Herz und Adipositas

Auf Grund einer Sitzung mit drei sehr informativen Vorträgen an der diesjährigen 90. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim und guten Publikationen zu diesem hochaktuellen Thema möchten wir ein kurzes Summary wiedergeben. Die Adipositas, eine chronisch fortschreitende Erkrankung, ist heute und in der nahen Zukunft ein grosses gesundheitliches Problem, insbesondere in der kardiovaskulären Medizin. Sie hat aber auch metabolische, onkologische und weitere medizinische Auswirkungen. Somit ist sie eine enorme Herausforderung für Betroffene, Ärzte und das Gesundheitssystem.

Based on a session with three very informative presentations at this year‘s 90th Annual Meeting of the DGK in Mannheim and good publications on this highly topical subject, we would like to provide a brief summary. Obesity, a chronically progressive disease, is a major health problem today and in the near future, particularly in cardiovascular medicine. However, it also has metabolic, oncological and other medical implications. It is therefore an enormous challenge for patients, doctors and the healthcare system.
Key words: Adipositas, Cardiovascular disease and Mortality, Semaglutide, Weight reduction, HFpEF

Die Adipositas ist eine relevante kardiologische Komorbidität. Sie steigt weltweit überproportional an. 2022 waren gemäss BAG 12 % der schweizerischen Bevölkerung adipös; unter zusätzlicher Berücksichtigung des Übergewichts waren es 43 %. Innerhalb von 30 Jahren hat sich der Anteil der adipösen Menschen in der Schweiz verdoppelt.

In den letzten 35 Jahren (1980-2015) hat sich die Prävalenz in mehr als 70 Ländern bei Frauen und Männern verdoppelt (1). Bei Adipositas assoziierten Todesfällen haben vor allem die kardiovaskulären (cv) mit 41 % stark zugenommen. Heute ist eine von acht Personen adipös; bis 2035 ist wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung übergewichtig oder adipös. Nach einer sehr grossen amerikanischen Kohortenstudie erhöht Übergewicht/Adipositas das cv Risiko mit vermehrten Schlaganfällen, Herzinfarkten, Herzinsuffizienz und cv Tod. Übergewicht war mit einem signifikant erhöhten Risiko verbunden, in einem früheren Alter an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken, was zu einem grösseren Anteil der Lebenszeit mit kardiovaskulärer Morbidität führte (2).

Adipositas bedeutet nach WHO ein BMI ≥30 kg/m2. Der BMI variiert nach Geschlecht, Alter und Ethnizität. Das Problem ist die viszerale Fettansammlung, darum wird auch der Taillenumfang als Mass diskutiert. Der BMI korreliert aber gut mit dem Gesamtkörperfett. So bleibt er vorerst immer noch als Mass erhalten. Die kardiovaskulären Erkrankungen sind mit ca. 6,5 % weltweit an erster Stelle der nicht infektiösen Erkrankungen.

Neben den nicht modifizierbaren cv Risikofaktoren (Alter, Geschlecht, Genetik, Ethnizität) gibt es die modifizierbaren cv Risikofaktoren. Diese sind: Hypertonie, Hyperlipidämie, Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM), Rauchen und körperliche Inaktivität. Mehr als 50 % des cv Risikos kann dadurch beeinflusst werden. In der Primärprävention ist die Hypertonie der wichtigste modifizierbare Risikofaktor (RF). Die Adipositas ist mit diesen cv RF assoziiert, sie begünstigt einige davon. Fünf modifizierbare RF (Body-Mass-Index, systolischer Blutdruck, Nicht-HDL-Cholesterin, Rauchen und Diabetes) sind mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Tod jeglicher Ursache verbunden. Daten aus einer globalen Kohorte zeigten, dass 57,2 % bzw. 52,6 % der Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen bzw. Männern und 22,2 % bzw. 19,1 % der Todesfälle jeglicher Ursache auf diese Risikofaktoren zurückzuführen sind (3). Bei der Hypertonie ist eine Körpergewichtsreduktion ein wichtiges Therapieziel, das primär durch Bewegung und Ernährungsmodifikation erreicht werden kann. Die Leitlinien betonen eine Gewichtsabnahme. Pro kg Gewichtsverlust bei übergewichtigen (BMI ≥25 kg/m2) oder adipösen (BMI ≥30) Menschen kann mit einem systolischen Blutdruckabfall von 0,5–2mmHg gerechnet werden.

Pathophysiologisch kommt es im viszeralen Fettgewebe bei vergrösserten Adipozyten zu einer systemischen Entzündung mit Erhöhung von Interleukin 6 und IL-β und weiteren Zytokinen und TNF-α. Dies führt zu einer Endotheldysfunktion, einer Oxidation von LDL mit Dyslipidämie, Plaquebildungen und späteren kardiovaskulären Events. Zusätzlich kommt es zu einer Insulinresistenz und einer verminderten Insulinsekretion mit Diabetes mellitus Typ 2 (T2DM) (Abb. 1) (4). Gastrointestinale Karzinome sind bei Adipositas gehäuft. Erwähnenswert sind die nichtalkoholische Fettlebererkrankung und weitere internistische, neurologische, psychische und orthopädische Leiden (5). Die Adipositas wird heute als chronisch fortschreitende Erkrankung anerkannt.

Bei der Prävention gibt es die individuelle und die Population basierte Form. Bei der ersten stehen Lifestyle-Massnahmen (körperliche Aktivität, Gewichtsreduktion, gesunde energiereduzierte Ernährung) neben spezifischen Interventionen im Vordergrund. Weitere cv Risikofaktoren sind zu vermeiden. Bei der zweiten Form sind zusätzliche Umwelt bedingte Massnahmen und Entscheidungen der Politik notwendig. Ein signifikanter Gewichtsverlust von ≥5–10 % ist für eine cv protektive Wirkung notwendig. Dies konnte bis vor kurzem nur durch eine bariatrische Chirurgie erreicht werden. In einer sehr grossen Kohortenstudie aus den USA konnte das cv Risiko in 4 bis 7 Jahren (Tod, MI, HI, Stroke) signifikant gesenkt werden (6).

Mit den GLP1-RA haben wir heute ein Medikament, welches als Antidiabetika ebenfalls zu einer signifikanten Gewichtsreduktion führt. GLP1-RA ahmen die Wirkung der körpereigenen Hormone GLP-1 und glukoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP) nach; diese werden bei T2DM vermindert ausgeschüttet, wodurch der Inkretin-Effekt, d.h. die blutzuckersenkende Wirkung, verringert ist (Abb. 2) (7, 8).

In der STEP-4 Studie kam es bei 902 jüngeren Patienten mit einem durchschnittlichen BMI von 38 kg/m2 mit einer Dosistitration auf 2.4 mg Semaglutid 1x/Woche sc nach 68 Wochen zu einer Gewichtsreduktion von 18 %. Wurde das Medikament nach 20 Wochen wieder abgesetzt, ging das Gewicht wieder hoch (9). In der SUSTAIN-6 Studie bei T2DM und Patienten mit sehr hohem cv Risiko schützt die Substanz in tieferer Dosierung von 0.5 resp. 1 mg 1 x/Woche sc über 2 Jahre vor kardiovaskulären Ereignissen (cv Tod, MI, Schlaganfall) bei einer HR von 0.74. Es kam auch zu einem signifikanten Abfall des HbA1c und des Körpergewichts (10).

In der SELECT-Studie konnte bei 17 604 adipösen Nicht-Diabetikern mit kardiovaskulären Erkrankungen (ASCVD) und einem BMI ≥27, mittlerer BMI von 33 kg/m2, die Eventrate nach 3.2 Jahren mit Semaglutid, Dosistitration von 2.4 mg 1x/Woche sc, um 20 % gesenkt werden. Es kam zu signifikant weniger cv Todesfällen, nicht fatalen MI und nicht fatalen Strokes und weniger Hospitalisationen wegen einer HI nach 40 Monaten. Der Gewichtsabfall betrug -8.5 %, der Taillenumfang nahm um 7.6 % ab. Eine sehr interessante Beobachtung war, dass die protektive Wirkung, unabhängig vom Ausgangsgewicht, Prädiabetes, GFR, chron. HI (24 %), sehr rasch einsetzte, was mit der Gewichtsreduktion nicht zu erklären war. Man vermutet, dass die systemische Entzündung rasch vermindert wird und dadurch die cv Events bei allen bereits in der Frühphase positiv beeinflusst werden. Das hs-CRP sank um 37. 8%, der BD um 3.3 mmHg (Gewichtsreduktion) und das LDL um 2.2 %. An NW waren die GI- und hepatobiliären Nebenwirkungen deutlich ausgeprägter als Placebo mit 16.6 % vs. 8.2 %. Diese können mit individuellen Massnahmen und einer langsamen Dosissteigerung oft reduziert werden (11). Es fehlen Daten bei jüngeren gesunden Adipösen.

«SELECT» identifiziert erstmals Adipositas als einen behandelbaren kardiovaskulären Risikofaktor und eröffnet damit eine neue Domäne für die Kardiologie. Die Reduktion von Tod, Herzinfarkt und Schlaganfall durch Semaglutid wurde, zusätzlich zu einer guten leitliniengerechten Therapie, beobachtet. Der Befund war in allen Subgruppen konsistent. «Insbesondere ist interessant, dass Patient/-innen in der niedrigen BMI-Gruppe von 27-30 kg/m2 mindestens ebenso stark, numerisch evtl. sogar stärker, profitiert haben» schrieb Prof. Dr. U. Laufs aus Leipzig im November 2023 in «Herzmedizin» der DGK.

Seit mehr als 20 Jahren wissen wir, dass die Adipositas mit der Herzinsuffizienz (HI) assoziiert ist; vor allem mit einer HFpEF bei vielen Komorbiditäten. Am häufigsten eine Hypertonie in 60–80 %, ein höheres Alter, eine CHK, das weibliche Geschlecht, eine chronotrope Inkompetenz, die Adipositas in 30–40 % und viele weitere. Die Adipositas verschlechtert die HI-Symptome, die Lebensqualität und die Prognose (12). Pathophysiologisch kommt es zu einer diastolischen Funktionsstörung mit Elastizitätsabnahme, steiferem Ventrikel mit verminderter Compliance. Man findet einen erhöhten pulmonal vaskulären Widerstand mit erhöhten pulmonalen Druckwerten inkl. RV und RA und erhöhten Füllungsdrücken. Mit der Zeit kommt es zu einer RV-Dysfunktion. Adipöse HFpEF-Patienten haben einen niederen BNP/NT-pro-BNP Wert bei gleichem Wedge-Druck als normalgewichtige Personen. Unter Belastung Abfall des Cardiac-Index und überproportionaler Anstieg der pulmonalen Druckwerte/Füllungsdrücke. Dies führt zur Belastungseinschränkung.

Insbesondere bei Frauen mit hohem BMI ist auch das Blutvolumen erhöht. Das perikardiale Fettgewebe hat eine restriktive Wirkung. Klinisch periphere Ödeme, Orthopnoe und Belastungsdyspnoe, Anstieg des NT-pro BNP (12, 13). Nach einer bariatrischen Chirurgie gibt es nach einer schwedischen Studie mit 2 Registern bei fast 40 000 Patienten deutlich weniger HI-Fälle im Vergleich zu einer intensiven Änderung des Lebensstils (14).

In der STEP-HFpEF Studie konnte bei 529 medikamentös gut vorbehandelten Patienten ohne T2DM (noch ohne SGLT2-H., nur 3,6 %) mit einem Durchschnittsalter von 69 Jahren und einer LVEF ≥ 45 % mit einem BMI ≥30 kg/m2 (median 37) mit einer HFpEF (NYHA II-IV), eingeschränkter Lebensqualität und kardiovaskulären Vorerkrankungen (Hypertonie, Vorhofflimmern, chronische Nierenerkrankung) klar aufgezeigt werden, dass mit Semaglutid in aufsteigender Dosierung über 16 Wochen bis 2.4mg 1 x /Woche sc und einer Beobachtung über 1 Jahr, es zu einer starken Verminderung der Symptome und einer Verbesserung der körperlichen Einschränkung kam und die Lebensqualität (KCCQ) deutlich verbessert wurde mit einer stärkeren Gewichtsabnahme (–10.7 %) als Placebo. Alle Patienten profitierten unabhängig vom Ausgangs-BMI. Der Nutzen war besonders ausgeprägt bei starker Gewichtsreduktion. Die Frauen waren insgesamt stärker beeinträchtigt und wiesen eine grössere subjektive Verbesserung auf – vgl. Pathophysiologie. Neben der Senkung des hs-CRP wurde auch das NT-pro-BNP (–16 %) deutlich gesenkt (15). Semaglutid stellt eine neue, wertvolle Therapieoption für die Behandlung von Patienten mit HFpEF und Übergewicht dar.

In der am ACC 2024 vorgestellten STEP-HFpEF DM Studie bei 616 Patienten mit einer HFpEF bei Adipositas und einem T2DM kam es zu einer Gewichtsreduktion von minus 6.4 % und einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität über 52 Wochen. Das NT-pro BNP wurde 23.2 %, das HbA1c 0.7 % gesenkt; dies mit einer Dosistitration über 16 Wochen auf 2,4mg Semaglutid 1x/Woche sc. 33 % hatten zusätzlich einen SGLT2-Hemmer (16).

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Der Autor hat keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert

  • Die Adipositas als kardiovaskuläre Komorbidität nimmt weiterhin
    stark zu.
  • Adipositas begünstigt neben ischämischen cv Erkrankungen auch
    die Entwicklung einer HFpEF und ein Vorhofflimmern; 30–40 % der HFpEF Patienten haben eine Adipositas. Bei diesen bestehen charakteristische ungünstige hämodynamische Veränderungen (Frauen > Männer).
  • Eine substanzielle Gewichtsreduktion von ≥ 5–10 % bei adipösen ASCVD Patienten führte zu einer Reduktion der cv Ereignisrate (SELECT Studie). Möglicherweise über eine Reduktion
    der ­Inflammation jenseits des eigentlichen Gewichtsverlusts.
  • Bei Patienten mit einer HFpEF und Adipositas ist der GLP1-RA
    Semaglutid assoziiert mit einer stärkeren Verbesserung der Symptome, der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bei einer signifikanten Gewichtsreduktion und Verringerung der Entzündung als bei Placebo.
  • Mit Semaglutid ist eine Langzeittherapie notwendig;
    die häufigsten NW sind gastrointestinal.
  • Eine Rückerstattung der hohen Kosten von Ozempic®, Wegovy®
    muss individuell abgeklärt werden – vgl. Spezialitätenliste BAG.

1. The GBD 2015 Obesity Collaborators, Health effects of overweight and obesity in 195 countries over 25 years, N Engl J Med 2017;377:13-27, DOI: 10.1056/NEJMoa1614362
2. Khan S.S. et al., Association of body mass index with lifetime risk of cardiovascular disease and compression of morbidity, JAMA Cardiol. 2018 Apr 1; 3(4):280-287, doi: 10.1001/jamacardio.2018.0022
3. GCRC, Global Effect of Modifiable Risk Factors on Cadovascular Disease and Mortality, N Engl J Med 2023;389:1273-1285, DOI: 10.1056/NEJMoa2206916
4. Yao L. et al., Roles of the Chemokine System in Development of Obesity, Insulin Resistance, and Cardiovascular Disease, Journal of Immunology Research Volume 2014, Article ID 181450, 11 pages http://dx.doi.org/10.1155/2014/181450
5. Müller T.D. et al., Adipositastherapie – werden Pharmakotherapien die Alternative zur metabolischen Chirurgie sein?, Innere Medizin 2023, 64 : 629-635
6. Mentias A. et al., Long-term cardiovascular outcomes after bariatric surgery in the Medicare population, JACC 19. April 2022; 79(15):1429-1437, doi: 10.1016/j.jacc.2022.01.047
7. Vontobel J. et al., Diabetes + Herz» – 2023 ESC-Guideline: ein Summary, info@herz+gefäss, Vol.14, 02, Ausgabe April, S.:10-15
8. Drucker D. et al.,The Cardiovascular Biology of Glucagon-like Peptide-1, Cell Metab 2016;24(1):15-30
9. Rubino D. et al., Effect of Continued Weekly Subcutaneous Semaglutide vs Placebo on Weight Loss Maintenance in Adults With Overweight or Obesity: The STEP 4 Randomized Clinical Trial, JAMA 2021 Apr 13;325(14):1414-1425. doi: 10.1001/jama.2021.3224
10. Marso S.P. et al., Semaglutide and Cardiovascular Outcomes in Patients with Type 2 Diabetes, N Engl J Med 2016 Nov 10;375(19):1834-1844. doi: 10.1056/NEJMoa1607141. Epub 2016 Sep 15
11. Lincoff A.M. et al., Semaglutid and Casrdiovascular Outcomes in Obesity without Diabetes, N Engl J Med 2023;389:2221-2232, DOI: 10.1056/NEJMoa2307563
12. Anker S.D. et al., Patient phenotype profiling in heart failure with preserved ejection fraction to guide therapeutic decision making. A scientific statement…., EJ Heart Failure 2023, 25:936-955
13. Borlaug BA. et al., Heart Failure with Preserved Ejection Fraction, JACC Scientific Statement, JACC 2023;81 (18): 1810-1834
14. Sundström J. et al., Weight loss and Heart Failure, Circulation 2017;135:1577-1585
15. Kosiborod M.N. et al., Semaglutide in Patients with Heart Failure with Preserved Ejection Fraction and Obesity, N Engl J Med 2023;389:1069-1084, DOI: 10.1056/NEJMoa2306963
16. Kosiborod M.N. et al., Semaglutide in Patients with Obesity-Related Heart Failure and Type 2 Diabetes, N Engl J Med 2024;390:1394-1407, DOI: 10.1056/NEJMoa2313917

Vorschläge für einen ärztlichen Notfallkoffer für Hausbesuche bei Erwachsenen

Hausbesuche nehmen in der medizinischen Praxis in der Schweiz einen wichtigen Platz ein und tragen dazu bei, die Inanspruchnahme von Notfallzentren zu reduzieren. Um eine qualitativ hochstehende Dienstleistung zu gewährleisten, muss der Inhalt des Notfallkoffers an die Hausarztpraxis angepasst sein: Er muss ausreichend sein, um verschiedene klinische Situationen zu bewältigen, aber nicht zu umfangreich, um transportierbar zu bleiben. Wir schlagen hier einen aktualisierten Inhalt des Notfallkoffers vor, der sich an den für die Diagnose und Behandlung erforderlichen Mitteln orientiert. Wir unterscheiden zwischen Basiselementen und ergänzenden Mitteln, die eine Erweiterung der Versorgung ermöglichen, insbesondere in Regionen, in denen es keine wohnortnahe Gesundheitsversorgung gibt.

House calls are an important part of medical practice in Switzerland and help reducing the need for emergency room visits. To ensure quality service, the content of the doctor’s bag must be adapted to home practice: Enough to deal with a variety of clinical situations, while sufficiently limited to remain portable. We offer here an updated doctor’s bag content, focusing on the resources needed for diagnosis and treatment. We distinguish between basic items and additional resources that can be used for extended care, particularly in regions with no local health resources.
Keywords: House Call – Doctor’s bag – Primary care medicine – Emergency

Einleitung

Ärztliche Hausbesuche werden häufig durchgeführt und tragen dazu bei, die Inanspruchnahme von Notfalldiensten zu begrenzen (1, 2). Eine Studie im Kanton Waadt hat gezeigt, dass Hausbesuche etwa 2,5 % der ärztlichen Konsultationen ausmachen, sich hauptsächlich an Personen über 65 Jahre richten und zu 20 % dringende Konsultationen darstellen (3). Etwa 70 % der ärztlichen Hausbesuche werden aufgrund eingeschränkter Mobilität der Patienten durchgeführt (4). Am häufigsten treten muskulo­skelettale, zirkuläre, respiratorische, neurologische und psychiatrische Problematiken auf (5).

Angesichts der Alterung der Bevölkerung und der Strategien zur Förderung des Verbleibs älterer Menschen zu Hause dürften die ärztlichen Hausbesuche weiterhin einen wichtigen Platz in der Tätigkeit der Grundversorger einnehmen oder sogar noch an Bedeutung gewinnen, Dies zeigt die jüngste Entstehung von Unternehmen in der Westschweiz, die sich auf Hausbesuche spezialisiert haben («Docadom» in Lausanne, «Médecins à domicile» oder «Médecins Genève» in Genf, «SOSmed» an der Côte, «Médecins du Léman» an der Riviera und im Chablais, usw.).

Um eine qualitativ hochwertige Leistung zu gewährleisten, muss der Inhalt des Notfallkoffers, der bei Hausbesuchen verwendet wird, ausreichend sein, um verschiedene klinische Situationen zu bewältigen. Einige Elemente können mit der Praxisausstattung geteilt werden, insbesondere wenn es sich um teures Material handelt. In der Literatur gibt es keine validierten Empfehlungen für den Inhalt des Notfallkoffers, obwohl in einigen Veröffentlichungen (6, 7, 8) Vorschläge gemacht wurden.

Dieser Artikel ist ein aktualisierter Vorschlag für den Inhalt des medizinischen Notfallkoffers, der sich auf die Literatur stützt, soweit vorhanden, mit einem Basisinhalt, der je nach Art und Ort der Praxis (Hausbesuche, abgelegene Region usw.) und der Erfahrung des Arztes durch zusätzliche Ausrüstung und Behandlungen ergänzt werden kann.

Diagnostische Werkzeuge

Grundlegende Werkzeuge

Der Notfallkoffer sollte grundlegende diagnostische Werkzeuge enthalten, die in Tabelle 1 aufgelistet sind.

Gerät für das Elektrokardiogramm (EKG)

Ein EKG-Gerät ist hilfreich bei der Diagnose von Herzerkrankungen. Es gibt viele tragbare Modelle, die sich sowohl für den Einsatz in der Praxis als auch für Hausbesuche eignen. Bei Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) sollte ein EKG innerhalb von 10 Minuten nach dem ersten Arztkontakt, idealerweise bereits in der Notaufnahme, durchgeführt werden, um einen STEMI-Infarkt zu erkennen und eine rasche Behandlung zu ermöglichen. Bei einem Nicht-STEMI-Infarkt oder instabiler Angina pectoris kann das EKG normal sein und schliesst ein ACS nicht aus (9).

Ultraschallgerät

Die Entwicklung des Point-of-Care-Ultraschalls (POCUS) für Hausärzte, das Aufkommen erschwinglicher, ultra-portabler Geräte und die Möglichkeit, die Untersuchung nach erfolgreicher Ausbildung abzurechnen, machen dieses Instrument für Hausbesuche interessant. Zu beachten ist, dass eine umfassende Schulung für die korrekte Erstellung und Interpretation der Bilder unerlässlich ist. Der Nutzen von POCUS ist mit hoher Evidenz für die Suche nach einer tiefen Venenthrombose, die Beurteilung einer akuten Dyspnoe, die Unterscheidung zwischen einer Dermohypodermitis und einem Abszess und mit mässiger Evidenz für die Suche nach Anzeichen einer Nierenkolik (Hydronephrose, Steine) oder einer Cholezystitis belegt (10). Er ist auch nützlich für die Erkennung einer akuten Harnverhaltung. POCUS hat somit das Potenzial, die diagnostischen Möglichkeiten zu erweitern, Unsicherheiten zu reduzieren und eine gezieltere Behandlung zu ermöglichen.

Biologische Tests

Point-of-Care (POC) Analysen werden immer häufiger durchgeführt und können zum Teil auch in der Wohnung des Patienten durchgeführt werden. Die am häufigsten verwendeten POC-Tests sind Blutzuckermessungen, Urinstix oder SARS-Cov2-Antigentests, Streptokokken-Tests und möglicherweise INR-Tests. Die Verwendung fortschrittlicherer POC-Tests wird durch das Aufkommen tragbarer Geräte ermöglicht, die Ergebnisse innerhalb weniger ­Minuten liefern und sich in dringenden Situationen oder bei Hausbesuchen ausserhalb der Geschäftszeiten als nützlich erweisen können (11). Beispielsweise sind mehrere Tests von Interesse, wie die Messung des CRP, um den Einsatz von Antibiotika bei Atemwegsinfektionen im ambulanten Bereich zu begrenzen (12), die Messung von D-Dimeren, um eine tiefe Venenthrombose oder Lungenembolie auszuschliessen (13), und die Messung von Kreatinin, um die Dosierung einer Behandlung zu steuern. Die Studien, in denen diese Tests beschrieben werden, wurden jedoch überwiegend in der Praxis oder im Krankenhaus durchgeführt und sind nicht formal für Hausbesuche validiert. Die Messung des hochsensitiven Troponins vom Typ POC («POC hs-Troponin») könnte sich ebenfalls als nützlich für die häusliche Pflege erweisen, aber der Rahmen für seine Anwendung muss ebenfalls durch Studien an dieser Bevölkerungsgruppe präzisiert und validiert werden.

Therapeutika

Pharmakologische Massnahmen (Tab. 2)

Die im Folgenden empfohlenen Behandlungen beziehen sich auf Situationen, die am ehesten bei einem dringenden Hausbesuch auftreten können. Wir haben Medikamente ausgewählt, die bei Raumtemperatur gelagert werden können (die Hersteller geben in der Regel eine Temperatur zwischen 15 und 25°C an). Das Set sollte an einem trockenen und dunklen Ort aufbewahrt werden. Um die Qualität der Medikamente zu gewährleisten, sollte es nicht über längere Zeit im Auto aufbewahrt werden, wo die Temperatur extreme Werte erreichen kann. Die Liste unterscheidet zwischen grundlegenden Bestandteilen und solchen, die je nach Praxis spezielle oder nützliche Erfahrungen und Kenntnisse erfordern. Die Aufnahme von teuren Medikamenten sollte entsprechend dem Kontext der Praxis und der Wahrscheinlichkeit ihres Gebrauchs erfolgen.

Analgesie

Leichte Schmerzen können mit Paracetamol oder einem NSAR behandelt werden. Bei mässigen Schmerzen können Paracetamol und ein NSAR kombiniert und ein schwaches Opioid (Tramadol oder Codein) hinzugefügt werden. Bei starken Schmerzen ist ein Opioid erforderlich. Der Verabreichungsweg hängt von der Art und Schwere der Schmerzen ab, und die Wahl des Medikaments hängt von den Fähigkeiten des Arztes und den Eigenschaften des Patienten ab (14). Die parenterale Verabreichung von Opioiden erfordert wegen des Risikos einer Atemdepression oder anderer Nebenwirkungen eine Überwachung. Sie kann sich als nützlich erweisen, wenn eine palliative Behandlung erforderlich ist oder die Zeit bis zur Verlegung in ein Krankenhaus überbrückt werden muss. Für die Anwendung muss ein Gegenmittel (Naloxon) zur Verfügung stehen.

Herz-Kreislauf

Bei Verdacht auf ACS wird die Gabe von 150–300 mg Aspirin PO in nicht magensaftresistenter Form (oder 75–250 mg IV) empfohlen, wobei eine frühe präklinische Gabe wahrscheinlich einen Mortalitätsvorteil hat (9, 15). Bei Allergien kann eine Ladedosis Clopidogrel (300–600 mg PO) verabreicht werden (16). Vor einer Koronarangiographie wird eine doppelte Antikoagulation nicht empfohlen (9). Bei ischämisch bedingten Thoraxschmerzen ist eine Nitrattherapie sinnvoll.

Bei einer hypertensiven Krise (ohne Organschaden) kann der Blutdruck – unter Vermeidung eines plötzlichen Blutdruckabfalls – durch Anpassung der üblichen Behandlung und Hinzufügen eines Moleküls gesenkt werden. Wir empfehlen Nifedipin retard (17). Die symptomatische Herzinsuffizienz erfordert eine Behandlung mit Diuretika, intravenös oder parenteral, und Nitratderivaten bei akutem Lungenödem (18). Bei Tachyarrhythmien (Vorhofflimmern, symptomatische Extrasystolen) empfehlen wir einen Betablocker, sofern eine begleitende Herzinsuffizienz vorliegt.

Atemsystem

Bei leichter bis mittelschwerer Asthmaexazerbation wird empfohlen, in der ersten Stunde alle 20 Minuten 4–10 Sprühstösse (400–1000 mcg) Salbutamol im Dosieraerosol, möglichst mit Inhalationskammer, und 20–40 mg Prednison PO zu verabreichen. Im Falle einer Verschlechterung oder einer schweren Exazerbation sollte Ipratropiumbromid hinzugefügt werden, bis eine notfallmässige Krankenhauseinweisung erfolgt (21). Eine leichte bis mittelschwere COPD-Exazerbation sollte mit einem kurzwirksamen Beta-Agonisten ± in Kombination mit Ipratropiumbromid, einer fünftägigen Kortikosteroidtherapie mit Prednison 40 mg und einer Antibiotikatherapie bei Verdacht auf eine Infektion behandelt werden (22). Die Behandlung von COPD-Exazerbationen sollte mit einem kurzwirksamen Beta-Agonisten ± in Kombination mit Ipratropiumbromid, einer fünftägigen Kortikosteroidtherapie mit Prednison 40 mg und einer Antibiotikatherapie bei Verdacht auf eine Infektion erfolgen.

Im Falle einer Sauerstoffentsättigung ist häufig eine Sauerstofftherapie erforderlich, die eine Überweisung in ein Krankenhaus nach sich zieht, wobei insbesondere bei Patienten in Pflegeheimen die Vor- und Nachteile einer Überweisung sorgfältig abgewogen werden müssen. Aufgrund der hohen Kosten eines Sauerstofftherapiegerätes (mehrere tausend Franken für einen tragbaren Konzentrator) haben wir dieses Gerät nicht in unser Set aufgenommen. Sie kann jedoch je nach Art der Praxis und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von lebensbedrohlichen Notfällen in Betracht gezogen werden.

Anaphylaxie

Bei einer Anaphylaxie mit kardiovaskulärer oder respiratorischer Beteiligung ist die frühzeitige Verabreichung von Adrenalin IM (auf der anterolateralen Seite des Oberschenkels) in einer Dosis von 0,5 mg, die bei Bedarf nach 5 Minuten wiederholt werden muss, von grösster Bedeutung. Bei Angioödemen oder ausschliesslichem Hautbefall ist eine Antihistaminika-Behandlung in der Regel ausreichend (23). Glukokortikoide werden häufig eingesetzt, um das Risiko einer biphasischen Reaktion zu verringern, aber es gibt keine Belege für ihre Wirksamkeit und ihre routinemässige Verabreichung wird nicht mehr empfohlen (24).

Metabolismus

Im Falle einer Hypoglykämie bei einem Diabetiker besteht die Behandlung in der Gabe von 15–20 g Glukose PO, gefolgt von einem Snack oder einer Mahlzeit. Wenn die Verabreichung PO nicht möglich ist, besteht die Behandlung in der Verabreichung von Glukose 20–25 g IV oder Glukagon 1 mg SC oder IM (25). Bei Hypoglykämie und Verdacht auf Thiaminmangel oder nachgewiesenem Gayet-Wernicke-Syndrom steht die sofortige Korrektur der Hypoglykämie im Vordergrund, die Thiaminsubstitution kann in einem zweiten Schritt so schnell wie möglich erfolgen (26).

Verdauungstrakt

Bei Verdauungsbeschwerden empfehlen wir als Antiemetikum Domperidon (nicht bei wahrscheinlicher Hypo­kaliämie oder langem QT wegen der Gefahr einer QT-Verlängerung), als Antidiarrhoikum Loperamid, als Antispasmodikum Butylscopolamin.

Verlängerung), Loperamid als Antidiarrhoikum, Butylscopolamin als Antispastikum und Lansoprazol als Protonenpumpenhemmer. Auch die Ausrüstung zur Durchführung eines Einlaufs sollte vorhanden sein.

Neuropsychiatrie

Als Antiepileptikum, das intravenös oder intramuskulär verabreicht werden kann, empfehlen wir Midazolam, das in einigen Apotheken auch in einer intranasalen Formulierung erhältlich ist. Diazepam ist eine Alternative, aber die Zeit bis zum Erreichen der Spitzenkonzentration ist bei den IM- und IN-Formen länger (27). Lorazepam als Injektionslösung muss im Kühlschrank aufbewahrt werden und ist daher nicht für ein Notfallset geeignet. Akute Dystonien, die sekundär zu einer antidopaminergen Therapie (typischerweise einem Neuroleptikum) auftreten, erfordern die Gabe eines Anticholinergikums wie Biperiden (Akineton®) als PO oder IV (28).

Bei akuter Agitation kann nach Versagen nicht-pharmakologischer Massnahmen eine Behandlung mit Benzodiazepinen (z.B. Lorazepam 2.5 mg PO, Midazolam IM oder IV) oder Antipsychotika erforderlich sein. Olanzapin hat ein geringeres Risiko für QT-Verlängerung und extrapyramidale Störungen als die Neuroleptika der ersten Generation. Haloperidol, ein Antipsychotikum der 1. Generation, hat jedoch den Vorteil, dass es wesentlich kostengünstiger ist (29). Benzodiazepine werden auch zur Behandlung von Angstzuständen eingesetzt.

Infektiologie

Wir schlagen Antibiotika für die empirische Therapie häufiger Infektionen vor, die ambulant behandelt werden können, gemäss den Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie (30). Die Behandlung ist den mikrobiologischen Befunden anzupassen, sofern diese vorliegen.

Bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen empfehlen wir Nitrofurantoin. Für Harnwegsinfektionen ohne Fieber bei Männern (die nicht auf die Ergebnisse einer Kultur warten können) oder Pyelonephritis bei Frauen empfehlen wir nach mikrobiologischer Untersuchung des Urins Ciprofloxacin (beachten Sie, dass die Food and Drug Administration eine «Boxed Warning» wegen des Risikos von Tendinopathien herausgegeben hat). Für Prostatitis wird derzeit Ceftriaxon IV empfohlen, die orale Alternative ist Ciprofloxacin, ebenfalls nach Kultur. Bei ambulant behandelter Pneumonie mit Komorbiditäten wird Co-Amoxicillin empfohlen, bei Penicillinallergie ein Chinolon wie Levofloxacin. Die SGI hat keine Empfehlung für die Dermohypodermitis veröffentlicht, aber das Co-Amoxicillin deckt die häufigsten verursachenden Keime ab. Ceftriaxon kann bei Verdacht auf Meningitis mit Meningokokkämie oder im Schockfall zur Verabreichung IM oder IV das Notfall-Set ergänzen (31).

Toxikologie

Angesichts des häufigen Gebrauchs von Opiaten wird empfohlen, das Antidot Naloxon bereitzuhalten. Das ­Benzodiazepin-Antidot Flumazenil kann bei einer Monotoxizität hilfreich sein, es besteht jedoch die Gefahr von epileptischen Anfällen, insbesondere bei Polyintoxikation, Benzodiazepin-Abhängigkeit oder zugrunde liegender Epilepsie. Bei anderen Vergiftungen besteht die Behandlung hauptsächlich in einer unterstützenden Behandlung, bis eine Überweisung in ein Krankenhaus erfolgt.

Sonstiges

Kristalloidbeutel (Natriumchlorid 0,9 % 500 ml oder Ringerlaktat 500 ml) sind als Fülllösung nützlich, Flaschen mit NaCl 0,9 % zur Spülung der Venenwege, Hautdesinfektionslösung zur Desinfektion von Wunden und kleinen Eingriffen, Lokalanästhesielösung für Nähte und Anästhesiegel zum Legen eines Blasenkatheters. Tranexamsäure kann lokal zur Blutstillung eingesetzt werden (Tab. 2).

Material

Grundausstattung

Die Grundausstattung wird für alle Notfallkoffer benötigt und ist in Tabelle 3 aufgeführt. Die erweiterte Ausrüstung hängt von der vorhandenen Praxisumgebung und der Erfahrung des Arztes ab. Für die Verabreichung von Sedativa oder Antiepileptika (z. B. Midazolam) kann ein Mucosal Atomization Device (MAD) hilfreich sein.

Kardiorespiratorisches System

Mit einer nasopharyngealen (Wendel) oder oropharyngealen (Guedel) Kanüle (Abb. 1) können die Atemwege bei Bewusstlosigkeit offen gehalten werden. Eine Taschenmaske und ein Beatmungsbeutel sind im Falle einer Reanimation hilfreich. Beim Einsatz von Bronchodilatatoren bei akuter Atemnot wird die Verwendung einer Inhalationskammer empfohlen.

Obwohl ein Herz-Kreislauf-Stillstand eines Patienten in der Arztpraxis ein seltenes Ereignis ist (32), sind Hausärzte potenziell einer Risikopopulation ausgesetzt. Die Durchführung der kardiopulmonalen Reanimation durch Hausärzte verbessert die Überlebenschancen der Patienten (33), und die Defibrillation eines Herz-Kreislauf-Stillstand mit schockbarem Rhythmus durch Ersthelfer ausserhalb des Krankenhauses verbessert das Überleben bei gutem neurologischem Status im Vergleich zur Defibrillation durch den Rettungsdienst ab einer Zeitspanne von 4 Minuten zwischen Notruf und Eintreffen des Rettungsdienstes (34). Die Ausstattung mit einem Defibrillator kann für Praxen mit erhöhtem Risiko für lebensbedrohliche Notfälle (abgelegene Gebiete, risikoreiche Eingriffe, Gemeinschaftspraxen) relevant sein und ist auch bei Hausbesuchen angezeigt, insbesondere bei Hausbesuchen ohne vorherige Telefontriage, in Gebieten, die für präklinische Notfallmassnahmen schwer zugänglich sind, oder in Gebieten mit geringer Dichte an verfügbaren automatischen externen Defibrillatoren.

Traumatologie

Es kann sinnvoll sein, eine kleine Naht beim Patienten zu Hause durchzuführen, um die Inanspruchnahme eines Notfalldienstes zu vermeiden. Gewebekleber kann bei kleinen, linearen, sauberen und spannungsfreien Wunden eine Naht ersetzen (35). Bei externen Blutungen können blutstillende Kompressen (z. B. Tabotamp oder Quik Clot) hilfreich sein. In Polytrauma-Situationen (z. B. Medikation bei Sportveranstaltungen) kann eine provisorische Schiene, ein Beckengurt oder ein Tourniquet hilfreich sein. Eine Halskrause kann hilfreich sein, ihr Nutzen in diesem Zusammenhang wird jedoch diskutiert (36).

Verschiedenes

Wir schlagen vor, dass die Möglichkeit besteht, einen peripheren Venenzugang zu legen, eine Infusion zu verabreichen und einen Blasenkatheter im Falle einer Harnverhaltung zu legen. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann es bei einem Todesfall mit einem Herzschrittmacher erforderlich sein, die Ausrüstung zur Extraktion des Herzschrittmachers und zur Durchführung einer Naht bereitzuhalten.

Administratives

Tabelle 4 enthält einen Vorschlag für administrative Unterlagen und Inhalte. Im Todesfall sind die Formulare für die Sterbeurkunde unerlässlich.

Schlussfolgerung

Der Inhalt des Notfallkoffers sollte grundlegende diagnostische und therapeutische Materialien enthalten, die je nach Praxiskontext und Erfahrung des Arztes durch umfangreichere Materialien ergänzt werden können. Eine umfassendere Ausstattung ermöglicht es, auf mehrere Situationen zu reagieren und möglicherweise Überweisungen in medizinische Einrichtungen zu vermeiden, insbesondere bei älteren Patienten, die zu Hause oder in Pflegeheimen leben.

Der Einsatz tragbarer Ultraschallgeräte kann die diagnostischen Möglichkeiten erweitern und eine gezieltere Behandlung ermöglichen. Die Entwicklung von Point-of-Care-Tests, die in wenigen Minuten auf tragbaren Geräten durchgeführt werden können, ist interessant und sollte regelmässig überprüft werden. Die Integration eines Defibrillators in die Ausrüstung ermöglicht die Reanimation bei Herzkreislaufstillstand und erhöht die Überlebenschancen bei gutem neurologischem Zustand im Falle eines defibrillierbaren Rhythmus. Je nach Art der Praxis oder der Entfernung zum präklinischen Rettungsdienst kann eine solche Ausstattung sinnvoll sein.

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Olivier Thorens

GHOL – Hôpital de Nyon
Notfalldienst
Chemin Monastier 10
1260 Nyon

othorens@protonmail.com

Dr. med. Philippe Staeger

Unisanté – Département des policliniques
Rue du Bugnon 44
1011 Lausanne

Prof. Dr. med. Pierre-Nicolas Carron

CHUV – Notaufnahme
Abteilung für interdisziplinäre Zentren
Rue du Bugnon 44
1005 Lausanne

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Hausbesuche helfen in manchen Fällen die Inanspruchnahme von Notdiensten zu vermeiden.
  • Der Inhalt des Notfallkoffers sollte so umfassend sein, dass er für verschiedene Situationen geeignet ist. Er sollte je nach Art der Praxis und der
  • Erfahrung des Arztes/der Ärztin angepasst werden.
  • Die Utraschalluntersuchung ist auch zu Hause durchführbar und kann die diagnostischen Möglichkeiten verbessern.
  • Die Defibrillation bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand kann die Überlebenschancen bei gutem neurologischen Status verbessern und die Integration eines Defibrillators kann angemessen sein, wenn die Praxis in abgelegenen Gebieten stattfindet oder wenn die Interventionen nicht durch eine vorgeschaltete Zentrale geregelt werden.

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Muskelaufbau und ­Gesundheit bei Älteren

In jedem Lebensalter ist aus Gesundheitsgründen eine moderate Dauerleistungsaktivität im Umfange von 150 Minuten pro Woche empfohlen. Im Pensionsalter kommt es aufgrund einer subklinischen Entzündungslage im Körper zu einem Muskelmasseverlust (Sarkopenie). Bis zum 80sten Lebensjahr wird die körperliche Leistungsfähigkeit dadurch in etwa halbiert. Es ist deswegen im Alter zum Erhalt der Muskelmasse indiziert, 2 – 3 mal wöchentlich, ein gezieltes Krafttraining aller Muskelgruppen der oberen und der unteren Extremität sowie der Rumpfmuskulatur durchzuführen. Dies sollte mit jeweils 10 – 15 erschöpfenden Kontraktionen geschehen. Die Gesundheitswirksamkeit des aeroben Trainings ist der Freisetzung von Zytokinen (Myokine oder Exerkine) aus der belasteten Muskulatur zuzuschreiben. Zum Muskelaufbau bedarf es zusätzlich eines Krafttrainings, welches einen gezielten mechanischen Reiz setzt, der im Dauerleistungstraining nicht erreicht wird.

It is generally accepted that 150 Minutes per week of moderate to intensive endurance activity has multiple health relevant benefits. Starting at retirement age a systemic low-grade inflammation leads to progressive muscle mass loss such that by age of 80, the physical performance capacity is practically halved. To reduce muscle loss a 2 – 3 times weekly strength training program is recommended including all major muscle groups of the upper and lower extremity as well as the trunk. Individual training sets should lead to exhaustion of the targeted muscles in 10 – 15 contractions. The health benefit of aerobic training is mediated by the release of cytokines (myokines or exerkines) from the activated muscles. Additional strength training is needed for muscle build-up or maintenance as endurance type training does not induce sufficient mechanical stress in activated muscles.
Key Words: Sarcopenia, muscle loss, elderly patients, training, muscle build-up

Leistungsfähigkeit im Alter

Es ist die allgemeine Erfahrung, dass unsere körperliche Leistungsfähigkeit mit dem Alter abnimmt. Allerdings stellen wir fest, dass der Abfall der Dauerleistungsfähigkeit, gemessen als maximal erreichbare Leistung auf dem Ergometer, bis zu einem Alter von 60 Jahren bescheiden ausfällt (1, 2). Nach 60 ist der Abfall allerdings steil; zwischen dem 60. und dem 80. Lebensjahr halbiert sich die aerobe Leistungsfähigkeit in etwa.

Als Hauptursache der Abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit mit dem Älterwerden ist vor allem die lineare, altersbedingte Abnahme der maximalen Herzfrequenz zu nennen (3). Dazu kommt der in höherem Alter zunehmende Verlust an Muskelmasse (Sarkopenie), welcher die Abnahme der Leistungsfähigkeit stark beschleunigt (4). Der Erhalt dieser Muskelmasse und die Bekämpfung der Sarkopenie sind der Fokus dieser kurzen persönlichen Darstellung. Es wird dabei versucht, praktische Trainingsempfehlungen mit den Mechanismen der altersbedingten Leistungseinschränkungen zu begründen.

Bewegungsempfehlungen

Für gesunde Erwachsene fordert das ACSM (American College of Sports Medicine) 150 Minuten moderate bis intensive (vigorous) körperliche Tätigkeit pro Woche (5). Diese Empfehlung ist unbestritten und gilt grundsätzlich für alle Erwachsenen und alle Lebensalter. Die Vorgaben für ältere Erwachsene sind im Copenhagen Consensus Statement 2019 Physical Activity and Ageing, zusammengefasst und erscheinen etwas weniger strikt (6). Man geht davon aus, dass sich bei Älteren die günstigen Auswirkungen körperlicher Aktivität bei niedrigeren Volumina und Intensitäten einstellen. Dabei hält das Copenhagen Consensus Statement zusätzlich fest, dass körperliche Tätigkeit nicht nur gegen zivilisatorische Erkrankungen wirkt, sondern auch den altersbedingten kognitiven Abbau verzögert und einen günstigen Einfluss auf Parkinson und Alzheimer nimmt.

Praktisch bedeutet dies für Menschen im Pensionsalter (65+), dass sie idealerweise fünfmal in der Woche über mindestens 30 Minuten körperlich aktiv sein sollten. Aufgrund der niedrigeren geforderten Intensitäten ist es nicht mehr notwendig zu joggen; es genügt ein etwas akzentuierter Spaziergang z.B. mit dem Hund. Die Sportart, die man sich auswählt, spielt für den Erhalt der Gesundheit keine Rolle und sollte aufgrund der persönlichen Präferenz gewählt werden. Schwimmen, Rudern und Radfahren sind dabei ebenso geeignet wie Wanderungen oder Ausflüge mit dem E-Bike oder allenfalls Yoga und Pilates. Im Alter geht es nicht mehr um «schweisstreibendes Training», sondern um bewusst genussreiches Bewegen, wobei mehr das Volumen als die Intensität im Vordergrund stehen sollte. Im Alter braucht es keinen aufwändigen Trainingsplan, wie er notwendig ist, wenn man seine Leistungsfähigkeit gezielt verbessern will. Man trainiert nicht mehr für die Verbesserung der Leistung, sondern für den Erhalt der Gesundheit und der Lebensqualität.

Eine ideale Alterssportart ist das Golfspiel. Dabei ist man in jeder Golfrunde 3–4 Stunden intermittierend, aber nie maximal körperlich aktiv. Für das Golfspiel spricht zusätzlich der Umstand, dass für jeden Golfschlag höchste geistige Konzentration, Koordination und ein gutes Gleichgewicht gefordert sind. Es kommen damit eine ganze Reihe komplexer, kognitiver Fähigkeiten ins Spiel. Golf betreibt man idealerweise in einer Gruppe von zwei bis maximal 4 Personen. In diesem Sinne kann Golf zum Erhalt der sozialen Integration beitragen. Jeder Golfclub betreibt für weibliche (Ladies) und männliche Senioren spezielle Seniorengruppen und reserviert dafür auch Spielzeiten und Turniere. Leider ist Golf teuer und stellt psychomotorisch ausserordentlich hohe Anforderungen. Golf lässt sich aber auch noch im Pensionsalter erlernen, wenn man gewillt ist, die damit verbundenen Frustrationen zu ertragen.

Es gibt also beliebig viele Möglichkeiten, auch im Alter körperliche Dauerleistungstätigkeiten in genügendem Umfange und mit Spass zu betreiben, insbesondere da einem im Alter normalerweise genügend Zeit dazu zur Verfügung steht.

Sarkopenie

Mit den beschriebenen Tätigkeiten, auch wenn im erforderlichen Umfange betrieben, bleibt das Problem der Sarkopenie nur teilweise gelöst. Auch bei adäquater körperlicher Tätigkeit wird im Alter ein Verlust an Muskelmasse stattfinden und den Leistungszerfall beschleunigen. Der Begriff Sarkopenie wurde von Rosenberg (7) geprägt und bezeichnet im engeren Sinne den altersbedingten Verlust an Muskelmasse und Funktion. Rosenberg nennt als Ätiologie für Sarkopenie: Bewegungsarmut, vermehrtes Muskelfett, Insulin Resistenz, Verlust an Motoneuronen, verminderte Proteinaufnahme, erhöhtes Interleukin-6, Abnahme an Östrogen und Testosteron sowie verminderte Abgabe von Wachstumshormon (8). Die genannte Ätiologie benennt damit im Wesentlichen die bekannten positiven und negativen Regulatoren der Muskelmasse (Abb. 1).

Zentral wird die Muskelmasse durch den molekularen Effektor mTorc geregelt. Dabei ist mTorc für die translatorische Steuerung der Synthese der muskulären und anderer Proteine verantwortlich. Mechanischer Reiz und anabole Hormone scheinen einen dominanten Reiz auf das Wachstum der Muskelzelle zu haben. Wobei mechanischer Reiz kombiniert mit anabolen Hormonen besonders wirksam ist (9). Auch Insulin und Wachstumshormon gehören zu den wesentlichen positiven Regulatoren der Muskelmasse, dabei nimmt die Belastung der Muskulatur selbst einen wesentlichen Einfluss auf die Sekretion der genannten Hormone und Wachstumsfaktoren (10). Als weiterer kritischer Faktor für Muskelwachstum und Muskelerhalt ist die ausreichende Zufuhr von Proteinen über die Nahrung – dabei ist die Aminosäure Leucin der molekular relevante Effektor.

Der dominante negative Regulator der Muskelmasse ist das Myostatin, ein Mitglied der TGF-beta (transforming growth factor-beta) Superfamilie. Wird Myostatin in Mäusen ausgeschaltet, so entwickeln diese eine Muskelhypertrophie im Bereich einer zwei- bis dreifachen Zunahme der Masse individueller Muskeln (11). Der naheliegende klinische Einsatz von Myostatin-Antagonisten oder ­ähnlich wirkenden pharmakologischen Interventionen zur Bekämpfung der Sarkopenie scheint aber vorderhand noch ausser Reichweite (12). Als Therapien erster Wahl gelten deswegen körperliche Aktivität (vor allem ­Krafttraining) und die alimentäre Unterstützung (im Fokus steht die Protein Supplementierung).

Weitere wichtige negative Regulatoren der Muskelmasse sind Glucocorticoide und Hypoxie. Der Glucocorticoid induzierte Muskelmasseverlust muss als Kollateralschaden der Therapie mit Glucocorticoiden als Entzündungshemmer in rheumatischen Erkrankungen oder im Rahmen von Krebstherapien gesehen werden. Beim Muskelmasseverlust durch Hypoxie spielt es keine Rolle, ob die systemische Hypoxie aufgrund eines lange währenden Aufenthalts in grosser Höhe besteht oder durch COPD verursacht wird.

In den Vordergrund des klinischen Interesses ist in der letzten Zeit die durch eine chronische Entzündungslage im ­Organismus hervorgerufene Sarkopenie gerückt (13). Alterungsprozesse an der Mitochondrienpopulation, speziell in der Muskulatur, scheinen dabei besonders bedeutend. Verantwortlich sind Fehler im mitochondrialen Proteinmetabolismus, der mitochondrialen Biogenese und der Autophagie (14). Man geht davon aus, dass für die mitochondriale Dysfunktion vor allem für eine Anhäufung von Sauerstoffradikalen (ROS) verantwortlich ist. Dadurch kommt es zu einer Entzündungslage in der Muskulatur. Betroffen ist aber nicht nur die Muskulatur, das grösste Organ unseres Körpers, sondern alle Organsysteme. Diese altersbedingte Entzündungslage im Organismus wird mit dem Begriff «Inflammaging» belegt (15). Inflammaging wird als Hauptgrund für die altersbedingte Sarkopenie angesehen (16).

Myokine, Exosomen und Inflammaging

Über die letzten 20 Jahre konnte etabliert werden, dass der aktivierte Muskel als endokrines Organ funktioniert und eine Vielzahl von kleinen Peptiden (Zytokine) freisetzt, welche als Myokine bezeichnet werden. Die Myokine dienen primär der Kommunikation zwischen den Organen (organ crosstalk, (17)). Es ist ebenfalls etabliert, dass viele, der durch den aktiven Muskel freigesetzten Zytokine, eine anti-inflammatorische Aktivität besitzen (18). Der aktive Muskel setzt aber nicht nur Zytokine, sondern auch sogenannte Exosomen frei (19). Exosomen sind Mikrovesikel, welche die genannten Myokine enthalten, daneben aber auch verschiedene Nukleinsäuren wie, microRNA, messenger RNA und mitochondriale DNA. Der Inhalt dieser Exosomen soll für die multisysteme Wirkung von körperlicher Aktivität verantwortlich sein. Dies beinhaltet einerseits multiple, günstige metabole Anpassungen im Organismus, als auch die Verminderung des Risikos für Inaktivität assoziierte Erkrankungen wie Arteriosklerose, kardiovaskuläre Erkrankungen, einige Krebsarten, Osteoarthritis, Obesitas, metaboles Syndrom, Diabetes 2 und Depression. Safdar und Tarnopolski (19) schlagen deswegen den Begriff «Exerkine» für die Gesamtheit der durch Muskeltätigkeit freigesetzten Exosomen vor. Regelmässige körperliche Aktivität ist damit anerkanntermassen der wichtigste modifizierbare Faktor in der Ätiologie der genannten Erkrankungen. Einen wesentlichen Anteil der günstigen Wirkung der regulären, körperlichen Aktivität wird dabei deren anti-inflammatorischen Effekt zugeschrieben (20).

Tatsächlich kann man mit 150 Minuten moderater Aktivität pro Woche die wesentlichen positiven Effekte auf die multiplen «zivilisatorischen» Erkrankungen erreichen. Wir können davon ausgehen, dass die Muskelmasse bis circa ins Pensionsalter ohne zusätzliche Massnahmen erhalten bleibt. Es ist offensichtlich, dass der ab dem 60. –65. Lebensjahr beschleunigt, auftretende Verlust an Leistungsfähigkeit vor allem dem in den Vordergrund tretenden Muskelabbau zuzuschreiben ist. Wir müssen deswegen in dieser Altersgruppe spezifische Massnahmen zum Erhalt der Muskelmasse ins Auge fassen.

Krafttraining im Alter

Die von der ACSM und vom Copenhagen Consensus Statement vorgeschlagenen 150 Minuten körperlicher Tätigkeit kann als Dauerleistungsbelastungen charakterisiert werden. Dabei wird eine grössere Muskelmasse bei einem Bruchteil der maximal möglichen Leistung über längere Zeit belastet. Dies führt zu einem Anstieg der Atmung und Herzfrequenz, weil der Energiebedarf aerob gedeckt werden muss. Die Wirkung der Belastung ist damit systemisch. Die mechanische Belastung der einzelnen, an der Bewegung beteiligten Muskeln bleibt allerdings gering. Dauerleistungstraining führt also per se nicht zu einer Zunahme der Muskelmasse der belasteten Muskeln oder deren Kraft, sondern nur zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Gesamtorganismus (21).

Ist das Ziel einer Belastung die Vergrösserung des Muskelquerschnitts oder der Kraft, muss dazu eine Form von Krafttraining gewählt werden. Beim Krafttraining werden Muskelgruppen mit wenigen, fast maximalen Belastungen bis zur Erschöpfung ausgelastet. Ein Satz (oder Set) beschreibt dabei eine Einheit aus mehreren nacheinander ausgeführten Wiederholungen derselben Bewegung. Steht der Gewinn an Muskelmasse im Vordergrund (Hypertrophie Training), wird die Belastung so gewählt, dass mit 8 –12 Wiederholungen eine vollständige Ausbelastung erfolgt. Das ACSM empfiehlt in seinen Guidelines für ältere und gebrechliche (frail) Personen 10 –15 Wiederholungen (22). Sind in einem Set 15 Wiederholungen möglich – kann das Gewicht bzw. die Belastung erhöht werden. Dabei wird die Einzelbelastung in einem Set auf die maximal mögliche Belastung in einer Einzelkontraktion bezogen. Diese Belastung wird als 1RM bezeichnet. Bei Hypertrophie Training wird typischerweise mit Belastungen von 65 bis 85 % von 1RM trainiert.

Im Krafttraining gibt es unendlich viele Varianten eines effektiven Trainings zum Gewinn oder Erhalt von Muskelmasse und Kraft (23). Man kann mit freien Gewichten trainieren oder an Kraftmaschinen, man kann das eigene Körpergewicht zum Training verwenden oder an elektronisch kontrollierten Maschinen, welche den ­Widerstand in beide Richtungen der Bewegung variieren können. Die Art und Weise des Krafttrainings spielt vermutlich eine geringe Rolle – Hauptsache man trainiert 2–3 mal in der Woche und vermeidet dabei häufig gemachte Fehler. In einer Metaanalyse von 47 Studien zeigt Peterson (23) an einer Population von 1047 über 50-Jährigen einen Kraftzuwachs in vier Muskelgruppen von 24 % bis 33 % bei zwei bis drei Trainings pro Woche, einer Trainingsdauer von 6 bis 24 Wochen und einer Belastung von 40 % bis 80 % von 1RM. Dieses erstaunliche Resultat zeigt, dass eigentlich jegliches Krafttraining, unabhängig von der gewählten Modalität, effektiv ist.

Hinweise zum effektiven Training im ­Älterwerden

Sinnvollerweise kombiniert man ab einem Alter von 60–65 Jahren Dauerleistungstraining nach Vorgaben des Copenhagen Consensus Statements mit zwei Krafttrainingseinheiten. Letztere sollten an nicht konsekutiven Tagen stattfinden. Es liegen zurzeit noch keine gesicherten Daten dazu da, inwieweit dabei die Krafttrainingseinheiten die Dauerleistungseinheiten in Bezug auf die Exerkin Produktion ersetzen können. Wir dürfen aber davon ausgehen, dass auch im Krafttraining Exerkine in ähnlichem Umfange freigesetzt werden wie im Dauerleistungstraining (24).
Beim Krafttraining sollte auf ein vernünftiges Aufwärmen der zu trainierenden Muskulatur geachtet werden. Dazu eignen sich für die untere Extremität mindestens 10 Minuten auf dem Fahrradergometer bei leichter Belastung (50 –100 Watt). Für die obere Extremität wäre ein Oberkörperergometer ideal. Man kann die Oberkörpermuskulatur aber auch mit einem Cross-Trainer oder mit einer Rudermaschine für mindestens 10 Minuten aufwärmen.

Bei älteren Erwachsenen empfiehlt sich die Verwendung von Krafttrainingsgeräten. Training mit freien Gewichten ist koordinatorisch wesentlich anspruchsvoller und sinnvollerweise nur dann zu wählen, wenn schon Erfahrung im Training mit freien Gewichten besteht. Koordinatorische Aspekte sollten im Alter eher mit separaten Koordinationsübungen geübt werden. Zur Festlegung der Belastungen in den einzelnen Übungen sollte man die Hilfe des Personals des Trainingszentrums in Anspruch nehmen. Damit wird auch sichergestellt, dass die ­Ausführung der einzelnen Übungen korrekt erfolgt und auf richtiges Atmen geachtet wird.

Eine Trainingseinheit sollte alle grösseren Muskelgruppen der oberen und der unteren Extremität umfassen. Es ist darauf zu achten, dass auch die Rumpfmuskulatur, besonders die Rumpfrotation, in den gewählten Übungen zum Zuge kommt. Insgesamt ergeben sich dadurch etwa 10 –12 Übungen. Bei der Auswahl der Übungen ist darauf zu achten, dass mono artikuläre Übungen (z.B. reine Knieextension oder Knieflexion) ungünstig sind, weil bei diesen Übungen die Gelenkbelastungen höher sind als bei Übungen in einer sogenannten «geschlossenen» Muskelkette (z.B. der Beinpresse). Mono artikulare Übungen sind vor allem dann abzulehnen, wenn degenerative Gelenkerkrankungen vorliegen.
Im Gegensatz zu der häufig propagierten Ansicht, zwei bis drei Sets (also Wiederholungen einer Übung) zu machen, genügt gerade im Alter ein einzelnes Set vollständig (25, 26). Wenn nicht maximaler Muskelmasse- oder Kraftgewinn im Vordergrund steht, scheint es sinnvoller zu sein, die Trainingszeit auf eine grössere Anzahl verschiedener Übungen zu verteilen.

Die Datenlage für die gesundheitlichen Vorteile vermehrter körperlicher Aktivität in allen Lebensaltern ist erdrückend. Es besteht ein weitestgehender Konsens, dass dazu 150 Minuten körperliche Dauerleistungstätigkeit von moderater Intensität genügt. Aufgrund der im Alter zunehmend wichtiger werdenden Sarkopenie und dem damit assoziierten Muskelmasseverlust ist es dringend geraten, ab 60–65 Jahren mindestens zwei Trainingseinheiten Krafttraining an nicht konsekutiven Wochentagen in den individuellen Lebensplan einzubauen.

Copyright
Aerzteverlag medinfo AG

Prof. em. Dr. med. Hans Hoppeler

Universität Bern, Institut für Anatomie
Baltzerstrasse 2
3012 Bern

Barbara Grünig Hoppeler

Physiotherapie und Osteopathie
Hühnerbühlrain 40
3065 Bolligen

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • 150 Minuten/Woche moderate körperliche Aktivität ist in
    jedem Alter empfohlen
  • Im Pensionsalter führt eine subklinische Entzündungslage
    zu Sarkopenie
  • Gezieltes Krafttraining wird deswegen im Alter zum
    Muskelaufbau empfohlen
  • Dazu sind 10–15 erschöpfende Kontraktionen der wichtigsten
    Muskelgruppen nötig.

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Das kardio-renale metabolische Syndrom (KRM): eine neue kardiovaskuläre Entität

Ein von Boehringer Ingelheim gesponsertes Webinar, welches vom Zurich Heart House und vom London Heart House organisiert wurde, widmete sich einer neuen kardiovaskulären Entität, dem kardio-renalen-metabolischen Syndrom. Unter dem Vorsitz von Prof. Thomas Lüscher, London/Zürich, und Prof. Thomas Rosemann, Zürich, präsentierten internationale Experten neue Konzepte zu Herz- und Nierenkrankheiten.

Prof. Thomas F. Lüscher und Prof. Thomas Rosemann Chairmen am Webinar des Zürich Heart House und des London Heart House

Herz-Kreislauf-, Nieren- und Stoffwechsel­erkrankungen (KRM): das neue klinische Konzept auf dem Vormarsch

Dr. Janaka Karalliedde

Herz-Kreislauf-, Nieren- und Stoffwechselkrankheiten stellen weltweit eine hohe Krankheitslast dar, stellte Dr. Janaka Karalliedde, London, eingangs fest. Diese Krankheiten sind miteinander verbunden und durch Behandlung der einen Krankheit verbessern wir auch die anderen, so der Referent. Ungefähr 50 % der Personen, die mit Herzinsuffizienz diagnostiziert werden, werden innerhalb von 5 Jahren nach Diagnose versterben. Es besteht ein grosser ungedeckter Bedarf in der Behandlung der Herzinsuffizienz und es gibt kaum zugelassene Therapien für einige ihrer Formen (z. B. HFpEF). Die geschätzte weltweite Prävalenz der chronischen Nierenkrankheit (CKD) beträgt mehr als 11 %. CKD ist in ihren frühen Stadien asymptomatisch, was dazu beiträgt, dass die Krankheit bei betroffenen Menschen und bei Ärzten kaum bekannt ist. Die Prävalenz von Typ 2 Diabetes (T2D) ist hoch und nimmt in allen Regionen zu.

Die Wechselwirkungen zwischen dem Stoffwechselsystem, dem Herzen und den Nieren sind multifaktoriell und komplex. Inflammation, oxidativer Stress und die Entwicklung von Insulinresistenz und Hyperglykämie führen zur Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS), zu einer Natrium- und Wasser­retention und zu Organschaden und -dysfunktionen. Überschüssiges dysfunktionales Fettgewebe, Glomerulosklerose, tubulointerstitielle Fibrose, glomeruläre Hyperfiltration, Hypertonie, Dyslipidämie, metabolisches Syndrom Diabetes führen zu chronischer Nierenerkrankung, Entzündung, oxidativem Stress, Insulinresistenz und münden in Gefässdysfunktion, Atherosklerose und Myokardinfarkt. Dabei lassen sich verschiedene Stadien unterscheiden, wie der Referent ausführte. Im Stadium 0 sind keine Risikofaktoren vorhanden, Stadium 1 zeichnet sich durch exzessives, dysfunktionales Fettgewebe aus. Im Stadium 2 tauchen metabolische Risikofaktoren und Nierenerkrankung auf. Im Stadium 3 und 4 kommen subklinische kardiovaskuläre Krankheit bei KRM-Syndrom dazu.
Kardiovaskuläre, renale und metabolische Zustände treten häufig nebeneinander auf, weil sie miteinander verbunden sind. Ein Patient – ein Fall – ein klinisches Team, so der Referent.

Bei Typ-2 Diabetes nimmt das Risiko für Herzinsuffizienz um das 3-fache zu. Das Risiko für chronische Nierenkrankheit um das 10-fache. 80 % der Patienten weisen eine Hypertonie auf.

Die chronische Nierenkrankheit zeigt eine zunehmende Rate an Todesfällen. 2013 lag sie an 19. Stelle, 2017 an 12. Stelle und gemäss Vorhersage für 2040 liegt sie an 5. Stelle. Chronische Nierenkrankheit und Herzinsuffizienz sind die häufigsten ersten kardiorenalen Krankheitsmanifestationen bei Patienten mit T2D trotz angemessenem Blutzuckermanagement. Der Referent begründete die Tatsache, warum wir früher handeln sollten, am Beispiel eines Hochrisiko-Patienten, dessen eGFR von 86 auf 20 innerhalb von nur 6 Jahren abfiel.

Ein klinischer Nutzen entsteht durch die Therapie mit einem SGLT2-Hemmer.

CARAMEL: Die Häufung von Herz-Kreislauf-, Nieren-, Fettstoffwechsel-, Augen- und Lebererkrankungen bei Typ-2-Diabetes

Dr. Karalliedde wies auf den Begriff CARAMEL hin. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Herzversagen, Nieren-, Leber-, Augen- und Beinleiden sind Erscheinungsformen derselben (CARAMEL) Erkrankung. Typ-2-Diabetes ist sowohl ein Symptom der CARAMEL-Krankheit als auch eine treibende Kraft für ihr Fortschreiten in verschiedenen Geweben. Die Diabetes-Leitlinien konzentrieren sich jetzt auf die Identifizierung und das aggressive Management von Hochrisikopersonen mit der CARAMEL-Krankheit.

Chronische Nierenkrankheit und Herzinsuffizienz sind die häufigsten ersten Krankheitsmanifestationen bei Patienten mit T2D trotz angemessenem Glucose-Management. In einer grossen multinationalen Kohorten-Studie (N=772’336) bei Patienten mit T2D (18 %) ergab sich als erste klinische Manifestation die chronische Nierenkrankheit (39 %), gefolgt von Herzinsuffizienz (24 %), Schlaganfall (16 %) Myokardinfarkt (14 %) und Periphere Verschlusskrankheit (19 %).

SGLT-2 Inhibition

Wir haben nun ein Medikament, welches nicht nur die Blutglucose reguliert, sondern auch einen kardiovaskulären Nutzen bringt. Die SGLT2-Hemmer haben sich von der Blutzuckerkontrolle zum Organschutz entwickelt. Sie zeigen einen kardiovaskulären Benefit auch bei Patienten ohne Diabetes. Es sind damit Medikamente, die nicht nur den Diabetologen vorbehalten sind, sondern uns allen gehören, so der Referent.

Frühes Eingreifen wichtig

Der Referent demonstrierte anhand eines Patienten, bei dem die eGFR innerhalb von sechs Jahren von 86 auf 20 abfiel, die Notwendigkeit einer umfassenden klinischen Abklärung. Diese umfasste die Hausarztpraxis, die Diabetesklinik, eine Hospitalisierung in der Diabetes- und kardiologischen Klinik sowie eine Hospitalisierung in der Diabetesklinik, der Kardiologie und Nierenklinik.

Fazit

– Patienten mit Diabetes haben ein signifikant höheres Risiko für Krankheit und frühen Tod und der Schaden kann entstehen, bevor sich die Symptome entwickeln.
– Klinische Trägheit hat nachteilige Auswirkungen auf die klinischen Ergebnisse und die Lebensqualität der Patienten. Wir verfügen mittlerweile über Medikamente, die die klinischen Ergebnisse schnell verbessern. Diese Gelegenheit, die Krankheit früh zu behandeln, sollte nicht verpasst werden.
– Die weit verbreitete Erkrankung durch CRM und die damit verbundenen Komorbiditäten können die Auswahl der Behandlung zu einem komplizierten Prozess machen. Die SGLT2-Hemmer können dies vereinfachen und sind einfach zu verabreichende Medikationen.
– Wirksamere und frühe Behandlung von CRM und den Komorbiditäten reduziert die gesamten Gesundheitskosten und verbessert die Lebensqualität der Patienten.
– Bei T2DM müssen wir uns auf den Nutzen von Diabetes-Medikamenten zur Prävention von CRM-Komplikationen konzentrieren.

Wie lassen sich die klinischen ­Ergebnisse bei CRM-Patienten mit Diabetes verbessern?

Prof. Marc Donath

Der typische Diabetes-Patient, den Prof. Marc Donath, Basel, vorstellte, hat unter anderem ein vergrössertes Herz, geschwollene zyanotische Füsse und Flüssigkeit, die die Lunge umgibt. Der Referent wies zunächst auf die Inhibition der Glucoseausscheidung in den Urin durch die SGLT2-Hemmer hin. Die Glukosurie mit SGLT2-Inhibition beträgt 50-80 g Glucose pro Tag, was 200 bis 320 Kalorien entspricht. Dies gilt auch für Personen ohne Diabetes.

SGLT2-Inhibitoren senken HbA1c, das Körper­gewicht (80–100 g Glucose sind ca. 300 bis 400 Kal/Tag) sowie den Blutdruck. Es entstehen keine Hypoglykämien und alle Kombinationen sind möglich.

Aber

Die Behandlung mit SGLT2-Hemmern kann mit genitalen Infektionen oder Ketoazidosen (selten) einhergehen.

Die SGLT2-Hemmung senkt den renalen Schwellenwert für die Glukoseausscheidung, was zu renaler Glykosurie, einer Verschiebung der Substratverwertung von der Kohlenhydrat- zur Fettoxidation und Hyperglukagonämie führt; dies stellt ein theoretisches Risiko für eine Ketoazidose (einschliesslich einer euglykämischen Ketoazidose) dar, wenn andere auslösende Faktoren vorliegen, insbesondere eine Verringerung der Insulindosis oder eine geringe Kohlenhydratzufuhr.

Übergewicht ist ein Hauptrisikofaktor für viele Krankheiten

1. Diabetes
2. Kardiovaskuläre Krankheiten (Herzattacken, Schlaganfall …)
3. Krebs
4. Gelenkschmerzen und -erkrankungen (Osteoarthritis, Gicht …)
5. Neuroinflammation (Depression, Alzheimer …)

Das therapeutische Ziel bei Typ 2 Diabetes ist die Behandlung des metabolischen Syndroms, d.h. Senkung des Körpergewichts, von HbA1c, der Lipide und des Blutdrucks.
Solange der BMI nicht normalisiert ist, wird das therapeutische Ziel nicht erreicht.

Die chronische Nierenkrankheit: das verbindende Organ für KRM

Prof. Christoph Wanner

Ein Patient mit frühem T2D hat ein erhöhtes Risiko von Komplikationen wegen metabolischen Störungen und damit zusammenhängenden Risikofaktoren, stellte Prof. Christoph Wanner, Würzburg/Oxford, fest. Das Vorhandensein der kardio-renalen Krankheit geht mit einem erhöhten Risiko für Mortalität bei Personen mit Typ 2 Diabetes einher. Beim Vergleich gepoolter Sterberisiken in Verbindung mit dem Vorhandensein einer kardiovaskulären oder Nierenerkrankung im Vergleich zu einer kardiovaskulär und renal Risiko-freien Gruppe von Menschen mit T2D (N=772’336) entwickelten 137’081 von 772’336 Menschen (18 %) eine erste CVRD-Manifestation. Die Lebenserwartung ist beim Vorhandensein der kardio-renalen metabolischen Krankheit bei 60-Jährigen um 9–11 Jahre reduziert. Erhaltung der Nierengesundheit bedeutet Verlangsamung der Progression.

Das kardiovaskuläre Risiko und die Nierengesundheit werden gemäss den Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Primärprävention aufgrund der Punkte A (Albuminurie), B (Blutdruck), C (Cholesterin), D (Diabetes), E (eGFR) bewertet.

Warum A und E?

Gemäss den KDIGO CKD-Guidelines (Kidney Int Suppl 2013;3:1–150) stellen die eGFR und die Albuminurie wichtige Marker für die kardiovaskuläre Vorhersage dar. Sie sind nicht nur Prädiktoren für die Nierenkrankheit, sondern auch für kardiovaskuläre Ereignisse. Bei einer eGFR von 60–90 ist noch keine Funktionseinschränkung vorhanden. Dies ändert sich jedoch bei einer erhöhten Albuminurie. Eine erhöhte Albuminurie stellt ein frühes Zeichen für eine Nierenkrankheit dar. Das Urinalbumin/Kreatinin-Verhältnis (UACR) gibt die Geschwindigkeit der Progression an und ist damit ein entscheidendes Kriterium in der Vorhersage einer Nieren­erkrankung.

Praktische Hinweise zur Identifizierung durch ­Albuminurie-Messungen

Die meistenHausärzte messen UACR nicht. UACR ist aber mindestens ebenso wichtig wie eGFR. Bezüglich UACR stellte der Referent die folgenden Fragen (die 5 Ws)
Wann? Nehme ich eine Probe? Spoturin am Morgen
Wo? Wohin senden? Zentrallaboratorium
zusammen mit Blutprobe
Was? Was kostet es? 3 Euro 40 Cent (in Deutschland)
Wer? Wer bezahlt? Krankenkasse (Unterschiedlich nach Ländern)
Was? Was bedeutet es (mg/g)? UACR ist ein Mass für die Durchlässigkeit der Niere. Und ein Mass für die Geschwindigkeit der Progression einer Nierenfunktionsstörung.

Multifaktorieller Ansatz zur Verringerung des kardio-­renalen Risikos bei Personen mit KHK und T2DM – heute und morgen

RAS-Blockade: RENAAL, IDNT
SGLT2 Inhibition: CREDENCE, DAPA-CKD,
EMPA-KIDNEY
Ns-MRA: FIDELIO-DKD
GLP-1-RAs: FLOW
Die medikamentöse Therapie wird immer kombiniert mit Lebensstilmodifikation und Diabetes-Schulung.
Die weltweite Prognose der Todesursachen im Jahre 2040: Die chronische Nierenkrankheit wird vom derzeitigen 15. Platz auf Platz 5 vorstossen, dies die Prophezeiung der WHO.

Was muss ein Hausarzt über KRM wissen?

Dr. Sarah Jarvis

Mit den 5 W’s begann Frau Dr. Sarah Jarvis, London. Was ist die chronische Nierenkrankheit? Warum müssen wir auf CKD screenen? Wen sollten wir auf CKD screenen? Was verwenden wir für das CKD-Screening? Was tun wir als nächstes?

Eine chronische Nierenkrankheit ist eine Reduktion der Nierenfunktion oder ein struktureller Schaden (oder beides) während mehr als 3 Monaten mit assoziierten gesundheitlichen Auswirkungen: eGFR < 60 ml/min/1.73 m2 und/oder UACR > 3 g/mmol2

In der Schweiz leben 10 % der Bevölkerung mit CKD. In UK sind ca. 44 % der Personen mit CKD nicht diagnostiziert.

Warum sollen wir für CKD screenen?

Die Inzidenz beträgt 89 %, die Prävalenz 87 %, Tod durch Nierenversagen 98 %. Invalidität und angepasste Lebensdauer 62 %.
Die Referentin wies auf die Prognose der Nieren­krankheit durch GFR und Albuminurie hin. Ein Nierenschaden kann aber sogar vorkommen, bevor die Nierenfunktion abzunehmen beginnt.

Wer sollte auf CKD gescreent werden?

Screening mit egGFR, Serumkreatinin und Urin ACR sollte bei Personen mit den folgenden Risikofaktoren durchgeführt werden: Diabetes, Hypertonie, akuter Nierenschaden, strukturelle Nierenerkrankung, rezidivierende Nierensteine, Prostatahypertrophie, kardiovaskuläre Erkrankung, Multisystemerkrankung, Familienanamnese für Endstadium der Nierenerkrankung, Hämaturie oder Proteinurie, Gicht.

Was verwenden wir zum Screening?

eGFR ist ein Mass für die Restnierenfunktion. UACR ist ein Mass für Albuminurie; hohe Werte deuten auf einen Nierenschaden hin.

Weitere Schritte

Als Nächstes folgt die entsprechende Kodierung der Diagnose und die Befolgung der Guidelines zur Überwachung, Überprüfung auf zusätzliche Faktoren, die die Nierenfunktion beeinflussen, und die Anwendung der empfohlenen Therapien.

Dies sollte aber nicht nur bei Patienten mit Diabetes getestet werden, sondern auch bei Patienten mit erhöhtem Blutdruck. eGFR und UACR sind beide unabhängige Prädiktoren nicht nur für die Nierenkrankheit, aber auch für das Risiko für kardiovaskuläre Krankheit. Wenn wir vom Stadium A1 der Albuminurie zu Stadium A2 gehen, verdoppeln wir das Risiko, wenn wir zu Stadium A3 gehen, nimmt das Risiko um weitere 50 % zu.

Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren

Die EMPA-KIDNEY Studie umfasste ein breiteres Spektrum von Patienten als andere SGLT2i CKD Studien – einschliesslich Patienten mit niedrigen eGFR ohne Albuminurie. Die Behandlung mit Empagliflozin führte zu einem geringeren Risiko für das Fortschreiten der Nierenerkrankung oder den Tod durch kardiovaskuläre Ursachen als Placebo. In der DAPA-CKD bei Patienten mit eGFR 25–75 und UACR 200 bis 5000, unabhängig vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Diabetes, war das Risiko für eine anhaltende Abnahme der eGFR um mindestens 50 %, für eine Nierenerkrankung im Endstadium oder für den Tod durch Nieren- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen unter Dapagliflozin signifikant geringer als unter Placebo. Auch in der CREDENCE Studie mit Canagliflozin das Risiko für Nierenversagen und kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und Nierenerkrankung eGFR 30bis < 90, UACR >300 bis 5000) war das Risiko für Nierenversagen und kardiovaskuläre Ereignisse in der Canagliflozin-Gruppe geringer als in der Placebo-Gruppe bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 2.62 Jahren.

Die Guidelines empfehlen eine frühe Intervention mit SGLT2-Inhibitoren als Schlüssel für eine erfolgreiche Therapie.

Was ist bei der Verschreibug von Empagliflozin zu ­beachten?

Indikation: Schule den Patienten in der Indikation, für welche Empagliflozin verschrieben wird.
Hypoglykämie (bei Patienten mit T2D): Bei Anwendung in Kombination mit einem Sulfonyharnstoff oder mit Insulin muss eine niedrigere Dosis des Sulfonylharnstoffs oder des Insulins in Betracht gezogen werden, um das Risiko einer Hypoglykämie zu verringern.
Volumenverlust: Vorsicht bei Patienten, bei denen ein Blutdruckabfall ein Risiko darstellen könnte, z. B. bei Patienten mit bekannten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei Patienten, die eine blutdrucksenkende Therapie einnehmen und bei denen in der Vergangenheit eine Hypotonie aufgetreten ist, oder bei Patienten über 75 Jahren.
Über die Nieren hinaus, kann Empagliflozin einen dreifachen Schutz für eine breite Palette von Patienten bieten:
T2D und CVD: Verringerung der 3P-MACE, Verringerung der CV-Todesfälle
Herzinsuffizienz: primäres Komposit-Ergebnis Verringerung des Risikos eines Todesfalls oder einer Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, sowohl bei HFrEF als auch bei HFpEF
CKD: Verringerung des Risikos des Fortschreitens der Nierenerkrankung oder des kardiovaskulären Todes.

SGLT2-Inhibitoren werden nicht nur für die Prävention der Nierenkrankheit verschrieben, sondern auch für die kardiovaskuläre Prävention und für Typ 2 Diabetes. Sie sind einfach in der Applikation, es ist eine Tablette pro Tag, keine langsame Einführung, keine Dosisanpassung, so die Referentin.

Fettleibigkeit und Herzinsuffizienz: Wie passen sie in das kardio-renale-metabolische Konzept?

KHK, CKD und T2DM: die maligne Triade.

Prof. John Deanfield

Richard Bright stellte vor bald 200 Jahren fest, dass es eine wichtige Beziehung zwischen Herz und Niere gibt. Dies bildet die Grundlage für die maligne Triade von Herz, Niere und Diabetes, stellte Prof. John Deanfield, London, eingangs fest.

Die KHK verursacht mehr als 30 % der Morbidität und Mortalität der Bevölkerung. 799 Mio. leiden weltweit an KHK, einer in 20 Todesfällen. Mehr als 460 Mio. Erwachsene leiden an T2DM, 40 % haben auch eine CKD. Eine der beiden Krankheiten verschlechtert das Ergebnis in den anderen beiden Fällen. Welche Disziplin erwischt Dich als erstes? Der Kardiologe, der Diabetologe, der Nephrologe, der Psychologe, der Onkologe, der Neurologe, der Gastroenterologe oder ein anderer «-ologe»?

Die Fettleibigkeit ist eine schwere chronische Krankheit mit alarmierende Fakten

764 Mio. Erwachsene leben mit Fettleibigkeit (WHO-Daten von 2020). 30–49 % der Weltbevölkerung sind übergewichtig/fettleibig (2.8–3.5 Bio Personen). Ein erhöhter BMI führte zu 4 Mio. Todesfällen im Jahre 2015 mit mehr als 2/3 wegen KHK.

Fettleibigkeit ist mit multiplen Komplikationen vergesellschaftet: Chronische Nierenkrankheit, Kardiovaskuläre Krankheiten wie Stroke, Dyslipidämie, Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Lungenembolie, HFpEF, HFrEF. Type 2 Diabetes, Prädiabetes, Schlafapnoe, Thrombose. Dazu kommen als Folge Depression, Angstzustände, Asthma, NAFLD, Gallensteine, chronische Rückenschmerzen, Unfruchtbarkeit, Inkontinenz, Knie-Osteoarthritis.

Zusammenwirkende Ursachen und Triebkräfte der HFpEF sind myokardiale Fibrose, Stau, Herzmuskelverdickung, abnormale Herzkontraktion, abnormale Herzrelaxation, Hypertonie, Nierenfunktionseinschränkung, Vorhofflimmern, Inflammation, Diabetes, Fettleibigkeit, chronotrope Inkompetenz, Rechtsherzinsuffizienz, Lungengefässfunktionsstörung, mikrovaskuläre koronare Herzkrankheit, epikardiale koronare vaskuläre Krankheit.

Anti-Obesitas-Medikamente in der Pipeline

Eine ganze Reihe von neuen Medikamenten zur Senkung des Blutzuckers und zur Gewichtsreduktion befindet sich in Phase 2 oder ist bereits zugelassen.
– GLP-1 RA SEMAGLUTID zugelassen für Fettleibigkeit von der FDA 2021
– GIP/GLP-1RA TIRZEPATID FDA. 2023 zugelassen für Fettleibigkeit
– AMYLIN/GLP-1RA CAGRI-SEMA- Phase2
– GLUCAGON/GLP-1 RA SURVOTIDE-Phase 2
– PEMVIDUTIDE -Phase 2
– GIP/GLUCAGON/GLP-1 RA RETRATRUDE – Phase 2
– SEMAGLTUIDE oral -OASIS – Phase 3
– ORAL GLP-1RA ORFORGLIPRON – Phase 2
– DANUGLIPRON – Phase 2
– AMG133 – Phase 2

Kardio-renale Guidelines

Einsatz neuartiger Wirkstoffe. Alle Guidelines empfehlen SGLT2-Hemmer, Glp-1RA als First-Line Medikamente bei T2DM-Patienten mit KHK und CKD. Was geschieht mit Nicht-Diabetikern? Die Studien mit SGLT2 Inhibitoren haben gezeigt, dass ihre Wirkung auch bei Patienten ohne Diabetes vorhanden ist.

Frühzeitige Massnahmen zur Verhinderung von T2DM, CKD und KHK

Übergewicht mit 2 Jahren sagt den Status mit 35 Jahren voraus. Ein BMI in der 50. bis 74. Perzentile, d. h. innerhalb des akzeptierten Normalbereichs, während der Adoleszenz wurde mit einer erhöhten kardiovaskulären und Gesamtmortalität während der 40-jährigen Nachbeobachtungszeit in Verbindung gebracht. Übergewicht und Fettleibigkeit waren stark mit einer erhöhten kardiovaskulären Sterblichkeit im Erwachsenenalter verbunden (Twig G et al. NEJM 2016;374:2430-2440).

Fettleibigkeit, und Herzinsuffizienz: Wie passen sie in das kardio-renale Konzept?

Fettleibigkeit verändert die Landschaft der kardio-renalen Erkrankungen in der Bevölkerung.

HF mit erhaltener Auswurffraktion entwickelt sich zur vorherrschenden Erscheinungsform. Neue Medikamente können bei Patienten mit Übergewicht, T2DM, CKD und CVD sowie Herzinsuffizienz helfen.

Frühzeitiges Eingreifen zur Verhinderung der Entwicklung dieser bösartigen Triade könnte einen Paradigmenwechsel bei der Erhaltung der Gesundheit von Patienten und Bevölkerung bedeuten. Dies das Fazit des Referenten.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Friedrich Schiller: Raubbau an seinem Körper

Als Friedrich Schillers Drama «Wilhelm Tell» am 17. März 1804 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wurde, war Friedrich Schiller bereits todkrank. Gut ein Jahr später, am 1. Mai 1805, erlitt der Dichter während seines letzten Besuchs des Hof­theaters einen Zusammenbruch mit langanhaltenden Fieberkrämpfen und ­Bewusstlosigkeit. Acht Tage später starb er.

Patient: Friedrich von Schiller
Geboren: 10. November 1759 in Marbach am Neckar
Gestorben: 9. Mai 1805 in Weimar

Seit zwei Jahrhunderten hat jede Ärztegeneration die Krankengeschichte und Obduktion Friedrich von Schillers nach ihrem Wissensstand betrachtet. Über seine Krankheiten und Todes­ursache existiert eine unübersehbare Fülle an Literatur.

Nach Aussagen seiner Schwester Christophine war Schiller «vom frühesten Alter an ein zartes Kind», dem schon die üblichen Kinderkrankheiten stark zusetzten. Als 14-Jähriger musste er auf Anordnung des Landesherrn, des Württembergischen Herzogs Karl Eugen, unfreiwillig auf die Militärakademie. Schon dort lag er häufig im Krankenzimmer, meist mit Husten und «Lungenkatarrh». Während seines fünfjährigen Medizinstudiums ab 1776 lernte er tagsüber Medizin, nachts widmete er sich seiner Leidenschaft, der Schriftstellerei. Im dritten Studienjahr obduzierte Schiller in der Hohen Karls-Schule in Weimar einen Medizinmitstudenten, der an Tuberkulose gestorben war. Ob er damals angesteckt wurde, wie viele Forscher vermuten, ist unklar. Nach sieben Jahren auf der «Militär-Pflanzschule» wurde er Regimentsmedikus, Militärarzt. Heimlich begann er sein erstes Hauptwerk zu schreiben, «Die Räuber», das im Januar 1782 uraufgeführt wurde. Das vom Pubikum bejubelte Stück, das Kritik an der Obrigkeit übte, verärgerte Herzog Karl Eugen. Schiller musste für 14 Tage in der Stuttgarter Hauptwache in Arrest, und der Herzog verbot ihm zukünftig jede literarische Tätigkeit. Schiller floh nach Mannheim, wo er 1783 Theaterdirektor am Nationaltheater wurde.
Anfang September 1783 erkrankte der 24-Jährige an einem «kalten Fieber» (damalige Bezeichnung für Schüttelfrost) und an der «gallichten Sucht» (so nannte man eine zeitweilige Gelbfärbung der Haut). Aus Kalendernotizen und Briefen Schillers ist bekannt, dass er unter regelmässig auftretenden Fieberanfällen litt, was auf eine Malariainfektion hindeutete. Schiller hat sich, wie auch häufig später, selbst behandelt, mit Brechweinstein, Chinarinde, Wassersuppen, fleischloser Diät. Er schrieb: «Chinarinde esse ich wie Brot».

Schiller klagte über die Schwäche seines Körpers

Schiller war ein Nachtarbeiter, er schrieb seine Werke in durchwachten Nächten. Abends, wenn ihn die Gesellschaft verliess, stellte er Wein, Liköre, Schnupftabak und Kaffee parat, er rauchte und arbeitete bis zum Morgengrauen. Inspirierend wirkte auf ihn der Geruch faulender Äpfel. So sehr er in seinen Briefen die Schwäche des Körpers beklagte, so wenig nahm er Rücksicht auf seine Gesundheit. (Schillers Lebensweise war seinen Freunden bekannt. Goethe schrieb darüber: «Seine durchwachten Nächte haben unseren Tag erhellt.»)

Am Nachmittag des 3. Januar 1791 befiel den 32-jährigen Dichter während eines Konzerts in Erfurt ein heftiges Fieber. Er erkrankte an Rippenfell- und Lungenentzündung. Seine Studenten, darunter der junge Novalis, teilten sich die Nachtwachen. Schiller hatte hohes Fieber, er hustete mit Eiter vermischtes Blut aus. Die damals gängigen Behandlungen mit Aderlässen, Zugpflaster, Brech- und Abführmitteln verschafften ihm keine Linderung. Erst nach mehreren Wochen konnte er das Krankenbett verlassen. Danach klagte er über «fortdauernde schmerzhafte Spannungen in der Brust». Nach vorübergehender Besserung erlitt er im Mai 1791 eine weitere schwere Krankheitsattacke. Als Mediziner registrierte er seine Zustände genau und schilderte: «Der Atem wurde so schwer, dass ich über der Anstrengung Luft zu bekommen, bei jedem Atemzug ein Gefäss in der Lunge zu zerspringen glaubte.» Dazu klagte er über «starken Fieberfrost» und «Krämpfe im Unterleib und Zwerchfell». Unter seinen Bekannten zirkulierte bereits das Gerücht, Schiller sei unheilbar an «Lungensucht», der damaligen Bezeichnung für Tuberkulose, erkrankt.

Der Verlauf von Schillers Leiden von 1791 bis zu seinem Tod 1805 setzte sich mit einer Kette von Krankheitserscheinungen fort, richtig gesund wurde er nie mehr. Katarrh, Fieber, Husten und zeitweise Bettlägrigkeit begleiteten sein weiteres Leben. Dies manifestiert sich auch in vielen Äusserungen gegenüber Freunden und Bekannten. In einem Brief an Goethe im September 1794, bei dem es um einen Besuch ging, schrieb Schiller: «Ich bitte bloss um die leidige Freyheit, bey Ihnen krank seyn zu dürfen».

Der Jugendfreund, Staatsrat und spätere Biograf Christian Gottfried Körner schrieb 1796 über den Dichter: «Schiller selbst wandelt, ja man möchte sagen, rennt unaufhörlich im Zimmer herum… Oft sieht man ihm sein körperliches Leiden an, besonders wenn ihn die Erstickungsanfälle anwandeln. Wenn es zu arg wird, geht er hinaus und braucht irgendein Palliativ. Kann man ihn in solchen Momenten in eine interessante Unterredung ziehen, so verlässt ihn das Übel wieder, um sogleich zurück zu kommen, wenn nichts mehr zu erörtern übrig ist. Überhaupt sind ihm anstrengende Arbeiten das sicherste Mittel für den Augenblick. Man sieht, in welcher ununterbrochenen Spannung er lebt und wie sehr der Geist bei ihm den Körper tyrannisiert…».

Im Januar 1798 schrieb Schiller an Körner über den in Arbeit befindlichen «Wallenstein»: «Hätte ich 10 Wochen ununterbrochener Gesundheit, so wäre er fertig; so aber habe ich kaum das Drittheil der Zeit zu meiner Disposition.»

Champagner zum «Heben der Kräfte»

Im Todesjahr 1805 hatte Schiller zwei Krankheitsattacken. Im Februar litt er vor allem unter Verstopfung und Blähungen, vermutlich aufgrund der Tuberkulose. «Die verwünschten Verstopfungen! Sie bringen mich alle Jahre um ein Trauerspiel!».

Am Mittwoch, 1. Mai 1805, hatte er sich entschlossen, den Abend im Theater zu verbringen: die Bühnenatmosphäre bedeutete für ihn immer Zauber und Anregung.

Dr. med. Stephan Keusch

Praxisgemeinschaft Lungdocs
Merkurstrasse 20
8032 Zürich

Daridorexant

Schlaf ist ein körperlicher und geistiger Zustand, der durch ein verändertes Bewusstsein, eine erheblich gehemmte sensorische Aktivität, eine verringerte Muskelaktivität und – während des REM-Schlafs (Rapid Eye Movement) – durch eine fast vollständige Hemmung der willentlichen Muskeln gekennzeichnet ist (1). Schlafmangel wird als Schlaflosigkeit bezeichnet, die sich negativ auf die Funktion des menschlichen Körpers auswirkt. Chronische Unzufriedenheit mit der Schlafdauer oder -qualität, Schwierigkeiten beim Einschlafen, häufiges nächtliches Aufwachen mit Schwierigkeiten beim Wiedereinschlafen und früheres Aufwachen als gewünscht sind alles Symptome der Schlaflosigkeit, aber es gibt keine allgemeingültige Theorie zur Erklärung ihrer pathophysiologischen Ursache (2).

Schlaflosigkeit gilt als die weltweit am weitesten verbreitete Schlafstörung, und ihre Prävalenz liegt je nach Diagnose und Testverfahren zwischen 4,4 und 4,8 % (3,4). Nach einer US-amerikanischen Untersuchung aus den Jahren 1994-1995 litten 23 % der Bevölkerung an Symptomen von Schlaflosigkeit (3). Ähnliche Forschungsergebnisse wurden in Polen gefunden, wo 50,5 % der Befragten (58,9 % Frauen und 41,1 % Männer) über Anzeichen von Schlaflosigkeit berichteten (5,6).

Orexin-Rezeptoragonsiten und ihre Wirkung

Die Orexin-Rezeptor-Antagonisten wirken auf die Erregungsbereiche im Hirnstamm/Hypothalamus, indem sie auf das Orexin-System (2) abzielen, welches die Neuropeptide Orexin A und Orexin NB und ihre beiden G-Protein gekoppelten Rezeptoren (GPCRs) umfasst.: die orexin-Rezeptoren 1 (OX1r) und 2 (OX2r). Die Orexine sind an einer Reihe von Funktionen beteiligt, von der Modulation autonomer Funktionen bis hin zu höheren kognitiven Funktionen wie Belohnungssuche, Aufmerksamkeit, Verhalten, Stimmung und Kognition [8]. Interessanterweise ist die Orexin-Signalübertragung auch an Stimmungsstörungen beteiligt, die mit einer niedrigen hedonischen Spannung oder Anhedonie einhergehen, wozu Depressionen, Angststörungen, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen und Sucht gehören [8]. Da die Orexin-Neuropeptide in kleinen Neuronenpopulationen im Hypothalamus exprimiert werden, ist ihre Aktivität während der Aktivitäts- und Wachphasen am höchsten, während des Schlafs jedoch nicht aktiv (9). Die Hemmung sowohl von OX1r als auch von OX2r reduziert die Aktivität der wachmachenden Neuronen und die weit verbreitete Hemmung der neuronalen Bahnen (10). Dieser neue Ansatz zur Behandlung von Schlaflosigkeit setzt den Einsatz eines dualen Orexin-Antagonisten (DORA) wie Daridorexant voraus. Daridorexant hat sowohl in Tier- als auch in Humanstudien vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Seine Aktivität wurde auf der Grundlage eines auf der Physiologie basierenden pharmakodynamischen und pharmakokinetischen Modells bewertet. Die Anwendung von Daridorexant gilt als sicher und hat keine klinisch bedeutsamen Nebenwirkungen, einschließlich des Ausbleibens von Resteffekten am nächsten Morgen. In einer rezenten Publikation wurde ein umfassender Überblick über Daridorexant gegeben (11).

Fazit

Daridorexant, a new selective DORA agent, acts as competitive orthosteric antagonists and exhibits good brain penetration. Importantly, it promotes sleep with preserved sleep-architecture, and its action leaves no next-morning side effects, which sets it apart from typical hypnotic agents such as benzodiazepines. The activity of daridorexant was confirmed in a number of both animal and human trials that allowed evaluating the impact of daridorexant on the duration of REM and non-REM phase, appropriate dosage, pharmacokinetics and the influence of daridorexant on daily functioning. All of these studies led to a better understanding of its mechanism of action and safety. It was established that the drug is safe for patients with mild to moderate OSA at a dose of 50 mg, and it did not relevantly influence cardiac repolarization. Additionally, the influence of daridorexant on driving showed that it was safer than other hypnotic drugs. Therefore, it seems that daridorexant can become a hypnotic alternative to improve the life of patients suffering from insomnia.

Quelle: Ziemichod W et al. A Comprehensive Review of Daridorexant, a Dual-Orexin Receptor Antagonist as New Approach for the Treatment of Insomnia. Molecules. 2022 Sep; 27(18): 6041. Published online 2022 Sep 16. doi: 10.3390/molecules27186041

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Ree M., Harvey A. Oxford Guide to Behavioural Experiments in Cognitive Therapy. Oxford University Press; Oxford, UK: 2004. Insomnia; pp. 287–305. [Google Scholar]
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3. Ohayon M.M. Epidemiology of insomnia: What we know and what we still need to learn? Sleep Med. Rev. 2002;6:97–111. doi: 10.1053/smrv.2002.0186.
4. Sateia M.J. et al. Clinical practice guideline for the pharmacologic treatment of chronic insomnia in adults: An American Academy of Sleep Medicine Clinical Practice Guideline. J. Clin. Sleep Med. 2017;13:307–349. doi: 10.5664/jcsm.6470.
5. Nowicki Z. et al.Prevalence of self-reported insomnia in general population of Poland. Psychiatr. Pol. 2016;50:165–173. doi: 10.12740/PP/58771.
6. Wichniak A., Wierzbicka A.E. Jarema M. Treatment of insomnia-effect of trazodone and hypnotics on sleep. Psychiatr. Pol. 2021;55:743–755. doi: 10.12740/PP/125650.
7. Zisapel N. Drugs for insomnia. Expert Opin. Emerg. Drugs. 2012;17:299–317. doi: 10.1517/14728214.2012.690735.
8. Katzman M.A., Katzman M.P. Nurobiology of the Orexin System and Its Potential Role in the Regulation of Hedonic Tone. Brain Sci. 2022;12:150. doi: 10.3390/brainsci12020150.]
9. Dauvilliers Y. Daridorexant, a New Dual Orexin Receptor Antagonist to Treat Insomnia Disorder. Ann. Neurol. 2020;87:347–356. doi: 10.1002/ana.25680.
10. Roch C. et al. Nonclinical pharmacology of daridorexant: A new dual orexin receptor antagonist for the treatment of insomnia. Psychopharmacology. 2021;238:2693–2708. doi: 10.1007/s00213-021-05954-0.
11. Ziemichod W et al. A Comprehensive Review of Daridorexant, a Dual-Orexin Receptor Antagonist as New Approach for the Treatment of Insomnia. Molecules. 2022 Sep; 27(18): 6041. Published online 2022 Sep 16. doi: 10.3390/molecules27186041