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Medizinische Onkologie
Loryhaus
3010 Bern

urban.novak@insel.ch

Celgene hat sich finanziell am klinischen Vorbereitungsaufenthalt am Memorial Sloan Kettering von Frau Dr. B. Jeker beteiligt. Novartis hat Dr. B. Jeker und PD Dr. U. Novak die Teilnahme an einem CAR-T-Cell Workshop in Köln ermöglicht. Prof. T. Pabst hat an Advisory Boards von Gilead, Celgene und Novartis teilgenommen.

  • Mit CAR-T-Zellen lassen sich bei schwer kranken PatientInnen aggressive Lymphome bei bis zu 80% behandeln. Bei einer Krankheitskontrolle bis zum 3. Monat (40-70 %) hält der Effekt wahrscheinlich längerfristig an.
  • Seit dem 22. Oktober 2018 ist mit Kymriah® die erste zelluläre Immuntherapie zur Behandlung von Rezidiven der akuten B-ALL bei Kindern und aggressiven mehrfach vorbehandelten Lymphomen zugelassen. Die Rahmenbedingungen für die Finanzierung sind derzeit noch unklar.
  • Erst durch Langzeitdaten und vergleichende Studien werden wir den Stellenwert dieser neuartigen Behandlungsoption gegenüber den konventionellen Therapien und neuen Substanzen kennen.

Messages à retenir

  • Les cellules CAR-T peuvent être utilisées pour traiter jusqu’  à 80 % des lymphomes agressifs chez les patients gravement malades. Avec un contrôle de la maladie jusqu’ au 3ème mois (40-70 %), l’ effet dure probablement plus longtemps.
  • Kymriah®, la première immunothérapie cellulaire pour le traitement des rechutes de B-ALL aiguës chez l’ enfant et des lymphomes agressifs multitraités, est autorisé depuis le 22 octobre 2018. Les conditions-cadres pour le financement ne sont pas encore claires.
  • Ce n’ est que grâce à des données à long terme et à des études comparatives que nous pourrons connaître l’ importance de cette nouvelle option thérapeutique par rapport aux thérapies conventionnelles et aux nouvelles substances.

1. Coiffier B et al. Long-term outcome of patients in the LNH-98.5 trial, the first randomized study comparing rituximab-CHOP to standard CHOP chemotherapy in DLBCL patients: a study by the Groupe d’ Etudes des Lymphomes de l’ Adulte. Blood 2010;116:2040-5
2. Gisselbrecht C et al. Salvage regimens with autologous transplantation for relapsed large B-cell lymphoma in the rituximab era. J Clin Oncol 2010;28:4184-90
3. Gilli S et al. BeEAM conditioning with bendamustine-replacing BCNU before autologous transplantation is safe and effective in lymphoma patients. Ann Hematol 2017;96:421-9
4. Crump M et al. Outcomes in refractory diffuse large B-cell lymphoma: results from the international SCHOLAR-1 study. Blood 2017;130:1800-8
5. Schuster SJ et al. Chimeric Antigen Receptor T Cells in Refractory B-Cell Lymphomas. N Engl J Med 2017;377:2545-54
6. Locke F et al. Durability of response in ZUMA-1, the pivotal phase 2 study of axicabtagene ciloleucel (Axi-Cel) in patients (Pts) with refractory large B-cell lymphoma. JCO 2018;26:suppl; abstr 3003