SWISSMEDIC INFO

Public Summary SwissPAR vom 20.02.2024

Talvey® (Wirkstoff: Talquetamab)

Befristete Zulassung in der Schweiz: 30.10.2023
Arzneimittel (Injektionslösung) zur Viertlinien-Behandlung des rezividierenden oder refraktären multiplem Myeloms bei Erwachsenen

Befristete Zulassung in der Schweiz: 30.10.2023
Arzneimittel (Injektionslösung) zur Viertlinien-Behandlung des rezividierenden oder refraktären multiplem Myeloms bei Erwachsenen

Über das Arzneimittel

Das Arzneimittel Talvey mit dem Wirkstoff Talquetamab wird zur Behandlung des multiplen Myeloms («Knochenmarkkrebs») bei Erwachsenen eingesetzt, die mindestens drei vorausgegangene Behandlungsphasen durchlaufen haben, einschliesslich der Behandlung mit Medikamenten der drei Standardtherapieklassen, und deren Erkrankung nach der letzten Behandlungsphase ein Fortschreiten gezeigt hat.
Das multiple Myelom (MM) ist eine seltene Krebsart, welche etwa 1-2 Prozent aller Krebserkrankungen ausmacht. Die Häufigkeit der Neuerkrankungen mit MM nimmt mit dem Alter zu. Zwei Drittel der neuerkrankten Personen sind über 65 Jahre alt. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch eine übermässige Vermehrung der Plasmazellen. Plasmazellen sind eine Unterart der weissen Blutkörperchen, welche im körpereigenen Abwehrsystem (Immunsystem) für die Produktion von Antikörpern verantwortlich sind. Im Rahmen des MM vermehren sich Plasmazellen unkontrolliert im Knochenmark und manchmal auch in anderen Organen. Dies verhindert die normale Bildung von Blutzellen und kann Knochen und andere Organe zerstören bzw. in ihrer Funktion beeinträchtigen.
Da es sich beim multiplen Myelom um eine seltene und lebensbedrohende Krankheit handelt, wurde das Arzneimittel als «Orphan Drug» zugelassen. Mit Orphan Drug werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.
Talvey wurde im Rahmen des «Project Orbis» zugelassen. Project Orbis ist ein von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA koordiniertes Programm für vielversprechende Krebsbehandlungen. Es bietet einen Rahmen für die gleichzeitige Einreichung und Prüfung von Krebsmedikamenten durch mehrere internationale Partnerbehörden verschiedener Länder. Damit wird das Ziel verfolgt, Patientinnen und Patienten einen schnelleren Zugang zu innovativen Krebsbehandlungen zu ermöglichen. Zurzeit sind die Zulassungsbehörden von Australien (TGA), Brasilien (ANVISA), Israel (MOH), Kanada (HC), Singapur (HSA), Schweiz (Swissmedic) und dem Vereinigten Königreich (MHRA) im Project Orbis vertreten.

Wirkung

Der Wirkstoff in Talvey, Talquetamab, ist ein Antikörper (ein immunologisch wirksames Protein), der sowohl an die Tumorzelle über das sogenannte GPRC5D-Antigen als auch an den CD3-Rezeptor (Bindungsstelle) auf den T-Zellen (Zellen des Immunsystems) bindet. Dadurch bringt Talquetamab die Tumorzellen mit den T-Zellen zusammen. Dies wiederum aktiviert die T-Zellen, die dann die multiplen Myelom-Zellen abtöten können.
Anwendung
Talvey mit dem Wirkstoff Talquetamab ist rezeptpflichtig. Talvey ist als Injektionslösung in den Dosen 3 mg gelöst in 1.5 ml und 40 mg gelöst in 1 ml in jeweils einer Durchstechflasche erhältlich. Talvey wird unter die Haut gespritzt. Die Dosierung wird schrittweise auf die Behandlungsdosis erhöht.
Die Anwendung von Talvey soll nur unter der Anleitung von ärztlichem Personal mit Erfahrung in der intensivmedizinischen Behandlung der möglicherweise auftretenden unerwünschten Wirkungen erfolgen. Zu Beginn der Therapie mit Talvey, und bei Bedarf auch im späteren Verlauf der Behandlung, ist eine stationäre Überwachung während mindestens 48 h nach der Verabreichung notwendig.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Talvey wurde in einer offenen Studie1 (MonumentTAL-1) ohne einen Kontrollarm mit 265 MM-Patientinnen und -Patienten untersucht. Die erwachsenen Patientinnen und Patienten hatten schon mindestens 3 vorangehende Behandlungsphasen, einschliesslich der Behandlung mit Medikamenten der drei Standardtherapieklassen erhalten.
Historisch betrachtet haben Patientinnen und Patienten mit wiederkehrendem oder behandlungsresistentem MM, die bereits mit den drei Standardtherapieklassen vorbehandelt wurden, einen ungünstigen Krankheitsverlauf (schlechte Prognose). Nach historischen Daten lag die Gesamtansprechrate (ORR)2 bei ca. 30 %. Das mediane3 progressionsfreie Überleben (PFS)4 lag bei ca. 3 bis 6 Monaten und das gesamte Überleben (OS) bei ca. 6 bis 12 Monaten.
Von den 122 Patientinnen und Patienten, der Patientengruppe, welche in der Studie mit 0,4 mg/kg Talvey wöchentlich behandelt wurden, wurde bei 89 Studienteilnehmenden ein Ansprechen und somit eine ORR von 73% erreicht. Das mediane PFS betrug 7,0 Monate. Aufgrund der zum Zeitpunkt der befristeten Zulassung noch nicht vollständig vorliegenden Daten, kann das Gesamtüberleben zurzeit noch nicht geschätzt werden. Daten von weiteren Patientengruppen der Studie unterstützten diese Ergebnisse.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Talvey darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe nicht angewendet werden.
Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen (betrifft mehr als 1 von 10 Anwendern) gehören das Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS)5, Geschmacksstörungen, Hypogammaglobulinämie6, Erkrankungen der Nägel, Muskelschmerzen, Neutropenie und Lymphopenie (niedrige Anzahl einer jeweils bestimmten Gruppe von weissen Blutkörperchen), Erkrankungen oder Ausschläge der Haut, Müdigkeit, Gewichtsabnahme, Blutarmut, trockener Mund, Fieber, trockene Haut, Thrombozytopenie (geringe Anzahl an Blutplättchen), Schluckstörungen, Durchfall, Infektionen der oberen Atemwege, Juckreiz, Husten, Schmerzen, verminderter Appetit und Kopfschmerzen.
Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Fachinformation aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

Patienten und Patientinnen mit einem wiederkehrendem oder behandlungsresistentem stark vorbehandelten MM haben eine schlechte Prognose. Daher besteht ein grosser Bedarf an neuen Therapiemöglichkeiten.
Die Daten der vorgelegten Studie zeigten eine hohe Ansprechrate unter Talvey verglichen zu den historischen Daten. Die Aussagekraft der Ergebnisse zum Überleben ist begrenzt, da die Studiendauer zum Zeitpunkt der Datenbetrachtung noch nicht ausreichend lang war.
Das Arzneimittel Talvey wurde deshalb in der Schweiz befristet zugelassen (Art. 9a HMG), da zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht alle klinischen Studien vorliegen oder abgeschlossen waren. Die befristete Zulassung ist zwingend an die zeitgerechte Einreichung der von Swissmedic verlangten ergänzenden Daten gebunden. Nach Erfüllung dieser Zulassungsauflagen kann die befristete Zulassung bei positiver Nutzen-Risiko-Beurteilung der Resultate in eine Zulassung überführt werden.

Weitere Informationen zum Arzneimittel

Information für medizinisches Fachpersonal: Fachinformation Talvey® auf www.swissmedicinfo.ch
Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

1. Offene Studie: Bei einer offenen (unverblindeten) Studie, wissen die Gesundheitsfachpersonen, sowie auch die Patientinnen und Patienten, welche Therapie die Studienteilnehmenden erhalten.
2. ORR (objective response rate) ist definiert als prozentualer Anteil von Patientinnen und Patienten mit Ansprechen auf die Therapie.
3. Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.
4. PFS: Progressionsfreies Überleben (PFS, progression-free survival): Zeitspanne zwischen dem Start einer Behandlung oder einer klinischen Studie und dem Beginn des Fortschreitens der Krankheit oder dem Tod der Patientin oder des Patienten.
5. Zytokin-Freisetzungssyndrom ist eine systemischen Entzündungsreaktion aufgrund massiver Ausschüttung von Zytokinen (Eiweisse), die die weissen Blutkörperchen aktivieren.
6. Hypogammaglobulinämie: Erkrankung des Immunsystems (körpereigenes Abwehrsystem), bei der zu wenig oder keine Immunoglobluline im Blut vorhanden sind. Immunoglobuline sind Proteine (Eiweisse), welche das Immunsystem unterstützen.

Der Stand dieser Information entspricht demjenigen des SwissPAR. Neue Erkenntnisse über das zugelassene Arzneimittel fliessen nicht in den Public Summary SwissPAR ein.
In der Schweiz zugelassene Arzneimittel werden von Swissmedic überwacht. Bei neu festgestellten unerwünschten Arzneimittelwirkungen oder anderen sicherheitsrelevanten Signalen leitet Swissmedic die notwendigen Massnahmen ein. Neue Erkenntnisse, welche die Qualität, die Wirkung oder die Sicherheit dieses Medikaments beeinträchtigen könnten, werden von Swissmedic erfasst und publiziert. Bei Bedarf wird die Arzneimittelinformation angepasst.

Neumanifestation einer Typ-2-Inflammation im Bereich der oberen Atemwege mit Polyposis nasi unter einem Asthmabiologikum

Einleitung

Asthmapatienten können die eosinophile Typ-2-Inflammation sowohl in den unteren Atemwegen (Asthma) als auch im Bereich der oberen Atemwege mit allergischer Rhinitis (early-onset Asthma) oder aber beim late-onset Asthma mit chronischer Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis (CRSwNP) und eventueller Aspirinintoleranz (M. Widal = AERD) manifestieren. Das Ziel einer modernen Asthmabehandlung geht über eine schlichte Symptomkontrolle hinaus und strebt eine Remission an. Diese enthält gemäss eines Expertenkonsenses nebst dem Fehlen von Symptomen auch eine stabile Lungenfunktion ohne Steroideinsatz über 12 Monate. Dazu haben sich hier moderne Asthmabiologika als wirksam erwiesen (1). Das Ansprechen der Biologika kann aber im Bereich der beiden Etagen der Atemwege differieren, wie der beschriebene Fall zeigt. Unser Patient entwickelte unter der Therapie mit einem Anti-IL-5-Antikörper die Neumanifestation einer Polyposis nasi sowie eine Unverträglichkeitsreaktion auf Metamizol, deren Ätiologie und die mögliche Beeinflussung durch verschiedene Biologika (2) diskutiert wird.

Fallvignette

Im Alter von 29 Jahren manifestierten sich bei dem männlichen Patienten Husten, Auswurf und zunehmende Belastungsdyspnoe. Er war lebenslanger Nieraucher und hatte in der Jugend Leistungssport betrieben. Die gezielte Allergie- und Berufsanamnese war negativ.
Aufgrund der Symptomatik führte die Hausärztin zweimal einen oralen Steroidstoss (OCS) mit guter klinischer Wirkung durch. Da Herr N. nach dem Absetzen trotz hoch dosierter ICS/LABA erneut exazerbierte, wies sie ihn der Pneumologie des Spitals in Davos zu.

Bei erhöhter Eosinophilenzahl im Differenzialblutbild (2.6 G/l bzw. 24.9 %, Norm < 0.45 G/l bzw. 5 %), erhöhtem FeNO (exhaliertes Stickstoffmonoxid) von 107 ppb (Norm < 25 ppb) als weiterem Marker der Typ-2-Inflammation, negativem Inhalationsscreen (Phadia CAP sx1 0.18 kU/l, Norm < 0.7 kU/l) sowie wiederholt normwertigen ANCA (Anti Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper) wurde trotz erhöhtem Gesamt-IgE (582 kU/l, Norm < 100 kU/l) die Diagnose eines nicht allergischen, eosinophilen adult-onset Asthmas gestellt und eine Behandlung gemäss GINA Stufe 4 eingeleitet. Dennoch kam es nach drei Monaten zu einer weiteren spontanen Exazerbation mit mittelschwerer, auf Betastimulatoren nicht reversibler Obstruktion. Unter OCS erfolgte erneut eine Normalisierung der Lungenfunktion mit absolutem FEV1-Anstieg (Erstsekundenkapazität) um 2.5 Liter (vgl. Abb. 1 und 2). (Man beachte Hustenartefakte als weiteres Zeichen der bronchialen Hyperreaktivität beim schlecht kontrollierten Asthma.)

Damit war die Limitatio zur Verordnung von Asthmabiologika erfüllt. Nach Kostengutsprache erhielt der Patient Benralizumab s.c., zuerst vierwöchentlich über drei Monate, dann alle acht Wochen. Aufgrund einer Nadelphobie erfolgte die Injektion immer überwacht im Spital durch qualifiziertes Personal. Darunter zeigte sich ein sehr gutes Ansprechen hinsichtlich des Asthmas. Bereits bei der dritten Gabe erreichte Herr N. seine individuell beste FEV1 von 5.8 l (128 % Soll). Im weiteren Verlauf blieb das Asthma stabil und gut kontrolliert.

Unter fortgeführter Behandlung mit Benralizumab manifestierte sich jedoch innerhalb von neun Monaten erstmals eine symptomatische chronische Rhinosinusitis mit Polyposis nasi (CRSwNP) mit Behinderung der Nasenatmung und Hyposmie mit fehlendem Ansprechen auf nasales Mometason. Trotz weiter guter Asthmakontrolle stieg das FeNO von zuletzt 21 ppb auf 50 ppb an. Ein erneutes Screening auf ANA und ANCA im Hinblick auf eine mögliche EGPA blieb negativ. Der Wechsel von Benralizumab auf Dupilumab wurde erwogen, aufgrund der hohen initialen Bluteosinophilenzahl jedoch nicht gewählt.

Nach Rücksprache trafen die Kollegen der ORL des Kantonsspitals Graubünden (KSGR) den Entscheid zur chirurgischen Intervention.
Der Eintritt des Patienten zur Operation erfolgte in respiratorisch stabiler Situation. Präoperativ Verabreichung von Dexamethason i.v. Zudem erhielt die Anästhesie von der ORL die Weisung, auf die Verabreichung von NSAR zu verzichten. Allergien oder Unverträglichkeiten waren zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Nach Verabreichung von Ketamin, Clonidin und kurz darauf Metamizol intraoperativ kam es zu einem akuten Blutdruckabfall, Abnahme des Atemminutenvolumens und der Sauerstoffsättigung und danach zu einem Erythem an Stamm und Extremitäten ohne urtikarielle Reaktion. Klinisch entsprach dies dem Anaphylaxie-Grad 3 und wurde mit Adrenalin, Clemastin (Tavegyl®) und Methylprednisolon erfolgreich behandelt.

Diskussion

Aufgrund von Manifestationsalter, Symptomatik inkl. Ansprechen auf OCS, hoher Eosinophilenzahl mit wiederholt auch hohen FeNO-Werten bei normwertigem Allergiescreen und negativer Allergieanamnese handelt es sich um eine Typ-2-Inflammation mit Beteiligung der unteren Atemwege im Sinne eines nicht allergischen adult-onset Asthma bronchiale und der oberen Atemwege mit chronischer Rhinosinusitis und Polyposis nasi. Das erhöhte Gesamt-IgE erreichte in einer prospektiven Populationsuntersuchung keine Signifikanz bzgl. Asthmaphänotypisierung (3). Zusammen mit der anaphylaktoiden Reaktion auf Metamizol besteht unseres Erachtens mit grosser Wahrscheinlichkeit die klassische Trias eines M. Widal.

Die Differenzialdiagnose einer eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis (ehemals Churg Strauss) konnte bei fehlenden ANCA und fehlenden Hinweisen für eine Vaskulitis nicht bestätigt werden. Histologisch bestand im nasalen Polypektomiepräparat eine chronisch polypoid-hyperplastische Sinusitis mit reichlich Plasmazellen, jedoch ohne Eosinophilie. Granulome wurden darin nicht beschrieben.

Obwohl sowohl Clonidin wie auch Metamizol im Rahmen ihrer Wirkung für einen Blutdruckabfall verantwortlich sein können, weisen bronchiale Obstruktion und Erythem auf eine allergische bzw. pseudoallergische (anaphylaktoide) Akutreaktion hin. Diesbezüglich kommen zwei pathophysiologische Mechanismen infrage: Nebst der klassischen IgE-vermittelten Allergie auf Metamizol kann auch die mit Asthma und Polyposis nasi assoziierte Reaktion auf NSAR/COX1-Hemmer im Sinne eines M. Widal (AERD) Ursache der beobachteten Reaktion sein, da auch Metamizol über die Hemmung der Cyclooxygenase-1 wirkt und damit zur anaphylaktoiden Reaktion führen kann (4).

Für den Patienten hat es eine klinische Konsequenz, ob er in Zukunft nur Metamizol oder das gesamte Spektrum der Prostaglandinsynthesehemmer meiden muss. Leider ist die Differenzierung schwierig. Ein Basophilenaktivierungstest für Metamizol ist in der Schweiz gemäss unseren Nachforschungen nicht verfügbar, und die Sensitivität liegt bei nur 15 % (5). Eine Reexposition erachten wir aufgrund der Schwere der Reaktion als kontraindiziert. Einen praxistauglichen Approach bietet A. Trautmann in seinem Research Letter im Clinical & Experimental Allergy 2020 (4). Dort wird eine Hauttestung mit Applikation der verdünnten I.V.-Lösung von Metamizol vorgeschlagen. Kommt es dabei zu einer lokalen Reaktion, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine IgE-vermittelte Allergie. Bei unserem Patienten blieb der Pricktest negativ für Metamizol und alle weiteren getesteten NSAR bei positiver Kontrolle, was das Vorliegen einer pseudoallergischen Reaktion im Sinne einer NSAID-Intoleranz sehr wahrscheinlich macht.

Interessant an diesem Fall sind unseres ­Erachtens folgende Punkte:

Beim Patienten hat sich bei vollständigem Fehlen von Eosinophilen im Blut unter Benralizumab eine CRSwNP neu entwickelt. Dies bedeutet, dass an der Ausbildung einer chronischen Sinusitis mit Polypen Pathomechanismen beteiligt sind, die über die reine Aktivität von IL-5 hinausgehen, da der Anti-IL-5(R)-Antikörper dies nicht verhindern konnte.
Auch unter Asthmabiologika ist es möglich, IgE-vermittelte und anaphylaktoide Hypersensitivitätsreaktionen auf NSAR zu entwickeln. Die Testung und weitere Abklärungen sind trotz Behandlung mit Antikörpern (ausser allenfalls Omalizumab) möglich.

Metamizol gehört zu den Prostaglandinsynthesehemmern und kann wie Aspirin und NSAR zu einer Intoleranzreaktion führen. Selten sind auch IgE-vermittelte Monosensibilisierungen möglich, womit Metamizol nebst der allseits bekannten Agranulozytose auch zu anaphylaktischen und anaphylaktoiden Reaktionen führen kann, was gern vergessen geht. Bei Vorliegen eines Asthmas und nasaler Polyposis sollte deshalb auf die Verabreichung von Metamizol verzichtet werden.

Der Mechanismus der NSAR-Intoleranz geht über eine Kaskade mit Aktivierung proinflammatorischer Zytokine, wobei auch hier die Rolle der eosinophilen Granulozyten hervorgehoben wird. Jedoch kommt es auch zur Mastzellaktivierung mit IgE-, IL-4- und IL-13-Freisetzung, was erklären kann, dass das am IL-5Rα-angreifende Benralizumab im Bereich der oberen Atemwege nicht wirksam war und die anaphylaktoide Reaktion trotz fehlender Eosinophilen auftreten konnte.

Eine retrospektive Analyse der Desensibilisierung bei bestehendem M. Widal mit täglicher niedrig dosierter Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS) bzw. Gabe von Dupilumab im Falle eines Therapieabbruchs aufgrund Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit von ASS konnte bereits ein gutes Ansprechen auf Dupilumab zeigen (6). Und die erste prospektive Open-label-Studie bzgl. verbesserter ASS-Toleranz unter einem Biologikum ergab nach 6 Monaten eine Zunahme der Toleranz von 57 % gegen NSAR unter Dupilumab (7) mit kompletter Toleranz bei 23 % der Patienten sowie zudem Verbesserung der Symptome von Asthma und Polyposis nasi. Die Subgruppe mit verbesserter Aspirintoleranz zeigte eine signifikante Abnahme der Leukotrien-E4-Spiegel.

Ausblick

Aufgrund der diskutierten Studien stellt sich nun erneut die Frage nach der Umstellung von Benralizumab auf Dupilumab zur besseren Kontrolle der Symptomatik im HNO-Bereich ohne Verlust der weiterhin guten Asthmakontrolle. Damit könnte das Risiko für ein Rezidiv der nasalen Polyposis vermutlich massiv reduziert werden. Dagegen spricht die bei Diagnosestellung stark erhöhte Eosinophilenzahl, die unter Dupilumab noch ansteigen kann. Allerdings ist die absolute Eosinophilenzahl unter Dupilumab nicht massgebend, da die Zellen als nicht aktiviert gelten, womit auch weiterhin von einer guten Asthmakontrolle auszugehen wäre. Alternativ kommt der Anti-TSLP- Antikörper Tezepelumab (Tezspire®) infrage, da damit ein breites Spektrum an proinflammatorischen Mechanismen reduziert werden kann (inkl. Mastzellen), was ein gutes Ansprechen auch im Bereich der oberen Atemwege nahelegt. Allerdings ist diese Therapie bisher nur für Asthma untersucht und zugelassen.
Für den Fall, dass sich in der Zukunft bei unserem Patienten doch noch eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis manifestiert, müsste allerdings der Anti-IL-5-Antikörper Mepolizumab zum Steroidsparen in der höheren Dosierung von 300 mg pro Monat eingesetzt werden, da nur er in dieser Indikation zugelassen ist.

Dipl. med. Anita E. Gander

Departement Innere Medizin, Pneumologie/Schlafmedizin
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur

anita.gander@ksgr.ch

Es bestehen keine Interessenkonflikte

  • Therapieziel beim Asthma bronchiale: Remission:
    >12 Monate: Symptomkontrolle + Stabilisierung Lungenfunktion auf bestmöglichem Niveau + keine systemische pSteroide
  • Unterschiedliche Wirksamkeit von Asthmabiologika auf untere und obere Atemwege
  • Neue chronische Rhinosinusitis mit nasaler Polyposis unter Asthmabiologikum trotz fehlender Eosinophilie
  • Metamizol kann wie Aspirin bei Asthmatikern zur Anaphylaxie führen – auch unter einem Biologikum

1. Agache I, Beltran J, Akdis C, Akdis M, Canelo-Aybar C, Canonica GW, et al.
Efficacy and safety of treatment with biologicals (benralizumab, dupilumab,
mepolizumab, omalizumab and reslizumab) for severe eosinophilic asthma.
A systematic review for the EAACI Guidelines − recommendations on the
use of biologicals in severe asthma. Allergy. 2020;75(5):1023-42.
2. Sánchez J, García E, Lopez JF, Calle A, Buendia JA. Nonsteroidal Anti-inflammatory Drug (NSAID) Tolerance After Biological Therapy in Patients
With NSAID-Exacerbated Respiratory Disease: A Randomized Comparative
Trial. J Allergy Clin Immunol Pract. 2023;11(7):2172-9.
3. Heaney LG, Perez de Llano L, Al-Ahmad M, et al. Eosinophilic and
Noneosinophilic Asthma: An Expert Consensus Framework to Characterize Phenotypes in a Global Real-Life Severe Asthma Cohort. Chest.
2021;160(3):814-830.
4. Trautmann A, Brockow K, Stoevesandt J. Metamizole-induced reactions as
a paradigm of drug hypersensitivity: Non-allergic reactions, anaphylaxis,
and delayed-type allergy. Clin Exp Allergy. 2020;50(9):1103-6.
5. Gamboa P, Sanz ML, Caballero MR, Urrutia I, Antépara I, Esparza R, de
Weck AL. The flow-cytometric determination of basophil activation induced
by aspirin and other non-steroidal anti-inflammatory drugs (NSAIDs) is
useful for in vitro diagnosis of the NSAID hypersensitivity syndrome. Clin
Exp Allergy. 2004;34(9):1448-57.
6. Bertlich M, Ihler F, Bertlich I, Weiss BG, Gröger M, Haubner F. Management of chronic rhinosinusitis with nasal polyps in Samter triad
by low-dose ASA desensitization or dupilumab. Medicine (Baltimore).
2021;100(40):e27471.
7. Schneider S, Poglitsch K, Morgenstern C, Quint T, Gangl K, Sinz C, et al.
Dupilumab increases aspirin tolerance in NSAID-exacerbated respiratory
disease. Eur Respir J. 2023;61(3).

Friedrich Schiller: Raubbau an seinem Körper

Als Friedrich Schillers Drama «Wilhelm Tell» am 17. März 1804 am Weimarer Hoftheater uraufgeführt wurde, war Friedrich Schiller bereits todkrank. Gut ein Jahr später, am 1. Mai 1805, erlitt der Dichter während seines letzten Besuchs des Hof­theaters einen Zusammenbruch mit langanhaltenden Fieberkrämpfen und ­Bewusstlosigkeit. Acht Tage später starb er.

Patient: Friedrich von Schiller
Geboren: 10. November 1759 in Marbach am Neckar
Gestorben: 9. Mai 1805 in Weimar

Seit zwei Jahrhunderten hat jede Ärztegeneration die Krankengeschichte und Obduktion Friedrich von Schillers nach ihrem Wissensstand betrachtet. Über seine Krankheiten und Todes­ursache existiert eine unübersehbare Fülle an Literatur.

Nach Aussagen seiner Schwester Christophine war Schiller «vom frühesten Alter an ein zartes Kind», dem schon die üblichen Kinderkrankheiten stark zusetzten. Als 14-Jähriger musste er auf Anordnung des Landesherrn, des Württembergischen Herzogs Karl Eugen, unfreiwillig auf die Militärakademie. Schon dort lag er häufig im Krankenzimmer, meist mit Husten und «Lungenkatarrh». Während seines fünfjährigen Medizinstudiums ab 1776 lernte er tagsüber Medizin, nachts widmete er sich seiner Leidenschaft, der Schriftstellerei. Im dritten Studienjahr obduzierte Schiller in der Hohen Karls-Schule in Weimar einen Medizinmitstudenten, der an Tuberkulose gestorben war. Ob er damals angesteckt wurde, wie viele Forscher vermuten, ist unklar. Nach sieben Jahren auf der «Militär-Pflanzschule» wurde er Regimentsmedikus, Militärarzt. Heimlich begann er sein erstes Hauptwerk zu schreiben, «Die Räuber», das im Januar 1782 uraufgeführt wurde. Das vom Pubikum bejubelte Stück, das Kritik an der Obrigkeit übte, verärgerte Herzog Karl Eugen. Schiller musste für 14 Tage in der Stuttgarter Hauptwache in Arrest, und der Herzog verbot ihm zukünftig jede literarische Tätigkeit. Schiller floh nach Mannheim, wo er 1783 Theaterdirektor am Nationaltheater wurde.
Anfang September 1783 erkrankte der 24-Jährige an einem «kalten Fieber» (damalige Bezeichnung für Schüttelfrost) und an der «gallichten Sucht» (so nannte man eine zeitweilige Gelbfärbung der Haut). Aus Kalendernotizen und Briefen Schillers ist bekannt, dass er unter regelmässig auftretenden Fieberanfällen litt, was auf eine Malariainfektion hindeutete. Schiller hat sich, wie auch häufig später, selbst behandelt, mit Brechweinstein, Chinarinde, Wassersuppen, fleischloser Diät. Er schrieb: «Chinarinde esse ich wie Brot».

Schiller klagte über die Schwäche seines Körpers

Schiller war ein Nachtarbeiter, er schrieb seine Werke in durchwachten Nächten. Abends, wenn ihn die Gesellschaft verliess, stellte er Wein, Liköre, Schnupftabak und Kaffee parat, er rauchte und arbeitete bis zum Morgengrauen. Inspirierend wirkte auf ihn der Geruch faulender Äpfel. So sehr er in seinen Briefen die Schwäche des Körpers beklagte, so wenig nahm er Rücksicht auf seine Gesundheit. (Schillers Lebensweise war seinen Freunden bekannt. Goethe schrieb darüber: «Seine durchwachten Nächte haben unseren Tag erhellt.»)

Am Nachmittag des 3. Januar 1791 befiel den 32-jährigen Dichter während eines Konzerts in Erfurt ein heftiges Fieber. Er erkrankte an Rippenfell- und Lungenentzündung. Seine Studenten, darunter der junge Novalis, teilten sich die Nachtwachen. Schiller hatte hohes Fieber, er hustete mit Eiter vermischtes Blut aus. Die damals gängigen Behandlungen mit Aderlässen, Zugpflaster, Brech- und Abführmitteln verschafften ihm keine Linderung. Erst nach mehreren Wochen konnte er das Krankenbett verlassen. Danach klagte er über «fortdauernde schmerzhafte Spannungen in der Brust». Nach vorübergehender Besserung erlitt er im Mai 1791 eine weitere schwere Krankheitsattacke. Als Mediziner registrierte er seine Zustände genau und schilderte: «Der Atem wurde so schwer, dass ich über der Anstrengung Luft zu bekommen, bei jedem Atemzug ein Gefäss in der Lunge zu zerspringen glaubte.» Dazu klagte er über «starken Fieberfrost» und «Krämpfe im Unterleib und Zwerchfell». Unter seinen Bekannten zirkulierte bereits das Gerücht, Schiller sei unheilbar an «Lungensucht», der damaligen Bezeichnung für Tuberkulose, erkrankt.

Der Verlauf von Schillers Leiden von 1791 bis zu seinem Tod 1805 setzte sich mit einer Kette von Krankheitserscheinungen fort, richtig gesund wurde er nie mehr. Katarrh, Fieber, Husten und zeitweise Bettlägrigkeit begleiteten sein weiteres Leben. Dies manifestiert sich auch in vielen Äusserungen gegenüber Freunden und Bekannten. In einem Brief an Goethe im September 1794, bei dem es um einen Besuch ging, schrieb Schiller: «Ich bitte bloss um die leidige Freyheit, bey Ihnen krank seyn zu dürfen».

Der Jugendfreund, Staatsrat und spätere Biograf Christian Gottfried Körner schrieb 1796 über den Dichter: «Schiller selbst wandelt, ja man möchte sagen, rennt unaufhörlich im Zimmer herum… Oft sieht man ihm sein körperliches Leiden an, besonders wenn ihn die Erstickungsanfälle anwandeln. Wenn es zu arg wird, geht er hinaus und braucht irgendein Palliativ. Kann man ihn in solchen Momenten in eine interessante Unterredung ziehen, so verlässt ihn das Übel wieder, um sogleich zurück zu kommen, wenn nichts mehr zu erörtern übrig ist. Überhaupt sind ihm anstrengende Arbeiten das sicherste Mittel für den Augenblick. Man sieht, in welcher ununterbrochenen Spannung er lebt und wie sehr der Geist bei ihm den Körper tyrannisiert…».

Im Januar 1798 schrieb Schiller an Körner über den in Arbeit befindlichen «Wallenstein»: «Hätte ich 10 Wochen ununterbrochener Gesundheit, so wäre er fertig; so aber habe ich kaum das Drittheil der Zeit zu meiner Disposition.»

Champagner zum «Heben der Kräfte»

Im Todesjahr 1805 hatte Schiller zwei Krankheitsattacken. Im Februar litt er vor allem unter Verstopfung und Blähungen, vermutlich aufgrund der Tuberkulose. «Die verwünschten Verstopfungen! Sie bringen mich alle Jahre um ein Trauerspiel!».

Am Mittwoch, 1. Mai 1805, hatte er sich entschlossen, den Abend im Theater zu verbringen: die Bühnenatmosphäre bedeutete für ihn immer Zauber und Anregung.

Dr. med. Stephan Keusch

Praxisgemeinschaft Lungdocs
Merkurstrasse 20
8032 Zürich

Kardiomyopathien

Zusammenfassung: Die 2023 veröffentlichten Behandlungsrichtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) für das Management der Kardiomyopathien behandeln erstmals alle Kardiomyopathien in einem Dokument. Im Fokus stehen ein Phänotyp-orientierter diagnostischer Zugang, multimodale Bildgebung und genetische Tests, um eine möglichst genaue Diagnose zu stellen. Darüber hinaus werden neue Empfehlungen zur Risikostratifizierung des plötzlichen Herztods bei verschiedenen Kardiomyopathie-Phänotypen gegeben. Hierbei hat die MRI- und Genetik-Diagnostik erheblich an Bedeutung gewonnen. Empfehlungen für das umfassende klinische und genetische Kaskadenscreening bei Verwandten von Personen mit Kardiomyopathien wurden überarbeitet. Im vorliegenden Artikel werden die wichtigsten Neuerungen nach einem praxisorientierten Ansatz vorgestellt.

 

Cardiomyopathies: a practical approach to the assessment and management of patients and their families
Abstract: The new 2023 European Society of Cardiology (ESC) Guidelines for the management of cardiomyopathies addresses all cardiomyopathies in a single document for the first time. The focus is on a phenotype-oriented diagnostic approach, multimodal imaging and genetic testing to establish the most accurate diagnosis possible. Additionally, new recommendations for risk stratification for sudden cardiac death in various cardiomyopathy phenotypes are provided. MRI and genetic testing have significantly gained importance in this context. Recommendations for comprehensive clinical and genetic cascade screening in relatives of individuals with cardiomyopathies have been revised. This article presents the most important innovations of these guidelines in a practice-oriented approach.

Einleitung

Kardiomyopathien (KMP) stellen eine vielseitige Gruppe von Herzmuskelerkrankungen dar, die oft mit Herzinsuffizienzsymptomen verbunden sind und mit einem erhöhten Risiko für Rhythmusstörungen inklusive plötzlichem Herztod (SCD) einhergehen. Die meisten dieser Erkrankungen kommen familiär gehäuft vor, was nicht nur für die betroffenen Patienten, sondern auch für deren Familien Implikationen hat. Die häufigsten und bekanntesten primären KMP umfassen die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), die dilatative Kardiomyopathie (DCM) und die rechtsventrikuläre arrhythmogene Kardiomyopathie (ARVC) (1). Durch die Fortschritte in der kardialen Bildgebung, der Genetik und vermehrter Sensibilisierung der Ärzte werden diese Erkrankungen immer häufiger erkannt, und die betroffenen Patienten und Familien bedürfen einer entsprechenden interdisziplinären Betreuung.

Wie in der Medizin im Allgemeinen ist der Bereich der KMP von der Erstbeschreibung der jeweiligen Formen beeinflusst durch Forschungsergebnisse und technische Erneuerungen historisch gewachsen. Am besten lässt sich das anhand der HCM aufweisen, welche schon früh intensiv erforscht wurde. Die HCM wurde in der medizinischen Fachwelt erstmals 1958 wahrgenommen, als ein Londoner Pathologe – Dr. Donald Teare – die Erkrankung in einer Familie mit vielen plötzlichen Todesfällen im jungen Alter als «Asymmetrical Hypertrophy of the Heart» beschrieben hatte (2). Kurz darauf – nur 3 Jahre später – hat Prof. Morrow erstmals eine chirurgische Myektomie zur Behandlung der Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts (LVOT) durchgeführt (3). Weitere Meilensteine in der Behandlung und Diagnostik der hypertrophen Kardiomyopathie stellen die Entwicklung der Echokardiographie (1972), das Herz-MRI (2000), des intrakardialen Cardioverter-Defibrillators (ICD) (1980), Septalalkoholablation (1984) und der Genetik in den 1990-ern dar. Diese Meilensteine beeinflussen das Krankheitsverständnis, die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten nachhaltig und sind in einem stetigen Wandel begriffen.

Wichtig ist zu erwähnen, dass KMP als Herzmuskelerkrankungen von koronaren, hypertensiven, valvulären und kongenitalen Herzerkrankungen differenziert werden. Da in der Allgemeinbevölkerung sowohl die arterielle Hypertonie als auch die koronare Herzkrankheit sehr weit verbreitet sind, können diese mit den primären KMP aber auch koexistieren. Im Sommer 2023 hat die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) neue Empfehlungen zur Abklärung und zum Management von KMP veröffentlicht, was in dieser Ausgabe zum Anlass genommen wurde, eine pragmatische Herangehensweise für die Betroffenen zu erarbeiten (4).

Einteilung der KMP gemäss ESC-Behandlungsrichtlinien 2023

Die Kernaussage der 2023 KMP-Leitlinien besteht vor allem darin, dass bei den behandelnden Ärzten ein sogenanntes cardiomyopathy mindset entwickelt wird und die Ärzte sich nicht nur auf den morphologischen Phänotyp konzentrieren, sondern am Anfang der Patient mit seiner klinischen Präsentation steht (5). Im Rahmen der initialen Abklärung sollen dann auch die differentialdiagnostischen Überlegungen im Zentrum stehen, denn die korrekte Diagnose hat mittlerweile immer mehr Implikationen für die Prognose und therapeutischen Optionen der Patienten und deren Familien. Die ESC 2023 KMP-Leitlinie integriert die bestehenden vier Phänotypen und erweitert sie um einen neuen, fünften Phänotyp namens «nichtdilatierte linksventrikuläre Kardiomyopathie» (NDLVC). Diese Kategorie umfasst Patienten mit isolierter linksventrikulärer Dysfunktion ohne Narbenbildung sowie Patienten mit nicht ischämischer Narbenbildung, unabhängig von einer systolischen Dysfunktion. Dadurch wird ermöglicht, Phänotypen zu berücksichtigen, die trotz Vorliegen einer Myokarderkrankung nicht den Definitionen der anderen Klassen entsprechen (Abbildung 1). Eine wichtige Änderung bei der Einteilung der KMP ist die Beibehaltung des Phänotyps «ARVC», um die ursprüngliche Definition zu beschreiben, bei der die Dilatation des Ventrikels und/oder Wandbewegungsstörungen hauptsächlich auf den rechten Ventrikel beschränkt sind, mit oder ohne Beteiligung des linken Ventrikels (6). Die Verwendung des Sammelbegriffs «arrhythmogene KMP (ACM)» wird nicht anerkannt, und bei einer überwiegenden linksventrikulären Erkrankung sollen die Empfehlungen für NDLVC angewendet werden.
Eine weitere Änderung ist die Abschaffung des Begriffes «non-compaction KMP» als eigenständige KMP. Angesichts des Mangels an morphometrischen Beweisen für ventrikuläre Verdichtung beim Menschen wird der Begriff «Hypertrabekulierung» anstelle von LVNC empfohlen, insbesondere wenn das Phänomen reversibel ist oder klar im Erwachsenenalter auftritt (7, 8). Hinzu kommt, dass sowohl die phänotypische als auch genetische Überlappung mit der DCM und HCM substanziell ist (9). In diesem Zusammenhang bleibt zu erwähnen, dass auch innerhalb derselben Familie mit sehr ähnlichem genetischen Hintergrund verschiedene KMP-Phänotypen auftreten können (10). Dies wird aktuell weiter untersucht, und man vermutet epigenetische wie auch Umweltfaktoren, die jeweils für die Ausbildung der jeweiligen Phänotypen verantwortlich sind. Ebenfalls kann der Krankheitsverlauf bei einem einzelnen Patienten eine Entwicklung von einem KMP-Phänotyp zu einem anderen einschliessen. Die Arbeitsgruppe schlägt einen Ansatz für die Krankheitsnomenklatur und Diagnose vor, der auf dem vorherrschenden kardialen Phänotyp bei der Präsentation basiert. Dennoch ist der Genotyp wichtig für die diagnostische Abklärung, Therapieentscheidungen und Nachsorge. Obwohl die genetischen KMP der Schwerpunkt der neuen Leitlinien sind, wird weiterhin ein systematischer Ansatz ausgehend vom morpho-funktionellem Phänotyp bis zu Erreichen einer präzisen Diagnostik vorgeschlagen. Dabei werden auch nicht genetische KMP, wie zum Beispiel entzündlich, toxisch und multisystemisch, berücksichtigt. Abbildung 2 bietet einen Überblick über mögliche Differentialdiagnosen einschliesslich Phänokopien gemäss morpho-funktionellem Phänotyp. Wichtig ist zu vermerken, dass die endgültige Diagnose idealerweise die Ätiologie neben dem Phänotyp beschreiben sollte. In der Betreuung dieser Patienten und Familien wird es weiterhin so sein, dass für einen substanziellen Anteil der Betroffenen keine eindeutige Diagnose vorliegen wird, die man weiterhin pragmatisch nach dem Ansatz des vorliegenden Phänotyps behandeln wird.

Diagnostik

Patientenpfad für eine Phänotyp-orientierte diagnostische Überlegung

Gleichzeitig wurde ein konzeptueller Rahmen für Diagnose und Behandlung bereitgestellt. Das Konzept des Patientenwegs mit einem umfassenden Ansatz in der Patientenversorgung beginnt mit der ersten klinischen Vorstellung und durchläuft verschiedene klinische Untersuchungen inklusive kardiale Bildgebung, um den offensichtlichsten Phänotyp der KMP zu identifizieren und darauf basierend differentialdia­gnostische Überlegungen und weiterführende Abklärungen in die Wege zu leiten (Abbildung 3).

Folgendes Fallbeispiel eines 49-jährigen, männlichen Patienten mit progredienter Dyspnoe ist eine Illustration des diagnostischen Leitfadens. In der medizinischen Vorgeschichte sind eine unklare Niereninsuffizienz und ein bilaterales Karpaltunnelsyndrom bekannt. Die Familienanamnese ist bezüglich kardiovaskulärer Erkrankungen unauffällig. In der körperlichen Untersuchung fallen vor allem ein verbreiteter Herzspitzenstoss und ein vierter Herzton auf. Die pathologischen Werte in der Laboruntersuchung sind: Kreatinin 130umol/l, Troponin 46ng/l, NTproBNP 1700ng/l. Im 12-Kanal-EKG werden ein normokarder Sinusrhythmus, normale Zeitindices, ein Linkslagetyp, ST-Senkungen inferior und diskrete periphere Niedervoltage beobachtet. Die Echokardiographie zeigte einen konzentrisch verdickten linken Ventrikel mit erhaltener systolischer Funktion und schwerer diastolischer Dysfunktion mit restriktivem Füllungsmuster. Im Herz-MRI wurde eine diffuse, teils transmurale Fibrose beider Ventrikel und Vorhöfe dargestellt (Abbildung 4). Nach dieser Standortbestimmung gehen wir von einem Mischphänotyp der HCM und RCM aus. Die Bildgebung ist in diesem Fall sehr suggestiv für eine kardiale Amyloidose. Für die weitere Differentialdiagnose der Amyloidose wurden weitere Laboruntersuchungen (Immunfixation Serum und Urin) und eine weitere Bildgebung (99mTc-DPD- Szintigraphie) veranlasst. Infolge fehlender Hinweise für eine Plasmazelldyskrasie und Nachweis einer ausgeprägten Radionukleidanreicherung im linksventrikulären Myokard konnte die Diagnose einer Transthyretin Amyloidose gestellt werden. Aufgrund des sehr frühen Krankheitsauftretens erfolgte auch eine bioptische Sicherung der Diagnose mittels Endomyokardbiopsie. Nach einer genetischen Testung konnte eine genetische Form der Transthyretin Amyloidose ausgeschlossen werden, was wiederum für die Familie wichtig ist. Die genaue Stellung der Diagnose ermöglichte den Beginn einer Transthyretin-stabilisierenden Therapie.
Wie in diesem Beispiel demonstriert, führt die initiale Standortbestimmung zur Identifizierung des KMP-Phänotyps und markiert den Ausgangspunkt eines diagnostischen Prozesses, dessen Hauptziel darin besteht, die zugrunde liegende Ursache zu ermitteln. Die Erlangung einer ätiologischen Diagnose wird zunehmend relevant dank der Entwicklung neuer massgeschneiderter Behandlungen.
Die Bausteine der Differentialdiagnose umfassen nebst den klinischen Befunden eine multimodale Bildgebung, spezifische Laboruntersuchungen und Genetik.

Multimodale Bildgebung

Die multimodale Bildgebung bildet das Rückgrat für Diagnose und Verlaufskontrolle bei Patienten mit KMP. Die Echokardiographie ist die Methode der ersten Wahl für die Erfassung der kardialen Dimensionen, der Klappenfunktion und der systolischen/diastolischen Funktion. In den 2023 ESC KMP- Leitlinien wird die Rolle des kardialen MRI für die Gewebecharakterisierung unterstrichen und für alle KMP mit Klasse I, Evidenzgrad B, empfohlen. Im Falle der DCM ermöglicht das MRI eine Unterscheidung von der inflammatorischen DCM (11). Bei der HCM kann das MRI das Ausmass der myokardialen Fibrose zeigen mit direkter Beeinflussung der SCD-Risikostratifizierung und auch die Differenzierung von Amyloidose oder Morbus Fabry ermöglichen (12). Das MRI ermöglicht eine zuverlässige Evaluation der rechtsven­trikulären Funktion bei Vorliegen einer arrhythmogenen rechtsventrikulären KMP (ARVC). Darüber hinaus ist das MRI in der Lage, die charakteristische fettige Ersatzfibrose direkt nachzuweisen. In seltenen Fällen von restriktiven KMP kann es beispielsweise mittels T1-T2- und T2*-Mapping die Sphingolipid-Akkumulation im Myokard bei Morbus Fabry oder eine Eisenüberladung bei Hämochromatose identifizieren (13). Andere bildgebende Verfahren, einschließlich nuklearmedizinischer Techniken und CT, sind bei ausgewählten Patienten mit KMP angezeigt. Beispielsweise kann ein 18F-FDG-PET nützlich zur Identifizierung einer aktiven Sarkoidose sein (14). Die DPD-Knochenszintigraphie kann zur Ätiologiebestimmung der Amyloidose helfen (15). Es ist insgesamt wichtig, dass Ärzte stets das Verhältnis von behandlungsrelevanten Resultaten zu den Vorteilen und Einschränkungen jeder Bildgebungstechnik abwägen.

Labordiagnostik

Eine umfassende Laboruntersuchung gehört zur Standortbestimmung bei Patienten mit KMP. Ein Differentialblutbild, Parameter zur Nieren- und Leberfunktion, Elektrolyte, Schilddrüsenfunktion sowie HbA1c sind für alle Patienten mit Symptomen einer Herzinsuffizienz empfohlen. Das NTproBNP und das high-sensitivity Troponin können für Diagnostik, Prognose und Therapiemonitoring nützlich sein. In Abhängigkeit der Verdachtsdiagnose kommen gezielte Laboruntersuchungen zum Einsatz, z. B. CRP bei Myokarditis, Ferritin- und Transferrinsättigung bei Hämochromatose, Creatinin-Kinase und Myoglobin bei Myopathien oder neuromuskulären Erkrankungen. Bei Hinweisen für seltenere metabolische oder syndromale Erkrankungen sollte eine Zuweisung in die spezialisierte Klinik für weitere gezielte Diagnostik erfolgen.

Genetik / Familienscreening

Generell gilt es, bei KMP zu betonen, dass häufig eine familiäre Komponente vorliegt und der zen­trale Ausgangspunkt eine detaillierte Familienanamnese über mindestens 3 Generationen darstellt. Des Weiteren wird den erstgradigen Familienangehörigen ein klinisches Familienscreening mit EKG und Echokardiographie empfohlen. Sollten Rhythmusstörungen eine vordringliche Rolle spielen, ist in der Regel auch ein Langzeit-EKG empfohlen. Bei KMP, die v. a. mit strukturellen Veränderungen im Herz-MRI einhergehen (z. B. Laminopathie, Phospholamban oder Desmoplakin KMP), kann auch ein MRI im Rahmen des Familienscreenings erwogen werden (16, 17). Wichtig ist, dass das klinische Screening in regelmässigen Abständen wiederholt werden sollte, da sich die Krankheiten in praktisch jedem Lebensalter klinisch manifestieren können.
Ein genetisches Testen sollte prinzipiell bei allen Patienten mit KMP erwogen werden und pragmatisch in Abhängigkeit der therapeutischen Konsequenz und Familienanamnese auch durchgeführt werden. In der Tabelle 1 sind exemplarische Szenarien für die Indikationsstellung eines genetischen Tests bei Indexpatient/-innen und Angehörigen dargestellt. Dabei sollten auch ökonomische Überlegungen eine Rolle spielen. Beispielsweise hat eine genetische Untersuchung bei einem betagten Patienten mit einer apikalen Form der HCM ohne erstgradige Verwandten keine Konsequenz auf das therapeutische Management oder Kaskadenscreening.
Die identifizierten Mutationen werden entsprechend ihrer Pathogenizität in 5 Kategorien eingeteilt: gutartig (Klasse 1), wahrscheinlich gutartig (Klasse 2), Variante unklarer Signifikanz (Klasse 3) wahrscheinlich pathogen (Klasse 4), pathogen (Klasse 5) (18). Da die Stärke des Phänotyps die Wahrscheinlichkeit der Pathogenizität beeinflusst, sollte der klinische Phänotyp in die Interpretation der Varianten inte­griert werden. Entschei­dungen, ob eine Variante unklarer Signifikanz mit der Krankheit assoziiert werden kann, sollten von Fall zu Fall und in enger Zusammenarbeit mit Experten in Kardiogenetik und KMP im Rahmen einer interdisziplinären Teamdiskussion getroffen werden.
Nicht alle Personen, die eine Mutation tragen, manifestieren die Krankheit auch tatsächlich klinisch (unvollständige Penetranz), und bei denen, die dies tun, gibt es eine breite Variabilität bezüglich Alter des Auftretens und Schweregrad der Erkrankung (19). Bei Kindern sollte unbedingt auf eine Mitsprachemöglichkeit geachtet werden. Genetische Testung im Rahmen eines Kaskadenscreenings ist bei Kindern besonders empfohlen, wenn die KMP bei der betroffenen Indexperson im Kindesalter aufgetreten ist. Wenn die Kinder kompetitiven Sport betreiben oder einen Beruf anstreben, welcher bei Ausbildung einer KMP nicht längerfristig ausgeübt werden kann, sollte ebenfalls im Kindesalter eine genetische Testung erwogen werden.
Zu betonen ist, dass sich die Klassifizierung der Mutation in den untersuchten Genen im Laufe der Zeit ändern kann. Daher ist es entscheidend für den Kliniker, die Richtigkeit der Pathogenizitätszuweisung für jede identifizierte Variante erneut zu überprüfen, anstatt sich ausschliesslich auf die Laborinterpretation zu verlassen. Wichtig ist hier die Zusammenarbeit mit genetischen Fachärzten, die über das entsprechende Wissen im Bereich der Kardiogenetik verfügen. Die Rolle der Kardiogenetik-Fachperson ist nicht nur für eine umfassende Prä- und Post-Testberatung, sondern auch für die Interpretation der Resultate zentral. In Anbetracht der sich stets wandelnden Datenlage erfolgt eine Überprüfung der vorliegenden genetischen Resultate oder eine Wiederholung der genetischen Testung am besten in Absprache mit einer KMP- Klinik, die über die entsprechende Expertise verfügt (20).

Empfehlung zu Management der Patienten mit KMP

Nach Erreichen der spezifischen Diagnose ist es entscheidend, bestimmte therapeutische Massnahmen zu ergreifen, entweder um klinisch relevante Arrhythmien rechtzeitig zu erkennen, den SCD zu vermeiden oder im besten Fall sogar den Krankheitsverlauf modifizieren zu können. Die Zusammenarbeit mit KMP Kliniken kann eine umfassende und multidisziplinäre Behandlung der Patienten und ihren Angehörigen anbieten.

Rhythmusstörungen

Regelmässige EKG-Untersuchungen (12-Ableitungs-EKG und Langzeit-EKGs) sind bei der initialen klinischen Evaluation und in regelmässigen Abständen nützlich, um das SCD- Risiko abschätzen zu können und sowie ein frühzeitiges Erkennen von Vorhofflimmern zu ermöglichen mit dem Ziel, Schlaganfälle zu verhindern. Das 12-Ableitungs-Ruhe-EKG ist häufig die erste Untersuchung, die auf eine KMP hinweisen kann. Obwohl das EKG oft unspezifisch ist, gibt es bestimmte Merkmale wie atrioventrikuläre Blockbilder (z. B. bei Sarkoidose/Laminopathie/Amyloidose), ventrikuläre Präexzitation (z. B. bei Morbus Fabry/PRKAG2-KMP sowie andere Glykogenspeicherkrankheiten), Repolarisationsstörungen (z. B. bei ARVC/HCM) sowie hohe oder niedrige QRS-Amplituden (z. B. bei HCM/Phospholamban-MP/Glykogenspeicherkrankheiten/Amyloidose), die auf eine bestimmte Ätiologie hinweisen können.
Vorhofflimmern ist die häufigste Arrhythmie in allen Untergruppen der KMP. Insbesondere bei HCM und RCM ist das Vorhofflimmern mit erhöhtem Schlaganfallrisiko assoziiert. Folglich wird bei diesen Phänotypen bei Vorliegen eines Vorhofflimmerns unabhängig vom CHA2DS2-Vasc-Score eine therapeutische Antikoagulation empfohlen (21). Es werden nun seit Längerem die neuen Antikoagulanzien als Erstlinientherapie empfohlen.
Die 2023 ESC KMP-Richtlinien haben die Empfehlungen bezüglich der Risikostratifizierung des SCD in den verschiedenen Phänotypen aktualisiert. Die Hauptinnovation liegt im Stellenwert der Genetik und des Ausmasses der myokardialen Fibrose quantifiziert im Herz-MRI bei der Risikoeinschätzung des SCD.
Der seit 2014 in den ESC HCM-Behandlungsrichtlinien implementierte HCM-Risk-SCD-Kalkulator spielt auch aktuell immer noch eine zentrale Rolle in der Risikoeinschätzung (22). Neu gelten aber auch die Anwesenheit von LGE (>15%) und eine linksventrikuläre Auswurffraktion von <50% als modifizierende Faktoren bei Patienten mit HCM und niedrig-mässigem Risiko für plötzlichen Herztod (Abbildung 5). Patienten mit NDLVC haben in der Regel eine normale oder leicht reduzierte LVEF. Demzufolge ist bei diesen Patienten der Genotyp der ausschlaggebende Faktor zur Bestimmung des SCD-Risikos (Abbildung 6). Im Bereich der NDLVC und DCM sind Mutationen in folgenden Genen bereits bei einer LVEF >= 35% mit einem erhöhten SCD-Risiko verbunden: Desmoplakin (DSP), transmembrane protein 43(TMEM43), Filamin C (FLNC), Lamin A (LMNA), Phospholamban (PLN) und RNA binding protein motif 20 (RBM20).

Medikamentöse Therapie

Die medikamentösen Therapien können in 3 Gruppen eingeteilt werden:
A. Stehen ursächliche Therapien zur Verfügung?
B. Behandlung der Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts bei HCM
C. Therapie der Herzinsuffizienz

Ad A.: Krankheitsmodifizierende therapeutische Massnahmen sind verfügbar für bestimmte KMP, z. B. die Enzymersatztherapie oder die Chaperone-Therapie für den Morbus Fabry und die Protein-Transthyretin-Stabilisatoren l für Transthyretin-assoziierte Amyloidose (23, 24).

Ad B.: Eine Neuigkeit der 2023 ESC KMP-Leitlinien ist die Empfehlung für Mavacamten als Zweitlinientherapie (IIa) bei Patienten mit HCM und symptomatischer LVOT-Obstruktion bei insuffizienter oder nicht tolerierter medikamentöser Therapie mit Betablockern, Calciumantagonisten und/oder Disopyramid. Dabei handelt es sich um einen oral verfügbaren allosterischen Inhibitor der kardialen Myosin-Adenosintriphosphatase (ATPase), der durch die Reduktion der Bildung von Aktin-Myosin-Querbrücken die exzessive myokardiale Kontraktilität verringert und die diastolische ventrikuläre Füllung verbessert. Erste randomisierte Studien haben die Wirksamkeit dieser Therapie gezeigt (25, 26). Aufgrund der negativen Inotropie ist eine engmaschige und regelmässige Kontrolle der LVEF vonnöten, bis entsprechende Langzeitdaten vorliegen. Es bleibt zudem abzuwarten, ob Myosin-Inhibitoren auch krankheitsmodifizierend bei der nicht obstruktiven HCM wirken.

Ad C.: Die Behandlung der Herzinsuffizienz ist primär abhängig von der linksventrikulären systolischen Funktion und den Symptomen/NYHA-Klasse (27). Daher sind diese Empfehlungen für Patienten mit Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion (HFrEF) und spielen bei allen KMP eine wichtige Rolle. Hier ist zentral, dass bei der HCM bereits eine LVEF <50% als Phase der systolischen Herzinsuffizienz gilt, da diese Patienten infolge der Hyperkontraktilität mit abnorm hohen LVEFs >70% starten und daher bereits eine LVEF <50% als substanziell erniedrigt gilt (28). Empfehlungen für das Management von Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) sind hauptsächlich auf die nicht obstruktive HCM und die RCM anwendbar. Besonders die SGLT2-Hemmer haben sich nicht nur als wichtige Säule der Therapie bei HFrEF, sondern auch als erste Medikamentenklasse mit Verbesserung des kardiovaskulären Outcomes bei HFpEF etabliert (29, 30).

Warum und wann in eine KMP Klinik zuweisen?

KMP haben viele Facetten, angefangen bei der Diagnostik bis hin zu Risikostratifizierung und den verschieden therapeutischen Aspekten, was die Beteiligung verschiedener Disziplinen (Imaging, klinische Kardiologie, Genetik, Rhythmologie, Herzchirurgie etc.) mit sich bringt. Diese Anforderungen werden idealerweise in den darauf spezialisierten Zentren mit multidisziplinären Teams erfüllt. Interventionelle Verfahren (z. B. Septalalkoholablationen, chirurgische Myektomien, etc.) erfordern eine Expertise, die nur Zentren mit hohen Fallzahlen erreichen können.
Wir denken daher, dass bei komplexen Patienten mit z. B. KMP unklarer Ätiologie, hohem oder unklarem Risiko für klinische Komplikationen oder Bedarf für Therapieausbau eine Zuweisung in eine KMP-Klinik sinnvoll ist. Zudem kann auch eine einmalige Standortbestimmung in einer KMP-Klinik helfen, die aktuellen Therapieoptionen unter permanenter wissenschaftlicher Aktualisierung zu überprüfen.
Das Ziel der Zuweisung in eine KMP-Klinik ist eine umfassende Betreuung der Patienten/-innen und deren Angehörigen im Sinne einer guten Zusammenarbeit und einer «shared care» mit den Zuweisern.

Dr. med.Roxana Hiestand

Klinik für Kardiologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autorinnen haben keine Interessen­konflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Literatur
1. Elliott, P., et al., Classification of the cardiomyopathies: a position statement from the european society of cardiology working group on myocardial and pericardial diseases. European Heart Journal, 2007. 29(2): p. 270-276.
2. Teare, D., Asymmetrical hypertrophy of the heart in young adults. Br Heart J, 1958. 20(1): p. 1-8.
3. Morrow, A.G. and E.C. Brockenbrough, Surgical treatment of idiopathic hypertrophic subaortic stenosis: technic and hemodynamic results of subaortic ventriculomyotomy. Ann Surg, 1961. 154(2): p. 181-9.
4. Arbelo, E., et al., 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies. Eur Heart J, 2023. 44(37): p. 3503-3626.
5. Rapezzi, C., et al., Diagnostic work-up in cardiomyopathies: bridging the gap between clinical phenotypes and final diagnosis. A position statement from the ESC Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. European Heart Journal, 2012. 34(19): p. 1448-1458.
6. Marcus, F.I., et al., Diagnosis of arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy/dysplasia: proposed modification of the Task Force Criteria. Eur Heart J, 2010. 31(7): p. 806-14.
7. Faber, J.W., et al., Lack of morphometric evidence for ventricular compaction in humans. J Cardiol, 2021. 78(5): p. 397-405.
8. Petersen, S.E., et al., Excessive Trabeculation of the Left Ventricle: JACC: Cardiovascular Imaging Expert Panel Paper. JACC Cardiovasc Imaging, 2023. 16(3): p. 408-425.
9. Arbustini, E., et al., Left Ventricular Noncompaction: A Distinct Genetic Cardiomyopathy? J Am Coll Cardiol, 2016. 68(9): p. 949-66.
10. Romero Puche, A.J., et al., Mixed phenotypes: implications in family screening of inherited cardiomyopathies. European Heart Journal, 2013. 34(suppl_1).
11. Ferreira, V.M., et al., Cardiovascular Magnetic Resonance in Nonischemic Myocardial Inflammation: Expert Recommendations. J Am Coll Cardiol, 2018. 72(24): p. 3158-3176.
12. Maron, B.J., et al., Diagnosis and Evaluation of Hypertrophic Cardiomyopathy. Journal of the American College of Cardiology, 2022. 79(4): p. 372-389.
13. Messroghli, D.R., et al., Clinical recommendations for cardiovascular magnetic resonance mapping of T1, T2, T2* and extracellular volume: A consensus statement by the Society for Cardiovascular Magnetic Resonance (SCMR) endorsed by the European Association for Cardiovascular Imaging (EACVI). J Cardiovasc Magn Reson, 2017. 19(1): p. 75.
14. Chareonthaitawee, P., et al., Joint SNMMI-ASNC Expert Consensus Document on the Role of (18)F-FDG PET/CT in Cardiac Sarcoid Detection and Therapy Monitoring. J Nucl Med, 2017. 58(8): p. 1341-1353.
15. Gillmore, J.D., et al., Nonbiopsy Diagnosis of Cardiac Transthyretin Amyloidosis. Circulation, 2016. 133(24): p. 2404-12.
16. Te Rijdt, W.P., et al., Myocardial fibrosis as an early feature in phospholamban p.Arg14del mutation carriers: phenotypic insights from cardiovascular magnetic resonance imaging. Eur Heart J Cardiovasc Imaging, 2019. 20(1): p. 92-100.
17. de Frutos, F., et al., Late gadolinium enhancement distribution patterns in non-ischaemic dilated cardiomyopathy: genotype-phenotype correlation. Eur Heart J Cardiovasc Imaging, 2023. 25(1): p. 75-85.
18. Richards, S., et al., Standards and guidelines for the interpretation of sequence variants: a joint consensus recommendation of the American College of Medical Genetics and Genomics and the Association for Molecular Pathology. Genet Med, 2015. 17(5): p. 405-24.
19. Topriceanu, C.C., et al., Meta-Analysis of Penetrance and Systematic Review on Transition to Disease in Genetic Hypertrophic Cardiomyopathy. Circulation, 2024. 149(2): p. 107-123.
20. Ahmad, F., et al., Establishment of Specialized Clinical Cardiovascular Genetics Programs: Recognizing the Need and Meeting Standards: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circ Genom Precis Med, 2019. 12(6): p. e000054.
21. Hindricks, G., et al., 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation developed in collaboration with the European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS): The Task Force for the diagnosis and management of atrial fibrillation of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the European Heart Rhythm Association (EHRA) of the ESC. Eur Heart J, 2021. 42(5): p. 373-498.
22. O‘Mahony, C., et al., A novel clinical risk prediction model for sudden cardiac death in hypertrophic cardiomyopathy (HCM risk-SCD). Eur Heart J, 2014. 35(30): p. 2010-20.
23. Garcia-Pavia, P., et al., Diagnosis and treatment of cardiac amyloidosis: a position statement of the ESC Working Group on Myocardial and Pericardial Diseases. Eur Heart J, 2021. 42(16): p. 1554-1568.
24. Linhart, A., et al., An expert consensus document on the management of cardiovascular manifestations of Fabry disease. Eur J Heart Fail, 2020. 22(7): p. 1076-1096.
25. Desai, M.Y., et al., Mavacamten in Patients With Hypertrophic Cardiomyopathy Referred for Septal Reduction: Week 56 Results From the VALOR-HCM Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol, 2023. 8(10): p. 968-977.
26. Olivotto, I., et al., Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet, 2020. 396(10253): p. 759-769.
27. McDonagh, T.A., et al., 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. European Heart Journal, 2021. 42(36): p. 3599-3726.
28. Marstrand, P., et al., Hypertrophic Cardiomyopathy With Left Ventricular Systolic Dysfunction: Insights From the SHaRe Registry. Circulation, 2020. 141(17): p. 1371-1383.
29. Anker, S.D., et al., Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med, 2021. 385(16): p. 1451-1461.
30. Solomon, S.D., et al., Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med, 2022. 387(12): p. 1089-1098.

Akute Herzinsuffizienz

Zusammenfassung: Die akute Herzinsuffizienz (AHF) ist ein häufiger Grund für Notfallkonsultationen, führt zu langen Hospitalisationen und ist durch hohe Mortalität und Rehospitalisationsrate charakterisiert, wobei die ersten Monate nach dem Spitalaufenthalt das höchste Risiko aufweisen («vulnerable Phase»). Die klinische Präsentation wird meistens durch eine Flüssigkeitsakkumulation geprägt. Während den letzten drei Dekaden konnten wenige Fortschritte in der Behandlung erreicht werden, da die meisten Studien mit Diuretika oder Vasodilatatoren zwar eine Verbesserung der Symptome und der Hämodynamik zeigen konnten, jedoch keine po­sitive prognostische Wirkung hinsichtlich Mortalität und Rehospitalisationen. In diesem Kontext muss die Behandlung der AHF einen integrativen Ansatz haben, bestehend einerseits aus einer raschen Korrektur der systemischen Stauung, anderseits mit spezifischen Therapien für die Auslösefaktoren, die zugrunde liegende Herzpathologie und die Komorbiditäten. Erst kürzlich konnte gezeigt werden, dass eine rasche und intensive Etablierung der oralen Herzinsuffizienzmedikamente während und unmittelbar nach einem stationären Aufenthalt die Prognose bereits während der vulnerablen Phase verbessern kann. In diesem Artikel werden die Prinzipien der Optimierung und Personalisierung der diuretischen Therapie und der oralen Herzinsuffizienzmedikamente während des Spitalaufenthaltes und der frühen ambulanten Phase diskutiert.

 

Acute heart failure (AHF)
Abstract: Acute heart failure (AHF) is a frequent cause for emergency consultations, leads to long hospital stays and is characterized by high mortality and rehospitalization rates, with the first months after hospitalization having the highest risk («vulnerable phase»). The clinical presentation is usually characterized by fluid accumulation. Over the last three decades, few advances have been achieved in the treatment of AHF, as most studies with diuretics or vasodilators failed to show positive effects in terms of mortality and rehospitalization rates. In this context, the treatment of AHF must have an integrative approach, consisting of rapid correction of systemic congestion on the one hand, and specific therapies for the precipitating factors, the underlying cardiac pathology, and non-cardiac comorbidities on the other. Recently, it has been shown that a rapid and intensive up-titration of oral heart failure medical therapy during and immediately after hospitalization can improve the prognosis during the vulnerable phase after AHF. In this article, the principles of optimization and personalization of diuretic therapy and oral heart failure medication during hospitalization and the early outpatient phase after AHF are discussed.

Einleitung

Die Herzinsuffizienz wird als akut bezeichnet (AHF), wenn Symptome oder klinische Zeichen entweder neu oder verstärkt auftreten (1). Die klinische Präsentation wird meistens durch Flüssigkeitsakkumulation und/oder -umverteilung (systemische Stauung, «congestion») geprägt. Eine periphere Minderperfusion («hypoperfusion») wird nur in wenigen Fällen (kardiogener Shock) beobachtet (2, 3). Die AHF ist ein häufiger Grund für Notfallkonsultationen, führt häufig zu überdurchschnittlich langen Hospitalisationen und ist durch eine hohe Mortalität und Rehospitalisationsrate charakterisiert, wobei die ersten Monate nach dem Spitalaufenthalt das höchste Risiko aufweisen («vulnerable Phase»).
Während den letzten drei Dekaden wurden mehrere Medikamente, Interventionen und Devices in die Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz eingeführt, die die langfristige Prognose verbessern konnten. Im Gegensatz dazu konnten nur wenige Fortschritte in der Behandlung der AHF erreicht werden, da die meisten Studien mit Inotropika, Vasodilatatoren und Diuretika zwar eine Verbesserung der Symptome und/oder der Hämodynamik zeigen konnten, jedoch keine positive prognostische Wirkung hinsichtlich Mortalität und Herzinsuffizienz-Hospitalisationen (HFH).
In diesem Kontext muss die Behandlung der AHF einen integrativen Ansatz haben, bestehend einerseits aus einer raschen Korrektur der systemischen Stauung, anderseits mit spezifischen Therapien für die Auslösefaktoren, die zugrunde liegende Herzpathologie und die Komorbiditäten («7-P-Abklärung», siehe (4)).
Erst kürzlich konnte gezeigt werden, dass eine rasche und intensive Etablierung der oralen Herzinsuffizienzmedikamente («guideline-directed medical therapy», GDMT) während und unmittelbar nach einem stationären Aufenthalt die Prognose während der vulnerablen Phase nach AHF verbessern kann. Dies wurde in den Guidelines entsprechend hervorgehoben (5, 6). In diesem Artikel werden die Prinzipien der Optimierung und Personalisierung der diuretischen Therapie und der GDMT während des Spitalaufenthaltes und der frühen ambulanten Phase nach AHF diskutiert.

Fallvignette

Ein 78-jähriger Patient mit chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) wird notfallmässig mit zunehmender Belastungsdyspnoe und Orthopnoe hospitalisiert. Im Alltag war er bis vor einer Woche nur leicht eingeschränkt (NYHA II), seit einem subakuten ST-Hebungsinfarkt 4 Jahre zuvor ist die linksventrikuläre Auswurffraktion jedoch reduziert (LVEF 35-40%). Seine Medikation besteht aus Aspirin, Bisoprolol 2.5 mg, Ramipril 2.5 mg, Torasemid 10 mg und Rosuvastatin 10 mg. Der Blutdruck bei Eintritt ist 105/55 mmHg, der Puls 88/min. und die SpO2 89% nativ (94% mit 3l/min. Sauerstoff). Die körperliche Untersuchung ist bis auf pulmonale Rasselgeräusche und gestaute Halsvenen unauffällig. Wie würden Sie den Patienten initial behandeln? Passen Sie die medikamentöse Therapie an, und wenn ja, wie?

Initiale Behandlung und diuretische Therapie

Das Management von Patienten mit klinisch vermuteter AHF beinhaltet – nach der Triage von Patienten mit hämodynamischer oder respiratorischer Instabilität, welche eine intensivmedizinische Behandlung erfordern – ein diagnostisches Work-up und eine rasche Verabreichung der initialen medikamentösen Therapie, idealerweise innerhalb von 60 Minuten nach erstem Patientenkontakt (7). Die initiale Therapie besteht – je nach hämodynamischer Präsentation (Phänotyp) – meistens aus Schleifendiuretika (bei systemischer Stauung), ggf. ergänzt durch Vasodilatatoren (bei hypertensiver Entgleisung) oder Inotropika (nur bei peripherer Minderperfusion!) (5).
Schleifendiuretika werden meistens intravenös verabreicht, um eine allfällig reduzierte enterale Aufnahme bei gastrointestinaler Stauung zu umgehen. Die initiale Dosis hängt von der Erhaltungsdosis ab. Im Stadtspital Zürich Triemli haben wir dazu erfolgreich ein standardisiertes Management eingeführt (Abbildung 1): Diuretika-naive Patienten (oder Patienten, die mit einer oralen Torasemid-Erhaltungsdosis < 40 mg täglich eingestellt sind) erhalten einen intravenösen Furosemid-Bolus von 40 mg, bei einer Torasemid-Erhaltungsdosis von 40 mg täglich und mehr wird ein Furosemid-Bolus von 80 mg verabreicht.
Das weitere Vorgehen hängt von der Antwort auf die initiale Diuretikagabe ab. Die Wichtigkeit einer frühen Beurteilung der diuretischen Wirksamkeit wurde in den letzten Jahren zunehmend propagiert, um eine frühzeitige Therapieanpassung vornehmen zu können (8). Eine routinemässige Beurteilung der diuretischen Antwort wurde ebenfalls als Teil des standardisierten Managements am Stadtspital Zürich Triemli eingeführt. Diese quantitative Beurteilung findet 2 Stunden nach der initialen Diuretikagabe statt und basiert einerseits auf dem Urinvolumen und anderseits auf der natriuretischen Antwort gemessen als Natriumkonzentration im Spoturin. Ein Urinvolumen > 300 ml oder – bei geringerer Ausscheidung – ein Urinnatrium > 70 mmol/L nach 2 Stunden definieren eine gute diuretische Antwort und suggerieren die Fortsetzung der diuretischen Therapie in gleicher Dosierung, wiederholt zwei- bis dreimal täglich (9). Der Nachweis von kleineren Urinvolumina und tieferen Urinnatriumkonzen­trationen weisen auf eine diuretische Resistenz hin, die eine Eskalationsstrategie erfordert (9). Andere Ursachen einer insuffizienten diuretischen Antwort sollen ebenfalls gesucht und ausgeschlossen werden (z. B. Hypoperfusion, renale oder postrenale Ursache).
Verschiedene Eskalationsstrategien können angewendet werden, um die diuretische Antwort zu steigern. Diese beinhalten eine Verdoppelung der Schleifendiuretikadosis sowie die Kombination von Schleifendiuretika mit einer anderen Diuretikaklasse (sog. sequenzielle Nephronblockade) wie Thiazide oder Acetazolamid.
Die randomisierte DOSE-Studie zeigte, dass eine 2.5-fache Furosemid-Dosis eine grössere Negativbilanz und eine markantere Gewichtsabnahme erreichte, war jedoch punkto klinischer Wirksamkeit der Standarddosis nicht überlegen (10). Der Verabreichungsmodus (Bolus vs. Perfusor) zeigte bezüglich Wirksamkeit keinen Unterschied (10); die kontinuierliche Furosemid-Gabe wird trotzdem weiterhin angewendet, um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden, wenn hohe Tagesdosen notwendig sind.
Die Placebo-kontrollierte randomisierte CLOROTIC-Studie zeigte, dass die Kombinationstherapie von Furosemid mit Hydrochlorothiazid in Vergleich zu Furosemid allein eine höhere Wirksamkeit zur Gewichtsabnahme aufweist. Sie ist jedoch mit einer höheren Prävalenz von Kreatininanstieg und Hypokaliämie verbunden und bezüglich klinischer Endpunkte nicht überlegen (11). Ähnliche Daten existieren aus kleineren Studien zu anderen Thiaziden oder Metolazon.
Der additive Effekt von Acetazolamid zum Schleifendiuretikum wurde in der randomisierten Placebo-kontrollierten ADVOR-Studie untersucht. Mehr Patienten in der Kombinationstherapie von Schleifendiuretikum plus Acetazolamid konnten erfolgreich rekompensiert werden als in der Gruppe Schleifendiuretikum allein. Die Therapie wurde gut vertragen, und es traten kaum Nebenwirkungen auf, es zeigte sich jedoch kein Unterschied in den klinischen Endpunkten (12).
All diese Eskalationsstrategien sind wirksam, weisen aber unterschiedliche Nebenwirkungsprofile auf. Es ist aktuell unbekannt, ob eine Strategie gegenüber den anderen überlegen ist. Die randomisierte Studie P-Value-AHF (NCT 36423214), welche aktuell an den Zentren in Zürich und Lugano durchgeführt wird, vergleicht diese Strategien hinsichtlich Diurese und Natriurese.
Nach erreichter Rekompensation wird die intravenöse Furosemid-Therapie durch orale Diuretika, meistens Torasemid, ersetzt. Eine kürzlich publizierte Studie hat die Praxis untersucht, die Spitalentlassung hinauszuzögern, um die diuretische Antwort und den Gewichtsverlauf unter oraler Therapie im stationären Setting zu beobachten. Eine Verzögerung der Spitalentlassung lieferte keine verwertbaren Informationen über das Ansprechen auf orale Diuretika oder die optimale Dosis im ambulanten Setting und war nicht mit einer niedrigeren Rehospitalisationsrate assoziiert (13).

Optimierung der oralen Herzinsuffizienztherapie (guideline-directed medical therapy», GDMT)

Die Wichtigkeit der oralen Herzinsuffizienztherapie zur Risikoreduktion während der vulnerablen Phasen nach AHF ist zunehmend deutlich geworden (14). Eine grosse Kohortenstudie zeigte eine Assoziation zwischen einer bei der Spitalentlassung verordneten Betablocker- oder Renin-Angiotensin-Inhibitionstherapie und einer 40-50%igen relativen Risikoreduktion bei der 90-Tage-Mortalität (15). Eine kombinierte Therapie war mit einer zusätzlichen 25-50%igen relativen Risikoreduktion im Vergleich zur alleinigen Therapie assoziiert (15). Die prospektive randomisierte STRONG-HF-Studie zeigte, dass eine intensivere Implementierung der oralen GDMT während und unmittelbar nach einem stationären Aufenthalt aufgrund AHF – kombiniert mit einem engmaschigem Follow-up – eine deutliche Reduktion des kombinierten Endpunktes Gesamtmortalität und HFH nach 180 Tagen bewirkte (16). Interessanterweise war der Benefit der GDMT sowohl bei reduzierter (HFrEF) als auch bei erhaltener Auswurffraktion (HFpEF) anzutreffen (17) und war unabhängig vom Alter, Geschlecht und nicht kardialen Komorbiditäten (18-20). Bei Patienten mit HFpEF bleibt jedoch unklar, ob eine Fortsetzung der GDMT jenseits der initialen 3-6 Monate nach AHF weiterhin vorteilhaft ist. Die meisten klinischen Studien bei stabiler HFpEF konnten bisher keine relevanten langfristigen Benefits der GDMT zeigen, mit Ausnahme der Sodium-Glucose-Kotransporter-Inhibitoren (SGLT2i). Die Fortsetzung der GDMT in HFpEF-Patienten muss somit individuell bestimmt werden. In den folgenden Abschnitten werden die wichtigsten Medikamentenklassen im Detail einzeln besprochen.

21_27_TU_02_24_Arrigo_Akute Herzinsuffizienz

ACE-Hemmer und Angiotensin-Rezeptorantagonisten (Sartane)

Klinische Evidenz

Der Einsatz von ACE-Hemmern gehört bereits seit vielen Jahren zur Basistherapie der chronischen HFrEF, nachdem in den ersten Studien vor über 30 Jahren eine Reduktion der Mortalität und der HFH bei symptomatischen Patienten mit reduzierter Auswurffraktion gezeigt werden konnte (CONSENSUS- und SOLVD-Studien). Ebenfalls konnte bereits damals bei diesen Patienten eine Symptomverbesserung unter Einnahme eines ACE-Hemmers im Vergleich zur damals üblichen Herzinsuffizienztherapie (Digoxin, Diuretika und Vasodilatatoren) gezeigt werden (21, 22). So wird eine Therapie mit ACE-Hemmer bei HFrEF-Patienten in den europäischen Guidelines klar empfohlen und sollte bei Erstdiagnose zeitnah etabliert werden. Essenziell ist die sukzessive Dosissteigerung bis zur maximal verträglichen Dosis, da dies ebenfalls mit einer Reduktion von Mortalität und HFH im Vergleich zu tiefen Dosen einhergeht (23). Lediglich bei Intoleranz unter ACE-Hemmern ist eine Umstellung auf ein Sartan sinnvoll, da bei Patienten mit HFrEF die Datenlage in früheren Studien bezüglich Mortalität teils widersprüchlich war.
Betrachtet man die Studienlage bei Patienten mit HFpEF muss erwähnt werden, dass leider bisher keine Mortalitätsreduktion unter Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Sartan gezeigt werden konnte. Bei diesen Patienten wird eine Behandlung der kardiovaskulären Komorbiditäten empfohlen, und im Falle einer arteriellen Hypertonie ist der Einsatz eines ACE-Hemmers oder eines Sartans sowieso sinnvoll.

Praktische Aspekte

Der frühe Beginn mit einem ACE-Hemmer ist wichtig und sollte auch bei kardial dekompensierten Patienten gemäss hämodynamischer Verträglichkeit mit sukzessiver Steigerung baldmöglichst angestrebt werden. Bei Neubeginn mit einem ACE-Hemmer sollten Kalium und Kreatinin regelmässig kontrolliert werden. Ein leichter Kreatininanstieg nach Therapiebeginn kann toleriert werden (Richtwerte: Anstieg des Kreatinins bis 50 µmol/l, max. 30% der Baseline, bis zu einem Wert von max. 250 µmol/l). Bei Patienten mit AHF kommt es ebenfalls im Rahmen dessen oft zu einem Anstieg des Kreatinins, was sich unter rekompensierenden Massnahmen jedoch innert weniger Tage wieder stabilisieren sollte.
Bei chronisch progressiver fortgeschrittener Niereninsuffizienz stellt sich oft die Frage, ob die Therapie mit ACE-Hemmern weitergeführt werden kann. Die STOP-ACEi-Studie zeigte hier über einen Zeitraum von 3 Jahren keinen signifikanten Unterschied der eGFR-Abnahme bei Patienten mit einer eGFR < 30ml/min./m2, wenn ein ACE-Hemmer pausiert wurde, im Vergleich zur weitergeführten Therapie (24). In dieser Patientengruppe sollte die Entscheidung interdisziplinär getroffen werden. Absolut kontraindiziert sind ACE-Hemmer bei Patienten mit bekanntem hereditären Angioödem und in der Schwangerschaft/Stillzeit (teratogene Wirkung).

Sacubitril/Valsartan

Klinische Evidenz

Vor knapp 10 Jahren wurde die randomisierte PARADIGM-Studie veröffentlicht, die eine signifikante Reduktion der Mortalität und der HFH bei chronischen HFrEF-Patienten zeigten, die Sacubitril/Valsartan statt Enalapril erhielten (25). Die darauffolgende PIONEER-HF-Studie, welche die Anwendung von Sacubitril/Valsartan bei Patienten bei HFrEF und akuter kardialer Dekompensation untersuchte, konnte zeigen, dass ein frühzeitiger Beginn nach klinischer Rekompensation sicher ist (Voraussetzungen: systolischer Blutdruck > 100 mmHg seit mindestens 6 Stunden, keine Orthostase, keine Vasoaktiva, keine hoch dosierten intravenösen Diuretika) und mit einem Trend zu weniger HFH im Vergleich zu Enalapril assoziiert war (26). Sacubitril/Valsartan wird in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Behandlung der chronischen HFrEF (LVEF ≤40%) klar empfohlen (Empfehlungsgrad I) (5).
In der randomisierten PARAGON-HF-Studie wurden HFpEF-Patienten untersucht, welche Sacubitril/Valsartan oder Valsartan erhielten. Leider konnte unter Sacubitril/Valsartan keine signifikante Reduktion von Mortalität und HFH gezeigt werden (27). Entsprechend wird diese Therapie bei Patienten mit chronischer HFpEF nicht empfohlen (5, 6)

Praktische Aspekte

Im Alltag stellt sich häufig die Frage, welcher Patient von einem ACE-Hemmer auf Sacubitril/Valsartan umgestellt werden sollte. Die Guidelines empfehlen eine Umstellung bei Patienten mit HFrEF. Gemäss Spezialitätenliste ist Sacubitril/Valsartan in der Schweiz zugelassen bei symptomatischen HFrEF-Patienten (LVEF ≥40%), welche mit einem ACE-Hemmer respektive Sartan sowie einer anderweitigen Herzinsuffizienztherapie vorbehandelt sind. Bei einer Umstellung von einem ACE-Hemmer auf Sacubitril/Valsartan muss der ACE-Hemmer zwingend 36 Stunden vor Beginn mit Sacubitril/Valsartan pausiert werden. Diese Pause ist unter etablierter Sartantherapie nicht nötig. Die initial empfohlene Dosis nach Umstellung beträgt 50-100 mg zweimal täglich. Die wichtigsten potenziellen Nebenwirkungen entsprechen in etwa denjenigen des ACE-Hemmers mit symptomatischer Hypotonie, Hyperkaliämie, Niereninsuffizienz oder Angioödem, wobei v. a. die symptomatische Hypotonie unter Sacubitril/Valsartan etwas häufiger als bei ACE-Hemmern zu erwarten ist.

Betablocker

Klinische Evidenz

Betablocker werden bereits seit vielen Jahren zur medikamentösen Therapie bei symptomatischen Patienten mit chronischer HFrEF eingesetzt, nachdem sie in mehreren Studien eine Senkung der Mortalität und Morbidität gezeigt haben (COPERNICUS-, CIBIS-II-, MERIT-HF- und andere Studien) (28-31). Diese haben in Kombination mit den anderen oralen Herzinsuffizienztherapien einen additiven Effekt (32).
Wenige Studien haben untersucht, ob Betablocker im Falle einer AHF pausiert werden müssen. Die Daten zeigen eine tiefere Mortalität während oder kurz nach der Hospitalisation sowie eine tiefere HFH-Rate, wenn man die Betablockertherapie fortsetzt. Ein Teil der Langzeitergebnisse ist allerdings möglicherweise durch die langfristig bestehende Betablockertherapie bei Patienten erklärt, bei denen die Medikamente nicht pausiert wurden (33). Eine Reduktion der Betablockerdosierung bei AHF führt auch, ähnlich wie ein Absetzen, zu einer Verschlechterung der Prognose und wird deshalb nicht empfohlen (34).
Bei AHF-Patienten ohne Betablockertherapie sollte die neurohumorale Blockade frühzeitig begonnen werden und rasch aufdosiert werden. Die STRONG-HF-Studie hat klar gezeigt, dass eine intensive Implementierung der oralen Herzinsuffizienztherapie (inkl. Betablocker) während und unmittelbar nach einer Hospitalisation aufgrund AHF sicher ist, die Mortalität und HFH reduziert und zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt (16). Der Effekt war unabhängig von der linksventrikulären Auswurffraktion und zeigt somit, dass auch bei diesen Patienten eine neurohumorale Aktivierung besteht und dass deren Blockade nach einer akuten Dekompensation vorteilhaft sein kann (17). Im Gegensatz dazu besteht bei chronischer Herzinsuffizienz keine klare Evidenz zugunsten einer Betablockertherapie, wenn die linksventrikuläre Auswurffraktion >40% ist; diese kann bei Patienten mit leicht reduzierter Pumpfunktion (HFmrEF, LVEF 41-49%) in Betracht gezogen werden (5). Patienten mit erhaltener Auswurffraktion haben allerdings häufig Komorbiditäten, weshalb sie diese Medikamente aufgrund einer anderen Indikation erhalten (   Tachyarrhythmien, myokardiale Ischämie). Umgekehrt haben Patienten mit erhaltener Pumpfunktion (HFpEF, LVEF ≥50%) häufig eine reduzierte Leistungsfähigkeit aufgrund einer chronotropen Inkompetenz, die allenfalls unter Betablocker verschlechtert wird (35). Somit sollten bei Patienten mit chronischer HFpEF ohne eine zusätzliche Indikation keine Betablocker neu angefangen bzw. diese bei fehlender Indikation sistiert werden (36). Zur Behandlung der arteriellen Hypertonie bei HFpEF sollen ACE-Hemmer oder Aldosteron-Antagonisten bevorzugt werden.

Praktische Aspekte

Eine chronische, gut vertragene Betablockertherapie kann auch bei einer AHF unverändert fortgeführt werden, ohne dadurch die Rekompensation zu verzögern. Eine Ausnahme bilden Patienten im kardiogenen Shock, welche eine positiv inotrope Therapie benötigen. Bei akut dekompensierten Patienten, welche keine Betablockertherapie bereits haben, sollte der Beginn frühzeitig erfolgen, d. h., sobald die Patienten klinisch stabil und euvoläm sind, idealerweise noch vor Spitalaustritt. Der Beginn einer Betablockertherapie muss bei Patienten mit schwer eingeschränkter/unbekannter Auswurffraktion und relevanter kardialer Dekompensation aufgrund des negativ inotropen Effektes besonders vorsichtig erfolgen (5). Durch engmaschige Kontrollen in den ersten Wochen nach der Hospitalisation sollte die maximal verträgliche Dosis erreicht werden (Ziel-Herzfrequenz 55-60/min.) (6). Hohes Alter und erhaltene Auswurffraktion sind häufig mit geringerer Verträglichkeit assoziiert.

Aldosteron-Antagonisten

Klinische Evidenz

Aldosteron-Antagonisten (auch als Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten, MRA, bekannt) werden in den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Behandlung der chronischen HFrEF (LVEF ≤40%) klar empfohlen (Empfehlungsgrad I) (5). Diese Empfehlung basiert auf mehreren klinischen Studien für Patienten mit chronischer HFrEF (RALES, EPHESUS, EMPHASIS-HF), die eine Reduktion bedeutender Endpunkte wie Gesamtmortalität, kardiovaskulärem Tod sowie Herzinsuffizienz- und Gesamthospitalisationen zeigten (37-39). Weniger eindeutig sind die Empfehlungen für Patienten mit chronischer HFmrEF (LVEF 41-49%) und mit HFpEF (LVEF ≥50%). Für den Einsatz von MRA bei HFmrEF wird ein Empfehlungsgrad IIb ausgesprochen, d. h., MRA können erwogen werden, um Todesfälle und Hospitalisationen aufgrund von Herzinsuffizienz zu vermeiden. Die schwache Empfehlung basiert auf der TOPCAT-Studie, welche MRA bei Patienten mit einer LVEF ≥45% untersuchte (40). Die Studie untersuchte den Nutzen von Spironolacton versus Placebo hinsichtlich des Auftretens eines kombinierten Endpunkts (kardiovaskulärer Tod, Herzinsuffizienz-Hospitalisationen, überlebter Herz-Kreislauf-Stillstand) und fiel neutral aus: Ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen bezüglich des Auftretens des kombinierten primären Endpunkts konnte nicht gefunden werden, nur der Endpunkt HFH erreichte eine statistische Signifikanz. Post-hoc-Analysen kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass der Nutzen von Spironolacton hinsichtlich Reduktion des kombinierten primären Endpunktes und Herzinsuffizienz-Hospitalisationen umso grösser ausfiel, je tiefer die LVEF war (41). Zudem wies die TOPCAT-Studie methodologische Mängel auf (42, 43). Für Patienten mit chronischer HFpEF gibt es in den Europäischen Guidelines folgerichtig keine Empfehlung zum Einsatz von MRA.
Die Patientenpopulation, bei der aufgrund einer chronischen Herzinsuffizienz ein MRA zum Einsatz kommen soll, ist also ziemlich klar definiert. Weniger Klarheit besteht hingegen im Fall einer AHF, insbesondere zum Zeitpunkt, ab welchem ein MRA begonnen oder hochtitriert werden sollte. Üblich ist ein Beginn bzw. eine Dosissteigerung erst nach Erreichen der klinischen Rekompensation. Die ATHENA-HF-Studie zeigte, dass auch ein früherer Beginn, also noch vor Erreichen einer Euvolämie, hinsichtlich Auftretens von Nierenfunktionsverschlechterung, Hyperkaliämie oder Hypotonie sicher ist (44). Zudem zeigte die STRONG-HF-Studie, dass eine intensivere Implementierung der oralen GDMT eine Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse in den ersten 6 Monaten nach AHF unabhängig von der LVEF bewirkt (16, 17). Es kann also frühzeitig ein MRA in das Behandlungsregime von Patienten mit AHF integriert werden, unabhängig von der LVEF. Eine langfristige Fortsetzung nach der vulnerablen Phase muss für Patienten mit HFmrEF und HFpEF individuell festgelegt werden.

Praktische Aspekte

MRA sollen bei allen Patienten mit AHF so früh wie möglich zum Einsatz kommen. In der Regel wird zunächst das kostengünstigere Spironolacton angewendet, das aber zu Gynäkomastie und Mastodynie führen kann. Beim Auftreten dieser Nebenwirkung ist ein Wechsel auf Eplerenon sinnvoll, welches eine spezifischere mineralokortikoide Blockade bewirkt (39). Die initiale Dosierung beträgt ­
25 mg täglich. Bei guter Verträglichkeit kann die Dosis auf 50 mg hochtitriert werden, nur in Ausnahmefällen ist eine reduzierte initiale Dosis von 12.5 mg täglich (mit Hochti­tration im Verlauf) nötig. Da Spironolacton in einer Dosis von 25 mg nur leicht hypotonisierend wirkt, kann es auch bei Patienten, die eher niedrige Blutdruckwerte aufweisen, eingesetzt werden. Vorsichtig mit dem Einsatz von MRA ist man bei Patienten mit Nierenfunktionseinschränkung und Neigung zu Hyperkaliämie (45). Ab einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von <30ml/min./1.73m2 oder K >5.5mmol/l sollte die MRA-Dosis halbiert und Kreatinin und Kalium engmaschig kontrolliert werden, bei einer GFR <20ml/min./1.73m2 oder K >6mmol/l sollen MRA abgesetzt werden (5). Andere kaliumsparende Diuretika und nephrotoxische Medikamente (wie z. B. NSAR) sollten vermieden werden. Bei chronischer HFrEF ist die Indikation zur langfristigen Therapie klar gegeben, bei chronischer HFmrEF und HFpEF werden MRA nicht routinemässig fortgesetzt.

Natrium-Glukose-Kotransporter 2 Hemmer (SGLT2-Hemmer)

Klinische Evidenz

Im letzten Jahrzehnt – seit der Veröffentlichung der positiven Resultate der EMPA-REG-Outcome-Studie, welche Empagliflozin bei Hochrisiko-Diabetikern untersucht hat – wurde zunehmend klar, dass diese neue Medikamentenklasse die kardiovaskuläre Prognose verbessern kann, insbesondere durch Senkung der Herzinsuffizienzereignisse, und zwar sowohl bei Diabetikern wie auch bei Nichtdiabetikern (46, 47). Die Mechanismen, welche für die günstige Wirkung auf die Herzinsuffizienz verantwortlich sind, sind noch nicht abschliessend geklärt. SGLT2-Hemmer fördern die Glukose- und Natriumausscheidung über die Niere und haben dadurch eine blutzuckersenkende und diuretische Wirkung. Es gibt Hinweise auf eine Reduktion der Inflammation, Verbesserung des kardialen Energiemetabolismus und verschiedene Effekte in anderen Organsystemen (48, 49). Mittlerweile werden die SGLT2-Hemmer Dapagliflozin und Empagliflozin von den aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz empfohlen, unabhängig vom diabetischen Status und von der linksventrikulären Auswurffraktion (Empfehlungsgrad I) (5, 6).
Zwei grosse klinische Studien konnten die Wirksamkeit bei Patienten mit chronischer HFrEF zeigen: Dapagliflozin konnte in der DAPA-HF-Studie eine beträchtliche Reduktion der kardiovaskulären Mortalität und der HFH zeigen (50); Em­pagliflozin konnte in der EMPEROR-Reduced-Studie eine vergleichbare Reduktion der Mortalitäts- und Hospitalisationsrate zeigen (51). Bei Patienten mit chronischer erhaltener (HFpEF) oder leicht reduzierter (HFmrEF) Auswurffraktion konnte ebenfalls ein Nutzen durch SGLT2-Hemmer gezeigt werden. Em­pagliflozin und Dapagliflozin konnten in der EMPEROR-Preserved- resp. DELIVER-Studie den primären Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität und Herzinsuffizienzereignisse senken, primär durch eine markante Reduktion der HFH (52, 53) . Eine grosse Metaanalyse zeigte – unabhängig vom diabetischen Status und der Auswurffraktion – , dass eine Therapie mit SGLT2-Hemmern bei chronischer Herzinsuffizienz zu einer 13%igen Reduktion der kardiovaskulären Mortalität und einer 28%igen Reduktion der HFH führt (54).
Neuere Studien haben die Wirksamkeit von SGLT2-Hemmern in akut dekompensierten Patienten untersucht. In der EMPULSE-Studie wurden stationäre Patienten mit AHF nach klinischer Stabilisierung innerhalb von 3 Tagen zu Empagliflozin oder Placebo randomisiert (55). Der primäre Endpunkt – definiert als «win ratio» der hierarchischen Analyse von Tod, Herzinsuffizienzereignissen und Verbesserung der Lebensqualität nach 3 Monaten – war zugunsten der Empagliflozin-Gruppe. Ein klinischer Benefit fand sich sowohl für eine neu aufgetretene Herzinsuffizienz als auch bei akut dekompensierter chronischer Herzinsuffizienz.
In der EMPAG-HF- und DIURETIC-HF-Studie wurde der additive Effekt eines SGLT2-Hemmers zu einer Standarddiuretikatherapie untersucht (56). In der ersten Studie wurden AHF-Patienten innerhalb von 12 Stunden zu einer höheren Empagliflozin-Dosis (25mg/Tag) oder Placebo randomisiert. Empagliflozin führte zu einer 25%igen Zunahme der Urinmenge über 5 Tage (absolute Differenz: 2.2 l), einer höheren Diuretikaeffizienz, ohne negative Effekte auf die Nierenfunktion. In der zweiten Studie wurde eine höhere Natriurese, eine frühere Umstellung auf eine orale Diuretikatherapie und eine frühere Spitalentlassung in der AHF-Gruppe, die innerhalb von 24 Stunden Dapagliflozin in Kombination mit der Standarddiuretikatherapie erhielt, beobachtet. Bezüglich Diuretikaeffizienz (als primären Endpunkt), Gewichtsabnahme oder Nebenwirkungen bestanden keine Unterschiede. Hier bleibt die Publikation abzuwarten (57).

Praktische Aspekte

Anhand der aktuellen Studienlage sollte man bei allen AHF-Patienten so früh wie möglich eine Therapie mit einem SGLT2-Hemmer beginnen, da diese Therapie zu einer schnelleren Rekompensation beitragen und die Prognose bereits in der vulnerablen Phase verbessern kann. SGLT2-Hemmer sind in der Anwendung sicher und allgemein gut verträglich mit einem meistens vernachlässigbaren Effekt auf den Blutdruck. Nach Therapiebeginn ist mit einer kleinen funktionellen Abnahme der GFR zu rechnen, die aber langfristig im Vergleich zu Placebo deutlich geringer ausfällt und damit einen nephroprotektiven Effekt anzeigt (51). Durch den zusätzlichen diuretischen Effekt muss ggf. die Diuretikatherapie reduziert werden. Ohne begleitende
andere Diabetestherapie ist das Risiko für eine Hypoglykämie sehr gering. Durch die Glukosurie ist das Risiko für einen urogenitalen Infekt erhöht, sodass auf eine gute Intimhygiene geachtet werden muss. Bei einem nicht substituierten Insulinmangel und bei fehlender Nahrungsaufnahme steigt das Risiko für eine euglykäme diabetische Ketoazidose mit potenziell fatalem Ausgang. Bei ungenügender Flüssigkeitsaufnahme und/oder einem Flüssigkeitsverlust (z. B. bei Fieber, Diarrhoe, grosser Hitze) sollten SGLT2-Hemmer deshalb temporär pausiert werden.

Andere Substanzen

Ivabradin wirkt über den If-Kanal im Sinusknoten und führt so zu einer Reduktion der Herzfrequenz im Sinusrhythmus. In der SHIFT-Studie konnte bei HFrEF-Patienten gezeigt werden, dass eine tiefere Herzfrequenz unter Ivabradin mit einer signifikanten Reduktion des primären Endpunktes (Mortalität und HFH) einhergeht, wobei Patienten mit einer Herzfrequenz von > 75/min. am meisten davon profitiert haben. Patienten in der Ivabradin-Gruppe wiesen ein niedriges Risiko für HFH während der vulnerablen Phase auf (58). Deshalb kann Ivabradin als ergänzende Therapieoption bei HFrEF-Patienten nach kürzlicher kardialer Dekompensation und einer HF im Sinusrhythmus > 70/min. trotz Betablocker oder bei Betablockerunverträglichkeit erwogen werden, um das HFH-Risiko günstig zu beeinflussen.
Vericiguat, ein oraler Stimulator der löslichen Guanylatcyclase, wurde im VICTORIA-Trial bei HFrEF-Patienten untersucht, die in den vergangenen 6 Monaten eine kardiale Dekompensation erlitten haben, die entweder zu einer Hospitalisation oder der Notwendigkeit einer intravenösen Diuretikatherapie geführt hat. Bei diesen Patienten konnte eine signifikante Reduktion des kombinierten Endpunktes (Mortalität und HFH) gezeigt werden, wobei dieser v. a. durch eine Reduktion der HFH getriggert war. Somit stellt auch Vericiguat eine medikamentöse Therapieoption bei HFrEF-Patienten und bereits ausgebauter Herzinsuffizienztherapie in der Frühphase nach stabilisierter Akutsituation dar, insbesondere um das Risiko einer erneuten HFH zu reduzieren (59, 60). Hier ist ebenfalls die bestehende Limi­tatio des BAG in der Schweiz zu beachten.

Schlussfolgerung

Die moderne Behandlung der AHF besteht aus einer Vielzahl an Therapieoptionen, die – optimal genutzt und der klinischen Situation entsprechend angepasst – eine Senkung der Mortalität und der Rehospitalisationen erreichen können.
Wenn wir zurück auf die Fallvignette zurückblicken, ergeben sich folgende Überlegungen:
1. Die akute Verschlechterung der vorbestehenden Herzinsuffizienz erfolgte aus unklarem Grund. Hier sollten typische Auslösefaktoren gesucht und entsprechend behandelt werden. Ebenfalls müssen Medikamentenadhärenz und Lebensstil überprüft werden.
2. Neben der Erstbeurteilung muss parallel bereits eine Akuttherapie verabreicht werden. Der Patient sollte eine initiale intravenöse Furosemid-Dosis von 40 mg erhalten, welche im weiteren Verlauf anhand der diuretischen Antwort angepasst wird.
3. Bei fehlenden Zeichen für einen kardiogenen Schock – wie in der Fallvignette – kann die orale Herzinsuffizienz-therapie unverändert weitergegeben werden.
4. Nach hämodynamischer Stabilisierung sollte die Herzinsuffizienztherapie noch weiter optimiert werden: Frühzeitig kann ein SGLT-2-Hemmer eingesetzt werden, da hiermit ein additiver diuretischer und natriuretischer Effekt besteht; ein MRA sollte etabliert, der ACE-Hemmer vorsichtig aufdosiert (und ggf. im Verlauf auf Sacubitril/Valsartan gewechselt) und nach Erreichen der Euvolämie der Betablocker erhöht werden.
5. Der Patient sollte in ein ambulantes Herzinsuffizienzprogramm eingeschlossen werden, damit in engmaschigen Kontrollen die Medikamente auftitriert und weitere Therapieoptionen evaluiert werden können.

PD Dr. med. Mattia Arrigo

Klinik Innere Medizin
Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich, Schweiz

mattia.arrigo@uzh.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Literatur:
1. Arrigo M, Jessup M, Mullens W, Reza N, Shah AM, Sliwa K, Mebazaa A. Acute heart failure. Nat Rev Dis Primers. 2020;6(1):16.
2. Arrigo M, Parissis JT, Akiyama E, Mebazaa A. Understanding acute heart failure: pathophysiology and diagnosis. Eur Heart J Suppl. 2016;18(suppl G):G11-G8.
3. Arrigo M, Blet A, Morley-Smith A, Aissaoui N, Baran DA, Bayes-Genis A, et al. Current and future trial design in refractory cardiogenic shock. Eur J Heart Fail. 2023;25(5):609-15.
4. Arrigo M, Ruschitzka F, Flammer AJ. [Acute heart failure]. Ther Umsch. 2018;75(3):155-60.
5. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Bohm M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2021;42(36):3599-726.
6. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, Gardner RS, Baumbach A, Bohm M, et al. 2023 Focused Update of the 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2023;44(37):3627-39.
7. Mebazaa A, Tolppanen H, Mueller C, Lassus J, DiSomma S, Baksyte G, et al. Acute heart failure and cardiogenic shock: a multidisciplinary practical guidance. Intensive Care Med. 2016;42(2):147-63.
8. Ter Maaten JM, Beldhuis IE, van der Meer P, Krikken JA, Postmus D, Coster JE, et al. Natriuresis-guided diuretic therapy in acute heart failure: a pragmatic randomized trial. Nat Med. 2023;29(10):2625-32.
9. Mullens W, Damman K, Harjola VP, Mebazaa A, Brunner-La Rocca HP, Martens P, et al. The use of diuretics in heart failure with congestion – a position statement from the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. Eur J Heart Fail. 2019;21(2):137-55.
10. Felker GM, Lee KL, Bull DA, Redfield MM, Stevenson LW, Goldsmith SR, et al. Diuretic strategies in patients with acute decompensated heart failure. N Engl J Med. 2011;364(9):797-805.
11. Trulls JC, Morales-Rull JL, Casado J, Carrera-Izquierdo M, Snchez-Marteles M, Conde-Martel A, et al. Combining loop with thiazide diuretics for decompensated heart failure: the CLOROTIC trial. Eur Heart J. 2023;44(5):411-21.
12. Mullens W, Dauw J, Martens P, Verbrugge FH, Nijst P, Meekers E, et al. Acetazolamide in Acute Decompensated Heart Failure with Volume Overload. N Engl J Med. 2022;387(13):1185-95.
13. Ivey-Miranda JB, Rao VS, Cox ZL, Moreno-Villagomez J, Mahoney D, Maulion C, et al. In-Hospital Observation on Oral Diuretics After Treatment for Acute Decompensated Heart Failure: Evaluating the Utility. Circ Heart Fail. 2023;16(4):e010206.
14. Arrigo M, Mebazaa A. Addressing vulnerability: opening a new door to improved outcomes in acute heart failure. Eur J Heart Fail. 2018;20(2):292-4.
15. Gayat E, Arrigo M, Littnerova S, Sato N, Parenica J, Ishihara S, et al. Heart failure oral therapies at discharge are associated with better outcome in acute heart failure: a propensity-score matched study. Eur J Heart Fail. 2017;20(2):345-54.
16. Mebazaa A, Davison B, Chioncel O, Cohen-Solal A, Diaz R, Filippatos G, et al. Safety, tolerability and efficacy of up-titration of guideline-directed medical therapies for acute heart failure (STRONG-HF): a multinational, open-label, randomised, trial. Lancet. 2022;400(10367):1938-52.
17. Pagnesi M, Metra M, Cohen-Solal A, Edwards C, Adamo M, Tomasoni D, et al. Uptitrating Treatment After Heart Failure Hospitalization Across the Spectrum of Left Ventricular Ejection Fraction. J Am Coll Cardiol. 2023;81(22):2131-44.
18. Arrigo M, Biegus J, Asakage A, Mebazaa A, Davison B, Edwards C, et al. Safety, tolerability and efficacy of up-titration of guideline-directed medical therapies for acute heart failure in elderly patients: A sub-analysis of the STRONG-HF randomized clinical trial. Eur J Heart Fail. 2023;25(7):1145-55.
19. Cerlinskaite-Bajore K, Lam CSP, Sliwa K, Adamo M, Ter Maaten JM, Leopold V, et al. Sex-specific analysis of the rapid up-titration of guideline-directed medical therapies after a hospitalization for acute heart failure: Insights from the STRONG-HF trial. Eur J Heart Fail. 2023;25(7):1156-65.
20. Chioncel O, Davison B, Adamo M, Antohi LE, Arrigo M, Barros M, et al. Non-cardiac comorbidities and intensive up-titration of oral treatment in patients recently hospitalized for heart failure: Insights from the STRONG-HF trial. Eur J Heart Fail. 2023.
21. The Consensus Trial Study Group. Effects of Enalapril on Mortality in Severe Congestive Heart Failure. N Engl J Med. 1987;316(23):1429-35.
22. The Solvd Investigators. Effect of Enalapril on Survival in Patients with Reduced Left Ventricular Ejection Fractions and Congestive Heart Failure. N Engl J Med. 1991;325(5):293-302.
23. Packer M, Poole-Wilson PA, Armstrong PW, Cleland JG, Horowitz JD, Massie BM, et al. Comparative effects of low and high doses of the angiotensin-converting enzyme inhibitor, lisinopril, on morbidity and mortality in chronic heart failure. ATLAS Study Group. Circulation. 1999;100(23):2312-8.
24. Bhandari S, Mehta S, Khwaja A, Cleland JGF, Ives N, Brettell E, et al. Renin-Angiotensin System Inhibition in Advanced Chronic Kidney Disease. N Engl J Med. 2022;387(22):2021-32.
25. McMurray JJ, Packer M, Desai AS, Gong J, Lefkowitz MP, Rizkala AR, et al. Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med. 2014;371(11):993-1004.
26. Velazquez EJ, Morrow DA, DeVore AD, Duffy CI, Ambrosy AP, McCague K, et al. Angiotensin-Neprilysin Inhibition in Acute Decompensated Heart Failure. N Engl J Med. 2019;380(6):539-48.
27. Solomon SD, McMurray JJV, Anand IS, Ge J, Lam CSP, Maggioni AP, et al. Angiotensin-Neprilysin Inhibition in Heart Failure with Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med. 2019;381(17):1609-20.
28. Packer M, Coats AJ, Fowler MB, Katus HA, Krum H, Mohacsi P, et al. Effect of carvedilol on survival in severe chronic heart failure. N Engl J Med. 2001;344(22):1651-8.
29. Packer M, Fowler MB, Roecker EB, Coats AJ, Katus HA, Krum H, et al. Effect of carvedilol on the morbidity of patients with severe chronic heart failure: results of the carvedilol prospective randomized cumulative survival (COPERNICUS) study. Circulation. 2002;106(17):2194-9.
30. Committees C-IIIa. The Cardiac Insufficiency Bisoprolol Study II (CIBIS-II): a randomised trial. Lancet. 1999;353(9146):9-13.
31. MERIT-HF Study Group. Effect of metoprolol CR/XL in chronic heart failure: Metoprolol CR/XL Randomised Intervention Trial in-Congestive Heart Failure (MERIT-HF). Lancet. 1999;353(9169):2001-7.
32. McMurray JJ. CONSENSUS to EMPHASIS: the overwhelming evidence which makes blockade of the renin-angiotensin-aldosterone system the cornerstone of therapy for systolic heart failure. Eur J Heart Fail. 2011;13(9):929-36.
33. Prins KW, Neill JM, Tyler JO, Eckman PM, Duval S. Effects of Beta-Blocker Withdrawal in Acute Decompensated Heart Failure: A Systematic Review and Meta-Analysis. JACC Heart Fail. 2015;3(8):647-53.
34. Metra M, Torp-Pedersen C, Cleland JG, Di Lenarda A, Komajda M, Remme WJ, et al. Should beta-blocker therapy be reduced or withdrawn after an episode of decompensated heart failure? Results from COMET. Eur J Heart Fail. 2007;9(9):901-9.
35. Shah AM, Pfeffer MA. The many faces of heart failure with preserved ejection fraction. Nat Rev Cardiol. 2012;9(10):555-6.
36. Desai AS, Lam CSP, McMurray JJV, Redfield MM. How to Manage Heart Failure With Preserved Ejection Fraction: Practical Guidance for Clinicians. JACC Heart Fail. 2023;11(6):619-36.
37. Pitt B, Zannad F, Remme WJ, Cody R, Castaigne A, Perez A, et al. The effect of spironolactone on morbidity and mortality in patients with severe heart failure. Randomized Aldactone Evaluation Study Investigators. N Engl J Med. 1999;341(10):709-17.
38. Pitt B, Remme W, Zannad F, Neaton J, Martinez F, Roniker B, et al. Eplerenone, a selective aldosterone blocker, in patients with left ventricular dysfunction after myocardial infarction. N Engl J Med. 2003;348(14):1309-21.
39. Zannad F, McMurray JJ, Krum H, van Veldhuisen DJ, Swedberg K, Shi H, et al. Eplerenone in patients with systolic heart failure and mild symptoms. N Engl J Med. 2011;364(1):11-21.
40. Pitt B, Pfeffer MA, Assmann SF, Boineau R, Anand IS, Claggett B, et al. Spironolactone for heart failure with preserved ejection fraction. N Engl J Med. 2014;370(15):1383-92.
41. Solomon SD, Claggett B, Lewis EF, Desai A, Anand I, Sweitzer NK, et al. Influence of ejection fraction on outcomes and efficacy of spironolactone in patients with heart failure with preserved ejection fraction. Eur Heart J. 2016;37(5):455-62.
42. de Denus S, O‘Meara E, Desai AS, Claggett B, Lewis EF, Leclair G, et al. Spironolactone Metabolites in TOPCAT – New Insights into Regional Variation. N Engl J Med. 2017;376(17):1690-2.
43. Pfeffer MA, Claggett B, Assmann SF, Boineau R, Anand IS, Clausell N, et al. Regional variation in patients and outcomes in the Treatment of Preserved Cardiac Function Heart Failure With an Aldosterone Antagonist (TOPCAT) trial. Circulation. 2015;131(1):34-42.
44. Butler J, Anstrom KJ, Felker GM, Givertz MM, Kalogeropoulos AP, Konstam MA, et al. Efficacy and Safety of Spironolactone in Acute Heart Failure: The ATHENA-HF Randomized Clinical Trial. JAMA Cardiol. 2017;2(9):950-8.
45. Guidetti F, Lund LH, Benson L, Hage C, Musella F, Stolfo D, et al. Safety of continuing mineralocorticoid receptor antagonist treatment in patients with heart failure with reduced ejection fraction and severe kidney disease: data from Swedish Heart Failure Registry. Eur J Heart Fail. 2023.
46. Zinman B, Wanner C, Lachin JM, Fitchett D, Bluhmki E, Hantel S, et al. Empagliflozin, Cardiovascular Outcomes, and Mortality in Type 2 Diabetes. N Engl J Med. 2015;373(22):2117-28.
47. Arrigo M, Huber LC. Cardiovascular trials with SGLT2 inhibitors – a primer to survive in the jungle. Cardiovascular Medicine. 2023;26(1):6–8.
48. Lopaschuk GD, Verma S. Mechanisms of Cardiovascular Benefits of Sodium Glucose Co-Transporter 2 (SGLT2) Inhibitors: A State-of-the-Art Review. JACC Basic Transl Sci. 2020;5(6):632-44.
49. Packer M. SGLT2 inhibitors: role in protective reprogramming of cardiac nutrient transport and metabolism. Nat Rev Cardiol. 2023.
50. McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE, Køber L, Kosiborod MN, Martinez FA, et al. Dapagliflozin in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2019.
51. Packer M, Anker SD, Butler J, Filippatos G, Pocock SJ, Carson P, et al. Cardiovascular and Renal Outcomes with Empagliflozin in Heart Failure. N Engl J Med. 2020;383(15):1413-24.
52. Solomon SD, McMurray JJV, Claggett B, de Boer RA, DeMets D, Hernandez AF, et al. Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med. 2022;387(12):1089-98.
53. Anker SD, Butler J, Filippatos G, Ferreira JP, Bocchi E, Bohm M, et al. Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med. 2021;385(16):1451-61.
54. Vaduganathan M, Docherty KF, Claggett BL, Jhund PS, de Boer RA, Hernandez AF, et al. SGLT-2 inhibitors in patients with heart failure: a comprehensive meta-analysis of five randomised controlled trials. Lancet. 2022;400(10354):757-67.
55. Voors AA, Angermann CE, Teerlink JR, Collins SP, Kosiborod M, Biegus J, et al. The SGLT2 inhibitor empagliflozin in patients hospitalized for acute heart failure: a multinational randomized trial. Nat Med. 2022;28(3):568-74.
56. Schulze PC, Bogoviku J, Westphal J, Aftanski P, Haertel F, Grund S, et al. Effects of Early Empagliflozin Initiation on Diuresis and Kidney Function in Patients With Acute Decompensated Heart Failure (EMPAG-HF). Circulation. 2022;146(4):289-98.
57. Cox ZL, Collins SP, Aaron M, Hernandez GA, Iii ATM, Davidson BT, et al. Efficacy and safety of dapagliflozin in acute heart failure: Rationale and design of the DICTATE-AHF trial. Am Heart J. 2021;232:116-24.
58. Komajda M, Tavazzi L, Swedberg K, Bohm M, Borer JS, Moyne A, et al. Chronic exposure to ivabradine reduces readmissions in the vulnerable phase after hospitalization for worsening systolic heart failure: a post-hoc analysis of SHIFT. Eur J Heart Fail. 2016;18(9):1182-9.
59. Arrigo M. Vericiguat in heart failure – who benefits the most? Cardiovascular Medicine. 2021;24:w10049.
60. Armstrong PW, Pieske B, Anstrom KJ, Ezekowitz J, Hernandez AF, Butler J, et al. Vericiguat in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2020;382(20):1883-93.

 

Herzinsuffizienz mit eingeschränkter LVEF (HFrEF, HFmrEF)

Zusammenfassung: Die Herzinsuffizienz stellt das Endstadium der meisten Herzerkrankungen dar und ist mit weltweit über 64 Millionen Betroffenen als globale Pandemie anzusehen. Es wird erwartet, dass die Prävalenz weiter steigen wird. Entscheidend sind die Prävention und Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen, sowie die frühe Erkennung von Patienten, die an einer Herzinsuffizienz leiden. Je nach Ausmass der Reduktion der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) stehen unterschiedliche Therapien zur Verfügung. Eine optimale Behandlung verhindert unnötige Hospitalisationen, vermindert die Mortalität und verbessert die Lebensqualität. Im folgenden Artikel gehen wir auf die Diagnostik bei Herzinsuffizienz ein und erläutern die vielfältigen Behandlungsoptionen bei Herzinsuffizienz mit eingeschränkter LVEF (HFrEF, HFmrEF).

 

Heart failure with reduced left ventricular ejection fraction (HFrEF, HFmrEF)
Abstract: Heart failure is the final stage of most heart diseases and, with over 64 million people affected worldwide, is considered a global pandemic. The prevalence is expected to continue to rise. The prevention and treatment of cardiovascular diseases and the early detection of patients suffering from heart failure are essential. Different therapies are available depending on the extent of the reduction in left ventricular ejection fraction (LVEF). Optimal treatment prevents unnecessary admissions to hospital, reduces mortality and improves quality of life. In the following article, we discuss the diagnosis of heart failure and explain the various treatment options for heart failure with reduced LVEF (HFrEF, HFmrEF).

 

Die Herzinsuffizienz umschreibt ein klinisches Syndrom mit Symptomen und/oder Zeichen der pulmonalen oder systemischen Stauung, die durch eine strukturelle und/oder funktionelle kardiale Anomalie verursacht werden (1). Basierend auf der linksventrikulären Ejektionsfraktion (EF) wird die Herzinsuffizienz in drei Kategorien eingeteilt: 1) Herzinsuffizienz mit reduzierter (HFrEF, EF≤40%), 2) leicht reduzierter (HFmrEF, EF 41-49%) und 3) erhaltener EF (HFpEF, EF≥50%). Als neue Entität wird zudem die Herzinsuffizienz mit verbesserter («improved») EF (HFimpEF) durch ein Therapieansprechen mit Anstieg der EF ≥10% auf >40% definiert (1). Im Folgenden geben wir eine Übersicht über die verschiedenen evidenzbasierten Therapiemöglichkeiten der HFrEF und HFmrEF zusammen mit praktischen Handlungsempfehlungen zur optimalen Betreuung dieser zunehmenden Patientenpopulation mit hoher Mortalität und Morbidität. Die HFpEF und deren Behandlungsoptionen werden in einem weiteren Artikel in dieser Ausgabe beleuchtet.

Epidemiologie/Prognose

Mit weltweit über 64.3 Millionen Betroffenen stellt die Herzinsuffizienz eine globale Pandemie dar (2). Es wird erwartet, dass die Prävalenz aufgrund der älter werdenden Bevölkerung und des verbreiteten Einsatzes lebensverlängernder, evidenzbasierter Therapien weiter steigen wird, obwohl kardiovaskuläre Erkrankungen insgesamt früher erkannt und behandelt werden. Die Prävalenz ist zudem altersabhängig und steigt von etwa 1% bei <55-Jährigen auf >10% bei über 70-Jährigen an (3). Es wird geschätzt, dass hiervon rund 60% an einer HFrEF, 24% an einer HFmrEF und 16% an einer HFpEF leiden (3).
Die Prognose der Herzinsuffizienz ist stark variabel und hängt in erster Linie von der klinischen Präsentation und dem Alter ab. So wird die 1-Jahres-Mortalität im europäischen Langzeitregister auf 23.6% für die akute Herzinsuffizienz versus 6.4% für die chronische Herzinsuffizienz geschätzt, wobei die Mortalität bei ≥75-Jährigen deutlich ansteigt (4). Patienten mit HFrEF haben eine höhere 1-Jahres-Mortalität als Patienten mit einer HFmrEF und HFpEF (8.8% vs.7.6% vs. 6.3%). Noch deutlicher wirkt sich der Phänotyp auf die Hospitalisationsrate nach 1 Jahr aus (HFrEF 14.6%, HFmrEF 8.7% und HFpEF 9.7%) (4).

Diagnostik

Für die Diagnose der chronischen Herzinsuffizienz werden sowohl Symptome oder klinische Zeichen als auch eine bildmorphologisch objektivierbare kardiale Dysfunktion benötigt. Klinisch manifestiert sich die Herzinsuffizienz typischerweise durch Leistungsintoleranz mit Anstrengungsdyspnoe, Fatigue, Orthopnoe sowie paroxysmale nächtliche Dyspnoe. Charakteristische Zeichen sind Knöchel- oder Beinödeme, Halsvenenstauung oder ein 3. Herzton – letzterer ist relativ spezifisch, aber wenig sensitiv. Risikofaktoren wie ein stattgehabter Herzinfarkt, chronische koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, chronische Nierenerkrankung, Alkoholabusus, kardiotoxische Chemotherapie und eine positive Familienanamnese erhöhen die diagnostische Vortestwahrscheinlichkeit (5). Im Ruhe-EKG können Vorhofflimmern, Q-Zacken, Hypertrophiezeichen oder QRS-Verbreiterung ebenfalls auf das Vorliegen einer Herzinsuffizienz hinweisen, ein unauffälliges EKG macht diese hingegen unwahrscheinlich (5).
Leider sind weder Symptome noch klinische Zeichen spezifisch für eine Herzinsuffizienz, sodass bei klinischem Verdacht eine weitere Differenzierung mittels natriuretischer Peptide (NT-proBNP oder BNP) hilfreich ist (5). Insbesondere Patienten mit vorbekannten Lungenerkrankungen (COPD, Asthma etc.) zeigen oft ähnliche, klinisch schwer zu differenzierende Symptome, sodass die Diagnose der Herzinsuffizienz oft verzögert oder gar nicht gestellt wird. Natriuretische Peptide (NP) werden bei erhöhtem myokardialen Wandstress produziert. Sie sind somit nicht nur Biomarker der linksventrikulären systolischen Funktion, vielmehr können weitere strukturelle und funktionelle kardiale Anomalien einschließlich einer diastolischen Dysfunktion, rechtsventrikulären Dysfunktion, Herzklappenfehlfunktion, erhöhtem Lungendruck und Vorhofarrhythmien die NP erhöhen (6).
Da die LV-Füllungsdrücke wie auch die Nierenfunktion altersabhängig sind, werden bei zunehmendem Alter sowie bei Niereninsuffizienz (eGFR < 60ml/min/1.73m2) höhere NP erwartet. Falsch tiefe Werte werden bei Adipositas (BMI ≥30 kg/m2) beobachtet (6, 7). Die natriuretischen Peptide dienen bei sehr tiefen Werten (NT-proBNP <125pg/ml, BNP <35pg/ml) altersunabhängig zum Ausschluss einer Herzinsuffizienz und in höherer Konzentration zur Risikostratifizierung und Prognostizierung (7). Sofern sich die Verdachtsdiagnose der Herzinsuffizienz erhärtet, muss in einem nächsten Schritt der Phänotyp mittels Echokardiografie definiert und die Ätiologie weiter geklärt werden.
Da eine Herzinsuffizienz das Endstadium der meisten Herzerkrankungen darstellt, sind entsprechend viele Differentialdiagnosen zu berücksichtigen (Tabelle 1). Die häufigsten Ursachen wie eine koronare Herzerkrankung, arterielle Hypertonie, Klappenvitien oder Arrhythmien können bereits mit einfachen Massnahmen wie einer detaillierten Anamnese, körperlichen Untersuchung (inkl. Blutdruckmessungen), einem EKG und einer transthorakalen Echokardiografie eingegrenzt werden. Eine weitere Bildgebung mittels Magnetresonanztomografie ist in vielen Fällen sinnvoll. Verschiedene Ursachen einer Herzinsuffizienz wie eine Myokarditis, Sarkoidose, Amyloidose, Kardiomyopathien und weitere seltenere Entitäten können dadurch differenziert werden (5). Weiter hilft das MRT, bei ungenügender Echoschallqualität die EF genau zu bestimmen, und es kann das Ausmass der Fibrose zur Risikostratifizierung herangezogen werden (5). Abhängig vom kardiovaskulären Risikoprofil und der Vortestwahrscheinlichkeit kann eine koronare Genese mittels Koronarangiografie oder mittels Herz-CT gesucht werden. Besonders bei Kardiomyopathien, die nach eingehender Abklärung unklar bleiben, sollte eine genetische Ursache gesucht werden, welche in Abhängigkeit der Genmutation prognostische und somit therapeutische Implikationen, insbesondere auf die Primärprophylaxe des plötzlichen Herztodes, haben kann (5).

Therapie

Allgemeine Empfehlungen

Bei jeder Neudiagnose einer HFrEF sollten gezielte Aufklärungsgespräche zur Verbesserung des Krankheitsverständnisses, des natürlichen Krankheitsverlaufes und zur Besprechung der therapeutischen Möglichkeiten erfolgen. Eine gute Aufklärung und aktives Miteinbeziehen des Patienten und seiner Angehörigen erhöhen die Therapieadhärenz, was schliesslich die Mortalitäts- und Hospitalisationsrate positiv beeinflusst (8).
Eine wichtige Rolle kommt dabei dem Selbstmanagement zu, wonach der Patient in Abhängigkeit der Gewichtsmessungen seine Diuretika und Flüssigkeitszufuhr anpasst. Wichtig ist eine frühe Erkennung von Warnzeichen, bei welchen ein Arztbesuch nötig wird (z. B. zunehmendes Gewicht von >2 kg innert 2-3 Tagen, progrediente Beinödeme, Atemnot etc.). Im Alltag ist auf Nikotinkonsum sowie exzessiven Salz- oder regelmässigen Alkoholkonsum zu verzichten. Eine ausgewogene Ernährung und regelmässige körperliche Aktivität erhöhen die Lebensqualität, und bei stabilem Verlauf sind auch längere Reisen (inkl. Flüge) oder Höhenaufenthalte bis 2500 m bedenkenlos möglich. Selbst kurze Aufenthalte in höheren Lagen werden erfahrungsgemäss in der Regel gut toleriert. Eine Pneumokokken-, COVID- und jährliche Grippe-Impfung wird allen Herzinsuffizienzpatienten empfohlen (5).

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie ist der Grundstein einer erfolgreichen Herzinsuffizienzbehandlung mit dem Ziel, die Mortalität und Hospitalisationsrate zu reduzieren sowie die Lebensqualität zu verbessern. Das bei Herzinsuffizienz verminderte Schlagvolumen führt zu langfristig ungünstigen Kompensationsmechanismen wie die sympatho-adrenerge Stimulation und Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems (RAAS). Dies verbessert kurzfristig die Herzleistung, führt aber zu einer Negativspirale mit weiterer myokardialer Zellschädigung. Die Pharmakotherapie der Herzinsuffizienz ist darauf ausgerichtet, diese maladaptiven Prozesse positiv zu modulieren und basiert auf den 4 Substanzgruppen Angiotensin-II-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Betablocker (BB), Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) und Sodium-Glucose Co-transporter-2 Inhibitoren (SGLT2-I). Auf die sogenannten «fantastischen Vier» wird im Folgenden näher eingegangen. Die gängigen Therapeutika mit Start- und Zieldosierung sind in Tabelle 2 aufgelistet.
Sobald die Diagnose der HFrEF gestellt ist, sollten diese Medikamente rasch begonnen und zügig auftitriert werden (5, 9). Bei schlechter Verträglichkeit (z. B. Hypotonie) wird ein niedrig dosierter Einsatz aller vier Substanzklassen anstelle einzelner hoch dosierter Medikamente bevorzugt (5). Wichtig für eine erfolgreiche Etablierung und Aufdosierung der Vierfachtherapie ist die aktive Einbindung und Kommunikation zwischen Patient, Angehörigen, Hausarzt sowie betreuendem Kardiologen. Eine Unterstützung durch speziell ausgebildete Pflegefachkräfte ist wertvoll und wird von Betroffenen geschätzt.

Diuretika

Alle Patienten mit Symptomen oder Zeichen einer Hypervolämie werden bevorzugt mit Schleifendiuretika behandelt. Zur Vermeidung einer Diuretikaresistenz sollte bei akuter Dekompensation eine rasche und aggressive Behandlung erfolgen (10). Bei milder Hypervolämie kann die Rekompensation mittels Verdoppelung oder allenfalls Vervierfachung der bestehenden Diuretikadosis ambulant angestrebt werden. Bei Diuretika-naiven Patienten empfiehlt sich ein Beginn mit Torasemid 10 mg 1-2 x/Tag. Furosemid per os wird aufgrund der niedrigeren Bioverfügbarkeit, Potenz und kürzeren Wirkdauer seltener verwendet. Bei fehlendem Ansprechen oder initial bereits ausgeprägter Symptomatik ist eine Hospitalisation unausweichlich, da die Absorption oraler Diuretika durch die intestinale Stauung deutlich reduziert und eine intravenöse Therapie mit Furosemid notwendig ist. Generell empfiehlt sich, die Schleifendiuretika während einer Dekompensation mindestens 2 x/Tag zu geben, um einen konstanten Medikamentenspiegel zu gewährleisten und einen «Rebound-Effekt» zu vermeiden (5). Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz ist die Halbwertszeit allerdings deutlich verlängert, sodass eine einmalige Gabe zu einem ausreichend hohen und länger anhaltenden Medikamentenspiegel führt (10).
Nach Rekompensation und Ausbau der Herzinsuffizienztherapie sinkt der Diuretikabedarf durch die verbesserte Hämodynamik und die diuretische Wirkung von MRA, Sacubitril/Valsartan und SLGT2-Inhibitoren (5).

ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten und Angiotensin-II-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI)

ACE-Hemmer (ACE-I) waren die erste Substanzklasse, welche eine erwiesene Reduktion der Mortalität und Morbidität sowie eine Symptomverbesserung bei der HFrEF erzielte. Im Mittel reduzierten ACE-I in den wegweisenden Studien die Mortalität um 16-44%, sodass jeder HFrEF-Patient in Abwesenheit von Kontraindikationen (Angioödem, bilaterale Nierenarterienstenose, Schwangerschaft, Allergie) mit der maximal tolerablen Dosis behandelt werden sollte (5). Im PARADIGM-HF-Trial konnte mit Angiotensin-II-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (Sacubitril/Valsartan, Entresto®) eine 20%ige Reduktion der Todes- und Hospitalisationsrate und eine Symptomverbesserung im Vergleich zum ACE-I Enalapril beobachtet werden (11). Subanalysen der PARADIGM-HF-Studie zeigten zusätzliche Vorteile gegenüber ACE-I. Neben einer Verbesserung der Lebensqualität sowie eines langfristig positiven Einflusses auf die Nierenfunktion treten auch seltener schwere Hyperkaliämien auf (11). Zudem senkt die Therapie mit ARNI die Häufigkeit des plötzlichen Herztodes, insbesondere auch bei sogenannten «stabilen» Patienten mit nur geringer Symptomatik (NYHA II) (11, 12). Im Unterschied zu anderen internationalen Richtlinien (13, 14) empfiehlt die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) weiterhin, zuerst mit einem ACE-I zu beginnen und erst im Verlauf bei persistierender Symptomatik auf Valsartan/Sacubitril umzustellen. Sobald die halbe Zieldosis erreicht ist, kann der ACE-I bei normotensiven Patienten auf 2 x 100 mg Valsartan/Sacubitril umgestellt und schrittweise nach 2-4 Wochen aufdosiert werden (5). Zur Vermeidung eines Angioödems ist bei Therapieumstellung eine minimale Auswaschphase von 36 h empfohlen. Bei suffizienter Blutdruckreserve ist im stationären Setting ein direkter Therapiestart mit ARNI sicher und ohne gehäufte unerwünschte Arzneimittelwirkungen durchführbar (15, 16).

Betablocker

Zusätzlich zur Behandlung mit einem ACE-I und Diuretikum verringern Betablocker die Mortalität um rund 35% und reduzieren Herzinsuffizienzsymptome (17-19). Sie werden daher bei allen klinisch und hämodynamisch stabilen, euvolämen Patienten in tiefer Dosierung gestartet und bis zur Maximaldosis oder Zielherzfrequenz von 55-60/min aufdosiert. Relevante Kontraindikationen sind ein schweres Asthma bronchiale, eine kritische Beinischämie und relevante Bradyarrhythmien (Sick-Sinus-Syndrom, höhergradige AV-Blockierungen). Bei langsamer Auftitrierung sind symptomatische Bradykardien selten. Tritt in den Heimmessungen eine Ruhefrequenz <50/min oder Bradykardie-assoziierte Symptome wie ausgeprägte Müdigkeit, Unwohlsein oder Schwindel auf, sollte die Dosis reduziert werden. Gleichzeitig ist ein Ruhe-EKG sinnvoll, um einen höhergradigen AV-Block auszuschliessen.
Generell werden vorwiegend kardioselektive Betablocker (Bisoprolol, Metoprolol, Nebivolol) eingesetzt, bei gleichzeitigem Vorliegen einer arteriellen Hypertonie ist Carvedilol als zusätzlicher Alpha-1-Antagonist eine attraktive Therapiealternative. Eine erektile Dysfunktion ist eine seltene, dosisabhängige Nebenwirkung und tritt weniger häufig unter Nebivolol oder Bisoprolol auf (20). Das Wissen über die mögliche unerwünschte Wirkung führt zu einem häufigeren Auftreten (Nocebo-Effekt), weshalb die Thematik zurückhaltend erläutert werden sollte. Bei Vorliegen eines Asthmas oder einer COPD war der Einsatz von Bisoprolol mit den besten FEV1-Werten in retrospektiven Studien assoziiert (20). Durch eine nicht selektive Beta-2-Blockade können Symptome einer pAVK exazerbieren. Nebivolol wird aufgrund seiner NO-freisetzender, vasodilatierenden Wirkung bei pAVK bevorzugt (20).

Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten

Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) reduzieren zusätzlich zu ACE-I und Betablockern die Mortalität, Hospitalisationsrate und Symptomatik (5). Sie sind wegen der renalen Akkumulation und kalium-retinierender Wirkung bei schwerer Nierenfunktionsstörung (eGFR <30ml/min/1.73m2) kontraindiziert. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion wird mit tiefer Dosierung gestartet und in Abhängigkeit der Elektrolyt- und Nierenwerte aufdosiert. Bei ansteigendem Kalium >5.5 mmol/l oder einer Abnahme der eGFR <30ml/min/1.73m2 wird nach Ausschluss einer übermässigen Diuretisierung und/oder Stopp nephrotoxischer Substanzen die Dosis halbiert und ab einem Kalium >6.0mmol/l das Medikament gestoppt. Da sowohl ACE-Hemmer und MRA wichtige Grundsteine der Herzinsuffizienztherapie sind, ist bei chronischer Neigung zur Hyperkaliämie eine langfristige Strategie zur Elektrolytkontrolle essenziell. Neben einer kaliumarmen Ernährung und Verzicht auf nephrotoxische oder kaliumsparende Medikamente (z. B. Amilorid, Comilorid) werden bei Neigung zur Hypervolämie Schleifendiuretika und/oder Thiazide eingesetzt. Alternativ bieten sich Austauschharze wie Resonium oder Patiromer an, wobei letzteres deutlich weniger gastrointestinale Nebenwirkungen hervorruft und in randomisierten Studien bei HFrEF zu höher tolerablen ACE-I/MRA-Dosierungen führte (21, 22). MRA sind zudem starke CYP3A4-Inhibitoren und daher vorsichtig mit Medikamenten wie Ketokonazol, Clarithromycin etc. zu kombinieren. Durch die zusätzliche Bindung an Steroid- und Androgenrezeptoren führt insbesondere Aldactone häufiger zu einer Gynäkomastie, was unter dem etwas selektiv wirkenden Eplerenon deutlich seltener auftritt.

SGLT2-Inhibitoren

In der DAPA-HF- und der EMPEROR-Reduced-Studie wurde der Effekt von Dapagliflozin respektive Empagliflozin versus Placebo bei symptomatischen Patienten (NYHA II-IV) mit einer LVEF<40% untersucht und eine ca. 25%ige Reduktion von kardiovaskulären Todesfällen und Hospitalisationen sowie eine verbesserte Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beobachtet (23, 24). Der Effekt besteht schon früh nach Behandlungsbeginn und ist unabhängig davon, ob ein Diabetes Typ 2 vorliegt oder nicht.
Wie bei ACE-Hemmern fällt in den ersten Wochen nach Therapiebeginn die eGFR um bis zu 30% ab. Dies ist auf eine Reduktion der ungünstigen Hyperfiltration im Glomerulum zurückzuführen, wirkt sich jedoch langfristig nephroprotektiv aus. Bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz können SGLT-2-I bis zu einer eGFR von 20ml/min/1.73m2 sicher eingeleitet und bis zum Beginn einer Dialyse oder einer Nierentransplantation fortgesetzt werden (25).
Selten tritt als schwere Nebenwirkung eine lebensbedrohliche diabetische Ketoazidose auf. Weil dies bei Diabetes mellitus Typ 1 gehäuft auftritt, werden SGLT-2-I bei dieser Patientengruppe nicht eingesetzt. Bei Verdacht und entsprechender Symptomatik (Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durst, Atembeschwerden, Erschöpfung, Verwirrung) müssen daher auch bei normoglykämen Patienten Ketonkörper gesucht werden. Zur Prävention einer Ketoazidose werden SGLT-2-I bei kritisch kranken Patienten, schweren Infektionen, Volumendepletion oder vor grossen Operationen pausiert. Ausserdem müssen die Patienten auf einen gemässigten Alkoholkonsum sowie das Vermeiden einer ketogenen Diät hingewiesen werden.
Als weitere Nebenwirkung werden urogenitale Infektionen durch die Glucosurie begünstigt. Bei unkomplizierten Infektionen kann der SGLT2-Inhibitor unter entsprechender antibiotischer oder antimykotischer Therapie weitergeführt werden. Bei komplizierten Harnwegsinfekten (inkl. Sepsis) oder rezidivierenden urogenitalen Infektionen (≥3) sollten die SGLT2-Inhibitoren abgesetzt werden. Sofern die zugrunde liegende Ätiologie identifiziert und behandelt wurde, ist eine Wiederaufnahme nach einem infektionsfreien Jahr möglich (25).
Ältere Patienten zeigen häufiger eine atypische Symptomatik und sind anfälliger für Dehydratationen, Hypotonien und Hypoglykämien, weshalb bei ihnen besonders auf unerwünschte Wirkungen geachtet werden sollte.

Reihenfolge der Initiierung der Vierfachtherapie

Die optimale Einleitung der Vierfachtherapie beruht derzeit auf Expertenmeinungen, wobei wissenschaftliche Evidenz und entsprechende Empfehlungen in den ESC-Leitlinien fehlen. Vermutlich ist die Reihenfolge der Medikamentenwahl weit weniger entscheidend, als dass versucht wird, alle Substanzklassen rasch zu starten. Bei niedrigem Blutdruck kann ein Beginn mit SGLT2-I und MRA sinnvoll sein, bei schlechter Nierenfunktion empfiehlt sich, zuerst Betablocker und SGLT2-I einzusetzen. Liegt eine Hypervolämie vor, lohnt es sich, mit SGLT2-I, MRA und ARNI vor Einsatz des Betablockers zu beginnen. Im ambulanten Setting werden nach Erstdiagnose einer HFrEF alle vier Substanzklassen in niedriger Dosis innerhalb von 2-4 Wochen gestartet und über weitere 2-4 Wochen in kleinen Schritten bis zur Zieldosis aufdosiert (s. Tabelle 2). Bei Patienten mit vorbestehender Hypotonie oder Niereninsuffizienz ist zur Vermeidung von Nebenwirkungen oft ein langsameres Vorgehen notwendig. Während der Einführungsphase sind engmaschige hausärztliche Kontrollen der Laborparameter (v. a. Kreatinin und Kalium) sowie Beurteilung der Volämie notwendig. Häufig sinkt nach Etablierung dieser Vierfachtherapie der Diuretikabedarf durch die Verbesserung der Hämodynamik und additive diuretische Wirkung von MRA, SGLT-2-I und ARNI. Nach Spitalaustritt sollte bei einem weiteren Gewichtsverlust, klinischen Zeichen der Hypovolämie oder Kreatininanstieg ohne Zeichen einer erneuten Dekompensation die Diuretikadosis rasch reduziert werden, was im besten Fall durch den gut informierten Patienten in Eigenregie erfolgt.

Vericiguat

Vericiguat ist ein Stimulator der löslichen Guanylatcyclase, welche die Synthese von intrazellulärem zyklischen Guanosinmonophosphat (cGMP) katalysiert. cGMP ist ein wichtiges Signalmolekül und verbessert die Herzkontraktilität, den Gefässtonus und das kardiale Remodelling. Im VICTORIA-Trial reduzierte Vericiguat bei Herzinsuffizienzpatienten mit kürzlich klinischer Verschlechterung (intravenöse Diuretika oder Hospitalisation in den letzten 3-6 Monaten) und einer LVEF <45%, das Risiko einer Rehospitalisation um 10% (26). Es zeigte sich kein wesentlicher Effekt auf die Mortalität, was hauptsächlich durch die kränkere Studienpopulation mit entsprechend höherem NT-proBNP erklärt wurde. Aufgrund vordefinierter Subgruppenanalysen und Post-hoc-Studien ist Vericiguat bei einem NT-proBNP >5000 pg/ml mit Vorsicht einzusetzen und potenziell gefährlich bei Patienten mit einem NT-proBNP >8000 pg/ml (26, 27). Im Gegensatz zu den anderen Herzinsuffizienz-Medikamenten darf Vericiguat auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz (bis eGFR ≥ 15ml/min/1.73m2) gestartet werden. Zwar ist die am häufigsten beschriebene Nebenwirkung die Hypotonie (16.4%), allerdings war im VICTORIA-Trial die Blutdruckdifferenz im Vergleich zu Placebo nur 1 bis 2 mmHg tiefer und auch die Rate an symptomatischen Hypotonien mit 1.2% nur marginal erhöht (26). Somit eignet sich das Medikament insbesondere für Patienten, welche die gängigen HFrEF-Medikamente aufgrund einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz oder Hypotonie nicht tolerieren. Eine weitere mögliche Indikation besteht bei Verschlechterung der Herzinsuffizienz trotz optimaler Vierfachtherapie, sofern das NT-proBNP nicht exzessiv erhöht ist (5).

Rehabilitation

Es gibt konsistente Evidenz dafür, dass körperliches Training die Leistungstoleranz und die Lebensqualität von Patienten mit Herzinsuffizienz verbessert (5). Klinische Studien und Meta-analysen bei Menschen mit HFrEF zeigen zudem, dass eine kardiale Rehabilitation die Zahl der Krankenhausaufenthalte reduziert, Unsicherheiten bestehen über die Auswirkungen auf die Mortalität (5). Nebst moderatem Ausdauertraining kann auch ein hochintensives Intervalltraining den maximalen Sauerstoffverbrauch (VO2max) verbessern. Es ist daher immens wichtig, Patienten zum regelmässigen körperlichen Training zu animieren und bei chronisch fortgeschrittener Erkrankung, nach einer akuten Verschlechterung oder einer Hospitalisation aktiv in ein Rehabilitationsprogramm einzubinden (5).

Devices/Interventionen

Neben der klassischen medikamentösen Therapie der Herzinsuffizienz bestehen diverse weitere Therapiemöglichkeiten mit Devices oder Interventionen. Eine detaillierte Übersicht folgt in dieser Ausgabe der «Therapeutischen Umschau». Bleibt die LVEF unter leitlinienkonformer Therapie <35%, ist eine Versorgung mit einem implantierbaren Defibrillator zur Verminderung des plötzlichen Herztods zu diskutieren und bei zusätzlich breitem QRS (>130ms) eine kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) zu evaluieren (5). Besteht eine schwere sekundäre Mitralklappeninsuffizienz, sind chirurgische wie auch interventionelle Therapiestrategien zu erwägen (5).

Fortgeschrittene Herzinsuffizienz/Palliation

Viele Patienten entwickeln trotz weitreichender therapeutischer Massnahmen eine progrediente Herzinsuffizienz mit zunehmender Symptomatik (NYHA III-IV) und häufigen Hospitalisationen. In diesem Stadium der Erkrankung ist mit einer 1-Jahres-Mortalität zwischen 25 und 75% zu rechnen (5). Es ist daher wichtig, betroffene Patienten über die Prognose und die weiteren begrenzten therapeutischen Möglichkeiten (Herztransplantation, Herzunterstützungssysteme, Palliation) zu informieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte mit den Patienten ein ausführliches Gespräch über die Gestaltung der letzten Lebensphase geführt werden und gegebenenfalls auch ein Palliative Care Team involviert werden.

Medikamentöse Behandlung der HFmrEF

Patienten mit einer HFmrEF haben klinische Merkmale, welche der HFrEF ähnlicher sind als der HFpEF. Die Mortalität ist hingegen tiefer als bei der HFrEF (28). Patienten mit HFmrEF sind öfter jünger, männlich und haben häufiger eine koronare Herzerkrankung, wohingegen Vorhofflimmern und nicht kardiale Komorbiditäten bei der HFpEF häufiger sind (28).
Es existieren bisher nur wenige prospektive, randomisierte, kontrollierte Studien, die explizit Patienten mit HFmrEF untersucht haben. So besteht die beste Evidenz derzeit für die SGLT-2-Inhibitoren, welche bei allen HFmrEF-Patienten eingesetzt werden sollten (29). Für alle andere Substanzklassen (ACE-I, ARNI, Betablocker, MRA) besteht eine Klasse-IIb-Empfehlung («kann erwogen werden»), welche sich primär auf Subgruppenanalysen stützt (5). Eine medikamentöse Therapie mit einer Vierfachtherapie sollte bei Patienten, welche eine Verbesserung der EF auf >40% erfahren haben (HFimpEF), unverändert fortgeführt werden. Bisher gibt es für diese Patientenpopulation keine spezifischen Studien. Hingegen zeigte eine Studie bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie und Verbesserung der EF auf >50% einen negativen Effekt, wenn die Medikation schrittweise gestoppt wird (31).

Fazit

Die Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz ist oft komplex und zeitaufwendig. Mittlerweile stehen zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit eingeschränkter LVEF diverse Therapieoptionen zur Verfügung. Allgemein ist eine gute Prävention und Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen sowie die frühe Erkennung von Patienten, die an einer Herzinsuffizienz leiden essenziell – möglichst, bevor eine Hospitalisation notwendig wird. Durch eine rasche Einführung und Aufdosierung der Vierfachtherapie bei HFrEF können Episoden mit akuter Verschlechterung verhindert sowie die Lebensqualität und das Überleben verbessert werden. Hierdurch lassen sich unnötige Hospitalisationen sowie Konsultationen in der Hausarztpraxis vermeiden. Dies ist umso wichtiger aufgrund der in den nächsten Jahren zu erwartenden starken Zunahme der Prävalenz. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Spezialisten und Grundversorgern mit Einbezug von Angehörigen und spezialisierten Pflegefachkräften trägt zum Behandlungserfolg bei. Weitere medikamentöse und nicht medikamentöse Therapien sind in Entwicklung und werden hoffentlich die Versorgung dieser vulnerablen Patientenpopulation weiter verbessern.

Dr. med.Matthias Paul

Herzzentrum, Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse 16
6000 Luzern

Literatur:
1. Bozkurt B, Coats AJS, Tsutsui H, et al. Universal definition and classification of heart failure: a report of the Heart Failure Society of America, Heart Failure Association of the European Society of Cardiology, Japanese Heart Failure Society and Writing Committee of the Universal Definition of Heart Failure: Endorsed by the Canadian Heart Failure Society, Heart Failure Association of India, Cardiac Society of Australia and New Zealand, and Chinese Heart Failure Association. Eur J Heart Fail. 2021;23(3):352-80.
2. Global, regional, and national incidence, prevalence, and years lived with disability for 354 diseases and injuries for 195 countries and territories, 1990-2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet. 2018;392(10159):1789-858.
3. Chioncel O, Lainscak M, Seferovic PM, et al. Epidemiology and one-year outcomes in patients with chronic heart failure and preserved, mid-range and reduced ejection fraction: an analysis of the ESC Heart Failure Long-Term Registry. Eur J Heart Fail. 2017;19(12):1574-85.
4. Savarese G, Becher PM, Lund LH, et al. Global burden of heart failure: a comprehensive and updated review of epidemiology. Cardiovasc Res. 2023;118(17):3272-87.
5. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur J Heart Fail. 2022;24(1):4-131.
6. Mueller C, McDonald K, de Boer RA, et al. Heart Failure Association of the European Society of Cardiology practical guidance on the use of natriuretic peptide concentrations. Eur J Heart Fail. 2019;21(6):715-31.
7. Bayes-Genis A, Docherty KF, Petrie MC, et al. Practical algorithms for early diagnosis of heart failure and heart stress using NT-proBNP: A clinical consensus statement from the Heart Failure Association of the ESC. Eur J Heart Fail. 2023;25(11):1891-8.
8. Unverzagt S, Meyer G, Mittmann S, et al. Improving Treatment Adherence in Heart Failure. Dtsch Arztebl Int. 2016;113(25):423-30.
9. Mebazaa A, Davison B, Chioncel O, et al. Safety, tolerability and efficacy of up-titration of guideline-directed medical therapies for acute heart failure (STRONG-HF): a multinational, open-label, randomised, trial. Lancet. 2022;400(10367):1938-52.
10. Mullens W, Damman K, Harjola VP, et al. The use of diuretics in heart failure with congestion – a position statement from the Heart Failure Association of the European Society of Cardiology. Eur J Heart Fail. 2019;21(2):137-55.
11. Desai AS, McMurray JJ, Packer M, et al. Effect of the angiotensin-receptor-neprilysin inhibitor LCZ696 compared with enalapril on mode of death in heart failure patients. Eur Heart J. 2015;36(30):1990-7.
12. Packer M. What causes sudden death in patients with chronic heart failure and a reduced ejection fraction? Eur Heart J. 2020;41(18):1757-63.
13. Heidenreich PA, Bozkurt B, Aguilar D, et al. 2022 AHA/ACC/HFSA Guideline for the Management of Heart Failure: A Report of the American College of Cardiology/American Heart Association Joint Committee on Clinical Practice Guidelines. Circulation. 2022;145(18):e895-e1032.
14. McDonald M, Virani S, Chan M, et al. CCS/CHFS Heart Failure Guidelines Update: Defining a New Pharmacologic Standard of Care for Heart Failure With Reduced Ejection Fraction. Can J Cardiol. 2021;37(4):531-46.
15. Velazquez EJ, Morrow DA, DeVore AD, et al. Angiotensin-Neprilysin Inhibition in Acute Decompensated Heart Failure. N Engl J Med. 2019;380(6):539-48.
16. Wachter R, Senni M, Belohlavek J, et al. Initiation of sacubitril/valsartan in haemodynamically stabilised heart failure patients in hospital or early after discharge: primary results of the randomised TRANSITION study. Eur J Heart Fail. 2019;21(8):998-1007.
17. Packer M, Fowler MB, Roecker EB, et al. Effect of carvedilol on the morbidity of patients with severe chronic heart failure: results of the carvedilol prospective randomized cumulative survival (COPERNICUS) study. Circulation. 2002;106(17):2194-9.
18. Effect of metoprolol CR/XL in chronic heart failure: Metoprolol CR/XL Randomised Intervention Trial in Congestive Heart Failure (MERIT-HF). Lancet. 1999;353(9169):2w001-7.
19. The Cardiac Insufficiency Bisoprolol Study II (CIBIS-II): a randomised trial. Lancet. 1999;353(9146):9-13.
20. Paolillo S, Dell‘Aversana S, Esposito I, et al. The use of ß-blockers in patients with heart failure and comorbidities: Doubts, certainties and unsolved issues. Eur J Intern Med. 2021;88:9-14.
21. Murphy D, Banerjee D. Hyperkalaemia in Heart Failure: Consequences for Outcome and Sequencing of Therapy. Curr Heart Fail Rep. 2022;19(4):191-9.
22. Butler J, Anker SD, Lund LH, et al. Patiromer for the management of hyperkalemia in heart failure with reduced ejection fraction: the DIAMOND trial. Eur Heart J. 2022;43(41):4362-73.
23. Packer M, Anker SD, Butler J, et al. Cardiovascular and Renal Outcomes with Empagliflozin in Heart Failure. N Engl J Med. 2020;383(15):1413-24.
24. McMurray JJV, Solomon SD, Inzucchi SE, et al. Dapagliflozin in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2019;381(21):1995-2008.
25. Liew A, Lydia A, Matawaran BJ, et al. Practical considerations for the use of SGLT-2 inhibitors in the Asia-Pacific countries-An expert consensus statement. Nephrology (Carlton). 2023;28(8):415-24.
26. Armstrong PW, Pieske B, Anstrom KJ, et al. Vericiguat in Patients with Heart Failure and Reduced Ejection Fraction. N Engl J Med. 2020;382(20):1883-93.
27. Ezekowitz JA, O‘Connor CM, Troughton RW, et al. N-Terminal Pro-B-Type Natriuretic Peptide and Clinical Outcomes: Vericiguat Heart Failure With Reduced Ejection Fraction Study. JACC Heart Fail. 2020;8(11):931-9.
28. Koh AS, Tay WT, Teng THK, et al. A comprehensive population-based characterization of heart failure with mid-range ejection fraction. Eur J Heart Fail. 2017;19(12):1624-34.
29. McDonagh TA, Metra M, Adamo M, et al. 2023 Focused Update of the 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J. 2023;44(37):3627-39.
30. Swiss Heart Failure Working Group of the Swiss Society of Cardiology. SHFW Pocket-Card: Diagnose und Management der chronischen Herzinsuffizienz. https://www.heartfailure.ch/de/
31. Halliday BP, Wassall R, Amrit S, et al. Withdrawal of pharmacological treatment for heart failure in patients with recovered dilated cardiomyopathy (TRED-HF): an open-label, pilot, randomised trial. Lancet 393, 61–73 (2019).