Antimikrobielle Resistenzen sind eine grosse Gefahr für die öffentliche Gesundheit, stellte PD Dr. med. Andreas Plate, MSc vom Institut für Hausarztmedizin am Universitätsspital Zürich im Seminar mit Hausärztin Dr. med. Hanni Bartels, Küssnacht, fest.
Die WHO hat unter den zehn grössten Bedrohungen der globalen Gesundheit die antimikrobielle Resistenz nach Luftverschmutzung und Klimaveränderungen, den nicht übertragbaren Krankheiten, der Bedrohung durch eine Influenza-Pandemie sowie fragilen und gefährdeten Situationen an fünfter Stelle gelistet. Das beste Mittel gegen steigende Resistenzen ist, kein Antibiotikum einzusetzen, so der Referent.
Fall
Frau Dr. Bartels präsentierte einen Fall aus ihrer Praxis, der eine 28-jährige nicht schwangere Frau betraf. Die persönliche Anamnese ergab, dass die Patientin keine Operationen hatte, keine täglichen Medikamente einnimmt und seit drei Jahren in einer festen Partnerschaft lebt.
Klinik
Seit drei Tagen besteht eine Dysurie und Pollakisurie. Der Abdomen ist weich, wobei eine leichte Druckdolenz suprapubisch zu verzeichnen ist. Eine Abwehrspannung ist nicht festzustellen, ebenso wenig ein Peritonismus. Die Körpertemparatur ist normal, und es bestehen keine Klopfdolenz oder Flanken- oder Rückenschmerzen.
Wer kennt die nationalen Guidelines?
Welches ist Ihr First-Line Antibiotikum?
Wer hat schon einmal eine akute, unkomplizierte Harnwegsinfektion (HWI) ohne Antibiotikum behandelt?
Bei wem ist eine Therapie ohne Antibiotikum erste Wahl bei Patienten mit einem unkomplizierten HWI? So lauteten die Fragen der Referenten.
Antibiotika-sparende Therapieansätze im Zeichen der Antibiotikaresistenz
Untere HWI:
Bis zur Hälfte der Harnwegsinfektionen heilen spontan ab (allerdings beschleunigen Antibiotika den Heilungsprozess um 1–2 Tage).
Eine unbehandelte Zystitis scheint das Risiko einer Progression zur Pyelonephritis nicht signifikant zu erhöhen.
Für ausgewählte Patienten können zuerst Antibiotika-sparende Ansätze versucht werden.
Keine Vorgeschichte einer Pyelonephritis.
Symptomdauer ≤ 5Tage.
Häufige komplizierende Faktoren und Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf in der Hausarztpraxis:
Alle HWI bei Kindern, Männern und Schwangeren.
Funktionelle oder anatomische Besonderheiten, Z. n. OP.
Immunsupprimierte Patient/-innen.
Fieber und Flankenschmerzen.
Urologische Behandlung bei Nierensteinen innerhalb der letzten zwei Wochen:
• Anlage eines Urinkatheters.
• Entlassung aus dem Krankenhaus oder dem Pflegeheim.
• Antibiotikatherapie in den letzte zwei Wochen
• renale Erkrankung
Welche Patientengruppen eignen sich für eine primärsymptomatische Behandlung? Junge und ansonsten gesunden Patienten mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Bei komplizierten Harnwegsinfektionen oder Hinweisen auf komplizierende Faktoren, älteren Patienten (> 65 Jahre), Patienten mit eingeschränktem Allgemeinzustand, Patienten mit stark erhöhtem CRP, Pyelonephritis in der Vorgeschichte, Patienten mit Fieber sowie Patienten mit Symptomen, die länger als fünf Tage andauern, sollte eine antibiotische Therapie erfolgen.
Aus einer Publikation aus dem Jahr 2019 (Gharbi M et al. BMJ 2019;364: l525) geht hervor, dass bei älteren Patienten, bei denen in der Primärversorgung eine Harnwegsinfektion diagnostiziert wurde, keine Antibiotika und aufgeschobene Antibiotika im Vergleich zur sofortigen Antibiotikagabe mit einem signifikanten Anstieg der Blutstrominfektionen und der Gesamtmortalität verbunden war. Vor dem Hintergrund der Zunahme von Escherichia coli-Blutstrominfektionen in England wird eine frühzeitige Einleitung der empfohlenen Erstlinien-Antibiotika bei Harnwegsinfektionen in der älteren Bevölkerung befürwortet.
Empirische Therapie
Zystitis
Erstlinien-Therapie: Nitrofurantoin, po 100 mg alle 8 h für 5 Tage oder Trimethoprim /Sulfamethoxazol (TMP/SMX) pro 160/80 mg alle 12 h für 3 Tage.
Zweitlinien-Therapie: Fosfomycin po 3 g (Einmaldosis) oder Norfloxacin po 400 mg alle 12 h für 3 Tage oder Cefuroxim po 500 mg alle 12 h für 3 Tage oder Amoxicillin/Clavulansäure po 500/125 mg alle 8 h für 3 Tage.
Fazit
Bei Patienten mit einer unkomplizierten Harnwegsinfektion kann eine symptomatischer Therapieversuch vor einer (sekundären) antibiotischen Therapie erfolgen.
Antibiotika-sparende Therapieansätze werden in den nationalen (SSI-) Guidelines empfohlen.
Achten Sie auf die richtige Identifizierung der Patienten, bei welchen Sie diese Therapie durchführen.
Aufklärung und Beratung. Viele Patienten sind darüber froh, keine Antibiotika einnehmen zu müssen.
Die Behandlung des metastasierenden Brustkrebses (mBC) bleibt anspruchsvoll. Die auf der ASCO-Jahrestagung 2024 in Chicago vorgestellten Forschungsergebnisse liefern neue Erkenntnisse über HER2*-low Brustkrebs, darunter auch einen neuen potenziellen Behandlungsstandard (1). Die Phase-3-Studie DESTINY-Breast06 (DB-06) vergleicht die Therapie mit Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) mit der Chemotherapie nach Wahl des Arztes (ChT) bei Patientinnen mit HR*-positiven HER2-low oder HER2-ultralow mBC unter vorheriger endokriner Therapie (1). Die Studie könnte T-DXd nun als Standardbehandlung nach ≥ 1 endokrinen Therapien bei HR-positiven mBC-Patientinnen mit HER2-low und -ultralow etablieren (1).
Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsart bei Frauen und allein in der Schweiz werden jährlich mehr als 6500 Frauen mit der Erkrankung diagnostiziert (2, 3). Der Expressionsstatus von Hormonrezeptoren wie ER* und PR*, sowie von HER2 sind für die Behandlungsstrategie von zentraler Bedeutung, denn sie bieten Auskunft über die Anwendbarkeit zielgerichteter Wirkstoffe. Angesichts der gesteigerten Wirksamkeit neuer HER2-gerichteter Therapien, stellt sich die Frage, wo die therapeutisch relevante Grenze zwischen niedrig und ultraniedriger Expression verläuft.
HER2-Expression
Die Leitlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) und dem College of American Pathologists (CAP) definieren die aktuelle Bestimmung des HER2-Status (4, 5). Die HER2-Expression auf der Oberfläche der Krebszellen wird mittels immunhistochemischer Färbung (IHC) sichtbar gemacht und mit einem vierstufigen Score von 0 bis 3 + bewertet. Zudem kann mithilfe von In-situ-Hybridisierung (ISH) untersucht werden, ob eine HER2-Genamplifikation vorliegt. Somit zeigen etwa 15–20 % aller Brusttumore eine starke HER2-Überexpression, die den Einsatz zielgerichteter Therapien erlauben (6). Doch mittlerweile wurde gezeigt, dass auch Patientinnen mit niedriger HER2-Expression (HER2-low) von signifikant verlängerten progressionsfreien Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) im Rahmen einer HER2-gerichteten Antikörper-Therapie in Vergleich zu ChT profitieren können (7).
T-DXd auch bei HER2-ultralow
Am diesjährigen ASCO wurden diverse Forschungsergebnisse zum Thema HER2-low mBC vorgestellt (1, 8–10). Unter anderem wurden primäre Daten zur DESTINY-Breast06 präsentiert, in der 866 HR-positive Patientinnen (HER2-low: n = 713; HER2-ultralow: n = 153) eingeschlossen und 1 : 1 zu T-DXd 5.4 mg/kg oder ChT randomisiert wurden (1). Eine HER2-low Erkrankung war definiert durch einen IHC-Score von 1 + oder 2 + mit einem negativen ISH-Ergebnis, und eine HER2-ultralow-Krankheit durch einen IHC-Score von 0 mit Membranfärbung in 10 % der Tumorzellen oder weniger. Die Patientinnen hatten zuvor keine ChT für mBC erhalten, waren jedoch je nach Krankheitsprogression mit mindestens einer endokrinen Therapie behandelt worden. Eine erste Zwischenanalyse zeigte eine mediane Behandlungsdauer von 11 Monaten (T-DXd) gegenüber 5.6 Monaten (ChT), mit einem medianen Follow-up von 18.2 Monaten. Der primäre Endpunkt PFS betrug bei HER2-low Patientinnen unter T-DXd median 8.1 Monate im Vergleich zu 13.2 Monaten unter ChT, was einer signifikanten Verbesserung entspricht (HR: 0.62 (95 % CI 0.51, 0.74), P < 0.0001). Auch die Ergebnisse der HER2-ultralow Patientinnen waren mit den Daten der HER2-low Patientinnen konsistent. Bei dieser ersten Zwischenanalyse wurde das OS noch nicht bewertet. Die Sicherheit war in beiden Gruppen vergleichbar, wobei bei 40.6 % der Patientinnen in der T-DXd-Gruppe unerwünschte Ereignisse vom Grad ≥ 3 auftraten (31.4 % bei der ChT-Gruppe).
Fazit
Primäre Daten der DESTINY-Breast06 zeigen einen statistisch signifikanten und klinisch bedeutsamen PFS-Vorteil von T-DXd gegenüber ChT bei HER2-low und HER2-ultralow mBC. Auf Grundlage dieser Daten könnte sich T-DXd als Standardbehandlung nach ≥ 1 endokrinen Therapien bei mBC-Patientinnen mit HR-positiven HER2-low und -ultralow etablieren. Es bleibt jedoch noch offen, wie dies in der Klinik umgesetzt werden soll, da die IHC für niedrige HER2-Expressionen einen grossen Interpretationsspielraum birgt (11, 12).
Literatur
1. Curigliano, G., et al. LBA1000. Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) vs physician’s choice of chemotherapy (TPC) in patients (pts) with hormone receptor-positive (HR+), human epidermal growth factor receptor 2 (HER2)-low or HER2-ultralow metastatic breast cancer (mBC) with prior endocrine therapy (ET): Primary results from DESTINY-Breast06 (DB-06). Presented at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
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10. Chong, E., et al. Abstract 599 Evaluating the efficacy of neoadjuvant endocrine therapy in HER2 low vs. HER2 negative breast cancer: An NCBD analysis. Abstract at the ASCO 2024, May 31 – June 4, Chicago. Journal of Clinical Oncology, 2024. 42(17): p. Suppl.
11. Robbins, C.J., et al., Multi-institutional Assessment of Pathologist Scoring HER2 Immunohistochemistry. Mod Pathol, 2023. 36(1): p. 100032.
12. Fernandez, A.I., et al., Examination of Low ERBB2 Protein Expression in Breast Cancer Tissue. JAMA Oncol, 2022. 8(4): p. 1-4.
Tendenzen bei Menstruationssymptomen, Vermeidung von körperlicher Aktivität und Verwendung hormoneller Verhütungsmittel in einer Allgemeinbevölkerung erwachsener Frauen
Zyklische Veränderungen der Sexualsteroidhormone werden durchwegs für negative körperliche und psychische Symptome während des Menstruationszyklus verantwortlich gemacht (1–6).
Da die Beteiligung von Frauen an Elite- und Leistungssportveranstaltungen so hoch ist wie nie zuvor (2, 6), wurde das Hauptaugenmerk berechtigterweise auf die Ermittlung der vorherrschenden Probleme gerichtet, mit denen Gelegenheits- (1, 7) und Spitzensportlerinnen zu kämpfen haben (2, 4, 5). Derartige Forschungsdesigns haben sich in der Folge auf sechs Hauptthemen konzentriert: i) Ermittlung der Prävalenz der Verwendung hormoneller Verhütungsmittel (1, 2, 5, 7), ii) Hervorhebung der berichteten Symptome im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus und hormonellen Verhütungsmitteln (1–4], 6, 8), iii) Verständnis allgemeiner Wahrnehmungen und Missverständnisse im Zusammenhang mit dem Menstruationszyklus und der Verwendung hormoneller Verhütungsmittel (1, 4, 7, 8–10), iv) herauszufinden, ob es tatsächlich Unterschiede in der körperlichen Leistungsfähigkeit zwischen natürlich auftretenden Menstruationsphasen (11) oder zwischen natürlich menstruierenden Teilnehmerinnen und Anwenderinnen hormoneller Verhütungsmittel gibt (12), v) die Prävalenz menstruationsbedingter Störungen zu ermitteln (6, 13–15) und vi) die Art der Unterstützungs- und Bildungssysteme (2) in Sportgruppen zu verstehen. Obwohl es sich um wichtige und weit verbreitete Themen in der heutigen Gesellschaft handelt, wurde ein grosser Teil dieser Studien an hochspezialisierten Stichproben durchgeführt, darunter Leistungssportler im Kraftdreikampf (1), Gewichtheben (4), Klettern (4) und Rugby (1, 2), Fussball (2, 5, 10), Ausdauerlauf (3, 5), 13), Leichtathletik (5), Turnen (6), Tanzen (15) und Schwimmen (14). Daher ist es schwierig festzustellen, ob ähnliche Ergebnisse zu solchen Fragen und Themen in einer breiteren, nicht-sportlichen Bevölkerungsgruppe auftreten würden.
Da Profi- und Elitesportler nur eine Minderheit der weltweiten Population menstruierender Personen ausmachen, ist es für die aktuelle Forschung unerlässlich, Teilnehmer einzubeziehen, die für die allgemeine Bevölkerung repräsentativer sind. Der Fragebogen zielte darauf ab, Daten aus einer überwiegend jungen und allgemeinen Bevölkerung zu sammeln, da diese Stichprobe eine bessere Extrapolation der Ergebnisse auf eine breitere Bevölkerungsbasis ermöglichen würde, die in der sportwissenschaftlichen Forschung häufig als experimentelle Stichprobenpopulation verwendet wird (4, 7), 13).
Die Forschung, die sich mit den Symptomen und Nebenwirkungen des Menstruationszyklus auf die Leistung und Teilnahme an körperlichen Aktivitäten befasst, hat sich fast ausschliesslich auf Elite- und Sportpopulationen konzentriert. Ziel der aktuellen Studie war es, i) Unterschiede in den symptomatischen Erfahrungen mit dem Menstruationszyklus zwischen Anwenderinnen und Nicht-Anwenderinnen hormoneller Verhütungsmittel zu ermitteln, ii) Einblicke in die Anwendung hormoneller Verhütungsmittel zu gewinnen, iii) die wahrgenommenen symptomatischen Einflüsse auf die körperliche Aktivität zu beschreiben und iv) den wahrgenommenen Wissensstand und das Verständnis für den Menstruationszyklus zu ermitteln. Ein Online-Fragebogen wurde von 881 erwachsenen Frauen im Alter zwischen 18 und 55 Jahren ausgefüllt. Die Items des Fragebogens bezogen sich auf die Verwendung hormoneller Verhütungsmittel, das gewohnte Mass an körperlicher Aktivität, Erfahrungen und Symptome des Menstruationszyklus sowie Informationsquellen, die zu Wissen und Verständnis über den Menstruationszyklus führen.
Mehr als die Hälfte aller Teilnehmerinnen (52 %) gaben an, in der Freizeit aktiv zu sein, und die am häufigsten genannten Menstruationssymptome waren Unterleibskrämpfe, Lethargie, Blähungen, Schmerzen im unteren Rücken und starke Blutungen. Von allen Befragten nahmen 48,1 % eine Form der hormonellen Empfängnisverhütung in Anspruch, davon 66 % eine Variante der kombinierten Antibabypille.
In Übereinstimmung mit früheren Studien litten 90 % der Befragten regelmässig unter unerwünschten Menstruationssymptomen, darunter Unterleibskrämpfe, Lethargie, Blähungen, Rückenschmerzen und starke Blutungen.
Menstruationsbeschwerden wurden häufig als einflussreiche Faktoren für die Vermeidung von körperlicher Betätigung und die Verringerung der Leistungsfähigkeit genannt. Fast die Hälfte aller Teilnehmerinnen benutzte irgendeine Form der hormonellen Empfängnisverhütung, ein deutlich grösserer Anteil als in früheren Studien mit nicht-sportlichen Bevölkerungsgruppen dokumentiert wurde.
Schlussfolgerung
In der aktuellen Studie verwendete fast die Hälfte der Teilnehmerinnen eine Form der hormonellen Verhütung – die meisten von ihnen nahmen eine kombinierte orale Verhütungspille. Dies ist zwar ein deutlich höherer Anteil als in früheren Studien, in denen nicht-sportliche Bevölkerungsgruppen untersucht wurden, doch bestand die Stichprobe aus einer überwiegend jungen, gebildeten und in der Freizeit aktiven Bevölkerung. Unterleibskrämpfe wurden von über 90 % der Teilnehmerinnen regelmässig als Symptom des Menstruationszyklus empfunden.
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
riesen@medinfo-verlag.ch
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Der minimalinvasive Ansatz für die totale oder subtotale Hysterektomie hat sich aufgrund nachgewiesener Vorteile, wie geringerer Kosten, kürzerer Hospitalisation und niedrigerer Morbidität, zum Goldstandard entwickelt, selbst bei Frauen mit einem grossen Uterus myomatosus. Die intraabdominelle Morcellation stellt eine einfache und sichere Methode im Rahmen einer laparoskopischen Hysterektomie dar. Sie birgt jedoch das Risiko einer intraabdominellen Tumorausbreitung, falls die Probe einen bösartigen Tumor enthält, was zu Peritonealmetastasen führen und somit die Überlebenschancen der Patientin erheblich verschlechtern kann. Aufgrund der FDA-Warnung 2014 und der Aktualisierung 2023 wurden in den letzten Jahrzehnten sicherere Extraktionsmethoden etabliert.Der minimalinvasive Ansatz für die totale oder subtotale Hysterektomie hat sich aufgrund nachgewiesener Vorteile, wie geringerer Kosten, kürzerer Hospitalisation und niedrigerer Morbidität, zum Goldstandard entwickelt, selbst bei Frauen mit einem grossen Uterus myomatosus. Die intraabdominelle Morcellation stellt eine einfache und sichere Methode im Rahmen einer laparoskopischen Hysterektomie dar. Sie birgt jedoch das Risiko einer intraabdominellen Tumorausbreitung, falls die Probe einen bösartigen Tumor enthält, was zu Peritonealmetastasen führen und somit die Überlebenschancen der Patientin erheblich verschlechtern kann. Aufgrund der FDA-Warnung 2014 und der Aktualisierung 2023 wurden in den letzten Jahrzehnten sicherere Extraktionsmethoden etabliert.
The minimally invasive approach for total or subtotal hysterectomy has become the gold standard due to proven advantages, such as lower costs, shorter hospitalization, and lower morbidity, even for women with a large myomatous uterus. Intraabdominal morcellation represents a simple and safe method within the scope of a laparoscopic hysterectomy. However, it carries the risk of intraabdominal tumor dissemination if the specimen contains a malignant tumor, which can lead to peritoneal metastases and thus significantly worsen the patient’s chances of survival. Following the FDA warning in 2014 and the update in 2023, safer extraction methods have been established in recent decades.
Keywords: Laparoscopic hysterectomy, safe morcellation, advances in laparoscopic surgery
Der minimalinvasive Ansatz für die Hysterektomie hat sich aufgrund nachgewiesener Vorteile, wie geringerer Kosten, kürzerer Hospitalisation und niedrigerer Morbidität, zum Goldstandard entwickelt, selbst bei Frauen mit großen Uterusmassen (1–2). In den letzten Jahrzehnten wurden verschiedene intraoperative Systeme entwickelt, um eine sichere Bergung des Uterus zu gewährleisten, und somit eine Laparotomie, wenn möglich, zu vermeiden. Bis dato gibt es vier etablierte Verfahren, um eine möglichst sichere Bergung im Rahmen der Laparoskopie zu gewährleisten. Dazu gehören die Power-Morcellation, die vaginale «in-bag» Morcellation, die «in-bag» Morcellation umbilical/Minilaparotomie sowie abdominale «in-bag» Systeme mit Power-Morcellation, wie z. B. das More cell Safe System (AMI-System®).
Problem: Gefahr einer intraabdominellen Tumorausbreitung
Die intraabdominelle Morcellation ist eine einfache und effektive Methode zur Extraktion großer Uterusmyome oder des gesamten Uterus im Rahmen einer laparoskopischen Hysterektomie (TLH). Sie birgt jedoch das Risiko einer intraabdominellen Tumorausbreitung, falls die Probe einen bösartigen Tumor enthält, was zu Peritonealmetastasen führen und die Überlebenschancen der Patientinnen erheblich verschlechtern kann (3–5). Wright et al. berichteten über eine Uteruskrebsrate von 0.27 % bei Frauen, die sich einer Morcellation während einer minimalinvasiven Hysterektomie unterzogen haben (6). Das geringe Risiko einer intraabdominellen Tumorausbreitung kann durch präoperative Risikobewertung und die Morcellation unsicherer Proben in einem geschlossenen System reduziert werden. Neben dem Risiko einer Dissemination eines malignen Tumors kann auch eine solche von Myomen zu ernsthaften Problemen führen. Eine disseminierte intraabdominale Myomatose als Folge eines Power-Morcellements können zu einer therapeutischen Herausforderung werden (7).
Risikostratifizierung: Risiko und Prävalenz von Uterussarkomen bei Operationen wegen Uterusmyomen
Aktuelle Studien legen nahe, dass bei etwa 1 von 2000 Frauen, die sich einer solchen Operation unterziehen, ein Leiomyosarkom vorliegen könnte. Uterussarkome treten bei Frauen, die sich einer Operation wegen Uterusmyomen unterziehen, häufiger auf als bisher angenommen (2).
Es ist präoperativ anhand von Kriterien der Bildgebung mit Ultraschall, CT oder MRI sowie auch klinischen Charakteristika praktisch unmöglich, zwischen einem Uterusmyom und -sarkom zu unterscheiden (8). Selbst ein rasches Wachstum postmenopausal ist kein verwertbares Merkmal für ein Sarkom (9).
Eine sorgfältige Anamnese, PAP-Abstrichentnahme und ein transvaginaler Ultraschall gehören zwingend zum präoperativen Work-up, um eine Risikostratifizierung durchzuführen. Bei Frauen mit einem Uterus myomatosus ist es häufig unklar, seit wann die Patientin Uterusmyome hat und die zeitliche Größenentwicklung nachzuvollziehen. Bei Frauen mit einem neu aufgetretenen singulären Myom mit rascher Größenprogredienz sowie vermehrter Durchblutung im Doppler sollte die Möglichkeit eines Leiomyosarkoms nicht ausgeschlossen werden.
Zudem muss bei Frauen mit perimenopausalen Blutungsstörungen an ein Endometriumkarzinom gedacht werden, dabei ist der transvaginale Ultraschall nicht immer wegweisend.
Die meisten Frauen mit einer bösartigen Erkrankung des Corpus uteri oder der Zervix weisen abnormale Vaginalblutungen und/oder verdächtige Bildgebungen auf, sodass nur wenige erst nach der Operation eine endgültige histopathologische Diagnose erhalten.
Die Risikostratifizierung und der zugrunde liegende peri- und intraoperative Algorithmus nach Günthert et al. haben sich als effektiv erwiesen (10).
FDA-Empfehlung (2014/Update 2023)
Aufgrund des Risikos der intraabdominellen Tumorausbreitung und der Verfügbarkeit alternativer chirurgischer Optionen warnt die FDA vor der Verwendung laparoskopischer Power-Morcellatoren bei den meisten Frauen, die sich einer Myomektomie oder Hysterektomie zur Behandlung von Myomen unterziehen (11).
Es ist entscheidend, dass die präoperative Risikobewertung und die Wahl der chirurgischen Methode sorgfältig abgewogen werden, um die Sicherheit und das langfristige Überleben der Patientinnen zu gewährleisten (12). Das geringe Risiko einer intraabdominellen Tumorausbreitung kann durch präoperative Risikobewertung und die Morcellation unsicherer Proben in einem geschlossenen System reduziert werden. Zu den sicheren Verfahren gehören die vaginale «in-bag» Morcellation, die «in-bag» Morcellation umbilical/Minilaparotomie sowie abdominale «in-bag» Systeme mit Power-Morcellation wie das Morecell Safe System (AMI-System®). Die Verwendung eines geschlossenen Systems zur Morcellation stellt entscheidende Schritte zur Verbesserung der Sicherheit bei der totalen laparoskopischen Hysterektomie dar.
Hervorzuheben dabei ist, dass in der präoperativen Sprechstunde eine fundierte und informierte Entscheidungsfindung von entscheidender Bedeutung ist. Dies gewährleistet, dass Patientinnen umfassend über die Risiken und Vorteile der geplanten Operation und der verschiedenen verfügbaren chirurgischen Techniken aufgeklärt werden.
Ansätze zur Lösung zur Minimierung der intraoperativen Risiken
1. Vaginale «in-bag» Morcellation. Eine Studie von Günthert et al. demonstrierte eine sichere Technik zur vaginalen «in-bag» Morcellation (10). Die Autoren betonten zudem die Bedeutung eines prä- und intraoperativen Algorithmus zur Risikostratifizierung, der die Rate der unkontrollierten Dissemination präoperativ nicht detektierter Tumorzellen deutlich verringern kann.
2. Abdominale «in-bag» Morcellation mit z. B. AMI-System (More Cell Safe®) (Abb. 1). Eine Proof-of-Concept-Studie von Rimach et al. zeigte, dass die «in-bag» Morcellation machbar und sicher ist. In der abschließenden Spülzytologie konnten keine Tumorzellen nachgewiesen werden. Diese Systeme sind insbesondere bei einem großen Uterus myomatosus geeignet, wenn eine vaginale Extraktion nicht möglich ist (13–14).
3. Abdominale «in-bag» Morcellation mit umbilicaler Morcellation (z. B. Endo-Catch, Cooper-Bag) (Abb. 2). Die umbilikale Morcellation ist eine einfache und effiziente Technik, insbesondere dann, wenn eine standardisierte Vorgehensweise verwendet wird. Bewährt hat sich die sog. Paper-roll Technik, mit der sich schlussendlich mit einer repetitiven Vorgehensweise beliebig grosse Gewebestücke extrahieren lassen (15).
In der Studie von Meurs et al. wurden 160 Frauen ohne Verdacht auf eine uterine oder zervikale Neoplasie untersucht, die sich einer laparoskopischen Hysterektomie unterzogen hatten (13). Die Patientinnen wurden in drei Gruppen eingeteilt:
• Power Morcellation (PM): 77 Frauen
• Vaginale Morcellation (VM): 33 Frauen
• Mini-Laparotomie (ML): 50 Frauen
Zur Bergung des Gewebes wurde in 67 % der Fälle bei Power-Morcellation (PM), in 72 % der Fälle bei vaginaler «in-bag» Morcellation (VM) und in 92 % der Fälle bei minilaparotomie «in-bag» Morcellation (ML) ein Bergebeutelsystem verwendet. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Operationszeit in der ML-Gruppe im Vergleich zu den anderen Gruppen leicht verlängert war. Es gab jedoch keinen signifikanten Unterschied in der intraoperativen Komplikationsrate, in der nach Clavien-Dindo klassifizierten Komplikationsrate oder in der Re-Operationsrate zwischen den Gruppen.
Eine bemerkenswerte Beobachtung war, dass in der PM-Gruppe bei einer Patientin postoperativ ein low-grade Endometriumkarzinom diagnostiziert wurde. Bis zum Zeitpunkt der Studie wurden keine weiteren Komplikationen diesbezüglich berichtet. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass alle drei untersuchten Morcellationstechniken – PM, VM und ML – sicher und effektiv sind. Die leicht verlängerte Operationszeit in der ML-Gruppe könnte durch die häufigere Verwendung eines Bergebeutelsystems erklärt werden.
Die Diagnose eines low-grade Endometriumkarzinoms in der PM-Gruppe unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen präoperativen Abklärung und Nachsorge. Die retrospektive Studie von Meurs et al. legt nahe, dass die Morcellationstechniken PM, VM und ML sichere und effektive Methoden zur Gewebsbergung im Rahmen einer laparo-skopischen Hysterektomie sind (13). Trotz der unterschiedlichen Vorgehensweisen und der Variation in der Verwendung von Bergebeutelsystemen konnten keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Komplikationen und Re-Operationsraten festgestellt werden. Die Befunde unterstützen die Anwendung dieser Techniken in der klinischen Praxis, wobei eine individuelle Bewertung und sorgfältige Patientenauswahl entscheidend bleiben.
Eine umfassende Metaanalyse von Vargas et al. untersuchte verschiedene Morcellationstechniken und unterstrich die Bedeutung eines prä- und intraoperativen Work-ups zur Risikominimierung. Die Ergebnisse dieser Analyse betonen die Wichtigkeit einer sorgfältigen Patientenauswahl und Operationsplanung, um die Sicherheit der Morcellationsverfahren zu gewährleisten (16).
Im Zweifel abdominale Bergung via Pfannenstiel-Inzision oder primäre abdominale Hysterektomie.
Copyright Aerzteverlag medinfo AG
PD Dr. med. Corina Christmann
Chefärztin und Leitung Frauenklinik
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6000 Luzern
Die Autor/-innen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Präzise Anamnese und präoperative Diagnostik, um eine mögliche Malignität auszuschliessen.
Vermeidung der intraabdominalen Power-Morcellation ohne Bergebeutelsysteme.
Verwendung der möglichen «in-bag» Bergungssysteme empfohlen.
«In-bag» Systeme zeigen keine höheren intra- und postoperative Komplikationen.
Im Zweifel Konversion zur abdominalen Hysterektomie.
In der präoperativen Sprechstunde ist eine fundierte und informierte Entscheidungsfindung von entscheidender Bedeutung.
1. Aarts J, Nieboer T, Johnson N, Tavender E, Garry R, Mol B, Kluivers K. Surgical ap-proach to hysterectomy for benign gynaecological disease. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Aug 12;2015(8).
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Behaviorale und Psychische Symptome der Demenz (BPSD) sind psychiatrische Begleitsymptome dementieller Erkrankungen, die neben den kognitiven Störungen für die Betroffene und deren betreuende Angehörige besonders belastend sind. Die Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie (SGAP) entwickelte interprofessionelle und interdisziplinäre Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie der BPSD, um den vielfältigen Herausforderungen zu begegnen. Diese stellen die nicht-pharmakologischen Assessment- und Therapiemethoden ausführlich vor und priorisieren diese auch. Die pharmakologischen Therapieoptionen werden eingehend diskutiert und die Grundsätze für deren Einsatz geschaffen. Die Empfehlungen sollen dazu dienen, die Frühdiagnostik der BPSD zu ermöglichen, individuell angepasste Therapien einzusetzen und die Lebensqualität und Selbstständigkeit der Betroffenen zu verbessern.
Behavioral and psychological symptoms of dementia (BPSD) are psychiatric concomitant symptoms of dementia that, in addition to cognitive disorders, are particularly stressful for those affected and their caregivers. The Swiss Society of Old Age Psychiatry and Psychotherapy (SGAP) has developed interprofessional and interdisciplinary recommendations for the diagnosis and treatment of BPSD in order to meet the various challenges. These present the non-pharmacological assessment and therapy methods in detail and also prioritize them. The pharmacological treatment options are discussed in detail and the principles for their use are established. The recommendations are intended to enable the early diagnosis of BPSD, to use individually adapted therapies and to improve the quality of life and independence of those affected. Key words: Demenz. BPSD. Alzheimer
Neben den kognitiven Störungen prägen psychiatrische Symptome, sogenannte «Behaviorale und Psychische Symptome der Demenz (BPSD)», wie Apathie, Depression, Euphorie, Angst, Agitiertheit/Aggressivität, Wahn, Halluzinationen, Irritabilität/Reizbarkeit, Enthemmung und Schlafstörungen das klinische Bild der Demenz-Erkrankungen (1–4). Diese Symptome führen einerseits zu einer schnelleren Progression der Demenz, andererseits wird ihre Therapie erschwert durch die Multimorbidität der Betroffenen. Noch zu Beginn der Nationalen Demenzstrategie hat die Schweizerische Gesellschaft für Alterspsychiatrie und –psychotherapie (SGAP) schon 2014 die Diagnostik- und Therapieempfehlungen für BPSD in kurzer und in längerer Version publiziert (1, 2). Diese wurden jetzt revidiert und liegen in Kurzform (3) und als Manual (4) vor. Die Empfehlungen sollen die Frühdiagnostik stärken und stellen bewusst die nicht-pharmakologischen Therapieoptionen in den Vordergrund. Die Stellung der interprofessionellen und interdisziplinären Arbeitsweise in der Alterspsychiatrie soll gestärkt werden.
Veränderungen bei Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin, Noradrenalin und Glutamat tragen zur Entstehung der BPSD bei. Strukturell sind der anteriore cinguläre und der orbitofrontale Kortex sowie das fronto-limbische System betroffen. Komorbiditäten, psychosoziale Faktoren wie die Belastung der Angehörigen, Kommunikationsstil und Mangel an sinnvollen Tätigkeiten sowie infrastrukturelle Faktoren wie eine Orientierung erschwerende Einrichtung, Lärm und mangelnde Bewegungssicherheit können die Entstehung und Aufrechterhaltung von BPSD begünstigen.
Diagnostik
Der therapeutische Algorithmus für BPSD sieht ein strukturiertes Vorgehen als Basis der Diagnostik und Therapie vor. Der Grundsatz der Personenzentrierung und die Multimorbidität machen einen interprofessionellen und interdisziplinären Ansatz notwendig. Der personenzentrierte Ansatz ist definiert durch die drei Kernthemenbereiche: Individualisierung der Pflege mit Bezug auf die Bedürfnisse der betroffenen Person, Begegnung mit Respekt und Empathie zur Bewahrung der Autonomie und Privatsphäre und Abbau von Hindernissen in den Rahmenbedingungen. Modelle wie «Eden Alternative und Green House Model» oder der «Montessori Ansatz» sind anwendbar. Für die nachhaltige Reduktion der BPSD sollen die individuelle Ursache, Auslöser und Beweggründe für die Verhaltensweise gefunden werden. Methoden wie «Serial Trial Intervention», «Verstehende Diagnostik», «TIME-Targeted Interdisciplinary Model for Evaluation and Treatment of neuropsychiaric symptoms» and «DICE-Describe, Investigate, Create and Evaluate» und «BPSD-DATE-Algorithmus» sind hilfreich.
Als neuropsychologisches Assessment-Verfahren hat sich in erster Linie das «NPI-Neuropsychiatrische Inventar» etabliert. Das «BEHAVE-AD – Behavioral Pathology in Alzheimer’s Disease Rating Scale» ist auch geeignet, liegt aber in deutscher Sprache nicht vor. In der Schweiz haben sich in der Langzeitpflege Bedarfserhebungsinstrumente wie RAI und BESA gut etabliert, haben aber bei der Erfassung der BPSD ihre Limitationen. Die «GDS-Geriatrische Depressionsskala» ist für die Erfassung der Depression und das «CMAI-Cohen-Mansfield Agitation Inventory» für die Agitation bestens geeignet.
In der Differentialdiagnostik müssen vor allem Delir und Altersdepression berücksichtigt werden. Psychosen, zerebrovaskuläre Ereignisse, Neoplasien sowie intellektuelle Entwicklungsstörungen sind weitere Störungsbilder mit ähnlichen Symptomen. Eine auf die differentialdiagnostischen Überlegungen basierende ausführliche Anamnese (mit Fremdanamnese), klinische Untersuchung, Labor-Diagnostik, neuropsychologische Testung und Bildgebung (MRT bzw. CT, wenn erstere nicht möglich) sind Standarduntersuchungen.
Nicht-pharmakologische Massnahmen und Therapien werden als erste Wahl empfohlen. Diese sollen auch dann eingesetzt werden, wenn Psychopharmaka zum Einsatz kommen müssen. Die Teams sollen mit regelmässigen Schulungen und Supervision befähigt werden, diese prioritär einzusetzen. Angehörige sollen über BPSD aufgeklärt und in den Therapie-Prozess involviert werden. Im Umgang mit Menschen mit Demenz können drei Kategorien von pflegerischen Massnahmen eingesetzt werden: sensorisch orientiert (Pflege mit Musik, Aromapflege, Licht, Snoezelen, Sensory Garden, tiergestützte Aktivitäten, intelligente assistive Technologien, Massage/Berührung, Basale Stimulation, Positive Image Therapie und Clown Therapie), kognitionsorientiert (Simulierte Präsenztherapie, Kognitions- und Kommunikationsorientierte Methoden, Validation) und bewegungsorientiert (Bewegung, Outdoor-Aktivitäten, Tanz und Kinästhetik). Zusätzlich hat die Regulierung der Umgebungsfaktoren mit Vermeidung von Reizüberflutung und –Armut positiven Einfluss auf die BPSD. Faktoren wie Umgebungsgestaltung, Licht, Farben, Temperatur, Lärm und Hilfsinstallationen spielen dabei eine Rolle.
Im Umgang mit spezifischen Verhaltensweisen haben sich die obengenannten Massnahmen mit einem multimodalen Ansatz bewährt. Bei Aggressivität ist es wichtig, den aktuellen Grund des Verhaltens auf der Basis der individuellen Faktoren und der Vorgeschichte zu verstehen. Bei der sexuellen Enthemmung soll eine Balance zwischen den individuellen Rechten der Betroffenen und dem Schutz der Betreuenden unter Beibehaltung der Intimsphäre gefunden werden. Bei disruptiver Vokalisation sind verschiedene Ursachen zu eruieren, wie z.B. Deprivation, Angst und Schmerzen.
Als Kognition-stabilisierende Therapien sind Kognitive Stimulation und Reminiszenztherapie wirksam. Kombinierte, personzentrierte Methoden sind Einzelinterventionen überlegen. Bei leichten bis mittelschweren Demenzerkrankungen besteht eine gute Evidenzlage für die Wirksamkeit von Psychotherapie, vor allem für die kognitive Verhaltenstherapie. Lebensrückblickinterventionen sind ebenso wirksam. All diese Massnahmen sind effektiver, wenn Betreuungspersonen/Angehörige beigezogen werden. Angehörige sind oft selbst betroffen und können Depressionen entwickeln. Angehörigenbetreuung ist integrativer Bestandteil der Therapie.
Als spezialtherapeutische Interventionen kommen Musik- und Kunsttherapie, Aktivierungstherapie/Ergotherapie, tiergestützte Therapien, Akupunktur/Akupressur und körperliche Aktivität/Sport in Frage. Diese sind vor allem bei Depression, Angst und Agitation wirksam und sollen den individuellen Präferenzen und der Vorgeschichte angepasst angeboten werden. Weil die Effekte von kurzer Dauer sind, sollen sie mit hoher Frequenz angeboten werden.
Psychopharmakotherapie
Bei akuter Selbst- und Fremdgefährdung und für die Gewährleistung der Betreuung kann, wenn die nicht-pharmakologischen Interventionen nicht ausreichen, der Einsatz von Psychopharmaka gerechtfertigt sein. Obwohl mit vielen der eingesetzten Medikamente ausreichend klinische Erfahrung besteht, ist oft die Evidenzlage gering, weil die kontrollierten Studien fehlen. Zudem ist der Einsatz der meisten Substanzen «Off-Label», was unter erhöhter und hinreichender Aufklärungs- und Dokumentationspflicht möglich und u. U. sogar nötig ist.
Die Anwendung von Psychopharmaka soll nach einer Nutzen-/Risiko-Abwägung indikationsgerecht und zeitlich limitiert erfolgen. Zu Beginn sollen eine ausführliche Anamnese, Labor-Diagnostik und EKG durchgeführt und im Verlauf regelmässig wiederholt werden. Mögliche Nebenwirkungen und Interaktionen der eingesetzten Medikamente sind laufend zu evaluieren. In Abhängigkeit von der Symptomreduktion sind Absetzversuche vorzunehmen. Psychopharmaka sind möglichst als Monotherapie anzuwenden und Rezeptorantagonisten (Anticholinergika, Antihistaminika und Dopaminantagonisten) sind zu vermeiden. Der Einsatz möglichst niedriger Dosierungen ist zu empfehlen.
Aufgrund ihres besseren Nutzen-Risiko-Profils und weil sie durch den kognitionsstabilisierenden und u. U. auch -verbessernden Effekt auch bei BPSD wirksam sind, werden Antidementiva als Medikament der ersten Wahl empfohlen. Acetylcholinesterase-Hemmer werden bei leichter bis mittelschwerer Demenz eingesetzt und sind vor allem bei Apathie, Depression und Irritabilität wirksam. Memantin wird bei mittelschwerer bis schwerer Demenz eingesetzt und reduziert Agitiertheit, Aggressivität, Wahn und Halluzinationen. Der Einsatz von Antidementiva kann den Bedarf an anderen Psychopharmaka reduzieren.
Depression gehört zu den häufigsten BPSD. Eine effektive Antidepressiva-Therapie kann helfen, die Alltagsfähigkeiten zu verbessern. Die Selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SSRI) sind vom Nebenwirkungsprofil her vorteilhafter und sind auch bei Agitiertheit wirksam (cave Verlängerung des QTc-Intervalls). Trizyklische Antidepressiva werden aufgrund ihres anticholinergen Nebenwirkungspotentials bei älteren Personen nicht empfohlen. Bei fehlender Wirksamkeit nach 4–6 Wochen, kann die Medikation ersetzt werden.
Bei BPSD wie Wahn, Halluzinationen, Agitiertheit und Aggressivität kann eine Intervention mit Antipsychotika notwendig werden. Der Einsatz dieser Substanzen ist mit erhöhtem Mortalitätsrisiko, zerebrovaskulären Ereignissen, Sedierung, extrapyramidalen-motorischen Symptomen (EPS) und metabolischen Veränderungen verbunden. Die Grundsätze des Einsatzes von Psychopharmaka bei älteren Personen sind hier besonders einzuhalten. Beim Einsatz soll alle vier Wochen eine Indikationsprüfung vorgenommen werden mit Reduktion- und Absetzversuchen. Atypische Antipsychotika werden aufgrund des besseren Nutzen-Risiko-Profils bevorzugt.
Benzodiazepine und analoge Hypnotika sind aufgrund der delirogenen Wirkung, der Sedierung mit Sturzfolge und des Abhängigkeitspotentials bei Betroffenen mit Demenz nicht empfohlen. Falls sie in Notfallsituationen trotzdem eingesetzt werden müssen, sollen Substanzen mit kürzerer Halbwertzeit (Lorazepam, Oxazepam) bevorzugt werden, um Kumulationseffekte zu vermeiden. Bei Insomnie sind hypnotisch wirksame Substanzen wie z.B. schlafanstossende Antidepressiva (Trazadon, Mirtazapin, Agomelatin) zu bevorzugen. Antipsychotika wie Pipamperon oder Quetiapin werden auch oft zur Sedierung eingesetzt. Hier ist auf die zeitliche Limitierung zu achten. Für Melatonin-Agonisten, Pregabalin und Gabapentin sind Hinweise für hypnotische Wirkungen vorhanden. Chloralhydrat, Clomethiazol, Diphenhydramin, Doxylamin und Promethazin sollen bei Demenz nicht eingesetzt werden.
Von den Antikonvulsiva ist die Wirksamkeit von Carbamazepin bei Aggressivität gut belegt, aber aufgrund von möglichen schweren Nebenwirkungen soll es zurückhaltend eingesetzt werden. Lamotrigin, Gabapentin oder Pregabalin können eine Alternative sein. Oxcarbazin, Valproat und Lithium werden bei Demenz nicht empfohlen. Für Perampanel, Lacosamid und Brivaracetam ist die Datenlage für eine Empfehlung noch unklar.
BPSD entstehen oft aufgrund von Schmerzen, die nicht zum verbalen Ausdruck gebracht werden können. Für die Behandlung von neuropathischen Schmerzen bei älteren Personen werden folgende Substanzen empfohlen: Duloxetin, Gabepentin oder Pregabalin, als Antidepressiva, Lidocain für die topische Anwendung und Tramadol oder Oxycodon als Opioide. Die Opioide sollen ausserhalb terminaler Indikationen nur zeitlich limitiert und zurückhaltend eingesetzt werden um Delir, Abhängigkeit und andere Nebenwirkungen zu vermeiden.
Als biologisches Verfahren ist die Lichttherapie (weisses Licht bis zur Untergrenze 400 nm; 25 000 Lux für zwei Stunden oder 10 000 Lux für 30 Minuten) bei zirkadianen Rhythmus- und Schlafstörungen sowie bei «Sundowning Syndrom» und Agitiertheit wirksam. Schlafentzug ist zwar bei Depression wirksam, wird aber bei Demenz nicht empfohlen.
«Elektrokrampftherapie (EKT)» kann eine Option sein, wenn alle anderen Therapiemöglichkeiten nicht wirksam sind. Ihr Einsatz setzt eine angemessene Aufklärung, Einwilligung und Dokumentation voraus. Mit «Repetitiven Transkranialen Magnetstimulationen (rTMS)» sind zunehmend gute Erfahrungen vorhanden. Für die «Tiefe Hirnstimulation» oder «Vagusnervstimulation» bei Demenz ist die Datenlage für eine Empfehlung nicht ausreichend.
Eine ganzheitliche, personzentrierte, interdisziplinäre und interprofessionelle Arbeitsweise mit Priorisierung der nicht-pharmakologischen Therapiemöglichkeiten und Einhaltung der Grundsätze des Psychopharmaka-Einsatzes soll gewährleisten, dass den Herausforderungen der Diagnostik und Therapie der BPSD begegnet wird und die Lebensqualität und Alltagsfähigkeiten der Betroffenen verbessert wird.
Copyright Aerzteverlag medinfo AG
Prof. Dr. med. Egemen Savaskan
Klinik für Alterspsychiatrie
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Minervastrasse 145
8032 Zürich
egemen.savaskan@puk.zh.ch
Dr. med. Dan Georgescu
Klinik für Konsiliar-, Alters- und Neuropsychiatrie
Psychiatrische Dienste Aargau AG
Königsfelderstrasse 1
5210 Windisch
Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
BPSD sind belastend und machen oft den Einsatz von Psychopharmaka notwendig
Frühdiagnostik und Therapie sind wichtig, um die Selbstständigkeit der Betroffenen zu erhalten.
Nicht-pharmakologische interprofessionelle Therapien sind Therapien der ersten Wahl und sind auch dann anzubieten, wenn Psychopharmaka zum Einsatz kommen.
Der Einsatz von Psychopharmaka soll indikationsgerecht, zeitlich limitiert und unter regelmässiger klinischer Evaluation stattfinden. Dabei sollen die Grundsätze des Psychopharmaka-Einsatzes in der Alterspsychiatrie eingehalten werden.
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3. Savaskan E, Georgescu D, Becker S et al. Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie der Behavioralen und Psychischen Symptome der Demenz (BPSD). Praxis 2024; 113(2): 34–43.
4. Savaskan E, Georgescu D, Zuniga F (Hrsg.). Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der Behavioralen und Psychischen Symptome der Demenz (BPSD). Bern; Hogrefe: 2024.
Eine Hausarztkonsultation bietet einen günstigen Moment, das Thema «Rauchen und Rauchstopp» anzugehen. Nebst der Prävention, welche vor allem Jugendlichen und jungen Erwachsenen gelten soll, sollten werdende Eltern, Patienten vor Operationen und solche mit Tabak-assoziierten Folgeerkrankungen darauf angesprochen werden. Ist die Motivation für einen Rauchstopp gegeben, soll Unterstützung angeboten werden. Günstig ist eine Kombination von Beratung nach dem «motivational interviewing» und einer medikamentösen Unterstützung in Form von pharmakologischem Nikotinersatz. Neue Nikotin-/Tabakpräparate (E-Zigaretten, erhitzbare Tabakprodukte, Nikotin-/Tabakbeutel) enthalten oft hoch konzentrierte, stark abhängig machende Nikotinsalze und Zusatzstoffe, welche gesundheitlich problematisch sein können und deren Langzeiteffekte noch nicht erforscht sind. Diese Präparate sollten daher nicht vorbehaltlos in der Rauchstoppberatung eingesetzt werden.
A GP consultation is a good time to address the topic of smoking and smoking cessation. In addition to prevention, which is primarily aimed at adolescents and young adults, expectant parents, patients about to undergo surgery and those with tobacco-related diseases should also be addressed. If there is motivation to quit, support should be offered. A combination of motivational interviewing counseling and drug support in form of pharmacological nicotine replacement is recommended. New nicotine/tobacco products (e-cigarettes, heated tobacco products, nicotine/tobacco pouches) often contain highly concentrated, highly addictive nicotine salts and additives, which can be problematic for health and whose long-term effects have not yet been researched. These products should therefore not be used without reservation in smoking cessation counseling. Key words: Smoking cessation support, nicotine metabolism, nicotine replacement products, new tobacco/nicotine products
Dass Rauchen gesundheitsschädlich ist, ist hinlänglich bekannt. Dennoch raucht gemäss der schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022 gut ein Viertel der Bevölkerung. Weiterhin werden vorwiegend Tabakzigaretten geraucht. Alternative Tabak-/Nikotinprodukte («E-Zigaretten», erhitzbare Tabakprodukte, oraler Tabak) werden zunehmend vorwiegend von Jugendlichen und jungen Erwachsenen konsumiert (1).
Der «teachable moment» in der Hausarztkonsultation
Praktisch jede Hausarztkonsultation eignet sich, das Thema «Rauchen und Rauchstopp» anzugehen.
Steht ein Kinderwunsch an, sollten die werdenden Eltern darüber aufgeklärt werden, dass Rauchen bei Männern die Potenz beeinträchtigt und Frauen zu anovulatorischen Menstruationszyklen neigen. Bei Raucherinnen sind Schwangerschafts- und geburtshilfliche Komplikationen bis hin zu Totgeburten gehäuft. Ihre Neugeborenen haben ein geringeres Geburtsgewicht, ein erhöhtes Risiko für Geburtsdefekte und einen plötzlichen Kindstod. Kinder, welche Passivrauch ausgesetzt sind, neigen zu respiratorischen Infekten und entwickeln häufiger ein Asthma bronchiale (2).
Vor geplanten Operationen sollte informiert werden, dass Rauchen das perioperative Risiko erhöht: Nikotin steigert die «Stress-Antwort» (Tachykardie, Hypertonie, Vasokonstriktion). Das beim Verbrennen entstehende Kohlenmonoxid ist proarrhythmogen und verringert das Sauerstoff-Angebot im Gewebe, was die Wundheilung verzögert und die Infektanfälligkeit erhöht (3). Eine «Rauchpause» von bereits 4 Wochen kann das Risiko für Komplikationen im peri-/postoperativen Verlauf reduzieren.
Mit Patienten, welche bereits Folgekrankheiten ihres Tabakkonsums (chronische Bronchitis, COPD, koronare Herzkrankheit, Krebserkrankungen) entwickelt haben, sollte vertieft über die Notwendigkeit eines Rauchstopps diskutiert werden. Die im Zigarettenrauch enthaltenen Stoffe wirken sowohl lokal wie auch systemisch toxisch bzw. kanzerogen und induzieren genetische Veränderungen (2, 4–8). Ein Rauchstopp unterbricht diese Mechanismen und ist daher zu jedem Zeitpunkt günstig. Die weitere Prognose wird dadurch verbessert.
Ein besonderes Augenmerk gilt Jugendlichen und jungen Erwachsenen, in erster Linie im Sinne einer Prävention. Sie riskieren neurokognitive Störungen, weil ihr Gehirn besonders stark auf Nikotin reagiert (5, 6). Die Lunge ist erst mit 20–25 Jahren vollständig ausgereift, was bedeutet, dass ein Rauchbeginn in der Adoleszenz die Lungenfunktion beeinträchtigt, bevor sich diese vollständig entwickeln konnte (9, 10). Rauchen führt zu einer vorzeitigen Lungenalterung durch beschleunigten Abfall des FEV1, sprich COPD. Dieser Prozess kann durch einen Rauchstopp aufgehalten werden. Dies konnten Fletcher und Peto bereits 1977 zeigen, (Abb 1) (9, 11). Die «Fletcher-Peto-Kurve» kann in der Rauchstopp-Beratung zur Motivation genutzt werden: «Je früher, desto besser, lieber spät als nie». Eine rezente Studie dokumentierte, dass ein Rauchstopp die raucherbedingte gesteigerte Mortalität reduziert. Erste positive Effekte wurden bereits 3 Jahre nach Rauchstopp gemessen und waren umso ausgeprägter, je früher die Abstinenz erreicht wurde (12).
Rauchstopp-Beratung konkret
Ist ein Raucher oder eine Raucherin für einen Rauchstopp motiviert, lohnt es sich, im Rahmen einer «Kurzintervention» Unterstützung anzubieten. Das 5-A-Modell dient als Leitfaden (13): Ask: Raucherstatus bei jeder Konsultation erfragen Advise: klare, dezidierte Empfehlung zum Rauchstopp Assess: Motivation evaluieren Assist: Hilfe zum Rauchstopp anbieten / Überweisung an Rauchstoppberatung Arrange follow up: regelmässiges Nachfragen / Rückfallprophylaxe
Um einen Rauchstopp erfolgreich umzusetzen, muss eine Verhaltensänderung stattfinden. Eine solche verläuft über mehrere Phasen, welche im transtheoretischen Modell von Prochaska und Di Climente beschrieben werden (14). In der professionellen Rauchstopp-Beratung wird eine lösungsorientierte Kommunikation und das «motivational interviewing» nach Miller und Rollnick angewendet (15). Die Rauchstopp-willige Person soll Vorteile für einen Rauchstopp formulieren und Alternativen für das Rauchen finden. In der Beratung werden konkrete Tipps und Hilfestellungen vermittelt. Gemeinsam werden ein Plan erstellt und (Zwischen-)Ziele formuliert. Das Verlangen nach Zigaretten (Craving) dauert 3 bis 5 Minuten, diese Zeit gilt es, durch Ablenkung zu überbrücken (Wasser trinken, Frucht essen, Fingerübungen, etc.). Wenn die Zeit für eine umfassende Beratung fehlt, kann die rauchstoppwillige Person an etablierte Rauchstopp-Angebote verwiesen, bzw. dorthin überwiesen werden. Auf der Internetseite www.stopsmoking.ch finden Laien (und auch Fachpersonen!) viele fundierte Informationen. Es besteht die Möglichkeit einer online- und einer Telefon-Beratung (0848 000 181 für Deutsch, Französisch, Italienisch, zusätzlich unter separaten Nummern für Rätoromanisch, Albanisch und Portugiesisch) (6). Verschiedene Institutionen (Spitäler, Krebs- und Lungenligen) bieten Einzelberatungen oder Kurse an. Je nach Angebot werden die Kosten von den Krankenkassen vergütet oder es wird ein Teil der Kosten bei lückenloser Teilnahme rückerstattet.
In der Regel sind drei bis sieben Rauchstopp-Versuche notwendig, um eine anhaltende Rauchfreiheit zu erlangen (6). Um Rückfälle zu erfassen und weitere Hilfeleistung anzubieten, lohnt sich wiederholtes Nachfragen über einen längeren Zeitraum (z.B. nach 3, 6, 12 Monaten).
Nikotinmetabolismus
Nikotin ist ein potenter zentral-nervös wirksamer Ligand an den alpha4-beta2-Acetylcholin-Rezeptoren im Tegmentum. Er bewirkt die Freisetzung von Dopamin im Nucleus acumbens (Belohnungssystem), was zu den mit dem Rauchen verbunden positiven Assoziationen führt (16). Ein Absinken des Nikotinspiegels führt zu Craving und Entzugssymptomen. Durch gezieltes Beifügen von Zusatzstoffen in die Zigaretten wird die Nikotinaufnahme in den Alveolen beschleunigt, sodass dieses innert Sekunden im zentralen Nervensystem anflutet, was die Sucht verstärkt (17). Dies gilt es zu beachten, wenn zum Rauchstopp geraten wird: Ein solcher sollte nur in einer psychisch stabilen Situation erfolgen, da veränderte Spiegel von Nikotin und in der Folge Dopamin zu einer psychischen Entgleisung führen können. Allenfalls muss eine vorbestehende Medikation mit Psychopharmaka angepasst werden. Patienten, welche in psychiatrischer Behandlung sind, sollten einen Rauchstopp nur in Rücksprache mit ihrem Psychiater angehen.
Medikamentöse Unterstützung
Um einen Rauchstopp optimal unterstützen zu können, ist es hilfreich, den Schweregrad der Nikotinabhängigkeit zu eruieren. Dazu eignet sich der «Fagerström-Test für Nikotinabhängigkeit» (Abb. 2) (18, 19). Liegt eine schwere Sucht vor (Fagerström-Test > 5, bzw. rauchen von > 15 Zigaretten / Tag, rauchen der ersten Zigarette am Morgen innerhalb von 30 Minuten nach dem Aufstehen) empfiehlt sich die Beratung mit Medikamenten zu unterstützen. Nikotinersatzpräparate werden seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Sie sind in Apotheken frei käuflich und werden von den Krankenkassen nicht vergütet. Das Nikotin wird entweder über die Haut (transdermale Pflaster in drei Wirkstoffklassen, mit einer Wirkdauer von 16 bzw. 24 h) oder die Mundschleimhaut (Mundspray, Lutsch-/Sublingualtabletten, Kaudepots, Inhalator) aufgenommen und gelangt im Vergleich zum inhalierten Nikotin verzögert ins zentrale Nervensystem, was das Suchtpotential minimiert (20). Es empfiehlt sich, Pflaster mit einem kurzwirksamen oralen Präparat zu kombinieren. Eine Instruktion in der korrekten Anwendung ist wichtig: der Mundspray soll in die Wangentasche gesprüht, während dem Sprühstoss darf nicht eingeatmet und danach soll einige Sekunden nicht geschluckt werden. Das Kaudepot soll nur kurz gekaut und dann in der Wangentasche deponiert werden, bis der scharfe Geschmack nachlässt, dann ist der Vorgang zu wiederholen (chew and park-Technik). Der Inhalator soll gepafft werden (21). Da Nikotin eine basische Substanz ist, sollte der Konsum von sauren Getränken (Kaffee, Säfte) kurz vor der Verwendung von oralen Präparaten vermieden werden (20). Die Dosis richtet sich nach dem Verlangen nach Zigaretten. In der Regel können die Nikotinersatzpräparate über einen Zeitraum von acht bis zwölf Wochen ausgeschlichen werden (5, 6).
Leider sind in der Schweiz zurzeit keine nicht-nikotinhaltigen Medikamente für den Rauchstopp erhältlich. Der duale Nikotinagonist/-antagonist Vareniclin (Champix®) wurde 2021 vom Markt genommen und auch Zyban® (Bupropion) ist nicht verfügbar. Off label kann das Antidepressivum Wellbutrin® (ebenfalls Bupropion) verschrieben werden. Für eine Rauchstopp-Unterstützung empfiehlt sich eine Verschreibedauer von sieben bis zwölf Wochen (Dosisempfehlung für Zyban®: 1 Tablette à 150 mg/Tag für 6 Tage, danach 2 Tabletten/Tag im Abstand von 8 Stunden, 21). Kontraindikation sind Epilepsie, bipolare Störungen, Leberzirrhose und eine Medikation mit Monoaminooxidase-Hemmern (MAO). Des Weiteren sind Interaktionen zu beachten, da Bupropion ein Cytochrom P450(CYP)2B6-Induktor ist (20, 21). Dieses Medikament ist rezeptpflichtig und wird von den Krankenkassen vergütet. Da es sich um ein Psychopharmakon handelt, müssen regelmässige Kontrollen geplant werden, um die psychische Stabilität zu überprüfen.
Neue Nikotin- und Tabakprodukte
Zu den elektronischen Nikotin- und Tabakprodukten zählen die sogenannten Electronic Nicotin Delivery Systems (ENDS, «E-Zigaretten») und die erhitzbaren Tabakprodukte. Bei beiden Gerätetypen wird ein Aerosol (Dampf) produziert, welches inhaliert wird. Von Herstellern, Verkäufern, aber auch Gesundheitsorganisationen wird immer wieder kolportiert, dass «E-Zigaretten zu 95 % weniger gefährlich sind als herkömmliche Tabakzigaretten». Diese Aussage geht auf einen Artikel von 2014 zurück (22). Zwischenzeitlich konnte eruiert werden, dass sie auf der einseitigen Meinung von wenigen Personen basiert, welche nachweislich Verbindungen zur Tabakindustrie pflegten. Eine wissenschaftliche Grundlage für diese Aussage gibt es nicht (5).
E-Zigaretten bestehen aus einer Batterie, einem Heizkörper und einem Behälter, in welchen ein Liquid eingefüllt wird. Trägersubstanzen der Liquids sind Propylenglykol und Glycerin. Beigefügt werden verschiedene Aromastoffe und in den meisten Fällen Nikotin. Letzteres wird sehr hoch dosiert und als Salz beigemischt, sodass es sehr schnell im zentralen Nervensystem anflutet, was eine rasche Suchtentwicklung begünstigt (5, 6). Durch Erhitzen entstehen neue chemische Verbindungen. Unter anderem können im Aerosol von E-Zigaretten Nitrosamine, Aldehyde und Schwermetalle isoliert werden (6, 23). Es ist nachgewiesen, dass der Konsum von E-Zigaretten viele gesundheitsschädigende Auswirkungen hat. Kurzzeiteffekte sind Husten, respiratorische Infekte, Irritationen im Mund-/Rachenraum, Kopfschmerzen und Übelkeit. Erste beschriebene Langzeitfolgen sind Beeinträchtigungen der neurokognitiven, kardiovaskulären und respiratorischen Funktionen. So treten Verhaltensstörungen, Tachykardie, Hypertonie, Myokardinfarkt und Asthma bronchiale auf (24). Einige der isolierten Stoffe sind kanzerogen (5, 6). Erste Untersuchungen belegen, dass durch Konsum von E-Zigaretten genetische Veränderungen im Lungengewebe induziert werden, welche zu chronischen Lungenkrankheiten führen können (25).
Seit der Markteinführung wurden mehrere Generationen von E-Zigaretten entwickelt. Aktuell erfreuen sich die Einwegprodukte «puff bars» sehr grosser Beliebtheit, in einigen Ländern wird von einem «epidemischem Ausmass» gesprochen (5, 6, 23). Obwohl von den Herstellern als weniger gefährliche Alternative für Raucher deklariert, sprechen diese Produkte wegen ihres trendigen Aussehens und der verführerischen Geschmacksrichtungen sehr viele Jugendliche an und verleiten so zum Konsum von Nikotin. Das sich noch in Entwicklung befindende zentrale Nervensystem ist hierfür sehr empfänglich – so entwickelt sich schnell eine starke Sucht (5, 6). Es wird beobachtet, dass Jugendliche, welche elektronische Nikotinprodukte konsumieren, eher mit dem Rauchen von Tabakzigaretten anfangen als Jugendliche, welche keine ENDS konsumieren (24, 26). Viele (jugendliche) E-Zigaretten-Nutzer/-innen sind sich des schädigenden Einflusses ihres Konsums nicht bewusst (24). Tabakpräventionsorganisationen sind sehr besorgt über diesen Trend (5, 6). Eine im Februar 2024 im New England Journal of Medicine veröffentliche Schweizer Nationalfondsstudie hat untersucht, wie nikotinhaltige E-Zigaretten den Rauchstopp beeinflussen (27). Allen Teilnehmenden wurde eine professionelle Beratung zuteil, die Interventionsgruppe erhielt gratis nikotinhaltige E-Zigaretten, die Kontrollgruppe erhielt einen Gutschein von 50 CHF zur freien Verwendung, z. B. zum Kauf von Nikotinersatzpräparaten. Die Abstinenzrate für Zigaretten betrug nach 6 Monaten bei den E-Zigaretten-Nutzern 28.9 % bzw. 16.3 % in der Kontrollgruppe. Es muss erwähnt werden, dass knapp 80 % in der E-Zigarettengruppe weiter nikotinhaltige E-Zigaretten konsumierten, also weiter nikotinabhängig waren (Suchtverlagerung). Die Studie muss deshalb mit Vorbehalt interpretiert werden. Die WHO hat bislang keine Empfehlung formuliert, diese Produkte in der Rauchstopp-Unterstützung systematisch einzusetzen (29).
In den erhitzbaren Tabakprodukten wird Tabak durch ein elektronisches Heizelement auf ca. 300 Grad C erhitzt. Bei diesen Temperaturen kommt es zur unvollständigen Verbrennung und Bildung eines Aerosols, welches inhaliert wird. Die Bestandteile des Aerosols sind vergleichbar mit den Inhaltstoffen des inhalierten Zigarettenrauchs, sind aber unterschiedlich, oft geringer konzentriert. Da eine nichtlineare Beziehung zwischen Exposition und gesundheitlichen Folgen gesteht, bedeutet dies nicht, dass diese Produkte weniger gefährlich sind (23). Vielen Produkten werden ebenfalls (trendige) Aromastoffe beigemischt (6, 7). Weitere isolierte Inhaltstoffe führen zu kardiovaskulären und respiratorischen Problemen. Somit sind auch erhitzbare Tabakpräparate nicht risikofrei und stellen ein Problem für die öffentliche Gesundheit dar (23).
Nikotin- bzw. tabakhaltige Beutel zum oralen Konsum sind ebenfalls zunehmend bei (vorwiegend männlichen) Jugendlichen beliebt. Erstere enthalten Nikotinsalze, letztere haben ihren Ursprung in Schweden und sind unter dem Namen «Snus» bekannt. Der Konsum dieser Beutel hat negative Auswirkungen auf die Mundgesundheit (u.a. Parodontose). Kanzerogene Stoffe in den Beuteln begünstigen Leukoplakien und wirken teilweise systemisch. Wie bereits erwähnt, führen die Nikotinsalze rasch zu einer starken Nikotinabhängigkeit (23).
Es gibt zunehmend Evidenz, dass mit der Verfügbarkeit dieser neuen Tabak- und Nikotinprodukte ein «Dual- bzw. Poly-use» praktiziert wird, was zu einer erhöhten Toxin-Exposition und Nikotinabhängigkeit führt (23).
Das «Tobacco Control Committee» der European Respiratory Society (ERS) konstatiert, dass alle diese neuen Nikotin- und Tabakprodukte hochgradig abhängig machen und gesundheitsschädigend sind. Es gibt noch zu wenig unabhängige Evidenz, um die von der Tabakindustrie beanspruchte «harm reduction» zu unterstützen. Die ERS fordert, dass der Konsum von Tabak reduziert und insbesondere Jugendliche vor dem Einstieg in eine Nikotinabhängigkeit geschützt werden müssen (23). Im Sinne des Jugendschutzes fordert die WHO, dass Aromastoffe in den elektronischen Produkten verboten, Werbemassnahmen eingeschränkt und die Nikotinkonzentration sowie Batteriekapazität limitiert werden (29).
Die Autorin hat keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Die Konsultation in der Hausarztpraxis bietet günstige Momente, das Thema «Rauchen und Rauchstopp» anzusprechen
Bei gegebener Motivation zum Rauchstopp empfiehlt sich eine Kurzintervention nach dem 5-A-Modell
Eine vertiefte Beratung orientiert sich an der lösungsorientierten Kommunikation und dem «motivational interviewing»
Bei schwerer Nikotinabhängigkeit ist nebst einer umfassenden Beratung der Einsatz von pharmakologischem Nikotinersatz hilfreich
Neue Nikotin-/Tabakprodukte (E-Zigaretten, erhitzbare Tabakprodukte, oraler Tabak) sollen nicht vorbehaltlos in der Rauchstoppberatung eingesetzt werden
1. Bundesamt für Statistik Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022
2. Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg: diverse Faktenblätter
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