Nebenwirkungen von Onkologika bei älteren Patienten

Krebs ist eine Erkrankung des Alters mit ungefähr 50 % der neuen Krebsfälle die beim Menschen im Alter von 65 Jahren oder älter auftreten, und diese Zahl wird voraussichtlich bis 2030 auf 58 % steigen. Die Chemotherapie ist nach wie vor ein Standardbestandteil der Krebsbehandlung, neben den neuen Therapien wie Immuntherapie und gezielten Therapien. Allerdings besteht bei älteren Patienten im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen ein erhöhtes Risiko für eine Chemotherapieinduzierte-Toxizität. Verschiedene pharmakologische Parametern müssen berücksichtigt werden bei der onkologischen Behandlung von älteren Patienten.
Die Beurteilung von Altersbedingten Veränderungen durch eine geriatrische Untersuchung ist vor Behandlungsbeginn einer
Chemotherapie sehr wichtig. Mehrere Studien haben gezeigt, dass mit Hilfe von Geriatric Assessment-Variablen, ältere Erwachsene identifiziert werden können, bei denen das Risiko einer schweren Toxizität durch die Chemotherapie am höchsten ist.
Orale onkologische Therapien stellen mehrere Vorteile dar. Sie enthalten aber auch Nachteile, vor allem beim älteren Patienten, die zu einer schlechteren Effizienz oder früherem Therapieabbruch führen können.
Trotz der physiologischen Phänomene der Immunoseneszenz und des Inflammaging, die Daten, die aus Subgruppenanlaysen von Metaanalysen hauptsächlich kommen, zeigen tendenziell, dass eine Immuntherapie auch bei älteren Patienten wirksam und gut verträglich ist.

Einleitung

Krebs ist eine Erkrankung des Alters mit ungefähr 50 % der neuen Krebsfälle die beim Menschen im Alter von 65 Jahren oder älter auftreten, und diese Zahl wird voraussichtlich bis 2030 auf 58 % steigen.(1) Obwohl die meisten Krebserkrankungen bei älteren Menschen auftreten, werden neue Krebsmedikamente hauptsächlich zugelassen auf der Grundlage von Daten die bei jüngeren Menschen oder einer Auswahl gesunder älterer Menschen ohne Komorbiditäten oder geriatrische Beeinträchtigungen untersucht werden.
Die Chemotherapie ist nach wie vor ein Standardbestandteil der Krebsbehandlung, neben den neuen Therapien wie Immuntherapie und gezielten Therapien. Allerdings besteht bei älteren Patienten im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen ein erhöhtes Risiko für eine Chemotherapieinduzierte-Toxizität.(2) Darüber hinaus wird älteren Erwachsenen seltener eine Chemotherapie angeboten, da sie Bedenken hinsichtlich ihrer Fähigkeit haben, die Behandlung zu überstehen.(3)
Wichtig ist, dass sich die Pharmakologie von Krebsmedikamenten bei jüngeren und älteren Menschen aufgrund von Veränderungen in der Zusammensetzung der Körperflüssigkeiten, dem Leberstoffwechsel, der renalen und hepatischen Ausscheidung und der Pharmakodynamik unterscheiden kann. (4)

Pharmakokinetik bei älteren Leuten

Verschiedene pharmakologische Parametern müssen berücksichtigt werden bei der onkologischen Behandlung von älteren Patienten.
Die folgenden gelisteten Parametern können einen Einfluss in der onkologischen Behandlung haben:

– Orale Absorption
– Verteilungsvolumen
– Körperzusammensetzung
– Serum Albumin
– Hemoglobin
– Lebermetabolismus
– Renale Ausscheidung
– Biliäre Ausscheidung
– Medikamentöse Interaktionen
– Pharmakodynamik auf die zelluläre Ebene

(5) Das Verteilungsvolumen (Vv) ist Funktion der Körperzusammensetzung, des Serumproteinprofils und der Blutzellen (z. B. Erythrozyten). Bis zum Alter von 85 Jahren kommt es in der Regel zu einem fortschreitenden Anstieg des Körperfetts und einem Rückgang des Körperwassers. Es wird geschätzt, dass der Fettgehalt im Alter zwischen 25 und 75 Jahren von 15 % auf 30 % des Körpergewichts ansteigt und der intrazelluläre Wassergehalt von 42 % auf 33 % abnimmt.[4] Diese Veränderungen neigen dazu, das Verteilungsvolumen von wasserlöslichen Arzneimitteln wie Anthrazyklinen zu verringern und dem Verteilungsvolumen von fettlöslichen Verbindungen wie Carmustin (BCNU) zu erhöhen. Auch die Leberfunktion wird durch das Alter verändert: Es wurde über eine Abnahme der Lebergrösse (um 18–44 %), des Blutflusses, der Albuminproduktion und der CYP-Funktion berichtet. Die abnehmende renale Ausscheidung von Arzneimitteln ist wegen der glomerulären Veränderung die am besten vorhersehbare pharmakokinetische Veränderung. Die Filtrationsrate (GFR) nimmt ab einem Alter von 40 Jahren kontinuierlich mit dem Alter um etwa 1 ml/min pro Jahr ab.

Geriatrische Evaluation

Bewertung von alterungsbedingten Bedingungen, die die Verträglichkeit beeinflussen mit der geriatrischen Evaluation: Das chronologische Alter allein ist ungenügend um die Toleranz einer Therapie vorauszusehen. (6)
Bei der geriatrischen Beurteilung (Geriatric Assessment, GA) werden validierte Instrumente zur Beurteilung altersbedingter Erkrankungen eingesetzt, darunter Funktion, körperliche Leistungsfähigkeit (z. B. Mobilität), Komorbiditäten, Medikamente, Kognition, Ernährungszustand, psychischer Status und soziale Unterstützung.
• Funktion: Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) und instrumentelle ADL (IADL)
• Komorbidität: aktualisierter Charlson-Komorbiditätsindex
• Mobilität: Timed Up and Go
• Kognition: Mini-Cog
• Ernährung: Gewichtsverlust und Body-Mass-Index
• Stimmung: kurze geriatrische Depressionsskala
• soziale Unterstützung: Alleinleben versus Unterstützung zu Hause.
In den Vereinigten Staaten hat sich die Alliance for Clinical Trials in Oncology für eine standardisierte geriatrische Beurteilung in therapeutischen Studien mit älteren Erwachsenen eingesetzt.(7) In therapeutischen klinischen Studien hat sich gezeigt, dass GA das Verständnis der Verträglichkeit durch (1) eine bessere Charakterisierung der Studie verbessert Stichprobe über das Alter hinaus, (2) verbesserte Erkennung von Faktoren, die mit schlechter Verträglichkeit verbunden sind, (3) Integration in zufällige Zuordnungen, um Behandlungsentscheidungen zu leiten, und (4) Bewertung, wie sich die Behandlung auf für ältere Erwachsene wichtige Ergebnisse auswirkt. Von 2000 bis 2017 umfassten nur 41,5 % der 41 Phase-II-III-Studien zur systemischen Therapie, an denen ausschließlich ältere Erwachsene mit Krebs teilnahmen, eine Beurteilung der Komorbidität oder Gebrechlichkeit, und nur 36,6 % berücksichtigten Todesfälle aus anderen Gründen.

Chemotherapie-Toxizität Prädiktoren

Mehrere Studien haben gezeigt, dass mit Hilfe von GA-Variablen, ältere Erwachsene identifiziert werden können, bei denen das Risiko einer schweren Toxizität durch Chemotherapie am höchsten ist. Das CARG(Cancer and Aging Research Group)-Toxizitätstool(2) und die Chemotherapy Risk Assessment Scale for High-Age Patients (CRASH)(8)wurden jeweils bei ca. 1.000 älteren Patienten entwickelt und validiert. Diese Instrumente wurden in bestimmten klinischen Szenarien, wie der adjuvanten Chemotherapie bei Brustkrebs und in Gesundheitssystemen ausserhalb von USA weiter untersucht, mit unterschiedlichen Resultaten.
Das CRASH Score erlaubt Patienten in 4 Kategorien zu stratifizieren: low, medium-low, medium-high und high Risk einer hämatologische (H) oder nicht-hämatologische (NH) Toxizität zu entwickeln. In der CARG Studie, interessanterweise der vom Arzt bewertete Karnofsky Performance Score war weder in der Entwicklungskohorte noch in der Validierungskohorte prädiktiv für die Toxizität der Chemotherapie.
Beide dienen als zusätzliche Hilfe für den Onkologen im klinischen Alltag, wenn ein Zweifel bezüglich optimal adaptierter Behandlung besteht. Diese Modelle sollten berücksichtigt werden, wenn die Risiken und Vorteile einer Chemotherapie mit älteren Patienten besprochen werden.

Uebersicht verschiedener Chemotherapien bei betagen Karzinompatienten (9)

Alkylanzien

Alkylanzien sind seit Jahrzehnten die Grundlage der onkologischen Therapie. Ihre wichtigste dosislimitierende Toxizität (DLT) ist die Hämatotoxizität. Es besteht eine große interindividuelle Variabilität hinsichtlich der Knochenmarkreserven und die sind physiologisch mit dem Alter reduziert.
Der Stoffwechsel stellt für die meisten Verbindungen den biliären Ausscheidungsweg dar.
Häufig sind enzymatische Prozesse in der Leber beteiligt und können sich ändern mit zunehmendem Alter.
– Cyclophosphamid:
Der Metabolismus von Cyclophosphamid zu aktiven Metaboliten wird durch Zytochrom P450 (Unterfamilie 3A und 2B) eingeleitet, hauptsächlich in der Leber.
Mit Niereninsuffizienz ist es mit einer Anreicherung toxischer alkylierender Metaboliten zu rechnen, die eine Dosisreduktion von 20 bis 30 % rechtfertigt, je nach Grad der Niereninsuffizienz. Es besteht präklinische Indikation dass Cyclophosphamid bei älteren Menschen langsamer metabolisiert wäre, ohne solide Evidenz dass die Dosis von Cyclophosphamid bei älteren Patient reduziert werden soll.(10)

Intravenöse Fluoropyrimidine

Die Fluorpyrimidine sind eine der am häufigsten verwendeten Wirkstoffklassen in der Onkologie.(11) Es gibt keine pharmakokinetische Grundlage für eine Dosisanpassung allein aufgrund des Alters. (10) Es kann aber zu erheblichen altersbedingten Toxizitäten führen. Bisherige Daten empfehlen keine Dosireduktion rein auf dem Alter basierend ausser bei schwerer Niereninsuffizienz oder Komorbiditäten.
– Capecitabine
Die Pharmakokinetik der Capecitabine ist nicht vom Alter beeinflusst, eine normale Nierenfunktion vorausgesetzt.(12) Patienten mit Niereninsuffizienz: Eine höhere Inzidenz von Toxizitäten Grad 3 und 4 (Hand-Fuss Syndrom, Durchfall, Myelotoxizität) ist bei Patienten mit mäßiger Nierenfunktionsstörung (geschätzte CrCl 30 bis 50 ml/min) beschrieben.

Platine

– Oxaliplatin
Oxaliplatin wird hauptsächlich bei Patienten mit Darmkrebs eingesetzt. Die wichtigsten Dosis-limitierenden Toxizitäten sind periphere Neuropathie und Knochenmarkssuppression. Die Kombination von Oxaliplatin und Capecitabin wurde bei Patienten über 70 Jahren untersucht und es wurde kein Zusammenhang gezeigt zwischen dem Ansprechen und dem Patientenalter oder dem ECOG Performance status, oder der Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) oder instrumentelle ADL (IADL) auszuführen. (13) Es liegen keine Daten vor, die eine Dosisreduktion allein aufgrund des Alters belegen. Eine Dosisreduktion sollte aber bei Patienten mit einer starken Abnahme der Nierenfunktion erfolgen.
– Cisplatin
Aufgrund des Beitrags der renalen Elimination von Cisplatin hängt die Pharmakokinetik von Cisplatin von einer normalen Nierenfunktion ab. Das Alter ist ein unabhängiger und signifikanter Prädiktor für die AUC (Area Under the Curve) der freien ultrafiltrierbaren Platinfraktion und Gesamtplasmaplatinum, mit einer höheren AUC mit zunehmendem Alter(14). Auch die hohe Inzidenz von altersbedingtem Hörverlust sollte berücksichtigt werden. Cisplatin sollte im niedrigeren Dosierungsbereich (z. B. 60 mg/m2) und vorzugsweise mit einer reduzierten Infusionsrate (z. B. über 24 Stunden) angewendet werden, um eine übermäßige Toxizität bei älteren Menschen zu vermeiden.
– Carboplatin
Carboplatin hat einen ähnlichen Wirkungsmechanismus im Vergleich zu Cisplatin mit antineoplastischer Wirkung in mehreren onkologischen Indikationen, die mehr oder weniger mit Cisplatin vergleichbar sind. Carboplatin wird renal elimiert und in der Regel nicht nach der Körperoberfläche berechnet sondern nach der Creatinin-Clearance.  Der Cockcroft-Gault, Calvert und Chatelut Formeln ermöglichen eine genaue und sichere Dosierung, die AUC berücksichtigt die Nierenfunktion und das Alter(15). Aufgrund der geringen Inzidenz nichthämatologischer Toxizität kann Carboplatin das Cisplatin im palliativen Setting oder bei Nebenwirkungen ersetzen.

Anthrazykline

Anthrazykline sind Bestandteile von mehreren Chemotherapieprotokollen die auch bei älteren Patienten benutzt werden können. Die häufigere beobachtete Toxizität ist eine Kardiotoxizität und sie äussert sich am stärksten während der Therapie mit Doxorubicin. Eine erhöhte Inzidenz von Herzinsuffizienz wurde nach der Behandlung mit Anthrazyklinen mit zunehmenden Alter nach 70 Jahren beschrieben. (16)

Antimikrotubuli

– Vinka alkaloide: Aktuell gibt es keine Daten für Dosismodifkationen rein auf dem Alter basierend für die Medikamente Vincristin und Vinorelbine. Mit Vinorelbine wurden viele Interaktionen mit anderen Medikamenten beschrieben, was für ältere Patienten relevant sein könnte. (17)
Vincristin hat gegenüber Vimorelbin eine erhöhte Neurotoxizität und sollte bei älteren und vorerkrankten Patienten in der Dosis angepasst werden.
– Taxane: es gibt widersprüchliche Daten über den Einfluss von Alter auf die Clearance von Paclitaxel. Haupttoxizität ist hämatologisch und neurologisch mit peripherer Neuropathie. Die wöchentliche Verabreichung scheint besser verträglich zu sein ohne Wirksamkeitsverlust (18) aber ohne klare Daten für den einen oder den anderen Zeitplan.

Mehrere Studien haben die Toxizität von Docetaxel bei älteren Patienten untersucht (19). Schlussendlich gibt es keine klaren Daten um Dosismodifikationen rein auf dem Alter basierend zu unterstützen; allerdings mit dem Wissen, dass die 3-wöchentliche Verabreichung mehr hämatotoxisch istund dass bei älteren Patienten die Knochenmarksreserve physiologisch reduziert ist.

Zytidine Analoga

– Gemcitabine zeigt generell als Monotherapie minimale Toxizität bei älteren Patienten. (20)

Antimetaboliten

– Pemetrexed soll mit Vorsicht bei älteren Patienten mit beeinträchtigter Nierenfunktion verabreicht werden da das Riskio einer Hämatotoxizität erhöht sein kann.

Adhärenz zu oralen Medikamenten

Orale onkologische Therapien stellen mehrere Vorteile dar. Sie ermöglichen weniger klinische Termine, sind weniger invasiv und verbessern die Patientenautonomie. Sie enthalten aber auch Nachteile, vor allem beim älteren Patienten, die zu einer schlechteren Effizienz oder früherem Therapieabbruch führen können.
Es existieren verschiedene Faktoren die die Adhärenz zu oralen Therapien bei älteren Patienten beeinflussen(21):
– Patientenbezogene Faktoren: Alter, Gender, Gesundheitsstatus
– Alterspezifische Faktoren: kognitive Defizite, visuelle oder auditive Beeinträchtigungen, Komorbiditäten, Polypharmazie
– Sozioökonomische Situation: soziale Situation, caregiver-Qualität, familiäre Unterstützung
– Krankheitsbedingte Faktoren: Krankheitschwere, unkontrollierte Beschwerden, psychologische Komponente
– Therapiebezogene Faktoren: Toxizität der Therapie, Therapiedauer, Wirksamkeit
– Health-care Team Faktoren: Medikamentenverfügbarkeit und –versorgung, Patient-Anbieter Beziehung, Kommunikationsbarriere, unzureichende oder unklare Arzneimittelinformation
Bei schlechterer Effizienz, früherem Abbruch oder erhöhter Toxizität ist Non-Adherenz mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.
Verschiedene Interventionen wie Patientenanweisungen mit klaren und schriftlichen Instruktionen, Caregiverimplikation, soziale Unterstützung, kontinuierliche Überwachung und Bewertung durch das medizinische Betreuungsteam ermöglichen die Therapieadhärenz zu verbessern.

Toxizität der Immuntherapie bei älteren Patienten (22)

Immunbedingte Nebenwirkungen können bei älteren Menschen eine grössere Herausforderung darstellen aufgrund verminderter Funktionsreserve und altersbedingten Komorbiditäten.(23)
Trotz der physiologischen Phänomene der Immunoseneszenz und des Inflammaging, die Daten, die aus Subgruppenanlaysen von Metaanalysen hauptsächlich kommen, zeigen tendenziell, dass eine Immuntherapie auch bei älteren Patienten wirksam und gut verträglich ist.
In der klinischen Praxis sind Checkpoint-Inhibitoren daher eine gute Behandlungsmöglichkeit, auch für ältere Patienten. (24)

Dr. med. Vérène Dougoud-Chauvin

HFR Freiburg – Kantonsspital
Chemin des Pensionnats 2-6
1752 Villars-sur-Glâne

verene.dogoud-chauvin@h-fr.ch

Dr. med. Dougoud-Chauvin hat Travel Grants von Amgen erhalten.

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Tumor-Immuntherapie – Wirkung und Nebenwirkungen

Seit der Entwicklung des ersten Immuncheckpoint-Inhibitors, ist in der Tumor-Immuntherapie eine neue Ära eingeleitet worden, und die Ansprech- und Überlebensraten vieler Tumorentitäten haben sich verbessert. Trotz dieser ermutigenden Fortschritte, ist die Zahl der Patienten, die ein dauerhaftes Ansprechen erreichen durch Resistenzmechanismen limitiert und immun-vermittelte Nebenwirkungen (immune-related adverse events, irAE) erschweren die Behandlung. Der Mechanismus der irAE ist nicht in allen Details verstanden. Wir fassen in dieser Übersichtsarbeit die Wirkmechanismen von Immuncheckpoint-Inhibitoren, die verschiedenen Formen von irAE und deren mögliche Entstehungsmechanismen zusammen und beschreiben mögliche Strategien zur Prävention sowie Behandlungsmöglichkeiten.

Einführung

In den letzten Jahren wurden grosse Fortschritte in der Tumor-Immuntherapie erzielt, wodurch die Überlebensrate von Tumorpatienten für einige Tumorentitäten deutlich verbessert werden konnte. Es gibt verschiedene Arten von Immuntherapeutika, darunter Tumorimpfstoffe, zelluläre Immuntherapien, immunmodulatorische Medikamente und Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI). Eine Vielzahl neuer immuntherapeutischer Therapien ist in Entwicklung. Trotz dieser grossen Fortschritte bleiben im klinischen Alltag die konventionelle Chemotherapie sowie die Radiotherapie wichtige Säulen der onkologischen Therapie. Die ICI haben sich in den letzten Jahren jedoch bei verschiedenen Tumorentitäten zu einer wichtigen Behandlungsoption entwickelt, wobei diese Substanzen als Monotherapie, in Kombination oder zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt werden. Mit dem zunehmenden Einsatz der ICI nimmt die Zahl der immun-vermittelten Nebenwirkungen (immune-related adverse events, irAE) zu und es ist wichtig, dass alle an der Behandlung beteiligten Spezialisten über diese Nebenwirkungen Bescheid wissen und sie frühzeitig erkennen können. Die typischen irAE unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von Nebenwirkungen der klassischen Chemotherapie. Sie können in unterschiedlichen Organsystemen und zu jeglicher Zeit unter der Therapie oder selten auch erst nach einer abgeschlossenen Therapie auftreten. Es ist wichtig zu beachten, dass irAE oft einen verzögerten Beginn und einen protrahierten Verlauf haben. IrAE können jedes Organ betreffen, sie sind in der Regel gut behandelbar und reversibel, aber einige irAE können schwerwiegend sein und zu dauerhaften gesundheitlichen Folgen und zum Tod führen. Mit dieser Übersicht möchten wir die wichtigsten irAE darstellen und aufzeigen, dass eine frühe Erkennung und ein interdisziplinäres und multiprofessionelles Vorgehen von grosser Bedeutung ist.

Wirkmechanismus der Tumor-Immuntherapie

In den meisten Fällen eliminiert das Immunsystem neu entstehende Tumorzellen in einer frühen Phase, so dass kein Tumor manifest wird. Tumorzellen können aber verschiedene Strategien entwickeln, um das Immunsystem zu umgehen. Diese immunsuppressiven Mechanismen von Tumorzellen können bei verschiedenen Tumoren unterschiedlich ausgeprägt sein. Das Wissen um die komplexe Interaktion zwischen dem Immunsystem und Tumorzellen hat zur Entwicklung der Tumor-Immuntherapie geführt. Die sogenannten Immuncheckpoints sind einer der Mechanismen, mit denen sich Tumorzellen im Körper tarnen. Über die Expression von inhibitorischen Immuncheckpoints können sich Tumorzellen der Erkennung durch das Immunsystem entziehen (Immunevasion). Daneben können Tumoren immunsuppressive Zytokine sezernieren und die Rekrutierung von immunsuppressiven Immunzellen fördern. Die T-Lymphozyten (auch T-Zellen genannt) stehen im Zentrum der zellvermittelten Immunität. Aktivierte T-Zellen können eine grosse Anzahl von Zytokinen sezernieren, um Immuncheckpoints zu aktivieren. Tumorzellen hemmen die Aktivierung von T-Zellen durch die Expression bestimmter Checkpoint-Proteine. Zu den bisher identifizierten inhibitorischen Immuncheckpoints gehören vor allem PD-1 (programmed cell death 1), der zugehörige Ligand PD-L1, CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4) und LAG-3 (lymphocyte-activation gene 3). Weitere Immuncheckpoints sind TIM-3 (T-cell immunoglobulin and mucin-domain containing-3), CD47, TIGIT (T cell immunoreceptor with Ig and ITIM domains) und VISTA (V-domain Ig suppressor of T-cell activation). Die Immun-Checkpoint-Blockade zielt darauf ab, in die hemmenden Signalwege, die die T-Zell-Reaktivität auf natürliche Weise einschränken, einzugreifen. Dadurch wird die Aktivierung und Aufrechterhaltung der Effektorfunktion von T-Zellen ermöglicht [1]. Die am häufigsten eingesetzten ICI sind die monoklonalen anti-PD-1/PD-L1 Antikörper Nivolumab, Pembrolizumab, Atezolizumab, Durvalumab, Avelumab, Dortarlimab und Cemiplimab, die monoklonalen anti-CTLA-4 Antikörper Ipilimumab und Tremelimumab, die in Kombination mit Nivolumab bzw. Durvalumab eingesetzt werden, sowie der anti-Lag-3 Antikörper Relatlimab, der in Kombination mit Nivolumab eingesetzt wird.

Epidemiologie der immun-vermittelten Nebenwirkungen

IrAEs sind häufig und treten bei 90 % der Patienten, die mit einem anti-CTLA-4 Antikörper behandelt werden und bei 70 % der Patienten, die mit anti-PD-1/PD-L1 Antikörpern behandelt werden auf. Die Inzidenz von irAE bei einer Monotherapie liegt zwischen 15-90%, wobei höhergradige Nebenwirkungen (Grad 3/4 nach CTCAE-Kriterien) mit einer Inzidenz von 0-66% vorkommen. Im Vergleich zu den Antikörpern gegen PD-1/PD-L1 gehen anti-CTLA-4-Antikörper mit einer höheren Inzidenz von irAE einher. Bei Kombinationstherapien ist die Inzidenz höher als bei einer Monotherapie. Bei einer Monotherapie mit anti-PD-1/PD-L1 Inhibitoren liegt die Gesamtrate von irAE bei rund 70%, höhergradige irAE kommen mit einer Inzidenz von 14% vor. Die Therapie-assoziierte Mortalität liegt bei weniger als 1%. Die meisten irAE treten in den ersten 3-4 Monaten nach Behandlungsbeginn auf, aber auch eine verzögerte Toxizität ist möglich [2]. ICI-bedingte irAE sind organspezifisch, wobei kutane irAE (insbesondere leichter Juckreiz oder Hautausschlag) am häufigsten vorkommen, gefolgt von gastrointestinaler Toxizität, die sich häufig als Durchfall in Folge einer Kolitis manifestiert [3]. Am dritthäufigsten sind endokrine irAE, einschliesslich Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hypothyreose und Hyperthyreose), Hypophysitis und Nebenniereninsuffizienz. Muskuloskelettale Toxizität (wie leichte Gelenk- oder Muskelschmerzen) und okuläre Toxizität (trockene Augen und Uveitis) werden ebenfalls häufig berichtet. Lungenentzündung, Myokarditis, Neurotoxizität, Myositis, Nephritis und hämatologische Toxizität sind nicht sehr häufig, aber der potentielle Schweregrad ist erwähnenswert. Die Mortalitätsrate bei Auftreten einer Myokarditis ist mit 39,7 % sehr hoch. Die Neurotoxizität ist insgesamt selten, kann aber schwerwiegend verlaufen, wobei Enzephalitis und schwere Myasthenia gravis die häufigsten schwergradigen Ereignisse sind. Die Rate der irAE ist bei unterschiedlichen Tumorentitäten ähnlich, unterscheidet sich jedoch zwischen den verschiedenen Substanzklassen der ICI, abhängig vom entsprechenden Zielmolekül der Wirkung. CTLA-4 Inhibitoren verursachen häufig Kolitis, Hypophysitis und Hautausschlag, während PD-1/PD-L1 Inhibitoren häufiger Schilddrüsenfunktionsstörungen und auch pulmonale Toxizität verursachen. Die häufigsten unerwünschten Wirkungen von CTLA-4 Inhibitoren in Kombination mit PD-1/PD-L1 Inhibitoren sind kutane und endokrine Nebenwirkungen. Gastrointestinale Beschwerden in Form von Durchfall durch eine immun-vermittelte Kolitis sind ebenfalls häufig.

Mechanismen der immun-vermittelten Nebenwirkungen

Es ist offensichtlich, dass irAE Ähnlichkeiten mit Autoimmunerkrankungen aufweisen. Der genaue pathophysiologische Mechanismus von irAE ist nach wie vor unklar. Gegenwärtig geht man davon aus, dass irAE mit den Veränderungen in der Funktion des körpereigenen Immunsystems zusammenhängen. Es wurden verschiedene Mechanismen vorgeschlagen, die das Auftreten von irAE erklären, so zum Beispiel die Produktion von Autoantikörpern, die Infiltration von aktivierten T-Zellen in unterschiedliche Organe, wobei hier die Bedeutung von übereinstimmenden Antigenen diskutiert wird und die Ausschüttung von entzündlichen Zytokinen wie Interleukinen [4].

Häufige immun-vermittelte Nebenwirkungen

IrAEs betreffen verschiedene Organsysteme des gesamten Körpers. Es können alle Organe betroffen sein. Am häufigsten manifestieren sich irAE an der Haut, im Verdauungstrakt, im endokrinen System und in den Atemwegen. Selten, aber von Relevanz und potentiell bedrohlich sind neurologische und kardiale Nebenwirkungen.

Kutane immun-vermittelte Nebenwirkungen

Kutane irAE sind am häufigsten und treten in der Regel zuerst auf. Die häufigsten kutanen Veränderungen sind ekzematöse, morbilliforme und lichenoide Dermatosen sowie Vitiligo und Pruritus. Zu den weniger häufigen unerwünschten Ereignissen gehören psoriatiforme Hautveränderungen, bullöse Läsionen sowie schwere kutane Nebenwirkungen, einschließlich Stevens-Johnson-Syndrom, toxische epidermale Nekrolyse, Arzneimittelreaktionen mit Eosinophilie und konstitutionellen Symptomen. Aufgrund des Wirkmechanismus von ICIs gibt es eine Vielzahl von rheumatischen Nebenwirkungen, die zusammen mit den kutanen Veränderungen auftreten können, wie eine Sklerodermie, eine Der­matomyositis, ein kutaner Lupus erythematodes und verschiedene Formen von Vaskulitiden. Die Inzidenz kutaner Ne­benwirkungen ist bei der Monotherapie mit CTLA-4 Anti­körpern höher als bei PD-1 Antikörpern, ist jedoch am häufigsten bei einer Kombinationstherapie. Ein makulopapulöser Hautausschlag tritt bei bis zu 60 % der mit CTLA-4 Inhibitoren behandelten Patienten und bei 24% unter einer anti-PD1 Therapie auf und kann ein Vorläufer anderer unerwünschter immun-vermittelter Reaktionen sein. Der Ausschlag tritt in der Regel am Rumpf und/oder an den Extre­mi­täten auf, meist an den Streckseiten. Die Beugeseiten, die
Kopfhaut, die Handflächen und das Gesicht sind seltener
betroffen.

Gastrointestinale immun-vermittelte Nebenwirkungen

Die Manifestationen von gastrointestinalen und hepatobiliären Nebenwirkungen, die durch die ICI-Behandlung verursacht werden, sind umfangreich. Die wichtigsten gastrointestinalen Nebenwirkungen sind Enteritis und Kolitis, die sich mit Durchfall manifestieren. Gastrointestinale Nebenwirkungen können jederzeit unter der Therapie auftreten. Sie können aber auch erst Wochen oder Monate nach der ICI-Therapie auftreten. Begleitende Symptome wie Bauchschmerzen, Fieber, Blut- oder Schleimabgang ab ano, Übelkeit und Erbrechen können ebenfalls auftreten. Die häufigsten Erscheinungsformen von irAE, die den oberen Magen-Darm-Trakt betreffen, sind Appetitlosigkeit und Übelkeit. Stomatitis, Ösophagitis, Dysphagie, Gastritis, Erbrechen und gastroösophageale Refluxkrankheit können in einigen Fällen ebenfalls auftreten. Bei Patienten, die PD-1/PD-L1 Inhibitoren erhalten, liegt die Häufigkeit von Durchfall bei 12,1-13,7 % und die Häufigkeit einer Kolitis bei 0,7-1,6 %. Gastrointestinale irAE sind bei Patienten, die CTLA-4 Inhibitoren erhalten häufiger und schwerer als bei Patienten, die PD-1 Inhibitoren erhalten, wobei die Raten für Durchfall bei 27-54 % und für Kolitis bei 8-22 % liegen. Wenn die beiden Inhibitoren zusammen eingesetzt werden, sind die Häufigkeit und der Schweregrad von irAE im Gastrointestinaltrakt deutlich erhöht. Darüber hinaus wird die zeitgleiche Verwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika mit einem erhöhten Risiko einer Kolitis in Verbindung gebracht.

Immun-vermittelte Hepatotoxizität

Der detaillierte Mechanismus der Hepatotoxizität ist nicht bekannt. Es wurde festgestellt, dass die sekundäre Aktivierung von CD8+ zytotoxischen T-Lymphozyten, verschiedenen CD4+ T-Zell-Populationen sowie Zytokinen zu einer Leberschädigung führt. Anhand der Serum-Aspartat-Aminotransferase (AST) / Alanin-Aminotransferase (ALT)-Werte kann die Leberschädigung gradiert werden. Histologisch gesehen können ICI verschiedene Formen der Leberschädigung verursachen, darunter eine panlobuläre Hepatitis, eine perivaskuläre infiltrierende Endotheliitis oder ein acholestatisches Muster mit einer proliferativen Destruktion der Gallengänge sowie eine gemischte Pfortader-Entzündung mit einer leichten lobulären nekrotisierenden Entzündung. Eine Lebertoxizität manifestiert sich typischerweise innerhalb der ersten 6 bis 12 Wochen nach Behandlungsbeginn. Im Rahmen der ICI-Therapie verläuft die Hepatitis in der Regel asymptomatisch und äussert sich in einem Anstieg der ALT- und/oder AST-Werte. Ein akutes Leberversagen ist selten (0.1-0.2%). Die Raten einer immun-vermittelten Hepatotoxizität jeden Grades waren am niedrigsten bei einer anti-PD-1/PD-L1 Monotherapie (0,7 %-2,1 %) und am höchsten bei einer Kombinationstherapie mit anti-CTLA-4/PD1 Antikörpern (13 %). Die Gesamtinzidenz einer höhergradigen Lebertoxizität lag zwischen 0,6 % und 11 %.

Endokrine immun-vermittelte Nebenwirkungen

Zu den endokrinen Organen, die am häufigsten von einer ICI-bedingten irAE betroffen sind, gehören die Schilddrüse, die sich typischerweise als Hypothyreose manifestiert, die oft sekundär zu einer Thyreoiditis auftritt, die Hypophyse (Hypophysitis oder Hypopituitarismus) und die Beta-Zellen des Pankreas (ähnliches Erscheinungsbild wie bei Diabetes Typ I). Die Gesamtinzidenz klinisch signifikanter endokriner Nebenwirkungen bei Patienten, die mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt wurden, liegt bei etwa 10 %.

Schilddrüse

Die meisten Schilddrüsenfunktionsstörungen treten 1-2 Monate nach Beginn der ICI-Therapie auf. irAE der Schilddrüse können in Thyreotoxikose und Hypothyreose unterteilt werden. Schilddrüsenentzündungen können während der Behandlung mit jeder Art von ICI auftreten. Eine Hypothyreose tritt bei 6-9 % der mit anti-PD-1/PD-L1 Inhibitoren behandelten Patienten, bei 4-9 % der mit anti-CTLA-4 behandelten Patienten und bei etwa 16 % der mit einer Kombinationstherapie behandelten Patienten auf. Damit sind Schilddrüsenfunktionsstörungen die häufigsten endokrinen irAE.

Hypophyse

Die Hypophysitis ist eine seltene, aber wichtige irAE, die häufig mit Symptomen wie Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Anorexie, Schwäche, Kopfschmerzen und Gonadotropin­mangel, einschließlich Libidoverlust oder erektiler Dysfunktion, einhergeht. Im Labor zeigt sich eine Hyponatriämie sowie eine Erniedrigung von ACTH und TSH. Die Rate der Hypophysitis liegt unter Ipilimumab bei 3,2 % und ist bei anti-PD-1/PD-L1 Antikörpern deutlich seltener (0,1-0,4 %). Die Hypophysitis tritt in der Regel innerhalb der ersten 2-3 Monate nach Beginn der Behandlung auf, kann sich aber auch erst später manifestieren.

Diabetes

Der relativ seltene ICI-assoziierte Diabetes mellitus hat eine geschätzte Inzidenz von 3,5 %. Er kann einen schwerwiegenden Verlauf haben. Die Symptome bei Patienten mit ICI-bedingtem Diabetes sind vielfältig und reichen von asymptomatischer Hyperglykämie, Polyurie und Polydipsie bis hin zur gefährlichen diabetischen Ketoazidose. Ein Diabetes mellitus manifestiert sich in der Regel in den ersten Monaten der ICI-Therapie. Bei Patienten, die eine anti-CTLA-4 Therapie erhalten, ist die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, deutlich geringer als bei Patienten, die mit einem anti-PD-1/PD-L1 Antikörper behandelt werden.

Immun-vermittelte Neurotoxizität

Die Inzidenz neurologischer irAE wird mit ca. 1 % angegeben . Obwohl sie selten sind, können sie die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen und lebensbedrohliche Verläufe aufweisen. Sie verdienen daher besondere Aufmerksamkeit. Die Kombinationstherapie mit anti-PD-1/ PD-L1 und anti-CTLA-4 Antikörpern führt zu der höchsten Inzidenz von neurologischen Nebenwirkungen, gefolgt von der anti-PD-1/ PD-L1 Monotherapie, und der Therapie mit anti-CTLA-4 Antikörpern, mit Inzidenzraten von 12 %, 6,1 % bzw. 3,8 %. Die Neurotoxizität kann sich als myasthenisches Syndromen, Meningitis, isolierte oder generalisierte Neuropathie und selten als Enzephalitis manifestieren.

Kardiotoxizität

Wie die herkömmliche Chemotherapie können auch die Immuntherapeutika kardiovaskuläre Nebenwirkungen haben, einschliesslich Myokarditis, Rhythmusstörungen, Myokardfibrose und Kardiomyopathie. Das Auftreten einer Myokarditis ist selten, wobei aber letale Fälle beschrieben sind. Studien haben gezeigt, dass PD-1 und PD-L1 in Kardiomyozyten von Ratten und Menschen exprimiert werden. Die Mutation des PD-1-kodierenden Gens in Mäusen führt zu dilatativer Kardiomyopathie. Die Deletion von CTLA-4 und PD-1 führt zu einer autoimmunen Myokarditis. Ein weiterer möglicher Mechanismus ist, dass aktivierte T-Zellen übermäßig viel Interferon-alpha, Granzyme B und TNF-alpha produzieren, was zu Herzschäden führen kann. Daher könnte die Blockade von TNF-alpha ein Ansatz sein, um die Manifestation einer ICI-bedingten Kardiotoxizität zu verhindern. Die ICI-assoziierte Kardiotoxizität tritt typischerweise in den ersten Monaten unter der ICI-Therapie auf. Eine verzögerte, chronische Kardiotoxizität, wie wir sie von der Chemotherapie kennen, ist bei mit ICI behandelten Patienten nicht beschrieben.

Immun-vermittelte Nephrotoxizität

Eine Nephrotoxizität unter ICI tritt eher selten auf, wird aber aufgrund diagnostischer Schwierigkeiten häufig unterschätzt. Unter einer ICI-Therapie kann es zu einer akuten Niereninsuffizienz im Rahmen einer interstitiellen Nephritis kommen, wobei mehrere Kompartimente der Niere (Glomeruli, proximale/distale Tubuli und interstitielles Gewebe) betroffen sein können. Wie bei den meisten anderen irAE ist auch das Risiko einer immun-vermittelten Nephritis bei einer Kombinationstherapie mit anti-PD-1/PD-L1 und anti-CTLA-4 Antikörpern höher als bei einer Monotherapie. Besonders zu beachten ist das Risiko einer Nierenfunktionsstörung bei der Kombination einer ICI-Therapie mit einer Chemotherapie. Andere Arten von Nierenschäden, wie eine IgA-Nephropathie sowie eine renale tubuläre Azidose können ebenfalls mit ICI in Verbindung gebracht werden. Veränderungen im Elektrolythaushalt, einschliesslich Hyponatriämie, Hypokalzämie, Hypokaliämie und Fanconi-Syndrom, erfordern eine sorgfältige Überwachung, um lebensbedrohliche Komplikationen zu vermeiden.

Pulmonale Nebenwirkungen

Über eine Atemwegstoxizität aufgrund von ICIs wird häufig berichtet. Die Häufigkeit respiratorischer irAE korreliert mit bestimmten Tumorarten, einschließlich einer erhöhten Inzidenz bei Patienten mit Bronchialkarzinom, wobei 17 % der Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom über mindestens eine respiratorische irAE berichten. Pulmonale irAE treten typischerweise in den ersten drei Monaten der Therapie auf, wobei die Inzidenz bei Männern höher ist als bei Frauen. Dies möglicherweise, weil die Inzidenz von Lungenkrebs bei Männern höher ist als bei Frauen. Anti-PD-1- und anti-PD-L1 Therapien waren signifikant mit respiratorischer Toxizität assoziiert, während der kausale Zusammenhang zwischen anti-CTLA-4 Antikörpern und respiratorischer Toxizität nicht signifikant war. Pulmonale irAE manifestieren sich typischerweise als interstitielle Lungenerkrankungen.

Management von immun-vermittelten Nebenwirkungen

Der breite Einsatz der Immuntherapien erfordert Kenntnisse über die häufigen und typischen Nebenwirkungen von allen Fachpersonen, die in die Betreuung von Tumorpatienten involviert sind. Die meisten irAE sind reversibel, wenn sie rechtzeitig diagnostiziert werden. Daher ist es wichtig, bei Patienten, die unter einer Immuntherapie stehen bei neu auftretenden Symptomen oder Befunden immer an eine mögliche immun-vermittelte Reaktion zu denken.
Die Behandlung von irAE folgt einem Ansatz, der dem von Autoimmunerkrankungen ähn elt. Kortikosteroide sowie andere Immunmodulatoren spielen eine zentrale Rolle. Zudem sollte die Immuntherapie immer pausiert werden. Eine Dosisanpassung ist nicht empfohlen, da die Nebenwirkungen weitgehend dosisunabhängig sind. Ein definitiver Abbruch der Therapie sollte in Abhängigkeit der Art und des Schweregrades der Nebenwirkung evaluiert werden. Für diese Entscheidung und die generelle Handhabung der immun-vermittelten Nebenwirkungen ist eine enge Abstimmung zwischen dem behandelnden Onkologen/Hämatologen und anderen Fachspezialisten notwendig. An vielen Kliniken haben sich Immuntherapie-Boards etabliert, bei denen komplexe Fälle interdisziplinär besprochen werden.
Leichtgradige Nebenwirkungen bedürfen mit wenigen Ausnahmen keine immunsuppressive Therapie und können durch eine alleinige Pausierung des ICI kontrolliert werden. Die meisten irAE Grad 2 können durch die Gabe von Kortikosteroiden (Anfangsdosis 0,5-1 mg/kg/Tag Prednison oder Äquivalent) behandelt werden. Bei irAE des Grades 3 empfiehlt sich der Einsatz hochdosierter Kortikosteroide (Prednison 1-2 mg/kg/Tag oder äquivalente Kortikosteroide). Die Steroide sollten unter sorgfältiger Überwachung der Symptome über 4-6 Wochen ausgeschlichen werden.
Ein Wiederbeginn der Immuntherapie ist möglich, wenn die Symptome und/oder Laborwerte wieder ≤Grad 1 sind. Bei Auftreten von Grad 4 irAE sollte die Therapie mit ICI dauerhaft abgesetzt werden. Eine Ausnahme davon stellen endokrinologische Nebenwirkungen dar, die einer Hormonsubstitution bedürfen.
Verschiedene immunmodulierende Wirkstoffe, wie zum Beispiel Infliximab, Rituximab oder der anti-Interleukin-6-Rezeptor Inhibitor Tocilizumab stehen für spezifische und schwere irAE zur Verfügung. Auch werden bei schweren Verläufen andere immunsuppressive Substanzen eingesetzt. Hierbei ist stets eine interdisziplinäre Besprechung der Situation notwendig und die problematischen Folgen hinsichtlich der Suppression der Immunantwort auch auf den Tumor sind vorsichtig abzuwägen. Der genaue Ansatz und die Dosierung hängen vom Schweregrad und der Form der vorliegenden irAE ab.
Nach den derzeitigen Behandlungsrichtlinien können die meisten immunbedingten unerwünschten Ereignisse (irAE) kontrolliert und rückgängig gemacht werden, und die Behandlungsdauer beträgt normalerweise 4-8 Wochen. Bei einigen endokrinen Erkrankungen handelt es sich jedoch um besondere Situationen, die eine langfristige Anwendung der Hormonersatztherapie erfordern.
Um möglichen irAE vorzubeugen oder sie früh zu erkennen ist eine gute Beurteilung der Patienten vor Beginn einer Immuntherapie von grosser Bedeutung. Patienten mit vorbestehenden Autoimmunerkrankungen oder anderen entzündlichen Erkrankungen haben ein höheres Risiko und der Einsatz der Immuntherapien sollte vorsichtig abgewogen werden. Zudem sollte bei allen Patienten vor Beginn der Therapie eine ausführliche Anamnese erhoben werden und auch sollten einige Laborparameter vor Beginn der Therapie und regelmässig unter laufender Therapie bestimmt werden (u.a. Blutbild, Kreatinin, Elektrolyte, Transaminasen, Glucose, TSH, Cortisol, Troponin) (5). Eine gute Aufklärung der Patienten ist ebenso wichtig wie die Information des Hausarztes und anderer beteiligter Fachspezialisten, damit bei Auftreten von möglichen irAE rasch und richtig reagiert wird.

dipl. med. Christian Diehl

Oberarzt
Kantonsspital Baden
Zentrum für Onkologie & Hämatologie
Im Ergel 1
5404 Baden

christian.diehl@ksb.ch

Prof. Dr. med. Dr. phil. nat. Sacha Rothschild

Kantonsspital Baden
Zentrum für Onkologie & Hämatologie
Im Ergel 1
5404 Baden

sacha.rothschild@ksb.ch

1. Bagchi S, Yuan R, Engleman EG. Immune checkpoint inhibitors for the treatment of cancer: clinical impact and mechanisms of response and resistance. Annu Rev Pathol (2021) 16:223–49. doi: 10.1146/annurev-pathol- 042020-042741
2. Wood LS, Moldawer NP, Lewis C. Immune checkpoint inhibitor therapy: key principles when educating patients. Clin J Oncol Nurs (2019) 23:271–80. doi:10.1188/19.CJON.271-280
3. Ramos-Casals M, Brahmer JR, Callahan MK, Flores-Chavez A, Keegan N, Khamashta MA, et al. Immune-related adverse events of checkpoint inhibitors. Nat Rev Dis Primers (2020) 6:38. doi: 10.1038/s41572-020-0160-6
4. Lee DJ, Lee HJ, Farmer JR, Reynolds KL. Mechanisms driving immune-related adverse events in cancer patients treated with immune checkpoint inhibitors. Curr Cardiol Rep (2021) 23:98. doi: 10.1007/s11886-021-01530-2
5. Özdemir BC, Espinosa da Silva C, Arangalage D, Monney P, Gulder SA, Huynh-Do U, et al. Multidisciplinary recommendations for essential baseline functional and laboratory tests to facilitate early diagnosis and management of immune-related adverse events among cancer patients. Cancer Immunol Immunother (2023) 72:1991-2001. doi:10.1007/s00262-023-03436-0

Neue Behandlungsmöglichkeiten in der Systemtherapie beim Mammakarzinom und damit verbundene neue Nebenwirkungen

Das Mammakarzinom hat heute eine deutlich bessere Prognose als noch vor zwei bis drei Dekaden. Die Behandlungsoptionen wurden deutlich verbessert. Durch neue Systemtherapie sind aber auch Nebenwirkungen hinzugekommen, die der Kliniker erst kennen lernen muss, um sie optimal behandeln zu können. Der vorliegende Artikel gibt einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen der letzten 10 Jahre im Bereich der Systemtherapie und zeigt auch die wichtigsten Nebenwirkungen und deren Management auf.

Einführung

In der Schweiz erkranken pro Jahr rund 6.000 Frauen und 30-50 Männer an Brustkrebs. Die Sterberate an Brustkrebs liegt dabei bei 1300 Frauen pro Jahr. (1) In den letzten Jahrzehnten hat sich die Prognose deutlich gebessert durch verschiedene Faktoren wie beispielweise: Screening Mammographien, optimale Radiotherapie und auch Verbesserungen in der molekularen Diagnostik und in der Systemtherapie. Weltweit geht man heute von einer Heilungsrate in den westlichen Ländern von rund 85% aus. (2) Durch schonendere und strikter indizierte lokale und systemische Behandlungen wurden die Morbidität reduziert und die Lebensqualität verbessert.
Sollte es zu einem Rezidiv mit Metastasen kommen, gibt es heute bessere Behandlungsmöglichkeiten einschliesslich molekular basierter Therapien und zielgerichteter Therapien. Die Behandlung des frühen wie auch metastasierten Mammakarzinoms basiert weiterhin auf den intrinsischen Subtypen: (3)
a) Luminal A
b) Luminal B
c) Triple negativer Brustkrebs
d) HER2 positiver Brustkrebs
Die wichtigsten Behandlungen umfassen die anti-estrogene Therapie, Chemotherapie und zielgerichtete Therapie sowie Immuntherapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitor. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die wichtigsten Behandlungsoptionen beim frühen Mammakarzinom. (4, 5)
Bei den metastasierten Tumorerkrankungen sind weitere molekulare Marker hinzugekommen: BRCA-Status, PDL-1 Status, ESR – Status und PIK3CA Status und HER2-low Status. Anhand dieser Marker kann häufig eine zielgerichtete Therapie empfohlen werden mittels PARP-Inhibitoren, Immuncheck-Point-Inhibitoren, selektiven Estrogenrezeptor-Downregulators (SERDS), PIK3CA-Inhibitoren und Antikörper-Drug-Konjugaten. (6, 7)
In den letzten 10 Jahren haben sich in der Systemtherapie des frühen wie auch fortgeschrittenen Mammakarzinoms zahlreiche Neuerungen ergeben.(8) Durch die neuen Substanzen musste allerdings auch neue Toxizität in Kauf genommen werden. Bei der Medikamentenentwicklung im Bereich Brustkrebs sind heute in vielen Studien auch Erhebung der Lebensqualität mittels «Patient reported outcomes» anhand von standardisierten Fragebögen selbstverständlich geworden.(9) Beim Management der verschiedenen Nebenwirkungen und Lebensqualitätsassessments werden heute auch elektronische Patientenprogramme, sogenannte eHealth Apps eingesetzt. Diese können frühzeitig zu einer Verbesserung der Arzt-Patientenkommunikation führen und sogar die Prognose verbessern. (10-12) (Abbildung 1)

Die am amerikanischen Krebskongress vorgestellte multizentrische, randomisierte Phase-IV «PreCycle» Studie untersuchte bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs, die eine Behandlung mit Palbociclib plus Aromatasehemmer oder Palbociclib plus Fulvestrant erhielten, die Rolle einer solchen Patienten-App.(13,14) In den Jahren 2017 und 2021 wurden 499 Patientinnen 2:1 in den aktiven (CANKADO PRO-React; Arm A) oder inaktiven (CANKADO Inform; Arm B) Arm randomisiert. Der primäre Endpunkt war die Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität (TTD QoL). Bei allen Patientinnen wurde ein signifikant verringertes Risiko für den aktiven CANKADO-Arm A hinsichtlich der TTD QoL gezeigt (p = 0,03). Das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 21,4 Monate im Arm A und 18,7 Monate im Arm B. Das mediane Gesamtüberleben wurde im Arm A nicht erreicht und war bei 42,6 Monaten im Arm B.
Zusätzlich können eHealth Anwendungen die Therapiekontrollen erleichtern und auch der Patientin mit Mammakarzinom eine verbesserte Kommunikation mit dem Spital und eine bessere Informationsquelle ermöglichen.

Neue Systemtherapieoptionen beim frühen Mammakarzinom und das Management der Nebenwirkungen

Sowohl beim TNBC als auch beim HER2-positiven Mammakarzinom wird häufig eine neo-adjuvante Chemotherapie appliziert, die bei letzterem mit Antikörpern kombiniert wird.(15) Der Vorteil des neo-adjuvanten Konzepts beinhaltet: Prognostische Information, Verkleinerung des Tumors, Zeitgewinn für die genetische Testung und Verbesserung der Therapieentscheide nach Remissionsstatus. In der Regel werden 6-8 Zyklen Chemotherapie appliziert vor der Operation und die Antikörper werden auch nach der Operation weiter verabreicht.
Beim frühen HER2+ Mammakarzinom empfehlen heute viele Onkolog*Innen eine anthracyline-freie Chemotherapie in Kombination mit Trastuzumab und Pertuzumab. Dabei können pathologisch komplette Remissionen bis zu 60% erreicht werden. (16, 17) Besseres Ansprechen erreichen Tumore, bei denen hohe Tumor-infiltrierende Lymphozyten nachzuweisen sind.(18) Durch die anthracyline-freien Regime ist das Risiko für Chemotherapie-assoziierte Leukämien deutlich geringer und auch das Risiko für eine anthracyline-induzierte Kardiopathie fehlt. Allerdings müssen Patientinnen bei HER2-gerichteter Therapie weiterhin kardiologisch monitorisiert werden. Nach den aktuellen ESC Guidelines soll zu Beginn der Therapie eine Risikostratifizierung erfolgen. (19) Alle Patientinnen sollten als Baseline ein transthorakales Echokardiogramm (TTE), EKG und Labor mit Troponin und NT-proBNP erhalten. Während der Trastuzumab-basierten Therapie sollten TTE und Labor alle 3 Monate wiederholt werden. Nach der Therapie sollte für die «High-risk» Patientinnen nach 3 Monaten und 12 Monaten ein TTE und Labor erfolgen, für die «Low-risk» Patientinnen sollte 12 Monate post-Therapie noch ein TTE und Labor erfolgen.

Bei kompletter pathologischer Remission sollte nur die Antikörpertherapie weiter verabreicht werden. Dabei sollte das kardiologische Monitoring wie oben beschrieben weitergemacht werden. Sollte es nicht zu einer kompletten pathologischen Remission kommen, sollte eine Therapie mit Trastuzumab-Emtansine (T-DM1) durchgeführt werden. In der KATHERINE Studie war die Therapie mit T-DM1 einer alleinigen Trastuzumab-Erhaltungstherapie bei non-pCR deutlich überlegen. Somit ist T-DM1 heute der Standard bei Patientinnen mit HER2+ Mammakarzinom, die keine komplette Remission erreichen. Die Verträglichkeit von T-DM1 ist in der Regel gut, die häufigsten Nebenwirkungen in der KATHERINE Studie waren Blutbildveränderungen mit Thrombozytopenie.(20)
Beim frühen TNBC die neo-adjuvante Chemotherapie mit einem Immuncheckpoint-Inhibitor Pembrolizumab kombiniert. Die Hinzunahme des Pembrolizumab hatte die komplette Remissionsrate um rund 15% Punkte verbessert und auch die Rate an Rezidiven deutlich verringert. Der Effekt war unabhängig vom PDL-1 Status. Bei hoher Anzahl an TILs war der Effekt für eine pCR höher und auch unabhängig von der PDL-1 Blockade.(21, 22)
In der Phase II Studie GeparNueovo wurde eine neo-adjuvante Chemotherapie mit Durvalumab -einem PDL-1 Checkpoint-Inhibitor- ebenfalls in neo-adjuvanter Absicht untersucht. In dieser Phase II Studie fand sich ein signifikanter Effekt auf das Gesamtüberleben bei noch kurzem Follow-up. (23)

Die Immuntherapie wurde mittlerweile zum Standard beim TNBC mit mindestens 2 cm Durchmesser und/oder Lymphknotenbefall, weil es dort entscheidend zur Prognoseverbesserung beiträgt. Offen bleibt, ob auch für kleinere Tumoren von einer Chemo-Immuntherapie ein Nutzen erbracht werden kann.(22)

Nebenwirkungen der Immuntherapie sind im Vergleich zur Chemotherapie verschieden. Dabei ist die Interaktion zwischen T-Zellen und Tumor, sowie auch eigenem «Körpergewebe» wichtig. Bei der Blockade der Immuncheckpoint-Pathways kommt es zu einer generalisierten Aktivierung von T-Zellen. Die Checkpoints der T-Zellen helfen Autoimmunität und Toleranz zu vermeiden und das Immunsystem sozusagen zu kontrollieren. (24) Die Therapie mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren ist mittlerweile eine der wichtigsten Therapien im Bereich der soliden Onkologie und Standardtherapie für das maligne Melanom, Bronchuskarzinom, Mikrosatelliten-defiziente Tumore (z.B. Endometriumkarzinom, Kolorektalkarzinom) und anderer.
Schwere immunvermittelte Nebenwirkungen sind gelegentlich zu finden (10-15%), können dosisabhängig sein und führen häufig zu Abbruch der Therapie. Zu den am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen von Immuncheckpoint-Inhibitoren zählen Hautreaktionen wie Rash, Vitiligo und andere Hautveränderungen. Zudem kommt es häufiger zu Diarrhoe durch immunvermittelte Colitiden. Eine weitere häufige Manifestation von immunvermittelten Nebenwirkungen ist eine Hyperthyreose, die im Verlauf zu einer Hypothyreose führt. Selten kann es zu schwerwiegenderen Fällen und Entzündungen in Organen wie der Lunge oder der Leber kommen, die lebensbedrohlich sein können.(24) Es ist wichtig, dass dann schnell eine Behandlung mit Immunsuppressiva wie Kortikosteroiden eingeleitet wird. Tabelle 2 gibt einen Überblick der wichtigsten immunvermittelten Nebenwirkungen bei verschiedenen Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die beim Mammakarzinom eingesetzt werden.

Bei der Behandlung der immunvermittelten Nebenwirkungen gibt es mittlerweile zahlreiche Empfehlungen und lokale Richtlinien, die den Klinikern helfen. (25, 26) In der Regel wird das Absetzen oder Pausieren empfohlen, bis die Nebenwirkung sich verbessert oder aufgelöst hat. Je nach Schweregrad wird auch ein dauerhaftes Sistieren der Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitor empfohlen. Therapeutisch werden Steroide lokal oder systemisch sowie verschiedene Immunsuppressive empfohlen (z.B. Infliximab oder Mycophenolat-Mofetil).

Neue Systemtherapieoptionen beim fortgeschrittenen Mammakarzinom und das Management der Nebenwirkungen

Beim fortgeschrittenen Mammakarzinom hat sich in den letzten 10 Jahren eine erhebliche Verbesserung der therapeutischen Möglichkeiten und Prognose ergeben. Molekulare Therapien und antikörperbasierte Therapien sind mittlerweile in den klinischen Alltag eingezogen.

Beim HR+/HER2- metastasierten Mammakarzinom sind bereits seit einigen Jahren die CDK4/6 Inhibitoren zugelassen. Die Medikamente blockieren die «Cycline-dependent Kinase -4 und -6» und verhindern so eine Komplexbildung mit Cycline D und dies führt zu einer Phosphorylierung des Retinoblastom-Proteins und zum Stoppen des Zellzyklus in der G1/S- Phase. Es gibt mittlerweile drei zugelassene CDK4/6 Inhibitoren (Abemaciclib, Palbociclib, Ribociclib), welche in Kombination mit endokriner Therapie in der 1st Line und 2nd Line beim HR+/HER2- Mammakarzinom zugelassen sind.(27-29) In den Zulassungsstudien haben die Medikamente das progressionsfreie Überleben mit allen drei Substanzen verdoppelt gegenüber der alleinigen endokrinen 1st Line Therapie. In der kürzlich veröffentlichten OS-Analyse der MONALEESA-2 Studie, welche Ribociclib plus Letrozol untersuchte, konnte gegenüber Letrozol alleine ein signifikanter Überlebensvorteil gezeigt werden. (63,9 gegenüber 51,4 Monate, p=0,008) (30)
In der Regel sind CDK4/6 Inhibitoren sehr gut verträgliche Medikamente, jedoch bestehen einige spezifische Nebenwirkungen, die jedoch durch Dosisanpassungen optimiert werden können. Tabelle 4 gibt die wichtigsten Eigenschaften des Medikamentes und die Toxizität wieder. (31)
Am Amerikanischen Krebskongress in Chicago wurden dieses Jahr erstmalig die Daten der SONIA Studie vorgestellt. Dies ist eine Phase III Studie mit 1050 Patientinnen, welche untersuchte, ob die Verschiebung des CDK4/6 Inhibitors in die 2nd Line die Prognose verschlechtert. Letztendlich hatte die 2nd line Therapie mit dem CDK4/6 Inhibitor Palbociclib keinerlei Auswirkung auf die Gesamtprognose der Patientinnen. Es erscheint wichtig, solche Sequenzierungsstudien durchzuführen, die Daten der CDk4/6 Inhibitoren besonders des Ribociclib in der 1st line sind so stark, dass aus unserer Sicht sich draus noch kein «Practice Change» ergibt.(32)

Eine weitere wichtige noch relativ neue Substanzklasse sind die sogenannten Antikörper-Medikamenten-Konjugate (ADCs). Die Idee hinter ADCs besteht darin, dass ein Anti­körper an ein speziell ausgewähltes «Target» der Tumorzelle bindet und anschließend die an den Antikörper gebundene Chemotherapie (Payload) freisetzt, um die Tumorzelle zu zerstören.(33) Der Antikörper wird so konstruiert, dass er spezifisch an die Tumorzellen bindet. Dadurch soll verhindert werden, dass gesunde Zellen geschädigt werden. Die Verbindung zwischen dem Chemotherapie-Molekül und dem Antikörper, der sogenannte Linke, sorgt dafür, dass die Chemotherapie zielgenau an den Tumorzellen «abgeladen» wird. ADCs können bei vielen Arten von Krebserkrankungen eingesetzt werden. Beim fortgeschrittenen Mammakarzinom sind zurzeit drei Substanzen in der Schweiz zugelassen: Trastuzumab-Emtansin (T-DM1), Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) und Sacituzumab-Govitecan(SG).(34-36) Das Trastuzumab-Emtansine wird sowohl beim frühen wie auch beim metastasierten HER2+ Mammakarzinom eingesetzt. Beim metastasierten HER2+ Mammakarzinom wurde sowohl das PFS als auch das OS in der 2nd Line nach Taxan- und Trastuzumab-haltiger Chemotherapie verlängert (EMILIA Studie).(37)
Das Medikament Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) hat allerdings im direkten «Head-to-Head» Vergleich ein höheres Ansprechen, längeres PFS und OS gezeigt gegenüber dem Trastuzumab-Emtansin und ist seither der neue Standard in der 2nd Line Behandlung des HER2+ metastasierten Mammakarzinoms. Mittlerweile wurde in einer Phase III Destiny-Breast004 gezeigt, dass T-DXd beim HER2-low fortgeschrittenen Mammakarzinom besser war als eine Standardchemotherapie. (38) HER2-low wurde dabei als eine Immunhistochemie 1+ oder 2+ definiert. Insgesamt wurden in die Studie 557 Patientinnen randomisiert, insgesamt waren 494 (88,7%) HR+/HER2-low. In der IIT war das PFS 10,1 versus 5,4 Monate für T-DXd bzw. Chemotherapie nach Investigator-Entscheid (TPC) (HR 0,51, p<0,001). Auch das OS war in der T-DXd Gruppe besser als in der TPC Gruppe (23,4 versus 16,8 Monate HR 0,64 p=0,001).
Die Gesamtrate an Grad 3 oder höher Toxizität lag bei T-DXd bei 52,6 Monaten. Die Gesamtrate an interstitieller Lungenerkrankung (ILD) lag bei 12,9%. Grad 5 Events traten in 0,8% der Population auf. Die Lungentoxizität ist problematisch und zwischenzeitlich gibt es spezielle Algorithmen für das Management.(39)
Tabelle 5 zeigt das Management der ILD unter T-DXd auf.
Weitere häufige Nebenwirkungen umfassen: Nausea, Vomitus, Neutropenie, Infusion-vermittelte Reaktionen, Alopezie, Fatigue und reduzierte kardiale EF. Die Nebenwirkungen sollten mit den bekannten supportiven Therapien, wie für die Chemotherapie behandelt werden:
Nausea, Vomitus: 5HT3, Dexamethason, Aprepitant allenfalls Olanzapin
Neutropenie: G-CSF Support
Infusionsreaktionen: Ranitidin, Dexamethason, Hydrocortison i.v.
Fatigue: Ursachensuche
EF-Reduktion: Pause der Therapie, allenfalls ACE-Hemmer, nur bei Erholung wieder starten.

Zusammenfassung und Schlussbemerkung

Die Behandlung des Mammakarzinoms hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert, auch im Bereich der Systemtherapie. Neue Medikamente ergänzen die bisherigen Therapien wie endokrine Therapie oder Chemotherapie. Insbesondere im Bereich der modernen Immuntherapie bestehen andere Nebenwirkungen als mit der klassischen Chemotherapie. Der Kliniker muss lernen, diese Nebenwirkungen zu erkennen und zu managen. Behandlungsoptimierung und Behandlungsdeeskalation ist derzeit ein wichtiges Forschungsthema. Medizinische eHealth Anwendungen können die QoL/PROMs von Patienten besser monitorisieren und durch intelligente AI-basierte Algorithmen allenfalls auch die Prognose verbessern – durch frühzeitige Entdeckung von medizinischen Problemen oder Toxizität. Verschiedene neue Substanzklassen wie CDK4/6 Inhibitoren oder ADCs benötigen zudem ein gutes Monitoring, die Apps können allenfalls helfen auch die Visiten im Spital zu vermindern und dadurch der Patientin mehr Autonomie zuzugestehen.

In Zukunft wird wahrscheinlich eine nochmals besser zugeschnittene Therapie auf die Patientin aber auch auf das Mammakarzinom eine gesteigerte Effektivität und Verträglichkeit aufweisen.

Julia Landin

Medizinische Onkologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 5
4053 Basel
Schweiz

julia.landin@usb.ch

Walter Paul Weber

Department Brust, Abdomen und Becken
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 21
4053 Basel
Schweiz

walter.weber@usb.ch

PD Dr. med. Marcus Vetter

Zentrum Onkologie und Hämatologie
Tumorzentrum Baselland
Kantonsspital Baselland
Rheinstrasse 26
4410 Liestal
Schweiz

marcus.vetter@ksbl.ch

1. Bundesamt für Statistik https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/krankheiten/krebs/spezifische.html
2. Miller KD, Nogueira L, Devasia T, Mariotto AB, Yabroff KR, Jemal A, Kramer J, Siegel RL. Cancer treatment and survivorship statistics, 2022. CA Cancer J Clin. 2022 Sep;72(5):409-436.
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Zelluläre Immuntherapien von Malignomen – Wie wirken sie und welche Nebenwirkungen sind zu erwarten

Die Immuntherapie von Krebs hat die Behandlung von onkologischen Patienten revolutioniert. Leider profitieren aber nicht alle Patienten von den aktuell zugänglichen Immuntherapien. Zelluläre Immuntherapien können hier eine neue Option bieten. Vor allem die Behandlung mit ex vivo aktivierten und expandierten Tumor-infiltrierenden Lymphozyten (TIL) hat sich bei Patienten mit immunogenen Krebsarten wie zum Beispiel dem Melanom etabliert. Zudem haben genetische Manipulationsmöglichkeiten dazu geführt, dass T Zellen mit synthetischen chimären Antigenrezeptoren (CAR) bestückt werden können, die zum Beispiel CD19-positive Krebsarten wie B-Zell-Leukämien oder auch Lymphome erkennen können. Diese zellulären Immuntherapien haben bereits Einzug in die klinische Routine gefunden und verursachen zum Teil schwere, neuartige Nebenwirkungen. In dieser Übersichtsarbeit werden die Therapien erläutert und die Nebenwirkungen, sowie deren Management beschrieben.

Einleitung

Die Krebsimmuntherapie bietet im Vergleich zu herkömmlichen Krebsbehandlungen Vorteile und hat sich in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen der Onkologie etabliert [1, 2]. Die Immuntherapie macht sich das körpereigene Immunsystem zunutze, um Krebszellen gezielt zu erkennen und anzugreifen, während gesunde Zellen geschont werden sollen. Die Immuntherapie kann eine anhaltende Reaktion gegen Krebszellen hervorrufen und so langfristige Remissionen induzieren [3]. Sobald das Immunsystem die Krebszellen als fremd erkannt hat, kann es Gedächtniszellen entwickeln, die sich an die Antigene der Krebszellen erinnern. Diese Gedächtnisreaktion kann dazu beitragen, das Wiederauftreten von Krebs in der Zukunft zu verhindern. Die Immuntherapie hat sich als vielversprechend bei der Behandlung verschiedener Krebsarten erwiesen, darunter Melanom, Lungenkrebs, Blasenkrebs und auch bei bestimmten gastro-intestinalen Tumoren. Sie kann als alleinige Behandlung oder in Kombination mit anderen Therapien eingesetzt werden, was die Behandlungsmöglichkeiten für Patienten erweitert [1, 2]. Im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen wie der Chemotherapie verursacht die Immuntherapie oft weniger schwere Nebenwirkungen. Zwar können auch schwere immunbedingte Nebenwirkungen (immune-related adverse events, irAEs) auftreten, doch sind diese bei genauer Überwachung und frühzeitigem Eingreifen in der Regel gut beherrschbar [4, 5]. Neue Immuntherapien können auf die spezifische Krebsart und das Immunprofil einer Person zugeschnitten werden. Vor allem zelluläre Therapien sind hoch individualisiert. Zum Beispiel chimäre Antigenrezeptor (CAR) T Zelltherapie und die Therapie mit tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TILs) können individuell angepasst werden, um die Wirksamkeit der Behandlung zu optimieren [6, 7].

Zelluläre Immuntherapien

Zelluläre Immuntherapien haben sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt. Neue zelluläre Therapien wurden zugelassenen, vor allem genetisch veränderte Zellen wie CAR T Zellen [6]. Die Weiterentwicklung der zellulären Immuntherapien ist aufgrund der neuen Gentechnik noch weitreichender. Die CRISPR-Cas9 und verwandte Technologien führen dazu, dass Zellen regelrecht ‘engineered’ werden können [8]. Diese Entwicklung ist sehr vielversprechend, da zum Bespiel auch Patienten mit genetischen Störungen davon profitieren können.

Genetisch unmodifizierte Zellprodukte

Zellprodukte, die nicht genetisch verändert sind, umfassen vorwiegend ex vivo aktivierte und expandierte Zellen. Hier sind vor allem TIL (tumor-infiltrierende Lymphozyten) zu nennen. Bei diesem Behandlungsansatz werden T-Zellen, die sich im Tumorgewebe befinden, kultiviert, außerhalb des Körpers vermehrt und anschließend nach einer lymphozyten-depletierenden Vorbereitungsbehandlung in denselben Patienten reinfundiert [7, 9, 10]. In zahlreichen Untersuchungen wurden die Patienten zusätzlich mit Interleukin-2 (HD IL-2) behandelt, um die erfolgreiche Integration der T-Zellen zu verbessern [7]. Diese Behandlung wurde von Steve Rosenberg am amerikanischen ‘National Institute of Health’ (NIH) entwickelt und neuste randomisierte Studien haben die Wirksamkeit von TIL-Präparaten bei Melanompatienten bewiesen [11]. Zudem wurde die Wirksamkeit auch in anderen immunogenen Tumorentitäten in nicht-randomsierten Studien nachgewiesen wie zum Beispiel beim nicht-kleinzelligen Bronchuskarzinom oder Zervixkarzinom [12, 13].

Zur Herstellung von TIL-Produkten werden aus chirurgisch entfernten Tumorstücken im Reinraum (GMP-Raum) kleine Gewebsfragmente hergestellt und die T-Zellen mit hohen Dosen mit IL-2 vermehrt. So sterben die Tumorzellen und andere Zellen (ausser die T Zellen) ab. Häufig werden die Tumorzellen auch von reaktiven T Zellen abgetötet in der Zellkultur. Die T Zellen werden dann im GMP-Raum weiter über zwei bis drei Wochen bis zu einer Anzahl von 50-100 Milliarden Zellen vermehrt mit IL-2, CD3-Stimulation und allogenen Feeder-Zellen. Wenn die Zellen im Zentrum produziert werden, in dem sie verabreicht werden, können sie frisch geerntet und frisch dem Patienten verabreicht werden. Normalerweise tritt der Patient eine Woche zuvor auf die Zelltherapie-Unit ein, damit die lympho-depletierende Chemotherapie mit Cyclophosphamid und Fludarabin eingeleitet werden kann. Mit der Verabreichung des TIL-Produktes wird zusätzlich IL-2 verabreicht [14]. Bei der Expansion und Therapie mit natürlich vorkommenden T Zellklonen geht man davon aus, dass sich tumorspezifische T-Zellen, die den Tumor mit ihrem T Zell-Rezeptor (TCR) erkennen können, sich in der Mikroumgebung der Tumorzellen befinden, diese aber aus verschiedenen Gründen nicht attackieren können (lokale Immunsuppression, Ermüdung/Exhaustion der T Zellen etc.). Durch die Kultivierung, Aktivierung und Vermehrung der T Zellen kann es aber zu einer Reaktivierung der Zellen kommen. Eine kürzlich erschienene Arbeit konnte zeigen, dass vor allem CD39 negative T Zellen, die im Körper auch länger überleben können, im TIL-Produkt helfen, längerfristig die Tumorerkrankung zu kontrollieren [15]. Zudem könnte mit der Selektion von Neoantigen-spezifischen T Zellen, die mit ihrem TCR sogenannte Neoepitope (neuentstanden, durch Mutationen bedingte Epitope) erkennen können, eine verbesserte TIL-Therapie generiert werden [10, 16]. In einer Arbeit wurde bei einem Patienten mit cholangiozellulärem Karzinom eine TIL-Therapie produziert, die spezifisch auf ein identifiziertes Neoepitop war [17]. Dies hat erfreulicherweise zu einem langfristigen Ansprechen trotz metastasierter Erkrankung geführt. Eine ähnliche erfolgreiche Anwendung von Neoantigen-selektionierten T Zellen erfolgte bei einer Patientin mit einem metastasierten, Hormonrezeptor positiven Mammakarzinom [18]. Eine Phase II Studie zeigte Ansprechen mit selektionierten T Zellen bei Patientinnen mit Brustkrebs [19]. In einer anderen Studie wurden T Zellen generiert, die p53-mutierte Neoantigen erkennen [20]. Weiter könnte die TIL-Therapie auch verbessert werden, indem die Zellen genetisch modifiziert werden [14]. Zum Beispiel können Chemokin-Rezeptoren durch virale Transduktion in die tumorspezifischen T Zellen eingebaut werden [21].

Zusammenfassend kann man sagen, dass die Phase III Studien zur Effizienz von TIL Therapien dazu führen werden, dass wir diese Therapie einer breiteren Patientenpopulation zugänglich machen müssen. Die FDA hat vor kurzem das von einer Firma hergestellte TIL-Produkt Lifileucel in den USA provisorisch zugelassen (Iovance Biotherapeutics). Auch haben die holländischen und dänischen Behörden die TIL-Therapie bei Patienten mit metastasiertem Melanom nach Versagen von Immuncheckpoint-Inhibitoren als Standardtherapie mit Kostenübernahme akzeptiert.

Genetisch modifizierte Zellen

Therapien mit genetisch modifizierten Zellprodukten haben in den vergangenen Jahren Einzug in die Routinebehandlung von Patienten mit hämatologischen Neoplasien gehalten. Vor allem die mit chimären Antigenrezeptoren (CAR) bestückten T Zellen wurden erfolgreich bei Patienten mit B Zell-Neoplasien, zum Beispiel akute B Zell-Leukämien oder auch B Zell-Lymphome wie diffuse, grosszellige B-Zell-Lympome (DLBCL) angewandt (Figur 1). Die Behandlung von bösartigen B-Zell-Malignomen ist bei mehreren Indikationen zum Standard geworden, wenn die Erstbehandlung versagt hat [22-24]. Insbesondere CD19+ B-Zell-Malignome wurden erfolgreich mit CD19-spezifischen CAR T Zellen behandelt [22]. Interessanterweise konnten bei Patienten mit vielen vorangegangenen Therapielinien und refraktärer Erkrankung mit der CAR-T Zelltherapie dauerhafte Remissionen erzielt werden. In jüngster Zeit haben mehrere Studien gezeigt, dass die CAR-T-Zelltherapie auch bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem (r/r) diffus-großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) eine Rolle spielt, da sie in diesem Fall die autologe Stammzelltransplantation ersetzen könnte [25]. Alle drei kommerziell erhältlichen CD19-gerichteten CAR-T Zellen wurden in randomisierten Phase-III-Studien getestet. In der ZUMA-7-Studie wurde axicabtagene ciloleucel (axi-cel) im Vergleich zur Standardtherapie bei 359 Patienten getestet [26]. Die ereignisfreie 2-Jahres-Überlebensrate bei den mit axi-cel behandelten Patienten betrug 41 % gegenüber 16 % in der Gruppe mit Standardtherapie. Die Belinda-Studie umfasste 322 Patienten und verglich den Einsatz von Tisagenlecleucel (tisa-cel) mit der Standardbehandlung [27]. In dieser Studie war das ereignisfreie Überleben in beiden Gruppen ähnlich. Die Transform-Studie untersuchte den Einsatz von Lisocabtagene Maraleucel (liso-cel) bei 184 r/r DLBCL-Patienten [28]. Das ereignisfreie Überleben war in der liso-cel-Gruppe mit 10,2 Monaten gegenüber 2,3 Monaten deutlich besser. Darüber hinaus werden CD19-gerichtete CAR-T-Zellen erfolgreich bei anderen B-Zell-Lymphomen und B-Zell-Leukämien eingesetzt [22, 23]. So haben CD19-gerichtete CAR-T Zellen bei Patienten mit hochrefraktärer akuter lymphoblastischer Leukämie erfolgreich dauerhafte Remissionen bewirkt [29, 30]. Darüber hinaus wurden follikuläre Lymphome und Mantelzell-Lymphome erfolgreich mit CD19-gerichteten CAR T Zellen behandelt [31, 32].

Weitere CAR T Zellbehandlungen, sind Therapien, die gegen das multiple Myelom wirken, zum Beispiel gegen das Antigen BCMA und auch gegen GPRC5D [33, 34]. Resistenz gegen die CAR-T-Zelltherapie ist weit verbreitet. So beträgt das progressionsfreie Überleben nach 5 Jahren bei Patienten mit DLBCL nur etwa 30 % und bei Patienten mit follikulärem Lymphom etwa 40 % [35]. Es wurden mehrere Mechanismen der Resistenz gegen CAR-T Zell-Therapien identifiziert (Figur 2). Ein Verständnis für diese Resistenzmechanismen kann helfen, neue CAR T Zelltherapien zu generieren. Insbesondere können so hoffentlich in Zukunft auch CAR T Zelltherapien entwickelt werden, die bei soliden Tumoren (>90% aller erwachsenen Krebspatienten) wirken. Erste CAR T Zelltherapien für Patienten mit gastro-intestinalen Tumoren zeigen bereits Erfolg [36]. Bei dieser Studie, welche bei Patienten mit fortgeschrittenem Magenkarzinom und Pankreaskarzinom durchgeführt wurde, wurden T Zellen mit einem CAR bestückt, der Claudin 18.2 erkennt.

Neue Genmodifikationsmethoden werden in Zukunft dabei helfen, ‘engineered’ Zellen herzustellen. Zum Beispiel, können Immunzellen hergestellt werden, die zwei Tumorantigene binden müssen, damit die Zelle aktiviert wird [37, 38]. So kann die Spezifität und die on-target off-tumor Toxizität deutlich erhöht werden.

Nicht-maligne Indikationen

Zelluläre Therapien können auch bei Patienten eingesetzt werden, die nicht an einer Krebserkrankung leiden [24]. Zum Beispiel können Patienten mit resistenten Infektionserkrankungen wie Virusinfekte, zum Beispiel mit dem Eb-stein-Barr Virus erfolgreich mit Virus-spezifischen T Zellen behandelt werden [39, 40]. Auch Immunerkrankungen wie zum Beispiel ein systemischer Lupus erythematodes können mit CAR Zellen behandelt werden [41]. Zudem bestehen Bestrebungen, regulatorische T Zellen genetisch zu manipulieren, um periphere Immuntoleranz zu ermöglichen, zum Beispiel bei Patienten nach Organtransplantation [6].

Nebenwirkungen

Immuntherapien haben ganz andere Nebenwirkungen als klassische onkologische Therapien wie Chemotherapien oder auch zielgerichtete Therapien. Viele der Nebenwirkungen kommen durch eine akute oder chronische Überaktivierung des Immunsystems zustande [4].

Nebenwirkungen von TIL-Therapien

Die Nebenwirkungen wurden sehr gut im Rahmen der Phase III Studie mit TIL-Therapie bei Melanompatienten dokumentiert [11]. Man muss vor allem Nebenwirkungen von der lympho-depletierenden Chemotherapie, von der TIL-Infusion sowie der IL-2 Therapie voneinander unterscheiden. Die Hauptnebenwirkungen der Cyclophosphamid und Fludarabin-Behandlung ist die Knochenmarkstoxizität und die davon herrührende Infektionsgefahr. Zudem treten auch Thrombozytopenien auf. In der Studie von Rohaan et al hatten alle Patienten, die Chemotherapie erhalten haben, eine Neutropenie Grad 3 und höher und 90% eine Thrombozytopenie [11]. Aufgrund der Knochenmarkstoxizität, welche mit dem Nadir genau in den Zeitraum der TIL-Transfusion und der IL-2 Behandlung fällt, muss häufig mit Breitbandantibiotika behandelt werden. Zudem werden eine Pneumocystis jirovecii-, sowie eine Herpesvirusprophylaxe durchgeführt. Weitere Nebenwirkungen der lympho-depletierenden Chemotherapie sind eine mögliche Zystitis durch die hohen Dosen Cyclophosphamid, sowie auch eine Hyophosphatämie.
Durch die TIL und IL-2 Therapie haben über 90% der behandelten Patienten in der Phase III Studie Fieber entwickelt [11]. Zudem kommt bei einigen Patienten ein Zytokinfreisetzungssyndrom (‘Cytokine Release Syndrome’, CRS) mit assoziierter Hypotonie und Kreislaufinstabilität vor. IL-2 kann typischerweise auch ein ‘Capillary Leak Syndrome’, das heisst eine Extravasation von Flüssigkeit bewirken. Unsere jüngste klinische Studie am Universitätsspital Basel hat Ende 2022 die Rekrutierung abgeschlossen und die geplanten 9 Patienten standen für die Sicherheitsanalyse zur Verfügung. Elf Patienten wurden eingeschlossen, 9 Patienten haben ein TIL-Produkt erhalten. Insgesamt haben wir bei allen Patienten Nebenwirkungen beobachtet, viele davon aufgrund der Chemotherapie. Bei einem Patienten, der kurz nach der Verabreichung des TIL-Produkts ein akutes Atemnotsyndrom und ein Zytokinfreisetzungssyndrom entwickelte, musste eine Verlegung auf die Intensivstation zur Vasopressoren-Therapie und zur Beatmung erfolgen.

Während der Verabreichung von TILs sollte wenn möglich auf Corticosteroide verzichtet werden, da diese die T Zellaktivität hemmen können. Sollten jedoch schwere, durch Entzündung bedingte Nebenwirkungen auftreten, sollen Corticosteroide eingesetzt werden. Da IL-6R bei CRS häufig eine Rolle spielt, sollen blockierende Antikörper wie das Tocilizumab bei höherem Schweregrad verabreicht werden. Bei Kreislaufinstabilität ist auch eine Verlegung auf eine Überwachungsstation nötig und gegebenenfalls müssen kreislaufstützende Medikamente eingesetzt werden.

Nebenwirkungen der CAR T Zelltherapie

Die CAR-T-Zelltherapie ist eine vielversprechende Behandlung für Krebs, kann aber auch verschiedene, zum Teil sehr schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Eine der häufigsten Nebenwirkungen ist das CRS, das Fieber, niedrigen Blutdruck und Organdysfunktion verursachen kann [42, 43]. Eine weitere mögliche Nebenwirkung bei CD19-gerichteten CAR T Zelltherapien ist das Immuneffektorzell-assoziierte Neurotoxizitätssyndrom (ICANS), das Verwirrung, Krampfanfälle und andere neurologische Symptome hervorrufen kann [42, 44]. Als häufige Folge der lympho-depletierenden Chemotherapie, die auch bei der CAR T Zelltherapie eine Behandlung mit Cyclophosphamid und Fludarabin beinhaltet, können auch Infektionen auftreten, die zu schweren und potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen führen [45]. In den grösseren, Phase III Studien in der Zweitlinientherapie von Patienten mit DLBCL haben Zweitgenerationen-CAR T Zellen bis 90% ein CRS und 60% neurologische Nebenwirkungen hervorgerufen, wobei die Nebenwirkungen zum grössten Teil nicht gravierend und reversibel waren [26].

Niedriggradige CRS werden mit supportiven Massnahmen behandelt inklusive Antipyretika und Flüssigkeitssupport [43]. Schwerere CRS werden mit IL-6R blockierenden Antikörpern und Immunsuppression mit Corticosteroiden behandelt. Gegebenenfalls müssen Patienten auch auf die Intensivstation zu Kreislaufüberwachung, Vasopressoren-
therapie und möglicherweise auch zur Sauerstofftherapie bis hin zur Beatmung. Während IL-6 Blockade beim CRS häufig eine gute Wirkung hat, nützt diese Massnahme bei Patienten mit ICANS nicht [43]. Häufig werden beim ICANS Cortikosteroide zur Behandlung neben supportiven Massnahmen angewandt.
Natürlich können mit neuem CAR-Design gegebenenfalls diese Nebenwirkungen, die teilweise lebensbedrohlich sind, reduziert werden. Es ist schon bekannt, dass CARs mit einer CD28 intrazellulären co-stimulatorischen Domäne (z.B. axi-cel) rascher proliferieren und rascher eine höhere Konzentration an Zytokinen freisetzen, sodass daraus imVergleich zu 4-1BB-haltigen CARs (z.B. tisa-cel) frühere und häufiger schwerere CRS und ICANS resultieren [46]. Direkte Vergleichsstudien in Patienten existieren aber nicht und es kann keine definitive Aussage getroffen werden, welcher CAR mehr Toxizität verursacht. Es konnte auch in ersten Studien gezeigt werden, dass Änderungen in der Signaling-Domäne der CD3 Kette eine Verbesserung des Nebenwirkungsprofils bringen könnte [47].

Fazit

Zelluläre Immuntherapien haben neue Möglichkeiten für unsere Patienten hervorgebracht. Insbesondere wird das Zell-Engineering in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und noch deutlich verbesserte Produkte auf den Markt bringen. Die Nebenwirkungen dieser Therapien sind zum Teil neuartig, aber oft gut behandelbar und reversibel. Durch die teilweise langanhaltende Wirkung der zellulären Immuntherapien können einzelne Patienten zum Teil trotz fortgeschrittener und stark vorbehandelter Erkrankungen langfristig in Remission gebracht werden.

Prof. Dr. Heinz Läubli

Departement Biomedizin
DBM Hebelstrasse – FG Läubli
Hebelstrasse 20
4031 Basel

heinz.laeubli@unibas.ch

Interessenkonflikte:
H.L. erhielt Reisekostenzuschüsse und Beraterhonorare von Bristol-Myers Squibb (BMS) und Merck, Sharp and Dohme (MSD). H.L. erhielt Forschungsunterstützung von BMS, Novartis, GlycoEra und Palleon Pharmaceuticals. H.L. ist Gründer der Glycocalyx Therapeutics AG.

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Kleine Zecke – Grosse Gefahr

Wir berichten über einen 23-jährigen Patienten, der sich aufgrund persistierender Kopfschmerzen sowie Fieber und Erbrechen in der Hausarztpraxis vorstellte. Im weiteren Verlauf kamen eine rechtsbetonte Tetraparese, eine Dysphagie sowie eine Dysarthrie hinzu und es kam zu einem generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfall. Weitere Abklärungen bestätigten eine FSME-Enzephalomyelitis und Polyradikulitis. Auch nach zweimonatiger Rehabilitation blieben beim ungeimpften Patienten sowohl neuropsychologische wie auch fokal-neurologische Residuen bestehen.

Anamnese und Befunde

Der 23-jährige, bisher gesunde Patient, meldete sich im Spätsommer erstmals in der Hausarztpraxis wegen starken, bitemporalen Kopfschmerzen mit Lichtempfindlichkeit, welche seit einer Woche bestanden. Bei Verdacht auf migräneartige Kopfschmerzen erfolgte eine symptomatische Therapie mit einem Salicylat (ASPÉGIC forte® 1000 mg) in Kombination mit Paracetamol (Dafalgan® 1g). Darunter kam es lediglich zu einer leichten Regredienz der Beschwerden, weshalb nach drei Tagen eine Wiedervorstellung in der hausärztlichen Praxis erfolgte. Der Patient klagte nun über persistierende, neu auch occipitale Kopfschmerzen (NRS 8/10) sowie über Übelkeit mit rezidivierendem Erbrechen – gemäss Angaben des Patienten ohne Fieber. Ebenfalls gab der Patient auf Nachfrage an, gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) geimpft zu sein und keinen Zeckenstich bemerkt zu haben.
Bei der klinischen Untersuchung zeigte sich ein febriler (38.8°C) Patient in deutlich reduziertem Allgemeinzustand und erhöhter Atemfrequenz, bewusstseinsklar und allseits orientiert. Klinisch fand sich kein eindeutiger Fokus für einen Infekt, insbesondere war die Abdomenuntersuchung unauffällig und epigastrisch war lediglich eine diffuse Druckdolenz eruierbar. Neurologisch zeigte sich ein fraglicher, höchstens endständiger Meningismus bei unauffälligem Hirnnerven-Status sowie normaler Sensorik und Motorik in allen vier Extremitäten.
Im Labor (Tabelle 1) waren eine Leukozytose (12.85 G/l) sowie Granulozytose (9.75 G/l) zu sehen, bei normwertigem C-reaktivem Protein (CRP). Das restliche Blutbild war unauf­fällig (Abbildung 1).

Differentialdiagnosen

Die Symptome lassen primär an eine Meningitis respektive Enzephalitis denken, wobei ein Spannungskopfschmerz bei zusätzlicher Infektion im Magen-Darm-Bereich als Ursache der Beschwerden nicht auszuschliessen ist. Weiter könnte man an eine (septische) Sinusvenenthrombose denken (Tabelle 2).

Weitere Abklärungsschritte und Verlauf

Aufgrund des sichtlich reduzierten Allgemeinzustandes des Patienten mit Kopfschmerzen sowie Erbrechen ohne eindeutigen Fokus und Bestehen eines möglichen Meningismus’ erfolgte die notfallmässige Zuweisung auf die Notfallstation eines Zentrumsspitals zur weiteren Diagnostik und Therapie. Durch die Angehörigen wurde dort ergänzend eine vermehrte Vergesslichkeit des Patienten in letzter Zeit beschrieben. Wie sich herausstellte, war der Patient nicht gegen FSME geimpft. In der neuerlichen neurologischen Beurteilung fielen sodann zusätzlich ein Absinken des rechten Armes (ohne Pronation) im Vorhalteversuch sowie symmetrisch schwache Muskeleigenreflexe auf.
Sowohl eine Computertomografie (CT) des Neurocraniums als auch die ergänzende CT-Angiographie waren ohne pathologische Befunde. Nach wiederholt frustraner Lumbalpunktion erfolgte bei dringendem Verdacht auf eine infektiöse ZNS-Erkrankung eine empirische Therapie mit Ceftriaxon, Dexamethason sowie Aciclovir. MR-tomografisch zeigte sich sodann ein diskret vermehrtes Enhancement zerebellär beidseits, passend zu einer Leptomeningitis (Abbildung 2).

In der im Verlauf erfolgreich durchgeführten Liquoranalyse (Tabelle 2) war eine Pleozytose mit erhöhtem Proteinanteil sichtbar, bei einer leicht- bis mittelschweren Störung der Bluthirnschranke. Zweizeitig bestimmte FSME-Serologien (sowohl IgM- als auch IgG-Antikörper) fielen jeweils positiv aus (mit deutlichem Titeranstieg (Ausgangswert IgG-Antikörper: 159 U/ml; im Verlauf 1756 U/ml)), während der HSV-Typ 1/2- sowie VZV-PCR negativ ausfiel (Tabelle 3). Die empirische Therapie mit Rocephin, Aciclovir sowie Dexamethason wurde folglich gestoppt.

Bereits zu Beginn erfolgte eine Verlegung des Patienten auf die Intensiv- und Pflegestation wo der Patient im Verlauf eine zunehmende rechts- und proximalbetonte Tetraparese (Armabduktion rechts M2, Hüftbeuger M3, sonst M4-5) entwickelte, was bei erhaltenen bis lebhalten Reflexen im Rahmen einer Enzephalomyelitis interpretiert wurde. Der Allgemeinzustand des Patienten verschlechterte sich sodann erneut, wobei es im Verlauf passend zu einer Enzephalopathie zu einer Vigilanzminderung mit Benommenheit und zu einer Dysarthrie sowie Dysphagie kam, weshalb eine Intubation sowie später eine Tracheotomie erforderlich wurden. Erschwerend kam ein Harnwegsinfekt dazu, welcher den erneuten Einsatz von Antibiotika (Piperacillin/Tazobactam) während einer Woche erforderlich machte. Nach Auftreten eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls zeigte eine durchgeführte Bildgebung mittels CT des Neurocraniums keine neuen Aspekte. Ein ergänzende Magnetresonanztomografie (MRT) long spine zeigte den Befund einer spinalen Leptomeningitis sowie einer Polyradiukulitis (Abbildung 3 und 4). Ebenfalls bestand eine motorische Unruhe im Sinne einer Akathisie. Es erfolgte eine weiterführende symptomatische sowie supportive Therapie, worunter es zu einer Besserung der Beschwerden kam. Nach 4 Wochen, während denen der Patient 18 Tage IPS-pflichtig war, konnte dieser in stabilem Allgemeinzustand in die Rehabilitation entlassen werden. Während den 8 Wochen der stationären Rehabilitation wurde die initial noch bestehende Dysphagie mittels Logopädie deutlich verbessert. Obwohl ein selbständiges Gehen ohne Hilfsmittel nach Absolvierung der Rehabilitation wieder möglich war, persistierten eine verminderte Schritthöhe sowie fehlende Schutzschritte. Motorisch bestand zudem weiter eine starke Einschränkung der Abduktion des rechten Armes – ein Aufstehen vom Boden ohne Hilfsmittel war zudem weiterhin nicht möglich.

Im Artikel verwendete Abkürzungen
BWS Brustwirbelsäule
CRP C-reaktives Protein
CT Computertomografie
fs Fettsättigung
FSME Frühsommer-Meningoenzephalitis
hs-CRP high-sensitive CRP
HSV Herpes simplex Virus
HWI Harnwegsinfekt
HWS Halswirbelsäule
IPS Intensiv- und Pflegestation
KM Kontrastmittel
KSSG Kantonsspital St. Gallen
li links
LWS Lendenwirbelsäule
MRT Magnetresonanztomographie
n/a nicht anwendbar
NRS Numerische Ratingskala
PCR Polymerase chain reaction
re rechts
TBE Tick-borne encephalitis
VZV Varizella Zoster Virus

Prof. Dr. med. Beat Knechtle

Facharzt FMH für Allgemeinmedizin
Medbase St. Gallen Am Vadianplatz
Vadianstrasse 26
9001 St. Gallen
Switzerland

beat.knechtle@hispeed.ch

Historie
Manuskript akzeptiert: 27.09.2023

Interessenskonflikte
Es bestehen keine Interessenskonflikte.

Danksagung
Wir danken dem Kantonsspital St. Gallen (KSSG) für das zur Verfügung stellen der MRT- sowie CT-Bilder.

  • Infektionen mit dem FSME-Virus können auch bei jungen und gesunden Menschen zu schweren Verläufen mit Enzephalomyelitis und Polyradikulitis führen.
  • Die dreifache Impfung gegen FSME bietet einen umfassenden Schutz von schätzungsweise 90-99%.
  • Bei Fieber ohne Fokus mit Kopfschmerzen sollte auch bei unspektakulären Labor-Werten und nicht erinnerlichem Zeckenstich an eine ZNS-Infektion gedacht werden.

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Sportverletzungen an Handgelenk und Fingern

Etwa ein Fünftel aller Sportunfälle betrifft die Hand. Viele Verletzungen können einfach diagnostiziert und behandelt werden. Einige davon aber, wie die Skaphoidfraktur oder die Hamulus-ossis-hamati-Fraktur, sind konventionell radiologisch schwierig zu erkennen und werden ohne CT häufig verpasst. Bandverletzungen wie der Skidaumen müssen erkannt und richtig, oft operativ, behandelt werden. Dazu gibt es sportartspezifische Verletzungen wie die geschlossene Ringbandruptur bei Kletternden, die sonst kaum vorkommen und wenig bekannt sind. Darauf wird in dem Artikel eingegangen, Pitfalls und Tricks werden diskutiert.

Einleitung

Die meisten Sportverletzungen an der Hand können einfach diagnostiziert und behandelt werden. Das Ziel dieses Artikels ist es, auf «Pitfalls» hinzuweisen, weniger bekannte Verletzungsmuster aufzuzeigen und auf die «Hitliste» häufig verpasster Diagnosen hinzuweisen. Eine topografische Differenzialdiagnose (Abb. 1) und radiologische Beispiele (Abb. 2) sollen Klarheit schaffen und an Vergessenes erinnern.
Notfallstationen wie auch Allgemeinpraktiker sind in den letzten Dekaden mit einer im Verhältnis zu Arbeits­unfällen zunehmenden Anzahl von Sportverletzungen konfrontiert. Gemäss Unfallstatistik der Suva [1] gab es im Jahr 2021 in der Schweiz über 803 000 gemeldete Unfälle, wovon 552 000 Freizeitunfälle waren. 193 000 davon waren Sportunfälle. Der Grossteil davon findet im Ballsport (36 %) und im Wintersport (25 %) statt. Weitere 10 % gehen auf Turnen und Laufsport, 7 % auf Wassersport, 5 % auf Bergsport und jeweils weniger als 5 % auf Kampfsport, Motorrennsport sowie Wurf- und Schlagspiele zurück. Weiter sind über 20 000 Fahrradsport- und Mountainbike-Unfälle zu verzeichnen, die in der Kategorie der Stras­senverkehrsunfälle gelistet werden.
Von allen Freizeit- und Sportunfällen betreffen ca. ­15–20 % die Hand, dabei wurden mehr als 12 000 Frakturen, über 23 000 Gelenk- und Bandverletzungen, 28 000 offene Wunden, 17 000 oberflächliche Verletzungen und Prellungen sowie 471 Nervenverletzungen verzeichnet.
Sportartspezifisch werden beim Wintersport (Skifahren, Snowboardfahren) vor allem Frakturen und Band­verletzungen im Bereich des Handgelenks sowie der ­Skidaumen (Ruptur des ulnaren Seitenbands des Daumengrundgelenks) beobachtet. Im Ballsport sehen wir vor allem Frakturen, Kapselband- und Sehnenverletzungen der Fingermittel-/und Endgelenke. Beim Fahrrad- und Mountainbike-Sport zeigen sich ähnlich wie beim Wintersport vor allem Handgelenksverletzungen und Frakturen, aber auch Knochenbrüche im Bereich der Mittelhand und Finger. Des Weiteren sind spezielle sportartspezifische Verletzungsmuster wie beim Sportklettern [2] (Ringbandriss, Ringbandentzündung, Epiphysenfugenverletzung), bei Racket-Sportarten wie Golf oder Tennis (Ex­tensor-carpi-ulnaris-Tendinopathien, Kapselbandläsionen des distalen Radioulnargelenks oder Hamulus-ossis-hamati-Ermüdungsfrakturen) zu beobachten.

Finger und Fingergelenke

Bei Sportverletzungen im Bereich der Finger sind neben Frakturen meist der Kapselbandapparat (Kollateralbänder), die Strecksehnen, weniger die Beugesehnen be­troffen. Inspektorisch ist bei Fehlstellungen, starker Schwellung, Achsenstossschmerz und Bewegungseinschränkung eine konventionell radiologische Abklärung zum Frakturausschluss indiziert. Dabei ist insbesondere auf eine exakte Exposition der seitlichen Projektion zu achten, um eine Impressionsfraktur der Basis des Mittelglieds ausschliessen zu können. Im Zweifelsfall muss eine CT-Untersuchung Klarheit schaffen. Undislozierte Frakturen ohne Gelenkbeteiligung können konservativ behandelt werden (sechs Wochen Intrinsic-plus-Schiene mit Einschluss der angrenzenden Gelenke).
Bei Schmerzen im Bereich des Daumen-Sattelgelenks sollte immer eine konventionell-radiologische Untersuchung (Daumen ap/seitlich mit Zentrierung auf das Sattelgelenk) durchgeführt werden und bei Unsicherheit ein CT erfolgen. Frakturen im Bereich der Basis des Metacarpale I (Bennet-, Rolando-, Winterstein-Fraktur) sind immer instabil und müssen operativ versorgt werden.
Ausser der ulnaren Seitenbandverletzung am Daumengrundgelenk (Skidaumen) können alle Kapselbandverletzungen, insofern früh erkannt und richtig behandelt, konservativ therapiert werden. Seitenbandverletzungen der MP-Gelenke (Stabilitätsprüfung in 90 ° Flexion) sowie der PIP-Gelenke (Stabilitätsprüfung in 10 ° Flexion) können mit einem Zwillingstape zum Nachbar-Finger für sechs Wochen ohne Ruhigstellung nachbehandelt werden. In gleicher Weise werden Hyperextensionsverletzungen (Läsion palmare Platte) der PIP-Gelenke behandelt.
Der Skidaumen, die ulnare Seitenbandverletzung des Daumengrundgelenks (Metacarpophalangealgelenk) wird klinisch durch eine vermehrte ulnarseitige Aufklappbarkeit verdächtigt und muss oft operativ behandelt werden. Dabei kann das distal ausgerissene Kollateralband nach proximal umschlagen und die interponierte Adduktoraponeurose eine Reposition des Bands verhindern. Diese sogenannte Stener-Läsion [3] muss MR-tomografisch oder ultrasonografisch ausgeschlossen werden, da nur durch eine Operation die Reposition und Re-Insertion des Bands möglich ist, um wieder ein stabiles zu Gelenk erreichen.
Die häufigste Läsion im Bereich der Strecksehnen ist eine Ruptur des Terminalzügels über dem DIP-Gelenk, auch Mallet-Finger genannt. Die Diagnose kann durch das sichtbar hängende Fingerendglied bereits klinisch gestellt werden. Es erfolgt eine konsequente Ruhigstellung des DIP-Gelenks in leichter Hyperextension in einer am besten durch die Ergotherapie angefertigten Schiene (Stack’sche Schiene) für acht bis zehn Wochen. Auch ossäre Strecksehnenausrisse können konservativ behandelt werden, wenn das Fragment weniger als 25 % der Gelenksfläche beträgt. Ist es allerdings grösser, disloziert oder das DIP-Gelenk subluxiert, muss eine Osteosynthese erfolgen. Weniger offensichtlich ist die Zentralzügelverletzung über dem PIP-Gelenk, die mit dem Elson-Test [4] (paradoxe Hyperextension des DIP-Gelenks bei Extension des flektierten PIP-Gelenks gegen Widerstand über dem Mittelglied) nachgewiesen werden kann. Es erfolgt eine konsequente Ruhigstellung mit einer PIP-Streckschiene für sechs Wochen. Bei verpasster Verletzung kann eine (fixierte) Knopflochdeformität mit zunehmender Flexionsfehlstellung in PIP- und Hyperextensionsfehlstellung im DIP-Gelenk resultieren, die nur mehr schwierig operativ behandelt werden kann.
Bei Schlägen im Kampfsport kann es zu Rupturen der seitlichen Führung (Sagittalbänder) der Strecksehnen über dem MP-Gelenk kommen, sodass die Sehnen im Faustschluss seitlich des Metakarpal-Köpfchens nach palmar rutschen können (Klinik, Ultraschall) und es so zu einem aktiven Extensionsdefizit kommen kann. Frisch diagnostiziert werden diese Verletzungen mit einer MP-Gelenkstreckschiene behandelt, bei chronischen Verletz­ungen muss das Sagittalband rekonstruiert werden. Bei ambitionierten Sportlerinnen und Sportlern werden subkapitale metakarpale Frakturen (Boxerfraktur), die auch intraartikulär verlaufen können (CT), möglichst anatomisch reponiert und meist operativ behandelt.
Deutlich seltener sind geschlossene Beugesehnenläsionen, wobei der distale Ausriss einer FDP-Sehne (Jersey-Finger) am häufigsten ist. Klinisch fällt dies durch ein ak­tives Flexionsdefizit im DIP-Gelenk auf, radiologisch findet sich meist ein ossäres Fragment im Bereich des Beugesehnenkanals, das immer operativ re-inseriert werden muss [5].
Im trendigen Klettersport, bei dem sehr hohe Belastungen an den Fingern auftreten, werden neue, in anderen Sportarten nicht vorkommende Verletzungsmuster beobachtet [1]. Die häufigste Pathologie ist der Riss eines Ringbands der Beugesehnenscheide (A2-Ringband über dem Grundglied, A4-Ringband über dem Mittelglied). Der Athlet kommt mit der Anamnese, einen Knall oder Schnalzen im Finger beim Halten eines kleinen Griffs während ­eines schwierigen Kletterzugs bemerkt zu haben. Bei der Flexion des Fingers gegen Widerstand kann ein vermehrtes Abheben der Beugesehnen (Bogensehneneffekt) palpiert werden, die Verletzung ist ultrasonografisch erkennbar und kann gut mit einer sogenannten Ringbandschutzschiene (Ergotherapie) konservativ behandelt werden [6]. Lediglich multiple Ringbandrupturen (A2- und A4-Ringband) an einem Finger müssen bisweilen operativ (Ringbandrekonstruktion) angegangen werden. Des Weiteren sind die A2- und A4-Ringbänder auch häufig von einer schmerzhaften Synovialitis betroffen, führen aber nicht wie beim A1-Ringband zu einem Schnappfinger. Die Spontanheilung und Prognose sind sehr gut (funktionelle Nachbehandlung). Bei jugendlichen Kletternden im Wachstum ist die Ermüdungsfraktur der Epiphyse/Epiphysenfuge am PIP-Gelenk die häufigste Verletzung und kann, wenn nicht erkannt (BV mit Ausprojektion, CT) zu Sekundärschäden und Präarthrose führen.

Handgelenk

Die Skaphoidfraktur ist die am häufigsten verpasste Fraktur und resultiert unbehandelt meist in einer Pseudoarthrose und längerfristig in einer Arthrose (SNAC wrist). Schmerzen nach einem Sturz auf das Handgelenk, die ­länger als zwei bis drei Wochen anhalten, sollten daher ernst genommen und abgeklärt werden. Bei Verdacht auf eine Skaphoidfraktur (Druckschmerzhaftigkeit in der Taba­tière, distaler Skaphoidpol und dorsal-zentraler Druckschmerz) sollte mittels CT (oder MRT) eine Kahnbeinfraktur ausgeschlossen werden [7], da diese im konventionellen Röntgen oft nicht sichtbar ist. Eine nicht dislozierte Fraktur im mittleren oder distalen Drittel kann konservativ, alle anderen Frakturtypen (proximales Drittel, dislozierte Frakturen) müssen operativ behandelt werden. Im Fall einer konservativen Behandlung erfolgt eine Ruhigstellung im Skaphoidgips (Handgelenk und Daumeneinschluss) für acht Wochen mit folgender Konsolidationskontrolle im CT.
Deutlich seltener als die Skaphoidfraktur mit 68 % aller karapalen Frakturen sind die Triquetrumfraktur mit 18 %, die Trapeziumfraktur mit 5 %, die Lunatumfraktur mit 4 % sowie Capitatum-, Hamatum- und Pisiforme-Frakturen mit je 1–2 %. Alle diese Verletzungen können nur sicher mittels CT ausgeschlossen werden. Bei Schmerzen über dem Hypothenar muss an eine Fraktur des Hamulus ossis hamati (direkte Kontusion bei Sturz oder Ermüdungsfraktur) gedacht werden, da diese unbehandelt häufig in einer Pseudoarthrose resultiert und langfristig zu Beugesehnenrupturen des Klein- und Ringfingers führen kann. Die übrigen karpalen Frakturen können, wenn isoliert und nicht disloziert, mit Gipsruhigstellung für sechs Wochen konservativ behandelt werden. Komplexe Kombinationsverletzungen wie die perilunäre Luxation sind «handchirurgische Notfälle».
Bei einer distalen Radiusfraktur wird bei Sportlerinnen und Sportlern keine Fehlstellung toleriert, lediglich undislozierte Frakturen können konservativ behandelt werden. Da konventionell radiologisch eine intraartikuläre Beteiligung nicht immer sichtbar ist oder unterschätzt wird, sollte die Abklärung CT-tomografisch liberal indiziert werden. Ist eine konservative Behandlung indiziert, erfolgt nach 7–10 Tagen und nach sechs Wochen immer eine radiologische Stellungskontrolle. So lange bleibt der Unterarm im Gips oder in der thermoplastischen Schiene. Alle auch wenig dislozierten Frakturen sollten operativ behandelt werden (meist palmare Plattenosteosynthese), auch mit dem Vorteil einer funktionellen Nachbehandlung.
Die am häufigsten verpasste Bandverletzung im Bereich des Karpus ist die Ruptur des skapholunären Bands, da diese initial meist nur kurzfristig schmerzhaft ist. Nach einem schmerzarmen Intervall von mehreren Monaten ­resultiert ein karpaler Kollaps in zunehmenden Schmerzen und Arthrose (SLAC wrist). Bei einer Anamnese mit Handgelenkschmerzen dorsal zentral (auch Palpationsschmerz) sowie Blockadeerscheinungen und Schnapp­episoden sowie positivem Watson-Test (schmerzhafte Ulnar-Radialduktion im Handgelenk, während Druck auf den distalen Skaphoidpol ausgeübt wird und dabei auftretende Krepitationsphänomene) sollte zum Ausschluss oder Nachweis dieser Verletzung ein Arthro-MRT durchgeführt werden. Konventionell-radiologisch besteht der Verdacht auf eine skaphoulnäre Bandruptur beim Auseinanderweichen von Skaphoid und Lunatum im pa-Bild sowie bei zunehmender Extensionsstellung des Lunatum und Flexionsstellung des Skaphoid im Seitenbild. Die Verletzung muss operativ mittels Bandnaht (erste drei bis sechs Wochen) oder mit einer Bandrekonstruktion behandelt werden.
Die Ruptur des Bandapparates zwischen Ulnakopf und distalem Radius (TFCC) kann zu einer Instabilität im distalen Radioulnargelenk (DRUG) führen. Klinisch äussert sich diese durch eine Druckschmerzhaftigkeit distal des Ulnakopfes, Schmerzen bei Pro-Supination sowie vergrös­serter Schublade (dorso-palmare Translation zwischen Radius und Ulna). Die Verletzung wird mittels Arthro-MRT nachgewiesen und kann, wenn frisch entdeckt, konservativ mit einer Oberarmhandgelenkschiene in 20 ° ­Supinationsstellung konservativ behandelt werden. Bei chronischer Instabilität muss eine Bandnaht oder Band­rekonstruktion in Betracht bezogen werden. Weitere Schmerzursachen im Bereich des Ulnakopfs können eine Entzündung oder Ruptur des 6. Strecksehnenfachs (ECU-Sehne), Überbelastung und Entzündung des DRUG oder eine traumatisierte Ulnaplusvariante (Ulnaimpak­tions­syndrom) sein. Bei ausgeschöpfter konservativer Therapie kann eine Rekonstruktion des 6. Strecksehnenfachs, eine Steroidinfiltration ins DRUG oder eine Ulnaverkürzungsosteotomie indiziert sein.

 

Im Artikel verwendete Abkürzungen
CT Computertomogramm
DRUG Distales Radioulnargelenk
EDC Extensor digitorum communis
EPL Extensor pollicis longus
FCR Flexor carpi radialis
FCU Flexor carpi ulnaris
Fx Fraktur
MRT Magnetresonanztomografie
RC Radiocarpal
SL Scapholunär
SLAC Scapholunate Advanced Collapse
SNAC Scaphoid Nonunion Advanced Collapse
STT Scapho-trapezoid Trapezium
TFCC Triangular Fibroä-Cartilage Complex

Prof. Dr. med. Andreas Schweizer

Universitätsklinik Balgrist Forchstrasse 340, 8008 Zürich

andreas.schweizer@balgrist.ch

Historie
Manuskript eingereicht: 30.12.2022
Manuskript akzeptiert: 30.01.2023

Interessenskonflikte
Es bestehen keine Interessenskonflikte.

  • Sportverletzungen an der Hand werden immer häufiger. Genaue Diagnostik und Bildgebung, z.B. bei Frakturen mit CT, ist wichtig für eine optimal Behandlungsentscheidung.
  • Bei Frakturen werden weniger Fehlstellungen toleriert und es wird weniger oft konservativ behandelt.
  • Achtung bei tückischen Verletzungen wie Skaphoidfraktur und Hamulus ossis hamati Fraktur (CT), Skidaumen und Ringbandverletzungen bei Kletternden (Ultraschall) oder skapholunärer Bandruptur und TFCC-Läsionen (MRT).

1. Koordinationsgruppe für die Statistik der Unfallversicherung UVG (KSUV) c/o Suva. https://www.unfallstatistik.ch/d/publik/unfstat/pdf/Ts21.pdf.
2. Schweizer A. Sport climbing from a medical point of view. Swiss Med Wkly. 2012;142:w13688.
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