«HER2-low»-Brustkrebs – Neue Optionen und Herausforderungen in Onkologie und Pathologie

Brustkrebs ist weltweit die häufigste Krebsart bei Frauen (1). In der Schweiz wird die Erkrankung jährlich bei mehr als 6000 Frauen diagnostiziert (2). Der Expressionsstatus der Hormonrezeptoren (Estrogenrezeptor, ER; Progesteronrezeptor, PR), des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (HER2), sowie die Proliferationsfraktion Ki67 sind für die Behandlungsstrategie von zentraler Bedeutung, denn die Expression insbesondere von ER, PR und HER2 gibt Auskunft über die Anwendbarkeit zielgerichteter Wirkstoffe. 15-20 % aller Brusttumore zeigen eine starke Überexpression der Rezeptortyrosinkinase HER2, ein Protoonkogen, welches zu besonders aggressiven Karzinomen mit einem hohen Metastasierungs- und Rezidivrisiko führt (3). Entsprechend war die Prognose für die Betroffenen sehr ungünstig, bis zielgerichtete Therapien eine spezifische Hemmung des onkogenen HER2-Signalwegs ermöglichten und so zu einer signifikanten Verbesserung der Überlebensraten beim HER2-positiven Brustkrebs führten (3).

Breast cancer is the most common type of cancer in women worldwide (1). In Switzerland, more than 6000 women are diagnosed with the disease every year (2). The expression status of the hormone receptors (estrogen receptor, ER; progesterone receptor, PR), the human epidermal growth factor receptor 2 (HER2) and the proliferation fraction Ki67 are of central importance for the treatment strategy, as the expression of ER, PR and HER2 in particular provides information on the applicability of targeted agents. 15-20 % of all breast tumors show a strong overexpression of the receptor tyrosine kinase HER2, a protooncogene that leads to particularly aggressive carcinomas with a high risk of metastasis and recurrence (3). Accordingly, the prognosis for those affected was very unfavorable until targeted therapies made it possible to specifically inhibit the oncogenic HER2 signaling pathway and thus led to a significant improvement in survival rates in HER2-positive breast cancer (3).
Key Words: HER2-positive breast cancer, metastatic breast cancer, hormone receptor-positive

Die Behandlung des HER2-positiven Brustkrebs

Die Bestimmung des HER2-Status erfolgt nach den Leitlinien der American Society of Clinical Oncology (ASCO) und dem College of American Pathologists (CAP) aus dem Jahr 2018, und nach der aktualisierten Version aus dem Jahr 2023 (4, 5). Dabei wird die HER2-Expression auf der Oberfläche der Krebszellen mithilfe von immunhistochemischer Färbung (IHC) sichtbar gemacht und mit einem vierstufigen Score von 0 bis 3+ bewertet. Ein IHC-Score von 0 (IHC 0) zeigt eine schwache, inkomplette Färbung bei ≤ 10% der Zellen an. IHC 3+ steht für eine starke, zirkuläre Färbung bei über 10% der Zellen. Zudem soll vor allem bei IHC 2+ mittels In-situ-Hybridisierung (ISH) untersucht werden, ob eine HER2-Genamplifikation vorliegt.

Der therapeutische Nutzen der bisherigen HER2-gerichteten Substanzen war meist auf Karzinome beschränkt, die entweder eine starke (IHC 3+) oder eine mässige HER2-Überexpression mit Genamplifikation (IHC 2+/ISH-positiv) oder eine alleinige ISH-Positivität unabhängig von Proteinexpression aufwiesen. Nur diese Brusttumore gelten daher gemäss den aktuellen ASCO/CAP-Leitlinien als HER2-positiv (4, 5). Für die Betroffenen stehen die monoklonalen Antikörper (mAbs) Trastuzumab und/oder Pertuzumab, meist in Kombination mit Chemotherapie, bereits ab dem neoadjuvanten Therapiesetting bis hin zur palliativen Situation, zur Verfügung. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs, antibody drug conjugates) sind eine Weiterentwicklung der mAb-Therapien und transportieren zytotoxische Wirkstoffe zielgenau an die Tumorzelle. Das erste HER2-gerichtete ADC Trastuzumab-Emtansin (T-DM1) wird heute im postneoadjuvanten Setting eingesetzt, wenn eine neoadjuvante Systemtherapie nicht zu einer pathologischen Komplettremission führt. Ausserdem war T-DM1 der Therapiestandard für die zweite Behandlungslinie des fortgeschrittenen oder metastasierten HER2-positiven Brustkrebses, bis in der DestinyBreast-03-Studie gezeigt wurde, dass das neuartige ADC Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) (Abb. 1) im Direktvergleich hinsichtlich des Gesamtüberlebens (OS) signifikant überlegen war und im Juni 2022 in der Schweiz die Zulassungserweiterung für den Einsatz ab der zweiten Linie erhielt (6). Bei Progression der metastasierten Erkrankung unter den genannten Substanzen kommt in späteren Therapielinien auch der Tyrosinkinaseinhibitor Tucatinib in Kombination mit Capecitabin und Trastuzumab zum Einsatz (7).

Die Behandlung von HER2-negativen Tumoren

Tumore mit einem IHC-Score von 1+ oder 2+ ohne HER2-Genamplifikation (ISH-negativ) weisen zwar eine geringe HER2-Expression auf, diese reichte jedoch in der Vergangenheit nicht aus, um ein Ansprechen auf die bisher zur Verfügung stehenden zielgerichteten Therapien zu bewirken. In der 2018er-Ausgabe der ASCO/CAP-Leitlinien zur HER2-Testung wurden diese Tumore daher mit den tatsächlich HER2-negativen Tumoren (IHC 0) zusammengefasst (4). Betroffene werden je nach Expressionsstatus von Estrogen- und Progesteronrezeptor gemäss den Richtlinien für dreifach negativen Brustkrebs (TNBC, triple negative breast cancer) oder Hormonrezeptor (HR)-positiven Brustkrebs behandelt (11).

Bei metastasiertem Brustkrebs mit positivem HR-Status kommen zunächst endokrine Therapien, in der Regel in Kombination mit CDK4/6-Inhibitoren (CDK4/6i), zum Einsatz. Bei Progress richtet sich die weitere Therapie nach dem Vorhandensein von Targets in der Brustkrebszelle, wie ESR1-, PIK3CA- und BRCA-1/2-Mutationen. Sind keine solchen Mutationen vorhanden oder kommt es unter den zielgerichteten Substanzen zum erneuten Progress, gibt es nun neue ADCs, die den Einsatz der klassischen Chemotherapien hin zu späteren Therapielinien verschieben. Unter den klassischen Chemotherapien führen Arzneimittelresistenzen jedoch bereits nach kurzer Zeit zum Progress und die Wirksamkeit der verbleibenden Therapieoptionen ist begrenzt (12, 13).

Für die Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten (m)TNBC stehen nur wenige zielgerichtete Therapieoptionen zur Verfügung. Bei Vorliegen einer BRCA-Mutation beispielsweise können PARP-Inhibitoren eingesetzt werden. Im Fall einer erhöhten PD-L1-Expression der Tumor- und/oder Immunzellen können Immuntherapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren in Kombination mit einer Chemotherapie wirksam sein (14). Ab der zweiten Therapielinie war die alleinige Chemotherapie jedoch für lange Zeit die einzige Behandlungsoption, mit geringen Ansprechraten und kurzem progressionsfreien Überleben (PFS) (15). Im Rahmen der Phase-III-Studie ASCENT zeigte Sacituzumab Govitecan (SG) bei Patientinnen mit mTNBC ein signifikant verlängertes PFS und Gesamtüberleben (OS) im Vergleich zur Standard-Chemotherapie und wurde infolgedessen in der Schweiz im September 2021 zur Behandlung des mTNBC zugelassen bei Patientinnen, die bereits mindestens zwei Vortherapien hatten, mindestens eine davon im metastasierten Setting (15).

HER2-low Brustkrebs: Das Ende der binären HER2-Klassifizierung

Das ADC T-DXd führte in der Phase-III-Studie DESTINY-Breast04 zu einem signifikant verlängerten PFS und OS im Vergleich zur Chemotherapie bei Mammakarzinomen mit geringer HER2-Expression (IHC 1+ oder IHC 2+/ISH-negativ), welche nach ASCO/CAP-Definition als HER2-negativ eingestuft werden (16). Diese Ergebnisse geben Anlass dazu, die binäre Einteilung der HER2-Klassifizierung zu revidieren und Brustkrebs mit niedriger HER2-Expression als dritte Entität zu erfassen, dem HER2-low-Brustkrebs (11). Etwa die Hälfte aller Karzinome, die bislang nach den Therapieleitlinien für HER2-negativen Brustkrebs behandelt wurden, fallen nun in diese neue Kategorie (Abb. 2) (11). Angesichts dieser grossen Patientinnenpopulation sind die Resultate der DESTINY-Breast04-Studie von enormer klinischer Signifikanz und führten schliesslich zur EMA-, FDA- und Swissmedic-Zulassung von T-DXd für den Einsatz beim HER2-low-Brustkrebs sowie zu einer Empfehlung in den NCCN-, ESMO- und ASCO-Behandlungsleitlinien (5, 17-19) (Abb. 1).

Implikationen für Therapiesequenz und Behandlungsalgorithmen

T-DXd steht nun einer grossen, zuvor als HER2-negativ eingestuften, Population von Patientinnen zur Verfügung und wirft so die Frage der optimalen Behandlungsstrategie auf. Bei Patientinnen mit metastasiertem HR-positivem HER2-low Brustkrebs sprechen die Ergebnisse der DESTINY-Breast04-Studie für den bevorzugten Einsatz von T-DXd nach Ausschöpfen der endokrinen Therapiemöglichkeiten, wobei gemäss Zulassung in der Schweiz aktuell der Einsatz erst nach einer Linie Chemotherapie im metastasierten Setting möglich ist (12). Aktuelle Daten zeigen, dass T-Dxd in diesem Setting auch zu besserem intrakraniellen Ansprechen bei HER2low-Patientinnen führt als andere Behandlungen nach ärztlicher Wahl (20).

Auch im HR-negativen Setting deutet eine explorative Analyse der DESTINY-Breast04-Studie auf einen OS- und PFS-Benefit von T-DXd hin (12). Aufgrund der deutlich robusteren Resultate der ASCENT-Studie bei TNBC-Patientinnen ist SG hier allerdings weiterhin vorzuziehen, T-DXd kommt jedoch nach Progress unter SG bei dieser Patientinnengruppe in Frage.

Zukünftige Studien müssen nun eine empirische Grundlage für die optimale Therapiesequenz von ADCs beim HER2-low Brustkrebs schaffen. Zudem bedarf es neuer klinischer Daten, die das Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil neuer ADCs in Kombination mit oralen zielgerichteten Substanzen untersuchen.

Neue ADCs: Therapiemanagement

Das Nebenwirkungsprofil von T-DXd und SG ist vergleichbar mit dem etablierter Chemotherapien, Studienergebnisse deuten aber auf eine Überlegenheit hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität hin (21, 22). Gastrointestinale Nebenwirkungen, vor allem Nausea, traten in Studien besonders häufig auf. Um einer einschneidenden Reduktion der Lebensqualität durch Nausea vorzubeugen, empfehlen ASCO und NCCN eine prophylaktische antiemetische Therapie (17, 23, 24).

Wie einige andere onkologische Therapien, birgt auch die Behandlung mit T-DXd ein signifikantes Risiko für die Entwicklung einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD), die tödlich verlaufen kann und zumeist mit unspezifischen Symptomen wie Dyspnoe, Husten oder Fieber beginnt (25). Während eine ILD ersten Grades mit Dosisunterbrüchen und Kortikosteroiden behandelbar ist, erfordern höhere Grade einen Therapieabbruch. Das frühzeitige Erkennen einer ILD bedarf eines proaktiven Managements mit aktiver Überwachung (25-27). Auch eine umfangreiche Aufklärung der Patientinnen über die ersten Anzeichen der ILD ist essenziell, damit sie diese rasch kommunizieren und eine Abklärung inklusive CT-Untersuchung umgehend in die Wege geleitet werden kann (25, 27).

Ob und wie häufig ein ILD-Monitoring bereits bei Patientinnen ohne ILD-Symptome stattfinden sollte und welche bildgebenden Verfahren hierfür geeignet sind, wird derzeit noch in klinischen Studien untersucht. Erste robuste Daten werden von der DESTINY-Breast12-Studie (NCT04739761) erwartet, in der regelmässige CT-Untersuchungen zum Zwecke des Tumor-Stagings und der ILD-Überwachung durchgeführt werden. Auch ein besseres Verständnis der Pathophysiologie ist erforderlich, um ILD-Risikogruppen gezielter identifizieren und überwachen zu können.

HER2-Testung: Neue Herausforderungen für die Pathologie

Neue Substanzen haben den Untersuchungsauftrag der Pathologie um die zuverlässige Abgrenzung HER2-niedrigexprimierender Karzinome von vollständig HER2-negativen erweitert. Dabei behält die in den ASCO/CAP-Leitlinien definierte HER2-Einteilung nach vier IHC-Scores zunächst ihre Gültigkeit und auch die Ermittlung dieser Scores erfolgt weiterhin über das etablierte Verfahren in drei Schritten, welches die Anwendung der sogenannten Objektivregel, die Prüfung auf Zirkularität und Stärke der Membranfärbung und die Ermittlung des Prozentsatzes der HER2-exprimierenden Zellen umfasst. Allerdings ist die Angabe, ob ein HER2-negatives oder -positives Karzinom vorliegt, für die Therapieentscheidung laut aktualisierten Leitlinien nicht mehr ausreichend. Vielmehr sollte im histologischen Bericht der konkrete IHC-Score und gegebenenfalls auch das ISH-Resultat festgehalten werden, damit eine klare Unterscheidung zwischen IHC 0 und IHC 1+ sowie IHC 2+ /ISH-negativ getroffen werden kann (5, 19). Die Autor/-innen der neuen ASCO/CAP-Leitlinien befinden es allerdings als verfrüht, die Terminologie für eine geringere HER2-IHC-Expression auf «HER2-low» zu ändern. Stattdessen empfehlen sie eine Fussnote in den Bericht einzufügen, in der zwischen HER2-Tumoren mit Überexpression/Amplifikation und solchen mit geringer Expression unterschieden wird. Sie raten Patholog/-innen Anstrengungen zu unternehmen, um vor allem IHC 1+ Ergebnisse von 0 zu unterscheiden, indem sie z. B. HER2-IHC mit hoher Brechkraft (40x) untersuchen, eine zweite Überprüfung bei knapper Diagnose in Betracht ziehen, und Kontrollen verwenden, um sicherzustellen, dass der Assay eine angemessene Nachweisgrenze hat (5).

Die Leitlinien der NCCN, ESMO und ASCO für die Behandlung des Mammakarzinoms haben die neue Entität des HER2-low-Brustkrebs bereits in ihre Empfehlungen aufgenommen. Es ist davon auszugehen, dass dies in den Leitlinien zur HER2-Testung in Zukunft auch Berücksichtigung finden wird. In der aktuellen Revision der französischen GEFPICS-Guidelines wurde die HER2-Dichotomie bereits aufgegeben, zugunsten der klinisch relevanten Dreiteilung in HER2-negative, HER2-positive und HER2-low-Karzinome (28). Auch in den Leitlinien der AGO-Kommission Mamma ist die Entität des HER2-low-Brustkrebs seit 2023 aufgenommen (29).

Die Limitationen immunhistochemischer Nachweisverfahren

Immunhistochemische Verfahren sowie ISH bilden derzeit die einzig validierte Grundlage für die HER2-Testung.
Insbesondere zur Identifizierung jener Tumore mit sehr niedrigen HER2-Expressionsniveau können IHC-Assays jedoch infolge der Formalinfixierung, die zu einem Verlust von HER2-Molekülen führt, ungeeignet sein, da ein IHC-Score von 0 in diesem Fall das Resultat eines technischen Artefaktes wäre. Eine Reevaluierung der Eignung immunhistochemischer Nachweisverfahren für die zuverlässige Identifizierung von HER2-low-Karzinomen ist daher sinnvoll. Weitere Testverfahren wie next generation sequencing (NGS), RNA-Nachweis und RT-qPCR sollten erst in klinischen Studien evaluiert werden, bevor sie als Standardverfahren für HER2-Testung in den Richtlinien genehmigt werden. Bis neue Methoden zur HER2-Testung validiert wurden, sollten IHC-Testungen stets mit den standardisierten und von der FDA zugelassenen Assays HercepTest (Agilent) und dem Ventana 4B5-Testkit durchgeführt werden, um so die Validität und Reproduzierbarkeit der HER2-Bestimmung zu gewährleisten.

Gezielte Schulungsprogramme und Ringversuche zur Erhöhung der Konkordanz

Frühere Untersuchungen ergaben bei der Bewertung eines Karzinoms als IHC 0 oder 1+ eine Konkordanz von lediglich 26%, wobei diese Analysen zu einem Zeitpunkt stattfanden, als die Unterscheidung noch keine therapeutischen Implikationen hatte (30, 31). Daher ist zu erwarten, dass die Konkordanz mit dem Bewusstsein über die neue Behandlungsindikation bei IHC 1+ Karzinomen deutlich ansteigen wird.

Zur Qualitätskontrolle sollten Ringversuche, die bei HER2-positiven Karzinomen bereits etabliert sind, auch auf HER2-low Karzinome ausgeweitet werden. Zudem sollte die Evaluierung vor allem in der Anfangsphase unter Einbezug erfahrener Brustpatholog/-innen erfolgen. Patholog/-innen sollten darüber hinaus gezielte Schulungsangebote für die Unterscheidung zwischen IHC 0 und IHC 1+ Karzinomen nutzen. In der Schweiz haben zu diesem Zweck bereits zwei virtuelle TARGOS-Trainings stattgefunden.

Ausblick: Wie «low» können wir gehen?

Angesichts der gesteigerten Wirksamkeit neuer HER2-gerichteter Therapien stellt sich die Frage, wo die therapeutisch relevante Grenze zwischen IHC 0 und IHC 1+ tatsächlich verläuft. Aktuelle Analysen der DAISY-Studie im HR-negativen Setting deuten darauf hin, dass selbst Patientinnen mit einem IHC-Score von 0 noch von T-DXd profitieren (32). Die Phase-III-Studie DESTINY-Breast06 (NCT04494425) widmet sich nun gezielt der Frage, wie sich T-DXd bei HR-positivem, metastasierten Brustkrebs auswirkt, der einen HER2 IHC-Score von >0 und <1+ aufweist.
Zudem befinden sich weitere Substanzen in der klinischen Entwicklung, darunter ADCs wie Disitamab-Vedotin und Trastuzumab-Duocarmacin, sowie bispezifische und trispezifische mAbs und HER2-Vakzinen, die bei niedrigen HER2-Expressionsniveaus vielversprechende Aktivität zeigen und die etablierten diagnostischen Verfahren und Kategorien weiter auf den Prüfstand stellen (33).

Copyright Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Cornelia Leo

Interdisziplinäres Brustzentrum Kantonsspital Baden
Frauenklinik, Kantonsspital Baden
Im Ergel 1
5404 Baden

Prof. Dr. med.  Zsuzsanna Varga

Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Universitätsspital Zürich
Schmelzbergstrasse 12
8091 Zürich

Daiichi Sankyo (Schweiz) AG und AstraZeneca AG haben die Erstellung des Artikels initiiert und die finanziellen Ressourcen für einen Medical Writer zur Unterstützung der Autorinnen zur Verfügung gestellt. Daiichi Sankyo (Schweiz) AG und AstraZeneca AG hatten keinen Einfluss auf den Inhalt der Publikation.

Systemtherapie in der Behandlung des Nasopharynxkarzinoms

Die Inzidenz des Nasopharynxkarzinoms (NPC) ist in den verschiedenen Teilen der Welt sehr unterschiedlich, wobei das nicht-keratinisierte NPC am häufigsten vorkommt. Zu den klinischen Symptomen gehören Nasenatmungsbehinderung, Epistaxis, Kopfschmerzen, Hörverlust oder Ausfall der kranialen Nerven, und die Patienten weisen häufig eine Lymphadenopathie in einem bereits lokal fortgeschrittenen Stadium auf. Die wichtigste Behandlungsmodalität in kurativen Situationen ist die Radiotherapie, die in den frühen Stadien allein und in den lokal fortgeschrittenen Stadien in Kombination mit der Chemotherapie eingesetzt wird. Die Chirurgie spielt im primär kurativen Konzept kaum eine Rolle, wohl aber bei regionalen Rezidiven oder Persistenz in den Lymphknoten nach RCT. Im Fall eines lokalen oder regionären Rezidivs soll die Möglichkeit einer Salvage-Operation oder einer Re-Bestrahlung evaluiert werden. Sollte keine solche Option bestehen, ist eine palliative Systemtherapie indiziert.

The incidence of nasopharyngeal carcinoma (NPC) varies widely in different parts of the world, with non-keratinized NPC being the most common. Clinical symptoms include nasal obstruction, epistaxis, headache, hearing loss or cranial nerve loss, and patients often present with lymphadenopathy at a locally advanced stage. The most important treatment modality in curative situations is radiotherapy, which is used alone in the early stages and in combination with chemotherapy in the locally advanced stages. Surgery hardly plays a role in the primary curative concept, but it does in the case of regional recurrence or persistence in the lymph nodes after RCT. In the case of local or regional recurrence, the possibility of salvage surgery or re-radiation should be evaluated. If no such option is available, palliative systemic therapy is indicated.
Key Words: Nasophyryngeal carcinoma, chemotherapy, Systemic Therapy

Epidemiologie

Die Inzidenz des Nasopharynxkarzinoms (NPC) unterscheidet sich stark in verschiedenen Teilen der Welt: in den Hochrisikoregionen Asiens kann sie bis 20/100‘000 Einwohner/Jahr erreichen, in Europa und den USA beträgt sie um 0.5-2/100‘000/Jahr (1). Die Rolle der Infektion und der malignen Transformation durch Epstein-Barr-Virus ist unbestritten; vermutlich tragen die noch unklaren genetischen Faktoren zu der hohen Inzidenz in den Hochrisikoregionen Asiens bei (2).

Sowohl die Inzidenz als auch die Mortalität nehmen ab, was vermutlich auf mehrere verschiedene Faktoren zurückzuführen ist: Fortschritte in der Diagnostik, Entwicklung und Verbesserung der multimodalen, Stadium- und Rezidivrisiko adaptierten Therapiestrategien sowie verbessertes Screening in endemischen Gebieten.

Pathologie

Die Nasopharynxkarzinome werden in keratinisierte, nicht-keratinisierte und basaloide Subtypen aufgeteilt. Am häufigsten ist das nicht keratinisierte NPC (>95% in Hochrisikoregionen), welches mit einer EBV-Infektion assoziiert ist. Der nicht keratinisierte Subtyp wird in die differenzierte und de-differenzierte Gruppe unterteilt.

Klinik und Diagnosestellung

Die häufigsten klinischen Symptome umfassen Obstruktion der Nasenatmung, Epistaxis, Kopfschmerzen, Hörminderung oder Ausfall der kranialen Nerven. Häufig präsentieren sich die Patienten im bereits lokal fortgeschrittenen Stadium mit einer Lymphadenopathie. NPC erweist deutlich höhere Raten an Fernmetastasierung verglichen mit den Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (HNPCC).

Die Abklärung und Diagnosestellung erfolgt durch Anamnese und klinische Untersuchung inklusive Kontrolle von Hirnnerven, Fiber­endoskopie mit Biopsie sowie eine Halssonographie inklusive eine FNP der verdächtigen Lymphknoten. Zur Beurteilung der Tumorausdehnung und des Lymphknotenstatus ist MR die sensitivste Untersuchung. Ein CT mit Kontrastmittel kann zusätzliche Informationen betreffend der Knocheninfiltration geben. Die Suche nach Metastasen mit einem PET-CT soll schon in frühen Stadien, auf jeden Fall bei nodal-positiven Tumoren, durchgeführt werden. Auf dem Tumorgewebe soll die EBV-DNA (EBER-ISH) bestimmt werden.

Staging und Stellenwert der DNA-Bestimmung

Das Staging erfolgt gemäss der 8. Ausgabe des UICC/AJCC Staging Systems. In grossen Zentren in endemischen Gebieten ist die EBV-DNA-Bestimmung im Plasma im Rahmen des Screenings bei der Hochrisiko-Population (Männer im Alter zwischen 50 und 59 Jahren) getestet worden. Bei 20’000 gesunden, asymptomatischen Menschen wurde in Plasma EBV DNA gemessen und bei wiederholt erhöhten Werten ein MR und eine Endoskopie durchgeführt. Bei 34 Personen wurde ein NPC diagnostiziert. Die Diagnose wurde in früheren Stadien als in den historischen Kohorten detektiert, wodurch die Prognose verbessert werden konnte (3).

Des Weiteren wird untersucht, ob der prätherapeutische EBV-DNA Titer das klinisch-anatomische Staging ergänzen kann, um die Therapie dem Rezidivrisiko besser anzupassen.

Dazu konnte gezeigt werden, dass der fehlende Abfall nach der Induktionstherapie bzw. nach der Radiotherapie prognostisch ungünstig ist. In den klinischen Studien wird eine De-Eskalation oder Eskalation in Abhängigkeit vom Verlauf des EBV-DNA Titers geprüft. In den nicht-endemischen Gebieten ist die Rolle des EBV-DNA Titers weniger gut untersucht und der Stellenwert ist unklar.

Therapie in kurativen Situationen

Die wichtigste Therapiemodalität in der kurativen Situation ist die Radiotherapie, welche in der Intensität-modulierten Technik (IMRT) mit einer Dosis von 70 Gy in 33-35 Fraktionen (2-2.12 Gy/Fraktion) während 7 Wochen; jeweils 5x pro Woche, verabreicht wird. Radiotherapie wird in den frühen Stadien allein und in den lokal fortgeschrittenen Stadien in Kombination mit der Chemotherapie eingesetzt (4). Aufgrund der Lokalisation bzw. den anatomischen Verhältnissen hat die Chirurgie im primär kurativen Konzept kaum eine Rolle; spielt jedoch eine wichtige Rolle bei den regionären Rezidiven bzw. Persistenz in den Lymphknoten nach der RCT.

Frühe Stadien: Radiotherapie

Das Stadium T1N0 wird mit alleiniger Radiotherapie behandelt. Im Stadium T2N0 wird eine zusätzliche konkomitierende Chemotherapie nicht empfohlen. Verschiedene Richtlinien (CSCO/ASCO, ESMO, NCCN) empfehlen jedoch, dass in diesem Stadium eine Chemotherapie in Einzelfällen evaluiert werden soll, falls bestimmte Risikofaktoren wie bulky disease oder hohe EBV-DNA Titer vorliegen (5, 6).

Lokal fortgeschrittenes NPC (LANPC): Konkomitierende Radiochemotherapie

Bei mehr als 70% der Patienten besteht bei der Diagnosestellung bereits ein lokal fortgeschrittenes Stadium. Das neueste Update der Metaanalyse von 26 Studien mit insgesamt 7080 Patienten mit LA-NPC und mit einer medianen Beobachtungszeit von 7.4 Jahren wurde im 2022 publiziert. Bei 44.9% der Patienten bestand ein Stadium III und bei 46.5% ein Stadium IV. Bei grosser Mehrheit (97%) bestand der nicht-keratinisierende Subtyp. Wie bereits in einer früheren Publikation der gleichen Metaanalyse gezeigt werden konnte, ergab sich, dass eine Chemotherapie konkomitierend zu einer Radiotherapie verabreicht (mit oder ohne zusätzliche adjuvante Chemotherapie) im Vergleich zu einer alleinigen RT zu einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens führt (HR 0.80 [95%CI 0.70-0.93]) (7). Wird die Chemotherapie ausschliesslich neoadjuvant oder adjuvant verabreicht, wird das Gesamtüberleben nicht verbessert: HR 0.87[0.68-1.12] für adjuvante Chemotherapie, bzw. HR 0.96 [0.80.1.16] für IC. Eine Subgruppenanalyse zeigte, dass der Benefit mit zunehmendem Alter abnimmt.

Somit ist die konkomitierende Radiochemotherapie der wichtigste Bestandteil und der Standard in der kurativen Behandlung des LANPCs. Bezüglich der Wahl des Chemotherapeutikums gilt Cisplatin als Standard. Gemäss den CSCO/ASCO-Richtlinien werden zwei Schemata – Cisplatin 100 mg/m2 alle 3 Wochen für insgesamt 3 Zyklen, oder Cisplatin wöchentlich 40 mg/m2 während der ganzen Bestrahlung – mit der gleichen Evidenzstärke empfohlen (evidence quality «high»; strength of recommendation «strong») (6). ESMO-Guidelines empfehlen Cisplatin q3w mit höherer Evidenzstärke [IA] als Cisplatin weekly [IIA] (5). Dazu empfehlen die Experten – jedoch als Konsensus und mit tieferer Evidenzstärke – eine minimale kumulative Dosis von Cisplatin von 200 mg/m2 für konkomitierende RCT bzw. 160 mg/m2 falls vor einer RCT eine IC durchgeführt worden ist. Als Alternative für die Patienten, die kein Cisplatin erhalten können, empfehlen die CSCO/ASCO-Guidelines Carboplatin (AUC 5-6 q3w) oder Oxaliplatin (70 mg/m2 wöchentlich), bzw. Nedaplatin welches in Europa nicht verfügbar ist. Bei Patienten mit Kontraindikation für Platinpräparate werden Fluorpyrimidine (5FU, Capecitabine) empfohlen (6).

Welche Patienten profitieren von einer Induktions­chemotherapie (IC) vor einer konkomitierenden RCT?

NPC hat deutlich höhere Raten an Fernmetastasierung als HNSCC. Mehrere Studien mit entweder Induktionschemotherapie oder adjuvanter Chemotherapie sind mit dem Ziel einer Therapieintensivierung und Verbesserung des Überlebens durchgeführt worden. Im Vergleich zu adjuvanter Chemotherapie, welche in der Regel schlecht toleriert wird, hat eine Induktionschemotherapie aufgrund der besseren Verträglichkeit höhere Chancen, die Anzahl der Zyklen gemäss Plan verabreichen zu können.

Nachdem mehrere ältere Studien keinen Benefit einer IC vor der definitiven RCT gezeigt hatten, konnte in zwei Studien mit Taxotere, Platin und 5FU (TPF) eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens bei Patienten in Stadien III-IVb erreicht werden (8-10). Patienten mit T3/T4N0 Tumoren wurden nicht eingeschlossen. Beide Studien zeigten auch eine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens sowie eine signifikante Verbesserung der lokalen und der regionären Kontrolle im IC-Arm.

In einer weiteren neoadjuvanten Studie wurden 480 Patienten mit einem NPC im Stadium III-IVb M0 (auch hier unter Ausschluss von T3/T4 N0 Tumoren) in den Standardarm mit der RCT oder in den Studienarm mit 3 Zyklen einer IC mit Cisplatin und Gemcitabin gefolgt von einer RCT randomisiert. Diese Studie zeigte nach einer medianen Beobachtungszeit von 69.8 Monaten eine statistisch signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens (87.9% vs. 78.8%; HR 0.51 [95%CI 0,34-0,78], p=0.001). Das rezidivfreie Überleben war nach drei Jahren 85.3% vs. 76.5% (HR: p=0.001) bei vergleichbarer Spättoxizität. Die Rate der lokoregionären Rezidive wurde nicht verbessert (11).

Wann ist eine adjuvante Chemotherapie sinnvoll?

Eine adjuvante Chemotherapie anschliessend an eine konkomitierende Radiochemotherapie wird aufgrund der Toxizität häufig schlecht toleriert. In den meisten älteren Studien wurden Cisplatin und 5FU verabreicht. In der Studie von Chen et al. konnten beispielsweise nur 63% der Patienten die geplanten 3 Chemotherapiezyklen mit Cisplatin und 5FU erhalten und bei 16% wurde die geplante adjuvante Chemotherapie gar nicht begonnen. Diese Studie war negativ (12).

Eine im Jahr 2021 publizierte Studie untersuchte die metronomische adjuvante Chemotherapie mit Capecitabine (650 mg/m2 2x tgl. für insgesamt ein Jahr). Es wurden 408 Patienten im Stadium III-IVa (mit Ausnahme von T3/T4N0 und T3N1) eingeschlossen; die nach dem Abschluss einer RCT in einer kompletten Remission waren. Die Randomisierung erfolgte im Chemotherapie-Arm mit Capecitabine bzw. im Placebo-Arm. Primärer Endpunkt war failure-free survival, welcher nach drei Jahren signifikant höher war im Chemotherapie-Arm (85·3%) als im Standard-Arm (75·7%) (HR 0·50 [95% CI 0·32-0·79]; p=0·0023). Auch das Gesamtüberleben wurde verbessert: nach 3 Jahren waren 93.3% Patienten im Chemotherapie-Arm und 88.6% Patienten im Standardarm am Leben (HR 0.44 [95% CI 0.22–0.88]; p=0.018) (13).

Rezidiviertes und metastasiertes NPC: System­therapie und der Stellenwert einer Lokaltherapie

Im Fall eines lokalen oder regionären Rezidivs soll die Möglichkeit einer Salvage-Operation oder einer Re-Bestrahlung evaluiert werden. Sollte keine solche Option bestehen, ist eine palliative Systemtherapie indiziert.

In den letzten Jahren wurden drei Phase-3-Studien publiziert, welche die Rolle von drei verschiedenen anti-PD-1-Inhibitoren in der Erstlinientherapie beim metastasierten NPC geprüft haben. Das Design der Studien war identisch: Die Kombination von einem anti-PD-1 Inhibitor und der Standardchemotherapie mit Cisplatin und Gemcitabin gefolgt von einer Erhaltungstherapie mit dem anti PD-1 Inhibitor wurde verglichen mit der gleichen Chemotherapie und Placebo. Alle drei Studien wurden in den Hochrisikogebieten durchgeführt und haben ihren primären Endpunkt, die Verbesserung des progressionsfreien Überlebens, erreicht.

Die Studie mit Camrelizumab (CAPTAIN-1st) zeigte signifikante Verbesserung vom PFS im Camrelizumab-Arm (9.7 vs. 6.9 Monate, HR 0.54 [95%CI 0.39-0.73]; p<0.001) (14). Die zweite Studie mit gleichem Design, in welcher der anti-PD-1 Antikörper Tislelizumab untersucht wurde (RATIONALE-309), zeigte vergleichbare Ergebnisse: PFS von 9.2 Monaten im Studien-Arm verglichen mit 7.4 Monaten im Kontroll-Arm (HR 0.52 [95%CI 0.38-0.73], p<0.001). Auch die Ansprechraten waren vergleichbar (15).

Die Daten für das Gesamtüberleben kommen bis jetzt nur von der Studie mit Toripalimab (JUPITER-2): nach einer Beobachtungszeit von 36 Monaten ist das mediane Gesamtüberleben im Toripalimab-Arm nicht erreicht und im Placebo-Arm 33.7 Monate (HR 0.63, [95% CI, 0.45-0.89]; p = .008). PFS ist auch in dieser Studie verbessert: 21.4 Monate im Toripalimab Arm vs. 8.2 Monate im Placebo Arm; HR 0.52 [95% CI, 0.37-0.73]) (16).

Somit ist die Kombination von Cisplatin und Gemcitabin mit einem der drei Checkpoint-Inhibitoren die wirksamste Therapie, welche den Patienten mit dem metastasierten NPC angeboten werden kann. Leider besteht in der Schweiz für keinen von diesen drei Checkpoint-Inhibitoren eine Zulassung.

Lokale Therapie in primär metastasierter Situation

In einer de novo metastasierten Situation ist eine Systemtherapie die Behandlung der Wahl. Aufgrund der sehr belastenden Symptomatik, die NPC aufgrund seiner Lokalisation verursacht, war eine zusätzliche lokale Therapie immer eine wichtige Fragestellung, die an Tumorboards diskutiert wurde.

Die im JAMA Oncology in 2020 publizierte Studie von You et al. ist dieser Frage nachgegangen. In dieser randomisierten Phase 3 Studie mit 126 Patienten mit de novo metastasiertem NPC sind alle Patienten mit 3 Zyklen Cisplatin und 5FU behandelt worden. Die Patienten, die nach 3 Chemotherapiezyklen ein Ansprechen aufwiesen, sind 1:1 randomisiert worden. Die Patienten im Studienarm sind nach dem Abschluss vom 6. Chemotherapiezyklus mit der RT in der IMRT-Technik behandelt worden. Die Studie hat ihren primären Endpunkt, das Gesamtüberleben, erreicht: Das Gesamtüberleben nach 24 Monaten war 76% im Arm mit der konsolidierenden Radiotherapie und 54% im Arm mit der Chemotherapie allein (HR 0.42 [ 95% CI, 0.23-0.77]; P = .004). Das Progressionsfreie Überleben wurde ebenfalls signifikant verbessert (HR, 0.36; 95% CI, 0.23-0.57).

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Dr. med. (HR) Tamara Rordorf

Kantonsspital St. Gallen, Klinik für Hämatologie
und Onkologie und Brustzentrum
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Die Autorin hat keinen Interessenskonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Standardtherapie für alle Patienten mit Nasopharynxkarzinom im Stadium III und IV, bei denen keine Kontraindikation besteht, ist eine konkomitierende Radiochemotherapie. Bei ausgewählten Patienten in Stadium II, die Risikofaktoren aufweisen, kann eine Radiochemotherapie evaluiert werden. Dabei ist die Therapie der Wahl Cisplatin wöchentlich (40 mg/m²) oder alle drei Wochen 100mg/m².
◆ Die Induktionstherapie mit Cisplatin und Gemcitabin führt bei Patienten im Stadium III und IV (ausgenommen T3/4N0) zu einer Verbesserung von OS und RFS. Die lokoregionäre Kontrolle wird aber nicht verbessert.
◆ Die adjuvante metronomische Chemotherapie mit Capecitabin hat bei Patienten im Stadium III-IVa (mit Ausnahme von T3/T4N0 und T3N1), die nach dem Abschluss einer RCT in einer kompletten Remission waren, sowohl PFS als auch OS verbessert.
◆ In metastasierten Stadien verbessert die Zugabe von Toripalimab, ein in der EU noch nicht verfügbarer anti-PD-1-Inhibitor, sowohl das PFS als auch das OS. Bei zwei weiteren Checkpoint-Inhibitoren (Camrelizumab und Tislelizumab), die ebenfalls primär in den Studien in China getestet worden sind, konnte eine vergleichbare Verbesserung des PFS, bisher jedoch noch nicht des OS, gezeigt werden. Diese drei Checkpoint-Inhibitoren sind bis jetzt in der EU und in der Schweiz noch nicht zugelassen.
◆ Beim de novo-metastasierten NPC verbessert die Radiotherapie des Primärtumors und der Lymphabflusswege zusätzlich zu einer Systemtherapie sowohl OS als auch PFS.

 

1             Sung H, Ferlay J, Siegel RL et al. Global Cancer Statistics 2020: GLOBOCAN Estimates of Incidence and Mortality Worldwide for 36 Cancers in 185 Countries. CA Cancer J Clin 2021; 71 (3): 209-249.

2             Chua MLK, Wee JTS, Hui EP et al. Nasopharyngeal carcinoma. Lancet 2016; 387 (10022): 1012-1024.

3             Chan KCA, Woo JKS, King A et al. Analysis of Plasma Epstein-Barr Virus DNA to Screen for Nasopharyngeal Cancer. N Engl J Med 2017; 377 (6): 513-522.

4             Zhang B, Mo Z, Du W et al. Intensity-modulated radiation therapy versus 2D-RT or 3D-CRT for the treatment of nasopharyngeal carcinoma: A systematic review and meta-analysis. Oral Oncol 2015; 51 (11): 1041-1046.

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6             Chen YP, Ismaila N, Chua MLK et al. Chemotherapy in Combination With Radiotherapy for Definitive-Intent Treatment of Stage II-IVA Nasopharyngeal Carcinoma: CSCO and ASCO Guideline. J Clin Oncol 2021; 39 (7): 840-859.

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11           Zhang Y, Chen L, Hu GQ et al. Final Overall Survival Analysis of Gemcitabine and Cisplatin Induction Chemotherapy in Nasopharyngeal Carcinoma: A Multicenter, Randomized Phase III Trial. J Clin Oncol 2022: JCO2200327.

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14           Yang Y, Qu S, Li J et al. Camrelizumab versus placebo in combination with gemcitabine and cisplatin as first-line treatment for recurrent or metastatic nasopharyngeal carcinoma (CAPTAIN-1st): a multicentre, randomised, double-blind, phase 3 trial. Lancet Oncol 2021; 22 (8): 1162-1174.

15           Yang Y, Pan J, Wang H et al. Tislelizumab plus chemotherapy as first-line treatment for recurrent or metastatic nasopharyngeal cancer: A multicenter phase 3 trial (RATIONALE-309). Cancer cell 2023; 41 (6): 1061-1072 e1064.

16           Mai HQ, Chen QY, Chen D et al. Toripalimab Plus Chemotherapy for Recurrent or Metastatic Nasopharyngeal Carcinoma: The JUPITER-02 Randomized Clinical Trial. JAMA 2023; 330 (20): 1961-1970.

Neoadjuvant – Ready for prime time? Oder bleibt es bei der etablierten adjuvanten Therapie?

In den letzten zehn Jahren hat sich auf dem Gebiet des Melanoms eine bemerkenswerte Revolution vollzogen, die mit den Immun-Checkpoint-Inhibitoren und den BRAF-gerichteten Therapien im fortgeschrittenen Stadium begann. Diese Therapien werden erfolgreich in der adjuvanten Behandlung des metastasierten Melanoms eingesetzt. Die Fähigkeit der Immun-Checkpoint-Inhibitoren, eine Immunantwort hervorzurufen, wird optimiert, wenn diese Wirkstoffe vor der Tumorresektion (neoadjuvant) verabreicht werden. Akademische Studien haben bereits beeindruckende pathologische Reaktionen auf eine neoadjuvante Immuntherapie gezeigt, die zu rezidivfreien Überlebensraten von über 90% bei den ansprechenden Patienten führten. Obwohl die adjuvante Therapie den derzeitigen Therapiestandard darstellt, deuten alle aktuellen Daten darauf hin, dass die Zukunft der neoadjuvanten Strategie gehört. Das optimale Behandlungsschema und die Frage, ob eine Deeskalation der Behandlung bei Patienten mit starkem pathologischem Ansprechen möglich ist, werden derzeit untersucht.

The field of melanoma has undergone a remarkable revolution over the past decade, beginning with immune-checkpoint inhibitors and BRAF-targeted therapies in the advanced setting that were successfully adopted in the adjuvant setting for high-risk resectable metastatic melanoma. The ability of immune-checkpoint inhibitors to elicit an immune response is optimized when these agents are administered neoadjuvant, meaning prior tumor resection. Early academic studies have shown impressive pathological responses to neoadjuvant immunotherapy translated to recurrence-free survival rates of over 90% for responders. Although adjuvant treatment is the current state of the art, all current data indicate that the future belongs to the neoadjuvant strategy. The optimal regimen – SWOG or OPACIN NEO protocol – and the question of whether de-escalation of treatment is possible in patients with major pathological response is currently being investigated.
Key Words: Melanom, adjuvante Therapie, neoadjuvante Therapie, pathologisches Ansprechen, Immuntherapie

Hintergrund

Das kutane Melanom gehört zu den aggressivsten aller Hautkrebsarten und geht von transformierten Melanozyten aus. Als Ursache für die onkogene Transformation werden bei den meisten kutanen Melanomen UV-induzierte DNA-Alterationen angesehen. Während die Häufigkeit des Melanoms weiter zunimmt, ist die Sterblichkeit bei fortgeschrittener Erkrankung in den letzten 10 Jahren deutlich zurückgegangen. Die gewonnenen Erkenntnisse aus zahlreichen Studien haben zu einem besseren Verständnis der Tumorimmunologie beigetragen und die Immuntherapie als wichtigen Ansatz in der Krebsbehandlung etabliert, sowohl im adjuvanten als auch im Erstlinientherapie Setting (1).

Adjuvante Therapie: bisherige Standardbehandlung

Die Behandlung mit dem Anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab war die erste Checkpoint-Immuntherapie, die einen bedeutsamen Vorteil für sowohl das rezidivfreie als auch Gesamtüberleben beim resezierten Melanom im Stadium III im Vergleich zu Placebo zeigte. Ipilimumab wies allerdings ein schlechtes Sicherheitsprofil auf und hat sich nicht als therapeutischer Standard etabliert. Die adjuvante Anti-PD-1-Therapie mit Nivolumab oder Pembrolizumab zeigte einen signifikanten und langanhaltenden Vorteil beim rezidivfreien Überleben im Vergleich zu Ipilimumab beim resezierten Melanom Stadium III und IV (Hazard Ratio [HR] 0.65; p<0.001) oder Placebo (HR 0.57; p<0.001) (2,3). Seit kurzem werden die anti-PD-1-Antikörper in der adjuvanten Behandlung des vollständig resezierten Stadium-IIB- und IIC-Melanoms eingesetzt (4). Somit gilt die Anti-PD-1-Therapie heute als Standardtherapie zur adjuvanten Behandlung von Patienten mit vollständig reseziertem Melanom ab Stadium IIB unabhängig vom Mutationsstatus.

Neben den Anti-PD-1-Inhibitoren stehen BRAF- und MEK-gerichtete Therapien ebenfalls für die adjuvante Anwendung bei den 40% der Patienten mit BRAFV600-mutiertem Melanom zur Verfügung. Im Vergleich zu Placebo zeigte die COMBI-AD-Studie mit Dabrafenib plus Trametinib eine signifikante Verbesserung des rezidivfreien Überlebens (HR 0.47, p<0.001), des fernmetastasenfreien Überlebens (HR 0.51, 95% CI 0,40–0.65; p<0.001) und des Gesamtüberlebens bei Patienten mit BRAF-mutiertem Stadium-III-Melanom (5).
Laufend werden neue wirksame Therapien entwickelt. So zeigte sich im letzten Jahr in einer randomisierten Phase-2-Studie von Pembrolizumab plus einem personalisierten mRNA-basierten Melanom-Impfstoff eine 44%ige Reduktion des Rückfallrisikos (HR 0.56, 95% CI 0.31–1.02; p=0.0266) im Vergleich zu Pembrolizumab allein bei Patienten mit reseziertem Stadium-IIIB–IV-Melanom (6).

Neoadjuvante Therapie: Revolution

Trotz der signifikanten Verbesserungen im rezidivfreien Überleben unter adjuvanter Therapie erleiden etwa 30% der Patienten im Stadium III innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung der Behandlung ein Rezidiv, während bei 15-20% ein schneller postoperativer Rückfall auftritt.
Vielversprechende Resultate zur weiteren Verbesserung des klinischen Outcomes zeigen sich zurzeit im Bereich der neoadjuvanten Therapie, welche bereits fester Bestandteil der Behandlung vieler Krebsarten ist. Klassischerweise wird dabei eine Reduktion der Tumormasse angestrebt, um die operative Morbidität zu senken und die postoperative Funktionalität bei anatomisch heiklen Strukturen zu erhöhen (Abb. 1). Mit den neuen Therapieansätzen der Checkpoint-Inhibitoren ergeben sich nun noch weitere Vorteile als nur die Verkleinerung der Tumormasse. Es wird angenommen, dass Checkpoint-Inhibitoren am besten funktionieren, wenn eine grosse und heterogene Tumormasse vorliegt. Je mehr Tumorantigene beim Start der Therapie vorhanden sind, desto höher ist die Angriffsfläche der T-Zellen und somit die Immunantwort. So konnte bei neoadjuvant behandelten Patienten im Blut eine höhere Diversität als auch absolute Anzahl von Tumor spezifischen T-Zellen nachgewiesen werden. Weiter ergibt sich neu die Möglichkeit, in dem entfernten Gewebe das histologische Ansprechen zu überprüfen (Tab. 1). Diese prognostisch wichtige Information könnte helfen, um individuelle Therapieentscheidungen in der weiteren Behandlung zu treffen. So könnte dies beispielsweise dazu führen, dass man bei fehlendem Ansprechen auf eine Therapie schon früh in der Behandlung auf eine weniger toxische und potenziell effektivere Alternative wechselt. Weiter wird überlegt, dass der sofortige Beginn mit einer Immuntherapie, ohne die wochenlange Verzögerung durch das Abwarten der Operation, einen positiven Einfluss durch die frühzeitige Mitbehandlung von nicht entdeckten Mikrometastasen haben könnte (7).

Bisherige Daten zeigen vielversprechende Ergebnisse, wobei die zielgerichtete Behandlung (BRAF/MEK) der Immuntherapie unterlegen scheint und deshalb eine untergeordnete Rolle spielt. Eine der ersten Untersuchungen dazu war die OpACIN-Studie. Sie umfasste 20 Stadium-IIIB/IIIC-Melanom-Patienten, die randomisiert Ipilimumab 3 mg/kg plus Nivolumab 1 mg/kg entweder adjuvant in 4 Zyklen oder aufgeteilt in 2 Zyklen neoadjuvant und 2 adjuvant erhielten. Dabei konnte eine Ansprechrate von 78% und ein ereignisfreies Überleben von 80% über zwei Jahre für den neoadjuvanten Arm gezeigt werden (8). In der SWOG S1801 randomisierte Studie wurde die etablierte adjuvante Therapie mit Pembrolizumab mit 18 postoperativen Zyklen mit einem neoadjuvanten Schema mit 3 prä- und 15 postoperativen Zyklen verglichen. Dabei konnte eine Reduktion von 41% für das ereignisfreie Überleben (Zeitraum von der Randomisierung bis zu einem Rezidiv, Krankheitsprogression oder Tod) im neoadjuvanten Arm gegenüber der adjuvanten Therapie gezeigt werden (9).

Des Weiteren hat die OpACIN-neo die verschiedenen Dosierungsschemata untersucht. Ziel war, bei möglichst geringer Toxizität eine ebenso wirksame Dosierung zu identifizieren. Die Patienten wurden in drei Gruppen randomisiert und erhielten verschiedene Dosierungen von Ipilimumab und Nivolumab. Das primäre Ziel war das Auftreten von Grad-3- bis Grad-4-immunbedingter Toxizität innerhalb der ersten 12 Wochen. Das Dosierungsschema mit zwei Zyklen von Ipilimumab 1 mg/kg plus Nivolumab 3 mg/kg hat sich als das geeignete Schema mit guter Verträglichkeit und hoher pathologischer Ansprechrate etabliert. Die 3-Jahres-Rezidivfreies-Überleben-Rate lag bei 95% für Patienten mit pathologischem Ansprechen gegenüber 37% für Patienten ohne pathologisches Ansprechen (P < 0,001); das pathologische Ansprechen war der stärkste Prädiktor für ein Rezidiv.

In einer prospektiv randomisierten Phase-II-Studie wurde auch TVEC untersucht. Im Vergleich zur konventionell gehaltenen Gruppe zeigte sich sogar auch nach 5 Jahren Nachbeobachtungszeit noch ein eindrucksvoller Vorteil bezüglich Rezidiv-freiem Intervall und Gesamtüberleben (10).
Benötigen alle Patienten nach einer neoadjuvanten Behandlung eine adjuvante Nachbehandlung? Die PRADO-Studie befasste sich mit der Frage der Deeskalation der Behandlung bei Patienten mit pathologischem Ansprechen, während die Behandlung bei Patienten mit fehlendem pathologischem Ansprechen eskaliert wurde. Das Ergebnis war eine 2-Jahres-Fernmetastasen freie Überlebensrate von 98% bei MPR-Patienten, die nur eine neoadjuvante Therapie erhielten, aber auch ein verbesserter Outcome von pNR-Patienten durch die Hinzunahme einer adjuvanten Therapie (11).

Die Wirksamkeit der neoadjuvanten Checkpoint-Inhibition im Vergleich zur aktuellen adjuvanten Standardtherapie wurde nun unter anderem in der seit 2021 laufenden Phase 3 randomisierten NADINA Studie untersucht. Patienten in Arm A erhielten basierend auf dem Wissen der OpACIN-neo Studie 2 Zyklen von Ipilimumab 80 mg und Nivolumab 240 mg und unterzogen sich in der 6. Woche einer therapeutischen Lymphknotenresektion. Bei einem pathologischen partiellen Ansprechen oder Nichtansprechen erfolgte nach der Operation eine adjuvante Behandlung mit Nivolumab (11 Zyklen) oder Dabrafenib + Trametinib (46 Wochen), wenn eine BRAFV600-Mutation vorlag. Die Patienten mit einem pathologischen kompletten Ansprechen erhielten keine weitere adjuvante Therapie. Patienten in Arm B haben sich zunächst einer therapeutischen Lymphknotenresektion unterzogen, gefolgt von 12 Zyklen Nivolumab 480 mg. Der primäre Endpunkt war das ereignisfreie Überleben (12). Der Unterschied in der mittleren Überlebenszeit betrug 8,0 Monate (99.9% CI, 4.94 bis 11.05; P<0.001) mit einer hochsignifikanten Hazard Ratio für Progression, Rezidiv oder Tod bei 0.32 für die neoadjuvante Gruppe.

Herausforderungen und Ausblick

Im Vergleich zu den grossangelegten, von der pharmazeutischen Industrie gesponserten adjuvanten Studien, handelt es sich bei den aktuellen Veröffentlichungen zu neoadjuvanter Therapie um akademische Studien. Es ist unwahrscheinlich, dass pharmazeutische Unternehmen solche grossen Studien durchführen, welche unabdingbar für die Zulassung sind.

Der nachgewiesene Nutzen hinsichtlich rezidivfreiem Überleben in der Swog S1801, der Nadina und der PRADO-Studie sowie der nachgewiesene Profit einer neoadjuvanten Behandlung im Vergleich zur adjuvanten Behandlung sollte bei ausgewählten Patienten in der klinischen Praxis integriert werden. Verschiedene Organisationen wie EADO, EORTC, INMC (International Neoadjuvant Melanoma Consortium) und die Melanoma World Society plädieren für die sofortige Einführung der neoadjuvanten Immuntherapie in der Melanom Behandlung in die aktuellen Leitlinien. Die neoadjuvante Immuntherapie ist neu in Australien zugelassen.

Was sind die aktuellen Herausforderungen und offenen Fragen? Der ideale Behandlungsplan ist komplexer und die optimale Wahl sollte neben Toxizität und Wirksamkeit (pathologisches Ansprechen) auch auf der Grundlage von Biomarkern wie der INF-Signatur oder beispielsweise des Darmmikrobioms getroffen werden. Basierend auf den vorläufigen Ergebnissen einer Studie, in der 90% der Patienten mit einer hohen IFNg-Signatur positiv auf die Nivolumab-Monotherapie reagierten, könnte ein individualisierter Therapieansatz erwogen werden. Patienten mit einer hohen IFNg-Signatur könnten von einer Nivolumab-Monotherapie profitieren, während Patienten mit einer niedrigen IFNg-Signatur möglicherweise besser auf eine Kombinationstherapie ansprechen. MPR-Patienten scheinen im Anschluss keine adjuvante Behandlung zu benötigen. Basierend sich auf die aktuelle Ergebnisse der NADINA Studie, ist die Kombinationsbehandlung ipilimumab-nivolumab entsprechend dem Protokoll die führende Option. Darüber hinaus gibt es keine wissenschaftlichen Daten, welche belegen, dass Patienten im Falle eines erneuten Rezidivs weniger gut auf die nachfolgende Behandlung ansprechen.

Alle bisherigen neoadjuvanten Studien konzentrierten sich auf eine sorgfältig ausgewählte Population mit einzelnen makroskopischen Lymphknoten oder In-transit-Metastasen. Dies ist die Population, in der der neoadjuvante Ansatz in den multidisziplinären Tumorboards aktiv diskutiert werden sollte. Patienten mit voluminöser Lymphknotenerkrankung oder mehreren Lymphknoten- und Transitmetastasen sind keine guten Kandidaten für ein neoadjuvantes Setting. Für diese Patienten sollte eine Behandlung im Rahmen klinischer Protokolle dringend empfohlen werden. Schliesslich spielt die histopathologische Beurteilung eine grosse Rolle für die weitere Behandlung. Die histopathologische Beurteilung von neoadjuvanten Proben durch speziell geschulte Pathologen ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung.

PD Dr. med. Joanna Mangana ¹ ²
Dr. med. Fabienne Huber ¹
Dr. med. Laura Pawlik ¹
Prof. Dr. med. Reinhard Dummer ¹ ²
¹ Universitätsspital Zürich, Dermatologische Klinik, Rämistrasse 100, 8091 Zürich
² Universität Zürich, Rämistrasse 71, 8006 Zürich

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PD Dr. med. Joanna Mangana

Universitätsspital Zürich
Dermatologische Klinik
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Universität Zürich
Rämistrasse 71
8006 Zürich

Dr. med. Fabienne Huber

Universitätsspital Zürich
Dermatologische Klinik
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Dr. med. Laura Pawlik

Universitätsspital Zürich
Dermatologische Klinik
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autor/-innen haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Obwohl die adjuvante Therapie beim fortgeschrittenen Melanom heute Standard ist, weisen Daten aktuell darauf hin, dass die Zukunft der neoadjuvanten Strategie gehört. Das optimale Behandlungsschema sowie die Frage, ob alle Patienten nach einer neoadjuvanten Therapie eine anschliessende adjuvante Nachbehandlung bedürftigen, ist derzeit offen.

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3. Eggermont AMM, Blank CU, Mandala M, et al. Adjuvant pembrolizumab versus placebo in resected stage III melanoma. N Engl J Med 2018; 378: 1789–801.
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5. Long GV, Hauschild A, Santinami M, et al. Adjuvant dabrafenib plus trametinib in stage III BRAF-mutated melanoma. N Engl J Med 2017; 377: 1813–23.
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7. Long GV et al. Neoadjuvant Checkpoint Immunotherapy and Melanoma: The Time Is Now. Journal of clinical oncology: official journal of the American Society of Clinical Oncology vol. 41,17 (2023): 3236-3248. doi:10.1200/JCO.22.02575.
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9. Patel SP, Othus M, Chen Y, et al. Neoadjuvant-Adjuvant or Adjuvant-Only Pembrolizumab in Advanced Melanoma. N Engl J Med. 2023 Mar 2;388(9):813-823. doi: 10.1056/NEJMoa2211437.
10. Dummer R, Gyorki DE, Hyngstrom J, et al. Neoadjuvant talimogene laherparepvec plus surgery versus surgery alone for resectable stage IIIB-IVM1a melanoma: a randomized, open-label, phase 2 trial. Nat Med. 2021;27(10):1789-1796. doi:10.1038/s41591-021-01510-7.
11. Reijers ILM, Menzies AM, van Akkooi ACJ, et al. Personalized response-directed surgery and adjuvant therapy after neoadjuvant ipilimumab and nivolumab in high-risk stage III melanoma: the PRADO trial. Nat Med. 2022;28(6):1178-1188. doi:10.1038/s41591-022-01851-x.
12. Lucas MW, Lijnsvelt J, Pulleman S, et al: The NADINA trial: A multicenter, randomised, phase 3 trial comparing the efficacy of neoadjuvant ipilimumab plus nivolumab with standard adjuvant nivolumab in macroscopic resectable stage III melanoma. J Clin Oncol 40, 2022.
13. Adaptiert nach: Georgina V. Long et al. Neoadjuvant Checkpoint Immunotherapy and Melanoma: The Time Is Now. JCO 41, 3236-3248(2023).
DOI:10.1200/JCO.22.02575

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Adjuvante Chemotherapie mit oder ohne Atezolizumab bei dreifach negativem Brustkrebs im Stadium II und III: Abschlussanalyse der Phase-3-Studie ALEXANDRA/IMpassion030

McArthur H et al. Adjuvant chemotherapy with or without atezolizumab for stage II and III triple-negative breast cancer: final analysis of the ALEXANDRA/IMpassion030 phase 3 trial. Abstract 1LBA EBCC 2024

Die Zugabe von Atezolizumab zu einer Chemotherapie nach der Operation ist für Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs möglicherweise nicht von Vorteil. Dies geht aus Ergebnissen hervor, die kürzlich von McArthur et al. auf der Europäischen Brustkrebskonferenz 2024 (EBCC; Abstract 1LBA) vorgestellt wurden.

Hintergrund

Triple-negativer Brustkrebs ist oft schwieriger zu behandeln und neigt eher zu Metastasenbildung. Frühere Studien haben gezeigt, dass eine zusätzliche Immuntherapie zur Chemotherapie vor der Operation das Überleben dieser Patientengruppe verbessern kann.
«Wir wissen aus einer früheren Studie, dass die Kombination der Immuntherapie Atezolizumab mit einer Chemotherapie vor der Operation für Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs von Vorteil ist. Die ALEXANDRA/IMpassion030-Studie ist die erste Studie, die die Rolle der Chemotherapie mit oder ohne Atezolizumab nach der Operation bei dreifach negativem Brustkrebs im Frühstadium untersucht», erklärte die Hauptautorin der Studie, Heather McArthur, MD, ausserordentliche Professorin in der Abteilung für Innere Medizin und klinische Direktorin des Brustkrebsprogramms am Harold C. Simmons Comprehensive Cancer Center am UT Southwestern Medical Center.

ALEXANDRA/IMpassion030

In einer abschliessenden Analyse der Phase-III-Studie ALEXANDRA/IMpassion030 untersuchten die Forscher die Ergebnisse von 2 199 Patientinnen mit dreifach negativem Brustkrebs im Stadium II oder III, die in 31 verschiedenen Ländern wohnten und nach dem Zufallsprinzip entweder eine postoperative Chemotherapie plus Atezoliumab oder eine Chemotherapie allein erhielten.

Nach einer Nachbeobachtungszeit von durchschnittlich 32 Monaten stellten sie fest, dass sich das krankheitsfreie Überleben bei den mit Atezolizumab behandelten Patientinnen im Vergleich zu den nicht mit Atezolizumab behandelten Patientinnen nicht verbesserte. Sie stellten fest, dass bei 12.8 % (n = 141) der Patienten, die mit Atezolizumab behandelt wurden, im Vergleich zu 11.4 % (n = 125) der Patienten, die nicht mit Atezolizumab behandelt wurden, ein Rezidiv oder eine Sterblichkeit auftrat, was einer Hazard Ratio von 1,11 bei den Patienten entspricht, die Atezolizumab und Chemotherapie erhielten.

Auch bei der Untersuchung verschiedener Untergruppen, einschliesslich der Patienten, deren Krebs sich auf ihre Lymphknoten ausgebreitet hatte, und der Patienten mit PD-L1-positivem Krebs – einem Marker für Tumore, die eher auf eine Immuntherapie ansprechen – fanden die Forscher keinen Nutzen.

Die Forscher berichteten, dass die Sicherheit von Atezolizumab in Bezug auf unerwünschte Nebenwirkungen mit anderen Studien zu dieser Therapie übereinstimmte. Im Vergleich zu den Patienten in der Gruppe, die nur eine Chemotherapie erhielt, traten bei den Patienten, die Atezolizumab und eine Chemotherapie erhielten, häufiger schwere Nebenwirkungen auf (54.3 % gegenüber 44.1 %).

Schlussfolgerungen

«Die Ergebnisse dieser abschliessenden Analyse sind wichtig, denn sie zeigen, dass die gleichzeitige Verabreichung des Immuntherapeutikums Atezolizumab mit einer Chemotherapie nicht hilfreich ist, wenn es den Patienten nach einer Operation verabreicht wird. Dies unterstreicht auch, wie wichtig es ist, dreifach-negativen Brustkrebs vor der Operation mit einer Chemo- und Immuntherapie zu behandeln, wie es dem derzeitigen Behandlungsstandard entspricht», betonte Dr. McArthur.

Kommentar

Die Ergebnisse sind für die betroffenen Patientinnen eine wichtige Information. Zudem wichtig: Tumor-symptomatische Patientinnen waren von der Studie ausgeschlossen.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Ibrutinib in Kombination mit einer Immunchemotherapie mit oder ohne autologe Stammzelltransplantation versus einer Immunochemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation bei zuvor unbehandelten Patienten mit Mantelzell-Lymphom Erkrankung: Eine dreiarmige, randomisierte, offene Phase-3-Überlegenheitsstudie des Europäischen Mantelzell-Lymphom-Netzwerks (TRIANGLE)

Martin Dreyling et al., Lancet. 2024 May 2:S0140-6736(24)00184-3. doi: 10.1016/S0140-6736(24)00184-3. Epub ahead of print. PMID: 38705160.

Hintergrund

Die Hinzunahme von Ibrutinib zur Standard-Immunchemotherapie könnte die Ergebnisse verbessern und den Stellenwert der autologen Stammzelltransplantation (ASCT) bei jüngeren (≤65 Jahre) Mantelzell-Lymphom (MCL) Patienten/innen hinterfragen. Mit dieser Studie sollte untersucht werden, ob die zusätzliche Gabe von Ibrutinib zu einem besseren klinischen Ergebnis im Vergleich zur Standard-Immunchemotherapie mit ASCT oder einer Ibrutinib-haltigen Behandlung ohne ASCT führt. Außerdem wurde untersucht, ob die Standardbehandlung mit ASCT einer Behandlung mit Ibrutinib, aber ohne ASCT, überlegen ist.

Methoden

Die offene, randomisierte, dreiarmige, parallele Studie wurde in 165 klinischen Zentren in 13 europäischen Ländern und Israel durchgeführt. Patienten/innen mit zuvor unbehandeltem, Stadium II-IV Mantelzell-Lymphom im Alter von 18-65 Jahren, die für eine ASCT geeignet waren, wurden nach dem Zufallsprinzip 1:1:1 der Kontrollgruppe A oder den experimentellen Gruppen A+I oder I zugeteilt. Die Behandlung in Gruppe A bestand aus sechs alternierenden Zyklen R-CHOP und R-DHAP (oder R-DHAOx) gefolgt von einer ASCT. In Gruppe A+I wurde zusätzlich Ibrutinib (560 mg täglich oral) an den Tagen 1-19 der R-CHOP-Zyklen und als Erhaltungstherapie mit fester Dosierung (560 mg täglich oral für 2 Jahre) nach ASCT gegeben. In Gruppe I wurde Ibrutinib auf die gleiche Weise verabreicht wie in Gruppe A+I, aber die ASCT weggelassen. Der primäre Endpunkt beruhte auf dem sog. failure-free-survival (FFS) und wurde in einer Intention-to-treat-Analyse erhoben.

Ergebnisse

Zwischen Juli 2016 und Dezember 2020 wurden 870 Patienten/innen (662 Männer, 208 Frauen) nach dem Zufallsprinzip der Gruppe A (n=288), Gruppe A+I (n=292) bzw. Gruppe I (n=290) zugeteilt. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 31 Monaten war die Gruppe A+I der Gruppe A mit einem 3-Jahres-FFS von 88% vs. 72% (einseitiges p=0,0008) überlegen. Eine Überlegenheit der Gruppe A gegenüber der Gruppe I konnte nicht nachgewiesen werden; das 3-Jahres-FFS betrug 72% vs. 86%. Der Vergleich der Gruppe A+I vs. der Gruppe I ist noch nicht abgeschlossen. Es gab keine relevanten Unterschiede bzgl. unerwünschter Ereignisse Grad 3-5 während der Induktion oder der ASCT zwischen Patienten/innen, die mit R-CHOP/R-DHAP bzw. in Kombination mit Ibrutinib behandelt wurden. Während der Erhaltungstherapie oder der Nachbeobachtung wurden mehr hämatologische Nebenwirkungen des Grades 3-5 und Infektionen nach ASCT plus Ibrutinib gemeldet.

Schlussfolgerung

Die Hinzunahme von Ibrutinib zur Erstlinienbehandlung führte bei jüngeren Mantelzell-Lymphom-Patienten/innen zu einer überlegenen Wirksamkeit mit erhöhter Toxizität, wenn sie nach ASCT verabreicht wurde. Die Ibrutinib Therapie sollte während der Induktions- und Erhaltungstherapie Teil der Erstlinienbehandlung jüngerer Mantelzell-Lymphom-Patienten/innen sein. Es ist noch nicht geklärt, ob eine ASCT eine ibrutinibhaltige Therapie ergänzt.

Die Studie wurde von Janssen und der Leukemia & Lymphoma Society finanziert und ist bei ClinicalTrials.gov (NCT02858258) registriert.

Vorhersage des Fortschreitens einer hochzelligen monoklonalen B-Lymphozytose anhand einer epigenetischen und immunogenetischen Signatur

Salma Abdelbaky et al., Blood. 2024 Apr 25;143(17):1752-1757. doi: 10.1182/blood.2023022180. PMID: 38194687.

Hintergrund

Die monoklonale B-Zell-Lymphozytose (MBL) entwickelt sich bei Betroffenen mit einer Rate von 1 bis 5% pro Jahr zu einer therapiebedürftigen chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) . Eine bessere Vorhersage des Fortschreitens der Erkrankung würde für Patienten mit MBL von großem Nutzen sein. Generell lassen sich CLL Patienten/innen in drei verschiedene epigenetische Subtypen (Epitypen) einteilen, die eine hohe prognostische Bedeutung haben. Kürzlich wurde gezeigt, dass der intermediäre Epityp mit der Hochrisiko-Immunglobulin-Lambda-Variable (IGLV) 3-21 angereichert ist, was sich auf die Therapieergebnisse dieser Patienten/innen auswirkt.

Methoden

In der vorliegenden Studie wurde diese kombinierte Analyse eingesetzt, um eine epigenetische und Leichtketten-Immunglobulin-Signatur (ELCLV3-21) zu erstellen und 219 Personen mit MBL zu klassifizieren.

Ergebnisse

Die ELCLV3-21-Hochrisikosignatur unterschied MBL-Patienten mit einer hohen Progressionswahrscheinlichkeit (39,9% und 71,1% nach 5 bzw. 10 Jahren). ELCLV3-21 verbesserte die Genauigkeit der Vorhersage bzgl. der Zeit bis zur Therapieeinleitung bei MBL-Patient/-innen im Vergleich zu anderen etablierten Prognoseindikatoren, einschließlich des internationalen CLL-Prognoseindex. Ein Vergleich der ELCLV3-21-Risikogruppen bei MBL mit einer Kohorte von 226 CLL-Patienten/innen ergab, dass ELCLV3-21-Hochrisiko-Patienten/innen mit MBL im Vergleich zu ELCLV3-21-Niedrigrisiko-Patienten/innen mit CLL eine signifikant kürzere Zeit bis zur Therapieeinleitung (p = 0,003) und ein verkürztes Gesamtüberleben (p = 0,03) aufweisen.

Schlussfolgerung

Die vorliegenden Ergebnisse unterstreichen die Leistungsfähigkeit des ELCLV3-21-Ansatzes zur Identifizierung von Personen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für einen ungünstigen klinischen Ausgang und könnten einen genaueren Ansatz zur Klassifizierung von Personen mit klonalen B-Zell-Erkrankungen darstellen.

Finanziert durch das National Institutes of Health, National Cancer Institute. Förderung R01CA235026 und R01CA258465

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

Interprofessionelles Teamwork in der Onkologie

Die «St. Galler Fortbildung Klinische Onkologie» hat zum zweiten Mal in ihrer Geschichte die Fortbildung interprofessionell ausgerichtet. Klassische Vorträge zum heutigen Stand des Wissens wurden durch Workshops ergänzt. Wir berichten über einen Workshop, der sich dem interprofessionellen Ansatz selbst widmete.

Hintergrund

Mit der zunehmenden Verlagerung aus dem stationären in den ambulanten Sektor sind Patient/-innen und ihr Umfeld vermehrt damit konfrontiert, eine länger dauernde Behandlung in das Privat- und Berufsleben zu integrieren. Dies bedeutet für alle Beteiligten eine intensivere und auf die Bedürfnisse der Patient/-innen abgestimmte Koordination entlang des Behandlungspfades (1, 2).

Fachspezialisierung mit Subspezialisierung finden sich nicht nur in der Ärzteschaft. Auch in der Pflege sind die Anforderungen an Wissen und Fertigkeiten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Zunehmend werden Pflegefachpersonen auch in die Entscheidungsfindung über Behandlung und Interventionen einbezogen (shared decision-making) (3).

Unternehmen ausserhalb des Gesundheitssektors haben deshalb eine «Governance» oder «Führungsstrategie», welche die Zusammenarbeit verschiedener Professionen vorgibt. Im Alltag solcher interprofessionellen Teams spielen allerdings viele zusätzliche Faktoren eine prägende Rolle (4). Die Unterschiede in Ausbildung, fachlichem Verständnis, Fachsprache, sowie unterschiedlichen beruflichen Blickwinkeln, wie Patient/-innen am besten geholfen werden kann, können den interprofessionellen Austausch beeinflussen (5).

Fortbildungsveranstaltungen können ein Interaktionsgefäss zwischen den verschiedenen Berufsgruppen sein. Fortbildungen in der Medizin wenden sich traditionell sehr häufig von Ärzt/-innen an Ärzte/-innen oder an Pflegefachpersonen. Nur in seltenen Fällen werden Fortbildungen von Pflegefachpersonen für Ärzt/-innen gehalten. Einer der Workshops der St. Galler Fortbildungstage widmete sich dem interprofessionellen Teamwork und wurde paritätisch von einer Pflegefachfrau und einem Arzt geleitet.

Methodik

Der Workshop wurde an zwei Tagen wiederholt und wurde zahlenmässig von mehr Pflegefachpersonen als von Ärzt/-innen besucht, aber auch Pharmazeut/-innen und Pharmavertreter/-innen nahmen daran teil. Mittels einer «SWOT-Analyse» (6) nutzten wir die Expertise aller Teilnehmenden, um in multidisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen die Realitäten zu beschreiben und in der Diskussion eine Synthese zu möglichen Handlungsfeldern zu erarbeiten.

Ergebnisse der SWOT-Analyse

Nachfolgend die Zusammenfassung des Workshops aus den multiprofessionell zusammengesetzten Arbeitsgruppen für die SWOT-Analyse (Tab 1).

Diskussion und Ausblick

Die Diskussion zeigte, dass sich Onkologiepflegefachpersonen, v.a. im ambulanten Setting als Teil eines breiteren multidisziplinären Behandlungsteams wahrnehmen. Eng verzahnte interdisziplinäre und interprofessionelle Betreuungsansätze ermöglichen die unterschiedlichen Bedürfnisse einer Person nahtlos und friktionsärmer anzugehen (8). Für das Gelingen ist aber nicht nur ausreichendes Fachpersonal notwendig, sondern auch die Notwendigkeit, die interprofessionelle Zusammenarbeit und deren Prozesse gemeinsam mitzugestalten (9). Dabei können die beruflichen Rollengrenzen in der Praxis durchaus nicht immer scharf getrennt verlaufen. Denn damit Patient/-innen nicht durch einen «Raster fallen», müssen alle Mitarbeitenden situativ flexibel auf die Anforderungen reagieren können. Informelle soziale Beziehungen, formalisierte Prozesse und institutionelles «Know-how» wirken komplementär. Hinderlich wirken sich hingegen Zeitdruck, Kommunikationsschwierigkeiten und konkurrierende Prioritäten in der Zusammenarbeit und der Patient/-innenversorgung aus (10). Um in einem Behandlungsteam im Gesundheitswesen effektiv zusammenarbeiten zu können, ist es also elementar, dass gemeinsame Ziele entwickelt werden, klare Rollen, Tätigkeitsfelder und Berufskompetenzen definiert sind, gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist, eine effektive Kommunikation gelebt wird und die Prozesse und Ergebnisse transparent gemacht werden (11).

Diskutiert wurden auch Ansätze, um die Zufriedenheit und Produktivität in den interprofessionellen Teams positiv zu beeinflussen, wie die «fish philosophy» oder «management for happiness» (12, 13). Denn «wer zusammen lachen kann, kann auch zusammenarbeiten». Dies fördere die Definition gemeinsamer Zielsetzungen und die Identifikation mit dem Arbeitsumfeld. Auch sei es sehr wertvoll, sich gemeinsam als interprofessionelles Team weiterzubilden und weiterzuentwickeln, wie es beispielsweise in diesen St. Galler Fortbildungstagen angestrebt werde. Die Integration neuerer pflegerischer Berufsrollen wie «Nurse Practitioner» im klinischen Alltag wird als sinnvolle Weiterentwicklung erachtet, wie auch die vermehrte und gezielte Nutzung der bestehenden technischen Möglichkeiten, welche oftmals nicht ausgeschöpft würden.
Aus unserer Sicht war der Workshop für uns und die Teilnehmenden eine inspirierende Gelegenheit, sich ausserhalb des eigenen Arbeitsumfelds mit verschiedensten Anspruchsgruppen auszutauschen, sowie neue Aspekte, Mittel und Wege zu einer effektiveren interprofessionellen Zusammenarbeit zu diskutieren. Wir begrüssen die Schaffung von gemeinsamen Fortbildungen sehr. Ein Anfang wurde in St. Gallen gemacht.

Cornelia Kern Fürer ¹, Dr. med. Walter Mingrone ²
¹ Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland, Onkologiezentrum, 9472 Grabs
² Kantonspital Olten, Onkologie, 4600 Olten

1. Geese, F., Flieder, M. & Schmitt KU: Die Rolle von interprofessioneller Zusammenarbeit (IPZ) im Schnittstellenmanagement bei Personen in komplexen Situationen. Bundesamt für Gesundheit (BAG) Förderprogramm «Interprofessionalität im Gesundheitswesen (2017-2020)». 2020. Online unter https://arbor.bfh.ch/16536/1/Studie%20M20_Schnittstellenmanagement%20und%20 IPZ_BFH_Schlussbericht.pdf
2. Schmitz, Ch., Atzeni, G. & Berchtold, P.: Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (2020) Interprofessionelle Zusammenarbeit in der Gesundheitsversorgung: erfolgskritische Dimensionen und Fördermassnahmen. Differenzierung, Praxis und Implementierung. Swiss Academies Communications, Vol. 15, No 2, 2020. Online unter
3. Mohile SG et al.: Praktische Beurteilung und Management von Schwachstellen bei älteren Patienten, die eine Chemotherapie erhalten: ASCO-Leitlinie für geriatrische Onkologie.J Clin Oncol 2018; 36: 2326-47.
4. Petrakou, A. (2009). Integrated care in the daily work: Coordination beyond organisational boundaries. International Journal of Integrated Care, 9(July), 1–8. doi:10.5334/ijic.325
5. Fliedner, M.C., Eychmüller, S. Ansprüche an die interprofessionelle Zusammenarbeit. Onkologe 22, 631–637 (2016)
6. Teoli D, Sanvictores T, An J. SWOT Analysis. 2023 Sep 4. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2024 Jan–. PMID: 30725987.
7. Łukasz Dekier “The Origins and Evolution of Lean Management System”, Journal of International Studies, Vol. 5, No 1, 2012, pp. 46-51.
8. Zumstein-Shaha M, Grace PJ: Competency frameworks, nursing perspectives, and interdisciplinary collaborations for good patient care: delineating boundaries. Nurs Philos 2023; 24(1): e12402. Online unter doi:10.1111/nup.12402
9. Tremblay D et al.: Effects of interdisciplinary teamwork on patient-reported experience of cancer care. BMC Health Serv Res 2017; 17(1): 218. Online unter doi:10.1186/s12913-017-2166-7
10. Nic Giolla Easpaig B et al.: The complexities, coordination, culture and capacities that characterise the delivery of oncology services in the common areas of ambulatory settings. BMC Health Serv Res 2022; 22(1): 190. Online unter doi:10.1186/s12913-022-07593-3
11. Rowland P: Core principles and values of effective team-based health care. J Interprof Care 2014;28(1): 79-80. Online unter doi:10.3109/13561820.2013.8209 06
12. Lundin, Stephen C.; Paul, Harry; Christensen, John (2000). Fish!. Hyperion. ISBN 9780340819807
13. Managing for Happiness: Games, Tools, and Practices to Motivate Any Team. Jurgen Appelo; ISBN: 978-1-119-26868-0