Vincent van Gogh: Genie und Wahnsinn

Kreativität und Krankheit: Vincent van Gogh kannte beides. Auf Episoden geistiger Klarheit folgten dramatische ­Höhen und Tiefen, kurze und heftige Krankheitsschübe mit akustischen und optischen Halluzinationen, Depressionen, epileptischen Anfällen und Desorientierung. Zahlreiche Forscher gehen primär von psychischen Erkrankungen aus, andere von somatischen Ursachen. Letztlich bleibt unklar, an welche(n) Erkrankung(en) van Gogh litt.

Patient: Vincent van Gogh
Geboren: 30. März 1853 in Groot-Zundert, Niederlande
Gestorben: 29. Juli 1890 in Auvers-sur-Oise, Frankreich

Ärzte und Psychologen stellten zu Lebzeiten und posthum bei van Gogh verschiedenste Diagnosen seiner Krankheit(en), die im dritten Lebensjahrzehnt einsetzten. Von einer Epilepsie über Schizophrenie bis zur Menière-Erkrankung, von der bipolaren Störung bis hin zu Syphilis wurden diverse Leiden vermutet. Gegen primär psychiatrische Diagnosen sprach, dass die psychotischen Episoden erst spät in van Goghs Leben auftraten und nur relativ kurz anhielten. Zudem lagen Anzeichen für eine organisch bedingte Psychose vor, etwa fokalneurologische Symptome, epileptische Anfälle, Gedächtnisstörungen und optische Halluzinationen. Von den somatischen Differenzialdiagnosen deckten vor allem die Temporallappenepilepsie und die akute intermittierende Porphyrie (AIP) van Goghs psychiatrisch-neurologische Symptome ab. Sein übermässiger Alkoholkonsum hat beide Erkrankungen möglicherweise aggravieren und zu einem Alkoholentzugsdelir führen können.

Stress, Alkohol, Hunger, Tabakkonsum

Van Gogh quälten immer wieder starke Magenschmerzen. Forscher interpretierten diese Beschwerden gemeinsam mit der Psychose und epileptischen Anfällen als mögliche Manifestation einer akut intermittierenden Porphyrie. Häufig manifestiert sich die AIP um das 30. Lebensjahr latent, bis äussere Einflussfaktoren einen und akuten Schub auslösen. Dazu gehören Stress, Alkohol, Hungern und Tabakkonsum. All diese Aspekte trafen auf van Gogh zu: In seinen exzessiven Schaffensphasen konsumierte er während der Arbeit regelmässig Alkohol, vor allem Cognac und Absinth, und ass tagelang fast nichts, um das Geld für Malfarben zu sparen. «Wenn der Sturm in mir zu laut brüllt, trinke ich ein Glas zu viel, um mich zu betäuben», schrieb er seinem Bruder und Vertrauten Theo, der als Kunsthändler in Paris arbeitete, zwei Jahre vor seinem Tod. Auch das Nervengift Alpha-Thujon, das im Absinth enthalten ist, könnte zu AIP-Schüben geführt haben.

Zeitgenossen berichteten, van Gogh habe unter tonischen Spasmen der Hand gelitten und oft abwesend vor sich hin gestarrt. Für die Dauer dieser Episoden habe eine Amnesie bestanden. Van Gogh konnte sich etwa nicht daran erinnern, dass er Gaugin bei seinem Besuch in Arles bedroht oder sich ein Ohr abgeschnitten hatte. Seine Ärzte gingen von einer Epilepsie aus und behandelten ihn mit Kaliumbromid, einem der ersten Antikonvulsiva. Danach soll sich der Zustand des Malers nach eigenen Angaben deutlich gebessert haben. Dennoch setzten die weiterbehandelnden Ärzte das Medikament aus unbekannten Gründen wenig später wieder ab.

«Ich habe nicht weniger als 10 Zähne verloren»

Van Gogh ging regelmässig in Bordelle und war zeitweise mit einer Prostituierten liiert. Daher wurde von einigen Forschern auch eine Neurosyphilis als mögliche Ursache seiner Symptomatik diskutiert; diese konnte sowohl zu epileptischen Anfällen als auch zu psychotischen Störungen führen. Allerdings zeigte van Gogh keine weiteren Lues-IV-Symptome wie Ataxie, Hirnnervenausfälle oder Sensibilitätsstörungen.

– Der Maler galt als starker Raucher. Sich selbst porträtierte er oft mit Pfeife. Seinem Bruder schrieb er in einem seiner vielen Hundert Briefe an ihn, dass er vermehrt rauche, um «den leeren Bauch nicht spüren» zu müssen.

– In van Goghs Familie gab es zahlreiche psychiatrische Erkrankungen. Bei van Goghs Vater und seinen Geschwistern traten neben neurologisch-psychiatrischen Symptomen wie Wahnvorstellungen auch Lähmungserscheinungen auf. Forscher sahen in dieser Familienanamnese Anzeichen für eine autosomal-dominant vererbte AIP.

– Eine Bleivergiftung könnte zu einer Enzephalopathie und starken Bauchschmerzen geführt haben. Die mögliche Giftquelle: die bleihaltigen Ölfarben des Künstlers. Auch Frida Kahlo, Peter Paul Rubens und Michelangelo Caravaggio sollen an einer chronischen Bleivergiftung gelitten haben. Seinem Bruder Theo schrieb van Gogh 1886: «Ich habe nicht weniger als zehn Zähne verloren», was sich wie auch seine Darmkoliken, die Anämie, seine Verwirrtheit und Schlaflosigkeit mit einer chronischen Bleivergiftung erklären liesse. Auch wegen van Goghs Verwirrtheit, Schlaflosigkeit oder Aggressivität gegen Gaugin vermuteten Forscher eine chronische Bleivergiftung. Neben Bauchkoliken, blauschwarzem Zahnfleischsaum und Fallhand wurde eine hypochrome Anämie durch den Verdacht auf eine Bleivergiftung als Ursache vermutet.

– Die Fastenperioden und der Alkoholkonsum könnten auch zu einem chronischen Vitaminmangel geführt haben. Das Fehlen von Vitamin B12 etwa, könnte sich in neuropsychiatrischen Symptomen wie Antriebslosigkeit, gedrückter Stimmung oder einer Psychose manifestiert haben. Neben der erwähnten Anämie finden sich in van Goghs Briefen auch Hinweise auf vegetative Folgeerscheinungen eines möglichen Vitamin-B12-Mangels wie Impotenz. Ein Vitamin-B3-Mangel aufgrund des Alkoholabusus könnte bei van Gogh zu psychischen Auf­fälligkeiten, Desorientierung oder Aggression geführt haben. Ebenfalls iatrogene Ursachen kommen infrage: Digitalis-Intoxikationen könnten bei van Gogh neben Übelkeit und Bauchschmerzen mit einem visuell wahrgenommenen Gelb- und Grünstich einhergegangen sein, wie man ihn von van Goghs berühmten Sonnenblumen kennt. Auch die These, dass der Maler an der erblichen Stoffwechselkrankheit Porphyrie gelitten haben könnte, die einen Einfluss auf die Lichtwahrnehmung des Künstlers hatte, diente einigen Forschern als Erklärung für van Goghs eigenwillige Farbkompositionen.

Höchst produktive Zeit im «Asyl für Geisteskranke»

Vincent van Gogh litt an akustischen Halluzinationen und 1879 wurde erstmals die Theorie vertreten, dass der Künstler an Morbus-Menière-Schwindel gelitten habe. Ein damit einhergehender unerträglicher Tinnitus könnte die Erklärung für van Goghs Attacke in Arles in der Nacht vom 23. Dezember 1888 aufs eigene Ohr sein, an der er, fast verblutet, am nächsten Morgen in seinem Bett gefunden und ins Krankenhaus von Arles eingeliefert wurde.

Nach diesem Vorfall fürchteten sich die Nachbarn van Goghs noch mehr vor dem «Fou roux» und leiteten eine Unterschriften­aktion ein, um ihn einsperren zu lassen. 1889 begab sich van Gogh freiwillig in das «Asyl für Geisteskranke» Saint-Paul-de-Mausole in Saint-Rémy, wo er während eines Jahres behandelt wurde. Es wurde eine der produktivsten Zeiten des Malers überhaupt. Umgeben von riesigen Pinien und grünen Zypressen, entstanden unter vielen anderen Bildern die weltbekannten Grosswerke «Sternennacht» oder «Weizenfeld mit Zypressen». Im Mai 1890 zog er zu seinem Arzt Dr. Paul Gachet nach Auvers-sur-Oise bei Paris. Am 29. Juli 1890 schoss der Künstler auf sich selbst und erlag zwei Tage danach den Verletzungen. Eine Autopsie unterblieb.

Jörg Weber

Quellen:
– Arnold W.: Ein Leben zwischen Kreativität und Krankheit. Birkhäuser Basel/Boston/Berlin, 1993
– Decker G.: Vincent van Gogh – Pilgerreise zur Sonne. Biografie. Matthes & Seitz Berlin, 2009

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Risikofaktoren und Behandlung von krebsassoziierten Schlaganfällen

Das Risiko von thromboembolischen Ereignissen wie unter anderem ischämischen Schlaganfällen ist bei Krebspatienten bekanntermassen signifikant erhöht. Eine paraneoplastische Gerinnungsstörung wird bei onkologischen Patienten häufig als primäre Ursache für Schlaganfälle, tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien angesehen. Neben dieser paraneoplastischen Thrombusbildung trägt auch das Vorhandensein klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren, die Krebs- und Schlaganfallpatienten gemeinsam haben, erheblich zum Auftreten von Schlaganfällen bei Krebspatienten bei. Bestimmte Chemo-, Hormon- und Immuntherapien sowie Strahlentherapien im Bereich des Halses und des Gehirns erhöhen ebenso das Schlaganfallrisiko bei Krebspatienten. Es ist daher wichtig, die entsprechenden Krebspatienten mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko zu erkennen und entsprechend zu sensibilisieren.

The risk of thromboembolic events is known to be increased in cancer patients. This also applies to cerebrovascular events such as strokes. Paraneoplastic coagulopathy is often regarded as the main cause of strokes and other thromboembolic events (venous thrombosis and pulmonary embolism) in cancer patients. In addition to paraneoplastic coagulopathy, the presence of classic cardiovascular risk factors, which cancer and stroke patients have in common, also contributes significantly to the occurrence of strokes in cancer patients. Certain chemo-, hormone- and immunotherapies and radiotherapy to the neck and brain also increase the risk of stroke in cancer patients. It is therefore crucial to be able to identify and provide care for cancer patients at increased risk of stroke.
Key words: Cancer-associated stroke, Hypercoagulability, Paraneoplastic coagulopathy, Secondary prevention, Anticoagulation therapy

Fallbericht

Eine 68-jährige Patientin wurde mit Verdacht auf einen Schlaganfall mit einer schweren Aphasie, einer leichtgradigen motorischen Hemiparese rechts und einer deutlichen Vernachlässigung (Neglekt) der linken Körperseite in ein Zentrumsspital eingeliefert. Einige Monate zuvor war bei der Patientin ein metastasierendes Bronchialkarzinom diagnostiziert worden. Bildgebende Untersuchungen zeigten das Vorliegen multipler zerebraler Infarkte in verschiedenen zerebralen Versorgungsgebieten, was auf eine proximal-embolische Genese schliessen liess (Abb. 1).
Die laborchemische Untersuchung zeigte eine ausgeprägte Gerinnungsaktivierung mit stark erhöhten D-Dimer-Werten von 9835 µg/L (Referenzbereich <500 µg/L), die nach Ausschluss einer tiefen Beinvenenthrombose und Lungen­embolie auf das Vorliegen einer paraneoplastischen Gerinnungsstörung zurückgeführt wurde. Auch das C-reaktive Protein (CRP) war mit 48 mg/L (Referenzbereich <5 mg/L) signifikant erhöht. In Abwesenheit weiterer Hinweise auf eine Infektion oder systemische Entzündung wurde dieser Anstieg ebenfalls im Kontext der zugrundeliegenden aktiven Krebserkrankung interpretiert. Zusätzlich wurde eine Anämie mit einem Hämoglobinwert von 108 g/L (Norm: 121-154 g/L) festgestellt, die mangels Anzeichen einer akuten Blutung als chronische Anämie gewertet und höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit der Krebserkrankung gesehen wurde.
Im Rahmen der ätiologischen Abklärung des Schlaganfalls konnten keine alternativen Ursachen festgestellt werden. Insbesondere fanden sich keine Hinweise auf eine kardiale Emboliequelle, welche häufig ein ähnliches multiterritoriales Verteilungsmuster der Schlaganfälle aufweist. Der Schlaganfall wurde letztlich ätiologisch der Krebserkrankung zugeschrieben. Als Sekundärprävention wurde nach 6 Tagen eine therapeutische Antikoagulation mit niedrigmolekularem Heparin (Clexane) in voller Dosierung eingeleitet.
Da die tägliche subkutane Injektion für die Patientin unangenehm war, entschied sie sich nach zwei Wochen, selbstständig die Antikoagulation abzusetzen. In der darauffolgenden Konsultation in der hausärztlichen Praxis wurde eine blutverdünnende Therapie mit Eliquis initiiert und diesmal konsequent fortgeführt.

Risikofaktoren für krebsassoziierte
Schlaganfälle

Krebsassoziierte Schlaganfälle werden neben allgemeinen kardiovaskulären Risikofaktoren auch durch spezifische Risikofaktoren beeinflusst, die sowohl mit der Tumor­erkrankung selbst als auch mit den therapeutischen Massnahmen zusammenhängen (Tab. 1).
Dabei treten die Schlaganfälle häufig innerhalb des ersten Monats nach der Krebsdiagnose auf, wobei das Risiko insbesondere in den ersten drei Monaten nach Diagnosestellung signifikant erhöht ist und anschliessend wieder abnimmt (1).

Hyperkoagulabilität und Krebs

Bestimmte Krebserkrankungen wie Lungen-, Pankreas-, Gastrointestinal- und Ovarialkarzinome, insbesondere in lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Stadien, sind eng mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Darüber hinaus weisen vor allem histologische Adenokarzinome eine deutliche Assoziation mit thromboembolischen Ereignissen auf (2–5). Es wird angenommen, dass alle diese spezifischen und fortgeschrittenen Krebsformen zu einer Hyperkoagulabilität führen, indem prothrombotische Elemente (z. B. von Willebrand-Faktor, Tissue Factor, Tumorantigene, zirkulierende Tumorzellen und entzündungsfördernde Zytokine) in den Kreislauf freigesetzt werden (3, 6, 7).
Diese prothrombotischen Prozesse führen zu einer verstärkten Umwandlung von Fibrinogen in Fibrin sowie zu einer erhöhten Thrombinaktivität wodurch die Thrombusbildung begünstigt wird (4, 8–10). D-Dimere, Abbauprodukte von Fibrin, werden daher häufig als Marker für eine Hyperkoagulabilität verwendet und sind bei Krebspatienten mit Schlaganfällen deshalb oft stark erhöht (5). Auch die mikroskopische Zusammensetzung von krebs­assoziierten Thromben weist entsprechend oft einen höheren Fibringehalt auf als bei anderen Schlaganfallursachen (11). Der detaillierte Pathomechanismus der paraneoplastischen Gerinnungsstörungen ist jedoch insgesamt noch zu wenig verstanden und weitere Studien sind notwendig, um konkrete Behandlungsansätze zu entwickeln.

Krebstherapie als Risikofaktor für Schlaganfall

Krebstherapien können das Schlaganfallrisiko erhöhen, da sie prothrombotische Nebenwirkungen haben und die Blutgefässe schädigen können (12–15). Dabei ist auch bei diesem Prozess weitere Forschung zum genauen Verständnis der Pathophysiologie notwendig.

1. Chemotherapie: Gewisse Chemotherapeutika (Cisplatin, Bevacizumab, Thalidomid) können eine prokoagulierende Aktivität oder Erhöhung der Blutviskosität verursachen und erhöhen daher das Risiko eines Schlaganfalls (16). Darüber hinaus sind einige Chemotherapeutika (Doxorubicin, Cyclophosphamid) direkt toxisch für das Gefässendothel, was die lokale Bildung von Thromben fördern kann.
Ebenso können die kardiotoxischen Nebenwirkungen verschiedener Chemotherapien (z.B. Anthrazykline oder Trastuzumab) durch die Entstehung einer akuten und/oder chronischen Kardiomyopathie oder Herzrhythmusstörungen zu Schlaganfällen führen (17).
2. Immuntherapien: Checkpoint-Inhibitoren (z. B. Pembrolizumab, Nivolumab) können durch beschleunigte Zunahme von Atherosklerose thrombotische Ereignisse begünstigen. CAR-T Cell Therapien wurden ebenfalls mit Schlaganfällen assoziiert, aber der Mechanismus ist derzeit noch nicht geklärt (18, 19).

3. Hormontherapien: Bei bestimmten Krebsarten, insbesondere Brust- und Prostatakrebs, werden häufig Hormontherapien eingesetzt. Diese Therapien (z.B. Tamoxifen, Aromatasehemmer [z. B. Anastrozol, Letrozol] und LHRH-Agonisten [z. B. Goserelin, Leuprolid]) stören das hormonelle Gleichgewicht und können dadurch einen prothrombotischen Zustand induzieren.
4. Strahlentherapie: Strahlentherapie bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich kann zur direkten Schädigung der zerebralen Gefässe führen und weiterhin auch atherosklerotische Gefässveränderungen durch Entstehung von Plaques begünstigen. Beide Phänomene erhöhen langfristig das Schlaganfallrisiko.

Kardiovaskuläre Risikofaktoren bei Krebsassoziierten Schlaganfällen

Neben der direkten Wirkung des Tumors und seiner Therapie spielen klassische kardiovaskuläre Risikofaktoren eine erhebliche Rolle bei der Entstehung von Schlaganfällen bei Krebspatienten. Patienten mit Krebs haben häufig eine Reihe zusätzlicher «gemeinsamer» Risikofaktoren mit Schlaganfallpatienten, die das Schlaganfallrisiko weiter erhöhen (20, 21). Hierbei sind vor allem Hyper­lipidämie, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Alkoholkonsum und Nikotinabusus aufzuführen.

Akuttherapeutische Möglichkeiten bei krebsassoziierten Schlaganfällen

Die Behandlung akuter Schlaganfälle bei Krebspatienten stellt eine besondere klinische Herausforderung dar, da die Hyperkoagulabilität und die vorliegenden kardiovaskulären Risikofaktoren dieser Patienten das Risiko von neuen thromboembolischen Ereignissen, Blutungen als auch von peri- und postinterventionellen Komplikationen erhöhen können (4, 13).

Intravenöse Thrombolyse

Studien haben gezeigt, dass die intravenöse Thrombolyse bei Schlaganfallpatienten mit Krebs im Thrombolysezeitfenster sicher durchgeführt werden kann. Krebspatienten zeigten nach einer Thrombolysebehandlung eine Verbesserung der Schlaganfall-Symptome. Allerdings besteht bei diesen Patienten ein erhöhtes Risiko für Nachblutungen, insbesondere bei metastatischen Erkrankungen oder bei fortgeschrittenem Tumorstadium (22, 23). Dabei wurde jedoch kein Unterschied zwischen symptomatischen intrakraniellen Nachblutungen nachgewiesen (24). Zusammenfassend ist die intravenöse Thrombolyse bei Schlaganfallpatienten mit Krebs eine sichere Behandlung, wobei jedoch aufgrund eines erhöhten Nachblutungsrisikos eine sorgfältige Abwägung der Risiken und Nutzen erforderlich ist.

Mechanische Thrombektomie

Im Allgemeinen haben Studien gezeigt, dass die Behandlung mittels mechanischer Thrombektomie von Schlaganfallpatienten mit Krebs sicher ist. Die langfristig
verbleibenden Defizite nach einer mechanischen Thrombektomie bei Schlaganfallpatienten mit Krebs waren
jedoch schlechter als bei Patienten ohne Krebs. Dieser Unterschied scheint aber hauptsächlich auf die Krebserkrankung selbst zurückzuführen zu sein und nicht primär auf das Ergebnis der mechanischen Thrombektomie an sich (25).

Prävention von krebsassoziierten Schlaganfällen

Primäre Prävention bei Krebspatienten zur Vermeidung von Schlaganfällen ist derzeit nicht indiziert (26, 27). Eine kürzlich veröffentlichte Literaturübersicht und eine Metaanalyse zeigten keine Reduktion der arteriellen Thrombosen (einschliesslich Schlaganfälle) bei Krebspatienten unter systemischer Therapie, die zur Primärprävention mit Antikoagulanzien behandelt wurden. Thrombozytenaggregationshemmer spielen eine Rolle bei der Primärprävention von arteriellen Thrombosen bei myelo­proliferativen Erkrankungen, werden aber nicht generell zur Primärprävention von Schlaganfällen empfohlen.

Sekundärprävention von krebsassoziierten Schlaganfällen

Post-hoc-Analysen von randomisierten klinischen Studien haben ergeben, dass es keine signifikanten Unterschiede zwischen direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK) und Aspirin in der Sekundärprävention bei Schlaganfallpatienten mit Krebs gibt (28). Aufgrund der jeweiligen Studiengestaltung sind diese Ergebnisse allerdings nicht ausreichend, um evidenzbasierte Empfehlungen zur Sekundärprävention abzugeben.
Aktuell werden basierend auf der Annahme ihrer Wirksamkeit auf die paraneoplastische Hyperkoagulabilität bei Krebspatienten zumeist DOAKs nach krebsassoziiertem Schlaganfall als Sekundärprävention eingesetzt. Eine Studie hat gezeigt, dass eine Senkung des D-Dimer-Spiegels durch Antikoagulanzien mit einer reduzierten 1-Jahres-Mortalität verbunden ist, was diese Hypothese unterstützt (29, 30).
Die Langzeitdurchführung einer Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin hingegen wurde aufgrund der unzureichenden Patienten-Compliance infrage gestellt (31). Die Anwendung von DOAKs gilt als sicher, erfordert jedoch weitere Evidenz (32). Generell ist bei der Wahl der Sekundärprävention das spezifische Blutungsrisiko des individuellen Patienten zu berücksichtigen (33).
Ebenso kommt auch der Behandlung von generellen kardiovaskulären Risikofaktoren eine wichtige Bedeutung zu, um das Schlaganfallrisiko insgesamt zu reduzieren.

Fazit für die ärztliche Praxis

Krebsassoziierte Schlaganfälle sind eine erhebliche Herausforderung in der klinischen Praxis, insbesondere aufgrund der komplexen Wechselwirkungen zwischen Krebserkrankungen und thromboembolischen Ereignissen.
Dabei werden krebsassoziierte Schlaganfälle neben gemeinsamen kardiovaskulären Risikofaktoren auch durch spezifische krebsbedingte Einflüsse verursacht. Besonders Patienten mit fortgeschrittenen oder metastasierten Tumoren weisen ein erhöhtes Schlaganfallrisiko auf. Das Schlaganfallrisiko ist hierbei insbesondere in den ersten Monaten nach der Krebsdiagnose erhöht.
Zudem können bestimmte Krebsbehandlungen prothrombotische Zustände begünstigen. Hinsichtlich der Akutbehandlung gelten sowohl die intravenöse Thrombolyse als auch die mechanische Thrombektomie bei Krebspatienten als sicher durchführbar. Entsprechend ist eine schnelle notfallmässige Vorstellung auf einer Notfallstation beim Auftreten von Schlaganfallsymptomen von entscheidender Bedeutung.
Eine Primärprophylaxe von krebsassoziierten Schlaganfällen ist aktuell nicht indiziert.
Die Wahl der Sekundärprophylaxe in Abwesenheit klarer Richtlinien bleibt oft in der Entscheidung des behandelnden Arztes. Während DOAKs bei vielen Patienten aufgrund der zugrundeliegenden Hyperkoagulation bevorzugt werden, zeigen aktuelle Studien keine klare Überlegenheit gegenüber Thrombozytenaggregationshemmer.

Dr. med. Moritz Kielkopf

Neurologische Klinik, Inselspital
Rosenbühlgasse 25
3010 Bern

moritz.kielkopf@insel.ch

Prof. Dr. med. Hakan Sarikaya

Universitätsklinik für Neurologie
Inselspital Bern
Rosenbühlgasse 25
3010 Bern

Dr. med. Morin Beyeler

Universitätsklinik für Neurologie
Inselspital Bern
Rosenbühlgasse 25
3010 Bern

  • Patienten mit fortgeschrittenen oder metastasierten
    Tumoren haben ein signifikant erhöhtes Risiko für Schlag­anfälle, insbesondere in den ersten drei Monaten nach der Krebs­diagnose. Diese sind oft durch paraneoplastische Gerinnungsstörungen verursacht.
  • Krebsassoziierte Schlaganfälle werden durch prothrombo­tische Mechanismen begünstigt, die von fortgeschrittenen Krebsformen ausgelöst werden, wie die Freisetzung von Tissue Factor und anderen entzündungsfördernden Faktoren. Stark erhöhte D-Dimer-Werte sind ein häufiger Marker für diese Prozesse.
  • Gewisse Chemotherapien, Immuntherapien, Hormon­therapien sowie Strahlentherapie können durch prothrombotische Nebenwirkungen und Gefässschädigungen das Schlaganfallrisiko erhöhen.
  • Sowohl die intravenöse Thrombolyse als auch die mechanische Thrombektomie sind bei krebsassoziierten Schlagan­fällen sicher, erfordern jedoch eine sorgfältige Abwägung der Risiken aufgrund eines erhöhten Blutungsrisikos bei meta­stasierten Tumoren.
  • Während DOAKs häufig zur Sekundärprävention bei krebs­assoziierten Schlaganfällen eingesetzt werden, gibt es keine klaren evidenzbasierten Empfehlungen. Eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung, einschliesslich des Blutungs­risikos und der Patienten-Compliance, ist entscheidend.

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Die Nerven-Kekse der Hildegard von Bingen. Ein Palmares von psychotropen Eigenschaften

Gewürze spielen in der Hildegard Medizin eine grosse Rolle und werden in vielfältiger Weise auch als Heilmittel eingesetzt. Ein bekanntes Beispiel sind die Nerven-Kekse, die für eine bessere Befindlichkeit sorgen. Die Gewürz-Mischung der Nerven-Kekse enthält Muskat-Nuss, Zimt und Nelken. Muskat-Nuss ist bekannt für die psychoaktiven Inhaltsstoffe Myristicin. Safrol, Elemicin und Eugenol, alles Verbindungen aus der Familie der Allylbenzole. In Tierversuchen wurde gezeigt, dass Allylbenzole zu stickstoff-haltigen Amino-
Ketonen metabolisiert werden, die angeblich für die Psychoaktivität verantwortlich sind.

Im Handbuch der Pharmakognosie von Alexander Tschirch findet sich ein Hinweis auf eine weitere psychotrope Komponente in der Muskatnuss mit unbekannter chemischer Struktur. Mehrere Autoren berichteten über eine opium-ähnliche Wirkung dieses Inhaltsstoffes. Dazu passend wird in neueren Arbeiten der Nachweis von Alkaloiden in der Muskatnuss erbracht. Bei der Herstellung von Nerven-Keksen hat man die Möglichkeit, ein alkaloid-freies Produkt herzustellen, indem man Macis («Muskat-Blüte») oder ätherisches Muskat-Öl anstelle von Muskatnuss verwendet. Muskat-Nuss und Macis enthalten weitere pharmakologisch wirksame Bestandteile in Form der Lignane Licarin und Malabaricon mit Wirkung auf das endocannabinoide System beim Menschen.

Eine weitere Komponente in der Gewürzmischung besteht aus dem ätherischem Öl Eugenol aus den Nelken. Eugenol ist ein Allylbenzol mit bekannter Fisch-Toxizität mit schnellem Wirkungseintritt der Narkose bei der Verwendung, z.B. in der Fisch-Zucht. Eugenol stand am Anfang bei der Entwicklung von Propofol (Disoprivan) als Narkose-Mittel. In Anlehnung an die Propofol-Daten steht eine Beteiligung der GABA-Rezeptoren bei der zentralen Wirkung der Allylbenzole in der Muskatnuss im Vordergrund. Bekanntlich unterliegt Propofol einem ausgeprägten First-Pass-Effekt und ist daher nach peroraler Einnahme wirkungslos. Die Aktivität von Glykoprotein P bestimmt das Ausmass des First-Pass-Effekts und es gibt mehrere Beispiele wo die Hemmung von Glykoprotein P für eine erhöhte systemische Verfügbarkeit von oral verabreichten Substanzen erhöht wird. Wohl das wichtigste Beispiel für diese Hemmung findet sich mit Alkohol. Falls diese Überlegung auch auf die Allylbenzole zutrifft, dann wäre bei den Nerven-Keksen eine erhöhte Wirkung zu erwarten, wenn sie in Kombination mit Alkohol eingenommen werden. Das könnte im Kloster bei Hildegard von Bingen sehr wohl der Fall gewesen sein, weil die Einnahme von Bier wegen der Ungeniessbarkeit von Wasser im Mittelalter weit verbreitet war.

Was die Verwendung von Zimt in der Gewürz-Mischung betrifft, könnte es sich um eine Fehlinterpretation bei der Übersetzung des Begriffs «Cinnamomum» im lateinischen Originaltext handeln. Cinnamomum kann anstatt mit Zimt auch korrekt mit Kampfer übersetzt werden. Der Kampfer und seine Wirkung waren bei der Äbtissin Hildegard von Bingen (1089-1179) gut bekannt. An anderer Stelle berichtet sie, dass die Verwendung von Kampfer die Aufmerksamkeit bei ihren Ordens-Schwestern im Gottesdienst fördert. Daher ist es naheliegend, dass Kampfer anstelle von Zimt bei der Herstellung der Gewürzmischung verwendet werden kann. Eine neue Rezeptur bei der Herstellung der Gewürzmischung unter Verwendung von natürlichem rechtsdrehendem Kampfer wird erwartungsgemäss eine verstärkte Wirkung gegen die Herbst-Melancholie und gegen den Winter-Blues zeigen. Die zusätzliche Verwendung von Zimt gibt der Gewürzmischung eine olfaktorische Note, die für eine weihnächtliche Stimmung sorgt.

Prof. em. Dr. pharm. A. Küpfer
Herzogenbuchsee

Advances in treatment of hyperuricemia and gout

Introduction

The global burden of gout is huge, and gout is the most common form of inflammatory arthritis worldwide (1). The principles of effective management are well known and have been published recently as updated guidelines (2, 3); based on the rapid control of acute inflammation, the effective lowering of serum urate to the treatment target combined with effective patient education. New pharmacological treatments will help the clinician to achieve these targets, as intolerance to existing therapies and potential side effects in patients with co-morbidities are common. Besides pharmacological therapy, the importance of patient participation and education is recognized and strategies to implement effective engagement with patients have also been studied. This review will highlight recent therapeutic advances in gout, highlighting newly developed treatments as well as recent insights on the use of existing therapies.

Advances for acute gout

Colchicine and cardiovascular prevention in gout

Growing evidence suggests that inflammation is a crucial player in atherosclerosis development, and several studies have investigated the potential protective effect of various anti-inflammatory drugs on cardiovascular (CV) events, including colchicine (4).

A retrospective monocentric matched cohort study included 501 patients with gout who started colchicine therapy and were matched (based on age and gender) to 501 patients not treated with colchicine (5). Patients with gout included in the two matched groups were predominantly white males (64 %) with a mean age of 72–73. Patients were followed up to 4 years (mean follow-up duration: 1 year), and CV events were captured. In the adjusted analysis, the authors observed a 49 % reduction (HR 0.51, 95 % CI 0.30–0.88) in the risk of presenting a CV event (stroke, transient ischemic attack, myocardial infarction [MI]). A decrease in all-cause mortality was also observed among colchicine users (HR 0.27, 95 % CI 0.17 to 0.43).

A large, randomized placebo-controlled trial (COLCOT trial) included 4745 patients within 30 days after an MI who were treated with colchicine 0.5 mg once daily or placebo. The median follow-up time was 23 months. A significant reduction (5.5 % versus 7.1 %, HR 0.77, 95 % CI 0.61 to 0.96) of the risk of ischemic CV events was observed in the colchicine group compared to the placebo group. Adverse events were globally similar in both groups. Diarrhea was reported in 9.7 % of the patients treated with colchicine (placebo group: 8.9 %) (6). Recently, a prespecified sub-study of the COLCOT trial including only patients with type 2 diabetes reported a similar reduction (HR 0.65, 95 % CI 0.44 to 0.96) of the risk of ischemic CV events (7).

Another randomized placebo-controlled trial (LoDoCo2 trial) investigated the effect of colchicine on the risk of CV events in patients with chronic coronary disease. 5522 patients were treated with colchicine 0.5 mg once daily or placebo after a run-in period of one month of colchicine treatment (open label). The mean follow-up duration was 29 months. A reduction (6.8 % versus 9.6 %, HR 0.69, 95 % CI 0.57 to 0.83) of the risk of occurrence of the composite CV events endpoint was observed. Gout occurred less frequently in the colchicine group (1.4 % versus 3.4 %), but myalgia was reported more often by patients treated with colchicine (21.2 % versus 18.5 %) (8).
There is now strong evidence showing that colchicine may prevent CV events in addition to routine cardiovascular prevention drugs in various populations exposed to increased CV risk, such as patients with gout, type 2 diabetes, a history of MI or chronic coronary disease.

Thus, colchicine, which has been used for many years to treat acute gouty arthritis and prevent ULT-induced gout flares (ULT: uric acid lowering therapy), may have a place in the cardiovascular prevention armamentarium in the future.

Cytokine inhibition

Since the discovery that MSU crystals activate the NLRP3 inflammasome, inducing a complex intracellular cascade ultimately leading to the cleavage and activation of pro-IL-1β in IL-1β, this pro-inflammatory cytokine has become a primary therapeutic target to treat acute gout (9).

Anakinra, an IL-1 receptor antagonist, was the first available IL-1 blocking agent. Following an open-label and several retrospective studies that reported good efficacy of this drug in treating acute gout arthritis, including hospitalized patients with comorbidities, two randomized controlled trials were published in 2019 and 2021 with different comparators. 88 patients suffering from an acute flare of gouty arthritis were treated with anakinra 100 mg once daily for 5 days or treatment as usual (naproxen, colchicine, prednisone). The authors showed non-inferiority of anakinra compared to usual care with similar clinical improvement (10). In the second study (anaGO trial), 165 patients with acute gout-related mono- or oligo-arthritis, in whom NSAIDs or colchicine were contra-indicated, were treated with anakinra 100 mg or 200 mg once daily for 5 days or a single intramuscular injection of triamcinolone 40 mg. All treatment arms showed efficacy in treating acute gouty arthritis with a similar reduction in pain intensity (11).

Rilonacept, a fusion protein acting as a soluble decoy receptor binding IL-1α and IL-1β, has shown efficacy in treating acute gouty arthritis in a phase 3 RCT with 225 patients (12). Three RCTs studied the use of rilonacept to prevent gout flares during the initiation of uric acid lowering therapy (ULT) and observed a decrease in the number of flares in patients in the rilonacept group compared to the placebo group (13–15). However, rilonacept is no longer available for commercial reasons.

Canakinumab, an anti-IL-1β monoclonal antibody with a 26-day terminal half-life, showed efficacy in treating acute gouty arthritis in two phase 3 RCTs. They included 456 patients treated with a single dose of canakinumab 150 mg or a single intramuscular injection of triamcinolone 40 mg. A significant difference in mean pain intensity (95 % CI) on VAS (0–100 mm) at 72 h was observed (–9.8, –16.3 to –3.2 mm) (16). A phase 2 RCT investigated the efficacy of canakinumab in preventing acute gout flares when starting ULT and reported a decrease in the mean number of flares in the canakinumab group compared to the colchicine group (17). Additionally, a post hoc analysis of the CANTOS trial, which was a large RCT (10059 patients) investigating cardiovascular outcomes in patients treated with canakinumab for up to several years, showed a reduced risk for gout attacks (HR 0.4–0.48 according to various serum urate levels) with no effect on serum urate levels (18). Canakinumab was approved by the European Medicines Agency in 2013 and the US Food and Drug Administration in 2023 to treat adult patients with frequent gouty arthritis in whom colchicine, NSAIDs and steroids are either not effective, contraindicated or not tolerated.
Except for IL-1β, other pro-inflammatory cytokines are released during gout arthritis, including TNFα and IL-6. Some authors tried TNFα or IL-6 blockade, to treat refractory polyarticular tophaceous chronic gouty arthritis. Few case reports have reported a good efficacy of TNFα inhibitors (infliximab, etanercept) and anti-IL6R agent tocilizumab (sub-cutaneous and intravenous) in these patients (19, 20). However, the level of evidence is low, and there are no published controlled trials, observational studies or even case series to support their use in gout.

Advances for hyperuricemia

Pegloticase

Pegloticase is a recombinant uricase administered intravenously that degrades urate in allantoin, a soluble metabolite.
2 RCTs published in 2011 included 225 patients with severe gout who are refractory to allopurinol or intolerant. They were treated with pegloticase or placebo for 6 months. In the pegloticase group, 38 % of patients responded (serum urate level < 360 µmol/l for ≥ 80 % of the time between months 3 and 6) versus 0 % in the placebo group (21). However, the use of pegloticase was impaired by a significant rate of infusions-related reactions (IRR) (> 25 %) and a loss of efficacy related to the development of antidrug antibodies that increase pegloticase clearance (22).

Therefore, following an encouraging open-label study, an RCT (MIRROR trial) was conducted that included 152 patients with uncontrolled gout and failure or intolerance to ULT who were treated by pegloticase and oral methotrexate (MTX) 15 mg/week or pegloticase and placebo for one year (23). Patients treated with MTX and pegloticase showed a higher response rate (60 % versus 31 %) at one year, and fewer IRR (4 % versus 31 %, all occurred during the first 6 months). Of patients with tophi at baseline, the proportion with a resolution of ≥ 1 tophi was 54 % (versus 31 %) after one year of treatment (24).
The FDA has approved pegloticase in treating chronic gout in patients who are refractory to conventional therapy since 2010. The EMA also approved pegloticase but withdrew it at the manufacturer’s request in 2013.

New xanthine oxidase inhibitors (XOI)

Allopurinol and febuxostat are well established XOIs and are effective urate lowering drugs. However, safety concerns in specific situations (allopurinol hypersensitivity syndrome for allopurinol and cardiovascular safety for febuxostat) as well as drug intolerance mean that alternatives are needed. Two recent additions are topiroxostat and tigulixostat. Both are non-purine xanthine oxidase inhibitors.
Topiroxostat has been available since 2013 in Japan (25, 26), but not yet marketed in the EU or the US. Tigulixostat showed dose-dependent efficacy in urate lowering in phase 2 studies but has not yet undergone comparison with standard agents (27).

SGLT2 inhibitors

SGLT2 inhibitors (canagliflozin, dapagliflozin, empaglifozin and others) are drugs that promote the renal excretion of glucose thus reducing blood sugar levels and their use has revolutionized the management of diabetes, heart failure as well as chronic kidney disease (CKD). The principal mode of action is inhibition of glucose reabsorption by SGLT2 (sodium-glucose cotransporter 2) in the proximal renal tubule. Other mechanisms of action (inhibition of sodium transport, inhibition of oxidative stress and inflammation and glomerular pressure) may explain their beneficial effects in heart failure and CKD. As metabolic, renal and cardiac disease are major co-morbidities in the gout population, drugs that act on multiple clinical targets in the same disease are of considerable interest. A recent review has succinctly summarized the available evidence of SGLT2 inhibitor’s effects in relation to gout (28).

SGLT2 inhibitors are capable of lowering serum urate; in a meta-analysis of 62 SGLT2 inhibitor trials, the mean lowering of sUA observed was –37 umol/L (variations in sUA lowering effect were observed across the drug class) and this effect appears to be independent of the blood sugar levels (29). Urate lowering also appears to be independent of the level of renal impairment for dapagliflozin and empagliflozin (reviewed in (28)) and the concomitant intake of different urate lowering drugs (30). There are no specific studies that targeted the gout population, but gout patients were included in a number of trials of SGLT2 inhibitors and secondary analyses of the data showed that the incidence of gout flares was decreased by around 50 % in patients on SGLT2 inhibitors (28), and cohort studies of health-care databases also showed that incident gout was also reduced by a similar amount. The urate lowering mechanism of SGLT2 inhibitors is postulated to be via increasing urinary glucose excretion, which competes with urate for reabsorption by the renal transporter SLC2A9 (Glut 9); another mechanism may be an inhibitory effect on the urate transporter SLC22A12 (URAT1) (31).
The accumulated data suggest that SGLT2 inhibitors may be a useful adjunct to conventional ULT in gout, particularly in patients with cardiometabolic co-morbidities. There is no current data to support its use as a primary ULT.

Colchicine prophylaxis on starting ULT

When patients start ULT, gout flares are frequently triggered and reach a peak within the first 6 months before gradually reducing in frequency (32). These “paradoxical flares” have motivated clinicians to recommend flare prophylaxis for up to 6 months at the start of ULT in treatment guidelines. A recent study has addressed the question if slow upward titration of ULT (using allopurinol) can obviate the need for colchicine prophylaxis. Stamp and colleagues performed a RCT comparing low-dose colchicine (0.5 mg daily) with placebo during the first 6 months of allopurinol treatment. The dose of allopurinol was increased by 50 mg per month until the target sUA level of 360 umol/L was reached (33). They found that patients on placebo had more flares in the first 6 months compared to the treated group, but by 12 months, both groups had similar (but reduced) flare frequency. Based on these results, the recommendation of prophylaxis with colchicine is maintained when starting ULT.

Patient information and education

Doherty et al have shown in a randomized controlled trial that gout management outcomes (in terms of achieving target sUA levels, flare rate) are significantly improved when drug therapy is accompanied by a nurse-led patient education and follow-up program when compared to usual care (34, 35). Subsequent analyses also showed that the nurse-led care group showed greater satisfaction, was better informed about gout, and had a lower flare rate than the control group. However, these results are contingent on the health care setting, as the trial described was performed in the UK. It is likely that other approaches can influence treatment outcome. In the US, a trial comparing pharmacist-led intervention (information about the disease, telephone follow up and dose adjustment of allopurinol) showed that adherence (> 80 % of days on treatment) and achieving the sUA target of 6 mg/dL were significantly greater in the pharmacist-led arm compared to usual care (36). Finally, a trial performed in Scotland, whereby patients were randomized to receive a program to improve gout self-management (in the form of a uric acid meter for home monitoring of sUA levels, combined with an application on a smartphone to enhance awareness of treatment targets) had better rates of achieving target sUA (70 % vs. 15 %) at 6 months compared to usual care (37). These studies demonstrate that different strategies can be effective in improving treatment adherence and outcome, and the precise approach needs to consider local factors.

Dr. med. Alexandre Dumusc

Service de Rhumatologie, Département de l’Appareil Locomoteur
Centre hospitalier universitaire vaudois
Av. Pierre Decker
1005 Lausanne

alexandre.dumusc@chuv.ch

Dr. Alexander So

Service de Rhumatologie,
Département de l’Appareil Locomoteur
Centre hospitalier universitaire vaudois
Av. Pierre Decker
1005 Lausanne

The authors have declared no conflicts of interest in connection with this article. w

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Friedrich Nietzsche: «Wer von seinem Tag nicht zwei Drittel für sich selbst hat, ist ein Sklave»

Der deutsche klassische Philologe und Philosoph Friedrich Wilhelm Nietzsche gehört zu den umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Philosophie. Bezeichnet als Genie, hochintelligenter Philosoph, aber auch als Irrer und Vordenker des Rassen- und Züchtungswahns wurde er bewundert und zugleich heftig kritisiert.

Patient: Friedrich Nietzsche
Geboren: 15. Oktober 1844, Röcken, Sachsen D
Gestorben: 25. August 1900, Weimar, Thüringen D

Friedrich Nietzsches Vater war evangelischer Pfarrer, die Mutter Pfarrerstochter. Nietzsche war stets Klassenprimus und mit 24 Jahren bereits Professor an der Universität Basel. Zu seiner Tätigkeit gehörte auch der Unterricht am traditionsreichen Basler Gymnasium am Münsterplatz. 1879, nach Jahren, legte er aus gesundheitlichen Gründen die Professur nieder. Bereits seit seiner Kindheit hatte Nietzsche an gesundheitlichen Problemen gelitten, unter anderem an Migräne, Depressionen, Schlafstörungen und Kurzsichtigkeit. Nietzsches Symptomatik wurde nie komplett aufgeklärt.

Nietzsche konsultierte zahlreiche Ärzte. Sie vermuteten unter anderem Syphilis, Chloralhydrat-Vergiftung, geistige Überarbeitung, Schizophrenie, Epilepsie, präsenile Demenz, Manie, Depression. Am gesichertsten schien lange die Diagnose seiner Ärzte einer «progressiven Paralyse» als Folge einer damals unbehandelbaren Neurosyphilis von 1889. Neuerdings wird dies wieder bezweifelt und eher ein Hirntumor, ein CADASIL-Symptom vermutet (Tenyi, 2012).

Getrieben von seinen Krankheiten, suchte Nietzsche ständig nach für ihn optimalen Klimabedingungen. Im Sommer hielt er sich meist in Sils-Maria GR auf, im Winter vorwiegend in Italien und Südfrankreich. Er lebte von seiner kleinen Pension und Spenden von Gönnern. Es folgten lange produktive Schaffensperioden, in denen seine Hauptwerke entstanden. Sie erschienen meist in Kleinstauflagen von ein paar Dutzend Exemplaren als Privatdrucke.

1888, im Alter von 44 Jahren, schien Nietzsche wahnsinnig zu werden. Er lebte in Turin, wo er in den letzten Dezembertagen ein Droschkenpferd umarmte und bitterlich weinte. Was war passiert? Der Kutscher hatte sein Pferd getreten. Nietzsche hing dem Tier am Hals und schluchzte jämmerlich. Zwei Carabinieri befreiten das Pferd schliesslich aus den Armen des tränenüberströmten Fremden. Signor Davide Fino, der in der Nähe einen Zeitungsstand betrieb, erkannte, dass der zitternde Fremde zwischen den Carabinieri sein Mieter war: der von ihm und seiner Familie hoch geachtete Professor Friedrich Nietzsche. Er übernahm ihn, stützte ihn, führte ihn nach Hause und steckte ihn ins Bett. Er schickte nach einem Arzt und setzte sich zum Kranken, der im Wachschlaf vor sich hindämmerte.

Nietzsche in der psychiatrischen Klinik «Friedmatt»

Zu dieser Zeit begann Nietzsche «Wahnsinnsbriefe» zu versenden. Am Sonntag, 6. Januar 1889 erhielt ein guter Freund von Nietzsche, Franz Overbeck, Professor für Kirchengeschichte in Basel, unverhofften Besuch des bekannten Historikers Jacob Burckhardt. Dieser hielt einen Brief von Nietzsche in der Hand: «Meinem verehrungswürdigen Jacob Burckhardt. Das war der kleine Scherz, dessentwegen ich mir die Langeweile, eine Welt geschaffen zu haben, nachsehe. Nun sind Sie – bist du – unser grosser, grösster Lehrer, den ich, zusammen mit Ariadne, haben nur das goldene Gleichgewicht aller Dinge zu sein, wir haben in jedem Stücke Solche, die über uns sind…» gezeichnet: Dionysos. Ein paar Tage später erhielt auch Overbeck einen Brief von Nietzsche: «Eine letzte Botschaft: Ich lasse alle Antisemiten erschiessen… Dionysos.»

Overbeck war alarmiert. Er besprach sich mit Professor Ludwig Wille, dem Leiter der erst drei Jahre vorher gegründeten psychiatrischen Anstalt «Friedmatt». Wille riet Overbeck dringend, Nietzsche aus Turin in die Basler Klinik zu holen. Gleichentags stieg Overbeck in den Zug nach Turin, wo er nach 18 Stunden Fahrt erschöpft ankam. Mit Mühe fand er die kleine Pension, wo Nietzsche im 4. Stock grau und verfallen in einer Sofaecke kauerte. Als er seinen Freund Overbeck aus Basel erkannte, stürzte er auf ihn zu, umarmte ihn, schluchzte und brach dann stöhnend und wimmernd zusammen. Die Finos, die Vermieter, kannten das, sie pflegten ihn seit Tagen, flössten ihm Bromwasser ein, das Nietzsche beruhigte.

Ein deutscher Dentist war bereit, die Reise von Overbeck und Nietzsche nach Basel mitzumachen. Overbeck ging auf Nietzsches Grössenwahn ein und erklärte ihm, er sei ein Fürst, er werde im Triumphzug in die Schweiz einreisen. Unten am Wagen bat Nietzsche Signor Fino um seine Mütze. Er sagte, er brauche sie für den Triumphzug, als Krone.

Overbeck, der den Freund in die Klinik begleitete, war höchst erstaunt, wie Nietzsche in der verbindlichsten Manier seiner besten Tage und mit würdiger Haltung Wille begrüsste: «Ich glaube, dass ich Sie schon früher gesehen habe… Sie sind Irrenarzt. Ich habe vor einigen Jahren ein Gespräch mit Ihnen über religiösen Wahnsinn gehabt…» Was Overbeck besonders erschütterte, war, dass Nietzsche diese Erinnerungen nicht in die geringste Beziehung zu seiner eigenen augenblicklichen Lage brachte und dass kein Zeichen verriet, dass ihn der Psychiater etwas anging. «Ruhig lässt er sich dem eintretenden Assistenzarzt übergeben und verlässt mit ihm, auf erhaltene Aufforderung, ihm zu folgen ohne weiteres das Zimmer…», notierte Overbeck.

Der Befund des aufnehmenden Arztes in der «Friedmatt»:
«Pupillen different, rechte grösser als die linke, sehr träge reagierend. Strabismus convergens. Starke Myopie. Zunge stark belegt. Keine Deviation, kein Tremor. Facialisinnervation wenig gestört. Fühlt sich ungemein wohl und gehoben. Gibt an, dass er seit acht Tagen krank sei und öfters an heftigen Kopfschmerzen gelitten habe. Er habe auch einige Anfälle gehabt, während derselben habe sich Pat. ungemein wohl und gehoben gefühlt und hätte am liebsten alle Leute auf der Strasse umarmt und geküsst, wäre am liebsten an den Mauern in die Höhe geklettert.» Als Diagnose wurde notiert: progressive Paralyse.

Mutter holt Nietzsche nach Hause

Gegen alle Widerstände setzte die nach Basel angereiste Mutter Nietzsches durch, dass ihr Sohn in die nächstgelegene Klinik seiner Heimatstadt Naumburg nach Jena verlegt wurde. Der damalige Klinikleiter von Jena, Professor Otto Binswanger, hatte sich wissenschaftlich intensiv mit der progressiven Paralyse beschäftigt. Bei der Aufnahme in Jena wurde bei der Erhebung der somatischen Befunde unter anderem eine leicht unregelmässig verzogene Pupille diagnostiziert.

In den nächsten Monaten beherrschen Wahnideen mit starken Erregungszuständen das klinische Bild. Im Oktober 1889 kam es zu einer inneren und äusseren Beruhigung, die als deutliche Remission interpretiert wurde. Wiederum gegen alle Widerstände nahm ihn die Mutter im März 1890 mit nach Hause. Im Herbst 1890 verschlechterte sich sein Geisteszustand rapide. «Es scheint nun, als ob der Wahnsinn zum Blödsinn umzuschlagen Miene macht», schreibt ein Jugendfreund Nietzsches im Februar 1891 an Overbeck.

Ab 1893 entwickelte sich zusätzlich eine Tabes dorsalis, die als eine quartäre Manifestation der Syphilis gesehen wurde: Nietzsche erkannte alte Freunde nicht mehr, ab Herbst nur noch die Mutter, die Schwester und die Hausgehilfin. Nach dem Tod der Mutter 1897, auf den Nietzsche in keiner erkennbaren Weise mehr reagierte, übernahm die Schwester die Pflege. Sie erwarb die Rechte an den bisher wenig beachteten Schriften des Bruders und machte sie bekannt. In der Nacht vom 24. auf den 25. August starb Nietzsche an einem Gehirnschlag. Eine Obduktion fand nicht statt.

Jörg Weber

1. Hemelsoet D, Hemelsoet K, Devreese D. The neurological illness of Friedrich Nietzsche. Acta Neurol Belg. 2008 Mar;108(1):9-16. PMID: 18575181

Weitere Quellen:
– Tényi, T.: The madness of Dionysus – six hypotheses on the illness of Nietzsche, Psychiatria Hungaria 27/2012
– Gschwend, G.: Pathogramm von Nietzsche aus neurologischer Sicht. Schweizerische Ärztezeitung 81/2000
– Volz, P.D.: Nietzsche im Labyrinth seiner Krankheit. Eine medizinisch-biographische Untersuchung. Königshausen + Neumann, Würzburg, 1990

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

SWISSMEDIC INFO

Public Summary SwissPAR vom 12.01.2024

Imjudo® (Wirkstoff: Tremelimumab)

Erstzulassung in der Schweiz: 13.09.2023
Arzneimittel (Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung) in Kombination mit Durvalumab zur Erstlinienbehandlung von Patientinnen und Patienten mit inoperablem hepatozellulärem Karzinom (uHCC)

Über das Arzneimittel

Das Arzneimittel Imjudo mit dem Wirkstoff Tremelimumab wird in Kombination mit dem Wirkstoff Durvalumab1 eingesetzt zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit inoperablem hepatozellulärem Karzinom (uHCC). Die Patientinnen und Patienten haben noch keine systemische Vorbehandlung2 erhalten.
Hepatozelluläre Karzinome sind aggressive Tumore und treten häufig im Zusammenhang mit chronischen Lebererkrankungen und Leberzirrhose auf. Sie werden in der Regel erst spät im Verlauf der Lebererkrankung diagnostiziert.
Da es sich bei uHCC um eine seltene und lebensbedrohende Krankheit handelt, wurde das Arzneimittel als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.

Wirkung

Der Wirkstoff von Imjudo, Tremelimumab, ist ein monoklonaler Antikörper. Monoklonale Antikörper sind Proteine (Eiweisse), die spezifisch an andere Proteine binden können. Tremelimumab bindet an das sogenannte «CTLA-4-Antigen», ein Protein, welches die Aktivität von T-Zellen steuert. T-Zellen sind ein Teil des Immunsystems (körpereigenes Abwehrsystem). Durch die Bindung von Tremelimumab an CTLA-4 wird CTLA-4 gehemmt. Dies wiederum bewirkt ein Anstieg der Anzahl und der Aktivität der T-Zellen, welche Krebszellen abtöten können.
Durvalumab bewirkt über einen anderen Mechanismus ebenfalls eine erhöhte Aktivi-tät des körpereigenen Abwehrsystems gegen den Tumor, was die antitumorale Immunantwort von Tremelimumab noch verstärkt und die Ausbreitung des Krebses verlangsamt.

Anwendung

Imjudo mit dem Wirkstoff Tremelimumab ist rezeptpflichtig.
Imjudo wird als Infusion in die Venen (intravenös) über einen Zeitraum von einer Stunde verabreicht.
Die empfohlene Dosis Imjudo beträgt für Patientinnen und Patienten mit 30 kg oder mehr Körpergewicht 300 mg, in Kombination mit 1500 mg Durvalumab im Zyklus 1 am 1. Tag, gefolgt von einer Durvalumab (1500 mg) Monotherapie alle 4 Wochen.
Für Patientinnen und Patienten unter 30 kg Körpergewicht beträgt die empfohlene Dosis 4 mg Imjudo/ kg Körpergewicht und 20 mg Durvalumab/ kg Körpergewicht im Zyklus 1 am 1. Tag, gefolgt von einer Monotherapie mit Durvalumab (1500 mg), alle 4 Wochen bis das Körpergewicht 30 kg beträgt.
Die Behandlung sollte solange fortgesetzt werden, bis es zu einem Fortschreiten der Erkrankung kommt (Progression) oder bis die Nebenwirkungen zu gross sind.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Imjudo wurde in einer Studie (HIMALAYA) mit 1324 Patientinnen und Patienten untersucht. Die Patientinnen und Patienten wurden in 4 Gruppen aufgeteilt. Dabei wurden 2 Dosierungen von Imjudo (300 mg oder 75 mg) in Kombination mit Durvalumab gegen die alleinige Behandlung mit Durvalumab oder Sorafenib (zugelassene Behandlungsoption) verglichen.
Der primäre Endpunkt der Studie war das Gesamtüberleben (OS)3 der Patientinnen und Patienten, die mit 300 mg Imjudo in Kombination mit Durvalumab behandelt wurden.
Die Behandlung mit 300 mg Imjudo in Kombination mit Durvalumab zeigte eine statistisch signifikante Verbesserung des OS im Vergleich zur Behandlung mit Sorafenib. Jene Patientinnen und Patienten, die mit Imjudo in Kombination mit Durvalumab behandelt wurden, hatten ein medianes4 Gesamtüberleben von 16,4 Monaten. Im Vergleich dazu lebten jene Patientinnen und Patienten, welche mit Sorafenib behandelt wurden, im Median 13,8 Monate.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Imjudo darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden.
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen (betrifft mehr als 1 von 10 Anwendern) sind Durchfall, Hautausschlag, Juckreiz, Husten, Fieber, Schmerzen in der Bauchregion, Schilddrüsenunterfunktion und erhöhte Aspartataminotransferase und Alaninaminotransferase5. Häufige schwerwiegende Nebenwirkungen (betrifft bis zu 1 von 10 Anwendern) sind Entzündungen des Dickdarms und Lungenentzündungen.
Durch die Hemmung des körpereigenen Abwehrsystems können auch immunvermittelte unerwünschte Wirkungen auftreten.
Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation (Packungsbeilage) sowie in der Fachinformation aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit die fünfthäufigste Krebsart und die zweithäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern.
Obwohl es schon Therapien zur Behandlung von HCC gibt, ist die Krankheit unheilbar und es besteht ein grosser medizinischer Bedarf an sicheren und wirksamen Behandlungsmöglichkeiten.
Die durchgeführte Studie HIMALAYA zeigte, dass Imjudo in Kombination mit Durvalumab die Überlebenszeit von Patientinnen und Patienten im Vergleich zur Behandlung mit Sorafenib verlängern kann. Die Nebenwirkungen von Imjudo in Kombination mit Durvalumab können schwerwiegend sein.
Unter Berücksichtigung aller Risiken und Vorsichtsmassnahmen und aufgrund der vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile von Imjudo in Kombination mit Durvalumab die Risiken. Swissmedic hat daher das Arzneimittel Imjudo mit dem Wirkstoff Tremelimumab für die beantragte Indikation des inoperablen hepatozellulärem Karzinom (uHCC) für die Schweiz zugelassen.

Weitere Informationen zum Arzneimittel

Information für medizinisches Fachpersonal:
Fachinformation Imjudo® auf www.swissmedicinfo.ch
Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

1. Durvalumab ist ein bereits zugelassener Wirkstoff. Es ist ein monoklonaler Antikörper, aus der Gruppe der Checkpoint-Inhibitoren, der zur Behandlung von bösartigen Tumoren eingesetzt wird.
2. Systemische Therapie: Im Gegensatz zu einer lokalen Therapie (Behandlung am Ort der Erkrankung) wird bei der systemischen Therapie die Behandlung des gesamten Körpers zur Bekämpfung der Erkrankung eingeschlossen.
3. Gesamtüberleben: Das Gesamtüberleben (OS, overall survival) bezeichnet die Zeitspanne zwischen Therapiebeginn und Tod des Patienten bzw. der Patientin.
4. Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.
5. Aspartataminotransferase (AST) und Alaninaminotransferase (ALT): Dies sind beides Enzyme, welche vor allem in den Leberzellen produziert werden. Erhöhte Blutwerte der Aktivität dieser Enzyme können einen Hinweis auf Erkrankungen im Bereich der Leber darstellen.

Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Public Summary SwissPAR ein.

In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirksamkeit oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.