Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Abemaciclib plus endokrine Therapie als adjuvante Therapie bei HR+, HER2-, knotenpositivem, frühem Hochrisiko-Brustkrebs

Tolaney SM et al. Long-term patient-reported outcomes from monarchE: Abemaciclib plus endocrine therapy as adjuvant therapy for HR+, HER2-, node-positive, high-risk, early breast cancer. Eur J Cancer 2024 Mar:199:113555. doi: 10.1016/j.ejca.2024.113555. Epub 2024 Jan 16.

Hintergrund

In der MonarchE-Studie zeigte Abemaciclib einen anhaltenden Vorteil beim invasionsfreien Überleben und ein erträgliches Sicherheitsprofil bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 42 Monaten. Da keine krankheitsbedingten Symptome zu erwarten sind, sollten die Therapien in der adjuvanten Phase die Lebensqualität erhalten. Nachdem alle Patientinnen Abemaciclib abgesetzt haben, wurde nun über aktualisierte Ergebnisse von den Patienten berichtet, die die gesamte 2-jährige Behandlungsdauer und Nachbeobachtung umfassen.

Methoden

Die Patienten füllten PROs wie FACT-B, FACT-ES und FACIT-Fatigue zu Beginn, 3, 6, 12, 18 und 24 Monate während der Behandlung sowie 1, 6 und 12 Monate nach Absetzen der Behandlung aus. Mixed-Effects-Modelle mit wiederholten Messungen schätzten die Veränderungen gegenüber dem Ausgangswert innerhalb und zwischen den Studienarmen für die Lebensqualitätsskalen und die einzelnen Items. Bedeutsame Veränderungen wurden vorab spezifiziert, und es wurden keine statistischen Tests durchgeführt. Die Häufigkeit der Antworten auf Items, die mit relevanten unerwünschten Ereignissen und Behandlungsproblemen in Zusammenhang stehen, wurde zusammengefasst.

Ergebnisse

Bei Studienbeginn lag die Ausfüllquote für die PRO-Instrumente bei >96 %. Die mittleren Veränderungen gegenüber dem Ausgangswert für alle Skalen der Lebensqualität waren innerhalb und zwischen den Studienarmen zahlenmässig ähnlich (d. h. sie lagen unter den vorgegebenen Schwellenwerten). Das Gleiche wurde für alle Einzelaspekte beobachtet, mit Ausnahme der Diarrhoe. Im Abemaciclib-Arm wurden nach 3 und 6 Monaten signifikante Unterschiede bei der Diarrhöe beobachtet (mittlere Zunahme von 1,19 bzw. 1,03 Punkten auf der 5-Punkte-Skala). Während der Behandlung berichteten die meisten Patientinnen in beiden Armen (69-78 %), dass sie durch Nebenwirkungen «ein wenig» oder «überhaupt nicht» gestört wurden. Insgesamt waren die Muster für Müdigkeit in beiden Gruppen ähnlich. Bei der Nachbeobachtung nach der Behandlung waren die PROs in beiden Gruppen ähnlich wie zu Beginn der Behandlung.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse der PRO bestätigen ein tolerierbares und reversibles Toxizitätsprofil für Abemaciclib. Die Lebensqualität blieb durch die Ergänzung der endokrinen Therapie mit Abemaciclib erhalten, was seine Anwendung bei Patientinnen mit HR+, HER2-, Hochrisiko-Brustkrebs im Frühstadium unterstützt.

Kommentar

QL und PROMs sind wichtig. Die Veröffentlichung enthält interessante Informationen:
Erstens: SARs werden von Ärzten «untererfasst» (das wissen wir), aber sie werden auch durch das Vorhandensein anderer Symptome verwässert: z.B. weniger Müdigkeit oder Hitzewallungen, wenn Patienten Durchfall angaben.

Zweitens: In der Abemaciclib-Gruppe brachen viel mehr Patientinnen die Behandlung ab als in der Standardgruppe, was zu einer Verzerrung führte. Das Phänomen ist gut bekannt und heisst informative censoring. Damit hängt auch der Effekt der Garantiezeit eng zusammen, nämlich dass die Patientinnen in den beiden Therapiearmen nicht gleichlange der Intervention ausgesetzt waren. Die beiden Phänomene können dazu führen, dass kein Unterschied mehr beobachtet werden kann und die Schlussfolgerung gezogen wird, dass die Lebensqualität erhalten bleibt: In der Tat, gerade bei denjenigen Patientinnen, die die Behandlung absetzen. Abhilfe könnte allenfalls eine competing risk analysis geben.

Wer sich für das Phänomen des Garantie-Bias interessiert, dem sei der Artikel des IBCSG-Statistikbüros dazu empfohlen:
Challenges of Guarantee-Time Bias: JCO: Volume1,3 Number 23: https://doi.org/10.1200/JCO.2013.49.5283

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

SAKK 38/19

Eine Phase-II-Studie zur Bewertung eines innovativen Ansatzes zur Steuerung der Therapie des diffusen grosszelligen B-Zell-Lymphoms

Eine bahnbrechende klinische Studie, bekannt als SAKK 38/19, wird derzeit in ausgewählten Zentren der Schweiz und Italien durchgeführt. Das Ziel dieser Studie ist es, durch die Messung von im Blut zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) ergänzend zum PET-CT die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit diffusem grosszelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) zu optimieren. Das diffuse grosszellige B-Zell-Lymphom ist das häufigste Non-Hodgkin-Lymphom. Etwa 60 % aller Patientinnen und Patienten mit einem DLBCL können mit der Standardchemotherapie R-CHOP geheilt werden. In den letzten Jahren sind neue Behandlungen für Patientinnen und Patienten verfügbar geworden, die einen Rückfall erleiden oder auf die Ersttherapie nicht ansprechen. Bei der Erstlinientherapie dieser Krankheit gibt es jedoch noch viel Verbesserungspotenzial.

Gezielter Ansatz mit Acalabrutinib

Forschende untersuchen, ob die Zugabe des Wirkstoffs Acalabrutinib zu R-CHOP (A-R-CHOP) für Patientinnen und Patienten mit DLBCL und bestimmten genetischen Veränderungen sicher und wirksam ist. Acalabrutinib, das bereits für eine andere Erkrankung zugelassen ist, wird in dieser Studie auf sein Potenzial zur Verbesserung der Standardtherapie hin untersucht.

Personalisierte Behandlungspläne

Diese Studie ist auch deshalb besonders innovativ, weil sie zusätzlich zur standardmässigen Beurteilung des PET-CTs die im Blut zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) untersucht. Dadurch kann die Therapie angepasst und stärker personalisiert werden. Diese Anpassungen werden beim Vorliegen von gewissen spezifischen genetischen Veränderungen zu Studienbeginn wie auch aufgrund der Untersuchungsergebnisse (ctDNA und PET-CT) während der Therapie vorgenommen. Die Behandlung wird entweder intensiviert (Zugabe von Acalabrutinib zur Standard-R-CHOP) oder verkürzt (Verringerung der Anzahl der R-CHOP-Zyklen).

Wie es funktioniert:

1. Patientinnen und Patienten mit bestimmten im Blut nachgewiesenen genetischen Veränderungen erhalten Acalabrutinib plus Standard-R-CHOP (Gruppe A). Diejenigen, die gut darauf ansprechen, erhalten weitere Zyklen, während andere auf eine alternative Therapie wechseln.
2. Patientinnen und Patienten ohne diese genetischen Veränderungen beginnen mit der Standard-R-CHOP-Chemotherapie. Je nachdem, wie gut sie auf die Therapie ansprechen (gemessen mittels ctDNA und PET-CT) werden sie nach zwei Chemotherapie-Zyklen in eine von drei weiteren Gruppen eingeteilt, für die jeweils ein massgeschneiderter Behandlungsplan gilt (Gruppen B, C, D)
► Patientinnen und Patienten in Gruppe B erhalten Acalabrutinib zusätzlich zu R-CHOP.
► Patientinnen und Patienten in Gruppe C erhalten 2 zusätzliche Zyklen R-CHOP und 2 weitere Zyklen nur Rituximab.
► Patientinnen und Patienten in Gruppe D erhalten 4 zusätzliche Zyklen R-CHOP.

Wie geht es weiter?

Die Patientinnen und Patienten werden während der gesamten Studie engmaschig überwacht, mit regelmässigen Kontrolluntersuchungen, inkl. Bildgebung. Nach Beendigung der Studientherapie finden regelmässige Nachuntersuchungen statt: in den ersten zwei Jahren alle drei Monate und danach bis fünf Jahre nach Studienbeginn alle sechs Monate. Die Studie SAKK 38/19 stellt einen bedeutenden Fortschritt in der klinischen Forschung auf diesem Gebiet dar. Die Resultate dieser Studie können wichtige Informationen liefern über die Therapieergebnisse von Patientinnen und Patienten mit DLBCL und spezifischen genetischen Veränderungen sowie über den Nutzen der zusätzlichen ctDNA-Bestimmung zum PET-CT bei der Entwicklung einer stärker personalisierten Therapie.

Prof. Dr. med. Anastasios Stathis

Studienname: Assessing a ctDNA and PET-oriented therapy in patients with DLBCL. A multicenter, open-label, phase II trial.
Teilnehmende Zentren: An dieser Studie nehmen mehrere Zentren in der Schweiz und im Ausland teil. Bitte finden Sie weitere Informationen hierzu auf der SAKK Webseite: https://www.sakk.ch/de/studie/optimierungsstudie-des-diffusen-grosszelligen-b-zell-lymphoms
Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Anastasios Stathis, Onkologisches Institut der Italienischen Schweiz (IOSI), anastasios.stathis@eoc.ch.
Supporting Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Davide Rossi, Onkologisches Institut der Italienischen Schweiz (IOSI), davide.rossi@eoc.ch; PD Dr. med. Felicitas Hitz, Kantonsspital St.Gallen, felicitas.hitz@kssg.ch; Prof. Dr. med. Urban Novak, Inselspital Bern, urban.novak@insel.ch
Clinical Project Manager: Jana Musilova, SAKK Koordinationszentrum Bern, trials@sakk.ch.

Prof. Dr. med. Miklos Pless

Winterthur
SAKK Präsident

miklos.pless@ksw.ch

St. Galler Fortbildung Klinische Onkologie 2024

Die Organisatoren der 34. Ausgabe der St. Galler Fortbildung Klinische Onkologie 2024, Prof. Dr. Christoph Driessen, PD Dr. Stefan Diehm und Prof Dr. Dr. Markus Jörger, konnten ein zahlreiches Publikum zu einem äusserst interessanten Programm mit Symposien, einer sehr gelungenen Pro- und Kontra-Session sowie lebhaften und interaktiven Challenge the Expert-Seminaren im Kongresshotel Einstein begrüssen. Der folgende Bericht präsentiert eine Zusammenfassung der beiden Einzelvorträge, der Highlights des Jahres 2023 in der Onkologie und Hämatologie sowie der PRO/KONTRA-Session.

Onkologie und künstliche Intelligenz


Die Frage, ob künstliche Intelligenz (KI) ein Lösungsansatz für Probleme im Gesundheitswesen sein kann, wurde von Prof. Dr. Michael Krauthammer, Bioinformatics Comprehensive Cancer Center, Universitätsspital Zürich, aufgeworfen. Mithilfe von KI könnte das Denken von Experten nachgeahmt werden. Als Beispiel wurde die Diagnosefindung mithilfe von KI/Deep Learning anhand eines Röntgenbildes demonstriert. Das Ergebnis war eine Diagnose, die entweder eine Fraktur oder keine Fraktur anzeigte.

Ein weiteres Beispiel für KI und dialogfähige Agenten ist die Frage eines Nutzers, der einen stechenden Schmerz in seinem linken Arm verspürt und nun wissen möchte, was er tun soll. Die Antwort von Chat GPT lautet: «Wenn Sie plötzlich starke Schmerzen im linken Arm verspüren, ist es wichtig sofort einen Arzt aufzusuchen, da dies ein Anzeichen für einen Herzinfarkt sein könnte. Rufen Sie 911 oder den örtlichen Notdienst an für sofortige Hilfe. Wenn Sie den Notdienst nicht erreichen können, begeben Sie sich in das nächstgelegene Krankenhaus. Zögern Sie nicht, ärztliche Hilfe aufzusuchen.»

KI: Lösung für Probleme im Gesundheitswesen

Die Themenkreise umfassen Qualität von Medikamenten und Therapien (Medikationen, chirurgische Eingriffe, nicht-chirurgische Interventionen, Dosierungsfehler, inkorrekte Therapien), Arbeitskräfte (bis 2030 fehlen in der Schweiz 20’000 Fachkräfte im Gesundheitswesen), Innovation (die Zahl der zugelassenen Medikamente stagniert) sowie die Höhe der Gesundheitskosten pro Kopf, welche in der Schweiz höher sind als in Deutschland und in der EU.

Die künstliche Intelligenz erreicht die diagnostische Leistung auf Arztniveau, so der Referent. Dies wird anhand von Beispielen verdeutlicht, darunter die Melanom-Detektion im Jahr 2017 (besser oder gleichwertig zu 21 Dermatologen), die Radiologie im Jahr 2019/2020 (Brustkrebs-Diagnose) sowie die Pathologie im Jahr 2019/2020 (Prostatakrebs-Diagnose). Die genannten Disziplinen basieren auf der Analyse großer Datenmengen, weshalb KI-Systeme hier besonders hilfreich sind. Seit dem Jahr 2021 sind verschiedene kommerzielle KI-Systeme verfügbar, die Ärzte bei der Verbesserung der Qualität unterstützen. Als Beispiel nannte der Referent das System OsteoDetect zur Diagnose von Knochenfrakturen. Dieses ermöglicht eine Steigerung der ärztlichen Leistung um 4–5 %. Ein weiteres Beispiel ist die Nagelfalten-Kapillaroskopie, welche die frühzeitige Diagnose der systemischen Sklerose ermöglicht.

KI-Vorhersagen über künftige Gesundheitszustände: Die Vorhersage künftiger Gesundheitszustände mittels KI umfasst beispielsweise die Vorhersage eines Deliriums in der Intensivpflegestation, die Vorhersage von Organbeteiligung bei systemischer Sklerose sowie die Vorhersage der Krankheitsaktivität bei entzündlichen Gelenkerkrankungen. Postoperative Komplikationen lassen sich ebenfalls mittels KI vorhersagen. Pneumonie, akute Nierenerkrankung, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Delirium (Frequenz in der Intensivpflegestation (IPS) 31.8%, Postoperative in der IPS bis zu 73%, Länge des Aufenthalts +79%. Die Kosten in der IPS betragen + 39%, die Hospitalisationen + 31%.)

Von der KI-Vorhersage zum KI-Therapie-Vorschlag: Der Referent schlug ein neuartiges System vor, welches auf Basis von KI personalisierte Insulinbehandlungsstrategien mit konditionalen generativen Zeitreihenmodellen generiert. Im weiteren Verlauf wurde die Thematik der Arbeitszufriedenheit im Kontext von KI beleuchtet. Anhand eines Radiologie-Berichts wurden die Möglichkeiten der KI-basierten Erstellung von medizinischen Berichten aufgezeigt.

Ein weiteres Anwendungsgebiet der KI ist die verbesserte Ressourcenallokation in der Krankenpflege.

Klinische KI: Eine Renaissance in der Medizin? Im Buch «Deep Medicine – How AI can make Healthcare human again?» von Eric Topol schreibt der Autor, dass KI dazu beitragen kann, Ärzte von Routineaufgaben zu entlasten, sodass diese mehr Zeit für die Patienten haben, und somit die Medzin wieder «humaner» wird. Zudem wird in dem Artikel dargelegt, dass KI dazu beitragen kann, die Diagnose und Therapieentscheidungen zu verbessern, was zu einer höheren Behandlungsqualität für Patienten führt.

KI zur Beschleunigung der Innovation im Gesundheitswesen: Mit Hilfe der KI können 3D-Strukturen von Proteinen bestimmt werden, was einen entscheidenden Vorteil bei der Arzneimittelenwicklung darstellt. Normalerweise würde dieser Prozess Jahre dauern, da er für jedes Protein einzeln durchgeführt werden müsste.

Die Suche nach Heilmitteln für genetische Krankheiten mittels KI sowie die Wahl des geeigneten CRISPR-Werkzeugs in der Gentechnologie stellen zwei Anwendungsbereiche dar, in denen KI ebenfalls zum Einsatz kommt. In der Onkologie wird die KI unter anderem für folgende Aufgaben eingesetzt: Screening, Diagnose, Überwachung, Therapie, Monitoring und Therapieanpassung. Dabei ist eine Konvergenz der Technologien zu beobachten, bei der KI eine zentrale Rolle einnimmt.

Zu den relevanten Technologien zählen:
– Tiefe Phänotypisierung, Omics, Technologien
– Neue diagnostische Ansätze, Maschinen-Onkologie
– KI-assistierte Onkologie
– Digitalisierung in der Medizin

Neoadjuvante Immuntherapie: the way to go?

Die Immuntherapie im Frühstadium der Krankheit geht einher mit
– Metastasebildung: Immun Escape
– Chemotherapie und Radiotherapie verursachen hämatopoetischen Stress
– Anders als Neutrophile erholen sich NK-T-Zellen viel langsamer.

Dies stellte Prof. Dr. Dr. Sacha Rothschild, Chefarzt Onkologie und Hämatologie, Kantonsspital Baden, eingangs fest. Die adaptive Immunantwort ist im frühesten Stadium am stärksten.

Die Rationale für Neoadjuvante Immuncheckpoint-Inhibitoren sind:
– Robuste Aktivierung des Immunsystems vor der Chirurgie (Neoantigenbelastung, geringe klonale Resistenz)
– Mögliches maximales Ansprechen im Vorfeld und Bewertung des pathologischen Ansprechens zur Steuerung der adjuvanten Therapie
– Schnelles Auslesen der Aktivität anhand von Surrogat-Endpunkte (MPR, pCR)
– Translationale Analysen von Proben vor und nach der Therapie sowie die Entnahme von Blutproben tumorspezifischer CD8+ T-Zellen unmittelbar vor und nach der Operation könnten einen Prädiktor für das Ergebnis darstellen.

Eine grössere therapeutische Wirksamkeit von neoadjuvanten vs. adjuvanten Immuntherapien wurde zur Beseitigung von Fernmetastasen nach primärer Tumorresektion gezeigt. Erhöhte und anhaltende periphere tumorspezifische Immunantworten untermauerten das Ergebnis.

Vorteile der neoadjuvanten (Immun-)Therapie

• Neoadjuvante Systemtherapie
– Frühere Elimination von Mikrometastasen
– Verbesserte R0-Resktionsrate
– In vivo Testung des Ansprechens
• Vorteile für Patient’innen
– Fittere Patienten (Compliance, Toxizität)
• Spezifische Vorteile für die Immuntherapie
– Mehr Tumor-Neo-Antigene
– Intaktes Tumor-Mikromilieu- Antigen-Präsentation, T-Zell-Priming
– LK in-situ – optimale Immunzell-Aktivierung
– Keine immunsuppressivenEffekte der Charge
• Potentielle Nachteile
– Tumorprogression (Inoperabilität)
– Toxizität (Verzögerung der Chirurgie)

Melanom

Die Daten der OPACIN/OPACIN neo Studien bestätigen die hohen Überlebensraten nach einer neoadjuvanten kombinierten Checkpoint-Inhibition bei makroskopischem Melanom im Stadium III, insbesondere mit pathologischem Ansprechen. Das pathologische Ansprechen Stellt den stärksten Surrogatmarker für das langfristige Ergebnis dar.

Die S1801-Studie demonstrierte, dass das ereignisfreie Überleben bei Patienten mit resektablem Stadium III oder IV Melanom signifikant länger anhält, wenn Pembrolizumab sowohl vor als auch nach der Chirurgie verabreicht wird, im Vergleich zu einer adjuvanten Pembrolizumab-Behandlung.

In einer gepoolten Analyse des «International Neoadjuvant Melanoma Consortium» aus sechs verschiedenen Studien konnte die neoadjuvante Immuntherapie ein rezidivfreies Überleben von 75 % im Vergleich zu 47 % bei zielgerichteter Therapie nachweisen. Die Daten einer Studie mit neoadjuvantem Relatlimab und Nivolumab bei resektablem Melanom zeigten, dass neadjuvantes Relatlimab und Nivolumab eine signifikante pCR-Rate induzieren.

Die Sicherheit der neoadjuvanten Therapie ist im Vergleich zu anderen kombinierten Immuntherapie-Regimes günstig. Diese Daten in Kombination mit dem Relativity-047-Trial bestätigen die Wirksamkeit und Sicherheit dieses neuen Immuntherapie-Regimes.

Die PRADO-Erweiterungskohorte der OPACIN-neo-Studie untersuchte die Durchführbarkeit und die Auswirkungen auf das klinische Ergebnis, wenn das pathologische Ansprechen nach der neoadjuvanten Behandlung mit Ipilimumab und Nivolumab als Kriterium für die weitere Personalisierung der Behandlung verwendet wird. Bei Patienten, die ein grosses pathologisches Ansprechen (MPR≤10% lebensfähiger Tumor) in ihrem Index-Lymphknoten erreichten, wurde auf eine therapeutische Lymphknoten-Dissektion (TLND)und eine adjuvante Therapie verzichtet. Bei Patienten mit pathologischem Teilansprechen pPR; >10% bis <50% lebensfähiger Tumor) wurde nur die TLND durchgeführt, während bei Patienten mit pathologischem Nichtansprechen (pNR; >50% lebensfähiger Tumor) die TLND und eine adjuvante systemische Therapie und synchrone Radiotherapie durchgeführt wurde. In der laufenden Phase-3-Studie NADINA werden die Patienten randomisiert nach TLND und einer einjährigen adjuvanten Nivolumab-Behandlung (Kontrollarm) oder zwei neoadjuvanten Therapien mit Ipilimumab + Nivolumab, gefolgt von einer adjuvanten Therapie nur für Nicht-MPR-Patienten.

Kolorektales Karzinom

Im Rahmen der explorativen NICHE-Studie wurde Patienten mit dMMR- oder pMMR-Tumoren eine Einzeldosis Ipilimumab sowie zwei Dosen Nivolumab vor der Operation verabreicht, wobei die pMMR-Gruppe zusätzlich mit Celecoxib behandelt wurde. Primäres Ziel der Studie war die Evaluierung der Sicherheit und Durchführbarkeit der Behandlung. Die Therapie wurde gut vertragen, sodass alle Patienten ohne Verzögerung reseziert werden konnten. Von den Patienten, die eine Kombination aus Ipilimumab und Nivolumab erhielten, wurde bei 100 % der dMMR-Tumoren ein pathologisches Ansprechen beobachtet. Dabei zeigten 22 Patienten (69 %) ein komplettes und ein Patient (3 %) ein partielles pathologisches Ansprechen. Bei den pMMR-Tumoren wurde bei 29 % der Fälle ein pathologisches Ansprechen beobachtet, wobei sieben Fälle von MPR und vier Fälle von partiellem pathologischem Ansprechen auftraten. Bei den dMMR-Tumoren wurde kein pathologisches Ansprechen beobachtet, während dies bei 7 % der pMMR-Tumoren der Fall war. Die CD8+PD-1+T-Zell-Infiltration erwies sich als prädiktiver Faktor für das Ansprechen bei pMMR-Tumoren. Diese Daten legen nahe, dass die neoadjuvante Immuntherapie das Potenzial hat, für eine bestimmte Gruppe von Kolonkrebspatienten zur Standardbehandlung zu werden.

Bronchialkarzinom

Neoadjuvantes Nivolumab – erste klinische Daten:

Die neoadjuvante Behandlung des Bronchialkarzinoms mit Nivolumab war mit nur wenigen Nebenwirkungen verbunden, verzögerte die Operation nicht und führte bei 45 % der resezierten Tumoren zu einem deutlichen pathologischen Ansprechen. Die Mutationslast des Tumors erwies sich als prädiktiv für das pathologische Ansprechen auf die PD-1-Blockade.

SAKK 16/14 – Ereignis-freies Überleben. EFS nach 12 Monaten 73.4%, medianes EFS nicht erreicht. Pneumonektomie 9.1%, R0 Resektionen 90.0%, nodul downstaging 67.3%, pCR 18.2%, MPR 61.8%, postoperative Mortalität 2%.
Langzeit Follow Up medianes EFS 4.0 Jahre, 5 Jahres-EFS 44.5%. Medianes OS nicht erreicht, 5-Jahres OS 67%.

Der Referent präsentierte eine Übersicht über die randomisierten Studien zur neoadjuvanten Immuntherapie, darunter CheckMate 816, Keynote 671, IMpower 030, AEGAN, CheckMate 77T, NEOTORCH, RATIONALE-315, ihre Medikation und die primären Endpunkte, die alle erreicht wurden. Im Anschluss wurde die Frage diskutiert, ob eine adjuvante Immuntherapie nach der neoadjuvanten Immunonkologie erforderlich ist. In der NEOCAST-Studie konnte bei Patienten mit resektablem NSCLC eine Verbesserung der MPR-Raten nach der Behandlung mit Durvalumab plus Oleclumab oder Monalizumab im Vergleich zu Durvalumab allein festgestellt werden. Zudem wurden tumorale transkriptomische Signaturen identifiziert, die auf eine verstärkte Aktivierung und Funktion von Immunzellen hinweisen.

SAKK16/18

Im Rahmen der Studie SAKK 16/18 wird untersucht, ob eine Immun- und Radiotherapie, die zusätzlich zur Standardtherapie erfolgt, die Prognose verbessern kann. teilnehmen. Die im Voraus geplante Sicherheitsanalyse zeigte keine relevante Zunahme von Behandlungs-assoziierten unerwünschten Nebenwirkungen aufgrund der immunmodulatorischen Radiotherapie. Die chirurgische Durchführbarkeit und Sicherheit wurden bestätigt. Die vorläufigen pathologischen Ansprechraten sind vielversprechend und explorative Analysen werden mögliche Unterschiede zwischen den Radiotherapie-Schemata untersuchen, um die potenzielle Rolle der immunmodulatorischen Radiotherapie in der multimodalen Behandlung des resektablen NSCLC im Stadium III zu definieren.

Keynote 522

Bei Patientinnen mit frühem dreifach-negativem Brustkrebs war der Prozentsatz mit einem pathologischen vollständigen Ansprechen bei denjenigen, die Pembrolizumab plus neoadjuvante Chemotherapie erhielten, signifikant höher als bei denjenigen, die Placebo plus neoadjuvante Chemotherapie erhielten.

IMpassion031

Bei Patientinnen mit TNBC im Frühstadium führte die neoadjuvante Behandlung mit Atezolizumab in Kombination mit nab-Paclitaxel und einer Chemotherapie auf Anthrazyklinbasis zu einer signifikanten Verbesserung der pathologischen Gesamtansprechrate bei einem akzeptablen Sicherheitsprofil.

Neoadjuvante Immuntherapie bei anderen Tumortypen

– Merkelzellkarzinom (CheckMate 358 (Tpalian SL et al JCO 2020; 38:2476-67)
– Muskelinvasives Urothelkarzinom (SAKK o6/17, Cathomas R et al. JCO 2023 ;41 :5131-9, NABUCCO van Dijk N et al. Nat. Med. 2020 ;26 :1839-44, PURE-01. Necchi A et al JCO 2018 ;36 :3353-60
– HPV negative Head and Neck Squamous Cell Carcinoma (IMCISION, Schoenfeld JD et al. JAMA Oncol 2020 ;6 :1563-70)

Neoadjuvante Immuntherapie – the way to go?

Für viele Tumorarten mit guter Evidenz belegt
– Melanom (besser als adjuvant)
– NSCLC
– dMMR Rektum-Karzinom (Rolle der Operation?)
– Triple-negatives Mammakarzinom (pCR, EFS)
Offene Fragen
– Selektion von Patienten (Biologie)
– Rolle der Chirurgie
– Rolle der adjuvanten (Immun-) Therapie
– Verbesserung der Immunantwort (Radiotherapie? Kombinationen?)

Pro und Kontra

Der Onkologe der Zukunft – Organonkologe oder onkologische Generalistin?

Der Organonkologe


Prof. Dr. Stefan Aebi, Chefarzt Medizinische Onkologie am Kantonsspital Luzern, argumentiert für den Organonkologen.
Onkologinnen mit Schwerpunkt
(«Organonkologen»)
– Forschung und Entwicklung
– Synthese und Fortbildung
– Betreuung von Patienten mit komplexen Erkrankungen
oder Therapien
Allgemein-Onkologinnen
– Betreuung der Patienten mit häufigen Krankheiten und häufig
eingesetzten Therapien
– Anwendung und Anpassung von Leitlinie
Optimale Weiterbildung?

Die Generalistin

Frau Dr. Isabella Senn-Schönenberger, Tumor- und Brustzentrum Ostschweiz war die Befürworterin der onkologischen Generalistin.

Sie erwähnte zunächst die Geschichte vom Igel und dem Fuchs (Isaiah Berlin). Die Ideengeschichte argumentiert, dass der Igel ein spezialisierter aber starrer Denker ist. Er favorisiert eine tiefe Wahrheit, während der Fuchs multidisziplinär und selbstkritisch im Denken ist. Der Igel fokussiert sich fanatisch auf das Wesentliche. Er entwickelt einfache Lösungen und erreicht durch seine Lautstärke eine grosse Masse. Der Fuchs hingegen verfolgt widersprüchliche Ziele. Er zeigt intellektuelle Demut, hat ein Gespür für Komplexität und ist bescheiden im Auftreten. Zudem kann er mit Ungewissheiten leben, weil er nicht voll in eine Sache investiert ist.

Die onkologische Versorgung der Zukunft erfordert laut der Referentin den Organonkologen als «spezialisierten Opinion Leader» in den großen Zentren sowie in der klinischen Forschung.

Aber

Es braucht mehrheitlich den breiter ausgebildeten behandelnden Onkologen für die Patientenversorgung und auch in der Weiterbildung zukünftiger Onkologinnen.

Moderator der Session war Prof. Dr. Jörg Beyer, Bern
Er machte den Vergleich Schweizermesser oder Präzisionswerkzeug.

Angebotsstrukur
– Regionale Spital-/Praxisnetzwerke
– Übergeordnete onkologsiche Zentren
& personellen Austausch
– Regionale onkologische Gemeindschaftspraxen /Spitäler
– Gemeinsame IT Infrastruktur
Ausbildung
– Allgemeine innere Medizin
– Basiscurriculum allgemeine Onkologie
– Rotation durch onkologische Spezialteams
– Rotation innerhalb eines Spitalnetzwerkes
– Frühzeitige Entscheidung bezüglich Karriereweg
– Mentoring
Seine abschliessende Beurteilung war, dass die Schweiz diesbezüglich gut aufgestellt ist.

Highlights Onkologie 2023


Die Highlights des Jahres 2023 in der Onkologie wurden von Prof. Dr. Martin Früh, Stv. Chefarzt Klinik für Onkologie und Hämatologie am Kantonsspital St. Gallen, ausgewählt.

Lungenkarzinom 2023: Verbesserung der Heilungsrate!
Die adjuvante Behandlung mit Osimertinib brachte einen signifikanten Vorteil für das Gesamtüberleben von Patienten mit vollständig reseziertem EGFR-mutiertem NSCLC im Stadium IB bis IIIA.

Osimertinnib zeigte in der AUDURA, einer Phase III Studie beim EGFR positiven NSCLC eine statistisch signifikante Verbesserung des OS gegenüber Placebo in der Primärpopulation mit Stadium II -IIIA Erkrankung Osimertinib erwies sich bezüglich OS besser in allen Subgruppen (Sex, Alter Raucherstatus, Rasse Stadium , EGFR Mutation und adjuvante Chmeotherapie).Adjuvantes Osimertinib verbesserte das Krankheitsfrie Überleben (DFS) signifikant sowohl in der Primärpopulation (Stadium II-IIIA) als auch der Gesamtpopulation (IB-IIIA).

Ein weiteres Highlight war die 1o-Jahre Beobachtung von adjuvantem Imatinib bei Hchrisisko-GIST Tumoren (10 Jahres-Überleben 36 Monate Imatinib 82% vs. 12 Monate Imatinib 67%, Ereignisfreies Überleben 52%, vs. 44%.

Pembrolizumab plus Chemotherapie PERIOPREATIV beim NSCLC (Keynote-671, Phase *, RCT): Gesamtüberleben Pembrolizumab -Arm 48 Monatsrate 67.1% vs 51.5%, HR 0.72; p=0.00517.

Perioperative Phase 3 Immunchemotherapie Studien

Der PD-L1-Status, pCR und Stadium wirken sich auf das Überleben nach neoadjuvanter/perioperativer The apie mit mmuncheck-Inhibitor (ICI) aus . Die Beschränkung des neoadjuvanten/perioperativen ICI auf PD-L1+ Patienten könnte die pCR und den langfristigen Nutzen in der PD-L1-Untergruppe ausschliessen. Neoadjuvante und perioperative könnten gleichwertige Strategien sein.

Neoadjuvant

– Früh-Metastasen behandeln
– Compliance
–Anpassen der adj Tx aufgrund pCR
– Immunsystem intakt/fitter
– Hohe Tu Antigenlast

Adjuvant

– Effektivste Therapie zuerst
– Weniger Op-Komplikationen
– bis 20% erhalten keine Op
– Bessere Therapieplanung

S1801 Neoadjuvante Immuntherapie beim Melanom: Bei Patien­ten mit resektablem Melanom im Stadium III oder IV war das ereignisfreie Überleben bei denjenigen , die Pembrolizumab sowohl vor als auch nach der Peration erhielten, signifikant länger (72%) als bei denjenigen die nur adjuvant mit Pembrolizumab behandelt wurden. (49%) Es wurden keine neuen zoxischen Wirkungen festgestellt.
Nadina Phase 3 Studie adjuvant vs. Neoadjuvan: Melanom

Highlight 2024?
Die neoadjuvante Immuntherapie ist ist der neoadjuvanten zielgerichteten Therapie überlegen. Die neoadjuvante Immuntherapie induziert die grösste Vielfalt und Amplitude von T-Zell-Klonen. Die neoajduvante Immuntherapie ist die beste medizinische Praxis für das makroskopische Melanom im Stadium III.
Triple negatives lokalisierte Mammakarzinom:
Neoadjuvant Immun Checkpoint Inhibitors, Keynote-522 Update. Die neoadjuvante Behandlung mit Pembrolizumab in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie und anschliessender adjuvanter Behandlung mit Pembrolizumab verbesserte das ereignisfreie Überleben im Vergleich zur alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie bei Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs mit hohem Risiko.
Neoadjuvant versus adjuvant 2023 in der Onkologie.
Antibody-Drug-Conjugates (ADCs)
MIRASOL: Mirvetuximab Soravtansin im Vergleich zu einer Chemotherapie nach Wahl des Prüfarztes bei platinresistentem, fortgeschrittenem hochgradigem epithelialem Eierstockkrebs, primärem Peritonealkrebs oder Eileiterkrebs. Mirvetuximab Soravtansin ist die erste Behandlung , die einen PFS- und OS-Nutzen bei Platin-resistentem Ovarialkarzinom im Vergleich zu IC (Paclitaxel, pegyliertes liposomales Doxorubicin oder Topotecan) gezeigt hat.
EV-302/KEYNOTE-A39: Metastasiertes Blasenkarzinom. Enfortumab-Vedotin in Kombination mit Pembrolizumab versus Chemotherapie bei vorher unbehandeltem lokalfortgeschrittenem metastatschem Urothelkarzinom (Ia/mUC). Enfortunam Vedotin + Pembrolizumab verbesserte die Ereignisse bei Patienten mit zuvor unbehandeltem Ia/mUC signifikant, wobei sich das mediane PFS und OS im Vergleich zur Chemotherapie fast verdoppelte. Das Sicherheitsprofil war i Allgemeinenüberschaubar und es gab keine neuen Sicherheitssignale. Dies Ergebnisse unterstützen EV1P als neue SOC für 1L Ia/mUC.
KEYNOTE-564: Adjuvant Pembrolizumab beim Hellzelligen Nie­ren­zellkarzinom. Die aktualisiserten Ergebnisse von KEYNOTE- 564 unterstützen den Einsatz der adjuvanten Pebroli­zumab-Monotherapie als Standardbehandlung für Patienten mit Nierenzellkarzinom, die ein erhöhtes Risiko für ein Wiederauftreten nach einer Nephrektomie haben.
Personalisierte mRNA-Vakzine beim Pankreaskarzinom
Die adjuvante Behandlung mit dem individualisierten mRNA-Neoantigen-Impfstoff Autogen Cevumeran in Kombination mit Atezolizumab und Chemotherapie induzierte eine bemerkenswerte T-Zellaktivität, die mit einem verzögerten Wiederauftreten bei Patienten mit duktalem Adenokarzinom des Pamkreas könnte, so die Ergenisse einer Phase 1-Studie.

Highlights Hämatologie 2023


Myelom – MRD-Negativität, wo stehen wir?
AML -targeted or not?
ALL – wieviel Chemotherapie ist notwendig
NHL – Rolle CAR-T und BITE, dies die von Dr. Thomas Lehman, Leitender Arzt Hämatologie-Onkologie/Pathologie, am Kantonsspital St. Gallen, für das Jahr 2023 ausgewählt wurden.

Myelom -MRD-Negativität, wo stehen wir?

Standardtherapie für ASCT-fähige Patienten:

VRd-Induktion gefolgt von ASCT, VRd Konsolidation und Revlimid-Erhaltung
– Phase 3 Studie IFM 2009, medianes Follow up 43 Monate: Medianes PFS 50 Monate, CR Rate 59%
– Phase 3 DETERMINATION, medianes Follow up 76 Monate; medianes PFS 67.5 Monate, CR Rate 46.8%.

PERSEUS: Die Zugabe von subkutanem Daratumumab zur VRd-Induktions- und Konsolidierungstherapie und zur Lenalidomid-Erhaltungstherapie verbesserte Das PFS signifikant und erhöhte die Tiefe des Ansprechens (≥CR und MRD-Negativität, mit konsistentem PFS-Vortel über klinisch relevante Subgruppen hinweg. Das Sicherheitsprofil stimmte mit den bekannten Sicherheitsprofilen von DARA SC und VRd überein.

Teclistamid: Teclistamid führte bei Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem Multiplem Myelom, die einer Dreifach-Klassenbehandlung ausgesetzt waren, zu einer hohen Rate an tiefem und dauerhaftem Ansprechend. Zytopenien und Infektionen waren häufig, toxische Wirkungen, die mit einer T-Zell-Reduktion einhergingen, waren meist Grad 1 oder 2.

MonumenTAL-2: Talquetamab + Pomalidomid bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem Multiplem Myelom, Sicherheit und preliminäre Resultate.

Die ORRs waren konsistent über Patientensubgruppen:
– 100% (3/3) bei CART -exponierten Patienten
– 100% (5/5) in QW, 3/3 in Q2W) bei Pomalidomid-exponierten Patienten
– 50% (1/2 in QW) und 67% (2/3in Q2W) bei Patienten mit EMD
– 80% (4/5 in QW) und 75% (3/4 in Q2W) bei Patienten mit Hochrisiko-Zytogenetik.

Tal 0.4mg/kg QW + Pom:
9 Monate-PFS- Rate 93.8 (63.2 – 99.1)
Medianes DOR (Monate) NR (12.0 – NR)
9 Monate DOR-Rate 100 (100.0-100.0)

Tal 0.8mg/kg Q2W + Pom
9 Monate PFS-Rate (Mo) 75.5 (46.4 – 90.3)
Medianes DOR (Monate) NR (7.4 – NR)
9 Monate DOR-Rate 83.9 (49.4 – 95.7)

ReDIRECTT-1: Teclistamab + Talquetamid gleichzeitig zielgerichtet auf BCMA und GPRC5D bei Patienten mit rezidiviertem/tefraktärem Multiplem Myelom.
In dieser ersten Kombinationsstudie eines BCMA- und GPRC5D-gerichteten bispezifischen Antikörpers weist tec + tal am RP2R ein überschaubares Sicherheitsprofil auf, das mit dem der beiden Monotherapien übereinstimmt. Bei Patienten mit fortgeschrittenem RRMM an der RP2R wurde eine ORR von 92 % beobachtet, und bei Patienten mit EMD, einer Hochrisikopopulation mit ungedecktem Bedarf, wurde eine ORR von 83 % erzielt, was die weitere Bewertung der Kombination unterstützt.

AML zielgerichtet oder nicht?

AML-Ältere Triplette
HMA/Venetoclax plus
– Menininhibitor
– Pegariminase
– Chidamid
– Idarubicin
– Allogene NK-Zellen
– Pivekimab (CD123 AK)
– Magrolimab
– Tagraxofusp (CD 123 AK)
– ICT01 y9õ2 T-cell activating AK
– Quizartinib
– ATRA
– …

Selinexor kombiniert mit Venetoclax und Azacitidin (SAV)bei neu diagnostizierter akuter myeloischer Leukämie bei nicht fitten Patienten:
Das SAV-Schema hat sich in dieser Multicenter, Open-Label prospektiven Studie als sicher und wirksam erwiesen mit ermutigenden vollständigen Ansprechraten (CR+Cri Raten =80%, CR, MRD = 35%), bei neu diagnostizierten AML-Patienten, insbesondere bei Patienten mit ungünstigem Risiko.

AML-Menin-Inhibitoren:
Augment-101: Phase II Studie mit Revumenib bei R/R KMT2Ar akuter Leukämie. Diese Phase-1-Daten zeigen ein starkes Ansprechen auf Revumenib und ein überschaubares Sicherheitsprofil bei stark vorbehandelten Patienten mit akuter KMT2Ar-Leukämie über alle Altersgruppen und Subtypen hinweg.
SAVE, Phase II: Orale Kombination von Revumenib mit Decitabin/Cedazuridin und Venetoclax bei R/R AML (n=7):. ORR 100%, CR /CRh / CRp 1/1/3, PR 1, MLFS 1.

ALL wie viel Chemotherapie braucht es?

Philadelphia negative ALL
GMALL Elderly Trial 1/2003 qdn Registry (>55 yrs): MRD-basiertes Blinatumomab bei Standard of Care führt zu signifikanter Verbesserung
GMALL BOLD: Blinatumomab ersetzt drei Zyklen der Standard-Konsolidierung
GMALL BLIVEN: Die Salvage-Therapie mit Blinatumomab und Venetoclax zeigte eine gute Verträglichkeit ohne behandlungsbedingte Mortalität. Weitere Untersuchungen und größere Patientenzahlen sind erforderlich, um den potenziellen Nutzen dieser Therapie festzustellen.

NHL-Rolle CAR T und BITE

Bispezifische AK bei NHL:
– Finale Analyse der ELM-2 Studie mit Odronextamab (CD20 x CD2 AK): mDLBCL ORR 52%, CR-Rate 32.5%, Patienten mit CR medianes PFS 20 Monate
BICAR Studie mit Gofitamab
– rrDLBCL nach CART, CR 36.4%, medianes OS 17.6 Monate
Mosenutuzumab – Polatuzumab bei älzeren unfitten Patienten
– medianes Alter 81 Jahre, CR 56%, PFS nach 9 Monaten 71%.
Epcoritamab SC + R2 (ituximab « Lenalidomid) führte zu dauerhaften Remissionen inkl. bei POD24 Patienten.

Schlussworte


Prof. Dr. Christoph Driessen dankte allen Referenten für ihre hervorragenden und interessanten Vorträge, dem Organisationskomitee für die ausgezeichnete Organisation und den Sponsoren für ihre stete Unterstützung, ohne welche eine derartige Fortbildung nicht möglich wäre. Er schloss mit der beruhigenden Aussicht, dass es im Jahre 2025 eine 35. St. Galler Fortbildung geben werde.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

SWISSMEDIC INFO

Public Summary SwissPAR vom 29.12.2023

Brukinsa® (Wirkstoff: Zanubrutinib)

Indikationserweiterung in der Schweiz: 29.08.2023
Arzneimittel (Hartkapsel) zur Behandlung von Erwachsenen mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL)

Über das Arzneimittel

Brukinsa mit dem Wirkstoff Zanubrutinib wird bei Erwachsenen mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) angewendet. Die Patientinnen und Patienten haben schon mindestens eine Vortherapie erhalten. CLL ist eine Blutkrebserkrankung der Lymphozyten (weisse Blutzellen), die sich auch auf die Lymphknoten auswirkt.

Da es sich bei dieser Krankheit um eine seltene und lebensbedrohende Krankheit handelt, wurde Brukinsa als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet. Swissmedic hat Brukinsa bereits am 08.02.2022 zugelassen für die Behandlung von Erwachsenen mit Waldenströms Makroglobulinämie (WM).

Wirkung

Die Wirkung von Brukinsa kommt durch die Blockade der BrutonTyrosin-Kinase zustande. Die Bruton-Tyrosin-Kinase ist ein Enzym (1), welches mitverantwortlich ist, dass CLL Krebszellen überleben und wachsen. Durch die Blockade dieses Enzyms kann Brukinsa die Anzahl an CLL Krebszellen reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.

Anwendung

Brukinsa mit dem Wirkstoff Zanubrutinib ist rezeptpflichtig und als Hartkapsel in der Dosisstärke 80 mg zugelassen. Die empfohlene Dosis beträgt 4 Kapseln täglich. 4 Kapseln einmal täglich oder 2 Kapseln zweimal täglich, morgens und abends. Brukinsa sollte täglich ungefähr zur gleichen Zeit mit oder ohne Essen eingenommen wer den. Die Kapseln müssen als Ganzes mit einem Glas Wasser geschluckt werden. Die Kapseln dürfen vor dem Schlucken nicht geöffnet, aufgelöst oder zerkaut werden.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Brukinsa zur Behandlung von Erwachsenen mit CLL wurde in einer Studie (BGB-3111-305) mit 652 Patientinnen und Patienten untersucht. Die Studie wurde mit an CLL erkrankten Patientinnen und Patienten durchgeführt, die vorgängig mindestens eine Therapie erhalten hatten. Die Hälfte der Studienteilnehmenden erhielten täglich 320 mg Brukinsa und die andere Hälfte täglich 420 mg Ibrutinib (bereits zugelassener Wirkstoff zur Behandlung von CLL). Der primäre Endpunkt der Studie war die Gesamtansprechrate (ORR)2, bewertet durch die Prüfärztin bzw. den Prüfarzt unter Anwendung vordefinierter Kriterien. Die durch Prüfärzte beurteilte Gesamtansprechrate war signifikant höher für Brukinsa gegenüber Ibrutinib (78.3% gegenüber 62.5%).

Die Ergebnisse der sekundären Endpunkte, das Progressionsfreie Überleben (PFS)3, nach Einschätzung des Prüfarztes und des unabhängigen Prüfungsausschusses (IRC), und das Gesamtüberleben (OS)4 zeigten ebenfalls einen Vorteil von Brukinsa gegenüber Ibrutinib.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Brukinsa darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden.

Brukinsa kann Nebenwirkungen verursachen, über die der Arzt bzw. die Ärztin unverzüglich in Kenntnis gesetzt werden muss. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen (>10%) bei mit Brukinsa behandelten Patientinnen und Patienten sind Neutropenie (niedrige Anzahl einer bestimmten Gruppe von weissen Blutkörperchen), Thrombozytopenie (geringe Anzahl an Blutplättchen), Infektion der oberen Atemwege, Blutungen/ Hämatome inkl. Blutergüsse, Hautausschlag, Anämie (geringe Anzahl roter Blutkörperchen), Schmerzen im Bewegungsapparat, Durchfall, Lungenentzündung, Husten, Erschöpfung, Harnwegsinfektion, Verstopfung und Schwindel.

Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) sowie in der Fachinformation (Informationen für medizinisches Fachpersonal) aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

Obwohl die chronische lymphatische Leukämie (CLL) eine seltene Erkrankung ist, ist sie die häufigste Leukämie in der westlichen Welt mit einer geschätzten Häufigkeit von etwa 5-10 Fällen pro 100’000 Personen jährlich in der Schweiz. Obwohl bei der Behandlung von CLL beträchtliche Fortschritte erzielt wurden, ist die Krankheit nach wie vor unheilbar und es besteht ein grosser medizinischer Bedarf an sicheren und wirksamen Behandlungsmöglichkeiten.

Die Daten der Studie BGB-3111-305 zeigen einen Vorteil im Gesamtüberleben (OS) bei Brukinsa gegenüber Ibrutinib. Auch ist das Sicherheitsprofil von Brukinsa vergleichbar mit jenem von Ibrutinib. mit einer niedrigeren Häufigkeit von Vorhofflimmern.

Da CLL eine Krebserkrankung mit einem typischerweise langen Krankheitsverlauf ist, sollen Abschlussberichte der oben genannten klinischen Studie in Zukunft weitere Erkenntnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von Brukinsa erbringen.

Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile von Brukinsa die Risiken. Swissmedic hat daher die Indikationserweiterung von Brukinsa zur Behandlung von Erwachsenen mit CLL, die mindestens eine Vortherapie erhalten haben, zugelassen.

Weitere Informationen zum Arzneimittel

Information für medizinisches Fachpersonal: Fachinformation Brukinsa® auf www.swissmedicinfo.ch
Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

1. Enzyme sind Eiweisse (Proteine), die als Biokatalysatoren biochemische Reaktionen im Organismus steuern und beschleunigen.
2. Gesamtansprechrate: ORR (objective response rate) ist definiert als prozentualer Anteil von Patientinnen und Patienten mit Ansprechen auf die Therapie.
3. Progressionsfreies Überleben: Progressionsfreies Überleben (PFS, progressionfree survival): Zeitspanne zwischen dem Start einer Behandlung oder einer klinischen Studie und dem Beginn des Fortschreitens der Krankheit oder dem Tod der Patientin oder des Patienten.
4. Gesamtüberleben: Das Gesamtüberleben (OS, overall survi-val) bezeichnet die Zeitspanne zwischen Therapiebeginn und Tod des Patienten bzw. der Patientin.

Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Public Summary SwissPAR ein.

In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirkung oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.

GSK Jemperli® Medienorientierung

Jemperli® (Dostarlimab) ist die erste und einzige immunonkologische Erstlinientherapie bei fortgeschrittenem oder rezidivierendem Endometriumkarzinom (Gebärmutterkrebs).

Am 14. Februar fand in Basel eine Medienorientierung zu Jemperli® statt. Referenten waren Frau Prof. Dr. med. Viola Heinzelmann, Co-Leiterin der Frauenklinik, Chefärztin Gynäkologie/Gynäkologische Onkologie am Universitätsspital Basel und Dr. pharm Urs Kientsch, Director Corporate Affairs, GSK. Die Moderation hatte Geri Staudenmann inne. Eine betroffene Patientin, die am Universitätsspital Basel mit Jemperli® behandelt worden war, schilderte ihre Erfahrungen.

Kompetenz GSK, Onkologie, Commitment für fortgeschrittenen Gebärmutterkrebs

Dr. pharm. Urs Kientsch

GlaxoSmithKline hat sich das Ziel gesetzt, das Leben von Patientinnen und Patienten mit innovativen Therapien zu verlängern. Wir verfolgen dabei bahnbrechende Therapieansätze im Bereich der Immun-Onkologie und der Krebszellbehandlung. Wir setzen unsere Schwerpunkte auf Indikationen im Bereich von malignen Melanomen, gynäkologischen Krebserkrankungen und soliden Tumoren, so Dr. pharm. Urs Kientsch, Corporate Affairs Director GSK.

Im Bereich der gynäkologischen Krebserkrankungen hat GSK zwei Medikamente: Zejula® (Niraparib) im Bereich des Ovarialkarzinoms und Jemperli® (Dostarlimab) zur Therapie des Endometriumkarzinoms. Jemperli® ist ein anti-PD-1 Checkpoint Inhibitor. Jemperli® fördert die körpereigene Immunabwehr, indem es den PD-1 Rezeptor auf der Immunzelle inhibiert. Dies führt zu einer erneuten Aktivierung des körpereigenen Immunsystems gegen den Tumor. Jemperli® ist neu zugelassen in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel zur Behandlung von Patientinnen mit primär rezidivierendem oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom mit fehlerhafter DNA—Mismatchreparatur (dMMR) und hoher Microsatelliteninstabilität (MSI-H). Jemperli® ist bereits heute als Monotherapie in der Zweitlinientherapie für Patientinnen mit rezidivierendem oder fortgeschrittenem Endometriumkarzinom mit fehlerhafter DNA-Mismatchreparatur und hoher Microsatelliteninstabilität zugelassen, die nach einer primären Platinhaltigen Chemotherapie rezidivierend sind. Jemperli® wird heute bereits in der Zweitlinientherapie vergütet, es wird jedoch noch nicht in der Erstlinientherapie vergütet. GSK ist zurzeit in Verhandlung mit dem BAG, so der Referent.

Endometriumkarzinom: Hintergrund und bisherige Therapielandschaft

Prof. Viola Heinzelmann

Das Endometriumkarzinom ist die häufigste gynäkologische Krebserkrankung in der Schweiz, stellte Frau Prof. Dr. med. Viola Heinzelmann, Co-Leiterin Frauenklinik, Chefärztin Gynäkologie/Gynäkologische Onkologie, Universitätsspital Basel einleitend fest. Wir haben um die Tausend neu diagnostizierte Fälle jedes Jahr in der Schweiz, aber das fortgeschrittene Endometriumkarzinom ist eher selten. Dass jemand in einem fortgeschrittenen FIGO III-IV Stadium zu uns kommt, ist selten. Diese Patientinnen haben die Erkrankung dann oft nicht nur in der Gebärmutter, haben dadurch keine Symptome oder erst Spätsymptome und haben eine Erkrankung, die im ganzen Bauch vorhanden ist. Dadurch, dass es eine fortgeschrittene Erkrankung ist, haben sie eine schlechte 5-Jahres-Überlebensdauer von etwa 5%. Meistens entdecken wir die Erkrankung früh und die Patientinnen werden im Stadium I geheilt, so die Referentin.

Die RUBY-Studie (1) ist die erste Studie, die einen sogenannten prädiktiven Marker benutzt hat, um eine Therapie zu testen. Diese Therapie, die in der Studie einen Benefit gezeigt hat, ist eine Behandlung mit einem sogenannten Checkpoint-Inhibitor. Bisher hat man bei dieser Art der Erkrankung nur die Operation durchgeführt, allenfalls eine Bestrahlung und eine Chemotherapie mit Standard-Chemotherapeutika, d.h. Carboplatin und Taxol. In der RUBY-Studie wurde zusätzlich ein Checkpoint-Inhibitor dazugegeben, wobei RUBY die erste Studie ist, bei der dies gemacht wurde. Diese zusätzliche Gabe eines Checkpoint-Inhibitors ermöglicht es dem körpereigenen Immunsystem den Tumor zu erkennen. Normalerweise erkennt der Körper den Tumor nicht. Hier setzt diese Therapie während der Chemotherapie ein, und wird nach der Chemotherapie in der sogenannten Erhaltungsphase fortgeführt. Die Studie hat gezeigt, dass nun ein Marker für Patientinnen, die besonders gut ansprechen, vorhanden ist. Das sind Patientinnen, bei denen ein gewisser Reparaturprozess nicht funktioniert, genannt dMMR oder die eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) aufweisen. Diese Patientinnen haben eine bessere Prognose, sowohl was die erste Rezidivrate als auch was die Überlebensrate insgesamt anbelangt, d.h. 70% Besserung beim progressionsfreien Überleben und auch beim Gesamtüberleben und dies bei Patientinnen, die ungefähr nach einem Jahr ihr erstes Rezidiv haben. In dieser Patientengruppe, die eine sehr schlechte Prognose haben, wurden durch die Daten der RUBY-Studie derart starke Prognose-verbessernde Daten gewonnen, dass das erneute Auftreten des Tumors und das Gesamtüberleben gleich sind wie in der Kontrollgruppe. Dies ist ein enormer Benefit. Der zweite Vorteil, den wir durch die Resultate der Studie haben, ist, dass wir genau wissen, welche Patientengruppen von der Therapie sehr gut profitieren wird. Diese Patientinnen wurden klar definiert. Es sind die Patientinnen mit defektem Reparaturmechanismus oder hoher Mikrosatelliteninstabilität. Das Endometriumkarzinom ist mit einer MSI High Rate von 31% die Krebsart mit der höchsten Rate von MSI-H. Eine von 3 Patientinnen mit Endometriumkarzinom hat einen Tumor mit dMMR/MSI-H. dMMR ist das Resultat fehlerhafter DNA- Reparaturmechanismen. Diese werden mit Immunhistochemie nachgewiesen. Die Mikrosatelliteninstabilität wird über Genomanalysen also Next Generation Sequencing bestimmt, MSI-H mit PCR-Tests. Diese Analysen werden heute standardmässig in den meisten Spitälern durchgeführt. Aufgrund der Datenlage der Ruby-Studie ist diese Therapie ganz klar der neue Standard, wie die Referentin festhielt. Was ihr an der RUBY-Studie besonders gut gefallen hat, ist, dass besonders Wert auf die molekularen Analysen gelegt wurde und dass auch weitere Subanalysen durchgeführt wurden. Es kann durchaus sein, dass noch weitere Indikationen folgen werden. Für dMMR und MSI-H ist Ruby klar der neue Standard. Die RUBY-Studie hat auch gezeigt, dass die Patientinnen, die Jemperli® erhielten, im Vergleich zur Kontrollgruppe unwesentliche oder fast gar keine Nebenwirkungen hatten. Die Verträglichkeit ist in der Erfahrung der Referentin hervorragend. Patientinnen nehmen sehr gerne an Studien wie die RUBY-Studie teil, weil dies bedeutet, dass man frühzeitig an ein neues Medikament kommt, welches potenziell das Überleben verbessern kann. Aber auch die Referentin nimmt als akademische Institution gerne an solchen Studien teil. Die Sicherheit dieser Studien ist gewährleistet, da sie erst durchgeführt werden, wenn die Sicherheit der Medikamente nachgewiesen ist. Zudem werden die Patientinnen eng mit CT und anderen Methoden überwacht, stellte die Referentin abschiessend fest.

Erfahrungen einer Patientin mit Endometriumkarzinom

Zum Abschluss der Medienkonferenz schilderte eine betroffene Patientin ihre Erfahrungen mit Jemperli® als Therapie für das Endometriumkarzinom. Sie wurde trotz Wohnort im benachbarten Ausland wunschgemäss in der Abteilung für Gynäkologie und Klinik für Gynäkologie/gynäkologische Onkologie des Basler Universitätsspital behandelt. Sie schilderte sehr eindrücklich ihre Heilung und erklärte, dass sie wieder ihren Hobbys nachgeht und Sport treiben kann, wie vor der Erkrankung.

Fazit

Jemperli® in der dMMR/MSI-H. Endometriumkarzinom-Population (RUBY-Studie) (1)
► Signifikante Verbesserung des PFS mit einer Verringerung des Progressionsrisikos um 72%
► Deutlicher Gesamtüberlebenstrend mit einer Verringerung des Sterberisikos um 70 %
► Mediane Ansprechdauer nach 2 Jahren und mehr nicht erreicht.
► Erhalt der Lebensqualität im Jemperli® + Carboplatin-Arm.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Mirza MR et al Dostarlimab for primary advanced or recurrent endometrial
cancer. New Engl J Med 2023; 388:2145-2158, incl Supplements

Fünfzehn Jahre NPlate® (Romiplostim)

Am 8. Februar 2024 lud Amgen anlässlich des 15. Geburtstag von NPlate® zu einem Fachpresse-Dialog ein. Dabei standen die Versorgungsrealität und die Behandlungsqualität von Patienten mit Immunthrombozytopenie (ITP) im Fokus. Dr. med. Achim Rieth, Director Medical Development Hematology/Oncology bei Amgen GmbH in München, führte die internationale Fachpresse durch den Anlass.

In seiner Einführung erinnerte er an das Launch-Symposium an der Charité vor 15 Jahren, anlässlich welcher Professor Matzdorff Rudolf Virchow zitierte, der sagte «es wird ja fleissig gearbeitet und viel mikroskopiert, aber es müsste wieder mal einer einen gescheiten Gedanken haben». Die Leute bei Amgen hatten den gescheiten Gedanken, wie der Referent feststellte. Nachdem die Stimulation der Thrombozyten mit dem endogenen Thrombopoetin (TPO) versagt hatte, hatten sie ein «Peptibody» biotechnisch hergestellt, mit zwei Domänen, einer Peptid-Thrombopoetin-Rezeptor-Bindungsdomäne, die die biologische Aktivität vermittelt, aber keine Sequenzhomologie zum endogenen TPO aufweist und somit keine Antikörper dagegen stimuliert und einer Antikörper-Fc-Domäne, die die Halbwertszeit im Blut verlängert. Die Wirkung dieses Peptibodys, der Romiplostim genannt wurde, entspricht dem endogenen Thrombopoetin; es stimuliert die Thrombopoese und bewirkt einen dosisabhängigen Anstieg der peripheren Thrombozyten.

Der Referent erinnerte an die Therapielandschaft 2009/2010. Die damalige Standardtherapie bestand aus Steroiden und bei starker Blutung i.v. Immunglobulinen, ev. Thrombozytenkonzentraten in der ersten Linie, in der zweiten Linie Azathiopirin, Vinca- Alkaloiden oder Splenektomie, dann TRA (Thrombopoetin-Rezeptor -Agonist), Rituximab, oder wie bisher und in der dritten Linie gleich wie in der 2. Linie ohne Splenektomie. In der post 3. Linie Anti D, Cyclophosphamid, Cyclosporin, Mycophenolat-Mofetil, Danazol, Dapson, Alemtuzumab, Kombinationschemotherapie und Stammzelltransplantation.

Immunthrombozytopenie

Romiplostim – Von der Markteinführung bis zum heutigen Behandlungsalltag

Die ITP ist definiert als Blutplättchenverminderung unter 100 Gpt/l. Die Inzidenz ist in Europa 1.6 bis 3.9 pro 100’000, die Prävalenz 16-20 pro 100’000. In Deutschland gibt es ca. 16’000 bis 20’000 ITP-Patienten, davon ist etwa die Hälfte unter regelmässiger Therapie, so Dr. med. Thomas Stauch, Jena. Es gibt zwei Altersspitzen: in jüngerem Alter sind die Frauen etwas häufiger, und in höherem Alter (ca. ab 65J) sind es eher die Männer, die an einer ITP leiden.

Pathophysiologie

Die Thrombozyten (Blutplättchen) stammen aus den Megakaryozyten, die im Knochenmark gebildet werden. An diese binden sich fälschlicherweise Antikörper (meistens als Folge einer Infektion). Man nennt dies molekulare Mimikry. Die Ähnlichkeit von Peptidsequenzen von Pathogenen und eigenem Gewebe führt zu einer Aktivierung autoreaktiver B- und T-Zellen, die dann Antikörper gegen körpereigene Strukturen, wie die Thrombozyten, bilden. Dabei zeigen bereits die Megakaryozyten eine gestörte Reifung und eine reduzierte Thrombozytenbildung. Die Antikörper-beladenen Thrombozyten werden als fehlerhaft erkannt und von den Makrophagen verspeist und abgebaut.

Die ITP ist primär eine Erkrankung mit Blutungszeichen. Aus Registerdaten von 302 Patienten geht hervor, dass 58 % Blutungszeichen hatten, 30 % mukosale Blutungen und 7 % schwere Blutungen. Der beste Thrombozyten-Schwellenwert ist 20 Gpt/l für jegliche Blutungen. Schwere Blutungen treten unabhängig vom Schwellenwert auf, was die Therapieentscheidung schwierig macht. Die Lebensqualität dieser Patienten ist eingeschränkt, was oft unterschätzt wird, und es gibt eine erhöhte Mortalität durch kardiovaskuläre Erkrankungen (HR 1.5), Infektionen (HR 2.4), Blutungen (HR 6.2) und hämatologische Malignome (HR 5.7).

Steroide sind immer noch das Mittel der Wahl bei der Erstlinientherapie. Bei schweren Blutungen Steroide in Kombination mit Immunglobulinen. Die langanhaltenden Remissionen liegen unter dieser Therapie bei 30 bis 40 %, d.h. zwei Drittel der Patienten haben eine Erkrankung, die wir weiter behandeln müssen. Damals hat man ziemlich heroisch Immunsuppressiva gegeben. Die Steroide haben verschiedene Nebenwirkungen wie etwa Osteoporose, Gewichtszunahme, Infektionen, so dass heute der internationale Konsens ist, dass die Erstlinientherapie mit Glukokortikoiden nur während 6-8 Wochen gegeben werden darf. Dann soll rasch zur Zweitlinientherapie übergeleitet werden. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan. Da sind die sogenannten Thrombopoetin-Agonisten, die an den Thrombozyten produzierenden Zellen eine vermehrte Produktion bewirken, aber auch Fostamatinib. ein Tyrosinkinasehemmer aus der Gruppe der SYK-Inhibitoren, der zur Behandlung der chronischen Immunthrombozytopenie (ITP) zugelassen ist. Fostamatinib inhibiert die sogenannte Milztyrosinkinase (Syk) insbesondere in Makrophagen. Dadurch wird die Signaltransduktion von B-Zellrezeptoren und Fc-aktivierenden Rezeptoren blockiert. Daraus resultiert eine verringerte Antikörper-vermittelte Zerstörung von Thrombozyten.

ITP-Timeline

Die Geschichte der ITP reicht von der Erstentdeckung im Jahre 1735 über die Selbstversuche von Harrington bis zur heutigen Therapie mit Romiplostin. Harrington führte sich das Blut eines ITP-Patienten zu und stellte dabei fest, dass seine Thrombozyten einen Abfall verzeichneten. Ein heroischer Versuch, der aber auch zeigte, dass die Thrombozytopenie aus dem Plasma entstehen muss. Kurz danach wurden die ersten Behandlungen mit Kortison durchgeführt. Nach Versuchen mit Immunsuppression, Behandlung mit i.v. Immunglobulinen, erfolgte 2009 die Zulassung von Romiplostim (NPlate®). Damit konnten die klassischen Wege der ITP-Therapie verlassen werden und es zeigte sich eine deutliche Zunahme der Thrombozyten unter der Therapie mit diesem Medikament. Die Entwicklung blieb aber nicht stehen. Mittlerweile sind weitere Medikamente zugelassen worden, wie Etrombopag, Avatrombopag und das bereits erwähnte Fostamatinib. 2022 wurden Rilzabrutinib in Phase 2- und Efgartigimob in Phase 3-Studien untersucht und im letzten Jahr Ianamulab mit 2 Arten der Unterdrückung von B-Zellen in einer Phase 3-Studie.

Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten

Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten steigern die Megakaryopoese durch Bindung an den Thrombopoetin-Rezeptor. Romiplostim bindet an die externe Membrankomponente, dies ist ein Unterschied zu Avatrombopag und Eltromopag, die an der internen Membrankomponente ansetzen. Bei Romiplostim gibt es daher keine Kreuzresistenz.

In Deutschland sind Avatrombopag (nur chronische ITP) seit 2019, Eltrombopag seit 2010, Romiplostim seit 2009 zugelassen. Eine therapiefreie Remission wurde in 25 % der Fälle gesehen.

Thrombopoetin-Rezeptor-Agonisten haben eine hohe Wirksamkeit auch im längerfristigen Verlauf, was auch bei splenektomierten Patienten (grössere Anzahl an Vortherapien daher geringere Wirkung) als auch bei nicht splenektomierten Patienten gezeigt werden konnte.

Zum Schluss erwähnte der Referent zwei wichtige Effekt der Therapie mit Romiplostim, einmal die wesentliche Verbesserung der Lebensqualität der Patienten mit ITP und zum Zweiten das deutlich verbesserte Überleben in der letzten Dekade. Er wies daraufhin, dass die Daten hauptsächlich aus Studien stammen und damit noch eher spärlich sind. Dies wird mit dem deutschen ITP-Register, welches seit 2022 existiert und Gegensand des nächsten Vortrags ist, nun korrigiert.

Therapiequalität im Fokus

Das deutsche ITP-Register – Hintergründe, Ziele und Ausblick

Ein Register ist besonders wertvoll für die Erforschung seltener Erkrankungen. Die ITP ist eine seltene Erkrankung und Studien sind entsprechend eher weniger häufig. Das Register dient der Evidenzgenerierung für die Leitlinienerstellung, Beantwortung relevanter klinischer Fragestellungen und Evaluation von Interventionsstudien. Es führt zu einer verbesserten Transparenz der Versorgung und es liefert die Datengrundlage für klinische Studien, so Frau Dr. med. Karolin Trautmann-Grill, Dresden.

ITP ist eine seltene Erkrankung. In Deutschland sind genaue Inzidenzen, Prävalenzen und Outcome nicht bekannt. Es gibt eine dezentrale Versorgung und keine ITP- Zentren. Die Leitlinienadhärenz bei der Therapiewahl ist eher schlecht. 30% der ITP-Patienten erhalten nach einem Jahr immer noch Steroid. Man rechnet in Deutschland mit einer Inzidenz von 2-4 pro 100’000 pro Jahr. Vermutlich gibt es ca. 2600 Neuerkrankungen pro Jahr. Die Prävalenz bei Erwachsenen beträgt 9-26 pro 100’000. Seltene Erkrankungen bedeuten eine besondere Herausforderung für Patienten und Ärzte. So kam die Idee zur Schaffung eines ITP- Registers zustande. Damit sollte eine bessere Vernetzung ermöglicht werden (Selbsthilfegruppen, Kliniken, ambulante Zentren, Studienplattform). Ein weiteres Ziel war die Förderung der Versorgungsforschung (Epidemiologie, Therapiesequenzen, Krankheitszeitverlauf). Eine Besonderheit des Deutschen ITP-Registers ist, dass auch Daten zur Lebensqualität der Patienten erfasst werden (von Patienten berichtete Outcomes, ITP-Patienten leiden in besonderem Masse an Fatigue). Zur Begleitforschung dient die Biobank Dresden.

Das Studienkonzept

Einschlusskriterien sind: Patienten ≥18 Jahre, Erstdiagnose ITP≤12 Monate, Wohnsitz Deutschland, unterzeichnete Einwilligungserklärung. Das ursprüngliche Ziel war 1100 Patienten, 50 Zentren, ca. 4 Patienten pro Zentrum pro Jahr. Es wurde eine jährliche Verlaufsdokumentation geplant. Erstdiagnose: Initialbogen + Basisdokumentation. Verlaufsbogen nach einem Jahr Beobachtungszeit, Verlaufsbogen nach 2 Jahren Beobachtungszeit etc.

Der Beginn des Registers war im November 2021 mit dem Ethikvotum in Jena, ab Dezember 2021 war die RedCap Datenbank produktiv. Der erste Patient wurde im Dezember 2021 eingeschlossen. Im Februar 2022 wurde die Website www.d-itp.de eröffnet, im Juni 2022 erfolgte die Initiierung des 2. Zentrums in Dresden und ab Juli 2022 erfolgte der weitere Rollout in Deutschland. Der Stand am 28.1.2024 waren 287 Patienten im Register eingeschlossen, das Biobanking betrug 181. Derzeit gibt es 58 Zentren in Deutschland, die gut über das ganze Land verteilt sind. Es wird jährlich eine Fortbildung und ein Patiententag durchgeführt. Es gibt nun auch eine europäische Initiative zur Vernetzung der Zentren.

Daten-Cut im November 2023: Demographie

Das Register umfasst 251 Patienten im Alter zwischen18-97 Jahren (median 64 Jahre). 48 % sind männlich, 52 % weiblich. 86% hatten eine primäre ITP, 13 % eine sekundäre ITP, bei 1% fehlt die Angabe.

Symptome bei Erstdiagnose

Über 75 % hatten keine Blutungssymptomatik, d.h. eine inzidentielle Blutung. Grad 1 Blutungen hatten ca. 15%, Grad 2 Blutungen etwa 4 % Grad 3 ca. 2 % und eine Person hatte eine Grad 4 Blutung.

Diese Population hat auch Komorbiditäten: Über 40 % haben eine arterielle Hypertonie, gegen 20 % einen Diabetes, etwa 6 % hatten Thromboembolien, was bei ITP wichtig ist, denn die ITP stellt per se ein Thromboembolie-Risiko dar. Mehr als 10 % hatten eine KHK und etwa 6 % einen Schlaganfall. Eine Antikoagulation wurde immerhin bei 16 % festgestellt (ein deutlicher Prozentsatz). Diese Patienten sind besonders gefährdet, an einem Blutungsereignis zu erkranken.

Therapiespektrum, 146 waren behandlungspflichtig

Prednisolon erhielten 69 Patienten, Dexamethason 61, Eltrombopag 21, Romiplostin 19, Avathromopag 3, Fostamatinib 3, Splenektomie 1, Rituximab 3.

Ausblick

Daten aus dem ersten Daten-Cut sollen am Europäischen Hämatologenkongress präsentiert werden.

Langfristig soll das Register als gemeinsame Studienplattform genutzt werden. Weitere Forschungsprojekte zur Pathogenese und Behandlung der ITP sind am Laufen. Das Register soll verstetigt werden und insgesamt soll es helfen, die Situation der ITP-Patient/-innen zu verbessern.

Abschliessend dankte die Referentin der Leitungsgruppe mit Prof. A. Matsdorff, PD Dr. med Oliver Meyer, Dr. med. A Georgi, Frau Arnold SHG-ITP Giessen, dem Zentrum Klinische Studien Jena, der Biobank Dresden und insbesondere der Firma Amgen für das unabdingbare Sponsoring eines derartigen Projekts.

Immunmodulation mit Romiplostim – das zeigt die IROM-Studie

Fast alle Behandlungsstrategien bei der ITP zielen darauf ab, die Blutung zu kontrollieren. Man versucht den vorzeitigen Thrombozytenabbau zu bremsen oder die Thrombozytenproduktion zu stimulieren, so Frau Dr. med. Alexandra Schifferli, Leitende Ärztin Hämatologie/Onkologie UKBB, Basel.

Nur wenige Medikamente wurden untersucht, die das Potenzial haben, die Immundysregulation – also die Ursache der ITP – zu behandeln und die verlorene Immuntoleranz zu induzieren. Die Ursache aller Autoimmunerkrankungen ist eine gestörte Immuntoleranz. Medikamente wie Rituximab, und Dexamethason haben das Potenzial die Immuntoleranz wieder zu induzieren, aber nur mit mässigen Langzeitergebnissen. Zwischen 2010 und 2015 wurde zunehmend von Patienten berichtet, dass sie ihre TPO-Mimetika sicher stoppen konnten, ohne ein Rezidiv zu erleiden. Dies wurde zunächst in retrospektiven Kohorten aber auch in prospektiven Studien gezeigt. Diese Gruppe von Patienten wird in den meisten Publikationen mit dem Akronym SROT (sustained remission of treatment) bezeichnet. Im Jahre 2010 wurde in einer kleinen Studie mit nur 10 Patienten eine verbesserte Aktivität der regulatorischen T-Zellen bei Patienten mit chronischer ITP gezeigt, die TPO-Mimetika erhielten. Die Daten dieser Studie deuteten auf eine Wiederherstellung der Immuntoleranz durch diese Medikamente hin (1). TPO-Mimetika sind eigentlich nur rein symptomatische Medikamente. Sie boosten die Produktion von Thrombozyten um die Hämostase zu verbessern und somit auch das Risiko von Blutungen zu vermindern. Um die Hintergründe für die Verbesserung der Grundkrankheit zu verstehen, wurde die IROM-Studie (2) geplant. Die Hypothese war, dass durch die Erhöhung der Thrombozyten, also der Masse des Antigens, eine Immuntoleranz erzeugt werden kann, analog zur Immuntoleranztherapie in der Allergologie. Bei der Antigen-Desensibilisierung in der Allergologie gibt man sehr hohe Dosen von Antigen über längere Zeit. Dies führt paradoxerweise dazu, dass der Körper denkt, wenn so viel Antigen im Umlauf ist, muss es doch normal oder ungefährlich sein und reagiert nicht mehr auf den Antigenstimulus. Nicht nur in der Allergologie kennt man diese Therapieform, sondern entsprechende Forschungsberichte gibt es auch beim Diabetes Typ 1, bei Multipler Sklerose und Colitis ulcerosa. Häufig versagen diese Therapien an der Tatsache, dass die vermeintlich wichtigsten Antigene nur die Spitze des Eisbergs sind. Die ideale Immuntoleranztherapie wäre eigentlich Organ-bezogen und nicht Antigen-bezogen. Diese Möglichkeit hätten wir bei der ITP mit den TPO-Mimetika, so die Referentin. Zusätzlich war den Forschern klar, dass die Thrombozyten auch Immunzellen sind, die sowohl mit dem angeborenen als auch dem erworbenen Immunsystem interagieren. Thrombozyten sind also nicht nur Zielscheibe des Geschehens bei der ITP, sondern vermutlich auch Akteure (3). Sie produzieren verschiedene Zytokine und sind das grösste Reservoir von TGFβ, einem starken inflammatorischen Zytokin.

Hypothese zur Immunmodulation mit TPO- RA als Grundlage der IROM-Studie

Die Hypothese zur Immunmodulation mit TPO-RA, wie sie für die IROM-Studie (1) formuliert wurde, ist in der Abb. 1 wiedergegeben. Sie umfasst die folgenden Punkte: Thrombopoietin-Rezeptor-Agonisten (TPO-RAs) haben offensichtlich das Potenzial, den Krankheitsverlauf mit einer behandlungsfreien Remission von bis zu 30 % zu beeinflussen. Mögliche Mechanismen könnten die Exposition gegenüber hochdosiertem Antigen und/oder die angeborene Immunaktivität von Thrombozyten sein, insbesondere die Freisetzung von TGF-ß, die regulatorische T-Zellen (Tregs) stimulieren oder wiederherstellen kann. Tregs spielen eine grundlegende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Immuntoleranz. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Funktion der Tregs im peripheren Blut von ITP-Patienten verringert und beeinträchtigt ist.

Die IROM-Studie (4, 5)

2016 wurde die IROM-Studie nach 2 Jahren Vorbereitungszeit an 5 Orten eröffnet. Romiplostim war damals noch nicht als Second-Line Therapie zugelassen, sondern indiziert für die chronisch refraktäre ITP. Die Studie war konzipiert als nationale multi-center, open label, single arm, proof of concept Studie. Das Ziel war die Untersuchung möglicher immunmodulierender Wirkungen von Romiplostim bei Patienten mit ITP. Einschlusskriterien waren junge Erwachsene mit primärer ITP (initial 18j.- 45j., bei denen die Erstlinientherapie versagt hatte, nicht vertragen wurde oder die einen Rückfall erlitten hatten (unabhängig von der Krankheitsdauer). Der primäre Endpunkt war das Verhältnis TH1(TH17) / TH2(TREG). Zu den sekundären Endpunkten gehörten neben den immunologischen Daten auch die Rate der anhaltenden Remission ohne Behandlung (SROT) nach einem Jahr, sowie die Romiplostim-Dosis, die Thrombozytenzahl und Blutungen.

Studienplan

Romiplostim s.c. während 22 Wochen gegeben, wöchentliche Dosisanpassung je nach Thromboztenansprechen, Ziel 50-200 x 109/l (gemäss Produkteinformation). Follow-up bis Woche 52 (clinical visit und Blutbild), immunologisches Panel an Woche 1, 6, 12, 22, 52.

Resultate

Ansprechen der Thrombozyten und Romiplostim-Dosis: Bei SROT-Patienten war die Titration der Romiplostim-Dosis geringer und die Thrombozytenzahl reagierte schneller, höher und stabiler.

Die Thrombozytenzahl bei Patienten mit einem Rückfall zeigte eine sehr zackige Kurve über 22 Wochen Behandlungsdauer. Es zeigte ich eine starke Korrelation zwischen Thrombozytenzahl und TGF-β.

Die Beobachtung eines höheren Anstiegs der Thrombozyten und eines stärkeren Anstiegs des TGF-β bei Patienten mit SROT im Vergleich zu Patienten mit einem Rückfall bekräftigt die Hypothese, dass der tolerogene Stimulus von der Thrombozytenmasse kommt.
Die meisten Zytokinwerte sanken unmittelbar nach Behandlungsbeginn (bei allen Patienten).

Das Immunsystem kann durch Romiplostim beeinflusst werden (Tregs, proinflammatorische Zytokine, TGF-β).

Klinische Resultate: Bei 6 von 9 Patienten mit neu diagnostizierter ITP war das Absetzen von Romiplostim erfolgreich und führte zu einer anhaltenden behandlungsfreien Komplettremission nach einem Jahr, während alle Patienten mit chronischer ITP einen Rückfall erlitten und erneut mit verschiedenen Behandlungen beginnen mussten.

Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass eine frühzeitige Behandlung der ITP mit TPO-RAs, zB. Romiplostim, den natürlichen Verlauf der ITP positiv beeinflussen könnte. Eine Einschränkung der Studie in Bezug auf klinische Endpunkte ist die geringe Stichprobengrösse.

Fazit 15 Jahre Romiplostim

Die Therapie der ITP hat sich in den letzten 15 Jahren durch Romiplostim (NPlate®) und andere TPO-RAs grundlegend verändert, u.a. durch den Wegfall der Splenektomie und die Verkürzung der Erstlinientherapie mit Steroiden.

ITP-Registerdaten sind besonders wertvoll zur Erforschung und Qualitätssicherung und können künftig bei der Beantwortung relevanter klinischer Fragestellungen in Bezug auf die ITP beitragen.

Die Ergebnisse der IROM-Studie zeigen, dass eine frühzeitige Behandlung mit Romiplostim durch Immunmodulation den natürlichen Verlauf der ITP positiv beeinflussen kann.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Bao W et al. Improved regulatory T-cell activity in patients with chronic immune thrombocytopenia treated with thrombopoietic agents. Blood 2010 ; 116 :4639-4645.
2. Schifferli A and Kühne T. Thrombopoietin receptor agonists: a new immune modulatory strategy in immune thrombocytopenia. Sem. Hematol 2016;53:S31-S34
3. Yeaman M. Platelets at the nexus of antimicrobial defence. Nat Rev Microbiol 2014; 12: 426-437
4. Schifferli A et al Immunomodulation with Romiplostim in Young adult primary immune thrombocatopenia (ITP) as second line strategy (iROM study). Blood 2021 ; 138 : Suppl 1 : 3149. Doi.org/101182/blood-2021_146648.
5. Schifferli A et al. Immunomodulation with Romiplostim as a second-line strategy in primary immue thrombocytopenia : the iROM study Br J Haematol. 2023 ;203 :119-130