Moderne minimalinvasive Klappenchirurgie

Valvuläre Herzkrankheiten stellen eine rasch zunehmende Ursache für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene in der Schweiz dar. Seit ihrer Einführung in den frühen 1990er Jahren hat sich die minimalinvasive Klappenchirurgie als signifikanter Fortschritt in der Therapie valvulärer Herzkrankheiten erwiesen. Der Begriff „minimalinvasive Klappenchirurgie“ bezieht sich nicht auf ein einzelnes Verfahren, sondern auf allgemeine therapeutische Strategien, die darauf abzielen, das chirurgische Trauma zu reduzieren, indem die Grösse der Inzisionen minimiert und der chirurgische Zugang so modifiziert wird, dass eine herkömmliche vollständige Sternotomie vermieden wird.

Valvular heart disease is a rapidly increasing cause of cardiovascular morbidity and mortality both globally and nationally in Switzerland. Since its introduction in the early 1990s, minimally invasive valve surgery has proven to be a significant advance in the treatment of valvular heart disease. The term “minimally invasive valve surgery” does not refer to a single procedure, but to general therapeutic strategies aimed at reducing surgical trauma by minimising the size of incisions and modifying the surgical approach to avoid a conventional full sternotomy.
Key Words: Valvular heart disease, cardiovascular morbidity, minimally invasive valve surgery, sternotomy

Einführung

Die weltweit am häufigsten diagnostizierten valvulären Pathologien umfassen die Aortenklappenstenose und -insuffizienz, rheumatische und ischämische Mitralklappenvitien sowie, seltener, Erkrankungen der Trikuspidal- und Pulmonalklappe. Die therapeutischen Ansätze im Management valvulärer Herzerkrankungen erstrecken sich von pharmakologischen Interventionen über klappenerhaltende operative Massnahmen bis hin zu vollständigen Klappenersatzoperationen, die mittels konventioneller medianer Sternotomie oder in minimal-invasiver Technik durchgeführt werden können. Im Folgenden werden die aktuellen minimalinvasiven Verfahren im Bereich der Klappenchirurgie vorgestellt und die Perspektiven für deren Weiterentwicklung in diesem Bereich erläutert.

Moderne Minimalinvasive Aortenklappenchirurgie

Die Fortschritte in der minimalinvasiven Aortenklappenchirurgie haben zu revolutionären Veränderungen in der Therapie von Aortenklappenerkrankungen geführt. Gegenwärtig sind die laterale Thorakotomie und die partielle Mini-Sternotomie die am häufigsten favorisierten Zugangswege für die minimalinvasive chirurgische Therapie der Aortenklappe. Die partielle Sternotomie, bekannt als “J”- oder umgekehrte “L”-Inzision, wurde erstmals 1997 von Cohn et al. für Aortenklappenoperationen implementiert und sekundär durch “L”-Inzisionen sowie umgekehrte “T”-Partial-Sternotomie erweitert (1–3). Partielle Sternotomie kann rechtsseitig (“J”), linksseitig (“L”) oder horizontal (umgekehrte “T”) ausgeführt werden und das Sternum wird in den meisten Fällen bis zum dritten oder vierten Interkostalraum eröffnet (4–6). Dadurch wird eine ausreichende Exposition der Aorta ascendens und des proximalen Aortenbogens erreicht, sodass ein minimalinvasiver Aortenklappenersatz und gegebenenfalls bei Bedarf ein begleitender Aortenwurzel- oder sogar komplexer Aortenbogenersatz nach dem Frozen Elephant Trunk-Verfahren durchgeführt werden könnten (7)(8)(9)(10)(11) (Abb. 1). Alternativ ist der parasternale oder anterolaterale Zugang via rechter anteriorer oder anterolateraler Thorakotomie eine etablierte Methode, die den Zugang durch den Interkostalraum ohne Sternumdiviation ermöglicht (4).

Quelle: Dr.med. Petar Risteski

Beide Zugangsarten ermöglichen zentrale und periphere Kanüllierung, während Kardioplegie und Cross-Clamping üblicherweise direkt durch die Inzision erfolgen. Zahlreiche Studien unterstreichen die Vorteile des minimalinvasiven Verfahrens gegenüber konventionellen Methoden, darunter kürzere Erholungs- und Krankenhausaufenthaltszeiten, reduzierten Blutverlust und weniger Transfusionen, sowie verminderte Raten von Infektionen und Vorhofflimmern (11–15). Insbesondere nach vorherigen Herzoperationen, wie beispielsweise koronaren Bypass-Operationen, bietet das minimalinvasive Verfahren eine sichere Alternative, indem sie Verwachsungen und Graftverletzungen minimiert (16).

Moderne Minimalinvasive Mitralklappenchirurgie

Walter Lillehei wird allgemein als Pionier in der Entwicklung der minimalinvasiven Mitralklappenchirurgie angesehen. Er führte bereits 1957 Mitralklappenoperationen mittels einer rechtslateralen Thorakotomie unter direkter Sicht durch (17). Im Jahr 1996 trieb der französische Herzchirurg Alain Carpentier die Weiterentwicklung in diesem Bereich voran, indem er den ersten videoassistierten Mitralklappeneingriff präsentierte (18). In den späten 1990er-Jahren expandierte der Bereich der minimalinvasiven Mitralklappenoperation durch die Integration der Video-assisted endoskopischen Technik, der Port-Access-Technik (Heartport, Inc., Redwood City, CA, USA) und endoaortalen Ballonokklusion (19,20). Ein weiterer entscheidender Fortschritt war die Einführung roboterunterstützter Verfahren in die Klappenchirurgie. So führten Carpentier et al. im Jahr 1998 die erste vollständig robotergestützte Rekonstruktion der Mitralklappe unter Verwendung des Da Vinci Surgical Systems (Intuitive Surgical, Inc., Sunnyvale, CA) durch (18). Moderne Innovationen erlauben aktuell die Ausführung von minimalinvasiven Mitralklappenoperationen, wobei nach individueller Erfahrung und Ressourcen des Zentrums mindestens eine von drei unterschiedlichen Techniken Anwendung findet: direkt sichtbare Operation via laterale Thorakotomie (Abb. 2), endoskopisch/videoassistiert oder roboterunterstützt mit sehr kleinen Inzisionen von etwa 2-3 cm Länge. Mehrere Studien haben bereits zahlreiche Vorteile der minimalinvasiven Methodik im Vergleich zu konventionellen Sternotomie-Operationen sowohl im frühen postoperativen Verlauf als auch bei langfristigem Follow-up nachgewiesen (21–29). Laut einer Metaanalyse von Al Shamry et al. verringert der minimalinvasive Ansatz postoperative Komplikationen wie Nierenversagen, Vorhofflimmern, Bluttransfusionen und Wundinfektionen und führt zu kürzeren Aufenthalten in Intensivstation und Krankenhaus sowie zu geringeren Gesamtkosten (30). Modi et al. berichteten über eine geringfügig niedrigere Sterblichkeitsrate in der minimalinvasiven Gruppe: 1,1% bei Reparaturen und 4,9% bei Ersatzverfahren, verglichen mit 1,5% bzw. 5,5% bei Mitralklappen-operationen mit medianer Sternotomie (22). Langfristige Ergebnisse sind ebenfalls positiv. Eine Meta-Analyse von Bonatti et al. verzeichnete nach 5 Jahren eine Freiheit von moderater bis schwerer Mitralklappenregurgitation von 12% bzw. 7,2% (31). McClure et al. berichteten über eine monozentrische Studie mit 1000 Patienten, wobei die Rate der Freiheit von rezidivierender, schwerer Mitralklappenregurgitation nach 1, 5 und 10 Jahren bei 99% ± 1%, 87% ± 2% bzw. 69% ± 4% lag (32).

Quelle: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Omer Dzemali

Neue Perspektiven

Die Zukunft der minimalinvasiven Klappenchirurgie wird maßgeblich durch Fortschritte in diversen Bereichen der roboterunterstützten Chirurgie, durch die Implementierung von künstlicher Intelligenz und fortschrittlichen bildgebenden Techniken geprägt sein. Ziel dieser Innovationen ist es, eine sicherere und präzisere, weit verbreitete minimalinvasive Klappenchirurgie anzubieten, die hohe Patientensicherheit mit optimalen chirurgischen Ergebnissen kombiniert.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Lilly Ilcheva

Klinik für Herzchirurgie, Universitätsspital Zürich,
Allianz Herzchirurgie Zürich

Dr. med. Petar Risteski

– Klinik für Herzchirurgie, Universitätsspital Zürich,
Allianz Herzchirurgie Zürich
– Klinik für Herzchirurgie, Stadtspitals Triemli, Allianz Herzchirurgie Zürich

Prof. Dr. med. Dr. h.c. Omer Dzemali

– Klinik für Herzchirurgie, Universitätsspital Zürich, Allianz Herzchirurgie Zürich
– Klinik für Herzchirurgie, Stadtspitals Triemli, Allianz Herzchirurgie Zürich
– Zentrum für translationale und experimentelle Kardiologie (CTEC), Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Zürich

Die hier genannten Autoren haben keine Interessenkonflikte deklariert.

◆ Die Einführung und kontinuierliche Weiterentwicklung der minimalinvasiven Klappenchirurgie repräsentieren einen bemerkenswerten Fortschritt in der Herzchirurgie. Diese innovative Methode bringt diverse Vorteile mit sich, einschliesslich einer verringerten Invasivität, geringeren perioperativen Komplikationen, einer beschleunigten Heilung und einer schnelleren Rückkehr zum Alltag sowie überlegenen kosmetischen Resultaten. Angesichts aktueller Fortschritte und technischer Entwicklungen werden Eingriffe an Aorten- und Mitralklappen in vielen Kliniken routinemäßig minimalinvasiv durchgeführt. Die Möglichkeit, minimalinvasive Einzel-, Doppel- oder Dreifach-Klappenoperationen durchführen zu können, bietet insbesondere älteren oder Hochrisikopatienten die Chance, sich einer herzchirurgischen Klappenoperation mit potenziell geringerer Invasivität und Komplikationsrate zu unterziehen.

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Kardiovaskuläres Restrisiko durch Lärm

«Prevention is better than cure» – eine Aussage die der Renaissance Humanist Desiderius Erasmus von Rotterdam (1469-1536) anscheinend erstmalig in seinem Buch «Encomium artis medicae» (Lob der Gesundheit) verwendete. Das Konzept von Erasmus hätte bei vielen Erkrankungen seine Gültigkeit: die konsequente Umsetzung könnte ca. 80% der kardiovaskulären Erkrankungen und ca. 40% der Krebserkrankung verhindern (1). Die moderne Gesellschaft spricht gerne über Prävention, vergisst dabei aber, dass Prävention nicht «konsumiert» werden kann, sondern diese muss von allen Beteiligten (nicht nur durch Patienten) konsequent umgesetzt werden. Das ist – wie wir alle wissen – anstrengend und schwierig. Ebenso wird vergessen, dass Präventionsmassnahmen nicht nur Lebensstil-Massnahmen beinhalten, sondern auch Umweltfaktoren, denen wir alle (meist ungewollt) ausgesetzt sind. Hierzu gehören nicht nur die Luftverschmutzung, sondern auch exzessive Lärm-Exposition. In diesem Beitrag soll die Bedeutung von Lärm als Risikofaktor für verschiedenste chronische Erkrankungen in Erinnerung gerufen werden.

“Prevention is better than cure” – a statement that the Renaissance humanist Desiderius Erasmus of Rotterdam (1469-1536) apparently first used in his book “Encomium artis medicae” (In Praise of Health). Erasmus’ concept would be valid for many diseases: consistent implementation could prevent about 80% of cardiovascular disease and about 40% of cancer (1). Modern society likes to talk about prevention, but forgets that prevention cannot be “consumed”, but must be consistently implemented by all those involved (not only by patients). This is – as we all know – exhausting and difficult. It is also forgotten that prevention measures do not only include lifestyle measures, but also environmental factors to which we are all (mostly unintentionally) exposed. These include not only air pollution, but also excessive noise exposure. This paper aims to recall the importance of noise as a risk factor for various chronic diseases.
Key Words: prevention, cardiovascular risk, noise exposure, chronic diseases

Einleitung

Trotz aller medizinischer Fortschritte hat sich in den letzten Jahren eine Abflachung der rückläufigen Trends der kardiovaskulären Mortalität eingestellt: so betrug z.B. in den USA der geschätzte Abfall der kardiovaskulären Mortalität bei prämenopausalen Frauen (35-54 Jahre) zwischen 1980-1989 ca. -5.4%, zwischen 1989-2000 -1.2%, um dann zwischen 2000-2002 erneut um 1.5% anzusteigen (2). Bei Männern in derselben Alterskategorie zeigte sich ebenfalls ein kontinuierliches Abflachen des Abfalls der kardiovaskulären Mortalität von -6.2% (1980-1989), -2.3% (1989-2000) und dann -0.5% (2000-2002) (2). Als Antwort auf diese unerfreulichen Trends rückt zunehmend das «Restrisiko» Konzept ins Zentrum des Interesses (3). Zentrale Komponenten des Restrisikos sind z.B. Inflammation, das Lipoprotein (Lp(a) oder HDL- Efflux Muster, verschiedene metabolische Risiken, Plättchenfunktion und viele andere mehr. Zur Kontrolle dieses Restrisikos werden neue Pharmaka entwickelt, welche (zumindest aus der Sicht der Physiologie) faszinierend erscheinen. Das Konzept der Kontrolle des Restrisikos ist sinnvoll und vielversprechend, sofern beachtet wird, dass 1) eine pharmakologische Restrisiko-Therapie die nachhaltige optimale Umsetzung der bekannten präventiven Lifestyle Massnahmen voraussetzt (4) und 2) ein grosser Anteil des Restrisikos durch (modifizierbare) Umweltfaktoren bedingt ist (5-8). Hierzu gehört die chronische (exzessive) Lärmexposition.

Lärm als kardiovaskulärer Risikofaktor

Jeder von uns kennt Lärm und akzeptiert Lärm, oft als Folge von kognitiver Gewöhnung, und weil es schlichtweg kaum eine Möglichkeit gibt, dem Lärm zu entkommen. Gemäss dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (https://www.dwds.de/wb/Lärm) bezeichnet das Wort «der Lärm» ein «lautes Geräusch, grosses Aufsehen» und ist aus dem Wort «Alarm» hervorgegangen, das seinen Ursprung im italienischen Weck- und Waffenruf «all’arme» (d.h. zu den Waffen) hat. Das Wort «Alarm» umschreibt den «Zustand der Gefahr». Die Etymologie des Wortes «Lärm» und «Alarm» spricht für sich und deutet auf die physiologischen Konsequenzen von Lärm hin: Lärm versetzt den Körper in Alarm-Bereitschaft (9). Eine akute Alarmreaktion ist oftmals lebensrettend und stellt eine Anpassungsreaktion an eine Gefahrensituation dar (z.B. während dem Überqueren des Fussgängersteifens und Übersehen eines sich nähernden Fahrzeugs). Der Sprung auf den Bürgersteig garantiert das weitere Überleben. Durch eine lange andauernde Alarmreaktion mit Ausschüttung der Nebennierenhormonen (wie dies u.a. auch bei chronischer Lärmexposition auftritt), die aber ihre Wirkung nicht ausüben können (d.h. der Sprung auf den Bürgersteig bleibt aus), kommt es unweigerlich zur Krankheit. Dieses Konzept geht auf den Begründer des Stresskonzeptes Hans Selye (10) zurück und hat gerade auch für Lärm vollumfängliche Gültigkeit. So sind die zerebralen Effekte und Verarbeitungswege der Lärmwahrnehmung und deren direkte Kopplung mit der Nebenniere, Auge und Motorik seit langem bekannt (11, 12).
In Analogie zum Ursprung des Wortes Alarm, konnte in einer prospektiven Studie bei gesunden Erwachsenen durch Messung der metabolischen Aktivität mit 18F-FDG-PET/CT Bildgebung gezeigt werden, dass chronische Lärmexposition zu einer Aktivierung des Mandelkerns (Amygdala) führt (13). Die Amygdala ist eine zentrale Struktur des limbischen Systems, welche unter anderem in engem Zusammenspiel mit dem Hypothalamus emotionale Inhalte und Reaktionen (inklusive Stress) registriert, verarbeitet und die Stressantwort induziert. In der Arbeit von Osborne et al. wird postuliert, dass die Lärm (-Stress) assoziierte Amygdala-Aktivierung mit daraus resultierender Sympathikus- sowie Aktivierung der hypothalamischen Achse verschiedene Risikofaktoren (z.B. systemische Inflammation, metabolische Risiken, Verhaltensweisen etc.) induziert und/oder verstärkt, die schlussendlich in einem kardiovaskulären Ereignis resultieren. In dieser Studie war ein 5 db Anstieg der durchschnittlichen 24-Stunden-Lärmexposition mit einem 34%igen Anstieg der kardiovaskulären Morbidität (Herzinfarkt, Apoplexie und andere Herzerkrankungen) verbunden. Als Vergleich sei hier erwähnt, dass das normale Geräusch infolge der Atmung ca. 10 db entspricht. In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die Amygdala nicht nur die Stressantwort auf einen Stressor auslöst, sondern dass die Amygdala parallel dazu Gedächtnisregelkreise im Hypothalamus aktiviert, damit man sich an den Stressauslöser gut erinnern kann, um diesen inskünftig konsequent zu vermeiden (14). Beim nächsten Überqueren der Strasse schaut man aufmerksamer, wartet oder läuft schneller. Bei der vielerorts mittlerweile konstanten Lärmexposition gibt es jedoch kaum kein Entkommen – auch nicht durch schnelles weglaufen. Wohin sollte man auch gehen?

Die Assoziation zwischen Lärm und erhöhter kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität wurde in vielen Studien beschrieben. Trotz der Bedeutung der Thematik sind viele Studien qualitativ bezüglich diverser methodologischer Aspekte schlecht gemacht worden (15). In einer vor kurzem publizieren Umbrella Review von Chen et al. zum Thema Lärm und Gesundheit (31 verschiedene Endpunkte wurden untersucht) bewirkte eine Lärmexposition eine Erhöhung des kardiovaskulären Risikos und kardiovaskulärem Mortalität um 34% respektive 12%; oder führte in 58-72% der Studien zu einer Blut-druckerhöhung (15). Zudem zeigte sich eine Erhöhung des Risikos für Diabetes mellitus (pro 5 dB um 5-7%), ischämische Herzerkrankung, Schlaganfall Mortalität, Angststörungen und Depression. Das Risiko für die verschiedenen Endpunkte korrelierte mit dem Ausmass der Lärmexposition. Wie auch in anderen Studien konnte diese Umbrella Review für Eisenbahnlärm keine negativen gesundheitlichen Folgen finden.
Trotz der teils schlechten Qualität vieler Studien (15), sind die Resultate in Einklang mit dem Stresskonzept und der «physiologischen» Stressantwort (siehe oben) und konnten auch in Tiermodellen unter kontrollieren Bedingungen bestätigt werden. Lärm (dB) ist nicht gleich Lärm: Komplizierend ist der Umstand, dass Strassenlärm, Zuglärm oder Fluglärm unterschiedliche Charakteristika aufweisen, und es in unserer Umgebung viele andere Lärmquellen gibt (z.B. vom Computer Ventilator, Klimaanlagen, Windturbinen u.a.), zudem findet sich oft eine Kombination von verschiedenen Lärmursachen (z.B. Strassen- und Eisenbahnlärm gleichzeitig). Soweit bekannt, kommt es dadurch zu einer Potenzierung der schädlichen Effekte bezüglich des kardiovaskulären Risikos und im Besonderen auch für die Ausbildung des metabolischen Syndroms (15).

Die physiologische Antwort auf Lärm hängt unter anderem von diversen Charakteristika des Lärms respektive der Lärmquelle ab, aber auch von der Lärmsensitivität einer Person (16, 17). Zudem ist der Zeitpunkt der Lärmexposition relevant (z.B. Tag vs Nacht, Zeitpunkt in der Nacht), was aufgrund der Effekte von Lärm auf die Schlafqualität nicht überrascht (18).

Ein anderes Beispiel unterstreicht das pathophysiologische Potential von Lärm auf unser Verhalten und Gesundheit: während einer Mahlzeit sollten wir uns auf das Essen konzentrieren und nicht «automatisch Essen» (was u.a. als Risikofaktor für Übergewicht gilt). Verschiedene Studien zeigten, dass eine Lärmexposition während einer Mahlzeit (z.B. infolge dem üblichen «Kantinen-/Restaurantlärm oder auch durch Hintergrund-Musik, die in der Regel als Belästigung und ungewollter Lärm wahrgenommen wird) das Essverhalten und auch das Belohnungssystem des Gehirns moduliert, um nicht zu sagen «überrumpelt». So zeigten Peng-Li et al. (19) in Einklang mit anderen Studien, dass Restaurantlärm den unterschiedlichen Stimulus auf das Belohnungssystem infolge des Konsums gesunder oder ungesunder Nahrungsmittel vermindert. Zudem erfolgte bei Lärmexposition die Menüwahl schneller (in dieser Studie unabhängig davon, ob es sich um ein gesundes oder ungesundes Menü handelte). Diese Beispiele zeigen, wie wir durch Lärm (dazu gehört der übliche «Restaurantlärm» oder auch z.B. die Hintergrundmusik Berieselung in Restaurants) unser Krankheitsrisiko erhöhen oder vermindern können. Im oben erwähnten Beispiel führt die geringere «Belohnung» zu Überkonsum.

Diese wenigen Beispiele zeigen die Bedeutung von Lärmquellen im Alltag, die früher oder später durch verschiedenste Mechanismen zu Krankheit führen. Die Konsumentenforschung ist sich dieser Phänomene bewusst und nutzt diese Mechanismen zur Manipulation des Essverhaltens (Nahrungsmittel Wahl, Perzeption, Belohnung etc.) mit dem Ziel der Steigerung des Profits – leider meist auf Kosten der Gesundheit der Konsumenten. In einer stillen Umgebung werden mehr gesunde Nahrungsmittel gekauft und konsumiert (20) – schön zu wissen, doch wo kann man noch in Ruhe einkaufen oder essen? In Ruhe Mittagessen ist mittlerweile beinahe ein Ding der Unmöglichkeit und ist wohl ein Luxus, den sich nur noch wenige leisten können. Trotz vieler offener Fragen ist die Evidenzlage für die Bedeutung der Lärmexposition in der Pathogenese verschiedenster Erkrankungen, im Besonderen des Bluthochdrucks oder kardiovaskulärer Erkrankungen als gut zu taxieren. Handlungsbedarf zur Reduktion des Restrisikos wäre angebracht.
Die akuten Blutdruckeffekte von akuter Lärmexposition sind ebenfalls durch eine Aktivierung der Stressachse mit erhöhtem Adrenalin und Kortisol und Stimulierung des sympathischen Nervensystems und dem daraus resultierenden Ungleichgewicht des autonomen Nervensystems bedingt. Zudem bewirkt Lärm eine Zunahme der Inflammation, von oxidativem Stress, endothelialer Dysfunktion, zirkulierenden Cytokinen und anderen biochemischen Mediatoren, und last but not least auch die Folgen der Störungen der zirkadianen Rhythmik infolge von Schlafstörungen (21); alles Mechanismen die in der Pathogenese verschiedenster Erkrankungen von Bedeutung sind und die seit langem bekannt sind. Die chronische und repetitive Lärmexposition bewirkt dieselben Effekte und führt zu einem chronischen Anstieg des Blutdrucks bis in den hypertensiven Bereich. Nicht selten ist der Lärm auch für eine therapieresistente Hypertonie mitverantwortlich (22). Die höhere Prävalenz und Inzidenz von Hypertonie für Industriearbeiter bei chronischer Lärmbelastung am Arbeitsplatz ist seit langem bekannt. Unterschiede bezüglich der Lärmeffekte (sowie kritische Lärmpegel) in der Pathogenese der Hypertonie sind meist durch methodologische Aspekte der Studien erklärbar.

Die Schweiz wird fälschlicherweise oft als «ruhiges» Alpenland beschrieben, was in einer vor kurzem publizierten prospektiven Studie (Beobachtungszeit 15 Jahre) über die Assoziation von Lärmexposition und kardiovaskulärer Mortalität in der Schweiz widerlegt ist (23). In dieser Studie betrug die Hazard Ratio (HR, 95%-CI) per 10 dB (unter Verwendung eines für den Abend und Nacht gewichteten Lärm-Mittelwertes, dB Lden) 1.029 (1.024–1.034) für Strassen-, 1.013 (1.010–1.017) für Eisenbahn- und 1.003 (0.996–1.010) für Flugzeuglärm und der kardiovaskulären Mortalität. Die entsprechende Hazard Ratio für die Myokardinfarkt Mortalität der verschiedenen Lärmquellen betrug 1.043 (1.029–1.058), 1.020 (1.010–1.030) und 1.040 (1.020–1.060). Die Beziehung zwischen der Lärmexposition und den Endpunkten war mehrheitlich linear und war bei Männern ausgeprägter als bei Frauen (23). Auch in dieser Studie zeigte sich ein Anstieg des kardiovaskulären Risikos bereits bei einem Lärmpegel, der deutlich unterhalb des aktuellen WHO Richtwertes von 52 dB(A) liegt (i.e. bereits bei 30-35 dB(A)1) . Die in dieser und anderen Studien verwendete Gewichtung der Lärmexposition am Abend und in der Nacht ist wichtig, da nach einem Arbeitstag (mit in der Regel höherer Lärmexposition) zumindest am Abend und in der Nacht eine minimale Lärmexposition und Ruhe erwünscht wäre. Letzteres ist leider nicht mehr überall gewährleistet, sodass ein grosser Anteil der Bevölkerung auch am Abend und in der Nacht ein nicht zu unterschätzendes Restrisiko durch Lärm hat – oftmals auch selbstinduziert.

«Lärmleider aller Länder, vereinigt Euch»

Im Jahre 1960 hielt die Internationale Vereinigung gegen den Lärm (International Association Against Noise (AICB)) ihren ersten Kongress in Zürich (sic!) ab (im Jahre 2002 wurde die AICB wieder aufgelöst). Im Eröffnungsvortrag soll Helmut Hillman, einer der Gründungsväter und Initianten, den Teilnehmern «Lärmleider aller Länder, vereinigt Euch» zugerufen haben (24). Gemäss dem Bundesamt für Umwelt sind in der Schweiz am Tag jede siebte und in der Nacht jede achte Person von schädlichem oder lästigem Strassenverkehrslärm betroffen (Schätzungen aus dem Jahre 2015) (25). Somit gibt es in der Schweiz weit mehr als 1 Million Lärmleider.

Die Geschichte der Lärmleider hat ihre Anfänge in einer Mesopotamischen Schrift aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus, in der bereits die Bedeutung von Lärm für Schlafstörungen erwähnt wird (26). In Einklang mit letzterer Schrift hat auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) Lärm Belastungsgrenzwerte für die wichtigsten Lärmarten definiert, damit die verbleibenden Immissionen die Anwohner in ihrem Wohlbefinden «nicht erheblich stören» sollen (27). Wie «nicht erheblich stören» definiert wird, ist dem Autor nicht bekannt, hängt aber unter anderem von der Lärm Sensitivität einer Person ab. Gemäss der WHO sollte für einen gesunden und tiefen Schlaf der nächtliche Geräuschpegel im Schlafzimmer < 30 dB(A) sein (diese Werte liegen tiefer als die in der Schweiz definierten Belastungsgrenzwerte). Die pathophysiologischen Effekte einer Lärm Exposition und deren Krankheitspotential sind seit Tausenden von Jahren bekannt und auch in prospektiven Studien (z.B. (28-30)) nachgewiesen und Lärm scheint eine kausale (Mit-) Ursache in der Pathogenese dieser Erkrankungen zu sein.

Lärmkontrolle beginnt bei sich selber

Die Lärmeindämmung und Lärmkontrolle beginnt bei sich selber: das Vermeiden von chronischer Lärm Exposition durch Kopfhörer, Regulierung der Lautstärke von Musikquellen, Verwendung von Hörschutz etc. sind sinnvoll und sollten bewusst umgesetzt werden. Beim Vorliegen von Erkrankungen (z.B. Hypertonie oder Status nach Myokardinfarkt) stellt Lärm ein wichtiger prognostischer Faktor mit hohem Risikopotential dar. So wurde in einer neueren Studie gezeigt, dass Flugzeuglärm Exposition bei Patienten nach einem Myokardinfarkt die Inflammation fördert, zu einem höheren CRP führe und auch die linksventrikuläre Auswurffraktion (LVEF) und Prognose verschlechterte (31). Die Reaktionsmuster wurden auch in einem Infarkt-Mausmodell nachgewiesen. Diese Arbeit unterstreicht, dass die Kontrolle des Restrisiko Umweltfaktoren mitberücksichtigen muss – das Restrisiko auf das Post-Infarkt Outcome durch Luftverschmutzung ist seit längerem bekannt (30).

Voraussetzung zur Optimierung der Lärmexposition im Sinne einer relevanten Reduktion ist die Kenntnis seiner eigenen Lärmexposition. «Know your number» hat auch hier seine Gültigkeit. Hierzu sei einerseits auf die online verfügbaren Lärmkarten und – Geodaten verwiesen (https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/laerm/zustand/karten.html). Viele Kantone und Gemeinden haben Lärmkataster, die online verfügbar sind. Eine Liste der verfügbaren Lärmkataster findet sich auf der Website http://www.laerm.ch.

Zur Erfassung der individuelle Lärmexposition stehen Hunderte von Lärm-Mess-Apps für Mobiltelefone zur Verfügung, die meist nur unzuverlässig messen und entsprechend nicht verwendet werden sollten. Vor einigen Jahren hat die EMPA eine Auswahl von Apps geprüft (Prüfbericht bei www.Lärm.ch verfügbar). Bei kritischer Betrachtung kann eigentlich keine App für zuverlässige Lärmmessungen empfohlen werden, zumal die Mobile Telefone nicht für Schallmessungen entwickelt wurden und die meisten Apps nicht kalibriert werden können. Zudem ändert sich die Technologie (inkl. verschiedenster elektronischer Komponenten oder des Mikrophons) und das Betriebssystem dauernd, sodass eine repetitive Kalibrierung notwendig wäre und frühere Testberichte nicht auf neue Mobiltelephone übertragbar sind. Bei den meisten Geräten ist zudem gar keine Kalibrierung möglich, sodass die Mikrophon-Eigenschaften gar nicht angepasst werden können. Das Studium dieser Testberichte kann man sich gleich ersparen. Der Begriff «Smartphone» täuscht einmal mehr – praktisch alle Smartphone sind für korrekte Schallmessungen schlichtweg nicht genügend «smart».

Die Ausnahme bestätigt die Regel: Aufgrund des hohen pathophysiologischen Potentials von Lärm hat eine Abteilung des amerikanischen CDC eine zuverlässig messende App entwickelt, die allerdings nur für Apple Geräte verfügbar ist und für jedes neue iPhone Modell kalibriert und angepasst wird und auch auf einem älteren iPhone kontrolliert und kalibriert werden kann. Diese «NIOSH Sound Level Meter App” ist vom Centers of Disease Control and Prevention (CDC) kostenlos erhältlich (https://www.cdc.gov/niosh/topics/noise/app.html). Alle Apps haben Limitationen doch bei der NIOSH App handelt sich um eine Mess App, die nicht für kommerzielle Zwecke entwickelt wurde, um ein einfaches, kostenloses, validiertes/kalibrierbares und zuverlässiges Tool zur Lärmmessung am Arbeitsplatz zur zuverlässigen Prävention von Gehörschäden zur Verfügung zu stellen. Die App ist kalibrierbar und wird für jedes neue iPhone kalibriert und bei Bedarf angepasst. Die App kann mit dem internen und auch einem externen Mikrophon kalibriert werden. Die Messgenauigkeit ist ±2 dB, weitere technische Einzelheiten sind auf der CDC-Webseite verfügbar.

Die regelmässige Messung der Lärmexposition (daheim, in ihrer Praxis und unterwegs) sei allen LesernInnen empfohlen, um zu realisieren, dass wir in einer extrem lärmigen Umgebung leben (müssen). Die Messungen werden u.a. zeigen, dass ein Teil der Lärmexposition durch uns selber verursacht wird und Potential zur nachhaltigen Reduktion birgt.

Eine kurze Messung der Lärmexposition (z.B. Einfahrt eines Zuges im HB Zürich) ist interessant und kann informativ sein. Sinnvoller ist jedoch die Messung über einen längeren Zeitraum (z.B. 15 Minuten) und mehrmalig (an verschiedenen Tagen an demselben Ort) durchzuführen, um dann einen Durchschnittswert (LAeq) der Lärmexposition von mehreren 15-minütigen Messintervallen zu erhalten. Durch repetitive Messungen an verschiedenen Tagen wird das Resultat repräsentativer. Ebenso kann man die App einfach mal über die ganze Nacht daheim oder am Tag während der Arbeit im Sprechzimmer messen lassen. Die Interpretation der Resultate ist nicht immer einfach und Grundkenntnisse der Akustik sowie Kenntnis der Literatur sind hilfreich, um eine Lärmexposition auch als potentiell gesundheitsschädigend erkennen zu können. Die von der WHO empfohlenen Richtwerte sind hilfreich: Gemäss der WHO sollte die nächtliche Lärmexposition < 30 dB(A) betragen; eine Strassen Lärmexposition > 53 dB(A) birgt gesundheitliche Risiken.

Die Grenzwerte der WHO und anderer Organisationen werden immer wieder als zu tief kritisiert, zumal zu tiefe Grenzwerte für die Wirtschaft kontraproduktiv sind. Diese Kritik ist unangebracht, da es im aktuellen Zusammenhang um Fragen der Gesundheit geht. Eine regelmässige Lärmexpositionsmessung (auch wenn es scheinbar ruhig ist), wird bestätigen, dass tiefere Grenzwerte wohltuend und wünschenswert sind, um das Restrisiko «nicht-pharmakologisch» zu reduzieren.

Das Hinterfragen von Theorie und Praxis und die Verwendung von wissenschaftlich erhobenen Daten war ein Charakteristikum der Renaissance Medizin. Auch unser «Schweizer» Arztkollege Theophrastus Bombastus von Hohenheim, bekannt unter dem Namen Paracelsus lebte und wirkte zur gleichen Zeit wie Erasmus von Rotterdam und die beiden hatten auch Kontakt. Auch Paracelsus unterstrich die Bedeutung der Prävention und der gesunden Lebensführung. Sein Prinzip, dass «allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift sei» gilt gerade auch für die Lärmexposition. Der neue Luxus ist Ruhe.

1  Wie bekannt wird Lärm mit dem Schalldruckpegel Dezibel (dB) umschrieben. Dezibel ist eine physikalisch technische Messgrösse und beschreibt die Stärke von einem Schallereignis (unabhängig von der menschlichen Empfindung der Lautheit (i.e. Lautstärke)). Für den sogenannten bewerteten Schalldruckpegel db(A) wird auch das Frequenzspektrum des Schallereignisses einbezogen und bezieht sich auf die Wahrnehmung wie laut ein Schallphänomen durch den Menschen empfunden wird.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Paolo M. Suter

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8044 Zürich

paolo.suter@usz.ch

Es bestehen keine Interessenkonflikte.

◆ Die Senkung von LDL-C und apoB ist entscheidend für den klinischen Nutzen. Es besteht eine klare lineare Beziehung zwischen der Senkung der atherosklerotischen Lipoproteine und der Verringerung des kardiovaskulären Risikos: je niedriger, desto besser, je früher, desto besser
◆ Der Einsatz von Kombinationstherapien, die auf verschiedene Wirkmechanismen abzielen, kann die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen und die Nebenwirkungen der einzelnen Medikamente minimieren.
◆ Bei Patienten, die Statine nicht vertragen, sollte der Einsatz von Ezetimibe, Bempedosäure und PCSK9-Inhibitoren empfohlen werden.
◆ Familiäre Hypercholesterinämie ist ein sehr wichtiger Risikofaktor, der immer noch unterdiagnostiziert wird.

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Vorhofflimmern – Welches ist die richtige Herzfrequenz?

Nach einer neuen Registerauswertung aus Dänemark sollte die Ziel Herzfrequenz (HF) bei VHFli doch <100/min betragen. Die bisherige Leitlinien Empfehlung der Klasse II einer HF<110/min ist daher zu hoch.

Im Kopenhager EKG-Register wurden von 2001-2015 7408 Männer und Frauen mit einem mittleren Alter von 78 Jahren mit VHFli erfasst: Es zeigte sich bei einer Ruhe HF im VHFli von 100-110/min ein deutlich erhöhtes 1-Jahres-Risiko für eine Herzinsuffizienz – HR 1,46, bei einer HF von >110/min sogar eine HR von 2,41 gegenüber einem HF-Referenzbereich von 60-79/min. Auch war die 1-Jahres-Gesamt-Mortalität deutlich erhöht mit HR 1,44 resp. 1,34. Einschränkend muss erwähnt werden: es handelt sich um eine Beobachtungsstudie ohne Nachweis der Ursache und die Ruhe HF wurde nur einmalig zu Beginn gemessen.

Somit sollte bei einem VHFLi die Kammerfrequenz <100/min betragen, um eine potentielle Herz-insuffizienz und eine erhöhte Gesamt-Mortalität zu reduzieren. Dies vor allem bei älteren Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit und weiteren Komorbiditäten.

Quelle: Westergaard LM et al., Ventrikelfrequenz bei Vorhofflimmern und das Risiko für Herz-insuffizienz und Tod, Europace 2023;25(5):1-9

Neue Scores

In den letzten Monaten wurden zwei neue Scores vorgestellt: der ANTWERP-Score mit der Frage nach einer Katheterablation bei Herzinsuffizienz mit VHFli und der HARMS2-AF-Score zur Risiko-abschätzung von potentiellem VHFLi.

Bisherige Scores zur Vorhersage von Vorhofflimmern basieren überwiegend auf klassischen, nicht beeinflussbaren Faktoren. Forscher haben nun einen Score entwickelt, der auch Lebensstilfaktoren berücksichtigt. Dieser scheint ganz gut zu sein. Doch dessen potenzielles Einsatzgebiet gilt es noch zu klären. Die Daten stammen von 314 280 Patienten, von denen 5,7% über 13 Jahre VHFli bekamen.

Je mehr Punkte im Score anfallen, desto wahrscheinlicher ist, dass die Patienten an Vorhofflimmern erkranken werden (pro Punkt steigt das Risiko um das Zweifache, Hazard Ratio, HR: 2,35). Bei ≥ 5 Punkten ist das Risiko um mehr als das 12-Fache erhöht im Vergleich zu einem Score von 0 (HR bei 5–9 Punkten: 12,79; HR bei 10–14 Punkten: 38,70).

Der Score könnte helfen Hochrisikopatienten im Sinusrhythmus frühzeitig zu erkennen und Massnahmen einzuleiten, damit ein VHFLi verhindert werden könnte. In den Guidelines wird die Identifikation und das Management von Risikofaktoren und Begleiterkrankungen als integraler Bestandteil des Vorhofflimmern-Managements ausdrücklich empfohlen (Klasse I B). Ebenso wird zur Modifikation eines ungesunden Lebensstils geraten, um die Vorhofflimmern-Last und Symptom-Schwere zu reduzieren. Was der neue Score zur Prävention beitragen wird, muss in weiteren Arbeiten gezeigt werden.

Quelle: Segan L et al. New-onset atrial fibrillation prediction: the HARMS2-AF risk score. Eur Heart J 2023; 00, 1–11; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad375

Beim ANTWERP-Score einer belgischen Arbeitsgruppe mit Einbezug des Cardiocentro Ticino stellt sich die Frage ob bei einer Herzinsuffizienz (HI) mit eingeschränkter LV-Funktion (<50%) eine Katheter-ablation des VHFli die LV-Funktion verbessern könnte? Der Score beinhaltet nach einer multi-zentrischen Validierungsstudie mit 605 Beteiligten folgende vier Punkte:

• Bekannte Aetiologie der HI (ausser VHFLi) 2 Punkte
• Verbreiterter QRS-Komplex > 120 ms 2 Punkte
• Schwere Dilatation des LA > 50ml/m2 1 Punkt
• Paroxysmales VHFli 1 Punkt

Je weniger Punkte desto grösser der Erfolg einer Katheterablation bezüglich Verbesserung der LVEF: <2 Punkte Ansprechwahrscheinlichkeit einer EF Erholung >90%, bei ≥5 Punkte betrug sie dagegen <20%. Hier bedarf es anderen Therapie Optionen wie eine konsequente Frequenzkontrolle. Bei einem Score von 3-4: Genesungsrate 47%. Hier lohnt sich ein zusätzliches Herz-MRI mit Frage nach LGE. Der Score könnte also bei dieser Fragestellung in Zukunft hilfreich sein. Einschränkung: Es ist eine retrospektive Studie bei Patienten die alle eine Ablation erhalten haben. Es fehlen Informationen zu: NYHA-Klasse und BNP/NT-pro-BNP. Die LVEF ist nur ein Surrogat-Marker für die Wirksamkeit der Ablation.

Quelle: Bergonti M et al. Left ventricular functional recovery after atrial fibrillation catheter ablation in heart failure: a prediction model. Eur Heart J 2023; https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad428

Wann Einsatz von DOAK bei Schlaganfall mit VHFLi?

In der randomisierten, multizentrischen offenen ELAN-Studie aus Basel wurde die Inzidenz von rezidivierenden ischämischen Schlaganfällen, systemischen Embolien, schweren extrakraniellen Blutungen, symptomatischen intrakraniellen Blutungen oder vaskulärem Tod nach 30 Tagen auf 2,8 Prozentpunkte niedriger bis 0,5 Prozentpunkte höher (basierend auf dem 95%-Konfidenzintervall) bei früher als bei späterer Anwendung von DOAKs geschätzt. Frühe Anwendung: innerhalb 48h nach einem kleinen resp. moderaten Schlaganfall (S.) resp. 6-7 Tage nach einem schweren S.. Späte Anwendung: Tag 3 oder 4 nach einem leichten S., Tag 6 oder 7 nach einem mittelschweren S., Tag 12-14 nach einem schweren Schlaganfall.

Nach einem ischämischen Schlaganfall könnte es bei Personen mit Vorhofflimmern daher sinnvoll sein, früher als bisher empfohlen eine Therapie mit DOAK zu beginnen. Es sank damit die Häufig-keit erneuter Schlaganfälle und systemischer Embolien, bei vergleichbar niedriger Blutungsrate. Den Autoren zufolge kann ein früher Therapiebeginn erwogen werden, sofern indiziert.

Referenzen:
1. Echouffo-Tcheugui J.B. et al; Diagnosis and Management of Prediabetes – A Review ; JAMA 2023; 329 (14): 1206-1216
2. Stefan N.; CME: Prädiabetes – eine Krankheit? Diabetologie 2023;19:215-222

Kardio-Stress-MRT bei CHK – hohe diagnostische und prognostische Treffsicherheit bei 74’470 Patienten

Gemäss einer aktuellen systematischen europäischen Übersichts­arbeit und Meta-Analyse im JAMA Cardiology vom 7. Juni 2023 von Ricci F. et al. bestätigt sich, dass das MRI zur Diagnose und Prognose eine ausgezeichnete Bildgebung ohne Strahlenbelastung ist (1). Es wurden insgesamt 64 Studien ausgewertet: davon 33 diagnostische Studien mit 7814 Patienten und 31 prognostische Studien mit 67’080 Patienten in den Jahren 2000-2021. Dies bei Personen mit stabiler Angina pectoris bei bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit (CHK). Es ergaben sich für den Nachweis einer funktionellen obstruktiven Stenose folgende Resultate (Tab. 1). Bei einer belastungsinduzierten Ischämie bestand eine schlechte Prognose ebenso beim Nachweis eines Late Gadolinium enhancement resp. einer Fibrose oder Narbe (Tab. 2).

Ein unauffälliges Kardio-Stress-MRT hat ein ausgezeichnetes Resultat bezüglich MACE über die nächsten 3 ½ Jahre mit einer geringen Rate von kardiovaskulären Todesfällen von <1%/Jahr.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kombinierte Beurteilung der induzierbaren Myokardischämie und der späten Gadolinium-Verstärkung durch Stress-CMR eine genaue Methode ist, um Patienten mit stabilen Brustschmerzen und bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit zu diagnostizieren und das Risiko zu stratifizieren.

Quelle: 1) Ricci F. et al. Diagnostische und prognostische Aussagekraft der kardiovaskulären Stress-Magnetresonanztomographie bei Patienten mit bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit. Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse; JAMA Cardiol. Online veröffentlicht am 7. Juni 2023. doi:10.1001/jamacardio.2023.1290

Blutungsgefahr bei einer Aortenklappenstenose?

Schwere Aortenklappenstenosen in Kombination mit einer oralen Antikoagulation sind mit einem sehr hohen Risiko für eine schwere Hämorrhagie assoziiert.

In einer aktuellen Publikation aus Lille wurde bei 2830 ambulanten älteren Patienten mit einer Aortenklappenstenose (AS) vor einem Klappenersatz in einer prospektiven multizentrischen Studie von 117 Kardiologen über 1,4 bis 2,7 Jahre die Frage der Häufigkeit schwerer Blutungen untersucht. In 16,2% bestand eine schwere AS (≥4m/sec), in 41,4% eine moderate AS (3-3,99m/s) und in 42,4% eine leichte AS (2,5-2,99m/s) (1).
Schwere Blutungen (46x) waren in dem Beobachtungsregister insgesamt selten (0,7%/Jahr) aber ein starker unabhängiger Prädiktor für das Versterben. Schwere Aortenklappenstenosen in Kombination mit einer oralen Antikoagulation sind mit einem sehr hohen Risiko für eine bedeutende Hämorrhagie assoziiert. Die Blutungen waren vor allem gastrointestinal (50%) und intrakraniell (30%). Bei diesen Blutungen bestand eine sechsfach erhöhte Mortalität. Es waren vorwiegend ältere und weibliche Patientinnen. Diese wiesen auch häufiger eine mittelschwere bis schwere AS, VHFLi, frühere Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz, frühere Schlaganfälle und eine reduzierte LVEF auf. 65% aller Studienteilnehmer hatten zu Beginn eine antithrombotische Therapie, davon knapp ¼ eine orale Antikoagulation. Unter einer Thrombozyten hemmenden Therapie alleine bestand kein erhöhtes Blutungsrisiko.

Auf Grund dieser Resultate muss das Nutzen-Risiko-Verhalten bei einer oralen Antikoagulation und einer schweren Aortenklappenstenose neu bewertet werden. Somit sollte bei diesen Patienten eher früher ein Klappenersatz erwogen werden um das Risiko einer grösseren Blutung und deren verheerende Folgen zu minimieren.

Quelle: Coisne A. et al.: Inzidenz, Quelle und prognostische Auswirkungen von schweren Blutungen über das gesamte Spektrum der Aortenstenose, American Heart Journal 262; Aug. 23; S.140-147

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Das Herz und die Niere: Auf dem Weg zu einer umfassenden kardiovaskulären Prävention

Am 29. Juni 2023 fand ein Webinar zum Thema Herz und Niere, organisiert vom Zurich Heart House, unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Thomas Lüscher, London, Zürich, statt. Themen waren die kardio-renale Achse bei Herz- und Niereninsuffizienz (Kevin Damman, Groningen), Beurteilung der Nierenfunktion als Risikofaktor: Albuminurie und weiteres (Nilutfar Mohebbi,
Zürich) und Schutz der Niere schützt das Herz: DAPA.CKD (Hiddo J.L. Heerspink, Groningen). SGLT2-Hemmer bei Herzinsuffizienz, spielt die LVEF immer noch eine Rolle? Scott Solomon, Boston).

Die kardio-renale Achse bei Herz- und Nierenversagen

Herz und Niere sind ein komplexes Zusammenspiel, stellte Prof. Dr. med. Kevin Damman, University Medical Center Groningen, fest. Die Pathophysiologie besteht in einem Zusammenspiel zwischen
► komorbider Organdysfunktion (Suszeptibilität)
• Hypertonie
• Diabetes
• CKD
• und peripherer Verschlusskrankheit
► Hämodynamik (direkte Ursache)
• verminderte Herzleistung
• verminderte Nierendurchblutung
• erhöhter renal/zentralvenöser Druck
► Intra-abdomineller Druck (direkte Ursache)
► Therapie (Modulierung, Anpassung)
• Inotrope /Vasodilatatoren / Diuretika
• RAASi
• SGLT2i

Die Niereninsuffizienz beschränkt sich nicht nur auf eine verminderte Filtration, sondern umfasst auch glomeruläre Hypertonie und tubulointerstitielle Hypoxie, die zum Verlust der glomerulären Integrität und zu tubulären Schäden führen. Die Anerkennung dieser pathophysiologischen Schlüsselwege im Konzept des kardio-renalen Syndroms ist notwendig, um die Wechselbeziehung und den zusätzlichen Beitrag verschiedener Risikomarker und möglicher neuer Behandlungen zur Verbesserung der Nierenfunktion und der Ergebnisse in diesem komplexen und bidirektionalen Zusammenspiel zwischen Herz und Niere zu bewerten.

Beeinflussen sich Herz und Niere gegenseitig gleichmässig?
Renale Ereignisse bei HFrEF wurden durch Dapagliflozin in ähnlicher Weise reduziert wie kardiovaskuläre Ereignisse bei CKD.

Fazit

Komplexes Zusammenspiel – sowohl HF als auch CKD sind in den pathophysiologischen Prozess jedes Organs involviert.
Pathophysiologie: Perfusion, Stauung, prädisponierende Faktoren, Therapie.

GDMT bei allen Patienten?
Wie tief können wir mit der (Baseline-) eGFR gehen? mit WRF? Den Kontext berücksichtigen.
Akute HF: Acetazolamid zur Vorbeugung einer diuretischen Resistenz, Thiazide und SGLT2i zur Erleichterung der Entstauung, Natriurese zur Steuerung und Dosierung der Schleife.

Bewertung der Nierenfunktion als Risikofaktor: Albuminurie und darüber hinaus
Die Nierenfunktion kann bewertet werden durch die Bestimmung von Kreatinin im Blut, der Kreatinin Clearance, der Insulin Clearance, der Iohexol Clearance, der Schätzung der GFR (glomerulären Filtrationsrate) basierend auf Kreatinin, der Bestimmung von Cystatin im Blut und der Bestimmung der renalen Szintigraphie mit Tc-99m DTPA, so  Prof. Dr. med. Nihufar Mohebbi, Praxis und Dialysezentrum Zürich-City.

Berechnung der eGFR

Die GFRKrea kann mit der Cockroft-Gault-Gleichung berechnet werden:
► eGFR = [(140-Alter) x Gewicht/(72xsCr)]x (0.85 bei Frauen oder mit der MDRD Gleichung:
► eGFR = 186 x sCr-1,154x Alter-0.203 x (0.742 bei Frauen) x (1.210 bei Afro-Amerikanern) oder mit der CKD-EPI Gleichung (2009):
► eGFR=141xmin (sCr/K, 1)α x max(sCr/K, 1)-1.209 x 0.993 Alter x1.1018(bei Frauen ) x1.159 und -0.411 bei Männern),min bedeutet das Minimum von sCr/k oder 1, und max bedeutet das Maximum von sCr/k oder 1 oder mir der Mayo Gleichung:
► eGFR =exp[1.911+5.249/sCr-2.114/sCr20.00686 x Alter-(0.205 bei Frauen)], wenn sCr<0.8mg/dl, dann sCr=0.8 oder mit der BIS Gleichung:
► BIScre: 3736xCreatinin-0.87 x Alter-0.95 x 0.82 (bei Frauen)
► BIScre-cys: 767 x Cystatin C-0.061 x Creatinin-0.40 xAlter -0.87 bei Frauen oder mit der Schwartz Gleichung:
► eGFR (ml/min/1.73m2) = 41.3 (Höhe/sCr), wobei die Höhe in Metern und sCre in mg/dl oder mit der Nankivell Gleichung:
► eGFR=6.7/Cr(mmol/l) + Gewicht (kg)/4- Harnstoff (mmol/2 – 100/Höhe(m)2+35(oder 25 bei Frauen)

«Pros und Cons»

CKD-EPI (Chronic Kidney DiseaseEpidemiology and Collaboration)
► entwickelt bei Patienten mit normaler Nierenfunktion und CKD, was in einer besseren Schätzung der GFR bei Populationen mit erhaltener Nierenfunktion oder nicht signifikanter renaler Dysfunktion resultiert
► präzisierte die MDRD-Formel insbesondere, wenn eGFR >60ml/min
► führte Cystatin C als weiteren Filtrationsmarker zur Schätzung der Nierenfunktion ein
► wird von der KDIGO empfohlen und ist derzeitiger Gold Standard MDRD (Modification of Diet in Renal Disease)
► entwickelt bei Patienten mit chronischer Nierenkrankheit, bei welchen die GFR systematisch bei höheren Werten unterschätzt wird.
► Aufgepasst bei Alter >18 oder <75 Jahre, Schwangerschaft, extremer Muskelmasse oder Körpergewicht, eGFR >60ml/min.

Neuerdings wird rassefreie Gleichung für die Schätzung der GFR empfohlen.

Bestimmung der Albuminurie

► AER: Albumin Sekretionsrate, mg/24h oder ACR (annähernd äquivalent, Spoturin)
► ACR: Albumin/Creatinin Ratio, mg/mmol oder mg/g.

Nierenfunktion und Albuminurie als Risikofaktoren

eGFR als Marker für kardiovaskuläre Vorhersage. In einer Metaanalyse von 24 Kohorten (mit einer medianen Follow-Up-Zeit von 4.2 bis 19.0 Jahren), 637’315 Teilnehmer ohne Vorgeschichte für kardiovaskuläre Krankheit erwies sich die eGFR als Marker für kardiovaskuläre Vorhersage über die traditionellen Risikofaktoren hinaus. Auch die ACR erwies sich als Marker für die kardiovaskuläre Vorhersage.

Fazit

◆ eGFR und Albuminurie sind wichtig für die Klassifizierung, Diagnose und Prognose der chronischen Nierenkrankheit
◆ Zusätzlich sind beide, eGFR und Albuminurie signifikante Risikofaktoren für Gesamtmortalität und kardiovaskuläre Mortalität
◆ Hochrisiko-Patienten (solche mit Diabetes, Hypertonie oder kardiovaskuläre Erkrankung) sollten routinemässig auf chronische Nierenkrankheit untersucht werden
◆ Nephroprotektive Therapien wie RAS-Blocker und neuere Medikamente wie die SGLT2-Inhibitoren sind ausschlaggebend in der Verlangsamung der Progression der chronischen Nierenkrankheit und reduzieren dabei auch das kardiovaskuläre Risiko in dieser Population

Der Schutz der Niere schützt das Herz

Lehren aus DAPA-CKD

CKD, Herzinsuffizienz und T2D sind miteinander verbunden und führen zu einem Teufelskreis von kardialem, renalem und metabolem Risiko, so Prof. Dr. med. Hiddo L. Heerspink, Dep. Klin. Pharmazie und Klin. Pharmakologie, Universität Groningen. Die SGLT2-Inhibition zielt auf die CKD-Pathophysiologie (Cardio-Nieren-Diabetes). SGLT2-Inhibitor-Studien rekrutierten Patienten mit CKD mit und ohne Diabetes. Die CREDENCE-Studie und die SCORED-Studie umfassten eine 100% Diabetes-Population, DAPA-CKD 33% nicht-diabetische Population, EMPA-KIDNEY 54% nicht-diabetische Population. CREDENCE ergab eine 30% Risikosenkung, SCORED 29%, DAPA-CKD 39% und EMPA-KIDNEY 28%. Canagliflozin zeigte einen direkten Effekt auf die Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Ereignissen. Die SGLT2-Inhibition reduziert die Hyperfiltration via TGF. In der DELIGHT-Studie wurden in einer präspezifizierten Analyse die Auswirkungen von Dapagliflozin bei Patienten verglichen, die eine relative Verringerung der eGFR (>10% oder >0%-10%) oder einen Anstieg der eGFR vom Ausgangswert bis zu 2 Wochen erfahren haben, und danach die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit bewertet. Es zeigte sich, dass Bei Patienten mit CKD und Albuminurie, die mit Dapagliflozin behandelt wurden, eine akute Verringerung der eGFR (vom Ausgangswert bis zu 2 Wochen) nicht mit einer höheren Rate an CKD-Progression verbunden ist.

Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung mit und ohne Typ-2-Diabetes reduzierte Dapagliflozin die Albuminurie signifikant, wobei die relative Reduktion bei Patienten mit Typ-2-Diabetes grösser war. Die ähnlichen Auswirkungen von Dapagliflozin auf die klinischen Ergebnisse bei Patienten mit oder ohne Typ-2-Diabetes, aber die unterschiedlichen Auswirkungen auf die UACR, lassen vermuten, dass ein Teil der schützenden Wirkung von Dapagliflozin bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung über Wege vermittelt werden könnte, die nicht mit der Verringerung der Albuminurie in Zusammenhang stehen.

Die Reduktion in eGFR korrelieret mit der Reduktion von UACR nach 2 Wochen Eine grössere Reduktion der UACR nach 2 Wochen ging mit einer Nierenerhaltung einher. Der UACR-Verlauf nach glykämischem Status nahm bei HbA1c > 8.5% 32 Wochen nach Randomisierung in der Placebo-Gruppe leicht zu, während er in der Dapagliflozin-Gruppe konstant blieb. Dapagliflozin verlangsamte die Rate der GFR. Empagliflozin reduzierte das Risiko von Mikroalbuminurie und erhöhte die Remission zu Normalbuminurie bei Personen mit Herzinsuffizienz. Senkung während einer chronischen Behandlung. Ein Tauchen der GFR >10% war mit besseren Outcomes während der Dapagliflozin-Behandlung assoziiert.

Fazit

◆ SGLT2-Hemmer verlangsamen die Progression von CKD und reduzieren das Risiko von Herz- und Nierenversagen bei Patienten mit Typ 2 Diabetes, CKD und Herzinsuffizienz.
◆ Der Nutzen von SGLT2 -Inhibitoren bei der Senkung von Nieren- und Herzversagen ist eng mit der Niere verbunden (wo SGLT2 lokalisiert ist)
◆ Der intraglomeruläre Druck wird reduziert
◆ So schützt die Niere das Herz

SGLT2 bei Herzinsuffizienz: Ist die LVEF immer noch wichtig?

Die Ejektionsfraktion ist in der Vergangenheit zur wichtigsten einzelnen Zahl in der Kardiologie geworden, bemerkte Prof. Dr. Scott Solomon, Brigham and Women’s Hospital Harvard Medical School, Boston. Die Messung des links ventrikulären end-diastolischen Volumens pro Herzschlag wurde von Roland Folse und Eugene Braunwald ursprünglich beschrieben und wurde über die Jahrzehnte die wichtigste Einzelnummer in der Kardiologie. Wir haben eine unkomfortable Beziehung zur Auswurffraktion, so der Referent. Die Herzinsuffizienz-Nomenklatur wurde durch klinische Studien definiert. Herzinsuffizienz ist eine klinische Diagnose. Die Auswurffraktion ist für die Diagnose nicht notwendig. Anzeichen und Symptome einer Herzinsuffizienz variieren entsprechend der Ejektionsfraktion nur wenig, wie aus den Studien PRADIGM-HF und PARAGON-HF hervorgeht. RAAS- Inhibitoren sind am effektivsten, bei LVEF unter dem Normalwert wurde ein grösserer Nutzen festgestellt. Ein ähnlicher Nutzen zeigte sich bei LVEF unter dem Normalwert, wie in HFrEF. Bei Frauen erstreckte sich der Nutzen auch auf höhere LVEF-Werte. Zwei Studien SGLT2-Inhibitoren bei HFmrEF und HFpEF. Modifizierte die Auswurffraktion den Behandlungseffekt in der Studie EMEROR-Preserved? Handelt es sich um wahre Heterogenität oder eine zufällige Subgruppen-Beobachtung? Effekt von Empagliflozin auf Herzinsuffizienz-Hospitalisierungen in allen Ejektionsfraktions-Subgruppen mit Ausnahme von >65% gleich. In DELIVER zeigte der Behandlungseffekt keine Heterogenität im primären Endpunkt (kardiovaskulärer Tod oder Verschlechterung der Herzinsuffizienz) . Beim kardiovaskulären Tod zeigte sich eine Abnahme der Wirkung ab LVEF >60%. In DAPA-HF und DELIVER kombiniert gab es keine Hinweise darauf, dass sich die Wirkung von Dapagliflozin je nach Ejektionsfraktion unterscheidet. In einer gepoolten Metaanalyse auf Patientenebene, die das gesamte Spektrum der Auswurffraktionen bei Patienten mit Herzinsuffizienz abdeckte, verringerte Dapagliflozin das Risiko eines Todes aus kardiovaskulären Gründen und von Krankenhauseinweisungen wegen Herzinsuffizienz unabhängig von der Auswurffraktion. Bei einer Metaanalyse aus DELIVER und EMPEROR-Preserved wurden Reduktionen des primären Endpunkts über die LVEF-Range inklusive LVEF ≥60% beobachtet. Dasselbe gilt für eine Metaanalyse von 5 grossen Placebo-kontrollierte Studien (DAPA_HF, DELIVER, EMPEROR-Preserved, EMPEROR-Reduced, SOLOIST-WHF.

SGLT2-Hemmer scheinen unabhängig von der Auswurffraktion nützlich zu sein. Gilt dies auch für andere Therapien? Für ICD bis 45%, für CRT bis 50%, für Beta-Blocker bis 40%, für ACE-Hemmer/ARB bis 40%, für ARNI bis 60%, für MRA bis 55%. Ja, die Ejektionsfraktion ist immer noch wichtig.

Fazit

Brauchen wir immer noch die Auswurffraktion bei Herzinsuffizienz?
Ja, um zu bestimmen, wer eine Device-Therapie erhalten soll.
Ja, um zu bestimmen, wer einen Beta-Blocker erhalten soll (keine Evidenz bei HFmrEF und HFpEFsofern keine anderen Indikationen)
Ja, um zu bestimmen, wer einen RAAS-Inhibitor erhalten soll (starke Evidenz bei HFrEF, einige Evidenz bei HFmrEF)
Ja, um zu bestimmen, wer Sacubitril/Vasartan erhalten soll
Nein, um zu bestimmen, wer SGLT2-Inhibitoren erhalten soll, was die Grundlage der Therapie bei Herzinsuffizienz sein sollte, unabhängig von der Versorgungssituation und der Auswurffraktion.

Quelle: Webinar Zurich Heart House 29.6.2023.

Pr Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

«Plus ça change, plus c’est la même chose»

Dieser tolle Satz wird einem französischen Schriftsteller, Journalist und Kritiker (Jean-Baptiste Alphonse Karr), zugeschrieben, und er sei 1848 als Epigramm in seiner Wochenzeitschrift «Les Guepes» erschienen.

Nachdem ich dieses Jahr die 8. Dekade meines Lebens starten durfte, finde ich diesen Satz immer wieder sehr hilfreich und für Vieles erklärend. Nehmen wir den gerade erlebten Wahlsonntag: Da werden die ja nur geringen Differenzen über die letzten drei Wahlen betrachtet medial ausgelotet, und die Worte «Rutsch» und «historisch» werden inflationär bemüht – genauer betrachtet hat sich aber kaum wirklich etwas bewegt.

Für uns Mediziner viel gravierender war und ist die Illusion unserer Politiker der letzten Jahrzehnte, dass das teure Gesundheitssystem einfach daran kranke, dass es keinen richtigen Wettbewerb gäbe, und dass wir in den Medizinalberufen keinen Unternehmerverstand hätten. Nur mit Wettbewerb werde sich eine kosteneffiziente moderne Medizin von hoher Qualität erreichen lassen.

Dieser Glaube an den «freien Markt» hat aber viele Vorgaben, die für einen freien Markt unerlässlich sind. Die Politiker, die offensichtlich wenig Sachverstand für die komplexe Materie hatten, liessen sich von vielen Wirtschaftsgurus und ihren tollen teuren Analysen und Prädiktionen einseifen. Sie hofften, dass ein leidiges Problem endlich gelöst werden könnte und übersahen, dass der «Medizinmarkt» gerade kein freier Markt war und ist. Dass man das System zudem so gebaut hat, dass die Zeche dieser Fehlentwicklung mit immer höheren Krankenkassenprämien auf die Zwangsversicherten abgewälzt werden kann, hat den Druck lange von der Politik weggenommen.

Im Spitalbetrieb selbst hat sich Ähnliches abgespielt. Hier waren es nun die Managementgurus, die sich den lukrativen Spitallandschaften zuwandten: Jede Klink, jedes Institut und die Spitalleitung wurden nun für teures Geld durchleuchtet, analysiert und in unzähligen Sitzungen mit neuen modernen Modellen konfrontiert. Die Umsetzung hat dann wiederum Heerscharen von Managementleuten, aber selbstredend auch uns selber, sehr zeitintensiv beschäftigt, in der Hoffnung, dass alles nun endlich besser werde. Dass die Spitalleitungen natürlich neu aufgestellt und ausgebaut wurden, und dass sie neue Stabseinheiten mit hoher Kadenz kreierten, gehört dazu.

Wenn wir noch die ganzen enormen unkoordinierten Investitionen in Spitalinformatik, Datenschutz und E-Health auf Spital-, Kantons- und nationaler Ebene dazu nehmen, können wir langsam ermessen, wieviel Geld und Arbeit hier mit wie wenig «return on investment» geleistet wurde. Leider kann niemand nachvollziehbar beziffern, was, oder besser wie wenig dies letztlich wirklich gebracht hat. Die Finanzierung all dieser Kosten musste natürlich von den Spitälern erwirtschaftet werden. Dass die Spitäler dazu noch wettbewerbskonform hochaufgerüstet haben, und die Medizin eine enorme Verteuerung in vielen Bereichen (Apparate und Medikamente als Beispiel) erfahren hat, darf nicht unerwähnt blieben.

Somit halte ich fest, dass die grundlegenden Probleme eines finanzierbaren hochwertigen Gesundheitssystems für alle immer noch in etwa die gleichen geblieben sind – und ich steigere mich zur Aussage, dass die wirklichen Probleme nicht in den Arztpraxen, Spitälern und bei weiteren Versorgern liegen, sondern in der weiterhin nicht koordinierten und widersprüchlichen nationalen und föderalistisch-kantonalen Gesundheitspolitik selber.

Prof. em. Dr. med. Thomas Cerny

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

Rosengartenstrasse 1d
9000 St. Gallen

thomas.cerny@kssg.ch

Long-term Survivorship bei pädiatrischen Tumoren

Ehemalige Kinderkrebspatienten/-innen haben ein erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens chronische Erkrankungen zu entwickeln. Auch ihre Mortalität ist im Vergleich zu Gleichaltrigen erhöht. Die Nachsorge sollte das individuelle Risiko der Survivors einbeziehen, um Spätfolgen früh zu erkennen und die Lebensqualität ehemaliger Kinderkrebspatienten/-innen zu verbessern.

Former childhood cancer patients have an increased risk of developing chronic diseases in the course of their lives. Their mortality is also increased compared to their peers. Follow-up care should include the individual risk of survivors in order to detect late effects early and improve the quality of life of former childhood cancer patients.
Key Words: Long-term survivorship, childhood cancer patients, pediatric oncology

Neuerkrankungen und Überleben in der Kinderonkologie

Jedes Jahr sind in der Schweiz ca. 300 Kinder und Jugendliche < 20 Jahren von einer onkologischen Neudiagnose betroffen (1). Intensive multimodale Therapieansätze führen zu einer 10-Jahres Überlebensrate von > 85% (2). Die onkologische Akutbehandlung erfolgt in einem der neun Zentren der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG; www.spog.ch). Die anschliessende Nachsorge wird vom jeweiligen onkologischen Team aufgegleist und ist abhängig von den Bedürfnissen der Patienten/-innen und den lokalen Gegebenheiten.

Somatische und psychosoziale Spätfolgen

Auf Grund der hohen Überlebensrate steigt die Anzahl ehemaliger Kinderkrebspatienten/-innen stetig an. Aktuell leben > 7000 Survivors in der Schweiz. Diese Patienten/-innengruppe hat ein erhöhtes Risiko für therapiebedingte Spätfolgen, welche zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität führen. Nach Rezidiven und Zweittumoren folgen kardiovaskuläre und pulmonale Spätfolgen als häufigste Todesursachen bei ehemaligen Kinderkrebspatienten/-innen (Abb. 1) (3). Wichtige Spätfolgen sind die Kardiotoxizität (nach Anthrazyklinen und thorakaler Bestrahlung), die Pulmotoxizität (nach Bleomycin, Busulfan, Nitrosurea, allogener Stammzelltransplantation und thorakaler Bestrahlung), die Ototoxizität (nach platinhaltiger Chemotherapie und kranialer Bestrahlung), Endokrinopathien (nach kranialer und abdominaler Bestrahlung), die Infertilität (nach alkylierenden Substanzen und Bestrahlung des kleinen Beckens), Nephrotoxizität (nach Ifosfamid, Cisplatin, Tumornephrektomie, und Bestrahlung der Nieren), sowie Zweitmalignome und Fatigue (Abb. 2) (4). Aber auch psychosoziale Spätfolgen können die Lebensqualität von ehemaligen Patienten/-innen beeinflussen, wie z.B. kognitive und psychische Schwierigkeiten, welche eine Reintegration in Schule, Ausbildung und das spätere Berufsleben erschweren.

Nachsorge Guidelines

Die Nachsorge in der Kinderonkologie richtet sich nach internationalen Empfehlungen. Hierzu gehören die Guidelines der Nordamerikanischen Children’s Oncology Group (www.childrensoncologygroup.org) (5), der International Guideline Harmonization Group (www.ighg.org), sowie Nachsorge-Empfehlungen in den jeweiligen Therapie-Protokollen.

Vorteile und Probleme der Nachsorge

Die vielfältigen Gesundheitsprobleme erwachsener Survivors nach Kinderkrebs treten in atypisch jungem Alter auf und hängen von der erhaltenen onkologischen Therapie ab. Deshalb braucht es ein spezifisches Knowhow, um diese Menschen optimal zu betreuen. Dies ist wichtig, um behandelbare Spätfolgen früh zu erkennen und der erhöhten Mortalität entgegenzuwirken. Teil eines Nachsorgeangebots ist auch die umfassende Aufklärung über die individuellen Risiken der Survivors. Diese Informationen sind einerseits von den Survivors ausdrücklich erwünscht, können andererseits aber auch Ängste auslösen.

Nachsorge-Konzepte in der Schweiz

Eine Umfrage unter allen Kinderkrebsüberlebenden in der Schweiz aus dem Jahr 2010 zeigte, dass von 985 Survivors nur 19% regelmässig zu einer Nachsorgeuntersuchung gingen, 405 (41%) besuchten eine solche Sprechstunde unregelmässig bei Problemen und 40% gar nicht (6). Es war eine grosse Anzahl Spezialisten involviert. In der Zwischenzeit wurde das Nachsorgeangebot in der Schweiz erweitert und es gibt verschiedene Modelle (siehe unten). Wahrscheinlich ist aber auch heute erst eine Minderheit der Survivors risikoadaptiert versorgt und informiert.

Konzept 1: Übergabe an Hausarzt

In der Vergangenheit waren junge Survivors für die Nachsorge für jeweils fünf bis zehn Jahre an ein SPOG-Zentrum angebunden. Dies erfolgte vor allem in Hinblick auf ein mögliches Rezidiv der Grunderkrankung. Danach wurden sie als gesund erklärt und in die hausärztliche Betreuung entlassen.

Heutzutage schickt ein Teil der behandelnden Kinderonkolog/-innen den Hausärzten und Hausärztinnen einen individuellen Nachsorgeplan. Je nach Intensität der erhaltenen Therapie ist die Betreuung jedoch aufwändig – mit mehreren spezialisierten Routineuntersuchungen (z.B. Dermatologie, Echokardiographie, Audiologie). Dies bedeutet, dass die Hausärztinnen und -ärzte nebst der sorgfältigen Anamnese und dem gründlichen körperlichen Status auch ihr ganzes Netz an Spezialisten/-innen auf die Problematik der Survivors sensibilisieren müssen. In einer randomisierten Studie von Kadan-Lottick N. et al. konnte gezeigt werden, dass in so einem Setting in den USA nur ein Bruchteil der in den Guidelines empfohlenen Untersuchungen tatsächlich durchgeführt wurden (7). Für die Schweiz fehlen hierzu die Zahlen.

Konzept 2: Transition Erwachsenen-Hämatologie/Onkologie

Das am weitesten verbreitete Nachsorgemodell in der Schweiz ist eine Transition von der pädiatrischen Onkologie in die Erwachsenenonkologie. An mehreren kinderonkologischen Zentren wird diese Art der Transition durchgeführt. Schwierig ist dabei, dass die Gesundheitsprobleme der Survivors sehr vielfältig sind, alle Organe betreffen und Zweitmalignome in Bezug auf Leidensdruck sowie Möglichkeit des Screenings nicht im Vordergrund stehen. Zudem gibt es einen Mangel an Onkologinnen und Onkologen in der Schweiz, so dass eine lebenslange Nachsorge oft nicht nachhaltig gewährleistet werden kann.

Konzept 3: Transition in interdisziplinäre allgemeininternistische Sprechstunden

In Bern, Luzern, Baselland und Lausanne werden die kinderonkologischen Survivors in interdisziplinäre allgemein-internistische Sprechstunden transitioniert. Dies erfordert eine gute Zusammenarbeit mit den pädiatrischen Onkolog/-innen, damit für alle Survivors ein detaillierter Nachsorgeplan bereitgestellt und mit ihnen besprochen werden kann. Auch braucht es ein Konzept, das die Integration von zusätzlich notwendigen Spezialisten regelt.

Stolpersteine Nachsorge

Leider werden in der Schweiz auch pädiatrische Krankenakten oft nach ca. 15 Jahren vernichtet. Das bedeutet, dass nicht für alle Survivors ein detaillierter Nachsorgeplan erstellt werden kann, da wichtige Therapiedaten fehlen.

Eine optimale Nachsorgesprechstunde erfordert einen hohen administrativen Aufwand für die Vorbereitung und Koordination sowie lange Konsultationen. Diese Arbeit ist im Tarmed kaum abgebildet, so dass momentan Absprachen mit den Kostenträgern sowie Drittmittel notwendig sind, um eine interdisziplinäre Nachsorgesprechstunde zu verwirklichen.

Da viele Survivors bis vor wenigen Jahren als gesund aus den regelmässigen kinderonkologischen Sprechstunden entlassen wurden, hat die überwiegende Mehrheit von ihnen im Moment keine regelmässige Nachsorge. Zusätzlich ist die Transition im Alter von 18-20 Jahren heikel, weil die Survivors gerade in diesem Alter oft nichts mehr von ihrer Krankheit wissen wollen.

Bei asymptomatischen Patienten/-innen kann es problematisch sein, wenn in der Sprechstunde neue Befunde entdeckt werden. Dies ist ein Grund, weshalb die COG-Guidelines nicht für alle im Kopf-/Halsbereich bestrahlten Survivors Ultraschalluntersuchungen der Schilddrüse empfehlen, damit nicht zu oft asymptomatische und nicht-wachsende Noduli entdeckt werden.

Die existierenden Sprechstunden haben noch nicht die Kapazität, um die ca. 7000 Survivors, die in der Schweiz leben, zu versorgen. Es bräuchte flächendeckende Angebote und die Selbstverständlichkeit, dass alle Survivors einen Nachsorgeplan inklusive einer kurzen Zusammenfassung ihrer onkologischen Therapie (kumulative Dosen der Chemotherapeutika, Strahlenfelder und Dosen, Details von Stammzelltransplantationen, Operationen und weiteren onkologisch eingesetzten Medikamenten) erhalten und darauf basierend individualisierte Nachsorgeempfehlungen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Christina Schindera, PhD

– Universität Bern, Institute of Social and Preventive
Medicine (ISPM)
Mittelstrasse 43
3012 Bern
– Universitäts-Kinderspital beider Basel
Spitalstrasse 33
4031 Basel

Prof. Dr. med. Claudia Kuehni

Universität Bern, Institute of Social and Preventive Medicine (ISPM)
Mittelstrasse 43
3012 Bern

Dr. med. Eva Maria Tinner

– Inselspital, Abteilung für pädiatrische Onkologie und Hämatologie
Universitätskinderklinik
Freiburgstrasse 10
3010 Bern
– Interdisziplinäre Langzeitnachsorgesprechstunde
Kantonsspital Baselland
Rheinstrasse 26
4410 Liestal

Die Autorinnen haben keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Nachsorge ist eine wichtige Fortsetzung der intensiven onkologischen Therapie im Kindesalter, aber der Benefit für Survivors sowie deren Lebensqualität sollte im Mittelpunkt stehen. Zudem benötigt es einen Ausbau der Ressourcen und eine angemessene Vergütung für den erheblichen Aufwand einer professionellen und individualisierten Nachsorge.

1. Belle FN, Pfeiffer V, Redmond S, et al: Swiss Childhood Cancer Registry: Annual Report 2017/2018. 2019
2. Kinderkrebsregister: Beobachtetes 10-Jahres-Ueberleben für Kinder und Jugendliche (0-19 Jahre alt), 2021
3. Schindler M, Spycher BD, Ammann RA, et al: Cause-specific long-term mortality in survivors of childhood cancer in Switzerland: A population-based study. Int J Cancer 139:322-33, 2016
4. Hudson MM, Ness KK, Gurney JG, et al: Clinical ascertainment of health outcomes among adults treated for childhood cancer. Jama 309:2371-2381, 2013
5. COG: Children’s Oncology Group. Long-Term Follow-Up Guidelines for Survivors of Childhood, Adolescent, and Young Adult Cancers, Version 5.0 – October 2018 2018
6. Rebholz CE, von der Weid NX, Michel G, et al: Follow-up care amongst long-term childhood cancer survivors: a report from the Swiss Childhood Cancer Survivor Study. Eur J Cancer 47:221-9, 2011
7. Kadan-Lottick NS, Ross WL, Mitchell HR, et al: Randomized Trial of the Impact of Empowering Childhood Cancer Survivors With Survivorship Care Plans. J Natl Cancer Inst 110:1352-1359, 2018