Rhythmusmanagement bei Patienten mit Herzinsuffizienz

Zusammenfassung: Arrhythmien treten häufig bei Patienten mit Herzinsuffizienz auf und sind mit einem signifikanten Risiko für Mortalität und Morbidität verbunden. Die Prävention des plötzlichen Herztods mittels ICD-Therapie ist entscheidend, aber die optimale Risikostratifizierung bleibt auch im Jahre 2024 herausfordernd. Für ventrikuläre Tachykardien unterstützen neue Daten den frühzeitigen Einsatz der Katheterablation. Die antiarrhythmische Medikamententherapie ist eine ergänzende Therapie bei symptomatischen Patienten, bietet aber keinen prognostischen Nutzen. Die antiarrhythmische Therapie bei Herzinsuffizienz erfordert einen systematischen, multimodalen Ansatz, der mit einer medikamentösen Therapie für Herzinsuffizienz beginnt und Device- und interventionelle Therapien integriert. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern haben klinische Studien einen prognostischen Nutzen einer frühen Rhythmuskontrolle mittels Katheterablation gezeigt.

 

Rhythm management in patients with heart failure
Abstract: Arrhythmias manifest frequently in individuals with heart failure, posing a notable threat of mortality and morbidity. While the prevention of sudden cardiac death through ICD therapy remains pivotal, accurate risk stratification remains a challenging task even in 2024. Recent data underscore the early consideration of catheter ablation for ventricular tachycardias. Although antiarrhythmic drug therapy serves as an ancillary measure for symptomatic patients, it does not confer prognostic advantages. The holistic management of arrhythmias in heart failure necessitates a systematic, multidimensional approach that initiates with evidence-based medical therapy for heart failure and integrates device-based and interventional therapies. Noteworthy clinical studies have illustrated the positive prognostic impact of early rhythm control strategies, particularly catheter ablation, in individuals managing heart failure and atrial fibrillation.

Einführung

Ein beträchtlicher Anteil der Todesfälle bei Patienten mit Herzinsuffizienz ist auf ventrikuläre Arrhythmien, Bradykardie und Asystolie zurückzuführen, obwohl auch andere akute kardiovaskuläre Ereignisse eine Rolle spielen. Grundsätzlich kann die jährliche Rate plötzlicher Todesfälle schon durch die Behandlung der kardiovaskulären Grunderkrankung reduziert werden.

ICD-Therapie

Primärprävention

In einer Analyse von über 40.000 Patienten aus 12 Studien zur Herzinsuffizienz sanken die Raten der plötzlichen Herztode über 20 Jahre (von den mittleren 1990er-Jahren bis 2015) um 44% (1, 2). Dieser Rückgang ist wahrscheinlich auf Fortschritte in der Behandlung der Herzinsuffizienz zurückzuführen, da viele wichtige Therapien gemäss den Guidelines wie Betablocker, Mineralocorticoidrezeptorantagonisten, Sacubitril/Valsartan und biventrikuläre Pacemaker das Risiko eines plötzlichen Todes verringern (3). Obwohl einige Antiarrhythmika, insbesondere Amiodarone, die Häufigkeit von Tachyarrhythmien und plötzlichem Herzstillstand senken können, beeinflussen sie die Gesamtmortalität nicht (4). Zusätzlich hat sich die primär-prophylaktische ICD-Implantation bei ausgewählten Hochrisikopatienten mit Herzinsuffizienz etabliert. Der implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD) wird eingesetzt zur Behandlung potenziell lebensbedrohlicher ventrikulärer Arrhythmien und kann auch Bradykardien verhindern, vorausgesetzt es handelt sich um ein transvenöses (nicht subkutanes) System.
Obwohl ein ICD bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion die Rate des plötzlichen arrhythmischen Todes reduziert, könnte der zusätzliche Nutzen bei gut kontrollierten Patienten begrenzt sein. In der DANISH-Studie mit Patienten mit nicht ischämischer Kardiomyopathie (NICM) war die Rate des plötzlichen Todes niedrig; nur 70 von 1116 Patienten hatten über 5 Jahre einen plötzlichen Tod (5). Während es einen leichten Rückgang des plötzlichen Todes mit einem ICD gab, zeigte sich keine signifikante Verbesserung der Gesamtmortalität. Subgruppenanalysen deuteten jedoch auf einen Nutzen für Patienten ≤70 Jahre hin. Eine Metaanalyse von Studien zu ICDs bei NICM bestätigte einen Überlebensvorteil, obwohl die Einbeziehung der DANISH-Studie den Effekt abschwächte (6). Die Empfehlungen zur Implantation eines ICD zur Sekundärprävention siehe Tabelle 1 (2).

Sekundärprävention

Hatte der Patient bereits anhaltende ventrikuläre Tachyarrhythmien erlitten oder sogar einen Herzstillstand überlebt, soll ein ICD das erneute Auftreten dieser lebensbedrohlichen Störungen verhindern. In diesem Fall sprechen wir von der Sekundärprävention des plötzlichen Herztodes.
Folgende Überlegungen sollten sich die behandelnden Ärzte unter Einbezug der Patienten vor der Implantation eines ICD bei Patienten mit Herzinsuffizienz machen (2):
1. Ein ICD wird bei Patienten mit Herzinsuffizienz empfohlen, um das Überleben zu erhöhen.
2. Die Entscheidung zur Implantation sollte die Ansicht des Patienten und dessen Lebensqualität berücksichtigen.
3. Patienten mit schweren Begleiterkrankungen, die voraussichtlich nicht wesentlich länger als 1 Jahr mit guter Lebensqualität überleben werden, haben wahrscheinlich keinen wesentlichen Nutzen von einem ICD.

Weitere wichtige Überlegungen zur Patientenauswahl für die Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (2):
1. Bei Patienten mit HFrEF und einer QRS-Dauer ≥130 ms sollten wir einen biventrikulären ICD evaluieren.
2. Bei Patienten in der NYHA-Klasse IV wird ein ICD nicht empfohlen, sofern sie unter schweren, refraktären Symptomen leiden und keine Kandidaten für ein ventrikuläres Assistdevice oder eine Herztransplantation sind. Solche Patienten haben eine sehr begrenzte Lebenserwartung und sterben wahrscheinlich an Pumpenversagen.
3. Obwohl die DANISH-Studie keinen signifikanten Nutzen der ICD-Therapie bei Patienten mit NICM zeigte, sollte daran erinnert werden, dass NICM eine heterogene Erkrankung ist und bestimmte Subgruppen (z. B. Laminopathien, Sarkoidose) ein höheres Risiko für plötzlichen Tod haben und daher eine sorgfältige Abwägung der ICD-Indikation erfolgen sollte. In diesen Situationen kann das kardiale MRI zusätzliche Informationen zur Narbenlast liefern und so zur Entscheidungsfindung beitragen.
4. Patienten sollten über den Zweck eines ICD aufgeklärt und in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. Sie sollten auch über mögliche Komplikationen im Zusammenhang mit der Implantation informiert werden. Sie sollten über Auswirkungen auf das Autofahren und das Risiko von unangemessenen Schocks aufgeklärt werden. Darüber hinaus sollten die Patienten über die Umstände informiert werden, unter denen der ICD deaktiviert werden kann, z. B. in terminalen Situationen (7).

Katheterablation von Kammertachykardien

Die ICD-Therapie reduziert den plötzlichen Herztod, verhindert jedoch keine ventrikulären Tachykardien. Daher können Patienten mit Herzinsuffizienz symptomatische ventrikuläre Arrhythmien und ICD-Schocks erfahren. Die Katheterablation von ventrikulären Tachykardien ist daher eine zentrale Komponente der ventrikulären Tachykardie-therapie bei Herzinsuffizienzpatienten. Daher wird die Katheterablation insbesondere bei Herzinsuffizienzpatienten mit ischämischer Kardiomyopathie und rezidivierender ventrikulärer Tachykardie nach ICD-Therapie empfohlen (2, 8, 9).

Überlegungen zur Indikationsstellung bei Batterieerschöpfung eines ICD

Wenn ein ICD-Generator das Ende seiner Lebensdauer erreicht oder explantiert werden muss, muss er nicht automatisch ersetzt werden. Vielmehr sollte eine gemeinsame Entscheidungsfindung stattfinden. Patienten sollten sorgfältig von einem erfahrenen Kardiologen evaluiert werden, da sich die Behandlungsziele seit der Implantation möglicherweise geändert haben (das Risiko für tödliche Arrhythmien kann niedriger sein oder das Risiko für nicht arrhythmischen Tod höher sein). Es ist umstritten, ob Patienten, deren LVEF sich stark verbessert hat und die während der Lebensdauer des ICD keine ICD-Therapie benötigt haben, ein weiteres Gerät implantiert werden sollte (2, 10).

Subkutane ICD-Systeme

Subkutane ICD (S-ICD) scheinen ebenso wirksam wie konventionelle transvenöse ICD mit einer ähnlichen Komplikationsrate zu sein. Obwohl das Risiko für inadäquate Schocks anfänglich höher zu sein schien, hat eine verbesserte Patientenauswahl gezeigt, dass S-ICD in dieser Hinsicht nicht unterlegen sind. Sie können die bevorzugte Option für Patienten mit schwierigem venösen Zugang oder solche sein, die aufgrund einer Infektion einen ICD entfernt bekommen müssen (12). Patienten müssen sorgfältig ausgewählt werden, da S-ICD keine Bradyarrhythmien behandeln können (ausser Post-Schock-Pacing) und weder Anti-Tachykardie-Pacing noch CRT liefern können (2, 11).

CRT-Therapie

Die kardiale Resynchronisationstherapie beruht auf der gleichzeitigen Stimulation von linkem und rechtem Ventrikel. Bei Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz liegt in etwa 30% der Fälle ein Linksschenkelblock vor, welcher zu einer ungünstigen Kontraktion des Herzens führt. Diesen Patienten kann unter Umständen mit einem Resynchronisationsgerät geholfen werden (12). Beim biventrikulären Pacing wird eine zusätzliche Elektrode, die über den Koronarsinus an die freie Wand des linken Ven­trikels gelegt wurde, genutzt. Dadurch und dank der Elektrode im rechten Ventrikel kann das Herz wieder synchron stimuliert werden, und die ungünstigen Effekte des Linksschenkelblocks werden überbrückt. Bei Patienten, die auf diese Therapie ansprechen, tritt die Verbesserung der klinischen Symptomatik sofort nach Einschaltung des Gerätes ein.

Conduction-System-Pacing

Biventrikuläres Pacing war bisher die etablierte Standardmethode für die kardiale Resynchronisationstherapie. Es weist jedoch eine nicht physiologische Aktivierung zwischen dem linken ventrikulären Epikardium und dem rechten ventrikulären Endokardium auf. Etwa ein Drittel der Herzinsuffizienzpatienten, die für die kardiale Resynchronisationstherapie infrage kommen, profitieren nicht von dieser Methode. Conduction-System-Pacing (CSP), einschliesslich His-Bündel-Pacing und Pacing im Bereich des linken Tawara-Schenkels, hat sich als vielversprechende Alternative zum biventrikulären Pacing für die kardiale Resynchronisation erwiesen (siehe Abbildung 1). Es gibt zunehmende Evidenz, dass CSP bei der Erzielung synchroner ventrikulärer Aktivierung und Repolarisation überlegen sein könnte (12-14). Jedoch stehen umfangreiche randomisierte Studien noch aus.

Ventrikuläre Extrasystolen bei Herzinsuffizienz

Ventrikuläre Extrasystolen sind die häufigsten ventrikulären Arrhythmien und treten häufig bei Patienten mit Herzinsuffizienz auf. Häufige ventrikuläre Extrasystolen können eine linksventrikuläre systolische Dysfunktion bei vorbestehender Herzinsuffizienz aggravieren (12). Wenn die Extrasystolen bei strukturell normalem Herzen eine Herzinsuffizienz verursachen, dann bezeichnen wir das als Extrasystolie-induzierte Kardiomyopathie (Abbildung 2 und 3). Es ist wichtig, diese Erkrankung zu erkennen, da die Kardiomyopathie durch die Beseitigung der ventrikulären Extrasystolie behandelt werden kann (Abbildung 4) (12, 15). Bei einigen Patienten normalisiert sich die linksventrikuläre Auswurffraktion jedoch trotz Beseitigung der ventrikulären Extrasystolie nicht. Dies weist dann eben auf eine vorbestehende linksventrikuläre Dysfunktion hin. Daher sollte die Diagnose einer Extrasystolie-induzierten Kardiomyopathie nur nach Verbesserung oder Normalisierung der LVEF nach Beseitigung der ventrikulären Extrasystolie gestellt werden. Eine ventrikuläre Extrasystoliebelastung von 10-20% scheint der Schwellenwert für die Entwicklung einer linksventrikulären Dysfunktion zu sein.
Die Katheterablation von ventrikulären Extrasystolen wird als Erstlinientherapie (Klasse-I-Empfehlung) für die Extrasystolie-induzierte Kardiomyopathie betrachtet. Antiarrhythmika sind eine Alternative, wenn die Katheterablation nicht gewünscht wird oder erfolglos war.

Vorhofflimmern

Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz begünstigen gegenseitig ihr Auftreten und treten häufig gemeinsam auf. Der Anteil an Patienten mit Herzinsuffizienz, die Vorhofflimmern entwickeln, nimmt mit dem Alter und dem Schweregrad der Herzinsuffizienz zu. Wenn Vorhofflimmern Herzinsuffizienz im Sinne einer Tachykardiomyopathie verursacht, scheint der klinische Verlauf günstiger zu sein als bei anderen Ursachen von Herzinsuffizienz. Im Gegensatz dazu ist die Entwicklung von Vorhofflimmern bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz mit einer schlechteren Prognose verbunden, einschliesslich Schlaganfall und erhöhter Sterblichkeit (12, 16).
Zudem stellt Herzinsuffizienz ein erhöhtes thromboembolisches Risiko bei Vorhofflimmern dar.

Beim Management von Patienten mit Herzinsuffizienz und gleichzeitigem Vorhofflimmern sollten folgende Punkte beachtet werden:

1. Identifikation und Behandlung möglicher Ursachen oder Auslöser von Vorhofflimmern: Potenzielle Ursachen oder auslösende Faktoren von Vorhofflimmern sollten identifiziert und korrigiert werden.
2. Management der Herzinsuffizienz
3. Prävention von embolischen Ereignissen
4. Frequenzkontrolle: Die Daten zur Frequenzkontrolle sind bei Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz nicht eindeutig. Eine Strategie der grosszügigen (lenient) Frequenzkontrolle, definiert durch eine Ruheherzfrequenz <110 b.p.m., wurde mit einer strengen Frequenzkontrolle verglichen, wobei sich keine prognostischen Unterschiede zeigten. Daher stellt eine «lenient» Frequenzkontrolle einen akzeptablen ersten Ansatz dar: Jedoch sollte eine niedrigere Herzfrequenz angestrebt werden, falls anhaltende Symptome oder eine Tachykardie-induzierte Kardiomyopathie vorliegt.
5. Betablocker können für die Frequenzkontrolle bei HFrEF oder HFmrEF verwendet werden. Amiodaron i.v. kann die ventrikuläre Rate bei NYHA-Klasse IV und/oder hämodynamischer Instabilität reduzieren. Eine AV-Knoten-Ablation mit CRT-System-Implantation sollte bei unzureichender ventrikulärer Ratekontrolle erwogen werden (2).
6. Rhythmuskontrolle:
a. Die elektrische Kardioversion wird dringend empfohlen, wenn sich Patienten mit einer hämodynamischen Instabilität präsentieren, dabei muss natürlich das thromboembolische Risiko berücksichtigt werden. Bei Patienten ohne adäquate Antikoagulation und mit Vorhofflimmerndauer von mehr als 48 Stunden sind vor der Kardioversion mindestens 3 Wochen therapeutische Antikoagulation oder eine transösophageale Echokardiographie erforderlich.
b. Für Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF) und Vorhofflimmern spielt die frühe Rhythmuskontrolle mittels Katheterablation eine entscheidende Rolle in der Behandlung, da neuere randomisierte kontrollierte Studien eine Verringerung der Vorhofflimmerlast und eine Verbesserung der Prognose zeigen (Abbildung 5). Somit kann gesagt werden, dass die Rhythmus-erhaltende Therapie bei Herzinsuffizienz-patienten nicht nur darauf abzielt, Symptome zu lindern, sondern sie kann das Fortschreiten von Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern stoppen und so die Prognose verbessern (17, 18).
c. Bei der pharmakologischen Rhythmuskontrolle ist Amiodaron die bevorzugte Wahl für Patienten mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion. Eine langfristige Behandlung mit Antiarrhythmika beinhaltet die fortlaufende Überwachung bezüglich proarrhythmischer Effekte und Organtoxizität. Zudem sollte eine regelmässige Beurteilung der Vorhofflimmerlast unter Therapie erfolgen.

PD Dr. med. Richard Kobza

Kardiologie Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

Literatur:
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Vaskuläre Dyspnoe: Lungenembolie

Eine 83-jährige Frau mit bekannter koronarer Herzkrankheit und milder chronischer Herzinsuffizienz stellt sich notfallmässig bei Ihnen in der Praxis vor. Sie berichtet über plötzlich aufgetretene Atemnot und stechende Thoraxschmerzen während den letzten Stunden. Sie ist afebril, der Blutdruck beträgt 135/90 mmHg, der Puls ist unregelmässig und tachykard (125/min). Die Atemfrequenz liegt bei 30/min, das Pulsoxymeter zeigt 88% unter Raumluft. Bei der körperlichen Untersuchung fallen leicht geschwollene Unterschenkel beidseits auf, die Jugularvenen sind nicht gestaut, die Lungenauskultation ist unauffällig. Ein EKG zeigt ein Vorhofflimmern ohne Repolarisationsstörungen. Im Praxislabor sind das hochsensitive Troponin leicht (35ng/l), die D-Dimere deutlich (1.0mg/L) erhöht. Sie weisen die Patientin mit Verdacht auf eine Lungenembolie zur CT-Angiographie auf die Notfallstation des nächsten Spitals ein.

Einleitung

Bei älteren, multimorbiden Patient*Innen gehört die akute Dyspnoe zu den häufigsten Symptomen, die zu notfallmässigen Konsultationen und Hospitalisationen führen (1). Die Differentialdiagnose ist breit. Das Auftreten einer Lungenarterienembolie (LE) ist dabei eine häufige Ursache. Ihre Prävalenz nimmt mit dem Alter zu. Klinisch überlappen Risikofaktoren, pathophysiologische Mechanismen und Symptomatik mit anderen kardiovaskulären Erkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz). Diagnose und Abgrenzung gegenüber anderen Entitäten bleiben damit häufig schwierig.
Im Folgenden gehen wir auf die pathophysiologischen Mechanismen und klinische Engramme ein, die an eine LE denken lassen, skizzieren unseren Diagnosealgorithmus und schlagen auf der Grundlage der neuesten Empfehlungen einen therapeutischen Ansatz für Patienten mit einer LE vor (2-4).

Risikoprofil

Arterielle Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes, Adipositas, Tabakkonsum, ungesunde Ernährung, Stress, Schlafmangel und Östrogentherapie wirken sich negativ auf die Endothelfunktion aus, befördern Inflammation und Hyperkoagulabilität und begünstigen damit das Auftreten von Atherothrombosen (die in der Folge zu Myokardinfarkt und Herzinsuffizienz führen können) aber auch von venösen Thromboembolien (5). Entsprechend weisen Patienten mit koronarer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz auch ein deutlich erhöhtes Risiko auf, eine LE zu erleiden (6). Ob auch ein Vorhofflimmern das Risiko für eine Lungenembolie erhöht, bleibt umstritten (7, 8). Die Prävalenz von Thromben im rechten Vorhof, die konsekutiv eine ein thromboembolisches Ereignis verursachen können, wurde bei Patienten mit Vorhofflimmern als gering (<1 %) beschrieben, ganz im Unterschied zu Thromben im linken Vorhof (9 %). Während sich verschiedene kardiovaskuläre Risikofaktoren zu einem gemeinsamen Profil für kardiale Erkrankungen und venöse Thromboembolien ergänzen, stellen wir dies beim Vorhofflimmern deshalb in Frage (9).

Pathophysiologie und Hämodynamik

Ein Gerinnsel in der Lungenstrombahn kann zu einem prompten Anstieg des pulmonalen Druckes führen und damit eine rechtsventrikuläre Dysfunktion – «akutes Cor pulmonale» – verursachen. Ein relevanter Anstieg des Lungendrucks wird allerdings nur beobachtet, wenn mehr als die Hälfte des Lungengefässsystems durch thrombotisches Material verlegt wird (10-12). Bei geringerer Obstruktion kompensieren die Dehnung und Rekrutierung zusätzlicher Lungenkapillaren die entsprechenden Kreislaufveränderungen. Wenn sich der thrombotische Verschluss auf mehr als 50 % der Lungengefässe erstreckt, kommt es zu einem Druckanstieg. Der unkonditionierte rechte Ventrikel (RV) kann dabei einen mittleren pulmonal-arteriellen Druck von bis zu ~40 mmHg tolerieren. Bei höheren Druckwerten kommt es zu einer Beeinträchtigung der rechtsventrikulären Funktion, in extremis zum fatalen Rechtsherzversagen. Werden selbst höhere Druckwerte hämodynamisch toleriert, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass bereits eine rechtsventrikuläre Adaption und damit eine vorbestehende Druckerhöhung im Lungenkreislauf vorliegt («chronisches Cor pulmonale»).
Ein – meist abrupter – Anstieg der RV-Nachlast wie er im Rahmen einer LE beobachtet wird, ist dabei der Hauptmechanismus, welcher zu einer rechtsventrikulären Dysfunktion und schlussendlich zu einem Abfall des RV-Schlagvolumens führt (Abbildung 1, adaptiert von (14)). Zudem können Alterationen der RV-Vorlast (z.B. Hypovolämie, oder – häufiger – eine systemische Stauung), der myokardialen Kontraktilität (meistens bei akuter RV-Ischämie oder bei vorbestehenden Pathologien), der ventrikulärer Interdependenz und des Herzrhythmus zu einer weiteren Verschlechterung der RV-Funktion führen (14).

Klinische Engramme & Diagnostik

Der Diagnoseprozess zum Ausschluss einer LE umfasst Anamnese, klinische Untersuchung, die Verwendung
prädiktiver Scores, Laborparameter und eine Computertomographie der Lungengefässe (thorakales Angio-CT). Unser eigener diagnostischer Algorithmus ist in Abbildung 2 skizziert.

Vortestwahrscheinlichkeit, prädiktive Scores und D-Dimere

Jeder diagnostische Prozess beginnt mit der Formulierung einer Vortest-Wahrscheinlichkeit. Dies geschieht durch die Synthese aller zur Verfügung stehenden klinischen Informationen. Es kann dabei nicht genügend betont werden, dass das Resultat eines jeden medizinischen Tests nur im Kontext der Vortest-Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann.
Für die semiquantitative Einschätzung der Vortest-Wahrscheinlichkeit bei Patienten mit Verdacht auf eine LE wurden mehrere Scores entwickelt, von denen der «Geneva» und der «Wells» vermutlich die bekanntesten sind (15). Diese Scores haben sich im klinischen Alltag gut etabliert – es sind durchaus hilfreiche Instrumente zur Abschätzung der Vortest-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer LE. Sie sind allerdings meistens so konzipiert, dass sie zu einer weiteren Testkaskade führen: entweder mit Bestimmung von D-Dimeren (bei geringer Vortest-Wahrscheinlichkeit) und/oder direkt durch eine Angio-CT bei mittlerer oder hoher Wahrscheinlichkeit. Auch ihre Wertigkeit sollte aber nicht überschätzt werden: die von erfahrenen Klinikern geschätzte Vortest-Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer LE ist keineswegs schlechter als die mit einem Scoring-System erhobene Wahrscheinlichkeit – im Gegenteil (16, 17). Dieser Unterschied verstärkt sich vermutlich, wenn eine Begleiterkrankung – z. B. eine Herzinsuffizienz – vorliegt, für die es keine validierten Scores gibt.
Wir plädieren deshalb dafür, bei Patienten mit Verdacht auf eine LE sich primär auf die klinische Gestalt zur Schätzung der Vortest-Wahrscheinlichkeit zu verlassen. Im Falle einer niedrigen Vortest-Wahrscheinlichkeit sollte die PERC-Regel als erstes Scoring-System zur Anwendung kommen. Mit einer Sensitivität von >97 % ermöglicht die PERC-Regel den Ausschluss einer LE ohne zusätzliche Tests (18). Aufgrund zahlreicher Überschneidungen zwischen den einzelnen Scoring-Systemen (Tabelle 1) raten wir aber davon ab, nacheinander den Wells oder den Geneva Score und anschliessend die PERC-Regel anzuwenden (19).
Wenn die Vortest-Wahrscheinlichkeit für eine LE als niedrig eingeschätzt wird und ≥1 PERC-Kriterium vorliegen oder wenn die Vortest-Wahrscheinlichkeit moderat ist, sollten die D-Dimere bestimmt werden. Bei alterskorrigiert (!) erhöhten D-Dimeren oder bei einer hohen Vortest-Wahrscheinlichkeit sollte als nächstes eine Angio-CT durchgeführt werden (Abbildung 2). Eine normale PERC-Regel oder normale altersangepasste D-Dimere schliessen eine LE sicher aus (17). Aus der Perspektive des Patienten gilt es allerdings anzumerken: Mit dem Ausschluss einer LE ist noch keine Diagnose gestellt. Beim Patienten, der sich mit unklarer Dyspnoe präsentiert, kann deshalb trotz negativer Scores und normwertigen D-Dimeren eine thorakale Computertomographie sinnvoll und diagnostisch weiterführend sein (20).

Thorakale Angio-Computertomographie (Angio-CT)

Die Angio-CT der Lunge stellt heute den Goldstandard zur Diagnose einer LE (ESC-Leitlinien Klasse I). Hier möchten wir zwei Punkte hervorheben: Erstens können gemäss Bayes‘ Theorem bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer LE bis zu 8% dieser Bildgebungen falsch-negative Ergebnisse liefern (21). In unserer Erfahrung ist dies insbesondere bei Patienten mit Tumor-Mikroembolien der Fall, die – im Gegensatz zu paraneoplastischen venösen Thromboembolien – zu klein sind, um mit bildgebenden Verfahren sicher erkannt zu werden.
Zweitens kommt es bei Patienten mit akuter LE und konsekutiv systemischer venöser Stauung häufig zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion. Tatsächlich ist die venöse Stauung, mehr noch als ein vermindertes Herzzeitvolumen, der stärkste hämodynamische Prädiktor für eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate (22, 23). Mit der Normalisierung von Druck und Volämie (ggf. kurzfristig unterstützt durch die vorlastsenkende Wirkung von Schleifendiuretika) wird sich die Nierenfunktion in den meisten Fällen prompt wieder auf die vorbekannten Werte erholen.
Generell wird auch das Risiko einer kontrastmittelinduzierten akuten Nierenschädigung überschätzt (24). Die akute kontrastmittelinduzierte Nephropathie ist definiert als die iatrogene Verschlechterung der Nierenfunktion nach der Verabreichung von intravenösem Radiokontrastmittel – sie zeigt in der Regel einen milden Verlauf mit spontaner Rückkehr zum Ausgangswert der Nierenfunktion ohne langfristige Beeinträchtigung. Bei Patienten mit einer mittleren bis hohen Wahrscheinlichkeit für eine LE sollte wenn immer möglich eine Angio-CT als wichtiger diagnostischer Eckpfeiler durchgeführt werden.

Risikostratifizierung: Die Rolle von kardialen Biomarkern und Echokardiographie

Die Leitlinie des American College of Chest Physicians empfiehlt einen pragmatischen Ansatz zum Einsatz von Echokardiographie und kardialen Biomarkern: Auf einen routinemässigen Einsatz bei allen Patienten mit LE insbesondere sollte verzichtet werden (25). Kardiale Biomarker (u.a. hochsensitives Troponin, natriuretische Peptide) sind zwar mit einem höheren Risiko für eine LE-bedingte Mortalität assoziiert. Da sie aber in mehr als der Hälfte aller LE-Patienten erhöht sind, haben sie einen sehr geringen positiven Prädiktionswert. In der Regel beeinflussen sie die Behandlungsentscheidungen nicht (3).
Auch eine routinemässige Echokardiographie zur Beurteilung der rechtsventrikulären Funktion wird für die diagnostische Abklärung von hämodynamisch stabilen Patienten mit LE nicht empfohlen (3). Tatsächlich ist der echokardiograische Nachweis einer RV-Dysfunktion mit einer Prävalenz von gut einem Viertel der LE-Patienten häufig und mit einem schlechteren Outcome assoziiert. Vergleichbar mit den Biomarkern ist der positive Prädiktivwert für einen LE-bedingten Tod allerdings gering (26, 27).
Bei Patienten mit LE und hämodynamischer Instabilität sollte hingegen sofort eine Echokardiographie durchgeführt werden (ESC-Leitlinien Indikation Klasse I). Bei instabilen Patienten mit Verdacht auf Lungenembolie kann das Vorhandensein oder Fehlen von echokardiographischen Anzeichen eines akuten RV-Dysfunktion die Lungenembolie als Ursache der hämodynamischen Instabilität ausschliessen bzw. bestätigen und den Diagnoseprozess und die Behandlung beschleunigen (3).

Behandlung

Das Erkrankungsspektrum kann von oligo-/asymptomatischen Präsentationen bis hin zu kritischen Zuständen mit schwerer kardio-pulmonaler Instabilität reichen. Daher sollten die ersten Minuten der Triage gewidmet sein, d. h. der Beurteilung der kardio-pulmonalen Stabilität primär basierend auf Vitalparameter (Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, periphere Sauerstoffsättigung), der Einschätzung des Perfusionsstatus (d. h. Suche nach Zeichen einer peripheren Minderperfusion wie kalte Extremitäten, veränderte Vigilanz, Oligurie) und der Bestimmung des PESI (Pulmonal Embolism Severity Index) (2, 3). Herzstillstand, Schock (d. h. systolischer Blutdruck < 90 mmHg und Zeichen einer peripheren Minderperfusion) und anhaltende Hypotonie (systolischer Blutdruck < 90 mmHg oder die Notwendigkeit von Vasopressoren) definieren eine hämodynamische Instabilität (28). Diese Patienten benötigen eine unverzügliche Diagnostik und Therapieeinleitung. Sie sollten im Schockraum oder auf einer Intensivstation bzw. ähnlichen Einheiten mit der dafür notwendigen Infrastruktur, Personal und Expertise behandelt werden.
Die Behandlung beinhaltet Massnahmen zur hämodynamischen Stabilisierung (Vasopressoren, Inotropika, mechanische Kreislaufunterstützungssysteme) und Reperfusionsstrategien (Antikoagulation mit oder ohne systemische Fibrinolyse) abhängig vom klinischen Bild. Chirurgische oder kathetergestützte Reperfusionsstrategien können in einzelnen Fällen in Betracht gezogen werden. Detaillierte Empfehlung für die Behandlung von Patienten mit LE und hämodynamischer Instabilität finden sich in den Guidelines und im Positionspapier der European Society of Cardiology (2, 3)
Niedrigrisiko-Patienten mit kardiopulmonaler Stabilität und PESI I-II können in der normalen Notfallstation. ambulant bzw. auf der Normalstation behandelt werden. Die Oxygenierung sollte optimiert werden, indem zusätzlicher Sauerstoff über eine Nasenbrille oder eine Gesichtsmaske verabreicht wird (Ziel-SpO2 >94 %). Zusätzlicher Sauerstoff lindert nicht nur die Symptome, sondern reduziert auch die präkapillare pulmonale Vasokonstriktion und die RV-Nachlast. Umgekehrt sollte eine nicht-invasive Überdruckbeatmung mit Vorsicht eingesetzt werden, um negative Auswirkungen auf den RV zu vermeiden. Eine pulmonale oder systemische Stauung sollte mit Schleifendiuretika behandelt werden. Prompt sollte eine Antikoagulation eingeleitet werden, sobald die Diagnose einer LE sicher gestellt bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit vermutet wird (3). Bei den meisten stabilen Patienten kann direkt eine orale Antikoagulation mit non-Vitamin-K-oralen Antikoagulantien (NOAC) eingesetzt werden. Wenn die orale Bioverfügbarkeit der NOAC ungewiss ist (z.B. Nüchternheit, gastrointestinale Stauung, gestörte Vigilanz) oder wenn eine Steuerbarkeit der Antikoagulation erwünscht ist (z.B. bevorstehende Eingriffe, Blutungskomplikationen, dynamische Nierenfunktion) oder eine Langzeit-Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) vorgesehen ist, beginnen wir mit einem Bolus unfraktioniertem Heparin (z.B. 80 E/kg), gefolgt von einer Dauerinfusion (z.B. 18 E/kg/h titriert nach anti-Faktor Xa) mit Wechsel auf NOAC oder (VKA) nach einigen Tagen. In diesem Rahmen möchten wir zwei Punkte im Zusammenhang mit einer NOAC-Therapie bei LE betonen, die sich vom NOAC-Einsatz bei Vorhofflimmern unterscheiden: Erstens, Rivaroxaban und Apixaban können bereits ab Diagnosestellung einer LE eingesetzt werden (beide jedoch in erhöhter Dosierung, d.h. Rivaroxaban 2×15 mg für 3 Wochen oder Apixaban 2×10 mg für 7 Tagen) während Edoxaban und Dabigatran erst nach einer mindest 5-tägiger Therapie mit Heparin eingesetzt werden können. Zweitens, die Kriterien für die Dosisreduktion der NOAC, die bei Patienten mit Vorhofflimmern angewendet werden (z.B. Alter, Gewicht, Niereninsuffizienz), sollen im Kontext einer LE-Behandlung nicht angewendet werden, mit Ausnahme von Edoxaban. Das bedeutet, dass die empfohlene Erhaltungsdosis nach den ersten Tagen (siehe oben) für Rivaroxaban 1×20 mg, für Apixaban 2×5 mg und für Dabigatran 2×150 mg, unabhängig ist von klinischen Faktoren wie Nierenfunktion. Die Kriterien für Dosisreduktion gelten jedoch für Edoxaban (volle Dosis von 1×60 mg, Redukation auf 1×30 mg falls Kreatinin-Clearance ≤ 50 ml/min, Körpergewicht ≤60 kg oder bei gleichzeitiger Anwendung von P-Glykoprotein-Inhibitoren). Wertvolle Informationen zur NOAC-Anwendung sind in der Practical Guide der European Heart Rhythm Association zu finden (29).

Post-LE-Syndrom und Verlaufskontrollen

Die Rekanalisation der Thromben und damit die Durchgängigkeit der Lungenstrombahn erfolgt bei der Mehrzahl der LE-Patienten innerhalb der ersten Wochen bis wenigen Monate (30, 31). Allerdings berichten die Patienten häufig über anhaltende Dyspnoe oder eine schlechte körperliche Leistungsfähigkeit Monate bis Jahre nach der akuten LE (32). Die funktionellen Beeinträchtigungen korrelieren häufig nicht mit der Echokardiographie oder Lungenfunktionstest, die in der Regel beide innerhalb normaler Grenzen liegen (32). Psychometrische Daten zur Lebensqualität konnten aber zeigen, dass doch immerhin 10% der Patienten im ersten Jahr nach einer LE über eine Zustandsverschlechterung klagen. Zum Risikophänotyp für die Entwicklung dieser Post-LE-Symptomatik gehören u.a. weibliches Geschlecht, Alter, eine vorbestehende kardiopulmonale Erkrankung, thromboembolisches Rezidiv und Adipositas. Insgesamt bleibt aber dieses Post-LE-Syndrom eine schlecht definierte Entität (33).
Bevor die Diagnose eines Post-LE-Syndromes gestellt werden kann, muss das Vorliegen einer chronisch-thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) ausgeschlossen werden: Bei einigen wenigen LE-Patienten persistieren und organisieren sich die Thromben und führen zu Gefässumbau und einer chronischen pulmonalen Drucksteigerung (3). Eine detaillierte Erörterung von Diagnose und Behandlung der CTPEH würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Wir möchten jedoch betonen, dass die Diagnose einer CTEPH schwierig und die Dunkelziffer vermutlich nach wie vor hoch ist. Von einem systematischen echokardiographischen Screening bei allen Patienten nach stattgehabter LE raten wir ab, bei fehlender Symptomatik ist sie sinnlos. Bei Patienten mit einer persistierenden Symptomatik trotz einer konsequent durchgeführten Antikoagulationstherapie ≥3 Monate müssen echokardiographisch auf Zeichen einer pulmonalen Hypertonie untersucht werden. Bestätigt sich diese Drucksteigerung, sind weiterführende Tests mittels Rechtsherzkatheter und/oder Lungenszintigraphie angezeigt.
Die Dauer der Antikoagulation sollte nach Berücksichtigung der Risikofaktoren für ein Rezidiv einer venösen Thromboembolie (VTE) festgelegt werden (Abbildung 3). Die frühere Klassifizierung mit Begriffen wie «provoziert», «unprovoziert» oder «idiopathisch» sollte nicht mehr verwendet werden, sie haben sich als wenig hilfreich für die Wahl und Dauer der Antikoagulationsbehandlung erwiesen. Mit Ausnahme einer VTE, die im Zusammenhang mit einem grösseren operativen Eingriff auftritt, besteht für alle anderen Kategorien ein erhöhtes Rezidivrisiko (34). Diese Zahlen untermauern ein gemeinsames pathophysiologisches Konzept bei welchem einzelne Risikofaktoren eine thrombophile Diathese demaskieren anstatt sie zu erklären. Ferner ist zu betonen, dass die Risikokurve für Rezidive über die Zeit nicht abflacht. Die kumulative Inzidenz von Rezidiven steigt damit kontinuierlich. Ein substantieller Teil dieser rezidivierenden Ereignisse hat einen fatalen Ausgang und führt zum Tod. In Anbetracht dieser Überlegungen wird eine Antikoagulation für mindestens drei Monate bei allen Patienten mit LE empfohlen (3). Bei guter Verträglichkeit empfehlen wir dann anhand der oben erwähnten Risikogruppen in vielen Fällen eine Fortsetzung der Therapie ohne definiertes Stoppdatum (3).
Eine Gerinnungsabklärung ist nur selten angezeigt, in den Augen gewisser Expert*Innen nie. Derart apodiktisch möchten wir uns nicht äussern. Allerdings wirft eine Gerinnungsanalyse nach stattgehabter venöser Thromboembolie grundsätzliche Fragen auf: Bei Patienten mit thrombophiler Diathese ist nämlich das Risiko für ein Erstereignis erhöht, aber – verglichen mit Patienten ohne Thrombophilie – praktisch identisch für ein Rezidivereignis. Eine Gerinnungsabklärung nach stattgehabter Thromboembolie ändert damit – unabhängig vom Resultat – am weiteren therapeutischen Management nichts. Allenfalls hat eine Gerinnungsabklärung bei jüngeren, erstgradigen Verwandten von Patienten mit VTE eine Konsequenz, wobei die hohe Rate sowohl an falsch positiven als auch falsch negativen Resultaten den Nutzen für therapeutische Konsequenzen weitgehend wettmachen. Die genetischen Gerinnungsstörungen mit der höchsten Prävalenz (Faktor V Leiden und Prothrombin-Mutation) beeinflussen das Rezidivrisiko für eine venöse Thromboembolie nicht (35). Schliesslich muss gesagt werden, dass sich die Diagnose einer hereditären Thrombophilie in der Regel mit einer genauen Anamnese und damit ohne dezidierte Gerinnungsabklärung stellen lässt (reviewed in (36)).
Auch ein breites Tumorscreening ist bei fehlenden Hinweisen aus der Anamnese und Klinik (B-Symptomatik) bzw. Labor (z.B. unklare Anämie) nicht indiziert. Wir empfehlen jedoch die Durchführung der routinemässigen Vorsorgeuntersuchungen, wobei wir diese meistens erst im Abstand von mindestens drei Monaten zum Akutereignis der Lungenembolie durchführen (Notwendigkeit einer Biopsie und kurzfristiges Pausieren der Antikoagulation).

Schlussfolgerung

Das Resultat einer jeden medizinischen Untersuchung muss unter Berücksichtigung der Vortestwahrscheinlichkeit interpretiert werden. Im Kontext von akuter Dyspnoe und Lungenembolie stehen dazu verschiedene prädiktive Scores zur Verfügung. Sie sind im Alltag hilfreich, der Einschätzung von erfahrenen Ärzt*Innen aber nicht überlegen. Der Goldstandard zum Ausschluss bzw. Bestätigung einer Lungenembolie ist die thorakale Angio-CT – sie kann auch wertvolle differentialdiagnostische Hinweise zum Vorliegen anderer Pathologien liefern. Kardiale Biomarker und Echokardiographie kommen situativ zum Einsatz; bei hämodynamisch stabilen Patienten sollten sie nicht routinemässig eingesetzt werden. Die Dauer der Antikoagulation wird anhand des Risikoprofils festgelegt. Häufig favorisieren wir dabei eine prolongierte Dauer ohne definiertes Stoppdatum gegenüber einer kürzeren, klar begrenzten Therapiedauer. Der Stellenwert von Zusatzuntersuchungen (u.a. Verlaufsechokardiographie, Thrombophilie-Testung, Tumor-Screening) ist beschränkt. Routinemässig sollte darauf verzichtet werden.

Prof. Dr. med. Lars Christian Huber

Klinik Innere Medizin
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich, Schweiz

lars.huber@stadtspital.ch

PD Dr. med. Mattia Arrigo

Klinik Innere Medizin
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich, Schweiz

mattia.arrigo@uzh.ch

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Metabolische Ursachen von Dyspnoe

Endokrinologische bzw. metabolische Störungen haben oft Auswirkungen auf verschiedenste Funktionen des Organismus. Hierzu kann nicht selten auch eine Beeinträchtigung der Atemfunktion gehören. Die diabetische Ketoazidose als Folge eines Insulinmangels ist eine typische metabolische Azidose, welche der Körper durch ein vermehrtes Abatmen von Kohlenstoffdioxid zu kompensieren versucht. Dies führt zum klassischen Bild der «Kussmaul»-Atmung. Durch den vermehrten Einsatz von SGLT2-Hemmern, welche die sonst typische Hyperglykämie reduzieren und damit auch die Diagnostik erschweren können, ist das Auftreten der diabetischen Ketoazidose auch in den letzten Jahren eine wichtige Differentialdiagnose geblieben. Pathologien der Schilddrüse können nicht nur über morphologische Beeinträchtigungen, etwa bei einer Struma (Kompression), zu einer Dyspnoe führen. Auch an Funktionsstörungen muss hier gedacht werden. Sowohl eine Hypo- wie auch eine Hyperthyreose beeinflussen auf verschiedenen Wegen das kardiovaskuläre System und können schlussendlich zu einer Dyspnoe führen. Wird an die entsprechenden Entitäten gedacht, ist die Labordiagnostik der genannten metabolischen / endokrinologischen Erkrankungen dann grundsätzlich einfach. Entsprechend wichtig ist die Kenntnis dieser Störungen als Differentialdiagnose der Tachy- und Dyspnoe.

Einleitung

Endokrinologische bzw. metabolische Erkrankungen zeigen klassischerweise ein breites Spektrum an Symptomen und Befunden, mit welchen sie einhergehen und die mehr oder weniger typisch sind für das Krankheitsbild. Hierbei ist ein Einbezug des kardiopulmonalen Systems nicht selten, und damit auch das Auftreten von Tachy- und Dyspnoe. Auch wenn endokrinologische oder metabolische Erkrankungen bezüglich Häufigkeit nicht an erster Stelle in der Liste von Differentialdiagnosen der unklaren Dyspnoe stehen, ist es sehr wichtig, an sie zu denken, da sowohl die Diagnostik als auch die anschliessende therapeutische Intervention in der Regel vergleichsweise einfach sind. Entsprechend ist das «Daran denken» entscheidend. Dies ist gerade bei den im Folgenden vorgestellten Erkrankungen «Diabetische Ketoazidose» und
«Hypo- und Hyperthyreose» deutlich ersichtlich.

Diabetische Ketoazidose

Fall

Ein 55-jähriger Patient wird durch seine Ehefrau auf die Notfallstation gebracht. Er klagt über Schwäche, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Vor etwa drei Tagen hätte alles mit Diarrhoe und Erbrechen begonnen, an welcher die Ehefrau einen Tag davor auch gelitten hätte, bei ihr hätte sich alles sehr schnell wieder gebessert. Beim Patienten allerdings sei zwar die Diarrhoe etwas besser geworden, hingegen sei der Allgemeinzustand zusehends schlechter geworden. Essen hätte der Patient praktisch nichts mehr können. Beim leicht übergewichtigen Patienten sei vor 20 Jahren ein Typ-2-Diabetes-mellitus diagnostiziert worden, welcher aktuell mit 2 x 1000mg Metformin, 10mg Empagliflozin und 20 Einheiten Basis- sowie 3x täglich 5-10 Einheiten Bolusinsulin therapiert wird, aufgrund der fehlenden Nahrungszufuhr hat der Patient das Insulin über die letzten Tage allerdings nicht mehr appliziert. Im klinischen Untersuch präsentiert sich der Patient kardial kompensiert, aber dehydriert und tachykard. In erster Linie fällt auch eine schwere Tachypnoe auf (Atemfrequenz 35/min). Der Blutzucker ist mit 9,3mmol/l nur moderat erhöht.

Pathogenese, Klinik und Diagnose

Die diabetische Ketoazidose ist die typische Manifestation des entgleisten Typ 1 Diabetes mellitus, sie kann unter gegebenen Umständen aber auch beim Typ 2 Diabetes auftreten. Ein absoluter oder relativer Mangel (Resistenz) an Insulin führt zu einer vermehrten Freisetzung von Fettsäuren im peripheren Fettgewebe. Diese Fettsäuren werden zur Leber transportiert, wo die Aktivierung zu Acyl-CoA stattfindet. Nach der mitochondrialen beta-Oxidation findet dann aber mehrheitlich nicht der weitere Abbau im Citrat-Zyklus statt, sondern eben die Synthese der Ketonkörper Acetoacetat, Aceton und beta-Hydroxybutyrat. Die vermehrte Ketonkörperproduktion ist eine physiologische Erscheinung im Rahmen eines Fastenzustandes, da die Ketonkörper dann als Energielieferanten – etwa für das Gehirn – dienen, wenn die Glukose- bzw. Glykogenspeicher ausgeschöpft sind. Im Rahmen der diabetischen Ketoazidose, bei welcher eine sonst auch im Fastenzustand noch vorhandene minimale Insulinwirkung praktisch fehlt, führt die sehr starke Ketonkörperproduktion zur metabolischen Azidose; Acetessigsäure und beta-Hydroxbuttersäure sind starke organische Säuren.
Wie erwähnt wird die diabetische Ketoazidose vor allem im Rahmen des Typ-1-Diabetes mellitus gesehen, kann aber auch beim Typ-2-Diabetes auftreten, wenn schwere Insulinresistenz und Betazellerschöpfung zusammenkommen. Insbesondere im Rahmen von Stresssituationen, etwa bei einem schweren akuten Infekt, ist das Risiko erhöht.
Im Rahmen der diabetischen Ketoazidose sind zum einen die klassischen Zeichen der Hyperglykämie typisch (auch wenn gelegentlich keine schwere Hyperglykämie festgestellt wird, wie in unserem Fall, wie weiter unten diskutiert). Hierzu gehören im Rahmen der osmotischen Diurese die Polyurie, die Polydipsie und der Gewichtsverlust. Im weiteren Verlauf können hier dann auch neurologische Symptome dazukommen, vor allem im Sinne von Lethargie und Somnolenz.
Neben den durch die Hyperglykämie bedingten Symptomen, und typisch für die diabetische Ketoazidose, treten dann auch gastrointestinale Symptome auf: Übelkeit, Erbrechen, abdominale Schmerzen. Neben in erster Linie durch die Dehydratation hervorgerufener Hypotension und Tachykardie stellen wir dann die schnelle und tiefe «Kussmaul»-Atmung fest, welche der Kompensation der metabolischen Azidose dienen soll. Der volatile Ketonkörper Aceton, welcher hierbei ausgeatmet wird, verleiht dem Atem den typischen Geruch überreifer Früchte, ähnlich auch dem Geruch von Nagellackentferner. Die Diagnose der Ketoazidose ist bei entsprechendem Verdacht einfach: Stark erhöhte Ketonkörper in Blut und Urin, zusammen mit einer Azidose und einer vergrösserten Anionenlücke sprechen für die Diagnose, selbst bei nur mässig erhöhtem Blutzucker.

Fallbesprechung

Bei unserem 55-jährigen Patienten zeigte sich in der Blutgasanalyse eine schwere metabolische Azidose im Sinne einer diabetischen Ketoazidose, bei ebenfalls erhöhten Ketonkörpern. Zwar assoziieren wir diese vor allem mit dem Typ 1 Diabetes mellitus, trotzdem ist der präsentierte Fall aber keine absolute Rarität.
Bei diesem Patienten müssen wir eine stattgehabte Gastroenteritis vermuten, bei entsprechenden Symptomen sowohl bei ihm als auch bei der Ehefrau. Dieser Infekt kann im vorliegenden Fall als zusätzlicher Stressor die Ketogenese begünstigt haben. Unglücklicherweise hat der Patient nun aufgrund einer mangelnden Instruktion seine bestehende Insulintherapie gänzlich sistiert. Er wollte damit eine Hypoglykämie verhindern, da er aufgrund der Gastroenteritis praktisch nichts mehr essen konnte. Hierzu wäre aber in erster Linie eine Adaptation des Bolusinsulins erforderlich gewesen. Durch das zusätzliche Weglassen des Basisinsulins hat der Patient dem Körper alles exogene Insulin, und damit auch eine mögliche Bremse der Ketonkörperproduktion und -azidose, entzogen.
Weshalb ist es aber nicht zur Hyperglykämie gekommen, die für den Patienten dann ein Warnsignal hätte sein können, dass etwas nicht stimmt? Hier ist nun die Medikation mit einem SGLT2-Hemmer zu bedenken, heute aufgrund des kardiovaskulären/renalen Benefits eine der häufigsten Therapien des Typ-2-Diabetes-mellitus. Durch die Förderung der renalen Glukoseexkretion wird zum einen die Hyperglykämie deutlich reduziert. Zum anderen werden weitere Mechanismen postuliert, die die Ketoazidose direkt fördern, wie eine Stimulation der tubulären Rückresorption von Ketonkörpern durch die starke Glukosurie. Die Ketoazidose ist daher eine zwar insgesamt nicht sehr häufige, aber dennoch ernstzunehmende Gefahr unter SGLT2-Hemmer Therapie (1).
Zuletzt muss auch hinter die Diagnose des Typ-2-Diabetes- mellitus bei unserem Patienten noch ein Fragezeichen gesetzt werden. Beim nur leicht übergewichtigen Patienten ist bereits im Alter von 35 Jahren ein Diabetes diagnostiziert worden, der aktuell einer intensivierten Insulintherapie bedarf. Die Differentialdiagnose eines Typ-1-Diabetes, im Erwachsenenalter nicht selten mit langsam über die Jahre abnehmender Insulinsekretion vergesellschaftet, ist hier durchaus eine Möglichkeit – und damit die Gefahr eines absoluten Insulinmangels. Aber auch bei zutreffender Typ-2-Diabetes-mellitus -Diagnose ist nach der langen Diabetesdauer eine deutlich eingeschränkte Betazellfunktion wahrscheinlich.

Therapie

Neben dem Erkennen der diabetischen Ketoazidose ist ein rasches therapeutisches Handeln essenziell (2).
Die erste Massnahme in der Behandlung der Ketoazidose ist die Volumengabe zur Korrektur der Volumendepletion und Stabilisierung der kardiovaskulären Situation. Dies dient nicht zuletzt auch einer anschliessend besseren Insulinwirkung durch Reduktion der Plasmaosmolalität, Reduktion von Vasokonstriktion und damit einer Perfusionsverbesserung, sowie durch Reduktion der Stresshormonantwort.
Wichtigstes Element der Behandlung ist alsdann die intravenöse, gewichtadaptierte Insulingabe (0,1 U/kg als initialer Bolus, anschliessend dieselbe Menge pro Stunde) und damit das Durchbrechen der unkontrollierten Ketonkörperproduktion. Gleichzeitig, oder bei bereits zuvor bestehender Hypokaliämie, sollte eine intravenöse Kaliumsubstitution beginnen, um der relevanten Verschiebung von Kalium in den intrazellulären Raum, welche durch die Insulingabe getriggert wird, entgegenzuwirken.
Eine zusätzliche Glukoseinfusion kann notwendig sein, wenn die Glukosewerte absinken, bevor die Ketoazidose gänzlich therapiert ist.
Die Therapie erfordert die regelmässige Messung von pH, Elektrolyten, Blutglukose und Ketonkörpern. Eine allfällige bestehende SGLT2-Hemmer Therapie (wie im hier beschriebenen Fallbeispiel) sollte vorderhand pausiert werden.

Für die Praxis

Die diabetische Ketoazidose ist eine klassische metabolische Azidose, welche zu einer kompensatorischen Tachypnoe führt. Sie darf auch bei nur moderat oder gar nicht erhöhten Blutzuckerwerten nicht verpasst werden. Die euglykäme diabetische Ketoazidose (3) ist mit dem vermehrten Einsatz von SGLT2-Hemmern in den letzten Jahren etwas häufiger geworden. Das Durchbrechen der ungehemmten Ketonkörperproduktion durch die Gabe von Volumen, Insulin und Kalium ist essenziell in der Behandlung.

Schilddrüse

Fall

Ein 40-jähriger Mann durchläuft eine Odyssee bei diversen Ärzt*Innen, welche er infolge mehrmonatiger Müdigkeit, progredienter Alopezie sowie Gewichtszunahme und Atemnot ab dem zweiten Stock Treppensteigen aufsucht. Trotz familiär bekannter Schilddrüsenunterfunktion wird während 2 Jahren keine TSH-Messung durchgeführt. Erst dann findet ein Dermatologe bei zunehmender Alopezie einen TSH-Wert von 121 mU/L (Ref 0.31 – 4.0). Die freien Werte sind nicht messbar tief. Nebenbefundlich zeigt sich ein ausgeprägter hypogonadotroper Hypogonadismus sowie eine deutliche Dyslipidämie. Im Ultraschall findet sich eine kleine Schilddrüse (2,6 ml Gesamtvolumen, normal bis 25 ml). Es zeigt sich das typische Muster einer Autoimmunthyreopathie.
Nach Beginn einer Substitution mit Thyroxin zeigt sich im Verlauf eine Normalisierung der TSH-Werte sowie eine komplette Regredienz des Hypogonadismus und der erhöhten Cholesterin-Werte. Die Atemnot verschwindet bereits nach wenigen Tagen.

Pathogenese, Klinik und Diagnose

Bei einer Abklärung von ätiologisch unklarer Dyspnoe sollte immer auch an eine Störung der Schilddrüse gedacht werden (4). Mögliche Störungen lassen sich am einfachsten nach dem Schema F&F einteilen: Form und Funktion. Neben metabolischen, d.h. Funktionsstörungen, können auch morphologische Veränderungen Grundlage einer Dyspnoe sein und sollen hier auch kurz Erwähnung finden. Die Schilddrüse liegt über der Luftröhre, angrenzend an die Speiseröhre. Bei einer Zunahme des Volumens der Schilddrüse ist sie somit prädestiniert, für obstruktive Beschwerden zu sorgen.

1. Form:
Hier geht es vor allem um eine Volumenzunahme der gesamten Schilddrüse im Rahmen einer grössenprogredienten Struma diffusa oder beispielsweise bei einer Thyreoiditis de Quervain. Auch bei grössenprogredienten Knoten (gut- wie auch bösartig) kann es zu einer Kompressionsproblematik im Bereich des Übergangs «Schilddrüse zu Luftröhre» kommen, welche Atemnot verursachen kann. Schilddrüsenknoten sind eine häufige Krankheit und ihre Abklärung und Therapie ist heutzutage standardisiert (5). Essentiell ist es, eine saubere Anamnese und einen körperlichen (Schilddrüsen-) Untersuch durchzuführen, um auf eine allfällige Kompressionsproblematik aufmerksam zu werden. Eine einfache Spirometrie (6) kann auch weiterhelfen in der Diagnostik.
Sollte sich eine obstruktive Problematik zeigen, welche zu einer Behinderung der Atmung führen kann, sollte dies anlässlich eines interdisziplinären Schilddrüsenboards besprochen werden, da je nach Ursache der Kompression unterschiedliche Therapien gewählt werden. Die Möglichkeiten reichen von der Operation über die Radioiod-Ablation bis hin zur Thermoablation von einzelnen Knoten, falls diese zytologisch als benigne abgeklärt sind.
Selten können auch maligne Veränderungen der Schilddrüse zu Lungenmetastasen und damit zu einer Beeinflussung der Atemfunktion führen. (Abb. 1)

2. Funktion:
Die Schilddrüse kennt drei Funktionslagen: Euthyreose,
Hypothyreose und Hyperthyreose. Sowohl die Hypo – wie auch die Hyperthyreose kann zu einer Dyspnoe führen. Die Mechanismen sind grundsätzlich verschieden.

a) Hyperthyreose:

Die Überfunktion ist in den meisten Fällen gekennzeichnet durch eine vermehrte Produktion von T4 und T3 (selten auch durch eine destruktive Freisetzung der Schilddrüsenhormone bei Thyreoiditis), etwa im Rahmen eines Morbus Basedow oder einer Autonomie («heisser Knoten»).
Auf zellulärer Ebene wirken die Schilddrüsenhormone durch das Andocken von T3 an Kernrezeptoren. T3 (Thyronin) ist das biologisch aktive Schilddrüsenhormon und bindet auch in den kardialen Myozyten. Es führt zu einer beta-adrenergen Stimulation und in der Folge zu einer inotropen wie auch chronotropen Stimulation, welche sich in einer Tachykardie niederschlägt. Vorübergehend wird das Herzzeitvolumen (cardiac output) erhöht. Im Verlauf kommt es zu jedoch zu einer diastolischen Relaxationsstörung – beides mit konsekutiver Entwicklung einer pulmonalen Drucksteigerung. Die Gefahr eines tachykarden Vorhofflimmern steigt und ebenso die Möglichkeit einer tachykarden Kardiomyopathie. Eine Dyspnoe kann mit diesen Herzkreislaufveränderungen einhergehen. Zudem erhöht die Hyperthyreose den Atemantrieb, welches als Dyspnoe wahrgenommen werden kann.
Es kann zudem im Rahmen der Schilddrüsenhormon-Überproduktion zu einer Gerinnungsstörung kommen mit konsekutiv erhöhtem Risiko für Lungenembolien, welche ihrerseits ein weiterer Grund für eine Dyspnoe sein können.
Nach der initialen Diagnostik (Messung eines niedrigen bzw. supprimierten TSH, sowie der erhöhten peripheren Hormone), richtet sich die weitere Diagnostik und Therapie der Hyperthyreose nach der vermuteten Ursache der Hormon-Überproduktion. Zusätzlich ist initial meist eine Betablockade angezeigt, um unter anderem zügig die kardiovaskuläre Situation zu verbessern.

b) Hypothyreose:

Die Schilddrüsen-Unterfunktion ist meistens im Rahmen einer primären Hypothyreose zu sehen. Sekundäre Formen sind selten. Wichtigstes Detektionsinstrument ist auch hier das Messen des TSH. Die Prävalenz der Hypothyreose in Europa liegt bei circa 0,5–5,3 % (7). Der häufigste Grund der Hypothyreose ist eine Autoimmun-Entzündung
(Hashimoto Thyreoiditis). Die Symptome einer Unterfunktion sind mannigfaltig (8) und reichen von trockener Haut bis zu vermehrtem Frieren sowie Gewichtszunahme und Obstipation. 51 % aller Patienten weisen jedoch auch eine Atemnot auf.
Im Rahmen einer ausgeprägten Unterfunktion der Schilddrüse kommt es zu einem Abfall des cardiac outputs und einer Reduktion der kardialen Kontraktilität. Eine Bradykardie tritt auf. Zudem ist die Expression von beta-adrenergen Rezeptoren reduziert und der periphere Gefässwiderstand ist erhöht (9). Im Verlauf kommt es zur Ausbildung einer generalisierten Myopathie. Die Unterfunktion reduziert den Atemantrieb, sorgt für eine Schwächung der Atemmuskulatur und kann allenfalls ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom oder Pleuraergüsse verursachen. Diese verschiedenen Faktoren können trotz reduziertem Atemantrieb dazu führen, dass infolge Hypoxämie und Hyperkapnie die Empfindung einer Atemnot auftritt.
An dieser Stelle soll nicht über die Behandlung einer subklinischen Hypothyreose gesprochen werden bzw. ab welchem TSH-Wert diese behandelt werden soll. Bei einer manifesten Hypothyreose mit Atemnot ist sicherlich die Suche nach der Ursache der Unterfunktion im Vordergrund, vor allem aber auf jeden Fall der zügige Beginn einer Thyroxin-Therapie.

Für die Praxis

Auswirkungen auf die Lungenfunktion können nicht nur Grössenveränderungen der Schilddrüse bzw. Neoplasien, sondern auch sowohl die Hyper- als auch die Hypothyreose haben. Ein Mangel oder Exzess an Schilddrüsenhormonen kann sich über die Beeinflussung des kardiopulmonalen Systems direkt wie auch indirekt auf die Atmung auswirken. Die Funktionsdiagnostik ist mit der Messung des TSH sehr einfach, weshalb sie obligat bei der Abklärung einer unklaren Dyspnoe erfolgen sollte.

Fazit

An metabolische Ursachen wird meist nicht als erstes gedacht im Zusammenhang mit dem Auftreten einer Dyspnoe. Dies hat verschiedene Gründe – so sind etwa andere Störungen hier sicherlich häufiger als Ursache zu nennen. Dennoch ist es entscheidend, diese Entitäten bei den differentialdiagnostischen Überlegungen bezüglich einer unklaren Dyspnoe im Hinterkopf zu haben. Die Diagnostik ist meist sehr einfach und beschränkt sich auf das Erfassen von wenigen Laborparametern. Ebenso ist die Korrektur der Störungen in der Regel einfach und schnell zu bewerkstelligen. Entsprechend wird die Chance auf ein korrektes und zeitverzugsloses Management des Patienten vergeben, wenn erst spät an die endokrinologischen und metabolischen Ursachen der Dyspnoe gedacht wird.

Dr. med. Roger Schneiter

Universitätsspital Zürich, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung
Klinik für Nuklearmedizin,
Rämistrasse 100, 8091 Zürich

PD. Dr. med. Philipp A. Gerber

Universitätsspital Zürich, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Klinische Ernährung
Rämistrasse 100, 8091 Zürich

philipp.gerber@usz.ch

1. SGLT2 Inhibitor. N Engl J Med. 2017;376(23):2300-2.
2. Evans K. Diabetic ketoacidosis: update on management. Clin Med (Lond). 2019;19(5):396-8.
3. Modi A, Agrawal A, Morgan F. Euglycemic Diabetic Ketoacidosis: A Review. Curr Diabetes Rev. 2017;13(3):315-21.
4. Vasileiou M, Gilbert J, Fishburn S, Boelaert K, Committee G. Thyroid disease assessment and management: summary of NICE guidance. BMJ. 2020;368:m41.
5. Fischli S, Strobel K, Sol Pérez Lago MD, Arnold W, Wicke C. [Modern diagno­sis and therapy of benign thyroid diseases]. Ther Umsch. 2020;77(9):409-17.
6. Gruber D, Pavlicek V, Neff T, Laures M, Thurnheer R. Belastungsdyspnoe und Husten. Swiss Med Forum. 2020;20(1112).
7. Garmendia Madariaga A, Santos Palacios S, Guillén-Grima F, Galofré JC. The incidence and prevalence of thyroid dysfunction in Europe: a meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab. 2014;99(3):923-31.
8. Samuels MH, Kolobova I, Smeraglio A, Niederhausen M, Janowsky JS, Schuff KG. Effect of Thyroid Function Variations Within the Laboratory Reference Range on Health Status, Mood, and Cognition in Levothyroxine-Treated Subjects. Thyroid. 2016;26(9):1173-84.
9. Klein I, Ojamaa K. Thyroid hormone and the cardiovascular system. N Engl J Med. 2001;344(7):501-9.
Danke an PD Dr. D. Vetter, Dr.med. I. Engel- Bicik und PD Dr. M. Messerli (Viszeralchirurgie und Nuklearmedizin USZ) für Bild und Legende.

Dyspnoe und Angst

Peter A., 36, Verkaufsleiter, entwickelte zunehmend starke Ängste in exponierten Situationen (Produktpräsentation, Verhandlungen), verbunden mit einer hypochondrischen Symptomatik (Angst vor Herzinfarkt und Hirntumor). Eine kognitive Verhaltenstherapie, streckenweise begleitet von einem SSRI-Antidepressivum, besserte die Symptomatik so weit, dass Herr A. weder im beruflichen noch im privaten Bereich unter wesentlichen Einschränkungen litt.
Im Herbst 2022 infizierte er sich trotz sorgfältig eingehaltener Schutzmassnahmen mit COVID-19. Es kam zu einem schweren Krankheitsbild mit Fieber und Dyspnoe, das zur stationären Aufnahme führte, davon eine Woche auf der Intensivstation. Dort wurde die Möglichkeit einer Intubation mit ihm besprochen, was aber letztlich vermieden werden konnte. Gleichwohl erlebte er seither eine massive Zunahme seiner Ängste, die sich mitunter zu einer Todesangst steigerten und mit suizidalen Gedanken verbunden waren.

Einleitung

Warum die Schnittstelle zwischen somatischer Medizin und Psychiatrie(1) wertvoll ist – nicht nur für Patienten/innen, sondern auch für beide Medizinbereiche

 

Medizin als Wissenschaft unterteilt sich in verschiedene Fachdisziplinen, was nicht nur historisch gewachsen ist, sondern auch sachlich erforderlich: Die jeweilige Art der Annäherung an den Forschungsgegenstand unterscheidet sich im internistischen, operativen und psychiatrisch-psychotherapeutischen Bereich markant voneinander. Notabene markant, aber nicht grundsätzlich: Letztlich geht es stets um die Verbesserung präventiver, diagnostischer und therapeutischer Methoden. Die zu behandelnden Krankheiten aber – und das gilt für die gesamte Medizin – existieren nicht als solche, sondern sie betreffen notwendig Personen, unsere Patientinnen und Patienten. Die Schnittstelle zwischen somatischer Medizin und Psychiatrie geht also deutlich über das Feld der konsiliarischen Mitbetreuung hinaus. Vor allem eröffnet sie für eine Medizin, die sich spätestens seit dem Beginn des
21. Jahrhunderts ausdrücklich zum Prinzip der Personalisierung2 bekennt, zwei entscheidende Dimensionen: Durch das interdisziplinäre Zusammenwirken wird der unhintergehbaren Mehrdimensionalität der Person, sei sie gesund oder krank, Rechnung getragen. Schon auf dieser grundsätzlichen Ebene entsteht ein klarer Mehrwert.
Auf der konkreten Ebene medizinischer Entscheidungen sinkt das Risiko, durch ein Befangensein in den Denkmustern des eigenen Faches relevante Sachverhalte zu übersehen: So wird die von einem Patienten berichtete Symptomkombination von Antriebslosigkeit, sozialem Rückzug und resignativer Stimmung zwar oft Ausdruck einer depressiven Störung sein, sie kann aber auch auf einer Hypothyreose beruhen – mit entsprechend grossen Konsequenzen für das therapeutische Prozedere.
Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden die klinisch häufige, nicht selten das aktuelle Zustandsbild sogar prägende Verknüpfung von Dyspnoe und Angst betrachtet werden.

Angst als Element der conditio humana

Angst ist, wie die Traurigkeit, primär keine psychische Störung. Im Gegenteil, in bestimmten Kontexten Angst zu haben oder deprimierter Stimmung zu sein, gehört zu den grundlegenden affektiven Reaktionsformen des Menschen, ist Teil der conditio humana. So würde es das Umfeld als befremdlich, ja «pathologisch» erleben, wenn eine Person nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen keine Trauer zeigte oder auf die Mitteilung, selbst an einer lebensbedrohlichen Erkrankung zu leiden, nicht mit Angst reagierte. Die Abgrenzung einer «normalen» affektiven Antwort von einer unangemessenen oder gar krankhaften Angst stellt für die Psychiatrie zwar eine Herausforderung dar, ist aber lediglich ein fachspezifisches Beispiel für die in der gesamten Medizin bestehende Problematik, zuverlässig zwischen «gesund» und «krank» unterscheiden zu können.

Angst als Symptom

Als Symptom kann Angst bei einer Vielzahl psychischer und somatischer Erkrankungen auftreten.

Psychiatrie

Bei den später näher beschriebenen Angststörungen steht die Angst per definitionem im Zentrum. Jedoch gehen auch depressive Episoden häufig mit Angstgefühlen einher. Gleiches gilt für psychotische Störungen, seien sie dem schizophrenen Formenkreis zuzurechnen oder drogeninduziert: Das hier typischerweise vorliegende paranoide Erleben des Beobachtet- oder Verfolgtwerdens, mitunter begleitet von Sinnestäuschungen, löst regelhaft starke Angst aus. Besonders prägnant, ja vehement, ist die Angst häufig bei den im Grenzbereich zur somatischen Medizin angesiedelten deliranten Zustandsbildern, die vor allem postoperativ, als anticholinerge Nebenwirkung von Medikamenten oder im Kontext von Entzugssyndromen auftreten. Nicht zu vergessen sind die Häufigkeit und Intensität ängstlicher Syndrome bei allen Schweregraden dementieller Erkrankungen; deren Erkennbarkeit kann durch die bei fortschreitender Demenz zunehmend eingeschränkte Fähigkeit der Betroffenen zur (verbalen und sonstigen) Kommunikation wesentlich erschwert sein.

Somatische Medizin

Wer von einer schweren körperlichen Erkrankung betroffen ist, erlebt Angst. Insoweit stellt die im Zusammenhang mit einer Dyspnoe auftretende Angst den Sonderfall eines medizinweit verbreiteten Phänomens dar.
Nicht nur in Zeiten der COVID-19-Pandemie war und ist die Dyspnoe einer der häufigsten Gründe für die Vorstellung auf einer Notfallstation. Dort erhalten dyspnoische Patienten/innen aufgrund der potenziellen Lebensbedrohlichkeit der zugrunde liegenden Erkrankung in der Regel die Mindesttriagekategorie 3 nach ESI («Emergency Severity Index»), was bedeutet, dass innert 30 min. eine ärztliche Untersuchung durchzuführen ist. Kommen zusätzliche Risikofaktoren hinzu, werden die Triagekategorie 2 bzw. sogar 1 ausgesprochen und der Parameter «time-to-doctor» verkürzt sich auf 10 respektive auf 0 Minuten (2) (3).
Diese Dringlichkeit läuft parallel zu den Gefühlen von Anspannung und Angst, die die Patienten/innen erleben. Angst und Dyspnoe gehen meist Hand in Hand. Dyspnoe ist selbst dann, wenn sie mit objektiv erkennbaren Symptomen einhergeht, primär eine subjektive Empfindung (4). Daraus folgt, dass das Behandlungsteam eine durch den/die Patienten/in berichtete Dyspnoe stets ernstnehmen muss, auch wenn Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung normal sind. Umgekehrt verspüren manche an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) leidende Menschen trotz deutlicher respiratorischer Erschöpfungszeichen keinerlei Dyspnoe oder Angst.
Auf der Notfallstation kommt dem ersten klinischen Eindruck eine grosse Bedeutung zu: Junge verängstigte Patientin ohne Vorerkrankungen mit Hyperventilation? Junger Asthmapatient mit Fieber und Husten? Älterer Patient mit kardialer Vorerkrankung, Erstickungsangst und thorakalem Engegefühl? Ältere Dialysepatientin mit Atemnot und geschwollenen Extremitäten? Daraus ergibt sich eine Vortestwahrscheinlichkeit, die zusammen mit dem einfachsten und schnellsten diagnostischen Werkzeug, den Vitalparametern, den Ablauf weiterer Abklärungen bestimmt. Zu den diagnostischen Standardmethoden gehören das EKG, um einen akuten ST-Hebungsinfarkt sofort auszuschliessen, sowie – je nach Vortestwahrscheinlichkeit – Laboruntersuchungen (Troponin, CRP, Blutbild, Elektrolyte), arterielle Blutgasanalysen (Sauerstoffsättigung, CO2-Werte, Säure-Base-Status, Lactat, Elektrolyte) sowie radiologische Untersuchungen.
Unabhängig von ihrer Ursache sollten bei einer Dyspnoe nie nur somatische Interventionen erwogen werden, etwa die Therapie mit Sauerstoff, Bronchodilatatoren, Diuretika oder die Durchführung einer Herzkatheteruntersuchung. Der hier fast immer bestehenden Angst sollte mit Aufklärung über laufende diagnostische und therapeutische Massnahmen sowie mit der später näher beschriebenen «Normalisierung» bzw. «Entpathologisierung» begegnet werden. Der Hinweis auf sich verbessernde Vitalzeichen, etwa auf eine wieder normale Sauerstoffsättigung, wird sich bei verängstigten Patienten/innen oft als hilfreich erweisen.

Angst als eigenständige psychische Störung

Bei der generalisierten Angststörung (ICD 10: F41.1, ICD 11: 6B00), einer häufigen psychischen Störung mit einer Gesamtlebenszeitprävalenz von knapp 10% (5), stehen eine ständige Besorgtheit und Ängstlichkeit im Vordergrund. Diese gehen deutlich über eine sinnvolle Sorgfalt und Vorsicht bei täglichen Entscheidungen hinaus, erscheinen dem Umfeld, mitunter auch der betroffenen Person selbst, als irrational und sind – im Unterschied zu den phobischen Störungen – nicht auf gut erkennbare Auslöser zurückzuführen. Eine solche generalisierte, über lange Zeiträume bestehende Angst schränkt die Lebensqualität markant ein und zieht nicht selten sekundäre psychische Störungen wie Abhängigkeiten (speziell von Benzodiazepinen und/oder von Alkohol) oder depressive Episoden nach sich.
Bei den verschiedenen Formen der phobischen Störung (ICD 10: F40, ICD 11: 6B02, 6B03, 6B04) ist zwar auch die Angst das wesentliche Symptom, jedoch ist ihr Auslöser in der
Regel präzise zu benennen: Es können Objekte oder Situationen sein, die bei der betroffenen Person starke Angst oder eigentliche Panikattacken auslösen, etwa grosse Höhe, enge Räume, gefährliche Gegenstände, Tiere oder jede Art des sozialen Exponiertseins, etwa bei einem öffentlichen Vortrag.
Besonderer Erwähnung bedarf das sehr belastende Phänomen der Panikattacken. Dabei handelt es sich um plötzlich auftretende schwere Angstzustände mit zahlreichen körperlichen Symptomen, die typischerweise zwischen 30 und 45 Minuten – also sehr lange! – andauern. Sie können in bestimmten angstauslösenden Kontexten auftreten oder, was häufig ist, ohne erkennbaren Auslöser. Panikattacken kommen isoliert vor, aber auch als zusätzlich belastende Elemente einer generalisierten Angststörung oder phobischen Störung. Sie können die betroffene Person gerade wegen ihrer Unvorhersagbarkeit in einen circulus vitiosus mit gravierenden Folgen für Lebensqualität und soziale Kontakte führen («Angst vor der Angst»). ICD-10 erfasst die Panikstörung als eigene diagnostische Kategorie (F41.0), ebenso ICD-11 (6B01).3
Die soeben überarbeiteten Behandlungsempfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD) heben die folgenden vier Säulen der Behandlung von Angststörungen hervor: (1) Aufklärung über Selbsthilfe und Patientenorganisationen, (2) Psychotherapie, (3) Pharmakotherapie, (4) allgemeine Massnahmen wie Lebensstil, Sport, Stressreduktion, Achtsamkeit (6)4. Was therapeutische Interventionen im engeren Sinne anbetrifft, so empfehlen sowohl die SGAD wie auch internationale Leitlinien, etwa diejenigen des britischen NICE5 (7) (8) und der deutschen AWMF6 (9), übereinstimmend ein psychotherapeutisches Vorgehen als Mittel der ersten Wahl. Dabei steht aufgrund der grossen Datengrundlage und der dadurch vielfach belegten Wirksamkeit die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) im Vordergrund. Aber auch systemische, psychoanalytische und die Therapieschulen übergreifende Methoden kommen zum Einsatz, wenn auch auf unterschiedlich stark evidenzbasierter Grundlage (10). Therapieergänzende digitale Hilfsmittel gewinnen kontinuierlich an Bedeutung (11).
Vor allem bei mittelschweren oder schweren Verläufen wird eine zusätzliche – also nie nur eine alleinige! – Therapie mit Antidepressiva empfohlen, speziell mit selektiven Serotonin- oder Serotonin/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SSRI, SSNRI) wie Escitalopram und Venlafaxin, alternativ mit älteren trizyklischen Antidepressiva (TZA) wie Clomipramin (bei der Panikstörung) oder Opipramol sowie mit dem Kalziummodulator Pregabalin (bei der generalisierten Angststörung). Auch hochpotente Benzodiazepine wie Lorazepam haben ihren Platz: Sie wirken gerade bei massiver Angst besonders rasch und zuverlässig, eignen sich aber wegen ihres erheblichen Abhängigkeitspotentials nur für eine kurzfristige Krisenintervention, ein Umstand, über den die Patienten/innen rechtzeitig und sorgfältig informiert werden müssen.

Dyspnoe und Angst

Das Prinzip der «Normalisierung» oder «Entpathologisierung»

Die Atmung ist ein Lebensvorgang, der in gesunden Zeiten meist kaum wahrgenommen und schon gar nicht problematisiert wird. Wird das Atmen aber plötzlich als erheblich erschwert oder als in bedrohlicher Weise eingeschränkt erlebt, löst dies Angst aus. Gleiches gilt für die unerwartete Veränderung anderer wichtiger Körperfunktionen wie Herzschlag oder Sensomotorik. Wer plötzlich ein noch nie erlebtes «Herzstolpern» verspürt oder eine markant veränderte Wahrnehmung und Steuerbarkeit der eigenen Hand, wird mit Konsternation und eben Angst reagieren. Dass ein/e Patient/in in der Praxis oder im Spital, der/die eine akut aufgetretene Dyspnoe erlebt, Angst bekommt, ist also in erster Linie eine erwartbare, «normale» Reaktion und nicht Ausdruck eines eigenständigen psychiatrischen Problems. Auch entspricht die Vielfalt individueller Reaktionen auf das Erleben einer Dyspnoe – von hilflos-ängstlichem Rückzug und Resignation bis hin zu selbstbewusstem Aufbäumen und Aktionismus – der grossen Bandbreite von Persönlichkeitsmerkmalen, die Menschen aufweisen.
Gelingt im Kontakt mit dem/der Patienten/in auf dem Boden einer tragfähigen therapeutischen Beziehung eine solche «Normalisierung» der Angst, also ihre Einordnung als verständliche und erwartbare Reaktion auf eine plötzliche gesundheitliche Einschränkung, so kann dies entlastend und, im besten Fall, spürbar angstmindernd wirken.
Natürlich muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass der/die Patient/in dies nicht missversteht als ärztliche Unterschätzung oder gar Verharmlosung der Angst, denn in diesem Fall würde sich diese Angst eher weiter verstärken als zurückbilden. Überdies ist zu betonen – vor allem gegenüber der betroffenen Person selbst –, dass auch eine situationsangemessene, nachvollziehbare Angst nicht einfach auszuhalten ist (weil sie ja «normal» sei), sondern durch wirksame therapeutische Massnahmen reduziert werden kann, sofern dies im jeweiligen medizinischen Kontext sinnvoll ist.

Therapieoptionen bei fehlender und bei bestehender psychiatrischer Komorbidität

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das oben genannte Prinzip der «Normalisierung» oder «Entpathologisierung» im Falle einer ängstlichen Reaktion auf das Erleben von Dyspnoe ist unabhängig davon bedeutsam, ob die betroffene Person eine psychiatrische Vorerkrankung hat oder nicht. In beiden Fällen kann durch das «Normalisieren» der erlebten Angst eine Entlastung erreicht werden. Auch unterscheiden sich die jeweiligen therapeutischen Optionen nicht grundsätzlich, jedoch sind andere Akzente zu setzen.

Dyspnoe und Angst ohne psychiatrische Vorerkrankung

Besteht keine psychiatrische Vorerkrankung, insbesondere keine Angststörung, liegt der Schwerpunkt darauf, gemeinsam mit dem/der Patienten/in die Angst als eine verständliche, ja erwartbare Reaktion auf das subjektiv bedrohliche Erleben der Dyspnoe einzuordnen – und nicht etwa als Zeichen von Schwäche oder psychischer Labilität. Diesen Kontext werden die Betroffenen selbst, gerade wenn sie erstmals mit einer Dyspnoe konfrontiert sind, häufig nicht direkt ansprechen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Es kann eine Scham bestehen, die Angst offen zu legen («Was denken die Behandler dann über mich?»), oder vorbestehende Persönlichkeitszüge gestatten es nicht, sich das ängstliche Erleben und die damit verbundene Hilfsbedürftigkeit einzugestehen («Damit muss ich allein fertig werden»). Der erste Schritt wird hier nicht selten bei den ärztlichen und pflegerischen Fachpersonen liegen, die wiederum genau dies als eine wichtige Aufgabe erkennen und anerkennen müssen. Wird die «Hürde des Ansprechens» der Angst auf diese Weise abgesenkt, kann allein dies bei Patienten/innen zu einem Rückgang der ängstlichen Angespanntheit führen.
Ein solches empathisches und klares, aber nie drängendes Ansprechen von angst- oder schambesetzten Themen, die der/die Patient/in trotz bestehenden Leidensdruckes entweder nur implizit kommuniziert, etwa durch Mimik und Verlegenheitsgesten, oder gar völlig umgehen will, ist von entscheidender Bedeutung. Es stellt ein zentrales Element jeder psychotherapeutischen Intervention dar – und sollte daher auch im Kontext von Dyspnoe und Angst seinen Platz haben.
Führt diese Schaffung eines offenen, nicht schambesetzten Gesprächsraumes, verbunden mit der somatischen Therapie der mit Dyspnoe einhergehenden Erkrankung, nicht zu einer akzeptablen Besserung, oder ist die Angst von Beginn an so massiv, dass ein Gespräch kaum möglich ist, können hochwirksame Benzodiazepine zur Anwendung kommen, etwa Lorazepam, dies allerdings wegen des Risikos einer Abhängigkeitsentwicklung nur kurzfristig. Sedierende Neuroleptika wie Pipamperon sollten vor allem in solchen Situationen eingesetzt werden, in denen die Gabe von Benzodiazepinen problematisch oder kontraindiziert ist, etwa bei Patienten/innen mit einer bereits bestehenden Substanzabhängigkeit. Die Neueinstellung auf eine antidepressive Substanz wird bei akuter Angst im Kontext einer somatisch verursachten Dyspnoe selten zur Diskussion stehen. Jedoch sind Situationen denkbar, in denen sich eine schwere Angstsymptomatik trotz Behandlung zu verselbstständigen oder mit einer tiefergehenden depressiven Verstimmung zu verbinden droht. Dies wird im folgenden Abschnitt erörtert; der Einbezug einer psychiatrischen Fachperson im Sinne eines Konsils wird im stationären Setting hier oft indiziert sein.
Stehen physio-, speziell atemtherapeutische Interventionen zur Verfügung, stellen sie ein wesentliches Element dar, um durch das gleichzeitige Adressieren körperlicher und psychischer Funktionen Angst- und Anspannungsgefühle zu vermindern. Insbesondere können sie im akutsomatischen Bereich rasch und für kurze Zeiträume zum Einsatz kommen. Hingegen dürften zeitliche und personelle Ressourcen für psychotherapeutische Methoden im engeren Sinne (etwa die kog­nitive Verhaltenstherapie, KVT) nur in den wenigsten Fällen vorhanden sein, sofern sie bei einer situativ klar auf die Dyspnoe begrenzten Angst überhaupt indiziert sind.

Dyspnoe und Angst bei bestehender psychiatrischer Vorerkrankung

Gerät eine Person mit einer bestehenden psychiatrischen Erkrankung in einen dyspnoischen Zustand und entwickelt deswegen Angst, so entsteht ein komplexes Zusammenspiel zwischen der Vorerkrankung und der akuten Belastung. Dies gilt für jede Art von psychischer Vorerkrankung, also etwa für Menschen mit einer rezidivierenden depressiven Störung, einer schizophrenen Psychose und einer Zwangs- oder Angststörung. Ganz unterschiedliche Verlaufstypologien werden beobachtet:
– Das akute somatische Problem steht derart im Vordergrund, dass die psychiatrische Problematik vorübergehend weniger ins Gewicht zu fallen scheint und der/die Patient/in, etwa aus Sicht der Angehörigen, sich der medizinischen Situation gegenüber unerwartet klar, ja souverän verhält («Wir hätten nie gedacht, dass Du so stark bist»).
– Die Dyspnoe wird von der betroffenen Person unmittelbar als weiteres negatives und beängstigendes Erlebnis in ihren bereits zuvor fragilen psychischen Zustand integriert, was, vor allem im Falle einer Depression, zu einer raschen Eskalation bis hin zu Hoffnungslosigkeit und Suizidalität führen kann («Es musste ja so kommen; ich kann nichts tun, es hat alles keinen Sinn mehr»).
– In praxi dürfte die klinische Situation am häufigsten zwischen den genannten Extremen angesiedelt sein: Das akute Problem, die durch die Dyspnoe verursachte Angst, tritt in eine Art «Dialog» mit der bestehenden psychischen Erkrankung: Die betroffene Person nimmt sehr wohl wahr, dass es sich um zwei unterschiedliche Phänomene handelt und versucht, die Balance zwischen beiden zu halten. Dies kann mit Blick auf die gesundheitliche Doppelbelastung ein kräftezehrender, ja zermürbender Vorgang sein. Dem/der Patienten/in droht stets – speziell bei schwerer oder langanhaltender Dyspnoe – die Gefahr, den «inneren Kompass» zu verlieren und in die oben genannte ausschliesslich negative Denk- und Erlebenspirale zu geraten.
Genau hier liegt aber auch die Chance für eine therapeutische Intervention: Entscheidend ist die Erkenntnis des/der Patienten/in, dass er/sie von den medizinischen Fachpersonen ernst genommen und die dyspnoebedingte Angst nicht nur als erwartbares Element der psychischen Erkrankung betrachtet wird, das keiner weiteren Betrachtung bedarf. Erneut kann das erwähnte Prinzip der «Normalisierung» hilfreich sein: Erlebt die psychisch vorerkrankte Person, dass Ärzteschaft und Pflege ihre Angst gerade nicht als (weiteres) Zeichen individueller Pathologie und Schwäche sehen, so kann dies zu einer wertvollen, über die aktuelle Situation hinaus weisenden Erfahrung werden. Denn bei der späteren psychiatrisch-psychotherapeutischen Weiterbehandlung kann sie ein überzeugendes Gegengewicht bilden zu der von Patienten/innen häufig unausgesprochenen Sorge, ihre psychische Störung sei ein selbstverschuldetes Defizit. Dem vor allem bei der Depression, aber auch bei Angststörungen häufigen Abrutschen in markant negativ getönte Denkspiralen, in «kognitive Teufelskreise», kann so wirksam vorgebeugt werden.
Sind die vorbestehende psychische Erkrankung und deren allenfalls laufende Therapie bekannt, sollte versucht werden, eine durch das somatische Problem bedingte Unterbrechung zu vermeiden oder, wenn dies unmöglich ist, etwa bei einer notfallmässigen stationären Aufnahme, so kurz wie möglich zu halten. Die Fortsetzung einer bestehenden Psychopharmakotherapie dürfte, sofern internistischerseits keine problematischen Interaktionen oder Kontraindikationen vorliegen, kaum Schwierigkeiten bereiten. Bei einer laufenden Psychotherapie liegen die Dinge komplizierter. Hier ist in Absprache mit dem/der Patienten/in eine rasche Kontaktaufnahme mit dem/der Therapeuten/in erforderlich. Sollte dies nicht gelingen, zum Beispiel wegen Ferienabwesenheit, ist die Anforderung eines psychiatrischen Konsils sinnvoll.
Besonderer Erwähnung bedarf die Situation, dass sich – ohne vorbestehende psychische Störung – eine im Kontext der Dyspnoe aufgetretene Angst (oder sonstige psychische Problematik) verselbstständigt, also trotz Abklingen der Atembeschwerden persistiert oder sich gar verschlechtert. Auch hier spielt die therapeutische Beziehung eine entscheidende Rolle: Ein vermutetes Neuauftreten einer psychischen Störung sollte zügig, offen und lösungsorientiert mit dem/der Patienten/in besprochen werden, sei es durch den/die behandelnde/n Arzt/Ärztin, sei es im Rahmen eines psychiatrischen Konsils.
Wird in der Akutsituation einer erheblichen Dyspnoe bei einer etablierten psycho-pharmakologischen Therapie der zusätzliche Einsatz psychotroper Substanzen erwogen, gelten dieselben Prinzipien, die oben bezüglich psychiatrisch nicht vorerkrankter Patienten/innen dargestellt wurden. Auch hier dient es der langfristigen Behandlungskontinuität und damit -qualität, wenn der/die im Vorfeld behandelnde Psychotherapeut/in in Entscheidungen zur Medikation einbezogen, mindestens aber über diese informiert wird.

Schlussbemerkung

Eine akut aufgetretene Dyspnoe, oft vielsagenderweise «Atemnot» genannt, löst Verunsicherung und Angst aus. Dies gilt besonders, aber nicht nur dann, wenn die Dyspnoe den/die Patienten/in erstmalig und unerwartet trifft. Solche Situationen gehören zum klinischen Alltag, sind also häufig – und sie betreffen immer die Schnittstelle von somatischer Medizin und Psychiatrie. Bei diesem vermeintlichen «Grenzgebiet» geht es aber nicht um Grenzen, nicht um einen lästigen Zwang zum Miteinander medizinischer Disziplinen, sondern um kluge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Gelingt sie, so wirkt sich dies nicht nur positiv auf die Behandlungsqualität aus, was natürlich der entscheidende Punkt ist, sondern auch auf den klinischen wie wissenschaftlichen Dialog zwischen somatischer Medizin und Psychiatrie (12) (13). Die von Angst begleitete Dyspnoe stellt ein besonders anschauliches Beispiel für diese Schnittstelle dar – und für die Chancen, die sie eröffnet.

1 Wenn in dieser Arbeit von «Psychiatrie» die Rede ist, inkludiert dies stets die Psychotherapie, eine zentrale Behandlungsmethode.
2 Der heute vielfach gebrauchte Begriff der «personalisierten Medizin»
ist nicht selbsterklärend. Mitunter führt er zu dem Missverständnis, er löse das Spannungsfeld zwischen der biologischen und der per­-sonalen Ebene des Menschen auf. Das aber kann er nicht leisten (1).3 ICD-11 eröffnet neu die Möglichkeit, über die Kodierung MB23-H das Vorliegen von Panikattacken auch dann zu diagnostizieren, wenn die Kriterien für die Diagnose einer Panikstörung nicht erfüllt sind.
4 Der vollständige Text der überarbeiteten SGAD-Empfehlungen ist aktuell (Juli 2023) noch nicht veröffentlicht. Daher wird hier auf die vorläufige Zusammenfassung in der angegebenen Literaturstelle verwiesen.
5 National Institute for Health and Care Excellence
6 Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

 

Dipl. Ärztin Sophia Lea Hoff

Klinik für Innere Medizin, Kantonsspital Winterthur
Brauerstrasse 15, 8400 Winterthur

Prof. em. Dr. med. Dr. phil. Paul Hoff

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
Psychiatrische Universitätsklinik Zürich
Lenggstrasse 31
8032 Zürich

und Privatklinik Hohenegg
Hohenegg 1
8706 Meilen

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Dyspnoe bei Dekonditionierung und die Rolle der Rehabilitation

Die 63-jährige Patientin wird nach einer schweren COPD-Exazerbation, welche einen Intensivstationsaufenthalt mit nicht-invasiver Beatmung nötig machte, zur ambulanten pulmonalen Rehabilitation zugewiesen. Die Patientin wurde initial mit vermehrter Atemnot und produktivem Husten ins Spital zugewiesen. Vor der Hospitalisation war die alleinstehende, selbstständige Raucherin fähig ihren Haushalt ohne Unterstützung zu führen und konnte allen Aktivitäten des täglichen Lebens nachgehen. Nach einem fünftägigen Aufenthalt auf der Intensivstation mit nicht-invasiver Beatmung sowie Therapie mit systemischen Steroiden und Antibiotika konnte sie mit supplementärem Sauerstoff auf die Bettenstation verlegt werden. Aufgrund persistierender Atemnot und Beinschwäche musste sie am Rollator gehend, nach wenigen Metern eine Pause einlegen. Während der ambulanten pulmonalen Rehabilitation verbesserte sich subjektiv die Dyspnoe und die Sechs-Minuten-Gehstrecke konnte sie von 213 Meter auf 452 Meter mehr als verdoppeln. Was war geschehen? Warum hat sich die Leistungsfähigkeit verbessert und nahm die Atemnot deutlich ab?

Wie funktioniert pulmonale Rehabilitation?

Wie kommt es zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit und Reduktion der Dyspnoe bei einer Patientin mit schwerer COPD? Was bewirkt die pulmonale Rehabilitation? Liegt es an der Verbesserung des Schlagvolumens des Herzens, dass sich unter dem Training die Leistungsfähigkeit verbessert? Verringert sich die dynamische Überblähung durch das Training? Nimmt mit dem Training die Mitochondriendichte in der Muskulatur oder gar die Dichte der Kapillaren zu? Hat die Patientin weniger Angst und toleriert die Dyspnoe dadurch besser? Es sind komplexe und im Detail noch nicht ganz verstanden Prozesse, welche hier zusammenspielen.
Die Pulmonale Rehabilitation ist eine umfassende Intervention, die auf einer sorgfältigen Patientenauswahl beruht und mehrere, auf den Patienten zugeschnittene Therapieformen umfasst. Die wesentlichen Elemente sind: körperliches Training sowie Schulung und Verhaltensänderungen. Alles mit dem Ziel, den physischen und psychischen Zustand der Patienten mit chronischen Lungenkrankheiten zu verbessern und eine langfristige Änderung des Gesundheitsverhaltenherbeizuführen [1].
In der aktuellen COPD-GOLD-2022-Empfehlung wird die pulmonale Rehabilitation als diejenige therapeutische Massnahme herausgestrichen, welche am wirkungsvollsten die Atemnot bei COPD lindern kann. Neben der Reduktion der Dyspnoe wird auch die Lebensqualität deutlich verbessert (Evidenzlevel 1). Nach wie vor wird aber die pulmonale Rehabilitation, sei es ambulant oder stationär, viel zu wenig angeordnet. Eher wird ein Rezept für Bronchodilatatoren und inhalative Steroide als eine Anmeldung für eine pulmonale Rehabilitation ausgefüllt. Bei chronischen nicht heilbaren Krankheiten wie bei der COPD, sollte primär der Behandlungsfokus auf die Lebensqualität und auf die Bewältigung der Erkrankung im Alltag gelegt werden. Hierfür ist die umfassende Intervention, welche die pulmonale Rehabilitation darstellt, sehr geeignet. Unter Tabelle 1 sind die wesentlichen Elemente der pulmonalen Rehabilitation zusammengefasst.

Pathophysiologie

Die zugrundeliegende Pathophysiologie, warum die Rehabilitation solche eindrücklichen Effekte erreichen kann, beruht auf verschiedenen Effekten.
Das Herzstück der pulmonalen Rehabilitation ist das körperliche Training. Dieses umfasst Ausdauer- und Krafttraining. Warum das körperliche Training eine Verbesserung der Atemnot, der Angst und Depression und der Lebensqualität herbeiführt ist nicht gänzlich verstanden. Das körperliche Training führt trotz der pulmonalen Limitation zu einer Stärkung der Muskulatur, ohne eigentliche Verbesserung der Lungenfunktion. Dies hat zur Folge, dass die Muskulatur mit der gleichen Menge an angebotenem Sauerstoff eine verbesserte und effizientere Leistung erbringen kann. Dies wiederum führt zu einer Reduktion des ventilatorischen Verbrauchs und der Atemarbeit. Es kommt zu einer Reduktion der dynamischen Überblähung, welche normalerweise die Patienten zu einem vorzeitigen Abbruch ihrer Arbeit zwingt, da die Überblähung hauptsächlich für das Empfinden der Dyspnoe verantwortlich ist. Die pulmonale Rehabilitation wirkt aber auch noch über andere, weniger gut verstandene Mechanismen. Körperliches Training führt auch zu einer verminderten Wahrnehmung der Dsypnoe. Es wird auch von einer «Desensibilisierung» der Atemnot gesprochen. Wie dies funktioniert, kann nur vermutet werden. Der antidepressive Effekt eines Trainings kann dazu beitragen, dass die Atemnot besser toleriert wird. Die soziale Interaktion und damit verbundene Ablenkung von der Atemnot, wenn in einer Gruppe trainiert wird, spielt ebenfalls eine mögliche Rolle [2].

Muskeldysfunktion bei COPD

Ein wichtiger Aspekt, warum COPD-Patienten weniger leistungsfähig sind, ist eine Störung der Muskelfunktion. Hiervon ist vor allem die Beinmuskulatur betroffen. Nicht selten berichten die Patienten, dass der limitierende Faktor die Ermüdung der Beine und nicht die Atmung sei. Diverse Studien konnten zeigen, dass die Muskeldysfunktion auf verschiedenen Faktoren beruht. Einerseits kommt es zu einer beschleunigten Muskelatrophie und zu einer Verschiebung der Zusammensetzung der Muskelfasern, welche über den natürlichen Alterungsprozess hinausgehen. Daneben beobachtet man eine verminderte oxydative Kapazität, eine verminderte Kapillarendichte in der Muskulatur und eine verminderte Anzahl von Mitochondrien und deren Funktion. Dies führt zu einer Abnahme von Kraft und Ausdauer. Weiter spielen entzündliche Prozesse, der Sauerstoffmangel, eine gestörte Energiebilanz, der Kortikosteroid-Gebrauch und ein allfälliger Vitamin-D-Mangel eine Rolle bei der Entstehung der Muskeldysfunktion bei COPD-Patienten [3]. Mit dem Trainingsprogramm kann die Muskelfunktion der Beine und auch die Morphologie der Muskulatur deutlich gebessert werden. Nach einem Trainingsprogramm, welches mindestens über einen Zeitraum von acht Wochen geht, verbessert sich nachweislich die Kraft, Ausdauer und die Ermüdbarkeit. Es kommt auch zu einer Zunahme der Muskelquerschnittsfläche im Quadrizeps.
Damit dass körperliche Training auch wirksam ist, muss es genug lang und intensiv durchgeführt werden. Ambulante Therapien umfassen in der Regel 2-3 Einheiten pro Woche, stationär sind es 5 pro Woche. Die einzelnen Einheiten sollten 1-4 Stunden dauern. Trainingseinheiten mit höherer Intensität führen zu höherem Effekt. Da Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen häufig ein intensiveres Training nicht tolerieren, kann mit einem Intervalltraining entgegengewirkt werden, so dass sich die dynamische Überblähung in den Pausen etwas zurückbildet.

Wahrnehmung der Atemnot

Anstrengungsdyspnoe und Leistungsintoleranz beeinflussen die physische Aktivität, die Lebensqualität und am Ende auch das Überleben der Patienten mit COPD. Das unangenehme Empfinden der Atemnot, welche die Patienten zwingt, die Arbeit abzubrechen oder zu verlangsamen hat mit der dynamischen Überblähung zu tun. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung kommt es bereits in Ruhe zu einer Reduktion der Inspirationskapazität (IC) beziehungsweise zu einer Erhöhung der Atemmittellage und zu einer Zunahme der Überblähung. Unter Belastung kann bei COPD-Patienten im Gegensatz zu Menschen mit normaler Lungenfunktion das Atemzugvolumen (VT) nicht erhöht werden. Mit zunehmender Belastung kommt es sogar zu einer Abnahme des Atemzugvolumens und zu einer progressiven Abnahme der Inspirationskapazität. Der Punkt, wo das VT näher an die IC herankommt, ist wichtig für die Entstehung der Atemnot. Dem erhöhten inspiratorischen Bedarf, welcher über die neuronalen Afferenzen ans Atemzentrum geleitet werden, kann nicht mit einer adäquaten Antwort durch die Atemmechanik geantwortet werden, so dass es zu einer Dysbalance zwischen den afferenten und efferenten Signalen kommt, welche im Atemzentrum verarbeitet werden. Dies wird auch als neuromuskuläre Dissoziation bezeichnet. Sobald unter Belastung das Atemzugvolumen zirka 70-80% der Inspirationskapazität erreicht hat, kommt es interessanterweise zu einer abrupten Steigerung der Atemnot in intolerable Bereiche und die Patienten müssen die Arbeit abbrechen [4]. Mit einem guten körperlichen Training, Einsatz der Lippenbremse und einer optimalen Bronchodilatation mit inhalativen Medikamenten, kann dieser Punkt verschoben werden, und die Patienten verspüren weniger rasch Atemnot.
Ein weiterer Aspekt, um das unangenehme Gefühl der Atemnot zu nehmen, beziehungsweise damit umzugehen, ist mentales Training. Abgeleitet aus dem Spitzensport wurde mentales Gehtraining erstmals bei der Rehabilitation für Patienten mit pulmonaler Hypertonie eingesetzt und hat sich bewährt [5]. Dabei wird die zu bewältigende Arbeit, zum Beispiel Treppensteigen, zuerst visualisiert und dann in geeignetem Tempo mit geplanten Pausen, die Arbeit ausgeführt. Grössere Studien fehlen noch, um diese Therapieergänzung standardisiert auf die pulmonale Rehabilitation bei Patienten mit COPD bzw. anderen Lungenerkrankungen anwenden zu können. Sie verfolgt aber einen spannenden Ansatz, dass mit Visualisierungstechniken die Angst vor einer Aufgabe und das Empfinden von Atemnot vermindert werden kann.
Zusammenfassend ist die pulmonale Rehabilitation die wirksamste Methode, um nachhaltig die Atemnot, die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität zu verbessern. Die Mechanismen, welche zur Verbesserung der Atemnot führen sind komplex und noch nicht gänzlich verstanden. Erwiesen ist, dass damit die muskuläre Dysfunktion verbessert, die dynamische Überblähung reduziert und somit das Empfinden des unangenehmen Gefühls der Atemnot reduziert werden kann.

Dr. med. Alexander Turk

Klinik für Innere Medizin
See-Spital
Horgen und Kilchberg

Supportive Therapie und Palliative Konzepte bei Dyspnoe

Die Palliative Care hat das Ziel, Betroffene mit einer fortgeschrittenen, unheilbaren Krankheit symptomatisch zu behandeln. Die Dyspnoe ist eine der häufigsten Beschwerden bei verschiedenen, nicht nur onkologischen, Krankheiten. Die Behandlung dieser Symptome bedarf einer Betrachtung aus verschiedenen Gesichtspunkten. In der Palliative Care wird häufig das bio-psycho-sozio-spirituelle und kulturelle Modell angewendet. Dabei werden verschiedene Dimensionen der Krankheit betrachtet, welche speziell auch im Falle einer Dyspnoe mitinvolviert sind. Die Physiologie der Dyspnoe ist sehr komplex und wird unter anderem durch diverse neuronale als auch pulmonale anatomische Strukturen beeinflusst. Verschiedene sowohl nicht pharmakologische als pharmakologische Behandlungsansätze können zum Rückgang der Dyspnoe führen. Insbesondere eine aktive Physiotherapie sowie Hilfsmittel optimieren die Beschwerden. Von medikamentöser Seite werden hauptsächlich Opioide aber auch Benzodiazepine, Sauerstoff und Butylscopolamin verwendet. Im Falle einer stark fortgeschrittenen Erkrankung kann bei therapierefraktären Beschwerden der Einsatz einer tiefen kontinuierlichen Sedierung zur Symptomlinderung gerechtfertigt sein. Eine erfolgreiche Behandlung der Dyspnoe führt zu einer Verbesserung der Lebensqualität der palliativmedizinischen Patienten.

Einführung

Die Palliative Care ist eine junge medizinische Disziplin, die im Laufe der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen hat, weil Patienten mit verschiedenen, nicht heilbaren Krankheiten eine zunehmend lange Überlebenszeit haben. Das Ziel der Palliative Care ist eine Linderung der Beschwerden, die im Zusammenhang mit einer Erkrankung auftreten können. Es handelt sich dabei um eine parallele Behandlung und nicht um eine sequentielle Behandlung, das heisst, die Palliative Care soll frühzeitig zum Zuge kommen, wenn noch onkologische, pneumologische, kardiologische oder andere Therapien laufen. Ein häufiges Missverständnis liegt darin, dass davon ausgegangen wird, dass die Palliative Care lediglich Erkrankte mit einer onkologischen Behandlung betreuen und dass es sich um eine Sterbebegleitung handelt. Sicherlich leiden die Meisten an einer malignen, onkologischen Krankheit, daneben werden jedoch auch Betroffene mit einer pneumologischen, kardiologischen oder neurologischen sowie weiteren Diagnosen behandelt. Neben den häufigsten Symptomen wie Schmerzen und Fatigue, ist die Dyspnoe eines der häufigsten Symptome bei palliativmedizinischen Patienten und vor allem eine der gefürchtetsten Beschwerden.

Definition

Dyspnoe wird definiert als subjektive Erfahrung einer beeinträchtigten Atmung, die akut oder chronisch vorliegen kann.[1] Dabei werden auch Ausdrücke wie Luftnot, thorakale Enge oder Lufthunger beschrieben. Es handelt sich dabei um ein Symptom, welches von der betroffenen Person beschrieben wird, nicht um eine Diagnose. Die Ursache dafür kann sehr unterschiedlich sein.

Klinische Präsentation

Es handelt sich bei der Dyspnoe um ein Symptom, welches sehr häufig in palliativmedizinischen Situationen beobachtet werden kann. Gemäss Definition wird es als subjektives Gefühl beschrieben, es muss jedoch beachtet werden, dass auch objektive Kriterien zur Annahme einer Dyspnoe führen können.[1] Objektive Beobachtungen können eine
beschleunigte Atmung, zyanotische Akren oder auch Ausdruck von Angst und Unruhe sein. Es handelt sich in der Palliative Care, insbesondere bei onkologischen und pneumologischen Patienten, um ein sehr häufiges Symptom. Bei Patienten mit einem Lungentumor konnte bei 75 % die Dyspnoe als vorherrschendes Symptom dokumentiert werden.[2]
Bei Progredienz der Krankheit nimmt die Prävalenz und die Intensität der Dyspnoe zu. Diese wird jedoch auch in anderen palliativmedizinischen Situationen beobachtet wie bei der COPD 95 %[3], der amyotrophen Lateralsklerose oder auch bei einer Herzinsuffizienz 26 %.[4] Es besteht eine sehr große Variabilität des Ausmasses der Symptomatik in Bezug auf das Krankheitsstadium.[5]

Bio-psycho-sozio-spirituelle und kulturelle Ebene

In der Palliativmedizin soll eine Beurteilung der Krankheitssituation nicht nur nach somatischen Gesichtspunkten, sondern umfassend erfolgen. Deshalb wird sehr häufig das bio-psycho-sozio-spirituelle und kulturelle Modell, modifiziert nach Engel, angewendet.[6] Insbesondere bei komplexen, fortgeschrittenen Erkrankungen beklagen die Betroffenen eine Vielzahl von Leiden in verschiedenen Dimensionen. Gerade die Dyspnoe ist ein klassisches Symptom, welches sich in diesen Bereichen äussern kann. Die biologische oder somatische Komponente beschreibt die körperlichen Folgen der Dyspnoe. Diese können häufig verbunden sein mit weiteren Begleitsymptomen wie Fatigue oder auch beeinträchtigte Mobilität.[7] Die psychische Komponente der Dyspnoe ist sehr häufig substantiell für die Patienten und wird beispielsweise durch Angst und Depression ausgedrückt. Weiter werden bei den Betroffenen jedoch auch soziale Beeinträchtigungen beobachtet mit Verlust der Arbeit, sozialer Isolation oder auch finanziellen Fragen. Bei der sozialen Komponente zeigt sich zudem auch die Interaktion mit Angehörigen, denn für diese ist der Anblick der Dyspnoe ebenfalls sehr bedrohlich und hinterlässt offen eine Hilflosigkeit oder Unmöglichkeit der Unterstützung. Die spirituellen Aspekte äussern sich als Fragen der Sinnhaftigkeit oder auch nach dem Lebensende beziehungsweise der irdischen Endlichkeit. Die Entwicklung diverser Beschwerden und deren Copying und Umgang unterscheidet sich in den verschiedenen Kulturen und Religionen substantiell, so dass diese Aspekte in eine palliativmedizinische Beurteilung hineinfliessen müssen. Diese diversen unterschiedlichen Dimensionen führen bei der einzelnen betroffenen Person zu einer unterschiedlichen Krankheitsausprägung und so auch zu einer verminderten Lebensqualität. Die Verbesserung der Lebensqualität ist dann auch das primäre Ziel der Palliative Care.

Ursachen und Abschätzung des Krankheitsstadiums

Das Ziel einer palliativmedizinischen Behandlung ist eine Linderung der Beschwerden der Betroffenen, welche jedoch stets im Kontext der aktuellen Krankheitssituation und des Wunsches des Patienten stehen soll. Aus diesem Grund muss stets eine sorgfältige Evaluation erfolgen wie fortgeschritten die Krankheit ist. Danach soll gegebenenfalls primär eine Suche nach einer behandelbaren Ursache der Dyspnoe erfolgen. Diese kann sehr mannigfaltig sein. Hauptsächlich werden pulmonale, kardiale oder extrathorakale Ursachen gesucht. Je nach Ätiologie wird in einem zweiten Schritt eine Behandlungsoption eruiert und mit dem Patienten und dessen Angehörigen die Möglichkeit einer ursächlichen oder einer rein symptomatischen Behandlung evaluiert. Als Ursache der Dyspnoe können tumorbedingte pulmonale Faktoren wie eine Obstruktion der Atemwege oder auch eine Restriktion durch Pleuraerguss oder Tumor angesehen werden. Andere pulmonale Ursachen können eine Lungenembolie oder auch eine Einflussstauung darstellen. Neben der kardialen und neuromuskulären Ursache muss stets auch eine therapiebedingte Ursache beispielsweise nach Chemo-, Immun- oder Radiotherapie, in Betracht gezogen werden. Des Weiteren können krankheitsassoziierte Beschwerden oder Zustände wie eine Anämie, Ängste, Fieber oder auch Schmerzen zur Dyspnoe führen.
Die Erfassung der Dyspnoe kann nur durch eine subjektive Einschätzung erfolgen. Häufig hat sich dabei eine numerische Skala (NRS) von 0 – 10 bewährt. Diese Erfassung kann eine Beurteilung der Therapie und einen Vergleich von unterschiedlichen Zeitpunkten erlauben. Objektive Parameter wie beispielsweise Sauerstoffsättigung oder Atemfrequenz korrelieren nur schlecht mit der Selbsteinschätzung und sollen deshalb nicht als Mass der Dyspnoe angewendet werden.[8] Die Behandlung richtet sich nach den beschriebenen Beschwerden. Deshalb sollen die Umstände der Dyspnoe genau erfragt werden. Insbesondere das Muster der Dyspnoe mit Vorhandensein episodisch oder dauernd, bei Anstrengung oder in Ruhe oder auch den Begleiterscheinungen wie Angst und depressive Züge.

Pathophysiologie

Die Physiologie und Pathophysiologie der Atmung beziehungsweise der Dyspnoe ist sehr komplex. Es handelt sich um eine unbewusste Handlung und wird vor allem durch Neurone in der Medulla oblongata gesteuert. Dort treffen sich verschiedene Afferenzen von Mechanorezeptoren der Atemmuskulatur, Atemwege, Zwerchfell und Lungenparenchym sowie von Chemorezeptoren in der Aorta und Aa. carotides. Von der Medulla oblongata gehen Efferenzen zu motorischen Neuronen aus. Die Wahrnehmung der Dyspnoe erfolgt im sensorischen Cortex. Das Zusammentreffen von sensorischen und motorischen Informationen führt zur Steigerung der Atemfunktion und so zur Homöostase. Dyspnoe wird exprimiert, wenn der sensorische Cortex ein Ungleichgewicht zwischen Bedarf an Ventilation und der Antwort des Körpers dazu bemerkt.[9] Das Gefühl der Dyspnoe wird dann subjektiv als erhöhte Atemarbeit empfunden.[10]
Palliativmedizinische Behandlungsansätze
In der Palliative Care kann aufgrund der fortgeschrittenen Krankheitssituation häufig lediglich eine symptomatische Behandlung erfolgen. Diese richtet sich dann weniger an der Ursache, sondern versucht das subjektive Leiden zu lindern. Im Folgenden werden verschiedene nicht pharmakologische und pharmakologische symptomatische Behandlungen vorgestellt. Je nachdem ob die Dyspnoe episodisch oder dauernd vorhanden ist, kann die Therapie danach angepasst werden als fixe Medikation oder Behandlung bei Bedarf.

Nicht pharmakologische Therapien

Aktivität

Bewegung fördert die Verbesserung der Dyspnoe. Insbesondere eine aktive Physiotherapie kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Unter Anleitung kann so einerseits eine Atemtherapie instruiert werden, andererseits aber auch eine Steigerung der Mobilität. Ebenso kann eine ergonomische Bewegung und Haltung angelernt werden, die eine Reduktion der Atemarbeit zur Folge hat. Auch konnte durch andere aktive Therapien wie beispielsweise Tanzkurse eine Verbesserung der Dyspnoe und damit verbunden auch eine Steigerung der Lebensqualität dokumentiert werden.[11] Die physiotherapeutische Instruktion zeichnet sich durch eine sehr grosse Bandbreite aus von minimalen Atemübungen bei bettlägerigen Patienten bis zur komplexen Bewegungsinstruktion beispielsweise dem Bewältigen einer Treppe.

Hilfsmittel (Rollator/Gehstock)

Der Einsatz verschiedener Hilfsmittel führt durch eine verbesserte Atemarbeit indirekt zum Rückgang der Dyspnoe. Viele Kranke äussern Bedenken beim Einsatz solcher Hilfsmittel und möchten deren Einsatz vermeiden. Nach probatorischer Anwendung führt die Selbsterfahrung jedoch häufig zum konstanten Einsatz von Gehstock oder Rollator da ein positiver Effekt direkt erfahren wird. Die einfache Entlastung durch einen Sauerstoffbehälter auf Rollen im Gegensatz zum Rucksack mit Sauerstoffbehälter konnte bei Patienten mit einer fortgeschrittenen stabilen COPD mit Sauerstoffgebrauch eine signifikante Verbesserung sowohl von Gehstrecke, Dyspnoe, Fatigue als auch von Sauerstoffsättigung und Reduktion der Herzfrequenz zeigen.[12]

Ventilator

Die Anwendung von Ventilatoren, beispielsweise Handventilatoren, führt bei Dyspnoe verschiedener Ätiologie zu einem Benefit.[13] Es wird davon ausgegangen, dass durch den Luftzug Trigeminusrezeptoren aktiviert werden, die durch zentrale Verschaltung zum zentralen Nervensystem eine Linderung der Dyspnoe bewirken.[14] Sowohl bei Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) als auch bei einer durch eine Herzinsuffizienz bedingte Dyspnoe, konnte ein Rückgang der Symptomatik nachgewiesen werden.[15] Eine Verbesserung der Dyspnoe konnte in einer Metaanalyse ebenfalls bei Patienten mit eine malignen, terminalen Tumorerkrankung dokumentiert werden.[16] Der Einsatz eines Ventilators führt zu keinerlei Nebenwirkungen und kann deshalb sicher und bedenkenlos eingesetzt werden.[17]

Andere
Die Bandbreite für weitere Behandlungen der Dyspnoe ist sehr gross. Für die Anwendungen, wie beispielsweise Neuromuskuläre Elektrische Stimulation (NMES) oder auch Akkupunktur und Aromatherapie, ist die Evidenzlage jedoch klein und deshalb wird auf diese nicht näher eingegangen.

Pharmakologische Therapien

Opioide

Das Ziel der Palliativmedizin ist eine Linderung der Dyspnoe auch im Falle einer unklaren beziehungsweise nicht behandelbaren Ursache. In dieser Situation ist der Einsatz von Opioiden die Behandlung der ersten Wahl. Die genaue Wirkungsweise wie Opioide zu einem Rückgang der Dyspnoe führen, ist weiterhin unklar. Es scheint jedoch ein Einbezug von neuronalen Strukturen zur Atemregulation im Hirnstamm, der Amygdala und der Hippocampus vorzuliegen. Es konnte gezeigt werden, dass die analgetische Wirkung der Opioide unabhängig vom Dyspnoe reduzierenden Effekt besteht.[18] Nichtsdestotrotz werden jedoch unabhängig davon die typischen Nebenwirkungen der Opioide beobachtet.[19] Deshalb sollen bei einem Einsatz dieser Substanzklasse die häufigsten Nebenwirkungen wie Nausea und Obstipation beachtet und behandelt werden. Die Atemdepression, als gefürchtete Nebenwirkung einer Opioid-Behandlung wird bei einer korrekten Anwendung mit Beginn mit einer kleinen Dosis sowie einer langsamen Steigerung praktisch nicht beobachtet. Im Falle einer inadäquat hohen Startdosis oder einer zu raschen Dosissteigerung kann eine Atemdepression auftreten.
Bei der Wahl eines Opioid konnten keine signifikanten Vorteile eines bestimmten Wirkstoffes gezeigt werden.[20] Die Verabreichung kann sowohl peroral als auch parenteral erfolgen. Neben der peroralen Einnahme konnte ein Rückgang der Dyspnoe beim Einsatz sowohl von Hydromorphon als auch von Fentanyl dokumentiert werden. Für die Verwendung von vernebelten Opioiden konnten hingegen kein Benefit nachgewiesen werden.[20] In der Palliative Care wird am häufigsten die subkutane, meist als kontinuierliche Gabe bevorzugt, wenn die perorale Einnahme nicht mehr möglich ist. Neben des am längsten bekannten Wirkstoffs Morphin, kann beispielsweise Oxycodon,
Hydromorphon, Methadon oder auch Diamorphin eingesetzt werden.[21] Empfohlen wird eine Gabe von 2,5-5,0 mg Morphin in Tropfenform als schnell wirksame Formel beziehungsweise ein retardiertes Präparat in einer Startdosis von 10 mg zweimal täglich.[22] Die gebräuchlichen Opioide zur Behandlung der episodischen und chronischen Dyspnoe sind in der Tabelle 1 in ihrer üblicher initialen Dosierung aufgelistet.

Sedativa

Der Einsatz von Sedativa, in der Palliative Care, speziell von Benzodiazepinen, stellt eine weitere Komponente der Behandlung der Dyspnoe dar. Die alleinige Anwendung von Benzodiazepinen soll nicht durchgeführt werden, denn diese Substanzgruppe führt per se nicht zu einem Rückgang der Symptomatik. Hingegen kann eine Kombination mit einem Opioid sinnvoll sein, da die Angst als Begleiterscheinung der Dyspnoe behandelt werden kann. Insbesondere in terminalen Situationen wird diese Kombination häufig eingesetzt als additive Behandlung. Benzodiazepine werden sowohl als Perorale als auch Parenterale in der Palliative Care hauptsächlich subkutan eingesetzt. Im Falle einer peroralen Medikation wird meist Lorazepam verwendet, im Falle einer subkutanen Gabe meist Midazolam. Dieses kann sowohl
Bolus weise als auch kontinuierlich verabreicht werden.

Sauerstoff

Der Einsatz von Sauerstoff muss als medikamentöse Massnahme angesehen werden und Sauerstoff soll nicht routinemässig bei jeder Atemnotsituation verwendet werden. Als Voraussetzung eines Einsatzes sollte eine Hypoxämie bestehen. Die Grenze für einen Einsatz muss individuell, im Kontext mit der Grundkrankheit, festgelegt werden. Insbesondere im Falle einer fortgeschrittenen chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) muss an die Gefahr einer CO2-Retention gedacht werden. Bei einer dyspnoeischen Person und einer normalen Sauerstoffsättigung kann, ähnlich wie bei einem Einsatz eines Ventilators, der Luftstrom zu einer Reduktion der Dyspnoe führen. So konnte gezeigt werden, dass der alleinige Einsatz von Luftstrom bei Dyspnoe ohne Hypoxämie zu einer Verbesserung der Beschwerden führt.[23] Damit verbunden können Nebenwirkungen wie beispielsweise trockene Schleimhäute minimiert werden.

Butylscopolamin

Bei fortgeschrittener Krankheitssituation wird bei einem Grossteil der Patienten in den letzten Lebensstunden eine karchelnde Atmung hörbar. Dieser Umstand ist insbesondere für die Angehörigen eine unangenehme, teilweise sehr belastende Situation. Dies wird als Stress für die betroffenen Anwesenden, jedoch weniger für die Patienten angesehen. Trotzdem wird möglichst früh eine prophylaktische Therapie begonnen, damit dieser Zustand verhindert werden kann. Als Ursache für die Symptomatik wird einerseits ein fehlendes Schlucken von Speichel angesehen, andererseits auch eine pulmonale Schleimbildung, die ebenfalls zu einer Ansammlung von Mucus im Rachen führt. Zur Reduzierung dieser Schleimbildung wird eine regelmässige, kontinuierliche Verabreichung von Butylbromid Scopolamin empfohlen.[24] Hingegen wird von einem trachealen Absaugen abgeraten, da dieser Reiz zu einer vermehrten Sekretion führen kann und sich somit konterproduktiv auswirken kann.

Kortikosteroide

Der Einsatz von Kortikosteroiden erfolgt in terminalen Situationen sehr häufig als symptomatische Behandlung verschiedener Symptome. Zur Therapie der Dyspnoe sollen Kortikosteroide insbesondere beim Vorliegen einer Atemwegsobstruktion oder Inflammation angewendet werden.[7] In diesem Fall ist insbesondere die abschwellende und antientzündliche Wirkung der Kortikosteroide gewünscht.

Andere Pharmaka

Der Einsatz von vernebeltem Furosemid wird immer wieder als Option zur Behandlung von Dyspnoe diskutiert. Aktuell gibt es jedoch keine Evidenz dazu, dass dies bei Patienten in terminalen Situationen die Dyspnoe reduziert.
Der Einsatz von Cannabis wird in der Palliative Care für verschiedene Symptome, insbesondere für Schmerzen, Appetitlosigkeit und Nausea diskutiert. Für den Einsatz für die Behandlung der Dyspnoe konnte kein positiver Effekt dokumentiert werden.[25] In Anbetracht des erhöhten Risikos für pulmonale Infekte mit Husten und Sputum Produktion bei einer inhalativen Konsumation von Cannabis, muss eher von einem gegenteiligen Effekt ausgegangen werden.

Einschätzung der Behandlung

Die Dyspnoe ist für Patienten ein sehr unangenehmes, belastendes und bedrohliches Symptom. Durch eine adäquate interprofessionelle Therapie kann jedoch eine zufriedenstellende Verbesserung erreicht werden.[2] Durch verschiedene medikamentöse und nicht medikamentöse Behandlungen soll dieses Symptom angegangen und behandelt werden. Regelmässige Evaluationen helfen, das Therapieziel zu kontrollieren und bei Bedarf die Therapie anzupassen.

Tiefe kontinuierliche Sedierung am Lebensende

Trotz modernster Behandlungsansätze kann auch heute nicht jede Symptomatik zufriedenstellend behandelt werden. Falls die symptomatische Behandlung, wie oben beschrieben, zu einer ungenügenden Linderung führt, wird in der Palliative Care als Ultima Ratio die Möglichkeit einer tiefen kontinuierlichen Sedierung angeboten. Die tiefe kontinuierliche Sedierung wird als eine der anspruchsvollsten Behandlungen in der Palliative Care angesehen. Diese Behandlung betrifft sämtliche Bereiche der bio-psycho-sozio-spirituellen und kulturellen Behandlung und bedarf so einer intensiven Begleitung von Patienten, Angehörigen aber auch des Behandlungsteams. Diese Therapie kommt zum Einsatz, wenn sämtliche Therapien zu einer ungenügenden Linderung führen und die Symptome somit therapierefraktär sind. Sie soll restriktiv eingesetzt werden und bedarf einer genauen Evaluation und Aufklärung der Patienten und Angehörigen. Die Anzahl durchgeführter Sedierungen variiert weltweit stark. In der Schweiz werden auf Palliativstationen ungefähr 17,5 % der sterbenden Patienten sediert.[26] Das Ziel dieser Behandlung ist stets eine Linderung der belastenden Symptome und soll keineswegs zu einer Lebensverkürzung führen. Eine Vielzahl von Symptomen kann Ursache für den Beginn einer tiefen kontinuierlichen Sedierung sein. Neben dem Delir am Lebensende als häufigste Indikation, stellt insbesondere die Dyspnoe einen wichtigen Grund dar für den Beginn dieser Therapie. Die genaue Betrachtung der Krankheiten der sedierten Betroffenen kann einen vermehrten Nachweis von Patienten mit Lungentumoren, chronisch obstruktiver Lungenkrankheiten (COPD) sowie Motoneuronerkrankungen, speziell der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) gesehen werden.[27]

Konklusion

Die Dyspnoe ist ein sehr häufiges Symptom im palliativen Setting. Die Anwendung sowohl medikamentöser als auch nicht medikamentöser Behandlungen kann zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden führen und so zur Optimierung der Lebensqualität von Patienten und Patientinnen mit einer infausten Prognose.

Dr. med. MSc Cristian Camartin

Leiter Palliative Care
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170 Chur
7000 Chur

cristian.camartin@ksgr.ch

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