Die (verpasste?) Chance der kardiovaskulären Prävention in der Schweiz

Im vergangenen Jahrhundert waren Infektionskrankheiten und die hohen Raten an Kindersterblichkeit die Haupttodesursache in der Schweiz (1). Durch die medizinische Entwicklung und die Entdeckung von Antiinfektiva, insbesondere Antibiotika und eine verbesserte Versorgung, konnte die Lebenserwartung gesteigert und Infektionskrankheiten zurückgedrängt werden (2). Aktuell führen nicht übertragbare Erkrankungen die Ranglisten der Mortalität und Morbidität weltweit sowie in der Schweiz, mit kardiovaskulären Erkrankungen an der Spitze (3,4). In den letzten 100 Jahren ist die Entwicklung der Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) dem epidemiologischen Wandel und der globalen wirtschaftlichen Entwicklung gefolgt (5). Auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten die Behandlung durch Einführung diverser Medikamente, Interventionen und Devices deutlich verbessert hat, sind kardiovaskuläre Erkrankungen für jeden dritten Tod verantwortlich und reflektieren mit der steigenden Prävalenz das ausserordentliche Tempo, das die Gesellschaft eingeschlagen hat (6).

In dieser Ausgabe von PRAXIS beschreiben Rosemann und Kollegen das aktuelle Thema der Prävalenz und Versorgung von kardiovaskulären Erkrankungen in der Schweiz. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Jahre mit verminderter Lebensqualität und Lebenserwartung, sogenannte DALYs (disability-adjusted life years), gelegt (7, 8). Das Konzept wurde 1993 erstmals im Weltentwicklungsbericht der Weltgesundheitsorganisation präsentiert (9). Dieses Konzept stammt ursprünglich aus dem Vereinigten Königreich und möchte sowohl die Lebensqualität als auch die Lebenserwartung als Zielgrösse von medizinischen Interventionen und insbesondere präventiven Bemühungen berücksichtigen (7, 8). Die Zusammenstellung von Rosemann et al. zeigt eindrücklich, dass in Bezug auf präventive Massnahmen in der kardiovaskulären Medizin einerseits ein grosses Potenzial durch die hohe Prävalenz von kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegt, andererseits bezüglich der Versorgung und der praktischen Umsetzung dieser präventiven Massnahmen unzureichende Umsetzung auf nationaler und kantonaler Ebene vorliegt (10). Bei der Behandlung und Prävention kardiovaskulärer Krankheiten kommt es zu einigen verpassten Chancen, wenn es darum geht, die kardiovaskuläre Versorgung zu verbessern und unnötige Kosten zu vermeiden. Im Allgemeinen lassen sich diese Möglichkeiten für Verbesserung in sechs Kategorien im Krankheitskontinuum einteilen: Änderung der Risikofaktoren, Patient/-innen-Beteiligung, korrekte Diagnosen, Anwendung von first-line Empfehlungen, Anwendung von fortschrittlichen Behandlungen, Nutzung von zusätzlichen Diensten (11). Neben den sechs Kategorien mit Verbesserungspotenzial wird auch das Ausmass der Probleme dargestellt.
Exemplarisch sei eine Kategorie mit grossem Verbesserungspotenzial herausgegriffen: körperliche Inaktivität. Sie ist, neben ungesunder Ernährung, Tabakkonsum und übermässigem Alkoholkonsum, einer der wesentlichsten verhaltensbedingten Risikofaktoren für Herzerkrankungen (12, 13). Körperliche Inaktivität oder Sitzen wird als das neue Rauchen bezeichnet (14) und führt zu erhöhtem kardiovaskulären Risiko und Mortalität (15). Im Gegensatz dazu senkt körperliche Aktivität das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen (16). Wissen und Aufmerksamkeit für die positiven Effekte von Bewegung sind daher wichtige Bestandteile für Prävention in der Bevölkerung. Das Konzept für körperliche Aktivität ist in vielen Aspekten sehr früchtetragend, denn mit wenig Aufwand können sehr hohe Effekte in vielen Bereichen erzielt werden (17).

Neben der Bedeutung für unsere Patientinnen und Patienten stellt kardiovaskuläre Prävention auch ein riesiges Potenzial aus gesundheitsökonomischer Sicht dar (18). Rosemann und Kollegen bewerten das ökonomische Potenzial einer optimalen kardiovaskulären Behandlung in der Schweiz, indem sie direkte und indirekte Kosten von kardiovaskulären Erkrankungen beziffern und das Potenzial für individuelle Gesundheit und vermeidbare ökonomische Belastungen darlegen. Das ungenutzte Potenzial einer optimalen kardiovaskulären Risikofaktorenkontrolle wird mit 69,3 % kumulativer Reduktion der Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen beziffert. Dies würde 9,3 Milliarden CHF pro Jahr sparen und neben sozioökonomischen Aspekten ca. 233 000 DALYs vermeiden. Der vermeidbare sozioökonomische Schaden wird mit 22,6 Milliarden CHF durch optimale kardiovaskuläre Risikofaktorenkontrolle beziffert. Diese eindrücklichen Zahlen sollten als Weckruf für die medizinische Community, aber auch für sämtliche Entscheidungstragende im Gesundheitswesen fungieren. Diese Zahlen sollen auch als Anstoss für ein gemeinsames Anpacken für eine nationale Strategie zur optimalen Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren dienen. Nur ein gemeinsamer Ansatz von kantonalen und nationalen Entscheidungstragenden, Vertretenden aus dem Versicherungs- und Bildungswesen, Vertretenden von Patientinnen und Patienten und sonstigen Stakeholdern kann diese unzufriedenstellende Situation in Richtung optimierter Gesundheitsversorgung bewegen.

Gloria Petrasch, MSc, BEd
PD Dr.med. David Niederseer, PhD, BSc
Hochgebirgsklinik Davos
Medizincampus Davos, Davos, Switzerland
Herman-Burchard-Strasse 1
7265 Davos Wolfgang
david.niederseer@hgk.ch

PD Dr. med. David Niederseer

Literatur:
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2. Wattjes A, Karathana M, Krackhardt B, Heudorf U. Die Schuleingangsuntersuchung: Ein kritischer Blick auf Historie und Status quo. Gesundheitswesen. April 2018;80(4):310–6.
3. Statistik B für. Spezifische Todesursachen [Internet]. [zitiert 5. März 2024]. Verfügbar unter: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/sterblichkeit-todesursachen/spezifische.html
4. World health statistics 2023 – Monitoring health for the SDGs. 2023;
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6. Lindstrom M, DeCleene N, Dorsey H, Fuster V, Johnson CO, LeGrand KE, u. a. Global Burden of Cardiovascular Diseases and Risks Collaboration, 1990-2021. J Am Coll Cardiol. Dezember 2022;80(25):2372–425.
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9. Weltbank, Herausgeber. Investing in health: world development indicators. 1. print. New York, NY: Oxford Univ. Pr; 1993. 329 S. (World development report).
10. Schneider CA. Kardiovaskuläre Risikofaktoren und deren therapeutische Beeinflussung. In: Erdmann E, Herausgeber. Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gefäße [Internet]. Berlin, Heidelberg: Springer; 2009 [zitiert 5. März 2024]. S. 1–12. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/978-3-540-79011-2_1
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Differenzialdiagnose und medizinische Innovation – Teil 2

Am 4.12.2023 veranstaltete die Zurich Academy of Internal Medicine (ZAIM) ein Symposium zum 100. Geburtstag von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Walter Siegenthaler am Universitätsspital Zürich. Der von Medworld AG (Steinhausen) hervorragend organisierte Anlass zog ein zahlreiches Publikum bestehend aus ehemaligen Schülern, Kollegen und Freunden von Walter Siegenthaler an den Ort seines ehemaligen Wirkens.

Der erste Teil erschien in der Zeitschrift « die informierte ärztin, der informierte arzt 01, 2024. In diesem 2. Teil gibt Dr. Lorenzo Käser einen Rückblick über 100 Jahre Differenzialdiagnostik Zürich, PD Lukas Zimmerli beschäftigt sich mit Check-up und Differenzialdiagnose und Prof. Lutz Jäncke entführt uns in das Unbewusste und zeigt, wie wir richtige und falsche Entscheidungen treffen und wie unser Gedächtnis funktioniert.

100 Jahre Differentialdiagnose in Zürich

Die Entwicklung der Inneren Medizin in Zürich – die Direktoren der medizinischen Klinik und der medizinischen Poliklinik, Standorte und wichtige Publikationen – Einordnung von Siegenthalers Vita waren Gegenstand er Präsentation von Dr. Lorenzo Käser, Ressort Lehre, Direktion Forschung und Lehre USZ. Der Referent erinnerte zunächst an den weltbekannten Botaniker, Internisten und Lehrer Prof. Otto Nägeli, der von 1918 bis 1921 Direktor der Medizinischen Poliklinik und von1921 bis 1937 Direktor der Medizinischen Klinik am damaligen Kantonsspital Zürich war. Otto Nägeli veröffentlichte im Jahre 1917 das Buch Differenzialdiagnose in der Inneren Medizin im Georg Thieme Verlag. Seine Nachfolger waren Wilhelm Löffler 1937-1957 und Paul H.  Rossier 1957-1969.

Das Buch zur Differenzialdiagnose innerer Krankheiten wurde 1952 von PD Dr. Robert Hegglin neu herausgegeben. 1972 erfolgte die erste Mehrautoren-Ausgabe unter Prof. Walter Siegenthaler. 2012 wurde die Differenzialdiagnose innerer Krankheiten – vom Symptom zur Diagnose unter Prof. Edouard Battegay und mit Thieme neu herausgegeben – Moderne Didaktik & Gestaltung- Schritte in die Digital- & Online-Zeit.

Von der Situation zur Differenzialdiagnose

Bedeutung, Formen und Elemente der Check-up Untersuchung, Differenzialdiagnose schützt vor Über- und Unterversorgung, Check-ups oder Sprechstunde, dies die Themen, über welche PD Dr. Lukas Zimmerli, Chefarzt Medizinische Klinik Kantonsspital Olten, referierte.

Check-ups werden häufig verlangt. Die Top 10 Gründe für Visiten in Kanada im Jahre 2019 waren

Pat. Visiten % Männer % Frauen % Patientenvisiten mit Arzneimittelempfehlungen
Hypertonie 21’296 54 46 84
Diabetes mellitus 12’651 57 43 78
Depressive Störungen 8’672 34 66 82
Angstzustände 7’879 35 65 72
Gesundheits-Check-up 7’670 50 50 3
Unbekannte/unspezifische
Gründe
5’334 47 53 100
Akute Infektion der oberen Atemwege 5’242 49 51 38
Normale Schwangerschafts-
überwachung
5’090 0 100 12
Hyperlipidämie 5’019 60 40 89
Hypothyreose 4’989 22 78 93

…über Angebote der «Check-u-Industrie»

Blut- und Urinanalysen Junior Check-up Business Check-up Executive Check-up
Ausführliches Gespräch mit dem Facharzt zum persönlichen Gesundheitszustand X X X
Ausführliche ärztliche Untersuchung X X X
Impfkontrolle und Beratung X X X
Überprüfung von Herzkreislauffunktion und Risikofaktoren X X X
Ruhe, Belastungs- und Erholungs-EKG mit Blutdruckmessung, optimaler Trainingspulsberechnung (Conconi-Test, ev. mit Laktatmessung X X X
Körpermessungen Gewichtsanamnese, BMI, Waist/Hip -Ratio, Körperfettanteil X X X
Beurteilung der Kraft und der Beweglichkeit X X X
Beweglichkeitsmessung der Wirbelsäule (nicht invasive Methode o. Strahlenbelastung X X X
Lungenfunktionstest X X X
Screening auf Hautveränderungen X X X
Prostata-Screening X X
Darmkrebs-Screening (Stuhltest) X X

Platinum Check-up
Detaillierte Leistungen

Anamnese-Gespräch zum persönlichen Gesundheitszustand
Umfassende ärztliche Untersuchung
Impfkontrolle
Besprechung der Untersuchungsergebnisse
Ausführliche altersangepasste Laboruntersuchungen (Blut, Urin)
Ruhe-EKG
Belastungs-EKG
Messung der Körperzusammensetzung
Lungenfunktionstest
Kraft- und Beweglichkeitsmessungen, Wirbelsäulen-Check
Überprüfung des Sehvermögens
Augendruckmessung
Prostata bei Männern über 45
Massnahmenplan mit praktischen Übungsbeispielen inkl. Beratung
MRI Ganzkörper
Echokardiografie und Carotis-Sonografie
Gastroskopie und Kolonoskopie
Alle Untersuchungen an einem Tag
2 Jahre Premium-Mitgliedschaft

.. zur Selbstoptimierung

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Der Referent präsentierte anschliessend die häufigsten Todesursachen nach Altersklassen mit wenigen Todesfällen wegen Unfällen oder «übrigen»  bei den 0-24 Jährigen und einem guten Drittel an Herz-Kreislauferkrankungen, gefolgt von Demenz und Krebs bei über 85-Jährigen.

Die Elemente des Check-ups

Regelmässige Gesundheitsuntersuchung
Beratung und Verhaltensänderung
Impfungen
Screening        Bei symptomfreien Personen Einschätzung des persönlichen Risikoprofils
Case Finding  Spezifisches identifizieren von Risikofaktoren →individuelle Risikofaktorenbeurteilung
Hidden Agenda. Nicht deklarierte Beweggründe für einen Arztbesuch (Ängste, Befürchtungen, Erwartungen…)

Differenzialdiagnostisches Denken ist zentral für Case Finding

Case Finding ist das identifizieren von asymptomatischen Erkrankungen resp. deren Risikofaktoren während einer (Routine-)Konsultation. Individuelle Risikobeurteilung der Patient:innen je nach Vorhandensein weiterer Risikofaktoren, Symptomen, Begleiterkrankungen (z.B. chronisch entzündliche Darmerkrankung) und Familienanamnese (z.B. prämature KHK).
→ differenzialdiagnostisches Denken ist zentral für individuelle Risikobeurteilung

Hidden Agenda

Hidden Agenda bezeichnet seitens der Patint:innen  nicht deklarierte Beweggründe für einen Arztbesuch. Hierzu gehören auch Erwartungen, Gefühle, Ängste, der Patient:innen, welche dem Ärzt:innen nicht ohne weiteres preisgegeben werden.

Patient:innen verlangen Check-up nicht nur  wegen Prävention

Prospektive Studie an der Medizinischen Poliklinik Basel: 66 Patient:innen (35% w), mittleres Alter 45±16 Jahre, 66% der Patient:innen in regelmässiger hausärztlicher Kontrolle, Patient:innen hatten 4.7±3.1 Symptome, jede/r 3. Patient:in hatte noch  «versteckte Gründe» für eine Check-up -Untersuchung.

Hidden Agenda bei 23 Patient:innen während der zweiten Konsultation:

Psychosoziale Belange der Patient:innen    8

Krankheitsverständnis der Patient:in   6

Krankheiten im sozialen Umfeld   3

Gesundheitliche Bedenken

  • Krebs   4
  • HIV   3
  • Herzkrankheit   3
  • Lifestyle (Rauchen, Diät, Trinksucht)   2
  • Hypertonie   2

Differenzialdiagnose schützt vor Fehl-  und Überversorgung

Patient:innen überschätzen den Nutzen von Interventionen und unterschätzen das Risiko (z.B. Krebs-Früherkennung) Patient:innen dürfen nicht durch unnötige  Interventionen gefährdet werden

→Schutz vor Überdiagnosen

→Subjektives Wohlbefinden muss zentral sein

→Shared Decision Making ist zentral

Check-ups oder Sprechstunde?

…the PHE (Periodic Health Evaluation) may provide clinicians time  to consider preventive  care more fully, thusleading to their instituting preventive measures more frequently.

… PHE has a stronger effect on improving the delivery of preventive services that are performed by clinicians  at the time of the office visit.

Check-up as a vehicle to develop  meanungful long-term relationship with patients:  «Time for the physicican to get to know the patient as a person and vice versa» (Boulware LE et al. Ann Intern Ned 2007;146:289-300/Brett AS. JMA 2021;325:2259-2261).

Check-ups zur Burnout-Prophylaxe von Ärzt:innen?

Die American Medical Association hat festgestellt, dass es wichtig ist, die Beziehungen zwischen Patienten und Ärzten zu verbessern, um eine qualitative hochwertige Pflege zu gewährleisten und Burnout vorzubeugen. Allgemeinmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, die zumindest teilweise darauf ausgerichtet sind, solche Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten, könnten jungen Ärzten   helfen, ihre Berufswünsche zu erfüllen, die Zufriedenheit mit ihrer Arbeit zu steigern und die Wahrscheinlichkeit eines Burnout zu verringern (Brett AS JAMA 2021;325:2259-2261).

 

Take Home Message

Individuelle Risikokomponenten beachten (Case finding)
Patient:innen verlangen Check-up Untersuchungen  oft wegen Symptomen und Sorgen (Open Agenda)
An mögliche nicht-deklarierte Beweggründe einer Check-up-Untersuchung denken (Hidden Agenda)
Prävention, falls möglich, in Grundversorgung der Patient:innen einbauen

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Cystische Lungenerkrankungen

Einleitung

Lungenzysten zählen zu den vermehrt diagnostizierten radiologischen Zufallsbefunden, begünstigt durch die weit verbreitete Verfügbarkeit von hochauflösenden Computertomographien (HRCT). Sie können als Teil des natürlichen Alterungsprozesses des Lungenparenchyms auftreten oder sich im Rahmen verschiedener Lungenerkrankungen manifestieren, einschliesslich postinfektiöser, maligner oder entzündlicher Genese. Bei der Konfrontation mit Lungenzysten in der HRCT ist ein systematischer Ansatz unerlässlich (Abbildung 1). Der erste Schritt besteht darin, sie von anderen umschriebenen, gering absorbierenden Bereichen zu unterscheiden, die häufig auftreten, beispielsweise Emphysem, Bronchiektasien oder Honeycombing. Anschliessend klassifiziert die Anzahl der Zysten, das Muster der Verteilung sowie das Vorhandensein von begleitenden Lungenanomalien die Zysten weiter in lokalisierte, zufällig auftretende oder diffuse zystische Lungenerkrankungen. Das Vorhandensein einer diffusen zystischen Lungenerkrankung rechtfertigt weitere Tests für eine präzise Diagnose, da die Behandlungsoptionen krankheitsspezifisch sind.

Birt-Hogg-Dubé-Syndrom

Das Birt-Hogg-Dubé Syndrom (BHD) ist eine seltene autosomal dominante Störung mit einer hohen Penetranz (geschätzt bei 90-95%) (1). Sie entsteht aufgrund von Keimbahnmutationen im Tumorsuppressorgen FLCN, das auf Chromosom 17p11.2 liegt und das Folliculin-Protein codiert. Die phänotypischen Merkmale der Krankheit umfassen eine Triade aus diffusen pulmonalen Zysten, Hautläsionen und renalen Neoplasien unterschiedlicher Histologie. Es betrifft in der Regel junge Erwachsene ohne Geschlechtspräferenz und tritt überwiegend bei Personen im Alter von 20 bis 40 Jahren auf; es kann jedoch in allen Altersgruppen auftreten. Bei BHD werden bei der Mehrheit der Patienten (ungefähr 80%) pulmonale Zysten beobachtet. Diese Zysten weisen im Vergleich zu anderen diffusen zystischen Lungenerkrankungen (DZLE) eine linsenförmige Form, größere Abmessungen und eine basale Dominanz auf (Abbildungen 2 und 3). Eine Studie zu radiologischen Merkmalen, die mit den vier Hauptursachen diffuser Lungenzysten assoziiert sind, zeigte eine deutlich höhere Inzidenz von paramediastinalen Zysten bei Personen mit BHD (2).
Die klinischen Manifestationen der Lungenbeteiligung bei BHD sind unspezifisch und werden hauptsächlich durch ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Pneumothorax charakterisiert (etwa 50-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung) (3). So entwickeln etwa 24% der Patienten mit Lungenzysten bei BHD einen Pneumothorax mit einer sehr hohen Rezidivrate von 75% (1).
Eine Hautbeteiligung tritt bei mehr als 85% der Patienten auf und äussert sich durch die Bildung gutartiger Hauttumore wie Fibrofollikulomen, Trichodiskomen und Acrochordonen (1). Die charakteristischsten Hautläsionen bei BHD sind Fibrofollikulome, schmerzlose kleine papuläre Wucherungen, die sich allmählich über die Kopfhaut, das Gesicht, den Hals und die Brust verteilen.
Eng mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist eine renale Beteiligung, die bei etwa 30% der Patienten mit BHD diagnostiziert wird (4). Die häufigsten Histologien umfassen Onkozytome und chromophobe Adenome, obwohl klarzellige und papilläre Karzinome ebenfalls auftreten können. Das Vorhandensein von bilateralem oder multifokalem Nierenkrebs mit frühem Beginn sollte den Verdacht auf BHD wecken.

Die Identifikation eines Pneumothorax bei jungen Personen mit einer positiven Familienanamnese bezüglich Pneumothoraces oder Nierentumoren sollte eine Untersuchung auf das Birt-Hogg-Dubé-Syndrom nach sich ziehen. Diese Evaluation umfasst eine hochauflösende Computertomographie (HRCT), eine dermatologisches Konsil mit Hautbiopsie sowie genetische Testung. Eine Lungenbiopsie ist bei typischer Konstellation respektive nachgewiesener Mutation nicht indiziert.

Die Behandlung besteht hauptsächlich in der Bewältigung von Komplikationen. Darüber hinaus ist das Screening auf renale Neoplasien entscheidend und wird in der Regel ab dem 20. Lebensjahr mit regelmässigen Screenings im Intervall von drei Jahren unter Verwendung der Magnetresonanztomographie (MRT) empfohlen (5,6).
Lymphozytäre interstitielle Pneumonie
Die lymphozytäre interstitielle Pneumonie (LIP) beschreibt eine diffuse Infiltration des Lungenparenchyms durch reaktives lymphoides Gewebe (7). Es kann sich als idiopathischer Zustand manifestieren oder mit verschiedenen zugrunde liegenden Faktoren assoziiert sein, wobei Autoimmunerkrankungen wie das Sjögren-Syndrom (25-50% der LIP-Fälle), systemischer Lupus erythematodes (SLE) und rheumatoide Arthritis (RA) die häufigsten Ursachen sind. Immunodefizienzzustände wie HIV und eine gemeinsame variable Immundefizienz (CVID) können ebenfalls mit LIP in Verbindung gebracht werden (8).
Radiologische Anomalien bei LIP zeigen verschiedene Erscheinungsformen, darunter Ground Glass Opazitäten (GGO), zentrilobuläre Noduli und zystische Veränderungen. Ground Glass Opazitäten werden eher im frühen Stadium der Krankheit beschrieben, während Noduli und Zysten bei chronischer, langjähriger LIP vermehrt beobachtet werden (9). Pulmonale Zysten wurden bei 60-80% der Patienten mit LIP festgestellt und zeigten eine durchschnittliche Größe von 16 mm (3-52 mm), bilaterales Auftreten und eine subpleurale oder peri-broncho-vaskuläre Verteilung. Eine zufällige Verteilung ist ebenfalls in der Literatur dokumentiert. Die Lungenfunktionsprüfung zeigt in der Regel ein restriktives Muster mit reduzierter Diffusionskapazität. Eine histologische Bewertung ist unerlässlich, um die Diagnose zu bestätigen.

Die Behandlung von LIP zielt darauf ab, die zugrunde liegende Erkrankung zu behandeln. In Fällen, die mit HIV assoziiert sind, haben antiretrovirale Therapien klinische Wirksamkeit gezeigt und eine Remission der LIP wurde berichtet (10). Für die meisten anderen Fälle ist ein immunsuppressives Regime mit Kortikosteroiden oder eine Kortikosteroid-sparend Therapie zur Verbesserung oder Stabilisierung der Krankheit empfohlen. Eine enge Überwachung mit wiederholten radiologischen Kontrollen wird bei Erkrankungen wie dem Sjögren-Syndrom empfohlen, jedoch ist das optimale Intervall und die Dauer der Nachbeobachtung noch zu bestimmen.

Lymphangioleiomyomatose

Die Lymphangioleiomyomatose (LAM) ist eine seltene zystische Lungenerkrankung, die durch die Proliferation von muskelähnlichen Zellen charakterisiert ist, die Mutationen in den Genen TSC1 (Hamartin) und TSC2 (Tuberin) aufweisen (11). Diese Gene kodieren Proteine, die den Signalweg von Rapamycin (mTOR) regulieren (11). Ein Mangel oder eine Dysfunktion von Hamartin und Tuberin führt zu einer hochregulierten mTOR-Aktivität, was zu einer erhöhten Proteinsynthese und unangemessenen zellulären Proliferation, Migration und Invasion führt. Zusätzliche Effekte von TSC1- und TSC2-Mutationen umfassen die Unterdrückung der Autophagie, einen Wechsel zu glykolytischem Stoffwechsel und die Expression von vaskulären endothelialen Wachstumsfaktoren (=vascular endothelial growth factor/ VEGF-C und VEGF-D) (12). Ein erhöhter Serumspiegel von VEGF-D ist bei 50-70% der Patienten mit LAM messbar und dient als nützlicher diagnostischer und prognostischer Marker (13,14).
Die Rolle von Östrogen in der Pathologie von LAM ist noch nicht vollständig verstanden, jedoch steht eine Progredienz in Verbindung mit hohen Östrogenspiegeln etwa während der Schwangerschaft und Hormonersatztherapie. Ein Pneumothorax während der Schwangerschaft sollte stets den Verdacht auf LAM wecken. Oft wird postmenopausal eine verlangsamte Krankheitsprogression beobachtet. LAM wird entweder als sporadisch oder im Zusammenhang mit dem tuberösen Sklerosekomplex (TSC) klassifiziert. Sporadische LAM zeigt TSC1- und TSC2-Mutationen nur in neoplastischen Läsionen und betrifft hauptsächlich junge Frauen. Im Gegensatz dazu betrifft TSC-assoziierte LAM alle Zellen und tritt bei beiden Geschlechtern auf, wenn auch nicht gleichmässig verteilt (häufiger bei Frauen). TSC-LAM tritt bei 30% der Frauen mit TSC und bei 10-15% der Männer mit TSC auf (15). Das durchschnittliche Alter bei der Diagnose liegt bei 35 Jahren, aber es wurden auch seltene Fälle bei Kindern und älteren Menschen beschrieben.

Abb. 5: MRT des Abdomens zeigt ein renalen Angiomyolipom links (orangener Pfeil) bei einer Patientin mit TSC-LAM (Abbildung mit freundlicher Genehmigung des Universitätsspital Basel)

Lungenzysten bei LAM sind typischerweise rund, gleichmäßig in beiden Lungen verteilt und in Form und Grösse relativ einheitlich (Abbildung 4). Bei TSC-LAM treten häufig Lungennoduli mit einer Grösse von 2 bis 14 mm auf, die die zystischen Läsionen begleiten und eine multifokale mikronoduläre Pneumozyten-Hyperplasie repräsentieren. Bei 10% der LAM-Patienten treten weiterhin chylöse Pleuraergüsse auf.
Eine abdominale Beteiligung tritt insbesondere mit renalen Angiomyolipomen auf – gutartigen Tumoren, die ein hohes Blutungsrisiko bei >4 cm Grösse darstellen (Abbildung 5). Abdominale oder mediastinale Lymphangioleiomyome, Aszites und Lymphadenopathien können ebenfalls auftreten.
Der klinische Verlauf der LAM ist durch fortschreitende Dyspnoe bei körperlicher Anstrengung, das wiederholte Auftreten eines Pneumothorax und die Ansammlung von chylöser Flüssigkeit thorakal und abdominal gekennzeichnet. Bei der Lungenfunktion wird häufig ein obstruktiver Defekt und eine Hyperinflation festgestellt. Eine Verschlechterung der Lungenfunktion ist bei Patientinnen im reproduktiven Alter, hohen VEGF-D-Spiegeln und bei Verwendung von östrogenhaltigen Medikamenten festzustellen.

Die Durchführung einer HRCT Untersuchung zum Ausschluss einer LAM ist gerechtfertigt bei Auftreten eines Pneumothorax in der Schwangerschaft oder bei jungen, weiblichen Nichtraucherinnen, bei asymptomatischen Patienten mit TSC sowie bei der zufälligen Entdeckung von Angiomyolipomen oder unerklärlichem chylösem Aszites beziehungsweise Pleuraerguss. Die Leitlinien der ERS (European Respiratory Society) weisen darauf hin, dass die Diagnose von LAM auf der Grundlage charakteristischer zystischer Läsionen bei einem Patienten mit TSC, Angiomyolipom oder Chylothorax gestellt werden kann. Ein VEGF-D-Serumspiegel über 800 pg/ml bei einem Patienten mit typischen Zysten ist ebenfalls diagnostisch für LAM (16).

In der MILES-Studie (17) hat Sirolimus eine Verlangsamung der Progredienz der LAM gezeigt. Evidenzbasierte Empfehlungen schlagen vor, die Sirolimus-Behandlung zu beginnen, wenn das forcierte exspiratorische Volumen in einer Sekunde (FEV1) unter 70% fällt. Die optimale Behandlungsdauer bleibt unklar, und viele Patienten werden unbefristet behandelt. Ein weiterer Aspekt des LAM-Managements umfasst die regelmäßige radiologische Überwachung von Angiomyolipomen. Nachgewiesen ist ein höheres Blutungsrisiko bei Läsionen grösser als 4 cm, wonach sich eine Intervention, wie eine chirurgische Entfernung oder Embolisation, empfiehlt.

Pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose

Die pulmonale Langerhans-Zell-Histiozytose (PLCH) ist eine systemische Erkrankung, die sich als diffuse zystische interstitielle Lungenerkrankung manifestiert und hauptsächlich junge Erwachsene betrifft, die rauchen. Obwohl die genaue Pathogenese der Krankheit noch diskutiert wird, besteht ein gut dokumentierter Zusammenhang mit Nikotinabusus als begünstigendem Faktor. Die Prävalenz des Zigarettenrauchens liegt bei über 90% der diagnostizierten PLCH-Patienten (18). Somatische Mutationen in den MAPK-Signalwegen, insbesondere BRAF V600E und MAPK2K1, sind in den meisten Fällen nachweisbar (19).

Das klinische Bild ist bei der Mehrheit der Patienten unspezifisch und reicht von minimalen Symptomen bis zu Dyspnoe und Husten. Eine schwerere Präsentation mit konstitutionellen Symptomen wie Gewichtsverlust und Fieber ist ebenfalls möglich, beschränkt sich jedoch auf 20% der Fälle. Etwa 20% der Patienten zeigen extrapulmonale Manifestationen zum Zeitpunkt der Diagnose. Am häufigsten handelt es sich um zystische Knochenläsionen und pathologische Knochenbrüche. Eine skelettale Beteiligung kann pulmonalen Manifestationen vorausgehen und betrifft typischerweise flache Knochen. Eine Hypothalamus-Beteiligung, die zur Entwicklung von Diabetes insipidus führt, tritt bei 5-15% der Patienten auf, während Hautbeteiligung bei weniger als 5% zu beobachten ist. Die Lungenfunktion bleibt bei PLCH in der Regel erhalten. In den frühen Phasen der Krankheit wurde ein restriktives Muster beschrieben, das CT-radiologisch überwiegend nodulären Veränderungen entspricht. In den fortgeschrittenen Phasen der Krankheit zeigt sich lungenfunktionell ein obstruktives Muster, CT-radiologisch einem vorherrschend zystischen Muster entsprechend. Die Diffusionskapazität ist häufig im Verhältnis zu den Veränderungen des Lungenvolumens übermässig reduziert.

Die hochauflösende Computertomographie (HRCT) spielt eine entscheidende Rolle bei der Evaluation von PLCH. Das charakteristische Merkmal ist das Vorhandensein von diffusen Zysten und Noduli, die sich überwiegend in den mittleren bis superioren Bereichen der Lungen ansammeln, wobei der kostophrenische Winkel nicht befallen ist (20) (Abbildung 6). Die Noduli weisen oft eine schlecht definierte Form auf und messen typischerweise zwischen 2 und 10 mm.

Langerhans-Zellen sind spezialisierte dendritische Zellen, die eine entscheidende Rolle bei der Regulation der Schleimhautimmunität spielen (20). In der Pathologie von PLCH umfasst die initiale Läsion die Ansammlung aktivierter Langerhans-Zellen um die terminalen und respiratorischen Bronchiolen. Die Signale, die zur Aktivierung der Langerhans-Zellen führen, sind noch Gegenstand der Debatte, wobei das Rauchen einen prominenten Faktor darstellt (21). Die Langerhans-Zellen und die nachfolgende Rekrutierung von Entzündungszellen tragen zur Bildung von Noduli bei, die der Entwicklung von Remodeling der Atemwege und zystischen Veränderungen vorausgehen (19).
Die Diagnose von PLCH sollte bei jungen Rauchern, die sich mit zystischen und nodulären Infiltraten präsentieren, in Betracht gezogen werden. Eine Anamnese mit aufgetretenem Pneumothorax oder das Vorhandensein von Diabetes insipidus sollte die Aufmerksamkeit der Ärzte auf das mögliche Vorhandensein von PLCH lenken. HRCT ist ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung auf PLCH. Wenn klinische und radiologische Befunde auf PLCH hinweisen, sind weitere invasive diagnostische Verfahren angebracht. Zur Bestätigung der Diagnose kann eine bronchoalveoläre Lavage (BAL) ausreichend sein, wenn mehr als 5% CD1a-positive Zellen identifiziert werden, was eine hohe Spezifität, aber eine geringe Sensitivität zeigt. Weitere invasive diagnostische Methoden wie transbronchiale Biopsie (TBB) mit einer diagnostischen Ausbeute von 30% und Video-assistierte Thorakoskopie (VATS) können erforderlich sein. Ein Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomographie (FDG PET)-Scan kann bei der Diagnose von PLCH hilfreich sein, da Läsionen typischerweise FDG-positiv sind, insbesondere wenn der Verdacht auf extrapulmonale Beteiligung besteht.

Das Management von PLCH konzentriert sich hauptsächlich auf die Raucherentwöhnung und die Behandlung von Komplikationen wie Pneumothorax und respiratorisches Versagen. Eine medikamentöse Therapie mit Immunsuppression wird in der Regel bei Patienten mit beeinträchtigter Lungenfunktion zum Zeitpunkt der Diagnose oder einem Rückgang bei seriellem Testen trotz erfolgreichem Rauchstopp in Betracht gezogen. Die Wahl des Immunsuppressivums bleibt Gegenstand der Debatte, wobei begrenzt verfügbare Daten aus randomisierten kontrollierten Studien vorliegen. Erfahrungen deuten auf eine begrenzte Wirksamkeit von oralen Kortikosteroiden hin, während andere Substanzen wie Azathioprin, Methotrexat und Cladribin eine höhere Wirksamkeit zeigen können. In den letzten Jahren war ein neues Gebiet die targeted therapy, unter Berücksichtigung der hohen Prävalenz von Mutationen in den Genen der MAPK-Signalwege. Vemurafenib, ein BRAF-Kinaseinhibitor, zeigte eine gute Wirksamkeit in der Krankheitskontrolle (22) und eröffnete neue therapeutische Möglichkeiten bei PLCH.

Silviu-Mihail Chirila, silviu-mihail.chirila@usb.ch
Stv. Oberarzt
Universitätsspital Basel
Klinik für Pneumologie
Petersgraben 4
4031 Basel

Interessenskonflikte: Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

 

Silviu-Mihail Chirila

Universitätsspital Basel
Klinik für Pneumologie
Petersgraben 4
4031 Basel

Literatur:
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Arbeitsplatzassoziiertes Fieber oder wenn es doch das Zebra ist…

Einleitung

Febrile Körpertemperaturen kombiniert mit Grippesymptomatik (Kopf- und Gliederschmerzen, Malaise) sind oftmals angetroffene Beschwerden. Zumeist ist die Ursache in einer viralen oder bakteriellen Infektion zu suchen. Nebst der infektiösen Genese kommen aber auch zahlreiche weitere Krankheiten als Auslöser des Fiebers infrage [1].
Wie immer steht auch hier der Anamnese eine herausragende Bedeutung zu. Es soll u.a. nach der Häufigkeit und Dauer der Fieberschübe, den Begleitsymptomen (inklusive B-Symptomatik), der Umgebungsanamnese, Medikamenteneinnahme, Reisen mit entsprechendem Risikoverhalten und besonderen Freizeitbeschäftigungen gefragt werden.
Die Berufsanamnese soll dabei nicht vergessen werden, denn auch der Arbeitsplatz kann Fieberzustände auslösen. Sind zum Beispiel andere Mitarbeiter ebenfalls von ähnlichen Symptomen betroffen und/oder verschwinden die Beschwerden während des Wochenendes, respektive Urlaubs, lohnt es sich, einen detaillierten Tätigkeitsbericht zu verlangen. Eine Arbeitsplatzbegehung kann weitere Informationen betreffend Tätigkeit und Expositionen am Arbeitsplatz liefern.
Hauptaufnahmeweg von Noxen in der Arbeitswelt ist oft die Inhalation und so tritt häufig begleitend auch eine pulmonale Symptomatik (z.B. Husten, Dyspnoe) auf.
Bereits 1992 gab es Diskussionen bezüglich des Begriffs «Inhalationsfieber» [2], allerdings wurde bis heute kein Konsens bezüglich einheitlicher Nomenklatur gefunden. Gemäss Hendrick et al. werden unter dem Begriff «Inhalationsfieber» [3] eine Gruppe von grippeartigen Syndromen wie z.B. das Metalldampffieber, das Polymerrauchfieber und das organic dust toxic syndrom (ODTS) zusammengefasst. Die Hypersensitivitätspneumonitis (HP), traditionell auch exogen allergische Alveolitis (EAA) genannt [4], welche immunbedingt ebenfalls zu Fieber führt und oft ihren Trigger in der Arbeitswelt findet, wird in der Literatur nicht unter dem Begriff der «Inhalationsfieber» subsumiert.
Bei den Expositionen kann eine Unterscheidung und somit vereinfachende Einteilung in «organische Stäube » und «anorganische Substanzen» gemacht werden. Bei detaillierter Betrachtung der Einteilung gibt es aber Ausnahmen bezüglich der Zuordnung in die Bereiche «organisch» versus «anorganisch».
Durch die Inhalation von organischen Stäuben können die Krankheitsbilder der Hypersensitivitätspneumonitis (HP) und des organic dust toxic syndromes (ODTS) entstehen. Anorganische Substanzen, z.B. in Form von Dampf oder Rauch, verursachen u.a. das Metalldampffieber.
Berufsbedingte Lungenerkrankungen können toxisch oder immunvermittelt sein. Die toxische Wirkung ist abhängig von der Eigenschaft, der Dosis und der Einwirkungszeit der Substanz. Ab einer bestimmten Expositionshöhe kommt es immer zu einer Manifestation von Symptomen. Im Gegensatz dazu ist die immunvermittelte Reaktion eine individuelle Überempfindlichkeitsreaktion.
Je nach Berufsbild und somit Arbeitsort, respektive Inhalationsexposition lässt sich an verschiedene Krankheiten denken. In der Folge werden wir uns auf fieberhafte Zustände in Zusammenhang mit typischen Berufsbildern und deren potentielle Ursache konzentrieren.

Organische Stäube

Ein Landwirt stellt sich mit Fieber vor…
Bei der Arbeit im Landwirtschaftsbereich besteht in der Regel eine hohe Exposition gegenüber organischen Stäuben, dies z.B. in Form von Heu, Getreide, Silage etc. Durch Feuchtigkeitsbelastung kann Schimmel (Aspergillus spp [5], Saccharomycetes spp., termophile Aktinomyzeten) entstehen, dessen Bestandteile dann als Antigene fungieren. Nach Inhalation der genannten Antigene kann sich eine Hypersensitivitätspneumonitis (HP) entwickeln. Bei einem Landwirt wird die Erkrankung treffenderweise auch «Farmerlunge» genannt, wobei diese mit einer saisonalen und geographischen Häufung auftritt [6].
Zusammenfassend stammen die Antigene von folgenden Klassen: Mikroorganismen (Bakterien, Mykobakterien, Pilze), tierischen und pflanzlichen Proteinen (organisch), und auch von Chemikalien (Ausnahme: teilweise anorganisch). Die Autoren Raghu et al. [7]. und auch die Homepage www.hplung.com liefern eine umfassende Übersicht bezüglich HP-auslösenden Antigenen. So ist als bekannteres Beispiel der HP die Taubenzüchterlunge und die Befeuchterlunge zu nennen, exotischer ist dabei die Käsewäscherlunge oder die Federduvetlunge.
Patienten strukturiert zu befragen und an alle möglichen, teils seltenen Expositionen (z.B. Dampfbügeleisen, Blasinstrumente oder Bettfedern) zu denken kann schwierig sein. Hilfestellung liefert ein übersichtlicher Fragebogen, welcher von den Autoren Kreuter et al. [8] erstellt wurde und frei erhältlich ist. Um organisiert vorzugehen, kann man sich vom Patienten auch den detaillierten Tagesablauf schildern lassen.
Die Pathogenese der HP ist nicht abschliessend geklärt; man geht davon aus, dass es nach Inhalation der alveolengängigen Antigenen zu einer Infiltration durch mononukleäre Zellen und Neutrophile im Bereich der Bronchiolen, Alveolen und Interstitium mit folglicher Granulombildung kommt [9].
Da für die Krankheitsauslösung eine Sensibilisierungsphase benötigt wird, gibt es kein Auftreten nach einem Erstkontakt. Ob die Krankheit schliesslich ausbricht, ist abhängig von der Dauer der Exposition, der Staubkonzentration und der genetischen Prädisposition des Patienten [4].
Die HP ist eine seltene Erkrankung und die Inzidenz ist abhängig z.B. von geographischen und klimatischen Bedingungen [10].
Unterschieden wird eine akute, subakute und chronische Form der HP [11]. Die akute Form äussert sich mit Fieber, Schüttelfrost, Gliederschmerzen und pulmonaler Symptomatik (Husten und Dyspnoe) vier bis zwölf Stunden nach massiver Antigenexposition (Bsp. Reinigung eines Taubenschlages) und klingt nach 24 bis 48 Stunden spontan wieder ab. Oft heilt eine akute Form ohne Spätschäden aus. Hingegen braucht es für die chronische Form der HP Kontakt mit kleineren Antigenmengen über einen längeren Zeitraum. Die Symptome sind dann unspezifischer; es zeigen sich trockener Husten, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust und sind assoziiert mit einer schlechteren Prognose.
In der klinischen Untersuchung findet man beim Vorliegen einer bereits fibrotischen (respektive chronischen) Manifestation zumeist ein Knisterrasseln (Sklerosiphonie, velcro rales). Lungenfunktionell zeigt sich eine Restriktion. Eine Diffusionsstörung mit Abfall der Sauerstoffsättigung unter Belastung sind typisch bei fortgeschrittener Erkrankung.
Erhöhte Entzündungsparameter (Leukozyten, CRP) und teils positive antigen-spezifische Immunglobuline G Werte (Präzipitine) sind in der laborchemischen Untersuchung zu detektieren. Durch positive, spezifische IgG kann die Diagnose nicht bestätigt werden, ebenso wenig können negative IgG die Krankheit ausschliessen [10].
Die bronchoalveoläre Lavage (BAL) zeigt häufig eine relevante Lymphozytose und histopathologisch wird eine bronchiolozentrische Entzündung mit kleinen, histiozytären Granulomen nachgewiesen [7].

Richtungsweisend ist sicherlich die radiologische Bildgebung (HRCT) mit den typischen Befunden der Akutphase wie zentrilobuläre Noduli, Milchglasopazitäten, Airtrapping in Exspiration und in der chronischen Phase zusätzlich Retikulationen und Traktionsbronchiektasen [7].
Da die Diagnosestellung knifflig sein kann, liefern die Autoren Raghu et al. [7] ein Flussdiagramm, welches die Kriterien der passenden Anamnese, HRCT- Bildgebung, Labor, BAL und Histopathologie inkludiert.

Die Expositionskarenz, d.h. Urlaub an einem anderen Ort oder die Expositionstestung, welche direkt am Arbeitsplatz oder auch arbeitsplatzsimulierend vorgenommen werden kann, komplettieren schliesslich die Verdachtsdiagnose. Besonders aussagekräftig ist der Karenztest, wenn die abgeschwächten oder bereits ganz verschwundenen Symptome bei erneuter Exposition, z. B. nach einem Urlaub, wieder auftreten (Karenz−Reexpositionstest).
Nebst der Expositionskarenz, welche entscheidend ist, sind je nach Krankheitsstadien unterschiedliche Medikationsansätze möglich (Glukokortikoide, z.B. Prednison 0.5-1mg/kgKG [12], Immunsuppressiva, Antifibrotika). In einem terminalen Stadium bleibt -bei geeigneten Betroffenen- schliesslich nur die Lungentransplantation.
Betroffene Landwirte erhalten bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (www.bul.ch) weitere, praxisorientierte Informationen.

Es stellt sich noch ein Landwirt mit Fieber vor…
Als Differentialdiagnose zur HP ist das organic dust toxic syndrome (ODTS) [13] zu nennen. Hierbei handelt es sich um eine toxische Alveolitis, welche vier bis zwölf Stunden nach Inhalation von organischem Staub auftritt. Antigene sind dabei Mykotoxine oder Endotoxine, herkommend von u.a. schimmligem Getreide, Heu, Zellwandbestandteile von gramnegativen Bakterien und Pilzsporen. Folgedessen sind Arbeitsumgebungen in der Landwirtschaft (speziell Geflügel- und Schweinezucht), aber auch beispielsweise Baumwoll- oder Kornabbauindustrie [3] und Arbeiten mit/bei (schimmligen) Klimaanlagen/Befeuchtungssystemen betroffen. Klinische Erkrankungen sind u.a. das Drescher-, Korn- und Befeuchterfieber und das Siloentladesyndrom, welche alle deutlich häufiger in den Sommermonaten auftreten [3].
Bei regelmässigem Kontakt mit der auslösenden Substanz kann es einerseits zu einer Toleranzentwicklung beim ODTS kommen, andererseits klingen die Symptome nach 24 bis 48 Stunden spontan wieder ab und Spätfolgen werden nicht gesehen. Aufgrund der genannten Toleranzentwicklung kommt es typischerweise am Montag nach einem arbeitsfreien Wochenende/Urlaub wieder zu Beschwerden (sogenanntes «Montagsfieber»). Oft tritt ein ODTS auf, nachdem eine grosse Antigenmenge freigesetzt wurde, dies in Folge z.B. einer Siloreinigung, einer Be-/Entladung grosser Heumengen oder einer Kompostleerung. Die Krankheit tritt mit einer Inzidenz von 20-190/10000 häufiger als die HP auf. Wie es der Name sagt, handelt es sich um eine toxisch ausgelöste Erkrankung, d.h. liegt die Staub Exposition über einem gewissen Schwellenwert, erleiden ganze Menschengruppen, sogenannte Cluster, ähnliche Symptome [14]. Eine Sensibilisierung ist nicht nötig und Beschwerden können bereits bei der ersten Exposition auftreten. Interessanterweise sind sowohl bei der HP als auch beim ODTS mehr Nichtraucher als Raucher betroffen [12, 15].
Die Patienten klagen über einen trockenen Husten und ein akutes, febriles Krankheitsgefühl (inklusive Myalgien, Kopfschmerzen). In der laborchemischen Untersuchung zeigt sich eine milde Leukozytose. Im Gegensatz zur HP sind der Auskultationsbefund und die radiologische Bildgebung zumeist unauffällig und in der bronchoalveolären Lavage (BAL) finden sich vorherrschend Neutrophile.
Aufgrund der raschen Selbstlimitierung stellen sich wenige Patienten mit ODTS ärztlich vor. Die Therapie ist symptomatisch, Steroide werden nicht empfohlen. Generell soll
auf den Nutzen einer adäquaten, persönlichen Schutzausrüstung hingewiesen werden.

Anorganische Substanzen

Hat ein Schweisser am Montag Fieber…
Der Sektor der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie ist mit 320’000 Beschäftigten der grösste industrielle Arbeitgeber und eine der grössten Exportbranchen der Schweiz [16]. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist das Metalldampffieber, für welches zahlreiche Synonyme (Gelbgiesserfieber, Zinkfieber, Montagsfieber) existieren, heutzutage deutlich weniger bekannt, respektive beachtet.
Bei diversen Metallarbeiten wie z.B. dem Schweissen wird unter Anwendung von grosser Hitze und/oder Druck eine unlösbare Verbindung von Bauteilen (u.a. Stahl, Aluminium) eingegangen. Zusatzwerkstoffe in Form von Stäben und Drähten können zugeführt und abgeschmolzen werden und erstarren schliesslich in der Fuge. Für einen besseren Korrosionsschutz wird Stahl teils verzinkt. Zink verdampft ab 907°C und es entsteht in Kombination mit Sauerstoff Zinkoxid (ZnO).
Durch die hohe Hitzeanwendung beim Schweissen werden bei weitem nicht nur Zinkoxid, sondern je nach involvierten Materialien auch andere aerosolisierte Partikel (u.a. Mangan, Chrom, Eisen, Nickel) mit einer Grösse von ca 0.1 μm Durchmesser generiert.
Vier bis zehn Stunden nach direkter Inhalationsexposition mit metallhaltigem Rauch können grippeartige Beschwerden wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen und Myalgien und respiratorischen Beschwerden (Husten, Dyspnoe) beklagt werden. Manchmal wird auch über einen süsslich-metallischen Geschmack im Mund berichtet. Über die Arbeitswoche wird eine Toleranzentwicklung [17] beobachtet, hingegen sind die Beschwerden am Montagmorgen nach arbeitsfreien Wochenenden besonders intensiv. Ein zyklisch auftretendes Fieber sollte somit Anlass zur genaueren Nachforschung geben.
Die Pathogenese ist nicht schlüssig geklärt; man geht von einer immunologisch-entzündlichen sowie direkt toxischen Wirkung im Bereich der Atemwege aus [18].
Sowohl die klinische als auch radiologische Untersuchung fallen meistens unauffällig aus. Nur selten und bei schwerwiegenderen Fällen werden bilaterale Infiltrate beschrieben. Laboranalytisch können erhöhte Entzündungsparameter gemessen werden. Im Allgemeinen sind die Beschwerden zwölf bis 48 Stunden nach Exposition selbstlimitierend; eine allfällig benötigte Therapie ist symptomatisch.
Durch Absaugvorrichtungen und dem Tragen von Atemschutzmasken wird das Metalldampffieber heute deutlich seltener gesehen, nichtsdestotrotz gibt es auch viele do-it-yourself Hobbyschweisser, welche nicht unter betrieblichen Schutzmassnahmen stehen und sich dann mit den genannten akuten Beschwerden notfallmässig vorstellen.
Ergänzend sei auf das Polymerrauchfieber hingewiesen, welches sowohl in der Pathogenese als auch den Symptomen, der Therapie und dem Verlauf mit dem Metalldampffieber vergleichbar ist. Erstmals tritt es in der Literatur 1951, kurz nach dem Entdecken von Polytetrafluorethylen (PTFE) bzw. Teflon® [19] auf. PTFE ist ein thermoplastischer Kunststoff, welcher in der Industrie vielfältig als Antihaft- respektive Schmiermittel eingesetzt wird. Die bekannteste Anwendung ist sicherlich die Antihaftbeschichtung in Pfannen und Töpfen. Es wurde beobachtet, dass beim Überhitzen von Teflon® über 300°C ein Dampf/Rauch respektive giftige Fluorverbindungen entstehen. Eine Unterscheidung zwischen Metalldampffieber und Polymerrauchfieber ist nur anhand der Anamnese mit entsprechender Exposition möglich.

Abkürzungen
BAL: Bronchoalveoläre Lavage
DLCO: Diffusionskapazität von Kohlenmonoxid
EAA: Exogen allergische Alveolitis
HP: Hypersensitivitätspneumonitis
HRCT: high resolution Computertomographie
IgG: Immunglobuline G
ILD: interstitielle Lungenerkrankung (interstitial lung disease)
ODTS: organic dust toxic syndrome
TBLB: transbronchiale Lungenbiopsie

Interessenskonflikte
Es bestehen keine Interessenskonflikte.

Dr. med. Celine Schumacher, celine.schumacher@usz.ch
Universität Zürich
Arbeits- und Umweltmedizin
Hirschengraben 84
8001 Zürich

 

Dr. med.Celine Schumacher

Universität Zürich
Arbeits- und Umweltmedizin
Hirschengraben 84
8001 Zürich

Key messages

• Die Hypersensitivitätspneumonitis (HP) ist eine immunvermittelte Reaktion auf Antigene und tritt nach einer Sensibilisierungsphase auf. Sie äussert sich durch Fieber, Husten und Grippegefühl, sowie einem pulmonalen Knisterrasseln. Bei fortbestehender Exposition kann diese Krankheit verheerende Folgen haben.
• Als Differentialdiagnose zur HP muss an das organic dust toxic syndrome (ODTS) gedacht werden. Diese selbstlimitierende Krankheit tritt häufiger auf und nicht selten präsentiert sich eine Menschengruppe (sogenannte Cluster) mit den gleichen Symptomen.
• Das Metalldampffieber ist eine gutartige, in der Regel selbstlimitierende Erkrankung, welche typischerweise durch Inhalation von Zinkoxidrauch infolge Schweissarbeiten auftritt.
• Treten Fiebersymptome zyklisch auf und haben einen Zusammenhang mit Arbeitsplatz, Haushalt oder Hobby, lohnt es sich, eine diesbezüglich detaillierte Anamnese zu erheben. Strukturierte Fragebögen können hilfreich sein. Bei komplexen Fällen kann stets die Expertise der Arbeitsmedizin zu Rate gezogen werden.

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Kryobiopsien zur Differenzierung interstitieller Pneumopathien

Einleitung

Bei der interstitiellen Pneumopathie (ILD) handelt es sich um eine heterogene Gruppe von pulmonalen Erkrankungen, die sich aufgrund einer ähnlichen klinischen, radiologischen oder pathologischen Manifestation zusammenfassen lassen. Es handelt sich um entzündliche und/ oder fibrosierende Prozesse im Lungeninterstitium, welche zu irreversiblen Vernarbungen des Lungengewebes führen können. Als Initialsymptome bestehen meist eine langsam progrediente Dyspnoe und/oder ein unproduktiver Husten. Lungenfunktionell ist das Korrelat der Dyspnoe letztlich die Ausbildung einer Restriktion und die Einschränkung der Diffusionskapazität durch eine Verbreiterung der Blut-Gas-Schranke im Alveolarraum. Assoziationen mit zugrundeliegenden Erkrankungen (z.B. aus dem rheumatologischen Formenkreis die rheumatoide Arthritis oder Sklerodermie) sowie eine familiäre Prädisposition als Risikofaktor sind wichtig zu differenzieren. Die affirmative Diagnosesicherung kann richtungsweisend sein für die Etablierung der optimalen Therapie.
Zur Eingrenzung der Ätiologie sind neben einer umfassenden Anamnese bezüglich familiärer Disposition, Berufsanamnese (z.B. Asbest-, Steinstaubexposition), Noxenexpositionen in der Freizeit (Höhlenbesuche, Kontakt mit Holzstäuben etc.) auch Laboruntersuchungen zum Screening für rheumatologische Erkrankungen, chronische Infektionen (HIV) oder andere chronische Lungenerkrankungen wie z.B. Sarkoidose notwendig. Bei auffälligem Rheuma-Screening und/oder Rheumaassoziierten Beschwerden ist die Vorstellung bei einem Spezialisten zur näheren Eingrenzung bezüglich einer Rheuma-assoziierten-ILD indiziert. Weitere Differentialdiagnosen für interstitielle Pneumopathien sind Raucher-assoziierten Erkrankungen wie die RB-ILD (respiratorische Bronchiolitis) und die desquamative interstitielle Pneumonie (DIP), welche bei langfristigem Nicotinkonsum auftreten können.
Das CT-graphische Muster einer ILD ist entscheidend bezüglich der Wahl des weiteren diagnostischen Vorgehens respektive dessen Invasivität. Bei klinischem Verdacht auf eine idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) und der CT-radiologischen Diagnose eines klassisches UIP (usual interstitial pneumonia)-Musters besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit (>90%), dass auch histologisch ein UIP-Muster vorliegt. Gemäss der American Thoracic Society (ATS) und der European Respiratory Society (ERS) sprechen wir von einem UIP-Muster bei subpleuralen Retikulationen mit einem basoapikalen Gradienten (Zunahme der Veränderungen in den unteren Anteilen der Lunge) und Nachweis von Honigwaben (honey combing) +/- Traktionsbronchiektasen. Finden sich zwar der basoapikale Gradient und Traktionsbronchiektasen, fehlen aber die typischen subpleuralen mehrreihig angeordneten kleinzystischern Veränderungen (=Honigwaben), spricht man von einem möglichen UIP-Muster. Bei Vorliegen von Mikronoduli, ausgedehnten Infiltrationen und Milchglasinfiltraten sowie einer peribronchovaskulären Verteilung spricht man CT-radiologisch von einem «alternative diagnosis» Muster und eine histologische UIP ist unwahrscheinlich.

Interventionelle Diagnosesicherung

1. Liegt CT-radiologisch ein typisches UIP-Muster vor, wird per internationalem Konsens keine bioptische Sicherung benötigt.
2. Ähnliches gilt, sofern eine kausale rheumatologische Grunderkrankung für die Pneumopathie gefunden wurde.
Sofern im Rahmen einer interdisziplinären Besprechung keine affirmative Diagnose unter Berücksichtigung der Klinik, des Labors und der Bildgebung zu stellen ist, wäre als nächster Schritt eine Lungenspiegelung vorgesehen (Abbildung 1).
Die Bronchoskopie erfolgt meist in Analgosedation mit z.B. Disoprivan und einem antitussiv wirkenden Hydrocodon. Diese Intervention kann ambulant erfolgen.
Die sicherste Materialentnahme erfolgt in Form einer bronchoalevolären Lavage (BAL). Hierbei wird der Alveolarraum des mittels CT vordefinierten repräsentativen Areals durch Intubation des zuführenden Subsegmentbronchus mit physiologischer Kochsalzlösung gespült (1-3x 50ml) und die Spülflüssigkeit unter direkter Absaugung asserviert. In diesem Material kann eine Zelldifferenzierung durchgeführt werden. Als Nebenwirkungen können einerseits Husten durch Reizung der Stimmbänder und des Tracheobronchialbaums sowie Fieber innert 24 Stunden nach der Intervention auftreten. Beides ist fast immer selbstlimitierend. Die definitive Diagnosestellung einer ILD ist in bestimmten Fällen, wie z.B. der eosinophilen Pneumonie möglich, und relevante Differentialdiag­nosen wie ein Infekt oder eine alveoläre Hämorrhagie lassen sich ausschliessen.
Eine Aussagekraft über strukturelle Veränderungen lässt sich mit einer transbronchialen Zangenbiopsie (TBB) erzielen. In etwa 30-40% aller unklaren ILD wird eine Histologie zur Festlegung des therapeutischen Vorgehens erforderlich. Die TBB wird unter Durchleuchtung mit einer Zange durchgeführt. Hierbei wird v.a. der zentrilobuläre Lungenbereich erreicht. Die Biopsien haben eine Kantenlänge von ca. 1x1x1mm (Abbildung 2) und es lassen sich relativ zuverlässig homogene Veränderungen detektieren, wie z.B. eine Sarkoidose, eine organisierende Pneumonie oder einen diffusen Lungenschaden im Sinne einer DAD (diffuse alveolar damage) oder einer Lymphangiosis carcinomatosa. Häufig unterliegen die Biopsien jedoch einem «sampling error» oder sind aufgrund von Quetschartefakten nur eingeschränkt aussagekräftig. Vor der Biopsieentnahme ist es notwendig, eine bestehende orale Antikoagulation leitlinienkonform aufzuheben und eine Thrombozytenzahl >50×10*9/l zu garantieren. Für Aspirin liegen bisher keine umfassenden Daten in prospektiven Studien vor, aber unter konsequenter Einnahme ergibt sich im klinischen Setting kein erhöhtes Blutungsrisiko, ähnlich wie bei den EBUS gesteuerten transbronchialen Lymphknotenbiopsien. Des Weiteren muss vor Biopsieentnahme eine relevante Druckerhöhung im kleinen «Lungen»kreislauf mit einer transthorakalen Echokardiographie ausgeschlossen werden, da dies eine absolute Kontraindikation aufgrund des hohen Blutungsrisikos darstellt. Im Rahmen der Zangenbiospien besteht ein höheres Blutungsrisiko im Vergleich zur BAL und ein geringes Pneumothoraxrisiko (1-5%), wobei dieser meist ohne weitere Interventionen vollständig regredient ist.

Als Goldstandard zur Diagnosesicherung einer ILD ist weiterhin die chirurgische Lungenbiopsie zu nennen. Damit kann repräsentatives Lungengewebe bis auf die Ebene der sekundären Lobuli analysiert werden (Abbildung 2). Die Gewebeproben können aufgrund ihrer Grösse und der fehlenden Quetschartefakte die diagnostische Sicherheit auf bis zu 95% erhöhen. Jedoch besteht ein deutlich höheres periinterventionelles Risiko bei teils schwer kranken Patienten sowie der Notwendigkeit einer mehrtätigen Hospitalisierung, was deutlich höhere Kosten nach sich zieht. Vor allem bei ILD-Patienten besteht ein hohes Risiko einer Exazerbation der Pneumopathie postoperativ. Die Inzidenz für postoperative Komplikationen wird mit 3-19% deklariert.
Als vielversprechenden semiinvasiven Kompromiss zwischen einer TBB und der chirurgischen Lungenbiopsie hat sich die transbronchiale Kryobiopsie etabliert. Diese Untersuchung kann in flexibler oder starrer Endoskopie am intubierten Patienten durchgeführt werden und liefert parenchymatöse Biopsien von mehreren Millimetern Kantenlänge (ca. 3x3x3mm) (Abbildung 2). Unter tiefer Sedierung oder in Allgemeinanästhesie wird ein Metalltip, mit einem Durchmesser von 1.9 oder 2.4mm, mit einem Guidewire über ein therapeutisches Endoskop mit grossem Arbeitskanal unter Durchleuchtung in das Zielgebiet geführt. Hierbei sollte mit einem Abstand von ca. 1-2 cm zur Pleura die Sonde positioniert werden. Je weiter peripher man sich befindet, desto grösser ist das Pneumothoraxrisiko und je weiter zentral der zu biopsierende Ort liegt, erhöht sich das Blutungsrisiko erheblich. Nach Platzierung der Sonde wird durch das Kryogas (z.B. Stickstoffdioxid, Kohlendioxid) für 5 bis 7 Sekunden Kälte appliziert. Dabei friert das Lungengewebe um die Metallspitze. Nachfolgend wird die Sonde zurückgezogen und das gefrorene Material geborgen und für die Analyse direkt in Formalin fixiert und kann dann in Paraffin eingebettet und für weitere Färbungen verarbeitet werden. Immunhistochemische Untersuchungen und molekulare Analysen können wie bei der chirurgischen Biopsie durchgeführt werden. Die Diagnosestellung kann durch die minimal invasive Methode der Kryobiopsie von 65% auf 93% gesteigert werden, wie Ravagalia an einer Kohorte von 699 Patienten nachweisen konnte. Zur Minimierung der Blutungskomplikationen durch Gefässläsionen im Kryobereich wird endobronchial ein Ballon (z.B. Fogarty) vorgelegt, welcher direkt nach der Kryobiopsie aufgeblasen wird, um das Segment zu verschliessen und eine lokale Blutstillung zu ermöglichen. Der Anteil an «sampling error» wird auf ca. 20% geschätzt, wobei es sich hierbei vor allem um Material mit unzureichendem alveolären Parenchymanteil oder ausschliesslich um Bronchialwandanteile handelt. Daher wird in den aktuellen Leitlinien eine Entnahme von drei (bis max. fünf) Kryobiopsien empfohlen. Die transbronchiale Kryobiopsie sollte an Zentren mit Expertise in dieser Technik und mit intensivmedizinischem Background erfolgen.
Als Komplikationen bei der transbronchialer Kryobiopsie treten gehäuft Blutungen und Pneumothoraces auf. Als milde Blutung wird ein Ereignis angesehen, welches allein durch Absaugen behoben werden kann. Eine moderate Blutung liegt vor, wenn die zusätzliche Nutzung von vasopressiver Substanzen endobronchial (Glypressin, Adrenalin, Terlipressin etc.) oder eine manuelle Subsegmentbronchusobstruktion durch einen Ballon/ Bronchusblocker erforderlich wird. Schwere Blutungskomplikationen werden in weniger als 1% aller Interventionen beschrieben und bedürfen dann einer intensivpflichtigen Überwachung.
Zum Ausschluss eines Pneumothorax erfolgt innert 3-12 Std. postinterventionell ein Röntgen Thorax. Prinzipiell ist das Pneumothorax-Risiko mit 20-30% deutlich höher als bei den regulären transbronchialen Zangenbiopsien (in der Literatur grosse Spannbreite von 1-30%). Das Risiko steigt mit Schweregrad der Fibrose und mit zunehmender Restriktion.
Bei pulmonalen endstage Patienten mit sehr fortgeschrittener Grunderkrankung, bei einer bestehenden pulmonalen Hypertonie oder einer zwingenden Indikation zur Fortführung einer konsequenten Antikoagulation stellt die Kryobiopsie keine Alternative dar.
Als Kontraindikationen sind neben Gerinnungsstörungen, eine Thrombozytenzahl <50×10*9/l und die kontinuierliche Einnahme von Plättchenaggregationshemmern/ Antikoagulantien (z.B. Clopidogrel, NOAK, Marcoumar etc.) zu erwähnen. Kontrainduziert sind ein systolischer pulmonal-arterieller Druck von 50mmHg, eine Diffusion <35% Soll, eine FVC von <50% und eine schwere Hypoxämie <55mmHg unter 2 lpm Sauerstoffgabe.


Konklusion:
Das Spektrum der interventionellen Möglichkeiten der Abklärung einer unklaren interstitiellen Pneumopathie hat sich um die Kryobiopsie erweitert, womit eine rasche histologische Diagnosesicherung ermöglicht wird.
Prinzipiell ist bei einer intraalveolären oder zentrilobulären Distribution der auffälligen Befunde weiterhin die BAL oder die TBB der erste diagnostische Schritt, da es sich hierbei eher um homogen verteilte Pathologien handelt, bei denen die Treffsicherheit hoch ist, wie z.B. bei akuten/ chronischen Infekten, eosinophiler Pneumonie, Sarkoidose, alveolärer Hämorrhagie, organisierende Pneumonie etc.
Befinden sich die Befunde eher peripher oder im Bereich der Sekundärlobuli ist als initialer Abklärungsschritt die transbronchiale Kryobiopsie indiziert. Prinzipiell bestehen die gleichen Indikationen zur Durchführung wie bei einer chirurgischen Lungenbiopsie. V.a. bei diffusen Lungenparenchymerkrankungen ist eine Kryobiopsie eine risikoärmere Möglichkeit der Gewebesicherung.
Zusammenfassend kann durch die Etablierung der Kryobiopsie zusätzlich zur klassischen bronchoalveolären Lavage in der invasiven endoskopischen Diagnostik die diagnostische Treffsicherheit auf bis zu 80% gesteigert werden. In einer retrospektiven Analyse von Hostettler et al. konnte gezeigt werden, dass die Kryobiopsie die Notwendigkeit der chirurgischen Lungenbiopsie vermindern konnte. Dabei ergab sich, dass in 45% der Fälle durch die Histologie allein eine Diagnose gestellt werden konnte und in weiteren 25% wurden die histologischen Befunde durch Wertung eines multidisziplinären Gremiums aus Pathologen, Pneumologen, Radiologen und Rheumatologen zu einer affirmativen Diagnose geleitet und auf eine chirurgische Intervention konnte verzichtet werden.
Die Interdisziplinarität ist ein wichtiger Bestandteil der Konsensfindung bezüglich definitiver Diagnose und Therapieetablierung. Neben der klinischen Beurteilung benötigt es die umfassende fachkompetente Beurteilung der radiologischen und pathologischen Seite sowie der Rheumatologen und ggf. anderer Fachspezialisten wie Immunologen oder Hämatologen. Solche Gremien sind feste Bestandteile an den Zentrumsspitälern für ILD-Erkrankungen und können direkt für eine Beurteilung von externen Zuweisern angefragt werden und stehen für Networking gern zur Verfügung.

Dr. Kathleen Jahn, kathleen.jahn@usb.ch
Kaderärztin
Universitätsspital Basel
Klinik für Pneumologie
Petersgraben 4
4031 Basel

Interessenskonflikte: Die Autorin hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Dr. med.Kathleen Jahn

Universitätsspital Basel
Klinik für Pneumologie
Petersgraben 4
4031 Basel

Die Autorin hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Literatur:
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3. Richeldi L., Du Bois R.M., Rhagu G et al. Efficacy and Safety of Nintedanib in idiopathic Pulmonary Fibrosis. N Engl J Med 2014;370:2071-82.
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7. Hostettler K.E., Tamm M., Bubendorf L. et al. Integration of Transbronchial Cryobiopsy into Multidisciplinary Board Decision: A Single Center Analysis of one hundred Consecutive Patients With Interstitial Lung Disease. Respir Res. 2021; 22: 228.
8. Troy LK., Grainge C., Corte T. et al. Cryobiopsy versus Open Lung Biopsy in the Diagnosis of Interstitial Lung Disease (COLDICE): Protocol of a Multicentre Study. BMJ Open Respir Res. 2019; 6(1):e000443

Progressive Pulmonale Fibrose PPF

Prävalenz und Epidemiologie: welche Erkrankungen gehören zur «progressiven pulmonalen Fibrose» ?

Für die Schweiz gibt es keine genauen Prävalenzdaten für das Vorkommen von ILDs (Interstitial lung disaease), aufgrund internationaler vergleichbarer Daten darf von einer Prävalenz von ca. 76/100 000 in Europa ausgegangen werden.
Die interstitiellen Lungenerkrankungen sind eine heterogene Gruppe von Lungenparenchymerkrankungen, wobei sich die klinische Präsentation und die radiologischen Muster der verschiedenen Ätiologien zum Teil überlappen, zum Teil aber auch deutlich unterscheiden. Diese verschiedenen Lungenparenchymerkrankungen werden gemäss geltenden Richtlinien eingeteilt. Eine Übersicht gibt die Abbildung 1a. Es werden die idiopathischen Interstitiellen Pneumonien (IIP) von Autoimmunvermittelten Interstitiellen Lungenerkrankungen, sowie der Hypersensitivitätspneumonitis, der Sarkoidose und einigen weiteren gut beschriebenen seltenen Lungenerkrankungen (z.B. LAM Lymphyngioleiomyomatose) abgegrenzt.
Die in der Abbildung 1b hervorgehobenen ILDs gehen mit einem progressiv fibrosierenden Phänotyp einher (1). Die Schraffierung in der Abbildung 1a visualisiert zudem gemäss Schätzung eines internationalen Expertenkommittees der prozentuale Anteil der Erkrankungen, welche progredient fibrosieren (2).
Studien früher und heute – Von der IPF zum Konzept der «Progressiven pulmonalen Fibrose»
In der jüngeren Vergangenheit wurde die idiopathische Lungenfibrose (engl.: idiopathic pulmonary fibrosis, IPF) besonders hervorgehoben, da diese Erkrankung verglichen mit anderen ILDs mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität einhergeht. Die IPF wurde als überwiegend inflammatorische Erkrankung verstanden, die aufgrund gestörter Reparaturprozesse in einer irreversiblen Fibrose endet. Mit diesem Krankheitskonzept war der langjährige Einsatz von Kortikosteroiden und antiinflammatorischer Medikation (überwiegend Azathioprin) begründet. Die Bewertung der Wirksamkeit wurde intensiv und kontrovers diskutiert und insbesondere die potentiellen relevanten Nebenwirkungen erwähnt (3).
Im Verlauf wurde diskutiert, dass Sauerstoffradikale zum epithelialen Schaden beitragen, es wurde N-Acetylcystein als Antioxidans eingesetzt. Im Jahr 2005 wurde der IFIGENIA (Idiopathic Pulmonary Fibrosis International Group Exploring N-Acetylcystein I Annual)-Trial durchgeführt, die Studie untersuchte den möglichen Benefit von hochdosiertem N-Acetylcystein zusätzlich zur damaligen Standard-Therapie (Kortikosteroide und Azathioprin). Die Patienten unter Triple-Therapie zeigten nach einem Jahr einen Benefit bezüglich Erhalt der Lungenfunktion, nicht aber bezüglich der Mortalität.
Das zwischenzeitlich weiter entwickelte pathophysiologische Verständnis und das fehlende histopathologische Merkmal der aktiven Entzündung bei der IPF führten zum PANTHER-IPF (Prednisone, Azathioprine , and N-Acetlycystein: A Study That Evaluates Respones in Idiopathic Pulmonary Fibrosis)-Trial, der die antiinflammatorische und antioxidative Therapie-Strategie versus Placebo untersuchte (4). 2011 wurde eine geplante Interims-Analyse durchgeführt und die Studie aufgrund schwerer Nebenwirkungen (u.a. Tod) gestoppt.
Diese Studie führte nun also dazu, dass Kortikosteroide und antiinflammatorische Medikamente bei IPF nicht mehr eingesetzt wurden und werden (5), wohingegen diese bei anderen ILDs wie z.B. der Hypersensitivitätspneumonitis oder Autoimmunassoziierten-ILDs zumindest in einem frühen Stadium weiterhin erfolgreich verabreicht werden können.
Die klinische Forschung fokussierte sich im weiteren Verlauf auf den Einsatz der antifibrotischen Substanzen Pirfenidon (6,7) und Nintedanib (8) bei der idiopathischen Lungenfibrose.
Beide Therapiestrategien führen bei der IPF zu einer Verzögerung der lungenfunktionellen Verschlechterung, insbesondere der weiteren Reduktion der FVC (forcierte Vitalkapazität). Somit wurden Pirfenidon und Nintedanib für die Behandlung der idiopathischen Lungenfibrose zugelassen und entsprechende internationale Guidelines zur Diagnose und Therapie der IPF publiziert (9).
Es blieb jedoch zunächst unklar, ob andere primär entzündliche ILDs, welche im Verlauf eine Fibrosierung aufwiesen, ebenso auf die antifibrotische Therapie ansprechen würden.
Im Sinne der Präzisionsmedizin muss das pathophysiologische Verständnis für die ILDs mittels Anwendung von Biomarkern, genetischen Profilen und Umgebungsfaktoren weiter konkretisiert werden und entsprechende Therapieverfahren entwickelt werden. Dies wird vermutlich zu einer weiteren Aufsplittung der IPF und anderen ILDs, zu noch nicht definierten, aber präziseren Subtypen führen (10).
Im Kontrast dazu werden im Konzept der «Progressiven Pulmonalen Fibrose» mehrere ILDs, die sich trotz unterschiedlicher pathophysiologischer Mechanismen im Verlauf mit einer zunehmenden Fibrosierung ähnlich verhalten, zusammengefasst.
Wie wird der «Phänotyp» der progres­siven pulmonalen Fibrose definiert ?

Generell handelt es sich um eine Gruppe der interstitiellen Lungenerkrankung mit heterogener Ätiologie, welche per definitionem nicht den Kriterien der IPF entspricht und unter etablierter initialer Standardtherapie eine Verschlechterung, im Sinne einer progredienten Fibrosierung aufweist.
In der Bildgebung (HRCT (High resolution CT)) und/oder in den Biopsien finden wir dabei progrediente fibrotische Veränderungen. Insbesondere das Auftreten eines UIP-Pattern (usual interstitial pneumonia), siehe Abbildung 2a und 2b. geht mit einer Verschlechterung der Lungenfunktion und einer Zunahme der Morbidität und Mortalität einher.
Der Phänotyp der progredienten pulmonalen Fibrosierung, definiert sich gemäss ATS Guidelines in 3 verschiedenen Kriterien (s. Tabelle 1) aus Klinik, Lungenfunktion und Radiologie. Zur Diagnosestellung einer progressiven pulmonalen Fibrose sind zwei von drei Kriterien innerhalb von 12 Monaten notwendig, eine alternative Ätiologie für die Progredienz der ILD muss ausgeschlossen sein.
Die S2K-Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Pneumologie hat in einer kürzlichen Überarbeitung eine leicht abgewandelte Definition erarbeitet. Hier muss eine Fibrosierung des Lungengewebes von mindestens 10% im Computertomogramm vorliegen sowie eine klinische, lungenfunktionelle oder radiologische Verschlechterung innerhalb von 24 Monaten (11).
Diese Empfehlungen verdeutlichen, dass ein regelmässiges Follow-Up der betroffenen ILD-Patienten (üblicherweise ca. 3-4 monatlich klinisch und lungenfunktionell, bei Verschlechterung auch mittels Bildgebung) angezeigt ist, um die allfällige Progression der Erkrankung festzustellen.
Es ist empfohlen, diese Patienten interdisziplinär an einem Board für interstitielle Lungenerkrankungen zu besprechen, um die Diagnose und das Therapiekonzept festzulegen.
Therapeutische und prognostische Aspekte – Was für Therapieoptionen stehen zur Verfügung?


Der Begriff PPF Progressive pulmonale Fibrose subsumiert auch Interstitielle Lungenerkrankungen (vgl. Abbildung 1), die u.a. mit Inflammation einhergehen, wie bereits erwähnt, ist die möglichst präzise Diagnosestellung wichtig. Die initiale, insbesondere antiinflammatorische Therapiestrategie wird bei Nutzen (allenfalls auch in Bezug auf weitere Manifestationen der Grunderkrankung) auch bei zunehmender pulmonaler Fibrosierung in der Regel weitergeführt.
Nintedanib und Pirfenidon haben antifibrotische Eigenschaften unabhängig vom pathophysiologischen Auslöser der Fibrosierung. Aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Anwendung zur antifibrotischen Therapie bei der idiopathischen Lungenfibrose (IPF) wurde diese Therapiestrategie bei anderen chronisch fibrosierenden ILDs evaluiert (12–14). Aufgrund der positiven Studienergebnisse bezüglich Erhalt der lungenfunktionellen Parameter (insbesondere der FVC (forcierte Vitalkapazität) wurden nun neue Empfehlungen publiziert (2,13,15).
Ist der «Phänotyp» einer progressiven pulmonalen Fibrose definiert worden, sollte daher eine antifibrotische Therapie in Betracht gezogen werden.
Ausnahmen stellen palliative Situationen, sehr hohes Alter oder Komorbiditäten dar, welche für den Medikamenteneinsatz kontraindiziert sind.
Auch sind Nebenwirkungen (Nintedanib: Diarrhoe, Gewichtsverlust, erhöhte Leberwerte. Pirfenidon: Nausea, Anorexie, Gewichtsverlust, Photosensitivität, erhöhte Leberwerte) und Interaktionen dieser Medikamente zu beachten.
Vor Einsatz muss ein entsprechendes Kostengutsprachegesuch eingereicht werden.
Für Nintedanib ist die Studienevidenz höher, weshalb primär dieses Präparat zur Anwendung kommt. Head-to-head Studien, die die Wirksamkeit dieser beiden Therapieoptionen vergleichen, gibt es allerdings nicht.

In Studien konnte analog zur IPF ein geringerer Abfall der Lungenvolumina (gemessen an der forcierten Vitalkapazität innerhalb von 12 Monaten) nachgewiesen werden und somit der fibrotische Prozess zumindest verlangsamt werden. Eine Verbesserung klinischer Parameter konnte sich bisher allerdings nicht nachweisen lassen.
Neben der antifibrotischen Therapie sind auch weitere therapeutische Massnahmen wichtig.
Patienten, die eine respiratorische Partialinsuffizienz mit einem pO2 von <7.3 (resp. <8kPa bei pulmonaler Hypertonie) in der arteriellen Blutgasanalyse aufweisen, sollten mit dauerhafter Heimsauerstofftherapie versorgt werden. Auch bei signifikanter Entsättigung unter Belastung kann eine Sauerstofftherapie erwogen werden(16).
Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung und pulmonaler Hypertonie haben unter einer inhalativen Therapie mit Treprostinil, einem synthetischen Prostazyklin, eine deutliche Verbesserung der 6-Minuten-Gehstrecke aufgewiesen(17). Diese Therapie ist jedoch in der Schweiz noch nicht regulär erhältlich.
Rehabilitationsmassnahmen haben in Studien bei Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen einen Benefit gezeigt und sollten den Patienten je nach Allgemeinzustand und Komorbiditäten angeboten werden(18).
Nicht zuletzt werden geeignete Patienten mit schwerem Befall frühzeitig in einem Zentrum für Lungentransplantationen vorgestellt.
Auch ist je nach Leidensdruck die Behandlung der Symptome durch Mukolytika oder auch Antitussiva und bei zunehmender Atemnot der Einsatz von Opiaten zu erwägen (19), ggf. auch mit Unterstützung durch einen Palliativdienst.
Prognostische Einschätzungen sind aufgrund der Heterogenität der PPF schwierig. Klar ist, dass das rasche Voranschreiten der Fibrosierung die Mortalität der Patienten deutlich erhöht.
Eine verschlechterte Prognose weisen auch Patienten mit Exazerbationen auf. Dabei kommt es zu akuten Entzündungsschüben, welche mit einer klinischen und radiologischen Verschlechterung (CT-Thorax) einhergehen.
Hier ist die differentialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Ätiologien für eine akute pulmonale Verschlechterung (z.B. infektiöse Aetiologie, kardialer Dekompensation) notwendig. Sollte es sich um eine Exazerbation einer interstitiellen Lungenerkrankung handeln, wird diese in der Regel mittels kurzfristiger Steroidtherapie behandelt, auch wenn für diese Behandlung keine hohe Studienevidenz vorliegt.
Insgesamt steht für die Behandlung der interstitiellen Lungenerkrankungen eine Strategie zur Verfügung, welche den Fibrosierungsprozess zumindest verlangsamen mag und einige weitere, neuere Wirkstoffe sind derzeit in Studien in Erprobung.

Dr. Rebekka Kleiner, rebekka.kleiner@kssg.ch
Leitende Ärztin
Dr. Susanne Pohle, Oberärztin mbF
Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin
Kantonsspital St. Gallen, Rorschacher Strasse 95,
9007 St. Gallen

Interessenskonflikt: Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

Dr. med.Rebekka Kleiner

Klinik für Pneumologie und Schlafmedizin
Kantonsspital St. Gallen, Rorschacher Strasse 95,
9007 St. Gallen

Literatur:
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