Neues aus der Infektiologie

Einer der Hauptvorträge am KHM 2022 beschäftigte sich mit neuen Aspekten aus der Infektiologie, die für die tägliche Praxis relevant sind. Antibiotikafreie Therapien, sexuell übertragene Infektionen, die HPV-Impfung und Corona plus Umgang mit Impfskepsis waren die Themen, die Prof. Dr. med. Philipp Tarr, Basel, ansprach.

Unnötige Antibiotika vermeiden

80% - 90% aller Antibiotika werden in der Praxis, nicht im Spital, eingesetzt. Der Mythos der Spital-Bakterien (exogene Akquisition von resistenten Bakterien) ist überholt. ESBL und andere werden in der Praxis gleich häufig wie im Spital übertragen. Eine endogene Kolonisation existiert oft monatelang, die Keime können durch Antibiotikatherapie herausselektioniert werden. 50% dieser Antibiotika sind nicht indiziert, zu breit und zu lang gegeben. Die ambulante Medizin ist zunehmend im Fokus was Antibiotika Resistenzentwicklung betrifft. Die Schweizer Guidelines erlauben seit September 2019 eine primär antibiotikafreie Behandlung der Streptokokken-Angina. Bei Streptokokken-Angina und Scharlach gibt es seit Mai 2020 keinen Schulausschluss mehr.

Behandlung der Streptokokken-Angina

Die Schweizer Guidelines erlauben seit Sept. 2019 eine primär antibiotikafreie Behandlung. Bei Streptokokken-Angina und Scharlach seit Mai 2020 kein Schulausschluss mehr gemäss der Vereinigung der Kantonsärztinnen und -ärzte der Schweiz. Empfehlungen für den (vor)schulischen Ausschluss bei übertragbaren Krankheiten und Parasitosen.

Zystitis Diagnose und Therapie

Alarmzeichen? Flankenschmerz, Flankenklopfdolenz, Fieber, schlechter AZ, Erbrechen, Leukozytose, erhöhtes CRP, bereits Pyelonephritis durchgemacht und angeborene Nierenabnormität.
Falls Alarmzeichen nicht vorhanden: Zystitis: Wünscht Patientin eine antibiotikafreie Therapie, kommt sie dafür in Frage? Wenn nein werden Antibiotika eingesetzt, wenn ja antibiotikafreie Therapie. Falls Alarmzeichen vorhanden: Pyelonephritis. Bei Vorhandensein einer Pyelonephritis sollen Antibiotika eingesetzt werden.

Rezidivierende Dysurie, Pollakisurie

Anamnese, Untersuchung
Vertrauensvolle Beziehung Arzt/Ärztin Patientin, persönliche /psychologische Aspekte. Sexuelle Faktoren (intensiver Sex, neuer Freund, Insuffizienz, vaginale Lubrikation)
Intimhygiene (exzessives Scheuern/Waschen mit Seifen, evtl. Fixierung auf dieses Thema)
Trinkmenge, vaginale Trockenheit, Vulva-Untersuchung (Herpes, andere Läsionen)

Alarmzeichen

Über 75-jährig, bekannte urologische Probleme, angeborene Nierenabnormalität, immunsupprimiert, schwanger, Leukozytose, erhöhtes CRP, bereits durchgemachte Pyelonephritis.
Falls nein: Antibiotikafreie Therapie möglich, falls ja antibiotikafreie Therapie nur zurückhaltend (als Pyelonephritis behandeln, falls schlechter AZ oder Flankenschmerz, klopfdolent).
Keine Alarmzeichen: auch bei einer rezidivierenden Zystitis ist eine antibiotikafreie Therapie möglich.
Behandlungsoptionen: Mehr trinken, optimale, vaginale Lubrikation beim Sex, schonende Intimhygiene, vaginale fettende Gele, Öle, Crèmen, allenfalls topisches Östrogen, Meditation, Entspannung, Stressreduktion, Akkupunktur, phytotherapeutische, komplementärmedizinische Produkte, vaginale/orale Probiotika, D-Mannose, Methenamin, Urinkultur, radiologische/urologische Abklärung, Antibiotikaprophylaxe (evtl. primär postkoital).

Pneumonie: gewisse Pat. Antibiotikafrei behandeln?

Was haben wir bei Covid gelernt: zu vermeiden, dass wir immer Antibiotika geben, sondern nur bei dichten Infiltraten («Konsolidationen»), CRP <30? Neutropenie >7800 (+ «nach Gefühl»).
Faktoren, die eine bakterielle Pneumonie nahelegen:
Hyperakuter Beschwerdebeginn, septischer Schock, keine viralen Symptome (Ein-Etagen Symptomatik ohne Schnupfen, Halsweh, rote Konjunktiven). Initial milde Symptomatik, es ging sekundär schlechter («bakterielle Superinfektion»), Leukozyten >15000, <6000, Linksverschiebung, dichtes oder lobäres Infiltrat, Procalcitonin ≥0.25.
Initial antibiotikafrei behandeln? Nachkontrollieren, falls keines von diesen bakteriellen Elementen, jemand im Umfeld «viral» erkrankt, «virale», also obere Atemwegs-Symptome, fleckige oder milchglasartige Infiltrate im Röntgen, Leuk.
normal oder nur minim erhöht, Procalcitonin <0.1.

Divertikulitis – Behandlung ohne Antibiotika?

Ursache unklar – dass Bakterien eine Rolle spielen, ist heute unklar (vor 20 Jahren war dies klar und alle kriegten Antibiotika). Die Klinik korreliert schlecht mit dem Schweregrad: Es braucht ein CT für die Diagnose (alternativ US oder MR). Unkomplizierte Klinik (keine Perforation, extraluminale Luft, kein Abszess: Erstepisode 3.2% werden kompliziert, 5.7% chronisch, 3% Sigma Resektion innert 6 Monaten. Komplizierte Klinik: (gedeckte/ungedeckte Perforation, Abszess). Ob es nach Erstperiode unkomplizierter Divertikulitis eine Koloskopie braucht, ist unklar. Alle anderen Koloskopien frühestens 6 Wochen nach Divertikulitis-Episode, falls keine Koloskopie in den letzten 3 Jahren.

Divertikulitis-Behandlung

Spezielle Diät-Empfehlungen (faserreich, usw.) haben keine Evidenz. Patienten dürfen essen, was sie vertragen. Keine Evidenz, dass mit Rifaximin (Xifaxan®), Mesalazin (Salofalk®), Probiotika weniger Rezidive stattfinden. Bei unkomplizierter Klinik braucht es routinemässig keine Antibiotika. Antibiotika falls immungeschwächt oder Sepsis. Bei komplizierter Klinik braucht es normalerweise Antibiotika (aber Guidelines sagen nicht welche). IV ist besser als PO, CoAmoxi 1g 1-0-1 für 7-10 Tage oder Cipro 500mg 1-0-1 plus Flagyl 500mg 1-1-1. CoAmoxi ist gleich gut bei Divertikulitis wie Cipro/Flagyl, wie in einer US-Studie gezeigt wurde. Die Beschwerden bei Divertikulitis bessern mit und ohne Antibiotika etwa gleich schnell.
Bei wem sollten wir bezüglich antibiotikafreier und ambulanter Behandlung vorsichtig sein? Alter <18 oder >80, akute Divertikulitis Episode in den letzten 3 Monaten, Antibiotika Therapie in den letzten 2 Wochen, Immunsuppression oder substanzielle Komorbiditäten oder mehr als eines der folgenden Kriterien: Axilläre T ≥380C oder <360C, Leuk. >12000/ml oder <4000/ml, Herzfrequenz >90/min, Atemfrequenz >20/min, CRP >15mg/dl (CH>150mg/l).
Die neueste randomisierte Studie bei Divertikulitis, die erstmals ambulant aber nicht verblindet – durchgeführt wurde, zeigte gleich gute Resultate mit und ohne Antibiotika.

Sexuell übertragene Krankheiten: Erreger Übersicht

  • Genitale Ulzerationen: Herpes («schmerzhaft»+ mehrere Läsionen auf gerötetem Hintergrund) >>> Syphilis («schmerzlos», oft nur eine Primärläsion)
  • Urethritis Ausfluss aus Harnröhre, Brennen beim Wasserlösen: Chlamydien («transparent») >>> Gonorrhoe («eitrig»), Mycoplasma genitalium
  • 90% asymptomatisch Pharynx und Anal: Gonokokken und Chlamydien: screenen/suchen falls Oralsex, Analsex, v.a. falls wechselnde Partner
  • Praktisch verschwunden, dort wo HPV Impfung früh eingesetzt wurde. Anogenitalwarzen: Nicht onkogene HPV-Typen (v.a. 11 und 12), epidemiologisch mit Lungenkrebs usw. assoziiert.
  • Bei jeder STI gehört welche Zusatzdiagnostik dazu? HIV Test (BAG bei jungen Frauen mit Chlamydien nicht «rentabel») Syphilis-Serologie
  • Dagegen kann man impfen: Hepatitis B, HPV bei jeder STI Blick in den Impfausweis bzgl. Hepatitis B, seit 1.7.2016 auch HPV Impfung für Männer bis 26j. bezahlt, aber nur in kantonalen Impfprogrammen.

Behandlung von Genitalherpes: episodisch vs. chronisch suppressiv:
Episodisch: Bescheidener Effekt auf Heilungsgeschwindigkeit. Nicht weniger Episoden pro Jahr. Kein Effekt auf Ansteckungsrisiko bei Partner.
Suppressiv: 4 x weniger Herpes Episoden pro Jahr. Senkung des Ansteckungsrisikos für Partner. Keine langfristigen Nebenwirkungen bekannt. Dies hat enorme Bedeutung für die individuelle und öffentliche Gesundheit. Im Jahr 2004 von den US-Behörden erstmals zugelassen zur Senkung der Übertragungen auf Sexpartner. Erfahrungsgemäss nicht oft eingesetzt aber hohes Potenzial von hoher Patient:innen-Zufriedenheit.
Ceftriaxon: 3. Generation parenterales Cephalosporin, i.m. Produkt in Lidocain auflösen. Das Pulver ist das gleiche wie i.v. aber nur das i.m. Produkt wird mit Lidocain geliefert.
Guidelines CH 20121: ohne Azithromycin =OK, i.v. Ceftriaxon OK, Dosis Ceftriaxon neu 1g.

Affenpocken-Läsionen

Fieber und Krankheitsgefühl (können fehlen) gehen dem Ausschlag typischerweise 1-2 Tage voraus. Eventuell nur 1 oder wenige Läsionen. Alle Läsionen im selben Stadium papulär – vesikulär – pustulös. Eventuell «umbilikal» mit zentraler Delle (wie Bauch­nabel), eventuell Verkrustung. Beginn meist im Gesicht + Verbreitung nach peripher (so war das früher). Heutzutage Beginn peri-oral, peri-anal, peri-genital, je nach Sexualkontakt. Übertragung 2022 fast ausschliesslich bei MSM mit multiplen Sexpartnern, via engen Kontakt: Hautläsionen < durch Sex Reibung /Mikroverletzungen beim Partner.
Zeit von der Exposition bis Ansteckung ca. 1-2 Wochen, maximal 3 Wochen. Diagnostik: PCR aus Läsion nach Genf (CRIVE), USZ schicken.
Massnahmen: Melden, Kontakt- und Tröpfchen Isolation zuhause oder Spital (wieso eigentlich?) bis alle Läsionen verkrustet, mind. 10 Tage (Kantonsarzt BS).
Epidemiologischer Zusammenhang gemäss CDC, d.h. mindestens eines der folgenden Kriterien:
Positives Affenpockenvirus (Orthopoxvirus) PCR, oder epidemiologischer Link zu bestätigtem oder wahrscheinlicher Affenpockenfall (in den 21 Tagen vor Symptombeginn), oder Reise (in den 21 Tagen vor Symptombeginn) in ein Land mit Affenpockenfällen.

HPV-Impfung

Impfen darf jeder Arzt/jede Ärztin, die Impfungen werden aber nur im Rahmen der kantonalen Impfprogramme und bis Alter 26 bezahlt.
Es gibt 2 Arten von Karzinomen im Hals-Rachen-Bereich;

  • HPV-
    Nicht durch HPV bedingte Karzinome, assoziiert mit Rauchen und Alkohol. Dort, wo weniger geraucht wird ist die Inzidenz geringer.
  • HPV+
    V.a. HPV 16 assoziiert, v.a. Zungen- und Oropharynx, Inzidenz in den letzten 30 Jahren sehr stark zunehmend. Wegen mehr Oralsex?
  • V.a Männer im Alter von 45-55 Jahren, die nicht rauchen oder trinken. Sie sprechen auf Strahlen- und Chemotherapie besser an als nicht HPV-assoziierte Karzinome. Experten erwarten, dass die Impfung ähnlich gut gegen Zervix- und vor Oropharynx-Karzinomen schützt.

Die HPV-Impfung reduziert Gebärmutterhalskrebs, wie in verschiedenen schwedischen Gesundheitsregistern gezeigt wurde. (1.67 Mio. Mädchen und Frauen, die 2006-2017 zwischen 10 und 30 Jahre alt waren. Wirksamkeit von Gardasil: 63% weniger Gebärmutterhalskrebs. Impfung vor Alter 17 Jahre: 88% weniger Gebärmutterhalskrebs, Impfung nach Alter 17 Jahre: 53% weniger Gebärmutterhalskrebs.
Kommentar des Referenten: Erstmals solide Daten, dass HPV-Impfung die Krebsinzidenz senken kann. Die bisherigen Daten zeigten, dass die HPV-Impfung Dysplasien und persistierende HPV-Infektionen reduziert.

Corona-Neuigkeiten, frisch ab Presse

Der Referent berichtete vom ersten Fall einer Katze mit COVID -19 in einer COVID-19 positiven Familie, die einem Veterinär, der sie auf die Krankheit testete, ins Gesicht nieste. Diese Fälle von Katze zu Mensch-Transmission sind vermutlich selten. Forscher betonen, dass man sich um seine Katzen kümmern und vielleicht zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit möglicherweise infizierten Katzen treffen und sie nicht aussetzen sollte.
Wird Omicron die Pandemie beenden? «Wir erleben aktuell den Übergang von der Pandemie in die Endemie. COVID-19 ist daran, dank zunehmender Immunität in der Bevölkerung zur «Erkältung», zur «Grippe» zu werden», so der Referent. Das heisst aber nicht zwangsläufig, dass die Pandemie nun zu Ende ist und dass erst im Herbst/Winter die nächste Welle kommt…
Die neue Variante BA. 4 ist noch ansteckender als BA.1 und BA.2, BA.4 ist aber weniger virulent. BA.5 ist eher etwas virulenter und befällt untere Luftwege mehr als BA.1 und BA.2.
Omikron ist ein Segen für die Ungeimpften: es ist weniger virulent als Delta war. Sehr viele Leute in der Schweiz wurden dank Omikron «natürlich» immunisiert.
Nur 89% der Schweizer Bevölkerung haben 2+COVID-Impfdosen erhalten. Das ist weniger als in anderen europäischen Ländern. Entsprechend wurden in der Schweiz mit COVID-Impfungen weniger Todesfälle verhindert als anderswo. Aber 90% der Schweizer Bevölkerung sind aktuell immunisiert (geimpft oder genesen). «Was sollte da eine Impfpflicht noch zusätzlich bringen?» fragte der Referent.

Ein paar Prognosen werden gewagt:

2+fach immunisierte Personen (geimpft und/oder genesen) sind sehr gut gegen einen schweren Verlauf geschützt (Stichwort zellvermittelte Immunität). Sie sind aber nicht gegen eine Omikron-Ansteckung geschützt (Stichwort Antikörper). Selten werden die 2+ Immunisierten künftig wegen Corona ins Spital oder sogar auf die IPS müssen. Daher wird es ab Herbst 2022 eher keine allgemeine Empfehlung für Booster geben. Der Booster wird aber im Hebst empfohlen für besonders gefährdete Personen (Alter, Komorbiditäten) und für das Gesundheitspersonal?
Omikron-spezifische Impfungen: «Ich bin nicht sicher, dass es diese wirklich braucht, und die Daten zeigen bisher nicht, dass diese Impfungen wirksamer sind als die herkömmliche Impfung. Sie wurden halt gemäss Omikron «designed» und nun haben wir bereits BA.4 und BA.5», so der Referent.
Das Coronavirus ist die Gefahr, nicht die Impfung (positive und negative Info) senkt vermutlich die Impfakzeptanz, erhöht aber das Vertrauen in die Gesundheitsbehörden. Vage, beruhigende Botschaften (nur das Positive) erhöhen die Impfakzeptanz auch nicht. Sie senken das Vertrauen in die Behörden und fördern Verschwörungstheorien.

Wir dürfen und müssen abwägen

Ohne Impfung

  • mit Angst Covid zu kriegen leben müssen
  • Omikron Variante ist sehr ansteckend
  • Omikron verläuft meist mild und immunisiert mich gut gegen einen schweren Verlauf mit zukünftigen Varianten
  • Ich mag ein 1:20K – 100K Myokarditis-Risiko für meinen 17jährigen Sohn nicht akzeptieren
  • Ich bin erst 27j. und mein Risiko eines schweren Verlaufs ist weit unter 0.5%

Mit Impfung

  • Mit Angst vor seltenen Nebenwirkungen leben müssen
  • Komplikationsprofil und -Häufigkeit der mRNA-Impfungen sind nun gut bekannt nach 11 Mio. Dosen und 18 Monaten Beobachtungszeit
  • Keine Hinweise, dass mRNA Impfungen Thrombosen verursachen
  • Kein Interesse an Long COVID
  • Lust auf normales Leben (Restaurant, Ferienreise, Konzert, Theater…)
  • Ja, man kann COVID-Zertifikat als «indirekte Impfpflicht» interpretieren

Der Referent schloss mit einem Zitat aus der NZZ: Die geduldige Diskussion mit Corona-Leugnern und Putin-Verstehern sorgt für Inklusion. Nur wer abweichende – und seien es verrückte – Meinungen zulässt, kann auf nachhaltige Legitimation rechnen (Gujer, NZZ 25.5.2022).

Quelle: KHM, KKL Luzern, 30.6. 2022 Hauptvortrag Prof. P- Tarr

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Dreissigjähriges Jubiläum des European Center for Pharmaceutical Medicine (ECPM)

Am 20. Juni feierte das European Center for pharmaceutical Medicine der Medizinischen Fakultät der Universität Basel sein dreissig­jähriges Bestehen. «Woher kommen wir, wohin gehen wir?» das entsprechende Bild von Paul Gauguin aus dem Jahre 1887 bildete den Einstieg des Vortrags von Prof. Dr. med. Thomas Szucs, der einen Überblick über die Personen, die hinter dem ECPM stehen, die Meilensteine des ECPM, die Expansion der Disziplin Pharmazeutische Medizin und einen Blick in die Zukunft des ECPM machte, getreu dem Motto Winston Churchills «the more we look back, the more we look into the future».

Das ECPM hatte eine sehr geringe Fluktuationsrate. Es gab über die 30 Jahre nur 2 Kursdirektorinnen, Dr. Ruth Amstein und Dr. Annette Mollet, nur 4 Administratoren und auch nur zwei Direktoren, Fritz R Bühler und Thomas D. Szucs.
Der Ursprung des ECPM fällt in das Jahr 1989 als Robert O’Neill Chefstatistiker beim Center for Drug Evaluation and Research, CDER FDA nach Basel kam, mit der Idee einen Kurs zu regulatorischen Themen zu entwickeln. Der Fokus sollte auf der Information europäischer Wissenschaftler über die Tätigkeiten des FDA sein. Da Basel das europäische Zentrum für pharmazeutische Forschung und Entwicklung ist, hatte Prof. Fritz R. Bühler die Idee die Beziehungen zwischen Universität und Industrie zu fördern durch qualitative hochstehende Ausbildung auf neutralem akademischem Boden. Nach einem grossen Erfolg mit dem ersten Kurs starteten Fritz Bühler und Dr. Ruth Amstein den ECPM Kurs im Jahre 1991 und entwickelten ein Zweijahrescurriculum – der ECPM Kurs war geboren. Der Kurs war Teil der postgradualen Ausbildung an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel und Partner von EUCOR, dem Europäischen Campus der Universitäten Basel, Freiburg i.Br. und Strasbourg. Der Kurs führte zu einem EUCOR Zertifikat, welches mit der Einführung des Bologna Systems zu einem postgradualen Diplom aufgewertet wurde.

1995 wurde der Facharzttitel «Pharmazeutische Medizin» eingeführt und 1997 erfolgte die die Übergabe des Kursdirektorats von Dr. Ruth Amstein an Dr. Annette Mollet. 2003 wurde die Forschungsgruppe unter der Leiting von Prof. Matthias Schwenkglenks gegründet.
Ein Meilenstein in der Geschichte des ECPM war die Integration des ECPM als Institut an der Medizinischen Fakultät der Universität Basel und die Einweihung der Professur für Pharmazeutische Medizin und die Wahl von Thomas D. Szucs am Departement «Public Health» der Medizinischen Fakultät der Universität Basel. 2009 erfolgte die Teilnahme an einem Europäische Forschungsprojekt «Benchmarking of patient -reported pain outcomes after surgery«, welches immer noch fortgeführt wird. 2012 wurde das ECPM als Pharmatrain Center of Excellence» ausgezeichnet. (Pharmatrain ist ein Netzwerk von öffentlichen und privaten Partnern, das seine Aktivitäten als ein Projekt der Innovative Medicines Initiative, IMI) gestartet hat und seit 2014 zu einer dauerhaften gemeinnützigen Organisation geworden ist Sie bewertet Kurs und Kursanbieter aus der ganzen Welt , und bietet die höchste Anerkennung, die in der Ausbildung der Medizinentwicklung verfügbar ist). Das ECPM hat auch Schwesterstudiengänge etabliert. Seit 2016 führt das ECPM Schwesterkurse mit der George Washington University und ebenfalls einen chinesischen Schwesterkurs durch. Im Jahre 2021 wurde Matthias Schwenkgelenks Forschungsgruppenleiter am Departement «Public Health» der der Medizinischen Fakultät.

Die Vision von Thomas Szucs für die Zukunft ist Pharmakogenomik ein Gebiet mit dem er sich schon stets gefasst hat. Daneben wird die Pharmakooekonomie von zunehmender Dr. AmsBedeutung sein. Ein weiteres für das ECPM wichtiges Gebiet wird «Regulatory Science» sein., so Prof Szucs.
Anschliessend an Thomas Szucs sprach Frau Dr. Ruth Amstein über ihre Erfahrungen als erste Kursdirektorin des ECPM. Der ECPM Course ist eine Geschichte über weibliche Führung, geprägt durch Annette Mollet und die Referentin selbst. Die Pharmawelt war damals dominiert von Männern. Niemand kümmerte sich um Geschlechterrollen. Die Referentin räumte aber ein, dass sie nie benachteiligt wurde, sondern von den Männern mit denen sie zusammenarbeitete stets unterstützt und gefördert wurde. Dr. Amstein war nach dem Pharmaziestudium an der ETH Zürich zunächst Mitarbeiterin von Paul Janssen, dem Gründer von Jannsen Pharmaceutica, wo sie in der klinischen Forschung arbeitete. Jannsen unterstützte sie zum Schreiben einer Dissertation. Diese vollendete sie bei Prof. Bühler in Basel. So kam sie in Kontakt mit dem ECPM und wurde seine erste Kursdirektorin. Zu der Zeit waren die drei Leader der grossen Pharmafirmen Fritz Gerber von Roche, Marc Moret von Sandoz und Alex Krauer von Ciba-Geigy.. Der Merger zwischen Sandoz und Ciba-Geigy in 1996, der inmitten eines Kurses des ECPM stattfand war ein wahrer Tsunami.

Der ECPM Training Course ist eine Geschichte zu weiblichen Führungsqualitäten. Die Referentin startete beim ECPM 1990, kurz nach der Geburt ihres Sohnes. Sie erinnerte an den ersten Kurs mit 8 Seminaren, der mit 350 Teilnehmern ein überragender Erfolg war. Die Referentin stellte das E-Learning Programm von Rido vor»learn to simulate the right doese of a new drug. Work smarter with trusted drug development software», ein Programm, welches nach Slicon Valley verkauft wurde und noch heute im ECPM in Gebrauch ist.

Ruth Amstein installierte das ECPM Programm nach ihrem Wechsel nach Zürichvon 2014-2017 auch daselbst und nach dem Wgzug von Prof. Lüscher auch in London. Ruth Amstein 1997 übergab Dr. Amstein die Kursdirektion an Frau Dr. Annette Mollet, die bis jetzt diesen Posten innehält. Ruth Amstein ist seit 1998 Leiterin des Education Center des Zurich Heart House, einer von Prof. Thomas Lüscher gegründeten Stiftung.
Dr. Annette Mollet hat den Kurs selbst während ihrer Zeit bei Roche mitgemacht.Sie präsentierte de ECPM Kurs in Zahlen: 2127 Studenten haben von 1991 bis 2021 den ECPM Course besucht. Die Anzahl Nationalitäten der Studenten betrug 25. 121 Studenten haben das Certificate of Advanced Studies (CAS) erworben , 560 Studenten das Diploma of Advanced Studies (DAS) und 12 Studenten haben als Master of Advanced Studies (MAS) graduiert. Die Mehrzahl der Studenten war in klinischer Forschung tätig, ein Teil in Medical und Medical Affairs, weitere in klinischer èharmakologie und in Regulatory und Business Development. Die Teaching Faculty umfasst 150 Mitglieder, ein Drittel aus Big Pharma, 23% aus der Akademie und aus Universitätsspitälern, 20% aus Europäischen Registerbehörden 10% aus kleinen und mittelgrossen Unternehmen, 8% Consultants und 7% CRO.

Annette Mollet stellte den Lehrplan vor, der ursprünglich vom Roal College of Physicians in 1976 für das Diplom in Pharmazeutischer Medizin entwickelt wurde.

Die Reise des ECPM Gründung 1991.

10. Jubiläum: «Biotech -Pharma Industries Interaction am Universitätsspital Basel.
15. Jubiläum: Persnalized Medicines – A Reality Check.
20. Jubiläum: Medicines Development in the Next Decade of the Human Genome Project, Pharmacenter Universität Basel.
30. Jubiläum: Medicines Development – learnings and Challenges.
Collaboration of Academia and Staekholders in the Health System.
Stadtcasino Basel.

Prof. Matthias Schwenkglenks gab einen Überblick über die Geschichte der wissenschaftlichen Forschung am ECPM.
Im August 2003 erfolgte der Beginn der wissenschaftlichen Aktivitäten am ECPM , Im Noveber 2007 startete eine Kollaboration mit der SAKK (Schweiz. Arbeitsgruppe für Klinische Krebsforschung). Im Januar 2009 partizipierte das ECPM erstmals mit eine von der EU unterstützten wissenschaftlichen Projekt. Im Januar 2010rfolgte die Integration des ECPM als vollwertiges Institut in die wissenschaftiche Infrastruktur der Universität Basel. Im Juni 2012 begannen die Gealth Technology Assessment Aktivitäten mit dem Swiss Medical Board. Momentan findet extensive Forschungsaktivität statt: 7 PhD -Level Senior Researchers, 1 PhD Kandidat.

Wo stehen wir heute, wohin wollen wir gehen?

In der Gesundheitsökonomie ist das ECPM eine der aktivesten Gruppen in der Schweiz mit Fokus auf angewandte Forschung. Das ECPM bestzt ein gut etabliertes Netzwerk mit der Universität Basel. Es ist aber stark abhängig von Drittmitteln , was ein Hindernis für nachhaltige Entwicklung und volle Nutzung des Potenzials darstellt.
Die Ziele für die Zukunft sind: Stärkung der Sichtbarkeit und der formalen Intergation auf der Ebene des Fachbereichs Public Health der Medizinischen Fakultät. Die Ziele für die Zukunft sind: Stärkung der Sichtnarkeit und der formalen Integration auf der Eebene des Fachbereichs Public Health der medizinischen Fakultät, Intensiviwrung und Formailsierung der Zusammenarbeit mit den gesundheitsökonomischen Aktivitäten der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (Prof. Felder) und des TPH (Prof. Fink) – gemeinsames Kompetenzprofil, welches einzigartig ist in der Schweiz. Intensivierung der bereits bestehenden Kooperation mit klinischen Forschungsgruppen des UniVersitätsspitals Basel und darüber hinaus.

Jubiläumsgrüsse und Gratulationsbotschaften

Jubiläumsgrüsse wurden von Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel, Dr. Claus Bolte, Leiter Bereich Zulassung bei Swissmedic, Dr. Severin Schwan, CEO von Roche und Dr. Lutz Hegemann Novartis überbracht, sowie vom Bundespräsidenten Ignazio Cassis, vom Gesundheitsdirektor des Kantons Basel-Stadt, Lukas Engelberger und vom Gesundheitsdirektor des Kantons Basel Landschaft, Thomas Weber. Auch die Schwesterkurse, der American Course of Drug Development and Regulatory Sciences (ACDRS und der entsprechende chinesische Schwesterkurs (CCDRS) richteten Grussbotschaften und Gratulationswünsche aus.

Wie man Talente und Kompetenzen entwickelt

Am Podiumsgespräch nahmen teil Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Andrea Schenker-Wicki, Rektorin der Universität Basel, Dr. Lutz Hegemann, Präsident Corporate Global Strategy, Frau Dr. pharm. Rebecca Guntern, Europachefin von Sandoz, Dr. iur. Severin Schwan, CEO der Roche Holding, Dr. med. Claus Bolte, Leiter Bereich Zulassung, Swissmedic, Frau Dr. med. Ingrid Klingmann, Präsidentin PharmaTrain.
Es wurden Fragen nach der Grösse einer Firma für flexible neue Konzepte und Ausbildung diskutiert, wobei eher die Kultur einer Firma als deren Grösse als bedeutend gefunden wurde. Eine weitere Frage richtete sich nach dem Leadership und nach der Integration von Frauen und das Sicherheitsgefühl der Mitarbeiter.

Orchestrating for Success

Den Abschluss und Höhepunkt des Tages bildete das Jubiläumskonzert «Orchestrating for Success» des Akademischen Orchesters Basel, welches von Prof. Thomas Szucs dirigiert wurde. Der Leiter des ECPM brillierte dabei einmal mehr mit seinen zahlreichen Talenten.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Vergessene Wege am Generoso

Am Monte Generoso gibt es viele markierte und nicht markierte Wege, die immer mehr in Vergessenheit geraten. Unter diesen gibt es eigentliche Kleinode wie die ehemals durchwegs gepflasterten Zuwege zum Hof La Grassa in der Valle di Selvano und nach Cragno in der Valle dell’Alpe.

Wir beginnen unsere Wanderung durch die weiten Buchenwälder südlich der Bella Vista im Dorf Salorino, das oberhalb von Mendrisio gelegen ist. Auf Höhe des grossen Parkplatzes beim Kindergarten führt eine Gasse bergwärts in die Strassensiedlung hinein. Sobald wir die längs durch das Dorf führende Gasse erreicht haben, wenden wir uns in ihre nordwestliche Richtung und verlassen diese steil hangaufwärts, bevor sie wieder zur Hauptstrasse nach Somazzo abfällt. Wir erreichen die ehemalige gepflasterte Carregiàbile nach La Grassa und Cragno.

Etwas weiter nördlich verbindet sich das steile Strässchen mit einem flacheren, welches von weiter südlich aus dem Dorf heraufführt. Trocken gefügte Kalksteinmauern stützen die bergseitigen Wiesen und Felder ab. Jenseits der Schlucht, Ul Valesgiún genannt, liegt das Nachbardorf Somazzo. Dort wo der Bergwald das Strässchen erreicht, zweigt in einem kurzen Schlag gegen Südosten der alte Fahrweg zum Hof La Grassa oben am Dosso dell’Ora ab. Nach rund 200 Metern wendet sich dieser wieder gegen Norden und quert sanft ansteigend den Bosco della Torre und del Vesc. Die Pflästerung mit den grossen Begrenzungssteinen ist auf weiten Strecken noch gut erhalten. Bei der Höhenquote 825 Meter geht das Fahrsträsschen aber gegen Osten in einen steil ansteigenden Hohlweg über, der sich mit den Jahren mit viel Erde, Laub und umgestürzten Bäumen angefüllt hat. Hier verlassen wir die verwahrloste Trasse und nutzen den Kamm der talseitigen Hohlwegbegrenzung für den weiteren Aufstieg, von dem der Wind das Laub des letzten ­Herbstes in der Regel fortgefegt hat. Wer Glück hat, begegnet Gämsen im Wald, die sich zwischen Herbst und Frühjahr auf die tieferen Hänge des Generoso-Massivs zurückziehen.

Abb. 1: Die Lichtung des Hofes La Grassa unterhalb des Dosso dell’Ora

Schliesslich wird der Weg am Eingang der Valle di Selvano bei Ul Ciapón wieder flacher und erreicht schliesslich die grosse Lichtung des Hofes La Grassa (Abb. 1). Hier kann man zu einem Kaffee einkehren, doch wir empfehlen, noch die kurze Strecke zum etwas höher gelegenen Stall im Norden zurückzulegen, wo wir gegen Osten gleich den Agriturismo Dosso dell’Ora erreichen. Dieser ist ein Geheimtipp unter den Einheimischen aus dem ganzen Tessin, nicht nur weil man hier ausgezeichnete lokale Speisen geniessen kann, sondern weil hier auch noch vielstimmig die alten Tessiner Volksweisen gesungen werden, vor, beim und nach dem Essen, wie es früher üblich war und heute leider, wie die alten Wege auch, in Vergessenheit geraten ist. Franco und Marina Cereghetti bezaubern eben nicht nur durch ihre Gastfreundlichkeit und ihre ausgezeichnete Küche, sondern auch mit ihren wunderbaren Stimmen. Zu beachten ist, dass die Wirtschaft zwischen Oktober und Juni nur an Samstagen, Sonn- und Feiertagen und während der übrigen Zeit zwischen Donnerstag und Sonntag geöffnet hat.

Abb. 2: Im Abstieg nach Cragno mit Blick in Richtung Poncione d’Arzo und Campo dei Fiori

Der Aufbruch fällt uns nicht leicht, längst gehen die Gespräche über die Tische hin und her, reiht sich Lied an Lied. Schliesslich machen wir uns doch auf den Rückweg und wenden uns gegen Westen dem kleinen Bergdorf Cragno (Abb. 2). Über den Nordkamm der Valle di Selvano folgen wir, im Frühjahr durch Wiesen voller Narzissen, einer Pfadspur bis zu einem Haus am Verbindungsweg zwischen La Grassa und Cragno. In der Haarnadelkurve gleich nach der Kirche verlässt der alte Zugangsweg gegen Südwesten das Dorf. Im Wald überrascht uns eine erste ausgebaute S-Kurve. Sobald wir nach einer längeren Hangtraverse den Kamm der Valle di Selvano wieder erreicht haben, reiht sich Kurve an Kurve, bis wir bei der Sorti di Cámpora den Wald wieder verlassen (Abb. 3). Gegen Süden gelangen wir dem Waldrand entlang, an den Häuser von Bonello vorbei, bald wieder zur Aufstiegsroute und zum Dorf Salorino. Eine kleine, aber erlebnisreiche Rundwanderung geht zu Ende, mit wohl gefülltem Bauch und einem warmen Herzen voller fröhlicher Lieder.

Abb. 3: Fahrwegkehre in der Valle di Selvano zwischen Cragno und Sorti di Cámpora
Abb. 4: Routenverlauf

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

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Eleonore E. Droux
Verlegerin Aerzteverlag medinfo AG

Thomas Becker
Chefredaktor

Viollier Preis 2022

Der Viollier Preis wurde dieses Jahr zum 20. Mal anlässlich der Frühjahrsversammlung der Schweiz. Gesellschaft für Allgemeine
Innere Medizin (SGAIM) in Lausanne vergeben. Die Jury hatte die schwierige Aufgabe, aus den eingereichten Artikeln, die alle in hochkarätigen internationalen Zeitschriften mit hohem Impact Factor erschienen sind, den oder die Preisträgerin auszuwählen. Den mit 10’000 Franken dotierten Preis durfte nach geheimer Abstimmung Frau Stephanie Victoria Meier, MSc. von Dr. med. Edouard H. Viollier, VR-Präsident, persönlich entgegennehmen, als Auszeichnung für die Arbeit

Serum neurofilament light chain for individual prognostication of disease activity in people with multiple sclerosis: a retrospective modelling and validation study,

die in Lancet Neurology publiziert wurde. Die Preisträgerin hat diese Arbeit mit der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle vom MS Zentrum der Universität Basel durchgeführt.

Neurofilamente sind zellspezifische, zytoskelettale Proteine, welche bei neuronaler Schädigung in den extrazellulären Raum freigesetzt werden und von dort aus in den Liquor und in Spuren auch ins Blut gelangen, wo sie nur mittels hochsensitiver Verfahren nachgewiesen werden können (Abb. 1). In der preisgekrönten Studie wurde, basierend auf den Neurofilament-Werten von 5390 Kontroll­personen mit > 10’000 Serumproben aus den USA und Europa, eine Referenzdatenbank entwickelt, welche die Interpretation der gemessenen Neurofilament-Konzentrationen beim einzelnen Patienten ermöglicht. Bis anhin war dies nur im Gruppenvergleich, z.B. im Rahmen von Medikamentenstudien möglich.

E.H. Viollier, S.V. Meier, W.F. Riesen, P. Füglistaler

Für die Referenzdatenbank wurden die absoluten sNfL-Werte in Alters- und BMI-korrigierte sNfL-Perzentilen und -Z-Scores umgewandelt, da die absoluten sNfL-Konzentrationen durch diese Faktoren beeinflusst werden. Hierdurch konnte die Trennschärfe dieses Biomarkers im Blut entscheidend erhöht werden. Basierend auf der Schweizer MS-Kohorte (SMSC) und dem Schwedischen MS-Register konnten die Autoren erstmals für einen Blutbiomarker zeigen, dass erhöhte sNfL-Konzentrationen bei MS-Patienten und Patientinnen ein eindeutig erhöhtes Risiko für zukünftige Krankheitsaktivität voraussagen. Bemerkenswert ist, dass mit dieser präzisen Methodeerhöhte Konzentrationen von sNfL auch bei den Patienten und Patientinnen festgestellt werden können, bei welchen die MS subklinisch aktiv ist, d.h. wo klinische und MRI-Untersuchungen einen stabilen Verlauf vortäuschen. Mit diesen für physiologische Unterschiede adjustierten sNfL-Werten konnte auch, basierend auf einem einheitlichen Messparameter, die Wirkung verschiedener bei MS eingesetzter Therapien objektiv miteinander verglichen werden. Die Messung von sNfL-Z-Scores bzw. -Perzentilen hat für MS-Betroffene eine unmittelbare praktische Bedeutung. Sie erleichtert bei Therapiebeginn oder -wechsel eine individuell angepasste Medikamentenauswahl und ermöglicht das Monitoring des Therapie­effektes mit höherer Sensitivität als mit den bisherigen klinischen und radiologischen Methoden.

Quelle: Pascal Benkert*, Stephanie Meier*, Sabine Schaedelin, Ali Manouchehrinia, Özgür Yaldizli, Aleksandra Maceski, Johanna Oechtering, Lutz Achtnichts, David Conen, Tobias Derfuss, Patrice H Lalive, Christian Mueller, Stefanie Müller, Yvonne Naegelin, Jorge R Oksenberg, Caroline Pot, Anke Salmen, Eline Willemse, Ingrid Kockum, Kaj Blennow, Henrik Zetterberg, Claudio Gobbi, Ludwig Kappos, Heinz Wiendl, Klaus Berger, Maria Pia Sormani, Cristina Granziera, Fredrik Piehl, David Leppert, Jens Kuhle, for the NfL Reference Database in the Swiss Multiple Sclerosis Cohort Study Group. Serum neurofilament light chain for individual prognostication of disease activity in people with multiple sclerosis: a retrospective modelling and validation study. Lancet Neurology 2022; 21: 246–57.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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