Das elektronische Patientendossier (EPD) ist tot. Es lebe das neue Patientendossier

Das EPD 1.0, einst als die Lösung für eine verbesserte Gesundheitsversorgung gepriesen, hat seine Versprechen nicht erfüllt.

Statt eines durchdachten, strukturierten Systems erhielten wir eine unstrukturierte Sammlung von PDFs. Diese Ansammlung von Dokumenten war schwer zu durchsuchen, unübersichtlich und bot keinen echten Mehrwert für die medizinische Versorgung. Es macht keinen Sinn, mit teurer Werbung ein untaugliches Instrument doch noch im Markt durchzusetzen.

Von technischen Herausforderungen über Datenschutzbedenken bis hin zu einer unzureichenden Akzeptanz durch medizinisches Fachpersonal und Patienten – die Liste der Hindernisse war lang. Die erhoffte Vereinfachung und Effizienzsteigerung blieben aus.

Doch nun beginnt eine neue Ära. Es gilt, die Lektionen aus dem bisherigen Projekt zu ziehen und die Chancen der neuen Technologie zu nutzen. Künstliche Intelligenz (KI) kann helfen, auch unstrukturierte Daten zu organisieren und zugänglich zu machen. Ein neues Patientendossier, das auf KI basiert, könnte benutzerfreundlicher, sicherer und umfassender sein.

Datenschutz und Datensicherheit müssen dabei oberste Priorität haben. Vertrauen ist der Schlüssel, und die Patienten müssen die Gewissheit haben, dass ihre sensiblen Gesundheitsdaten in sicheren Händen sind. Zudem muss der Zugang zu diesen Daten einfach und intuitiv gestaltet sein, um die Akzeptanz zu erhöhen und die Nutzung zu erleichtern.

Die technologische Infrastruktur muss robust und flexibel genug sein, um den Anforderungen eines modernen Gesundheitssystems gerecht zu werden. Wichtig ist auch, dass alle Beteiligten – von Ärzten über Pflegepersonal bis hin zu den Patienten selbst – aktiv in die Entwicklung und Implementierung des neuen Systems eingebunden werden.

Wir stehen vor einer grossen Herausforderung, aber auch vor einer grossen Chance. Das gescheiterte EPD sollte uns nicht entmutigen, sondern als wertvolle Lernquelle dienen. Mit einem klaren Blick auf die Fehler der Vergangenheit und einem festen Willen zur Verbesserung können wir ein neues Patientendossier schaffen, das den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird. Das EPD 1.0 ist tot. Es lebe das neue Patientendossier. Lassen Sie uns diese Chance nutzen und gemeinsam ein System schaffen, das den Ansprüchen der modernen Medizin und den Erwartungen der Patienten gerecht wird.

Dieser Text wurde mit Hilfe von KI generiert.

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Prof. Dr. med. Roger von Moos

Direktor Tumor- und Forschungszentrum
Kantonsspital Graubünden
7000 Chur

tumorzentrum@ksgr.ch

Das molekulare Tumorboard – der zentrale Baustein der Präzisionsonkologie

Tumor profiling ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Tumordiagnostik und das molekulare Tumorboard fungiert als essenzieller Knotenpunkt der Präzisionsonkologie zwischen der klinischen Betreuung und den molekularpathologischen Technologien. Im Folgenden gehen wir auf den Ablauf, Chancen und Herausforderungen sowie zukünftige Perspektiven des molekularen Tumorboards ein.

Tumor profiling has become an essential tool in cancer diagnostics and precision oncology and it is the molecular tumorboard that integrates molecular analyses into clinical practice. In this review we address the molecular tumorboard set-up, discuss possibilities and challenges and highlight future perspectives.
Key Words: molecular tumorboard, precision oncology, personalized cancer care

Tumorerkrankungen sind heterogen und weisen eine grosse Vielfalt in ihrer klinischen Präsentation, ihrem biologischen Verhalten und ihrem Therapieansprechen auf – auch innerhalb der gleichen diagnostizierten Entität. Im Rahmen der Präzisionsonkologie strebt man danach, mit Hilfe von genauer Charakterisierung der individuellen Tumorerkrankung ein massgeschneidertes, auf den Patienten abgestimmtes, Behandlungskonzept zu erstellen. Hierbei hat für das Tumor Profiling – die genaue Analyse der genomischen und funktionellen Eigenschaften der Tumorzellen – insbesondere das Next Generation Sequencing (NGS) neue Möglichkeiten einer umfassenden Genanalyse eröffnet. Mittels NGS werden bereits im Rahmen der Erstdiagnose verschiedener Krebserkrankungen sowie auch im weiteren Erkrankungsverlauf molekulare Profile erhoben und tragen hier entscheidend zur Erstellung eines personalisierten Therapieplans bei.

Die Interpretation und Einordnung der molekularen Resultate vor dem individuellen klinischen Hintergrund des Patienten bleibt vielschichtig und bedarf in vielen Fällen einer interdisziplinären Diskussion. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden und die komplexen molekularpathologischen Befunde in klinische Handlungsempfehlungen zu übersetzen, wurde an vielen universitären Zentren ein Molekulares Tumorboard (MTB) eingeführt (1-3). An den meisten universitären Zentren der Schweiz wurden erste NGS-Analysen Ende 2014 eingeführt. Die reguläre Testung und das MTB wurden 2015 umgesetzt. MTBs verfolgen das Ziel mittels eines interdisziplinären Vorgehens anhand eines individuellen molekularen Profils potentielle Therapiestrategien zu erarbeiten und somit für ein breites Spektrum von Patienten mit unterschiedlichen Tumorerkrankungen zusätzliche therapierelevante Informationen innerhalb eines nützlichen Zeitrahmens zur Verfügung zu stellen. MTBs können hier zusätzliche Behandlungsempfehlungen nach bereits mehreren erfolgten Behandlungslinien zur Verfügung stellen und das Progressions-freie Überleben für Patienten in dieser Situation verbessern (4,5).

Aktuell erfolgen MTBs über die Institutionen hinweg in einer nicht-standardisierten Form nach hausinternen Richtlinien, sodass der Austausch der Zentren von herausragender Wichtigkeit ist, um ein zukunftsgerichtetes gemeinsames Vorgehen und somit vergleichbare und reproduzierbare Empfehlungen für unsere Patienten sicherzustellen.

Im Folgenden beleuchten wir Schlüsselaspekte der MTB Struktur, aktuelle Chancen und Limitationen und zukünftige Perspektiven anhand der aktuell zur Verfügung stehenden Literatur und anhand unserer Erfahrungen mit dem MTB am Comprehensive Cancer Center Zürich (CCCZ).

Voraussetzungen für die Durchführung eines MTB, Chancen und Limitationen

Um eine aufschlussreiche Diskussion der teils komplexen molekularen Befunde zu ermöglichen, ist ein interdisziplinäres Vorgehen unabdingbar. Neben den Medizinischen Onkologen, Pathologen und Molekularpathologen ist der Einblick der Experten der einzelnen molekularpathologischen Technologien sowie der Bioinformatiker und Humangenetiker höchst relevant (Abb. 1). Somit können klinische sowie pathologische und molekularpathologische Besonderheiten eingebracht werden, als auch der ideale Einsatz spezifischer NGS Panels bei der Aufarbeitung individueller Tumorproben und mögliche technische Aspekte, die die Analyse beeinflussen. Weiterhin ist die bioinformatische Annotation der Funktionalität einer gefundenen Alteration ein entscheidender Schritt, um die klinische Interpretation zu ermöglichen. Eine humangenetische Einordnung potentieller Keimbahnalterationen, welche einerseits im Rahmen der vorliegenden Erkrankung treibend oder aber auch als Zufallsbefund erhoben werden können, ist ebenfalls zwingender Bestandteil eines MTBs.

Grundlage für ein MTB am CCCZ ist eine umfassende molekulare Analyse des Tumors. Typischerweise werden am MTB die Resultate aus Tests mit 50-400 Genen besprochen. Im Labor wird die genomische DNA des Tumors entweder aus einer Gewebebiopsie oder dem Blut des Patienten isoliert, die DNA wird modifiziert und auf DNA-Sequenzlesegeräten analysiert. Die Rohdaten werden anschliessend bioinformatisch analysiert, um so pathogene Mutationen des Tumors zu identifizieren. Die pathogenen Mutationen werden in einem übersichtlichen Bericht zusammengefasst, der neben Therapieempfehlungen auch die aktuellen klinischen Studien für bestimmte Mutationen enthält. Im Rahmen des MTBs selbst erfolgt dann eine erneute Interpretation basierend auf dem höchstmöglichen Level der Evidenz – analog internationaler Richtlinien wie beispielsweise der «European Society for Medical Oncology scale for Clinical Actionability» (ESCAT) oder des «Precision Oncology Knowledge Base» (OnkoKB). Die Integration dieser Richtlinien erlaubt Reproduzierbarkeit und internationale Verständlichkeit der Empfehlungen und erleichtert somit den Austausch von Informationen.

Alle Mutationen des Tumorprofiles werden in einer Datenbank erfasst. Hierzu hat das USZ in Anlehnung an das GDC Mutation Annotation Format (MAF) des National Cancer Institutes, USA, ein Datenformat etabliert, um Mutationen zwischen verschiedenen Kliniken auszutauschen (6).

Da für die Besprechung der einzelnen Patienten im MTB jeweils eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht, ist es wichtig, alle entscheidungsrelevanten Informationen übersichtlich visualisiert verfügbar zu haben. Für die umfassende und klar strukturierte Darstellung der relevanten Tumormutationen hat das USZ eine Software entwickelt, den MTPpilot (7) (Abb. 2). Der MTPpilot ermöglicht eine schnelle Erfassung aller klinisch relevanten Tumormutationen, um diese im Kontext der Erkrankung zu diskutieren. Weiterhin ist es möglich, über externe Links weitere Informationen zu den genomischen Alterationen in öffentlich zugänglichen Datenbanken abzufragen.

Das Patientengut, das im MTB diskutiert wird, ist aktuell grösstenteils abhängig von der lokalen Vorgehensweise und nicht überregional standardisiert. Üblicherweise werden Tumorpatienten mit Re-biopsien nach Tumorprogress unter bereits erfolgten Standard-of-care Therapien am MTB diskutiert. Weiterhin erfolgen aber auch im Rahmen von Erstdiagnosen bei Erkrankungen mit bekannten onkogenen Treibern sowie bei seltenen Tumortypen molekulare Analysen. Auch longitudinale Testungen mit Frage nach einer erworbenen Resistenzalteration sowie molekulare Vergleiche von metachron aufgetretenen histologisch gegebenenfalls übereinstimmenden Tumoren werden durchgeführt. Tumorspezifische Testalgorithmen werden üblicherweise anhand der bestehenden internationalen Behandlungsrichtlinien durch die lokalen Experten festgelegt und regelmässig überprüft und den neuen Behandlungsoptionen angepasst. Je nach Algorithmus kann ein schrittweises Durchlaufen von Tests erfolgen, die zeitnah die essentiellen Informationen zur Verfügung stellen und kurz darauf auch ein umfassendes molekulares Profil ermöglichen (bspw. Immunhistochemie und NGS hotspot panel bei Erstdiagnose eines nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms mit folgendem umfassenderen NGS Panel im Verlauf).

Teils werden alle, für die am entsprechenden Spital betreuten Patienten, erfolgten molekularpathologischen Analysen im MTB aufgearbeitet, teils nur Fälle mit besonderen Fragestellungen. Dies ist abhängig von den, mit den lokalen Experten erarbeiteten, Richtlinien und natürlich auch den bestehenden Kapazitäten. Am CCCZ wird im Rahmen des wöchentlichen MTBs jeder molekularpathologische Befund von den am Zentrum betreuten Patienten diskutiert und dokumentiert.

Im Rahmen des Berichts des MTBs werden neben der klinischen Geschichte des Patienten, die pathologischen und molekularpathologischen Befunde festgehalten sowie die Diskussion und Empfehlung des MTB Teams. Der Evidenzgrad der Empfehlung wird entweder mittels ESCAT bzw. OnkoKB Level festgehalten oder mittels Quellenangabe.

Die Rolle der MTB Empfehlung bei der Umsetzung von Therapieempfehlungen

Um therapeutische Empfehlungen des MTBs umsetzen zu können, ist insbesondere in «beyond standard of care» und «off label» Situationen eine Kostengutsprache durch die Krankenversicherer notwendig. Hierbei ist die begründete Empfehlung mit Quellenangabe im MTB Bericht hilfreich und kann das Erwirken der Kostenübernahme unterstützen.

Perspektiven für die Zukunft

Strukturierte Datensammlung im MTB

Gemäss einer kürzlich erfolgten Analyse der Daten der OnkoKB Datenbank ist in bis zu 37% aller fortgeschrittenen malignen Tumore mindestens eine potentiell gezielt angehbare onkogene Veränderung nachweisbar (8). Dies legt das Potenzial der Präzisionsonkologie klar dar. Um dieses Potenzial zukünftig optimal für unsere Patienten nutzen zu können ist die Kenntnis über die nachweisbaren Mutationen, die gewählten Therapien und das Therapieansprechen notwendig. Insbesondere vor dem Hintergrund der immensen Heterogenität maligner Tumore, die Genotypen-spezifische klinische Studien verunmöglicht, ist die Etablierung von Dokumentationssystemen anzustreben, um nicht nur fallbasiert im Rahmen des MTBs zu lernen, sondern die Informationen strukturiert sammeln und aufbereiten zu können. Hiermit könnte mittelfristig gegebenenfalls eine zusätzliche Evidenzquelle für molekular-basierte Therapieempfehlungen in Form lokaler, nationaler oder internationaler Daten geschaffen werden. Hierbei sind neben technischen Aspekten (automatisierte Integration diagnostischer Daten, Verwendung international gebräuchlicher Codierungssysteme zur Ermöglichung des Austauschs wie beispielsweise snomed, mcode, FHIR) auch regulatorische Fragen sowie der Datenschutz zu beachten.

Vernetzung

Im Rahmen der Entstehung der MTBs wurden an den universitären Zentren unabhängige Vorgehen definiert und, genau wie für die organspezifischen Tumorboards, unabhängige Instanzen geschaffen. Die Überlegung einer möglichen Vernetzung muss unter der Berücksichtigung der unterschiedlichen Strukturen (bspw. gewähltes Patientengut, angewandte Technologien, unterschiedliche Anbindung an Humangenetik etc.) sowie den steigenden Fallzahlen erfolgen. Vielversprechend scheint insbesondere die punktuelle Vernetzung zur Diskussion spezifischer komplexer Fälle und zum regelmässigen interdisziplinären Abgleich zwischen den Zentren. Dies in Ergänzung zu den lokal erfolgenden regelmässigen MTBs, in welchen der Grossteil der Fälle abgeschlossen würde.

Ein solches Vorgehen wäre per se auch auf internationaler Ebene denkbar und könnte den vorwärtsgewandten und auch hypothesengenerierenden Charakter des MTBs unterstützen und weiterentwickeln. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Vorgehen, den verwendeten NGS-Panels und den Zeitpunkten der Analysen sind im internationalen Rahmen allerdings als nochmals bedeutender zu erwarten, könnten aber – gerade aus dieser Diskrepanz heraus – bereichernd sein.

Neue Technologien

Der Nutzen von granulärem multi-omic profiling für individuelle Tumorerkrankungen wird untersucht (9) und neue tumor-profiling Technologien werden entwickelt. So werden beispielsweise die vollständige Exom-Sequenzierung (whole exome sequencing, WES) oder die Sequenzierung des gesamten Genoms (whole genome sequencing, WGS) aktuell zunehmend greifbarer und ein Einsatz in der regulären Tumordiagnostik wird diskutiert (10,11). MTBs sind die institutionellen Werkzeuge, die die Integration dieser Neuerungen ermöglichen, die Präzisionsonkologie somit vorantreiben und die gemeinsame Hypothesengenerierung im Schnittbereich Klinik und Technologie ermöglichen.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Laura Boos, MHBA

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Dr. rer. nat. Martin Zoche

Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Universitätsspital Zürich
Schmelzbergstrasse 12
8091 Zürich

Prof. Dr. med. Andreas Wicki

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Universität Zürich
Medizinische Fakultät
Pestalozzistrasse 3
8032 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Das Molekulare Tumorboard ermöglicht die Integration von molekularpathologischen Erkenntnissen in die klinische Patientenbetreuung.
◆ Die Empfehlungen des Molekularen Tumorboards müssen evidenzbasiert sein, hier bieten sich für die Gradierung von (v.a. genetischen) Alterationen die ESCAT und OnkoKB Einstufungen an.
◆ Die Empfehlungen des Molekularen Tumorboards sowie die Umsetzungen und das Therapieansprechen sollte strukturiert erfasst werden (unter Berücksichtigung des Datenschutzes).
◆ Eine nationale und internationale Vernetzung zur Diskussion von besonderen Molekularen Tumorboard-Fällen kann gewinnbringend sein.
◆ Eine Empfehlung des Molekularen Tumorboards mit erläuterter Rationale und Quellenangabe kann ein Kostengutsprachegesuch unterstützen.

1. Tsimberidou AM, Kahle M, Vo HH, Baysal MA et al. Molecular tumour boards – current and future considerations for precision oncology. Nat. Rev. Clin. Oncol. 2023, Dec 20:843-863.
2. Tamborero D, Dienstmann R, Rachid MH et al. The Molecular Tumor Board Portal supports clinical decisions and automated reporting for precision oncology. Nat Cancer. 2022 Feb;3(2):251-261.
3. Mateo J, Chakravarty D, Dienstmann R et al. A framework to rank genomic alterations as targets for cancer precision medicine: the ESMO Scale for Clinical Actionability of molecular Targets (ESCAT). Ann Oncol. 2018 Sep 1;29(9):1895-1902.
4. Hoefflin R, Lazarou A, Hess ME et al. Transitioning the Molecular Tumor Board from Proof of Concept to Clinical Routine: A German Single-Center Analysis. Cancers (Basel). 2021 Mar 8;13(5):1151.
5. Kato S, Kim KH, Lim HJ et al. Real-world data from a molecular tumor board demonstrates improved outcomes with a precision N-of-One strategy. Nat Commun. 2020 Oct 2;11(1):4965.
6. National Cancer Institute, https://docs.gdc.cancer.gov/Data/File_Formats/MAF_Format/
7. Kahraman A, Arnold F, Hanimann J et al. MTPpilot: An Interactive Software for Visualization of Next-Generation Sequencing Results in Molecular Tumor Boards. JCO Clin Cancer Inform 6:e2200032 (2022).
8. Zehir A, Benayed R, Shah RH et al. Mutational landscape of metastatic cancer revealed from prospective clinical sequencing of 10,000 patients. Nat Med. 2017 Jun;23(6):703-713.
9. Irmisch A, Bonilla X, Chevrier S et al. The Tumor Profiler Study: integrated, multi-omic, functional tumor profiling for clinical decision support. Cancer Cell. 2021 Mar 8;39(3):288-293.
10. Simons M, Van De Ven M, Coupé V et al. Early technology assessment of using whole genome sequencing in personalized oncology. Expert Rev Pharmacoecon Outcomes Res. 2021 Jun;21(3):343-351.
11. Samsom KG, Bosch LJW, Schipper LJ, Schout D et al. Optimized whole-genome sequencing workflow for tumor diagnostics in routine pathology practice. Nat Protoc. 2024 Mar;19(3):700-726.

Nierenzellkarzinom

Zwei prospektive randomisierte Studien untersuchten die adjuvante Therapie beim klarzelligen Nierenzellkarzinom mit hohem Rezidivrisiko. Die CHECKMATE 914 Studie verglich Nivolumab und die Kombination Nivolumab plus Ipilimumab mit Placebo, zeigte jedoch keinen Vorteil im krankheitsfreien Überleben. Im Gegensatz dazu zeigte die KEYNOTE 564-Studie für Pembrolizumab einen signifikanten Vorteil sowohl im krankheitsfreien als auch im Gesamtüberleben. Zwei weitere Studien, CHECKMATE 9ER und CHECKMATE 214, präsentierten Langzeitergebnisse zur Erstlinientherapie metastasierter klarzelliger Nierenzellkarzinome.

Two prospective randomized studies investigated adjuvant therapy for clear cell renal cell carcinoma with a high risk of recurrence. The CHECKMATE 914 study compared nivolumab and the combination of nivolumab plus ipilimumab with placebo, but showed no advantage in disease-free survival. In contrast, the KEYNOTE 564 study showed a significant advantage for pembrolizumab in both disease-free and overall survival. Two further studies, CHECKMATE 9 and CHECKMATE 214, presented long-term results for the first-line treatment of metastatic clear cell renal cell carcinoma.
Key Words: clear cell renal cell cancer, adjuvant treatment, tyrosine kinase inhibitors, checkpoint inhibitors

Die adjuvante Therapie beim klarzelligen Nierenzellkarzinom mit hohem Rezidivrisiko war Gegenstand zweier prospektiver randomisierter Studien. Die CHECKMATE 914 Studie verglich die adjuvante Gabe von Nivolumab bzw. die Kombination Nivolumab plus Ipilimumab für ein Jahr gegenüber ­Placebo. Aktuell wurden die Daten des Vergleichs der Monotherapie mit Nivolumab versus Placebo vorgestellt. Wie schon für die Kombination mit Ipilimumab, konnte auch für die Monotherapie mit Nivolumab kein Vorteil im krankheitsfreien Überleben gegenüber Placebo gezeigt werden.Im Gegensatz hierzu konnte in der KEYNOTE 564 Studie für Pembrolizumab als adjuvante Therapie nicht nur ein Vorteil für das krankheitsfreie Überleben gezeigt werden, sondern erstmals auch ein statistischer signifikanter und klinisch relevanter Vorteil für das Gesamtüberleben. Damit ist die KEYNOTE 564 die erste und bislang einzige Studie, die einen Vorteil im Gesamtüberleben durch eine adjuvante Therapie beim resezierten klarzelligen Nierenzellkarzinom mit mittlerem und hohen Rezidivrisiko zeigen konnte.

In zwei weiteren Studien wurden die Langzeitergebnisse der Erstlinientherapie metastasierter klarzelliger Nierenzellkarzinome vorgestellt. Die CHECKMATE 9ER Studie verglich die Kombination Nivolumab plus Cabozanitib gegenüber Sunitinib. Die Überlegenheit der Kombination in Bezug auf die Ansprechrate und das krankheitsfreie Überleben bestätigte sich im Langzeit Follow-up, unabhängig von dem Risikoprofil der Patienten. Das Gesamtüberleben war aber nur in der Gruppe der Patienten mit intermediärem und hohen Risiko besser, jedoch nicht in der Gruppe mit günstigem Risikoprofil.

In der CHECKMATE 214 Studie bestätigten die Langzeitergebnisse die Überlegenheit der Kombination von Nivolumab und Ipilimumab gegenüber Sunitinib ebenfalls nur in den Gruppen mit intermediärem und hohem, nicht aber in der Gruppe von Patienten mit günstigem Risikoprofil. Dieser fehlende Überlebensvorteil in der günstigen Risikogruppe einer Kombinationstherapie von zwei Checkpoint-Inhibitoren oder von einem Checkpoint-Inhibitor mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor gegenüber einer Monotherapie mit Sunitinib findet sich bei allen Phase III Studien auch im Langzeitfollow-up.

Die adjuvanten Studien nach Resektion: CheckMate 914 und Keynote 564

Die Rezidivrate klarzelliger Nierenzellkarzinome (RCC) beträgt trotz radikaler Nephrektomie mit oder ohne Lymphadenektomie bis zu 30 % oder mehr. Das Risikoprofil kann u.a. mittels des Leibovich Scores geschätzt werden. Besondere Risiken bestehen für Patienten mit grossen Tumoren, ungünstiger Histologie und Patienten nach kompletter Metastasenresektion bei oligometastasierter Erkrankung. Daher kommt der adjuvanten Therapie dieser Patientengruppen besondere Aufmerksamkeit zu.

Die CHECKMATE 914 Studie untersuchte bei 825 Patienten mit klarzelligem RCC in einer 2:1:1 Randomisierung die adjuvante Gabe von Nivolumab (n=411), Nivolumab plus Ipilimumab (n=208) oder Placebo (n=206). (1) Primärer Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben. Patienten mit oligometastasierter Erkrankung waren nicht eingeschlossen. Bei der Präsentation auf dem ASCO GU 2024 wurde der Vergleich Nivolumab Monotherapie versus Placebo vorgestellt. (2) Im Trend hatten Patienten mit grossen T4-Tumoren, mit sarkomatoiden Tumoranteilen und mit PD-L1 Expression > 1 % mehr von der adjuvanten Therapie profitiert. Die Unterschiede waren jedoch für diese Subgruppen ebenso wie für die Gesamtgruppe der Patienten statistisch nicht signifikant (HR 0.87; 95 % CI: 0.62-1.21 für die Gesamtgruppe). Somit besteht keine Indikation für eine Monotherapie mit Nivolumab oder Nivolumab in Kombination mit Ipilimumab als adjuvante Therapie des komplett resezierten klarzelligen RCC.

Die KEYNOTE 564 Studie hingegen war erfolgreicher. Insgesamt 996 Patienten erhielten in einer 1:1 Randomisierung entweder eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab für ein Jahr (n=496) oder Placebo (n=498). Oligometastasierte Patienten mit kompletter Metastasenresektion konnten eingeschlossen werden (n=57). Nachdem bereits ein Vorteil durch eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab in Bezug auf das krankheitsfreie Überleben publiziert wurde, konnte auf dem ASCO GU 2024 erstmals auch ein Vorteil im Gesamtüberleben gezeigt werden (HR 0.62; 95 % CI: 0.44-0.87). (3,4) Der Unterschied nach 4 Jahren im Gesamtüberleben betrug 91.2 % versus 86 % zu Gunsten von Pembrolizumab. Pembrolizumab ist damit das erste und bislang einzige Medikament, welches einen Vorteil im Gesamtüberleben in der adjuvanten Therapie des klarzelligen RCC zeigen konnte. Oligometastatische Patienten nach kompletter Resektion profitierten im Trend am meisten von der adjuvanten Therapie. Alter, ECOG Score und PD-L1 Status gemessen am CPS Score hatten keinen Einfluss auf das Ergebnis. Pembrolizumab für die Dauer eines Jahres stellt somit einen neuen Standard in der adjuvanten Therapie des klarzelligen RCC mit mittlerem und hohen Risiko für ein Rezidiv nach kompletter Resektion dar. Wieso andere Checkpoint Inhibitoren in vergleichbaren Studien keinen entsprechenden Nutzen zeigten bleibt unklar.

Die Studien zur Erstlinientherapie metastasierter Patienten mit klarzelligem RCC: CheckMate 9ER und CheckMate 214

Die Ergebnisse der CHECKMATE 9ER und der CHECKMATE 214 Studien wurden bereits publiziert (5,6). Beim diesjährigen ASCO GU wurden die Langzeitergebnisse dieser beiden Studien vorgestellt und bestätigten die zuvor publizierten Daten. In der CHECKMATE 9ER Studie erhielten 651 Patienten in einer 1:1 Randomisierung entweder Nivolumab plus Cabozantinib (n=323) oder Sunitinib (n=328). Der primäre Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben. Dieser wurde erreicht: 16.7 % Patienten (Nivolumab plus Cabozantinib) versus 5,5 % Patienten (Sunitinib) überlebten nach 4 Jahren krankheitsfrei (HR 0.58; 95 %CI:0.49-0.70). Auch das Gesamtüberleben war für die neue Kombination mit 48,9 % versus 39.7 % nach 4 Jahren besser als mit Sunitinib, allerdings nur bei Patienten mit intermediärem oder ungünstigem Risikoprofil nach dem IMDC Score (HR 0.77; 95 % CI: 0.63-0.95). Bei Patienten mit günstigem Risikoprofil war das Gesamtüberleben nicht signifikant besser (HR 1.10; 95 % CI: 0.69-1.75), und das krankheitsfreie Überleben nur knapp (HR 0.69; 95 % CI: 0.48-1.00) (7).

Sehr vergleichbare Langzeitergebnisse wurden für die CHECKMATE 214 Studie vorgestellt. (8) Bei 1096 Patienten mit metastasiertem klarzelligen RCC und 1:1 Randomisierung war die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab im Langzeit Follow-up bei Patienten mit günstigem Risikoprofil nach dem IMDC Score sogar schlechter als die Monotherapie mit Sunitinib (HR 1.76; 95 % CI: 1.25-2.48). In der Gruppe mit intermediärem und ungünstigen Risikoprofil war die Kombination jedoch eindrucksvoll besser sowohl bezüglich der Ansprechrate und des krankheitsfreien Überlebens als auch bezüglich des Gesamtüberlebens. Das Gesamtüberleben betrug in den beiden letztgenannten Risikogruppen nach 6 Jahren 39.0 % versus 26.8 % zu Gunsten der Kombination (HR 0.69; 95 %CI: 0.59-0.81).

In Summe bestätigen die Langzeitergebnisse beider Studien, dass bei Patienten mit metastasiertem klarzelligen RCC und günstigem Riskoprofil eine Erstlinientherapie mit zwei Checkpoint-Inhibitoren oder einem Checkpoint-Inhibitor plus einem Tyrosinkinase- Inhibitor keinen Vorteil im Gesamtüberleben gegenüber einer alleinigen Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor wie z.B. Sunitinib zeigt (Tab. 1).

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Sara Merler

Oncologia medica
Ente Ospedaliero Cantonale
Viale Officina 3
6500 Bellinzona

Dr. med. Katharina Reichel

Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

PD Dr. med. Ursula Vogl

Oncologia medica
Ente Ospedaliero Cantonale
Viale Officina 3
6500 Bellinzona

Die Autorinnen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Die Keynote 214 Studie mit Pembrolizumab ist die erste und bislang einzige Studie, die einen Vorteil im Gesamtüberleben durch eine adjuvante Therapie beim resezierten Nierenzellkarzinom mit mittlerem und hohem Risiko für ein Rezidiv zeigen konnte.
  • Im Langzeit Follow-up ist die Kombination von Nivolumab plus Cabozantinib in der Erstlinientherapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms Sunitinib bezüglich der Ansprechrate und des krankheitsfreien Überlebens in allen Risikogruppen überlegen, bezüglich des Gesamtüberlebens aber nur in der Gruppe mit intermediärem oder ungünstigen Risikoprofil (CheckMate 9ER Studie).
  • Gemäss der CHECKMATE 214 Studie ist die Kombination von Nivolumab und Ipilimumab auch im Langzeit Follow-up einer Therapie mit Sunitinib nur bei Patienten mit intermediärem und hohem Risikoprofil überlegen, nicht aber für Patienten mit günstigem Risikoprofil.

1. Motzer RJ, Russo P, Grünwald V et al. Adjuvant nivolumab plus ipilimumab versus placebo for localised renal cell carcinoma after nephrectomy (CheckMate 914): a double-blind, randomised, phase 3 trial. Lancet 2023;401:821-832.
2. Motzer RJ, Bex A, Russo P et al. Adjuvant nivolumab monotherapy vs placebo for localized renal cell carcinoma at high risk of relapse after nephrectomy: Results from Part B of the randomized, phase 3 CheckMate 914 trial. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr LBA358).
3. Powles T, Tomczak P, Park SH et al. Pembrolizumab versus placebo as post-nephrectomy adjuvant therapy for clear cell renal cell carcinoma (KEYNOTE-564): 30-month follow-up analysis of a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol 2022;23:1133-1144.
4. Choueiri TK, Tomczak P, Park SH et al. Overall survival results from the phase 3 KEYNOTE-564 study of adjuvant pembrolizumab versus placebo for the treatment of clear cell renal cell carcinoma (ccRCC).J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr LBA359).
5. Choueiri TK, Powles T, Burotto M et al. Nivolumab plus Cabozantinib versus Sunitinib for Advanced Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2021;384:829-841.
6. Motzer RJ, Tannir NM, McDermott DF et al. Nivolumab plus Ipilimumab versus Sunitinib in Advanced Renal-Cell Carcinoma. N Engl J Med 2018;378:1277-1290.
7. Bourlon MT, Escudier B, Burotto M et al. Nivolumab plus cabozantinib (N+C) vs sunitinib (S) for previously untreated advanced renal cell carcinoma (aRCC): Results from 55-month follow-up of the CheckMate 9ER trial. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr 362).
8. Tannir NM, Escudier B, McDermott DF et al. Nivolumab plus ipilimumab (NIVO+IPI) vs sunitinib (SUN) for first-line treatment of advanced renal cell carcinoma (aRCC): Long-term follow-up data from the phase 3 CheckMate 214 trial. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr 363).

Urothelkarzinom

Beim lokalisierten muskelinvasiven Urothelkarzinom konnte in der multizentrischen ABACUS Studie eine vollständige Negativierung der zirkulierenden ctDNA nach neoadjuvanter Chemotherapie bzw. radikaler Zystektomie die Rezidivfreiheit besser vorhersagen als lediglich ein Rückgang von 50 % bzw. 75 %. Die ctDNA hat damit seine Rolle als vielsprechender Biomarker bestätigt. In der AMBASSADOR Studie führte die adjuvante Therapie mit Pembrolizumab nach radikaler Zystektomie zu einer Reduktion des krankheitsfreien Überlebens. Abschliessende Ergebnisse hinsichtlich des dualen primären Endpunktes von krankheitsfreiem Überleben und Gesamtüberleben stehen jedoch noch aus. Beim lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten muskelinvasiven Urothelkarzinom zeigte eine Subgruppenanalyse der EV-302 Studie mit Enfortumab vedotin plus Pembrolizumab einen konsistenten signifikanten Vorteil im Gesamtüberleben gegenüber der platinhaltigen Chemotherapie auch in den Subgruppen mit historisch schlechter Prognose wie z.B. Lebermetastasen. Die PEMCAB Studie untersuchte die Kombinationstherapie von Cabozantinib plus Pembrolizumab bei Cisplatin-unfitten Patienten und zeigte vielversprechende erste Ergebnisse, bei allerdings deutlich erhöhter Rate an Nebenwirkungen ≥ Grad 3.

In patients with localized muscle-invasive urothelial carcinoma, the multicenter ABACUS demonstrated that complete clearance of circulating ctDNA after neoadjuvant chemotherapy or radical cystectomy predicted relapse-free survival better than just a reduction of 50 % or 75 %, respectively. Thus, measurements of ctDNA confirmed their role as a potential forthcoming biomarker The AMBASSADOR study investigated adjuvant therapy with Pembrolizumab after radical cystectomy and demonstrated a significant advantage in the primary endpoint disease-free survival. Final results regarding the dual primary endpoint disease-free survival and overall survival, however, are still pending. In metastatic muscle-invasive urothelial carcinoma, subgroup analyses of EV-302 study with enfortumab vedotin plus pembrolizumab showed a consistent significant overall survival benefit compared to platinum-based chemotherapy in all investigated subgroups, including those with historically poor prognosis such as liver metastases.The PEMCARB study investigated the combination therapy of Cabozantinib plus Pembrolizumab in cisplatin-unfit patients and showed promising initial results, but at the price of an increased incidence of ≥ grade 3 side effects.
Key Words: Urothelkarzinom, ctDNA, perioperativ metastasiert, Enfotumab vedotin

Lokalisiertes muskelinvasives Urothelkarzinom

Prädiktiver Wert dynamischer ctDNA Veränderungen – ABACUS Studie

In der internationalen, open-label multizenter Phase II ABACUS Studie (1), erhielten Patienten mit einem histologisch gesicherten, lokalisierten muskelinvasiven Urothelkarzinom der Blase (Stadium pT2-T4N0M0), die unfit für Cisplatin Chemotherapie waren oder diese ablehnten, eine adjuvante Immuntherapie mit zwei Zyklen des Checkpointinhibitors Azetolizumab (anti-PD-L1) gefolgt von einer Zystektomie. Vor sowie nach adjuvanter Immuntherapie und nach Zystektomie wurde die zirkulierende, tumorspezifische, DNA (ctNDA) bestimmt. Die Positivität von ctDNA wird als Hinweis auf molekulare residuale Krankheit (MRD) angesehen. Es wird postuliert, dass der Nachweis von ctDNA und deren dynamischer Veränderung unter Therapie mit dem Therapieergebnis korreliert (2). Die vorgestellte explorative Biomarker-Analyse (3) untersuchte die Korrelation zwischen ctDNA-Ansprechrate nach neoadjuvanter Atezolizumab Therapie mit einem kompletten pathologischen Therapieansprechen (pCR) im Zystektomiepräparat sowie mit dem krankheitsfreien Überleben (DFS). Die ctDNA Ergebnisse lagen bei insgesamt 40 der 59 in die Studie eingeschlossenen Patienten vor, davon waren 25 (63 %) ctDNA positiv. Zehn der 25 ctDNA positiv getesteten Pat. (40 %) erreichten eine ctDNA Reduktion von 50 %, bei drei (8 %) war nach neoadjuvanter Therapie keine ctDNA mehr nachweisbar. Bei 30 % der 10 Patienten mit lediglich einer ctDNA Reduktion von 50 % trat innerhalb von 2 Jahren ein Rezidiv auf. Eine Reduktion der ctDNA von 50 beziehungsweise 75 % zeigte keine Korrelation zur erzielten pCR (p=0.24). Es bestand auch kein Zusammenhang zwischen pCR-Rate, ctDNA Ansprechen und dem PD-L1 Status. Im Gegensatz musste bei keinem der Patienten mit vollständiger ctDNA Negativierung ein Rezidiv beobachtet werden. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine vollständige ctDNA Negativierung selten ist, jedoch mehr Rückschlüsse auf das Vorhersagen eines Rezidivs zulässt als eine 50 % Reduktion. Die Negativierung der ctDNA sollte daher als Endpunkt in zukünftige neoadjuvante Therapiestudien inkludiert werden.

Die AMBASSADOR Studie: Adjuvante Gabe von Pembrolizumab

Das muskelinvasive Urothelkarzinom (MIUC) ist eine aggressive Erkrankung mit Rezidivraten von über 50 % nach alleiniger Zystektomie. Im Rahmen der randomisierten, multizentrischen, nicht verblindeten Phase III AMBASSADOR Studie (4) wurde eine adjuvante Pembrolizumab Therapie zur Senkung der Rezidivrate evaluiert. Eingeschlossen wurden Patienten mit histologisch gesichertem lokalisierten MIUC der Blase, des oberen Harntraktes oder der Urethra, die nach neoadjuvanter Cisplatin Chemotherapie (NAC), beziehungsweise bei Cisplatin-unfitten Patienten ohne NAC, die mindestens ein pT3 Stadium oder pN+ oder positive Resektionsränder aufwiesen (Abb. 1). Im Anschluss an die radikale Chirurgie erfolgte die Randomisierung in den Interventionsarm mit Pembrolizumab 200 mg absolut alle 3 Wochen für 1 Jahr bzw. in den Observationsarm. Duale primäre Endpunkte waren das krankheitsfreie (DFS) und das Gesamtüberleben (OS). Zwischen 09/2017 und 08/2021 wurden insgesamt 702 Patienten eingeschlossen. Die FDA-Zulassung 2021 von Nivolumab zur adjuvanten Therapie des MIUC erzwang den vorzeitigen Rekrutierungsstopp der Studie. Der mediane Nachbeobachtungszeitraum betrug 22.3 Monate für DFS und 36.9 Monate für OS. Das mediane DFS betrug 29.0 Monate im Interventionsarm vs. 14 Monate im Beobachtungsarm (HR 0.69; p=0.0013) und war damit signifikant. Hinsichtlich dem OS zeigte sich bei einer vorläufigen Zwischenanalyse kein statistisch signifikanter Unterschied (50.9 vs. 55.8 Monate; p=0.88). Unerwünschte Ereignisse Grad ≥ 3 traten bei 48,4  % versus 31,8  % der Patienten im Pembrolizumab- bzw. Beobachtungsarmen auf. PD-L1 Positivität (CPS ≥ 10) war kein prädiktiver Biomarker hinsichtlich des Therapieansprechens (HR 0.77; p=0.091). Bei der Interpretation der Studienergebnisse und dem bislang fehlenden OS-Benefit ist erwähnenswert, dass 10 % der Patienten im Observationsarm ihre Einwilligung zur Studienteilnahme zurückzogen und weiter 21 % im Verlauf eine Immuntherapie mit Nivolumab erhielten.

Metastasiertes muskelinvasives Urothelkarzinom

Phase III EV-302 Studie (Enfortumab vedotin + Pembrolizumab): Analyse verschiedener Subgruppen

Die Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinoms (la/mUC) wurde durch die Resultate der EV-302 / KEYNOTE A39 Studie (5) (Abb. 2) revolutioniert, welche die Platin-basierte Chemotherapie durch die Kombination des gegen Nectin 4 gerichteten Antibody-Drug-Konjugats Enfortumab Vedotin in Kombination mit dem PD-1 Checkpointinhibitor Pembrolizumab (EV+P) als Standardtherapie ablöste. Die Kombinationstherapie EV+P führt zu einer nahezu Verdoppelung des mittleren OS (31.5 vs. 16.1 Monate, HR 0.47, p<0.00001). Die Präsentation der beeindruckenden DFS und OS Daten von insgesamt 886 eingeschlossenen Patienten erfolgte bereits am ESMO 2023. Im Rahmen des GU ASCO 2024 erfolgte nun die Präsentation bisher nicht veröffentlichter Analysen zu verschiedenen Subgruppen (6). Stratifiziert wurde nach den Subgruppen Cisplatin fit/unfit, PD-L1 Status hoch/niedrig, Lebermetastasen ja/nein und Nierenfunktion. In allen Subgruppen zeigte sich ein konsistenter signifikanter Vorteil in Bezug auf das OS und das progressionsfreie Überleben (PFS) zugunsten der EV+P Therapie, auch in Subgruppen, welche in der Vergangenheit mit einem schlechten Therapieergebnis vergesellschaftet waren. In Bezug auf die Cisplatin “Fitness” bestand in beiden Gruppen ein Vorteil zugunsten der EV+P Therapie (medianes OS Cisplatin-fit EV+P vs. Chemotherapie: 31.5 vs 18.4 Monate; Cisplatin-unfit NR vs. 12.7 Monate). Das Gleiche wurde für die PD-L1 Expression gezeigt (medianes OS, EV+P vs. Chemotherapie, CPS < 10 NR vs. 15.5 Monate, CPS ≥ 10 31.5 vs. 16.6 Monate). Weitere Resultate der Subgruppenanalyse sind in Tabelle 1 dargestellt Die Ergebnisse der Subgruppenanalysen unterstützen die Rolle von EV+P als neuer Standard in der Erstlinienbehandlung des la/mUC.

Cisplatin-unfitte Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom: Kombinationstherapie von Cabozantinib und Pembrolizumab

Die Behandlungsmöglichkeiten für cisplatin-unfitte und insbesondere platin-unfitte Patienten mit la/mUC waren in der Vergangenheit begrenzt. Die FDA-Zulassung für die Pembrolizumab Monotherapie zeigte eine hohe Rate an Progressionen. Tyrosin-Kinase-Inhibitoren wie Cabozantinib zeigten dagegen in präklinischen und klinischen Studien in Kombination mit PD-1 Inhibitoren vielversprechende Resultate (7). In einer “open-label”, Phase II Studie (8) wurde die Tolerabilität und Aktivität der Kombinationstherapie Pembrolizumab + Cabozantinib in Cisplatin-unfitten Patienten untersucht. Im Zeitraum von 12/2018 bis 04/2024 wurden insgesamt 36 Patienten in die Studie eingeschlossen. Ein Therapieansprechen konnte bei 15 Patienten (42.8 %) festgestellt werden. Das mediane DFS betrug 7.6, das mediane OS 17.1 Monate. Unerwünschte Arzneimittelnebenwirkungen traten bei 33 Patienten (91.6 %) auf, wobei es sich in 18 Fällen (50 %) um Nebenwirkungen des Schweregrades 3 oder höher handelte. Biomarker Analysen zur Verbesserung der Patientenselektion sind in Zukunft geplant. Es ist zu bezweifeln, ob sich diese Kombinationstherapie bei der hohen Nebenwirkungsrate und im Hinblick auf die neue Standardtherapie mit EV plus Pembrolizumab behaupten wird.

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Fabian Aschwanden

Kantonsspital Luzern
Klinik für Urologie
Spitalstrasse
6000 Luzern

Prof. Dr. med. Christian Fankhauser

Kantonsspital Luzern
Klinik für Urologie
Spitalstrasse
6000 Luzern

Prof. Dr. med. Anja Lorch

Universitätsspital Zürich
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Rämistrasse 100
8091 Zürich

anja.lorch@usz.ch

FA: keine. CF: Research support (institutional): Gilead, MSD. Speaker (compensated, institutional): Janssen. AL: EAU Guideline Blase, Astellas, Astra Zeneca, Bayer, BMS, Esai, Ipsen, Janssen, Merck, MSD, Novartis, Pfizer, Roche.

  • Die ctDNA ist ein potenziell vielversprechender Biomarker, insbesondere bei komplettem molekularen Therapieansprechen.
  • Die AMBASSADOR Studie zeigt für die adjuvante Gabe von Pembrolizumab bezüglich des DFS signifikanten Vorteil unabhängig vom PD-L1 Status.
  • EV+P behauptet in den Subgruppenanalysen seinen Platz als neuer Standard in der Erstlinientherapie des lokal fortgeschrittenen und metastasierten Urothelkarzinoms.
  • Die Kombination Pembrolizumab und Cabozantinib ist bei Cisplatin-unfitten Patienten mit metastasierten Urothelkarzinomen wirksam, ist aber durch die hohe Nebenwirkungsrate umstritten

1. Powles T, Kockx M, Rodriguez-Vida A, Duran I, Crabb SJ, Van Der Heijden MS, u. a. Clinical efficacy and biomarker analysis of neoadjuvant atezolizumab in operable urothelial carcinoma in the ABACUS trial. Nat Med. November 2019;25(11):1706–14.
2. Powles T, Assaf ZJ, Davarpanah N, Banchereau R, Szabados BE, Yuen KC, u. a. ctDNA guiding adjuvant immunotherapy in urothelial carcinoma. Nature. 15. Juli 2021;595(7867):432–7.
3. Young MN, Szabados B, Assaf Z, Jackson-Spence F, Nally E, Wells C, u. a. Predictive value of dynamic changes in ctDNA and baseline biomarkers with neoadjuvant atezolizumab in operable urothelial carcinoma in the ABACUS trial. J Clin Oncol. 1. Februar 2024;42(4_suppl):534–534.
4. Apolo AB, Ballman KV, Sonpavde GP, Berg SA, Kim WY, Parikh RA, u. a. AMBASSADOR Alliance A031501: Phase III randomized adjuvant study of pembrolizumab in muscle-invasive and locally advanced urothelial carcinoma (MIUC) vs observation. J Clin Oncol. 1. Februar 2024;42(4_suppl):LBA531–LBA531.
5. Powles TB, Perez Valderrama B, Gupta S, Bedke J, Kikuchi E, Hoffman-Censits J, u. a. LBA6 EV-302/KEYNOTE-A39: Open-label, randomized phase III study of enfortumab vedotin in combination with pembrolizumab (EV+P) vs chemotherapy (Chemo) in previously untreated locally advanced metastatic urothelial carcinoma (la/mUC). Ann Oncol. Oktober 2023;34:S1340.
6. Van Der Heijden MS, Powles T, Gupta S, Bedke J, Kikuchi E, De Wit R, u. a. Enfortumab vedotin (EV) in combination with pembrolizumab (P) versus chemotherapy in previously untreated locally advanced metastatic urothelial carcinoma (la/mUC): Subgroup analyses results from EV-302, a phase 3 global study. J Clin Oncol. 1. Februar 2024;42(4_suppl):LBA530–LBA530.
7. Apolo AB, Nadal R, Girardi DM, Niglio SA, Ley L, Cordes LM, u. a. Phase I Study of Cabozantinib and Nivolumab Alone or With Ipilimumab for Advanced or Metastatic Urothelial Carcinoma and Other Genitourinary Tumors. J Clin Oncol. 1. November 2020;38(31):3672–84.
8. Jain RK, Swami U, Bilen MA, Boucher KM, Brown JT, Chahoud J, u. a. Cabozantinib plus pembrolizumab as first-line therapy for cisplatin-ineligible advanced urothelial carcinoma (PemCab). J Clin Oncol. 1. Februar 2024;42(4_suppl):539–539.

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Tumorinfiltrierende Lymphozyten bei dreifach-negativem Brustkrebs

Ist bei Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs (TNBC) im Frühstadium, die mit lokoregionaler Therapie, aber ohne adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie behandelt wurden, eine höhere Anzahl von tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) im Brustkrebsgewebe mit einem besseren Überleben verbunden?

Dieser Frage ging eine retrospektive Analyse von 1966 Teilnehmerinnen nach. Es handelte sich um eine retrospektive gepoolte Analyse individueller Patientendaten aus 13 teilnehmenden Zentren in Nordamerika (Rochester, Minnesota; Vancouver, British Columbia, Kanada), Europa (Paris, Lyon und Villejuif, Frankreich; Amsterdam und Rotterdam, Niederlande; Mailand, Padua und Genua, Italien; Göteborg, Schweden) und Asien (Tokio, Japan; Seoul, Korea), einschliesslich 1966 Teilnehmerinnen, bei denen zwischen 1979 und 2017 TNBC diagnostiziert wurde (mit Nachbeobachtung bis zum 27. September 2021) und die eine chirurgische Behandlung mit oder ohne Strahlentherapie, aber keine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie erhielten.

Ergebnisse

Das primäre Ergebnis war das invasive krankheitsfreie Überleben [iDFS]. Sekundäre Endpunkte waren das rezidivfreie Überleben [RFS], das Überleben ohne Fernrezidiv [distant RFS, DRFS] und das Gesamtüberleben. Die Zusammenhänge wurden anhand eines multivariablen Cox-Modells bewertet, das nach teilnehmenden Zentren stratifiziert wurde.

Die Studie umfasste 1966 Patienten mit TNBC (mittleres Alter 56 Jahre [IQR, 39–71]; 55 % hatten TNBC im Stadium I). Der mediane TIL-Wert betrug 15 % (IQR, 5 %–40 %). 417 (21 %) hatten einen TIL-Wert von 50 % oder mehr (medianes Alter 41 Jahre [IQR 36–63]), und 1300 (66 %) hatten einen TIL-Wert von weniger als 30 % (medianes Alter 59 Jahre [IQR 41–72]). Das Fünf-Jahres-DRFS für TNBC im Stadium I betrug 94 % (95 % CI, 91 %–96 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von 50 % oder mehr, verglichen mit 78 % (95 % CI, 75 %–80 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von weniger als 30 %; das 5-Jahres-Gesamtüberleben betrug 95 % (95 % CI, 92 %–97 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von 50 % oder mehr, verglichen mit 82 % (95 % CI, 79 %–84 %) für Patienten mit einem TIL-Wert von weniger als 30 %. Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 18 Jahren und nach Berücksichtigung von Alter, Tumorgrösse, Knotenstatus, histologischem Grad und Strahlentherapie war jede um 10 % höhere TIL-Zunahme unabhängig voneinander mit einem verbesserten iDFS verbunden (Hazard Ratio [HR], 0.92 [0.89–0.94]), RFS (HR, 0.90 [0.87–0.92]), DRFS (HR, 0.87 [0.84–0.90]) und Gesamtüberleben (0.88 [0.85–0.91]) (Likelihood-Ratio-Test, P < 10e–6).

Schlussfolgerungen

Bei Patientinnen mit TNBC im Frühstadium, die sich keiner adjuvanten oder neoadjuvanten Chemotherapie unterzogen hatten, war Brustkrebsgewebe mit einer höheren TIL-Konzentration mit einem signifikant besseren Überleben verbunden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die TIL-Konzentration im Brustgewebe ein prognostischer Faktor für Patientinnen mit TNBC im Frühstadium ist.

Literatur
Leon-Ferre RA et al. Tumor-Infiltrating Lymphocytes in Triple-Negative Breast ­Cancer JAMA. 2024;331(13):1135-1144. doi:10.1001/jama.2024.3056

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Eine Phase-2-Lernverbundstudie zur haplo­identischen Knochenmarktransplantation bei Sichelzellanämie

Die vorliegende Studie ist eine Phase-2-Studie zur Knochenmarkstransplantation mit halb-passenden Spendern, d. h. haploidenten Spendern, nach einer reduzierten intensiven Therapie mit Thiotepa und der Prophylaxe der Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD) mit posttransplantärem Cyclophosphamid bei Patienten mit Sichelzellerkrankung. Die Hypothese lautet wie folgt: Ereignisfreies Überleben (EFS) von mindestens 80 %. In die vorliegende Studie wurden insgesamt 70 Patienten eingeschlossen, darunter 38 Erwachsene und 32 Kinder. Eine Transplantatabstoßung wurde in acht von 70 Fällen (11.4 %) beobachtet, wobei dies ausschließlich bei Patienten unter 18 Jahren der Fall war. Bei sämtlichen Patienten konnte eine autologe Rekonstitution beobachtet werden, was bedeutet, dass die Funktion des eigenen Knochenmarks wieder aufgenommen wurde. Nach einem Beobachtungszeitraum von zwei Jahren wurde ein Ereignisfreies Überleben (EFS) von 82.6 % und ein Gesamtüberleben von 94.1 % ermittelt. Hierbei zeigten sich keine Unterschiede zwischen adulten und pädiatrischen Patienten. Von den Patienten, bei denen die Transplantation erfolgreich verlaufen ist, waren 96.6 % (57 / 59) ein Jahr nach der Transplantation ohne Immunsuppression. Bei 10 % der Patienten trat eine schwere akute GvHD auf, bei weiteren 10 % eine chronische GvHD. Fünf Patienten verstarben an infektiösen Komplikationen.

Literatur
An international learning collaborative phase 2 trial for haploidentical bone marrow transplant in sickle cell disease. Adetola A. Kassim, Josu de la Fuente, Erfan Nur,et al. Blood. 2024 Jun 20;143(25):2654-2665

Pegyliertes Interferon alfa (pegIFN-α) kann zu molekularen Remissionen führen

Pegyliertes Interferon alfa (pegIFN-α) kann bei Patienten mit JAK2 mutierter Myeloproliferativer Neoplasie (MPN) zu molekularen Remissionen führen. Man nimmt an, dass langlebige zur Neoplasie gehörende Stammzellen beeinflusst werden. Patienten mit MPN haben oft zusätzliche Mutationen in Genen, welche Stammzellerneuerung regulieren wie z. B. DNMT3A. Diese Patienten scheinen auf pegIFN-α schlechter anzusprechen. In dieser experimentellen Studie aus der Gruppe von R Skoda in Basel wurde untersucht ob in Mausmodellen und in Patientenstammzellen DNMT3A Verlust mit Resistenz auf pegIFN-α korreliert. pegIFN-α reduziert die mutierte JAK2 Last normalisiert die Blutwerte und korrigiert Splenomegalie im Mausmodell. Diese Wirkung wurde durch DNMT3A Verlust aufgehoben. Mechanistische Untersuchungen zeigen, dass dies nicht über einen Verlust des Interferonsignalweges geschieht. Interferon Behandlung nach DNMT3A Verlust führte zu einem aggressiveren Krankheitsverlauf im Tiermodell.

Literatur
Loss of Dnmt3a increases self-renewal and resistance to pegIFN-∂ in JAK2-V617F–positive myeloproliferative neoplasms; Marc Usart, Jan Stetka,Damien Luque Paz, et al. Blood. 2024 Jun 13;143(24):2490-2503.

Ein neuartiger monoklonaler Anti-CD38-Antikörper zur Behandlung von Immunthrombozytopenien

Die Immunthrombozytopenie zählt zu den häufigeren Autoimmunerkrankungen, welche Blutzellen betreffen. Die Therapie der chronischen Verlaufsformen erweist sich als wenig zufriedenstellend. Im Folgenden wird der CD38-Antikörper CM313 vorgestellt. Im Rahmen einer Phase-1- bis -2-Studie wurde der CD38-Antikörper CM313 wöchentlich i. v. in einer Dosis von 16 mg/kg über einen Zeitraum von acht Wochen an erwachsene Patienten verabreicht. Insgesamt wurden 22 Patienten in die Studie eingeschlossen, wobei bei 21 Patienten (95 %) ein Thrombozytenwert von > 50 × 10⁹/L erreicht wurde. Die Ansprechdauer betrug 23 Wochen (17–24 Wochen). Das Ansprechen wurde median innerhalb einer Woche beobachtet. Zu den Nebenwirkungen gehörten Infusionsreaktionen sowie Infektionen der oberen Luftwege.

Literatur
A Novel Anti-CD38 Monoclonal Antibody for Treating Immune Thrombocytopenia.
Yunfei Chen, M.D., Yanmei Xu, M.D., Huiyuan Li, M.D., et al N Engl J Med 2024;390:2178-90.

Jüngere unverwandte Spender können in der PTCy-Ära einer HLA-Übereinstimmung vorzuziehen sein

Die allogene Stammzelltransplantation gehört zum Standard bei intermediär und hochrisiko Leukämien. Bei zunehmendem Alter der behandelten Patienten stellen sich Fragen nach der besten Spenderwahl. Gleichzeitig ergeben sich durch die verbesserte Prophylaxe der Graft versus Host Krankheit (GvHD) mit posttransplantärem Cyclophosphamide (PTCy) auch Fragen nach der Rolle des Alters von unverwandten Spendern aus dem Register. In dieser observationellen Studie aus dem Transplantationsregister wurden Patienten mit akuter myeloischer Leukämie in erster oder zweiter Remission mit passendem Fremdspender (MUD) oder Fremdspender mit einem HLA mismatch (MMUD) eingeschlossen. 1011 Patienten wurden untersucht, medianes Alter 54 Jahre (18–77). Spender waren median 29 Jahre (18–64) alt. Ein Spendealter über 30 Jahre hatte einen negativen Einfluss auf den Rückfall nach Transplantation (Hazard Ratio [HR], 1.38 (1.06–1.8), Leukämiefreies Ueberleben (HR, 1.4; 95 % CI, 1.12–1.74), und Gesamtüberleben (HR 1.45; 95 % CI, 1.14–1.85). Der Einfluss von HLA mismatch war nicht signifikant und weniger stark als der des Alters der Spender.

Literatur
Younger unrelated donors may be preferable over HLA match in the PTCy era: a study from the ALWP of the EBMT. Jaime Sanz, Myriam Labopin, Goda Choi, et al Blood. 2024 Jun 13;143(24):2534-2543

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch