Kulturelle Aspekte (in) der Seelsorge – ein Essay

Arbeiten im Bereich der interkulturellen Kommunikation gingen zunächst von Verhandlungen zwischen ‚kulturell homogenen’ Delegationen aus. Im klinischen Bereich zeigte sich, dass insbesondere bei der ‚Partei’ der Patient_innen bzw. Angehörigen nicht von ‚kultureller Homogenität’ ausgegangen werden kann. So wurde für den klinischen Bereich der Ansatz der Transkulturalität entwickelt. Der Dienst der (Spital-)Seelsorge muss, wenn er richtig verstanden sein will, sich selbst einer transkulturellen Analyse unterwerfen. Er ist durch eine sich ständig wandelnde, individuell geprägte ‚Kultur’ gekennzeichnet. Dies erweist sich im klinischen Bereich als Chance.

Die Globalisierung hat zu einer starken Ausweitung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Austausch- und Kommunikationsprozesse über geographische, sprachliche und kulturelle Grenzen hinweg geführt. Diese Ausweitung hat Veränderungen bewirkt, die auch den klinischen Bereich betreffen. So wurden im klinischen Bereich seit einigen Jahren beispielsweise erweiterte Sprachkompetenzen erforderlich, weil nicht mehr davon ausgegangen werden konnte und kann, dass sich alle Patient_innen, aber auch alle Gesundheitsfachpersonen in der Landessprache zu verständigen wissen (1). In klinischen und auch allen anderen gesellschaftlichen Bereichen wird jedoch deutlich, dass es mit Sprachkompetenzen allein nicht getan ist. Forschung im Feld der interkulturellen Kommunikation nimmt diese Erkenntnis ernst und analysiert, welche Faktoren nebst reinen Sprachkompetenzen für eine gelingende Kommunikation relevant sind. Interkulturelle Kommunikation wurde zunächst für Verhandlungen zwischen unterschiedlichen wirtschaftlichen Unternehmen oder politischen Organisationen entwickelt (2). Diese Unternehmen und Organisationen können als in sich je ‚kulturell homogen’ verstanden werden, da sie über eine Corporate Identity, klare interne Strukturen und Prozeduren, ein Produkt oder eine Mission, einheitliche Strategien und Zielsetzungen etc. verfügen. Sosehr die einzelnen Mitarbeiter_innen dieser Unternehmen oder Organisationen unterschiedliche kulturelle Identitäten aufweisen, sollen sie als professionelle Vertreter_innen ihres Unternehmens dessen ‚Kultur’ vertreten und nicht die eigene. Wird beispielsweise zwischen den Delegationen eines US-amerikanischen Software-Unternehmens und eines chinesischen Elektronikherstellers verhandelt, so können Fachleute für diese spezifische, interkulturelle Kommunikation den Delegationen bei der Verhandlungsführung zur Seite stehen. Sie haben präzise Kenntnisse der konkreten kulturellen Prägungen der jeweils anderen Delegation.
Im klinischen Bereich sehen die Kommunikationssituationen anders aus: Auf der einen Seite stehen zwar Gesundheitsfachpersonen, auf welche die oben genannten Voraussetzungen der institutionell vorgegebenen ‚kulturellen Homogenität’ (Corporate Identity, klare interne Strukturen und Prozeduren, einheitliche Strategien und Zielsetzungen, medizinethische Richtlinien etc.) mehr oder weniger zutreffen (3). Die Kliniken erwarten von ihren Angestellten, die Kultur der Institution zu repräsentieren. Deshalb und aufgrund des wissenschaftlichen Anspruchs auf Objektivität liegen Standardisierungen in Medizin und Pflege im Trend. (Kommunikations-)Prozesse sollen sinnvoll strukturiert, vereinheitlicht und so hinreichend transparent gemacht und rationalisiert werden.
Das Gegenüber der Kommunikation im klinischen Bereich (Patient_in, Angehörige) ist jedoch kein professioneller Rollenträger. Seine ‚kulturelle Identität’ ist geprägt durch Faktoren wie Staatszugehörigkeit, geographische Herkunft, Ethnie, Sprache, Religion, familiäre Einbindung, Erziehung, sozialer Status, institutionelles Umfeld, Kulturmilieu, Bildungsniveau etc. Seine Vorstellungen, Wünsche, Hoffnungen, Ängste in Bezug auf Gesundheit bzw. Krankheit, deren Behandlung und die Kommunikation darüber werden durch all diese kulturellen Wirkmomente beeinflusst. So beschreiben gesundheitsbezogene Wissenschaften die kulturelle Identität einer Person mithilfe des Konzepts der Transkulturalität als eine multifaktorielle, dynamische und also hoch individuelle Grösse.
Die Spitalseelsorge ist im deutschsprachigen Bereich zumeist von den evangelischen oder katholischen Kirchen getragen. Diese haben Regularien, welche die Ausbildung und Zulassung zum Spitalseelsorgedienst (Theologiestudium, allgemeine Praxisausbildung, Seelsorge-Spezialausbildung) konkretisieren und Verfassungen, in denen die Bedeutung der Spitalseelsorge u.a.m. grundgelegt ist. Obwohl Seelsorge von öffentlich-rechtlich anerkannten Organisationen getragen wird und einen professionellen Anspruch hat, muss sie jedoch als ‚kulturell heterogene’, dynamische, individuell variable Grösse verstanden werden. Sie unterliegt einem ständigen und teilweise fundamentalen Wandel und weist eine grosse Diversität auf. Von institutionsbedingter ‚kultureller Homogenität’ kann nicht in demselben Mass die Rede sein, wie dies sonst im klinischen Bereich bei Gesundheitsfachpersonen einer Institution angestrebt wird. Insbesondere die evangelischen Kirchen der Schweiz sind Gebilde, die, was ihr Gepräge betrifft, nicht mit wirtschaftlichen Unternehmen oder politischen Organisationen verglichen werden können.
Wenn hier über kulturelle Aspekte der Seelsorge gesprochen werden soll, dann will dabei v.a. der eigene ‚Kulturwandel’ und die gegenwärtige Diversität der Seelsorge bedacht sein, d.h. Seelsorge selbst muss unter der Perspektive der Transkulturalität konzeptualisiert werden. Nicht bloss das Gegenüber in der seelsorgerlichen Kommunikation ist ‚kulturell anders’, eventuell sogar fremd, sondern die seelsorgende Person erfährt in der seelsorgerlichen Begegnung mit dem Gegenüber ihre eigene Andersartigkeit, eventuell sogar Fremdheit. Sie versucht durch wache Beobachtung und sorgfältiges Nachfragen eine kommunikative Beziehung zwischen zwei Individuen in ihrer Individualität zu ermöglichen. In dieser Beziehung soll angesprochen und ausgesprochen werden können, was Patient_innen oder Angehörige beschäftigt – so könnte eine formale Kürzestdefinition von Seelsorge lauten (4). In der Seelsorge wird von kultureller Verschiedenheit geradezu ausgegangen, selbst wenn es sich um Gegenüber handelt, die durch ähnliche kulturelle Wirkmomente (Sprache, Ethnie, Religion, soziale Zugehörigkeit etc.) geprägt wurden. (Spital-)Seelsorgerliche Begegnungen sind somit wesentlich durch die Begegnung der konkreten seelsorgenden Person und mit ihrem aktuellen Gegenüber charakterisiert. Wiewohl professionelle Standards in der (Spital-)Seelsorge existieren (5), erweist sich eine gelungene seelsorgerliche Begegnung als singuläres und kontingentes Ereignis. So muss in der Seelsorge meist von strukturierter Herangehensweise und vorbestehenden Zielsetzungen abgesehen werden. Wer mit einem pragmatischen Problem-Lösungsschema Seelsorge zu betreiben versucht, verkennt ihren Beziehungscharakter und die Unverfügbarkeit einer gelingenden seelsorgerlichen Begegnung.

Kulturelle Wandlungen in der Seelsorge seit dem ausgehenden 19. Jh.

Der ‚Kulturwandel’ in der Seelsorge bzw. die dynamischen und heterogenen Entwicklungen der Seelsorge betreffen ihre theologisch-theoretische Fundierung, ihre methodisch-theoretische Herangehensweise und die praktische Ausbildung zur bzw. die Ausübung der Seelsorge. Diese Dynamik ergibt sich aufgrund theologie-interner Entwicklungen, aber auch in Wechselwirkungen mit anderen Wissenschafts- und Kulturbereichen.
Um eine Skizze dieser kulturellen Wandlungen in der Seelsorge halbwegs sinnvoll erstellen zu können, wird bei der Auswahl der dargestellten Referenzpunkte eine starke Einschränkung vorgenommen: Der vorliegende Text bespricht ausschliesslich Entwicklungen der Seelsorge im deutschsprachigen, evangelischen Bereich. Doch selbst diese starke Fokussierung wird noch immer ein kulturell heterogenes, dynamisches Bild der (Spital-)Seelsorge ergeben.
Die Skizze des Kulturwandels in der Seelsorge soll vom Bericht des Pfarrers Johann Christoph Blumhardt d. Ä. (1805 – 1880) über seine seelsorgerlichen Bemühungen um die Gottliebin Dittus ausgehen(6). Die Ereignisse von 1843/44 und ihre Rezeption können in mehrfacher Hinsicht als idealtypische Grunderzählung des Kulturwandels der Seelsorge verstanden werden. Der Dorfpfarrer und Seelsorger Christoph Blumhardt d.Ä. beschreibt in diesem Bericht seine zweijährigen, seelsorgerlichen Bemühungen um eine psychisch schwerkranke, junge Frau. Er wollte mit diesem Bericht der Kirchenbehörde seiner Gemeinde Möttlingen Rechenschaft über seine seelsorgerliche Praxis geben. Der Text gelangte jedoch durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit und zirkulierte bald in den unterschiedlichsten Versionen. Daher sah sich Blumhardt gezwungen, seinen Originalbericht zu veröffentlichen (7).
Seit der Reformation und bis weit ins 20 Jh. hinein wurde Seelsorge in konservativen Kreisen als Verkündigung (d.h. Predigt) gegenüber einem einzelnen Gemeindeglied verstanden. Diese an einem Gegenüber orientierte Verkündigung konzentrierte sich auf das Lob der Grösse Gottes und den Zuspruch seiner Gnade. Damit, so meinte man, wären die Probleme, die Menschen in die Seelsorge tragen würden, letztlich alle zu lösen (8).
Konservative Rezipienten des Blumhardt’schen Berichts meinten darin eine Bestätigung dieses Seelsorgekonzepts zu finden. Den äussersten Ausdruck dieser Bestätigung glaubten sie im Ausruf ‚Jesus ist Sieger’ zu hören, der in einer besonders dramatischen Seelsorgesequenz seitens der Klientin (bzw. ihres Bruders) ergangen sein soll: Die gequälte Gottliebin Dittus (bzw. ihre Angehörigen), so meinen diese Interpreten, erkannte dank Blumhardts verkündigender Seelsorge die Grösse und Gnade Gottes und bekannte nunmehr gläubig, Jesus sei Sieger auch über ihre ‚Quälgeister’. Tatsächlich trat in der Folge dieser Sitzung bald eine deutliche Besserung des psychischen Zustands der Gottliebin Dittus auf, die krisenhaften Zustände verschwanden angeblich. Konservative Theolog_innen schlussfolgerten, wenn selbst der psychisch schwerstkranken Gottliebin Dittus in ihrer äussersten Not durch die getreuliche Verkündigung des Seelsorgers habe geholfen werden können, wieviel mehr dann auch allen anderen Menschen.
Die Geschehnisse in der Kirchgemeinde Möttlingen wurden teilweise auch als eigentlicher Exorzismus (dt. Austreibung) gedeutet, in welchem Blumhardt an Gottliebin Dittus vorbei den sie besetzenden Dämonen gepredigt und befohlen habe. Varianten des Berichts, die sofort in Umlauf kamen und sich bei einer breiten Leser_innenschaft grosser Beliebtheit erfreuten, haben diesen Eindruck wohl verstärkt. Schauer- und Gruselromane lagen im Trend der romantischen Literatur des 19. Jhs. (9). Da war es naheliegend, Blumhardts Bericht in diesem Sinne phantasievoll-gruselig auszuschmücken und anzureichern.
Das Verständnis der Blumhardt’schen Bemühungen als Exorzismus verkennt jedoch das im Originalbericht dokumentierte Vorgehen vollkommen. So hat Blumhardt zunächst nie versucht den Dämonen zu predigen, sondern sich in seiner Verkündigung immer an die Gottliebin Dittus selbst gewandt und ihren Glauben an die Grösse und Gnade Gottes aufzurichten versucht. Sodann erkannte er sein konventionelles Seelsorge-Verständnis bald als nutzlos.
An diesem Punkt änderte er sein Vorgehen. Gleichsam intuitiv begann er, die Gottliebin Dittus über ihre Person und ihr Befinden zu befragen. Man könnte diese Strategieänderung Blumhardts als kopernikanische Wende der Seelsorge stilisieren: von der Verkündigung hin zur Erkundigung. Blumhardt wollte die Situation der Kranken besser verstehen. Die Ergebnisse seiner Erkundigungen bei der Kranken notierte er sorgfältig in seinem Bericht. Dieser Bericht schildert ausführlich das Familiensystem und das Kindheitserleben der Kranken und erkennt darin Voraussetzungen für das gegenwärtige Leiden der Frau. Der Bericht von 1843/44 entspricht in gewisser Weise dem, was Psychoanalytiker zu Beginn des 20 Jhs. in Patient_innenakten niederschrieben. Es erstaunt nicht, dass Blumhardts Bericht später auch aus psychoanalytischer Sicht interpretiert wurde: Seine Gespräche mit der Kranken hätten bei dieser eine Bewusstwerdung ihrer inneren Konflikte ermöglicht, wodurch die Symptome der Konflikte verschwanden (10).
Wie beschrieben, existierte das konservative Verständnis der Seelsorge als Verkündigung noch bis in die Mitte des 20. Jhs. und erlebt in gewissen neokonservativen Kreisen gegenwärtig eine Renaissance. Die Entwicklungen in der Medizin und Psychiatrie wirkten aber auch auf die Seelsorge bzw. die Wissenschaft der Seelsorge (sog. Poimenik) ein. Es existierte ein lebhafter Austausch zwischen Exponenten der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen; Pfarrer standen damals meist in hohem gesellschaftlichem Ansehen und wurden als akademisch gebildetes Gesprächsgegenüber geschätzt. Der Briefwechsel zwischen dem Zürcher Pfarrer Oskar Pfister und Sigmund Freud ist nur ein Zeugnis davon (11).

Entwicklungen in der Seelsorge in der zweiten Hälfte des 20. Jhs.

Ab Mitte des 20 Jhs. formierte sich unter dem Begriff Seelsorgebewegung eine breiter angelegte, nicht mehr bloss von einzelnen Exponenten getragene Neuorientierung der Seelsorge. Das Grundanliegen der Seelsorgebewegung war eine Annäherung an psychotherapeutische Theorien und Ausbildungskonzepte (12). Hierbei wurde zum einen der reflektierten Selbsterfahrung der Seelsorgenden viel Raum gegeben. Zum anderen wurde die nicht-direktive Gesprächsführung als Grundtechnik der Seelsorge propagiert (d.h. Erkundigung statt expliziter Verkündigung). Die teilweise interkonfessionelle Seelsorgebewegung war im deutschsprachigen Raum keineswegs homogen, denn die Psychotherapie als ihr säkulares Gegenüber war es in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. auch nicht. Zugleich wurde wiederholt der kritische Ruf laut, dass Seelsorge nicht zur ‚kirchlichen Psychotherapie’ verkommen dürfe. Diese Mahnung gründete nicht zuletzt in der Forderung, Seelsorge sei doch weiterhin als Teil der kirchlichen Verkündigung zu verstehen (13). Nunmehr sollte die Gnade Gottes in der Seelsorge jedoch nicht mehr predigend expliziert, sondern in Form der empathischen Zuwendung in der Seelsorge implizit vermittelt werden.
Angeregt durch die Seelsorgebewegung ergab sich in den 70er Jahren im Bereich der Praktischen Theologie (jener Disziplin der wissenschaftlichen Theologie, die sich mit der Theorie der kirchlichen Praxisfelder befasst) ein weiterer fundamentaler Wandel: die empirische Wende(14). Wiederum darf diese Wende nicht als singuläres Phänomen der Theologie angesehen werden, sondern muss im Zusammenhang mit der Etablierung der evidenzbasierten Medizin verstanden werden. Die evidenzbasierte Medizin bezieht ihre hohe Plausibilität daraus, dass die Medizin in vielen Bereichen eine massgeblich empirisch orientierte Wissenschaft ist. Dies trifft für die Theologie als hermeneutisch orientierte Wissenschaft nicht zu. Insofern wirft die empirische Wende in der Praktischen Theologie etliche Fragen auf: Ist die kirchliche Praxis – näherhin die Seelsorge – aufgrund eines bestimmten Outcomes zu beurteilen? Wie wäre dieser Outcome der kirchlichen Praxis zu definieren und empirisch zu messen? Können empirische Studien (oftmals semiqualitative Befragungen) diesen Outcome geeignet erfassen? Haben theologische Traditionen (beispielsweise der Glaube an die Gnade Gottes) ihr Recht jenseits der Ergebnisse empirischer Befunde? Zumindest konnte die Praktische Theologie seit der empirischen Wende an Ergebnissen empirischer Untersuchungen nicht mehr schnöde vorübergehen.
Die zuständigen kirchlichen Stellen versuchten, mit diesen sehr unterschiedlichen Entwicklungen Schritt zu halten und umzugehen, indem sie beispielsweise in der Spitalseelsorge Ausbildungsstandards formulierten und entsprechende Ausbildungen institutionalisierten. In den 80er Jahren war dies das Clinical Pastoral Training (CPT, 12 Kurswochen berufsbegleitendes Training) – in Deutschland Klinische Seelsorge Ausbildung (KSA) genannt (15). Kaum hatte sich diese Ausbildung etabliert, drängten sich auch andere Seelsorge-Konzepte und entsprechende Ausbildungsgänge ins Bewusstsein der kirchlichen Behörden. Der Versuch, die Ausbildung kirchlicherseits zu vereinheitlichen, konnte die faktische Heterogenität im Bereich der Seelsorge nicht aufheben. Im schweizerischen Ausbildungskonkordat gibt es derzeit drei anerkannte, recht unterschiedliche Seelsorgeausbildungen: Lösungsorientierte Seelsorge, Systemische Seelsorge und Clinical Pastoral Training (16).

Ausblick

Spätestens seit der Jahrtausendwende etablierte sich der Begriff Spiritual Care (17). Dieser Begriff entstammt ursprünglich der Palliative Care. Bald zeigte sich jedoch, dass spirituelle Belange nicht bloss im palliativen Bereich eine Rolle spielen. Das Novum dieser Entwicklung lag darin, dass der Begriff Spiritual Care nicht primär kirchlicherseits gesetzt wurde, sondern in medizinisch-pflegerischen Foren aufkam – allerdings oftmals durch religiös engagierte Personen portiert. In mindestens zweierlei Hinsicht verkompliziert sich dadurch die Gesamtsituation:
– Erstens muss eine grundlegende Verhältnisbestimmung und eine strukturell-institutionelle Aufgabenteilung geschaffen werden zwischen dem nach wie vor präsenten kirchlichen Dienst der Spitalseelsorge und der sich langsam etablierenden Spiritual Care. Es scheint sich dabei eine pragmatische Klärung derart zu ergeben, dass Spiritual Care als Policy der Kliniken (auch bzgl. der Mitarbeiter_innen) verstanden wird und die Spitalseelsorge darin als spezialisierte Spiritual Care funktioniert.
– Zweitens stellt sich die grundlegendere Frage, was der Begriff der Spiritualität denn eigentlich bezeichnen will. Offensichtlich ist mit dem Begriff der Spiritualität der Versuch verbunden, die Thematik aus religiös-konfessionellen bzw. kirchlich-institutionellen Zusammenhängen herauszulösen, zu öffnen und allgemeinzugänglich zu machen. Dem Begriff Spiritualität fehlt jene Bestimmtheit, welche den Begriff Religion vermeintlich auszeichnet und ihn deswegen bisweilen zur Irritation werden lässt. So scheint der Begriff Spiritualität geeigneter zu sein, die Bedürfnisse gegenwärtiger Menschen in einer globalisierten, säkularen Welt zu beschreiben. Möglicherweise wird dabei jedoch die ‚religiös-kulturelle Homogenität’ von real existierenden Religionen, näherhin der Kirchen zumindest im deutschsprachigen Raum weit überschätzt. Die evangelischen Kirchen der Schweiz haben seit 1870 liberale Verfassungen und verstehen sich als bekenntnisfreie Kirchen: Die Bestimmung dessen, was christlicher Glaube bedeutet, liegt im Ermessen der Mitglieder. So wird klar, warum Spiritual Care gegenwärtig massgeblich durch kirchliche Stellen in vielfältigen Kursen und Ausbildungen angeboten wird: Die Offenheit der Spiritual Care, ihr an Transkulturalität orientiertes Grundanliegen, entspricht dem in der zweiten Hälfe des 20. Jhs. entwickelten Selbstverständnis der kirchlichen Seelsorge.
Wie sich Spitalseelsorge und Spiritual Care mit – und nebeneinander entwickeln, wird die Zukunft zeigen. Wenn sich Kliniken verstärkt um die Spiritual Care bemühen sollten, so ist dies aus Sicht des Autors zu begrüssen. Es steht jedoch zu befürchten, dass Kliniken das Angebot der Spiritual Care der eigenen ‚kulturellen Homogenität’ in Form von Standardisierung der Aufgaben und Prozesse unterwerfen (18). Wenn dies der Fall wäre, so ist zu befürchten, dass der Offenheit, der positiv-verstandenen Zufälligkeit und der bisweilen ‚heilsamen’ Nutzlosigkeit der Seelsorge dabei nicht mehr ausreichend Rechnung getragen werden kann.

P.S. Der Autor dieses Beitrags gibt zu bedenken, dass aufgrund des dargelegten Sachverhalts auch dieser Text als eine zeitlich gebundene, partikulare Annäherung an die Thematik verstanden werden muss. Der Verfasser würde „kulturelle Aspekte (in) der Seelsorge“ vielleicht schon in einigen Jahren anders darzustellen versuchen, weshalb hier bewusst die Form des Essays gewählt wurde.

Pfr. Dr. theol. Luzius Müller

Reformiertes Pfarramt beider Basel an der Universität
Seelsorger im St. Claraspital

luzius.mueller@unibas.ch

1. z.B. der entsprechende Hinweis des Universitätskinderspitals beider Basel: https://www.ukbb.ch/de/ukbb/abteilungen-dienste/dolmetscherdienst.php (Stand: 29.6.2023)
2. Ein hilfreicher Clip zur Erläuterung der Grundbegriffe bei: https://www.youtube.com/watch?v=uGliHeQuWsI&t=95s (Stand: 30.6.2023)
3. z.B. Leitbild des Universitätsspitals Basel: https://www.unispital-basel.ch/dam/jcr:ee9de922-7254-4755-9459-4c427b32d9ab/uni023_wir_zeigen_haltung_11_a6.pdf (Stand: 30.6.2023)
4. so ähnlich z.B. auf der Homepage der EKD: https://www.ekd.de/was-ist-seelsorge-64624.htm (Stand: 30.6.2023)
5. Morgenthaler, Christoph, Seelsorge, Gütersloh 32017, 67ff.
6. Blumhardt, Johann Christoph, Krankheitsgeschichte der Gottliebin Dittus. Ausführlicher Originalbericht, neu durchgesehen, Basel 1950.
7. Scharfenberg, Joachim, Zur Lehre von der Seelsorge. Bewusstwerdung und Heilung bei Johann Christoph Blumhardt, Theologia Practica 4, 1969, 145.
8. z.B. Thurneysen, Eduard, Die Lehre von der Seelsorge, Basel 1948, 93.
9. Matuschek, Stefan, Der gedichtete Himmel. Eine Geschichte der Romantik, München 2021, 252ff.
10. Scharfenberg, Joachim, Zur Lehre von der Seelsorge. Bewusstwerdung und Heilung bei Johann Christoph Blumhardt, Theologia Practica 4, 1969, 140 – 155.
11. Noth, Isabelle (Hg.) Sigmund Freud – Oskar Pfister. Briefwechsel 1909 – 1939, Zürich 2014.
12. Morgenthaler, Christoph, Seelsorge, Gütersloh 32017, 61 – 65.
13. Winkler, Klaus, Die Funktion der Pastoralpsychologie in der Theologie, in: Riess, Richard (Hg.), Perspektiven der Pastoralpsychologie, Göttingen 1974, 111 – 121.
14. Klein, Stephanie, Empirisch theologische Forschung im Spannungsfeld von Humanwissenschaften, Theologie und Kirche, in: Heusser, Andreas (Hg.), Erfassen – Deuten – Urteilen. Empirische Zugänge zur Religionsforschung, Zürich 2013, 41 – 48.
15. Morgenthaler, Christoph, Seelsorge, Gütersloh 32017, 61 – 65.
16. vgl. https://www.bildungkirche.ch (Stand: 8.6.2023)
17. einen guten Überblick über die Entwicklung der Spiritual Care: Nauer, Doris, Spiritual Care statt Seelsorge? Stuttgart 2015, 22 – 43.
18. Diese Entwicklung zeichnet sich beispielsweise darin ab, dass seit einigen Jahren ein ‚Indikationenset für Seelsorge und Spiritual Care’ propagiert wird: https://www.palliative.ch/public/dokumente/was_wir_tun/fachgruppen/seelsorge/ndikationen-Set_fuer_Spiritual_Care_und_Seelsorge_-_Langfassung.pdf (Stand: 29.6.2023)

Limitations of Trainings in Cross-Cultural Competence – The Practitioner Perspective

Objective: Trainings in cross-cultural competence1 are of increasing importance for psychotherapists in order to provide adequate mental health care for patients with a migration background. Yet, little is known about practitioners´ perspectives on working with migrants. Method: Problem-centered interviews with 30 practitioners offering psychotherapy within the German mental health care system have been analyzed using Grounded Theory Methodology to get an insight into practitioners´ experiences with cross-cultural work.
Results: Practitioners have to deal with strong feelings of insecurity in their cross-cultural work. Feelings of insecurity were influenced by practitioners’ underlying cultural concepts, how specific they perceived the cross-cultural contact to be and how they saw themselves in their professional role as psychotherapists. Interestingly, the analysis shows that trainings in cross-cultural competence which mainly convey “culture specific” knowledge on a rather theoretical level might even increase practitioners’ feelings of insecurity.
Conclusions: Conventional teaching formats in cross-cultural competence might not provide psychotherapists with sufficient space to reflect on their insecurities, their “cultural concepts”, and their expectations of themselves in their professional role. Therefore, other settings are required. Dealing with practitioners’ perceived lack of knowledge in the context of culture could be an effective starting point to deal with cross-cultural insecurities.

Practicing psychotherapists are confronted with an increasing number of patients with a migration background2 in their daily work – not only in Germany. This upward trend reflects the worldwide development of migration: In 2015, the United Nations (UN) stated that the number of international migrants (persons living in a country other than where they were born) reached 244 million for the world as a whole − which is an increase of 41 per cent compared to 2000. In addition, the current report of the United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR) stated that the number of refugees and asylum seekers reached a regrettable record in 2015 with 65 million people leaving their home countries due to war, conflicts, and expulsion worldwide. The impact on the mental health of migrants remains unclear to date (Moussavi et al., 2007). Epidemiological studies show that the risk of mental health problems is at least as high for migrants as it is for non-migrants (Machleidt & Calliess 2005), some studies found a higher risk of mental health problems among migrants (Bhugra et al., 2014).

Migrants as Mental Health Care Users – The Example of Germany

In 2016, 22.5 percent of the German population could be identified as persons with a migration background – the highest share in German history so far (Statistisches Bundesamt, 2017). According to current data of the annual report of the Migration Integration Policy Index (MIPEX), Germany’s migrant health policy is only partly successful, with Germany ranking 22nd below average compared to other countries (MIPEX, 2015). Health care for migrants in Germany seems particularly deficient in the field of mental health care. The few studies investigating the utilization of the German mental health care system found that immigrants are still inadequately treated (Koch, Küchenhoff, & Schouler-Ocak, 2011). So-called divergent ‘cultural concepts’ and health beliefs are discussed as challenges for mental health care providers as they may provoke feelings of uncertainty, expectations of communication difficulties as well as reservation and might thus lead to a refusal to treat patients with a migration background (Dreißig, 2015; Mösko, Gil-Matinez, & Schulz, 2012).

Reception of the international Discourse on Multiculturalism and Diversity in Germany

In summary, the professional discourse on the importance of multiculturalism and diversity especially in the disciplines of psychology and medicine clearly started earlier in the Anglo-American countries compared with Germany. Indeed, the constructs of race, culture, and intergroup relationships have been research areas for psychologists since nearly the beginning of psychology (e.g. Allport, 1954). Since 1973, the American Psychological Association (APA) has maintained that the provision of multiculturally competent mental health staff is an ethical imperative (Korman, 1974). Prior to the introduction and approval of the Multicultural Guidelines of the APA (2003), several critical foundational publications provided a framework and a starting point that have influenced professional discourse on the importance of multiculturalism and diversity in the field (e.g. Arredondo, 1998; Atkinson, Morten, & Sue, 1979; Sue Arredondo, & McDavis, 1992; Sue & Sue, 1998; for a brief historical overview of multicultural counseling see Baruth and Manning, 2016).
Even though Germany has been a destination for immigrants since many years, it was not politically recognized as „country of immigration“ until 1999 (Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Bundesministerium des Inneren, 1999). This fact is discussed as possible reason for the comparatively late begin of research activities in the field of mental health improvement for migrated patients and cross-cultural competencies (Rommelspacher, 2008).
Subsequently, clinicians and researchers have increasingly demanded a greater “cross-cultural opening” of the mental health care services in Germany with the result that several guidelines were developed (e.g., The Sonnenberger Guidelines) to improve the focus on migrants’ needs and to provide orientation for mental health care professionals (Machleidt & Sieberer, 2013). Cross-cultural competencies of mental health care professionals have been discussed as an essential factor in the debate about adequate treatment for migrants with mental health problems (DGPPN, 2012, 2016). But, up to now, curricula for students of psychology, medicine, nursing and social work do not generally include lectures and course work on cross-cultural competence in health care provision, as they do for example in the Anglo-American countries (Fuentes & Shannon, 2016; Kirmayer et al., 2011; Quirk, 2012). Post-graduate training in the mental health care professions in Germany does not include this subject regularly either. The few existing training programs in cross-cultural competence in Germany derive from the Anglo-American countries. They are adapted to the local mental health care systems (Beach et al., 2005) and not sufficiently evaluated (Anderson, Scrimshaw, Fullilove, Fielding, & Normand, 2003). Currently, evaluated training programs to improve those competencies are lacking in Germany. One new training program to improve cross-cultural competencies in Germany was based on the conception of cross-cultural competence according to Sue et al., 1992 (Reichardt et al., 2017).

The Concept of Cross-Cultural Competence

In psychological or medical theory and research on cross-cultural competence, a lot of different definitions of the concept “cross-cultural competence” are used. Often, a so-called static conception of culture is assumed (Steinhäuser, Martin, von Lersner, & Auckenthaler, 2014). Certain approaches have criticized the concept of cultural competence because of its separation of multiculturalism and social justice by focusing on acquiring knowledge about „other“ cultures and assuming a static concept of culture. To overcome this, it was suggested to foster a critical consciousness of the self, others, and the world, and to support the awareness for concerns of social justice (Kumagi & Lyoson, 2009). A rather systemic constructivist understanding of culture, as suggested for example by Ahmad and Reid (2009), questions the idea that culture is „a thing people ‚have‘“ (p.2). Humanistic psychotherapies have coined the term “contextualism” for this approach (Comas-Diaz, 2012; Schneider, Pierson, & Bugental, 2014). When recognizing the relevance of context, a patient’s individual perspective becomes more important and a less ethnocentric psychological theory is needed to interpret a client’s behavior. Compatible with this, it was argued that psychotherapists should consider cross-cultural competence at the level of agency and institution and should pay greater attention to the influence of socio-political systems in individual functioning and therapy processes (see for example Dadlani & Scherer, 2009; Kirmayer, 2007; see also the concept of Multicultural and Social Justice Counseling Competencies by Ratts, Singh, Nassar, McMillan, Butler, & McCullough, 2016). The term cultural humility as a therapeutic framework is used frequently. Instead of focusing on skills and knowledge about different cultures, it rather emphasizes the need for change in attitude (in lifelong learning processes), the necessity to be aware of power imbalances as well as to be humble in every interaction with everyone (Davis et al., 2018; Mosher et al., 2017; Owen et al., 2015). Furthermore, considerations concerning adequate learning formats for cultural competencies led to the result that „a one-size-fits-all approach“ to cultural competences is destined to fail (Adames, Fuentes, Rosa, & Chavez-Dueñas, 2013).

The Perspective of Mental Health Care Professionals

Little is known about how psychotherapists themselves experience the cross-cultural setting and what they consider to be helpful (Hays, 2009). There is evidence deriving from international studies that psychotherapists experience varying degrees of distance and separation from their migrated patients. For example, therapists expected a certain language barrier and anxieties about communication before meeting the patient (Bowker & Richards, 2004). Furthermore, professionals mentioned different values between the migrated patient and their therapist, challenges arising from language differences, different conceptions of psychotherapy and so-called “cultural misunderstandings” (Suphanchaimat, Kantamaturapoj, Putthasri, & Prakongsai, 2015). Other study results show that psychotherapists tend to refuse patients with migration background due to language difficulties (42,8 percent) or cultural issues (8,4 percent; Mösko et al., 2013). Still, studies provide inconsistent results about what therapists themselves consider helpful when treating migrated patients: On the one hand, practitioners think that a specific advanced training does not seem to improve treatment. Instead, the required knowledge and sensitivity seems to be gained during contact with the patient (e.g. Vallianatou, Leavey, & Brown, 2007). On the other hand, (mostly quantitative) studies reported that high rates of participants considered trainings in cross-cultural competence to be useful (72 percent). Interestingly, only 9 percent of participants of that study stated that they had already taken part in such a training (e.g. Mösko et al., 2013).

Open Questions and Aim of this Study

The strong importance that cross-cultural competence is ascribed to reduce racial and ethnic disparities in mental health services is not yet reflected in robust evaluation research showing that paying attention to cultural factors really improves clinical services (Tao, Owen, & Imel, 2015). There is still a lack of research focusing on the specific experiences of psychotherapists working in cross-cultural settings and we miss information about what practitioners consider to be helpful (Moleiro, Freire, Pinto, & Roberto, 2018; Owen, 2018). This study aims at examining the perspective of practicing psychotherapists in the cross-cultural setting. How do practitioners experience this work? What are the challenges they encounter when providing treatment to migrated patients? This article seeks to answer these questions by analyzing the experiences of practitioners working with migrated patients – German practitioners will stand as an example.

Methods

Grounded Theory Methodology is both a research paradigm and a set of coding methods that are used to generate inductively a data-grounded theory about an underlying phenomenon (Strauss & Corbin, 1998). The steps of data collection, data analysis and theory development interweave.

Data Collection

The initial stage of data collection depends on the basic research interest (here: the subjective view of mental health care professionals on working in a cross-cultural setting). In accordance with Glaser and Holton (2004), the process of data collection is controlled by the emerging theory. Therefore, the researcher cannot plan data collection in advance of the emerging theory. Still, theoretical knowledge about the subject of interest is needed to be able to recognize the relevant data (theoretical sensitivity; Glaser & Strauss, 1967). Our theoretical pre-knowledge was reflected in our research team. The process of writing theoretical memos also helped us to increase theoretical sensitivity. Memos are theoretically notes about the data and the conceptual relations between categories (Glaser & Holton, 2004). They contain decisions as well as theoretical ideas and help the authors to reflect their own positions.
Problem-centered interviews (Witzel, 2000) were conducted with mental health care professionals working in different therapy settings (psychiatric hospital, psychotherapeutic outpatient, outreach clinic). The format of problem centred interviews is semi-structured and consists of four instruments: a short questionnaire to query relevant facts, an interview guideline, tape recordings of the discussion and a postscript to note down situational and non-verbal aspects and initial interpretation ideas (see also Kuckartz, 2010). The interview guideline was developed based on the suggestions by Helfferich (2011). She suggests starting with an open brainstorming to collect all relevant questions to the research question. Then, gradually the questions are filtered, selected, and ordered while frequently approving their contribution to the research question. Helfferich suggests including different types of questions to the interview guideline: core questions (formulated as open as possible to enable the interviewee to talk freely), questions to support the narrative flow, and concrete questions or comprehension questions. Four open core questions were formulated to stimulate longer narrative episodes: 1. Could you tell me something about the context of your work? 2. Could you tell me something about your work experiences with patients with migration background? 3. What do you consider to be helpful in working with patients with a migration background? 4. What would you recommend for working with migrated patients?

Sampling

Thirty German mental health care professionals working in therapy-related fields (psychiatric hospital, psychotherapeutic outpatient clinic, outreach clinic, psychological counselling service) were interviewed. To gain a possibly wide range of heterogeneous cases and consequently as much relevant information as possible, we followed the principle of „minimum and maximum contrast“ (Strauss, 1987): individual cases were chosen and compared to one another with respect to their substantive characteristics and features. Participants differed concerning sex, age, psychotherapeutic orientation and years of work experience. All interviewees were working in the German mental health care system as psychotherapists or co-therapists. Ten participants were still in a three to five-year training to become licensed psychotherapists. Twenty participants were already accredited psychotherapists (see table 1).
To recruit participants, a letter providing information about the study and researchers’ contact details was forwarded to therapists at different psychiatric hospitals, psychotherapeutic outpatient clinics and outreach clinics. Similarly, it was sent to different psychotherapy training institutes to reach psychotherapists in training. The interviews were conducted at the working places of the interviewees. The individual interview duration ranged between 60 and 120 minutes. Before the interview, the interviewees’ informed consent was achieved by providing them with information about the purpose and the course of the investigation, the recording of the interviews as well as the transcribing and anonymizing process. The ethical principles of informed consent, confidentiality and avoiding harm were followed rigorously. All personal data as well as any identifying information about the institution were anonymized during the transcription process. In this paper, all quotations taken directly from the interviews are italicized.

Data Analysis

The analyzing process was based on the coding procedures of Grounded Theory Methodology, including open coding, axial coding, and selective coding (Strauss & Corbin, 1998). The first step is data collection to be able to form codes, concepts, and categories. These form the basis for the emerging of a theory. Data analysis contains three steps that are recursive: (1) Open coding. Segments of data were categorized with a short name that at the same time summarized and accounted for each piece of data (Charmaz, 2014). So-called in vivo codes were mainly created. In vivo codes are theoretically rich remarks of interviewees. While sticking closely to concrete utterances, they are still able to explicate the subjective theories manifested in the underlying data (without merely reproducing existing academic theories). The categories that turned out to be the most fitting were chosen to sort, integrate and organize the data material. Then, the codes were formed to preliminary categories which include information about the phenomenon. (2) Axial coding. Axial coding was used to relate categories to subcategories, specify the properties and dimensions of each category, and compile the date we had first fractured during open coding, which allows new ways of understanding the investigated phenomenon (Charmaz, 2014). (3) Selective coding. The final stage of data analysis can be described as the process by which categories are related to a “core category” and the core category systematically being related to the other categories and subcategories while validating those relationships. The category system was validated according to the recommendations of concept building, the constant comparative analysis, building minimal and maximal contrasts, as well as constantly writing and analyzing memos. Data collection and analysis was continued until new material did not generate new information and the category system did not change any more (this is called data saturation; Strauss & Corbin, 1998). Preliminary results were repeatedly discussed in a research seminar. Moreover, the research process of collecting and analyzing data was continuously discussed in a research team consisting of four researchers with different professional backgrounds (ethnology, sociology, psychology, economy).

Results

The analysis of 30 interviews resulted in 12605 meaning units. 127 meaning units were deemed unrelated to the subject and therefore were excluded from analysis. The remaining 12478 meaning units were organised and analysed, and finally yielded a model consisting of four categories, of which one was identified as the core category or central phenomenon, named cross-cultural insecurities (1). Three further categories were identified: intervening conditions of cross-cultural insecurities (2), context factors of cross-cultural insecurities (3), and effects of insecurities on emotions and actions (4). The four categories contained of twelve lower-level categories, described below.

Category 1: Cross-Cultural Insecurities

The mental health practitioners of our study experience the cross-cultural setting as unsettling in many ways. The mere information that a patient has a migration background seems to unsettle practitioners in advance. Practitioners described two types of insecurities they experience when treating migrated patients: insecurities regarding their own therapeutic behavior in the cross-cultural setting and insecurities concerning the therapeutic relationship when treating a migrated patient.

Insecurities regarding own therapeutic Behavior in the Cross-Cultural Setting

Insecurities regarding the therapeutic behavior are mainly related to the interventions used during treatment. Practitioners worry if they can use the same techniques for migrated patients that they also use for their other, non-migrated patients. They often reported the feeling of having done something “wrong” during treatment: “She [the patient] was irritated after I asked her about her religion. And that was a moment where I realized: I made a mistake.” (IP2, ll. 59-863).

Insecurities concerning the therapeutic Relationship when treating a migrated Patient

This subcategory includes insecurities about topics that might be taboos. For example, religion was mentioned several times as a topic which practitioners feel a lot of uncertainty about. They are for example worried to ask the wrong questions and to hurt the patient without realizing it. Furthermore, practitioners reported uncertainty concerning their own professional role in the cross-cultural context. They wonder how migrated patients experience their role as practitioners and if the treatment satisfies the patient. Some interviewees stated that they are feeling insecure in a general sense in contact with migrated patients because they were afraid of being or acting racist in some way: “It is a general uncertainty how to behave: How to behave correctly? What is acting in an ethically correct manner? When am I acting racist?” (IP5, l. 746). They fear not to be able to fulfill their patients´ expectations of treatment: “And I felt this pressure: I am the German therapist and I won´t be able to give her what she really needs from me.” (IP5, ll. 396-398). Noteworthy, role-related insecurities were reported mainly by young practitioners who have just started working while the other insecurities mentioned were reported by all practitioners regardless of their work experience.

Category 2: Intervening Conditions of Cross-Cultural Insecurities

We identified conditions that substantially influence practitioners’ insecurities in the cross-cultural setting in its extent. These two subcategories are underlying cultural concepts3 and the experience of the cross-cultural setting as distinct from other therapeutic settings.

Underlying Cultural Concepts

Most interviewees have a static concept of culture rather than a dynamic one. That means, they clearly associate culture with nation and assume cultural groups to which several countries relate. Thus, every human being inherits a certain “culture” from birth. Therefore, the interviewees presupposed that two people from two different countries are “culturally” different in principle. In line with this, “cultural” difference becomes greater the greater the geographic distance between two countries is and stays geographically fixed: “You have a patient and he has slit eyes. And he comes from China. Or somewhere else. Then you reason: this patient ticks differently. If you have patients coming from the US, he or she ticks almost the same as I do. That means, it is much less visible. But they- really, they do tick differently.” (IP11, ll. 688-691). It seems noteworthy that the interviewees regard the ways a person thinks and feels to be “culturally” determined. Furthermore, professionals believe that culture determines how contact with another person is established, how mental health problems are dealt with and what position an individual holds in society. Observed characteristics (and life circumstances) of a patient are interpreted as characteristic of his or her cultural background: “…women for example, if they are ill and they have another cultural background, they may moan much loader. It is just their cultural background that makes them moan that loud.” (IP 5, l. 1145). In the interviews, the question often arose whether patients’ behavior or way of thinking is culturally or individually determined. Practitioners hope to get orientation and certainty about treatment by answering this question.

The Experience of the cross-cultural Setting as distinct from other therapeutic Settings

All interviewees consider the encounter with migrated patients to be different from encountering non-migrated patients and they regard the fact of the patient’s migration background to be an issue in their treatment. For some practitioners it seems to be an essential topic in treatment even though the patient does not specifically mention it as important: “[…] well, I cannot imagine that it [the migration background] doesn´t affect a person or that it is not a topic at all […]” (IP1, ll. 476-477). Others think that it does make a difference, but rather a small one: “[…] I think, the difference is not big. And I wouldn´t make much of a difference, just because there are some cultural differences.” (IP7, ll. 392-398). Nevertheless, a patient’s migration background never goes unnoticed by therapists and some therapists mentioned how surprised they were after treatment that the migration background was hardly ever discussed. Practitioners expect patients with migration background to bring foreign topics into the (therapeutic) setting, which the practitioners do not know how to deal with. In line with this, practitioners expounded the problem of different values and attitudes between their migrated patients and themselves, which, in their opinion, increases the distance within the therapeutic relationship. Also, practitioners assumed a lack of knowledge on the side of migrated patients of how treatment (e.g., psychotherapy) works and therefore expect migrated patients to have unrealistic expectations of treatment. Practitioners reported that they sometimes feel forced to act against their own values and to accept unacceptable behavior to solve situations, e.g., accepting family members as interpreters. Besides that, practitioners reported that migrated patients come to treatment with a lot of socially determined problems (e.g., unemployment), more than other, non-migrated patients. Another difference that practitioners found in patients with migration backgrounds is the patients’ basic expectation of being discriminated against by the practitioners and the whole mental health care system. The differences practitioners perceive convince them that treating patients with a migration background must be – somehow – different and that there is need for something special as the following quotation shows: “[…] it is clearly not enough to just face them [patients with migration background] normally, but one requires a certain sensitivity for their culture […]” (IP6, ll. 684-686). Noteworthy, if practitioners have a static cultural concept and consider the “cultural” background of a patient to be important in their treatment, they reported more insecurities since they feel more (emotionally) distant from the patient and attribute this to the different “cultural” background, which they could not overcome. Accordingly, they assume a definite (theoretical) knowledge to be a prerequisite for the treatment of a patient from that “culture”. This may, obviously, result in the conviction of not being well-prepared (i.e. lacking sufficient theoretical knowledge about a certain nation) and therefore not having enough competencies to treat migrated patients adequately.

Category 3: Context Factors of Cross-Cultural Insecurities

Four lower-level categories were identified that influence practitioners’ feelings of insecurity in a more contextual manner. That means that these categories impact feelings of overstrain in a more subtle and implicit way.

The medical Model of Psychotherapy

The data indicate that the interviewees base their work upon assumptions that derive from a medical model of psychotherapy (for example criticized by Wampold & Imel, 2015). That means that they focus on the psychological disorder of their patient and use psychological explanatory models for the disorder. Within these models, theoretical knowledge allows for assumptions of how changes of the disorder are possible. Furthermore, success of a certain treatment is considered to be based on the interventions of the professional. That may explain why the interviewed practitioners, especially if they work without a team, reported that they do not feel prepared for dealing with the mostly socially determined problems of their (migrated) patients. They do not feel confident about questions of referral (Which institutions are competent in dealing with certain social questions?) and do not think they have access to a professional network: “There are not enough institutions for these people [migrated patients], we have not enough knowledge, not enough network. It is so sad.” (IP17B, l. 473). There is high insecurity regarding laws and political decisions (e.g. concerning financing interpreters) among the interviewees and they reported a lack of time to keep their knowledge constantly up to date. One interviewee stated, migrated patients do not need „real psychotherapy, but rather contact and information.“ (IP17, l. 320).

The public and scientific Discourse on Migration

The interviewees reported that they follow the public and scientific debates on migration through the media, professional journals, and related events in the scientific community. The analysis of the data shows that the practitioners’ view of patients with migration backgrounds seems to be strongly influenced by the current public and scientific discourse on migration. The data indicate that they seem to have a clear picture of migrated individuals in Germany as not having been integrated successfully into German society. Some interviewees considered this lack of integration to be the main reason for mental distress: “That is the problem: that they are not fully integrated into society. Of course, they develop mental health problems. But these are all resultant problems deriving from, for the most part, integration problems.” (IP7, ll. 229-232). They assumed that migrated people face hard times finding work and housing and getting settled in Germany. Furthermore, therapists seem to be convinced that migrated persons have no or only few options to influence their life conditions. Instead they face daily anticlimax, barriers and disadvantages in their attempts to be integrated into German society: “I maintain that our society is profoundly racist. And that´s why every migrated patient is used to encounter racism everywhere. That´s a problem for our work. Some even ask this: ‘I would like to know if you are racist.’” (IP1, ll. 425-433). The interviewees believe that migrated people, especially their patients, have to deal with discrimination by individuals and by the system: “[…] and I still remember this – insults or something like this [by colleagues].” (IP5, ll. 1212-1213). They reasoned that this might lead migrated patients to develop extraordinary expectations as far as their psychotherapeutic treatment is concerned, and they do not dare to limit patients’ expectations as they are used to do with other clientele.

Mental Health Care Structures in Germany

Practitioners problematized the relationship between migrated patients and the mental health care system: they are convinced that migrated patients are not treated adequately, and they see many barriers for migrated patients to get into the mental health care system: low levels of education and insufficient knowledge of the German language, fears of stigmatization and reservations concerning the mental health system. Furthermore, practitioners seem to accept that the mental health care situation for migrated patients is worse than for non-migrated patients − they consider the mental health care structures to be responsible for the unsatisfactory conditions. But in their view, effecting the necessary reforms as individuals seems impossible: “[…] but I think they [migrated patients] benefit worse from the wards. It is normal that patients who have a migration background do not really benefit from the treatment as—and this is accepted […]” (IP4, ll. 1316-1328).

The Practitioner’s Construction of their professional Role

There is evidence in the data that practitioners often see themselves as representatives of society. Some statements of the interviewees indicate that they feel a huge responsibility not only for dealing with mental disorders but also as ‘midwife of integration’. They feel responsible not only to help migrated patients ease their symptoms but also to help them become integrated into German society. Some practitioners state that they feel responsible to repair the deficits that politics and society have caused. The data indicate an intrinsic demand on themselves to treat everyone equally (and to avoid any discrimination) regardless of diagnosis or culture. The data show practitioners very high sense of responsibility to be helpful in their work and to act as ‘bridge builders’ for migrated patients in particular: “One needs to reach the patients. That´s important. No? And to tear down barriers, to build bridges, and you achieve this by informing them that we exist.” (IP7, ll. 621-623). It seems that they feel trapped between the demands of their migrated patients and the expectations placed on them by society, politics and – not least – by themselves.

Category 4: Effect of cross-cultural Insecurities on Practitioners Emotions, Attitudes, and Behavior

Several consequences of practitioners’ insecurities on their emotional reaction, their attitudes, and resulting behavior emerged from the data and resulted into four lower level categories.

Effects on Practitioners emotional Reactions

The data indicate that the insecurities experienced by practitioners are associated with different emotional reactions. Practitioners reported that treating migrated patients is associated with an increase of work in different ways: possible language problems require extra effort, especially because they have no or very little experience in working with translators. Even more, they report many concerns about engaging them. Practitioners find that migrated patients do not have the same psychological explanatory models as they do so that they feel the need to “teach” the patients, which seems to be arduous and exhausting: “It was educational work.” (IP17B, l.189). Some practitioners reported that working with migrated patients increases their workload to such an extent that they reach their personal limits. Moreover, building a therapeutic relationship with migrated patients is associated with more time and even with more economic resources. As a result, practitioners reported that they do not feel satisfied with the quality of their work in the cross-cultural setting; instead, they often feel helpless and overwhelmed by a societal responsibility they are ill-equipped to deal with. Moreover, they reported feelings of shame since they feel insufficient due to a lack of “culture” specific knowledge. They seem to feel responsible not only for treating mental health problems, but for making the migrated patients “fit” for integration. One interviewee described himself as “a poor little psychotherapist” (IP7, l. 518) who seems to be in charge of the deficits politics and the society had caused. Some interviewees stated that these thoughts evoke frustration and aggression.

Effects on Practitioners Behavior towards treating migrated Patients

Practitioners reported that they behave differently because of this situation: some statements indicate that the practitioners lose interest in the cross-cultural topic, which might lead to a refusal to treat migrated patients at all: “Yes, I had more work with him [a migrated patient] in the beginning. I had to teach him the whole and needed to explain what it all is about and so on. Of course, it was a barrier.” (IP1, ll. 761-764). Others stated that they did not feel like treating migrated patients because they considered the therapy to be exhausting: “[…] because I can choose the patients I want to treat and because I do not feed like treating this clientele. It is just that you can only talk with them with a translator. And that is difficult. And even if they are differentiated, it still is very exhausting. Very exhausting.” (IP11B, ll. 83-89). Others stated that they would rather refer migrated patients to other institutions. Another result of our investigation is that practitioners become more and more uncertain about acting in an adequate way and feel increasingly irritated by their migrated patients’ needs.

Practitioners Attitudes to Patients Needs

Practitioners attitudes towards needed competencies for a (cross-cultural) treatment may result from practitioners perceptions of what patients need for a successful treatment. Even though practitioners generally believe that a migration background must play a role in treatment, two different opinions of what migrated patients need for an adequate treatment were discernible: some practitioners are convinced that there is no need for any specific competency to treat migrated patients, while other practitioners strongly believe in the need for specific competencies or tools.
If practitioners think that there is no need for any specific treatment, they believe in the universal needs of every individual instead and consider the same requirements for every patient: feeling understood, supported and taken seriously. In line with this, practitioners believing in the latter think that there is no need to gain any extra theoretical knowledge. In contrast, they emphasized the risks of manualized treatment: “[…] yet everyone is an individual every time, and then the danger is, when you approach it with such a manual, that you then look at him only as a butterfly, a mounted butterfly – such a specimen of his kind. That’s not a good basis for working together.“ (IP1, l. 843). In fact, it seems more appropriate to be open to the topics the (migrated) patients bring up and to ask questions if the patient’s meaning is not understood. Being authentic seems to be more important to them than any specific tool. Common attitudes were mentioned by these practitioners, e.g., appreciation, curiosity, sensitivity and tolerance. In this context, practitioners do not believe that these competencies can be distilled into specific tools or trainings for a particular clientele. Therefore, a seminar in cross-cultural competence appeared almost as a farce to them: “[…] I’m not going to learn that in a seminar in two and a half days, that’s ridiculous. And I then think that’s almost dishonest.” (IP7, l. 529).
Other practitioners believe that specific competencies are needed for adequate treatment and that these competencies can be taught and trained. Usually, they meant rather theoretical knowledge about a specific nation. This knowledge should be gained in seminars, trainings and manuals. Interviewees who ascribe to this view associate an increase of knowledge with an increase of security and orientation within the treatment process. Otherwise, none of the interviewees stated that they would need such specific knowledge or that they would like to attend a seminar in cross-cultural competence themselves. If trainings in cross-cultural competence were considered a helpful solution, the interviewees rather formulated it as a recommendation for younger professionals. Another critical point was that interviewees problematized the lack of voluntariness for advanced trainings in cross-cultural competence. It seemed only helpful for them if one could attend these trainings voluntarily.

Practitioners Attitudes to Requirements for improved Treatment

Whether or not practitioners feel the need for specific requirements depends on the importance they attribute to a patient’s migration background. Specific knowledge was seen as a potential solution for a perceived lack of competence, whereas structural changes came into focus when practitioners felt sufficiently competent.
If they wish to improve their competencies, practitioners consider a more intimate setting where they can discuss open questions and experiences with colleagues to be more helpful than a seminar or training. They wish to reflect on stereotypes and the process of stereotyping and hope to get thought-provoking impulses: “[…] and I would say the confrontation with one’s own prejudices are important. And I wished that to be a provocative process.” (IP1, l. 480). Practitioners also mentioned that they would need more courage to treat migrated patients: to ask the patient questions and to show personal insecurities or lack of knowledge concerning the patient’s experience and country of origin and, by doing so, get into a stable therapeutic relationship with their patients. They wish to be more up to date with the relevant laws and regulations and their implementation. Knowing the local professional networks is seen as a support. Some practitioners believe that they find certainty and orientation in a specific therapeutic concept for migrated patients. All in all, interviewees expressed that they wish to get more support and validation for their work. If practitioners consider lack of integration into German society as a main source of mental health problems for their migrated patients, they see a proper job and German language classes as more important for their patients than their improved competencies as practitioners. Structural, political, and societal changes are needed in their opinion.

Discussion

As described above, cross-cultural competence in psychosocial care has become a more important concern, also in Germany. Some of the interviewees have not received a formal cross-cultural training themselves but draw from their working experience. This study thus may offer the unique chance to document and describe how this competence is developing as psychotherapeutic quality. And, even more interesting, our empirical data from Germany seem to support the theoretical approaches (e.g., the concept of cultural humility), basically deriving from Anglo-American countries, which have not reached the German discourse yet.
First, the implications we derived from the data are presented. They concern practitioners’ insecurities and how to deal with them on the one hand and, on the other hand, the acquisition of cross-cultural competence and how it could be improved. Then strengths and limitations of our study are discussed.

Implication 1: Raising Psychotherapists Capacities to deal with personal Insecurities

Trainings in cross-cultural competence should raise the psychotherapist’s capacities to deal with personal insecurities. We consider this a (life) long learning process in experiential and reflexive learning formats (e.g., supervision, encounter groups).
Our research shows that practitioners face a lot of challenges in cross-cultural encounters and how this might lead to feelings of insecurity and distress. It seems particularly important that practitioners are sensitive to their own emotional reactions when working with patients with a migration background (e.g., feeling uncertain or frustrated) in order to be aware of possible consequences (e.g. refusal of patients, own depletion, higher tendency to stereotype) and in order to find ways to deal with these feelings. It seems necessary, that practitioners meet settings to reflect on their own stereotypes and the function of stereotyping by asking themselves questions such as: Why am I explaining a certain behavior of my patient by his/her cultural background? What is the consequence of this explanation? What is my expectation when treating this patient? The concept of cultural humility is fitting with our results and might provide ways for psychotherapists to work with personal insecurities and to engage in a connection with their clients instead (Davis et al., 2018; Mosher et al., 2017; Owen et al., 2015). Furthermore, our results indicate that practitioners seek to become more encouraged to work with migrated patients. What could be an adequate format to acquire this? Our data question conventional trainings where merely (theoretical) knowledge is taught and learned as a suitable format. This format might give practitioners the impression that specific (theory-based) knowledge and specific tools are needed to treat patients with a migration background and that without them one is not only ill-equipped but also not entitled to do so. It is doubtful to which extent personal feelings of overstraining or insecurities can be contained. Instead, it seems necessary to support a deeper exchange with other practitioners facing the same challenges, e.g., in supervision or supportive professional peer group settings. This idea is supported by studies that show that practitioners rate supervision to be highly beneficial to their professional development (Ronnestad & Orlinsky, 2005). When implementing trainings in cross-cultural competence, the excessive demands of the profession and the limited time resources of practitioners need to be taken into consideration. Otherwise, the training would risk producing the direct opposite of what it intends to achieve (increased feelings of overstraining and therefore a higher chance of refusing to work with this clientele). Our article wishes to encourage practitioners to start talking about the feelings they experience in cross-cultural encounters and ensure support through supervision or supportive professional peer groups.

Implication 2: Fostering a Dynamic and Contextual Model of Psychotherapy

Trainings in cross-cultural competence should foster a dynamic and contextual model of psychotherapy including culture as one aspect among (many) others. A dynamic concept of culture is the absolute prerequisite to overcome one-sided culturalization and stereotyping.
The reflection on one’s own cultural concepts seems to be important, because, as our results show, a static concept of culture may increase the risk of stereotyping and in turn inhibits individualized treatment. If theoretical based seminars are offered, it seems important that “culture” specific knowledge is eluded to avoid one-sided culturalization and stereotyping by imparting a dynamic concept of culture. Practitioners might conclude that stereotyping reduces insecurities because it simplifies reality. But, as our results show, the resulting explanatory models might be oversimplified and rather hinder than help when trying to understand an individual’s behavior, which might in turn increase insecurities.
Furthermore, a different conceptual understanding of psychotherapy, which focuses more on contextualism and holism, might also reduce stereotypes and might help dealing with insecurities because a practitioner’s particular understanding of reality is emphasized (for the contextual model of psychotherapy, see Wampold & Imel, 2015). Our data indicate that a one-sided imparting of rather theoretical culture-specific knowledge might foster the illusion that only theoretical knowledge qualifies for treating migrated patients and could discourage practitioners even further from offering cross-cultural treatment. Instead, practitioners need to reflect on their attitudes concerning their professional role: How does theoretical knowledge impact the way I work with my patients? How do I deal with not knowing? A broader understanding of professional competencies of psychotherapists is needed. The discussions concerning the competency movement (Rubin et al., 2007) or “deliberate practice” (Ronnestad & Skovholt, 2001) may provide helpful suggestions. They emphasize that the development of psychotherapeutic competencies is a long-term and complex learning process. This should be kept in mind when discussing the development of cross-cultural competence.

Implication 3: Building supportive Structures for Psychotherapists

Trainings in cross-cultural competence should focus on building supportive structures for psychotherapists. Trainings in cross-cultural competence should impart migration-related laws and networking opportunities in the cross-cultural context as our results implicate. The discussion about improvements in mental health care for migrated patients should not focus on the individual practitioner and her/his competencies alone. Psychotherapists may regain a feeling of self-efficacy by addressing the structural problems in political actions. In this way they redirect the responsibilities to the causes. In their sessions it may be helpful to mutually address these issues with their patients. This could also decrease the high level of responsibility practitioners feel and would probably make working with this clientele more attractive. Improving the mental health care situation for patients with a migration background by increasing cross-cultural competences of practitioners can only be constructive if the needs of practitioners are taken into consideration.

Strengths and Limitations of the Study

One strength of our study is that it examined a unique population (practicing psychotherapists) concerning their experiences in the cross-cultural setting. As far as we know, there is no comparable examination, studying this topic with this certain qualitative approach. Another strength is the comparatively high number of participants (compared with usual numbers of participants in qualitative research designs). Furthermore, our methodical approach (theoretical sampling, which is considered to be a technique of generalizability/ external validity) meets the requirements of Williams’ postulate of “moderate generalization” of our results (Williams, 2002, p.131). Still, our study is exploratory and therefore results need to be carefully interpreted. One of our most salient limitations of the current research is that our sample only comprised psychotherapists working (and being qualified) in Germany. This further limits the representative status of our results. Still, the question of how to deal with feelings of insecurities in the psychotherapeutic encounter seems relevant, independent from the country of origin or the causes of feelings of insecurity. Also, the question of how to deal with stereotypes and prejudices seem an actual and timeless challenge. We hope to be able to stimulate the international discourse on content and format of competence acquisition (what should be trained, and how?) with our empirical material and our resulting implications.

Footnote:

1. In this paper, the construct of being or acting cross-cultural (equally used with the construct of transcultural/ transculturality) is understood in line with Welsch (1999) and is defined to include race, ethnicity, class, gender/sex, religion, sexual orientation, and ability/ disability status. To give one example of a definition of cultural competence: „Multicultural counseling competence is defined as the counselor‘s acquisition of awareness, knowledge, and skills needed to function effectively in a pluralistic democratic society (ability to communicate, interact, negotiate, and intervene on behalf of clients from diverse backgrounds), and on an organizational/ societal level, advocating effectively to develop new theories, practices, policies and organizational structures that are more responsive to all groups.“ (Sue, 2001, p. 802).
2. In Germany ‘migration background’ is a common term in science and in society in general. It refers to all foreigners and naturalized individuals, to those Germans that immigrated to today’s German territory after 1949 as well as to all individuals born in Germany as Germans with at least one migrated parent or a parent born as a foreigner in Germany (Statistisches Bundesamt, 2017, p. 4).
3. With „underlying cultural concept“ we mean the subjective perceptions and assumptions the interviewees have concerning the concept of culture, which is expressed through their statements in the interviews. While a static/ traditional cultural concept is characterized by social homogenization, ethnic consolidation and intercultural demarcation, a dynamic cultural concept tries to pass through classical cultural boundaries and is therefore characterized by hybridization: for every culture, all other cultures have come to be inner-content or satellites (for detailed information concerning the definitions see Welsch, 1999).

Dr. Theresa Steinhäuser

MAPP-Institut
Klausener Str. 12
D-39112 Magdeburg

theresa.steinhaeuser@mapp-institut.de

Univ. Prof. a.D. Dr. Anna Auckenthaler

Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie
Arbeitsbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie
Freie Universität Berlin
Habelschwerdter Allee 45
D-14195 Berlin

a.auckenthaler@fu-berlin.de

M.Sc., B.A. Steffen Schödwell

AG Transkulturelle Psychiatrie/ZIPP Klinik für Psychiatrie &
Psychotherapie, Charité Universitätsmedizin
Charitéplatz 1
D-10117 Berlin

schoedwell@charite.de

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Das Eigene und das Fremde. Philosophische und klinische Aspekte

Das Eigene und das Fremde sind nicht eigentlich philosophische Grundbegriffe, sondern eher Topoi, da immer relational aufeinander bezogen und dies immer in Bezug auf die Perspektive, in welcher wir etwas als fremd oder eigen erfahren. Fremdes geht uns an, irritiert, verunsichert, lässt uns nicht in Ruhe, entzieht sich als Fremdes aber zugleich einer Bestimmung bzw. kann nicht bestimmt werden, da es dann seine Fremdheit verlieren würde. Es hat den Charakter eines Widerfahrnisses, ist paradox bestimmt durch Präsenz im Entzug, lässt sich nicht vollständig einordnen, ist damit «ausserordentlich» und singulär. Es ist unvergleichlich und dennoch in Bezug zum Eigenen. Der Beitrag versucht eine philosophische Annäherung an die Besonderheit des Fremden – auch in uns selbst –, um die theoretischen Überlegungen für das Verständnis eines konkreten klinischen Falls aus einer psychiatrisch-transkulturellen Sprechstunde zu verdeutlichen. Bei diesem geht es um die Frage des Nicht-Verstehens angesichts einer sowohl für die Therapeutin wie auch für die Patientin befremdlichen Verhaltensweise der Patientin. Dies führt zur Frage, ob und wie denn dieses Nicht-Verstehen seinerseits noch verstehbar sein könnte.

Das Phänomen des Fremden

Das Fremde begegnet uns alltäglich, ist etwas Altvertrautes. Wir kennen es in seiner alltäglichen Form, etwa wenn wir uns mit uns fremden Strassenpassant:innen in einer alltäglichen Art unterhalten. Wir kennen es aber auch in gesteigerter Form etwa im Kontext der seit Jahren breit diskutierten Migrationsthematik im Blick auf uns mehr oder weniger fremd erscheinende Menschen, die als Geflüchtete bei uns ankommen; wir erfahren strukturelle Fremdheit in der Vielfalt fremder Sprachen, in uns fremd anmutenden Verhaltensweisen und Sitten, aber auch im Gastrecht, das uns vielleicht auf Reisen als Fremde zuteilwird. Wir erkennen es, wenn wir etwa für Menschen, die Diskriminierungen ausgesetzt sind und sich also als Randgruppe einer Gesellschaft erleben (z.B. LGBTQIA+-Personen), das Wort ergreifen und nachdrücklich auf verborgene, strukturell aber überaus wirksame Machtverhältnisse hinweisen und beispielsweise sprachliche Selbstverständlichkeiten wie Trennung der Geschlechter in männlich und weiblich in Frage stellen.
Es sind Erfahrungen, die ausserhalb einer bestimmten Ordnung gemacht werden. Fremdheit ist dabei keine Eigenschaft, die einem Menschen wie ein Stigma anhaftet, sondern ist eben eine instabile Relation, die in beiden Richtungen oszilliert, d. h. wir können geflüchteten Personen in «unserem» Land ebenso fremd sein wie sie es uns sein können. Fremdheit ist ein Phänomen, das wir auch bereits als Kleinkinder erfahren und beobachten können, etwa im sogenannten «Fremdeln» bei Kindern im Alter von ca. 18 Monaten, wenn sie auf unvertraute Gesichter reagieren [s. die Still-Face-Experimente: https://www.youtube.com/watch?v=IeHcsFqK7So (06.05.23)]. Wir kennen es aber auch an und in uns selbst, etwa bei Phänomenen wie der Depersonalisation oder bei Wahrnehmungstäuschungen [s. Rubber Hand Illusion, https://www.youtube.com/watch?v=IKyctCYtsh8 (06.05.23)].
Solche Phänomene sind ausserhalb einer bestimmten, uns vertrauten Ordnung anzutreffen. Allerdings handelt es sich dabei noch nicht um Fremdheit in ihrer radikalen Form, auf die wir unten zu sprechen kommen.

Der Anfang des Philosophierens

Die Philosophie, so Sokrates in Platons Dialog Theaitetos [Platon 1990, Bd. 6, Theaitetos 155d], beginne mit dem Staunen. Epikur hat die im Staunen positiv konnotierte Verwunderung als Reaktion auf etwas Unerwartetes emotional in Richtung der Beunruhigung gebracht, wenn er die Angst als Ursprung der Philosophie festlegt, die es durch die philosophische Lebenshaltung (die Seelenruhe, griech. ataraxia) zu bewältigen gilt (vgl. Epikur 2004).
Im Staunen und ebenso in der Angst, so könnten wir sagen, trifft uns ein Fremdes, ein Unbekanntes, Irritierendes, Unvorhersehbares und möglicherweise auch Unberechenbares. Der Anfang der Philosophie ist nach dieser Auffassung kein Zugriff auf Unbekanntes, entsteht nicht aus Eigeninitiative, sondern ist vielmehr ein Angegangenwerden von Unvertrautem, Ungewohntem, Unordentlichem, Anomalem, Unalltäglichem, Neuartigem – von Fremdem. Der Staunende ist dabei – so beschreibt ihn Sokrates – ein Ortloser, von griech. atopos, der in keine bestehende Ordnung passt. Selbstverständlich trifft dies nicht allein auf die:den Philosoph:in zu, sondern auf uns alle, die wir in verschiedenen Berufswelten, in Wissenschaft, Kunst, Politik oder Religion tätig sind. Eher umgekehrt könnte man sagen, dass jene, die durch Fremdes angegangen, irritiert und ins Staunen gebracht (oder eben auch in Angst versetzt) werden, die Möglichkeit haben, dies als Anfang ihres eigenen Philosophierens zu nutzen.
Das Denken, unsere Vernunft, zunächst aber unsere Wahrnehmung, ja, unser Leib und die körperlichen Empfindungen werden also in Beschlag genommen – so wie eine Brille beschlagen wird. Schelling, der in seiner positiven Philosophie, weit vor Nietzsche, Husserl, Heidegger und den französischen Philosophen des 20. Jahrhunderts diesen Umstand des „Angegangenwerdens“ als zentralen Ausgangspunkt bedacht hat, spricht in Abhebung von Hegel davon, dass sich die Vernunft angesichts des „unvordenklichen Seyn[s]“ [AD XIV, 344] in einer Beugung – um nicht zu sagen Verbeugung [PO XIII, 161] befinde. Die Beugung oder Flexion ist keine Re-flexion, d.h. kein selbstgesetzter Anfang, der reflexiv in der Begründungstätigkeit der Vernunft eingeholt werden könnte und sich damit ein System dialektisch abschliessen würde. Vielmehr ist es ein ekstatischer Anfang, wo die Vernunft etwas ankommt, ein Anspruch entsteht: Schelling spricht von der Überwältigung der Vernunft durch dieses unvordenkliche Sein; sie sei „wie regungslos, wie erstarrt, quasi attonita“ [PO XIII, 162]. Dieser Anfang ist nach Schelling „die umgekehrte Idee“ [ebda.] – „Idee“, weil sie nachträglich als onto-logischer Anfang gedacht wird, „umgekehrt“, weil die Nachträglichkeit der Logik eines Ontischen festgehalten werden soll [vgl. Sollberger 1994, 352ff.].
Es taucht etwas auf, es sucht uns etwas heim, fällt uns an oder auch ein. So dass sich das Diktum aus Ludwig Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ [Wittgenstein 1963, 1] durchaus auch so verstehen liesse, dass sie das ist, was fällt, einfällt oder einschlägt. Positivität kommt an und wird unter den Bedingungen ihres Einschlagens fassbar – nicht so, wie ein Blitz einschlägt, sondern vielmehr in dem Sinn, wie ein Saum an einem Kleid eingeschlagen oder aber ein sogenannter „Einschlag“ in die Kettfäden eines Gewebes eingeschlagen ist. Der Saum gibt dem Stoff den Abschluss, welcher ohne ihn blosse Textur blieb. Einschlag oder Einfaltung, Pliierung oder eben Implikation bedeutet dann, dass ein nicht verfügbares Fremdes sich in einen – zumindest teilweise – verstehbaren Kontext einschlägt und dann als Teil dem Ganzen implizit ist, wenn auch nicht darin aufgeht.

Der Topos des Fremden

Die Vernunft, basierend auf Wahrnehmungen unseres Leibes, zeigt trotz aller gerichteten und intentionalen Orientierung als sozusagen seismographisches Organ auch eine basale Fähigkeit zur Irritation. Im Staunen ist sie empfänglich für Andersartigkeit und Fremdheit und zeigt eine systematische Offenheit gegenüber einem suchenden, nie abgeschlossenen, sondern je neu ansetzenden, geschichtlichen Umgang mit fremdem, rätselhaftem und möglicherweise nie gänzlich begreifbarem Sein [Sollberger 1994, 389]. Diese Haltung, so könnte man sagen, rechnet mit dem Fremden, d.h. damit, dass das Worüber des Staunens weiterreicht, als das wonach in der Folge gefragt und gesucht wird.
Das Eigene und das Fremde: Was mit den einleitenden Bezugnahmen deutlich wurde, ist, dass der Fremdheitserfahrung als einem Widerfahrnis der Charakter des Pathischen (griech. pathein, fühlen, erleiden) zugrunde liegt, was meint, dass Fremdes mich ankommt, mich irritiert und beunruhigt, indem es mich angeht, mich heimsucht, noch bevor ich selbst mich einlasse, aktiv auf es zuzugehen oder mich dagegen zu wehren versuche.
Das Eigene und das Fremde sind keine Grundbegriffe der klassischen Philosophie, sondern relational aufeinander bezogen. Es gibt kein Fremdes an sich, so wie es auch kein Links an sich gibt. Der:dem Vertriebenen ist die neue Heimat fremd und noch nicht angeeignet, der:dem Heimkehrer:in die alte, in der sie:er sich nicht mehr auskennt. Solange ein unerschütterlicher Logos die Ordnung der Dinge und den Menschen in seinem Denken und Tun bestimmt, ist kein Platz für radikal Fremdes.1 Das Fremde kehrt in der Philosophiegeschichte erst mit der Dezentrierung des Subjekts und der Infragestellung der Vernunft ein. Allerdings bleibt es auch in der Aufklärungsphilosophie lange noch in der defizitären Rolle eines Durchgangsstadiums auf dem Weg zum vernünftigen Ganzen, wo eigen und fremd aufgehoben sind – so etwa in der Rede von der „Entfremdung“ bei Hegel und Marx. Es ist in seiner Fremdheit jeweils nur als noch fremd bestimmt, also im Durchgang zum Bekannten, Verstandenen und Eingeordneten, womit es in seiner Irritation und Beunruhigung neutralisiert ist.
Das Fremde als solches ist aber nicht etwas, das wir noch nicht verstanden hätten, was noch nicht oder nicht mehr bekannt wäre, nicht also ein Defizit oder Mangel, sondern – und darauf hat Bernhard Waldenfels immer wieder hingewiesen: das Fremde ist von der Art einer „leibhaftigen Abwesenheit“ [Waldenfels 1997, 70], oder, wie Edmund Husserl es bestimmt, von „einer bewährbaren Zugänglichkeit des originär Unzugänglichen“ [Husserl 1950, 144].
Im Anschluss an die aporetische sokratische Frage im Dialog Menon, wie es denn sein könne, dass ein Mensch etwas suchen kann, da er doch, wenn er etwas sucht, weiss, was er sucht und es dann nicht mehr suchen müsste, oder es aber nicht weiss, so dass er auch nicht weiss, was er suchen soll bzw. nicht weiss, ob er gefunden hat, wonach er sucht [Platon 1990, Bd. 2, Menon 80e, 2-5] – im Anschluss an diese Frage haben die Hermeneutiker des späten 19. und des 20. Jahrhunderts einen Zwischenbereich zwischen fremd und eigen festgelegt, in welchem Verstehen und Auslegung möglich werden: „Die Auslegung wäre unmöglich, wenn die Lebensäusserungen gänzlich fremd wären. Sie wäre unnötig, wenn ihnen nichts fremd wäre.“ [Dilthey 1979, 225].

Das Fremde als Entzug

Wenn das Eigene und das Fremde also nicht klassische Begriffe sind, mit welchem Phänomene begriffen, d.h. definiert, strukturiert und damit in eine Ordnung oder einen Kontext gebracht werden, wie sind sie zu bestimmen? Fremdes ist nichts Allgemeines, sondern immer in Bezug auf die Perspektive, in welcher es erfahren wird, fremd (Erfahrung hier im aristotelischen Sinn der «empeiria» als das, was durchgemacht und durchlitten und dadurch gelernt wird). Es ist relational bezogen auf Kontrastbereiche, bezogen auf den Standpunkt, von welchem aus jemand spricht. Waldenfels hat fremd und eigen deshalb als zwei Topoi bezeichnet [Waldenfels 2013, 23]. Im Gegensatz zum Gegensatzpaar von Selbigem und Anderem differenziert sich Eigenes und Fremdes nicht durch vergleichende Abgrenzung, die eine spezifische Differenz in Bezug auf ein Drittes festhält, also etwa eine Differenz zwischen Schwarz und Weiss in Bezug auf Farbe. Das radikal Fremde unterscheidet sich vom Eigenen nicht durch einen solchen Bezug auf ein Allgemeines, also darin, dass es einer bestimmten Interpretation sich entzöge. Vielmehr stellt es seine Interpretierbarkeit als solche in Frage, wie wir es von Grenzphänomenen des Schlafes, des Todes, des Eros oder des Rausches her kennen. Diese Phänomene entziehen sich unserer Interpretation, so dass wir uns nicht wirklich auf sie beziehen können. Dennoch aber sind sie deswegen nicht ohne Bezug zu uns. Sie lassen sich nicht einem Allgemeinen des Begriffs, einer Regel, Ordnung, einem Gesetz, einer Sprache, Sinn oder Kultur subsumieren – und damit bändigen –, sondern stehen in Verbindung mit uns als fremder Anteil im Eigenen, als eine „région sauvage“ [Waldenfels 1997, 73], als Entzug oder Überschreiten des eigenen Sinnhorizontes. Eine fremde Sprache etwa muss zumindest als Sprache, wenn auch fremde, wahrnehmbar sein, soll sie nicht einfach ein Geräusch bleiben, sondern, auch wenn sie sich noch so sehr als reine Lautmalerei anhört, doch den Index der Sprache an sich tragen und damit an uns den Anspruch auf mögliche Verständigung stellen. Das radikal Fremde entzieht sich, zeigt sich also im Entzug. Es entzieht sich jeglicher Ordnung und ist damit ausserordentlich. Das in diesem Sinn Fremde ist nicht einfach ein Anderswo, zu welchem wir keinen Zugang hätten, sondern wenn schon ist es das Anderswo [Waldenfels 2013, 26], welches sich abschattet, indem es sich zeigt, wie der Schlaf vom Wachen, der Tod vom Leben, das Kranksein vom Gesundsein sich abschattet. Die genuine Erfahrung des Fremden, darauf verweist der französische Philosoph Emanuel Levinas [2002] immer wieder, ist die, dass nicht ich mich auf es beziehe, ich also nicht in diesem Sinn mit ihm in Verbindung stehe, sondern darin, dass es ankommt, mich ankommt.

Das Fremde im Eigenen

Das Fremde, welches uns ankommt und sich nicht bereits vorweg auf den Begriff bringen, einer Ordnung sich einfügen oder in einen Bedeutungskontext einbeziehen lässt, beginnt nicht erst mit dem fremden Anderen. Wir tragen es in uns. Schelling wieder hat dies als „Freud avant la lettre“ oder auch das Diktum Rimbauds „JE est un autre“ [Brief an Paul Demeny, 15. Mai 1871, zweiter Seherbrief] vorwegnehmend, folgendermassen ausgedrückt: „Es denkt in mir, es wird in mir gedacht, ist ein Faktum, gleich wie ich auch mit gleicher Berechtigung sage: Ich träumte, und: Es träumte mir.“ [Schelling GNP X, 12] Die Übernahme des Denkens als Eigenaktivität erfolgt ex post, in einer Nachträglichkeit, mit welcher das Geschehen des Denkens, der Einfall der Gedanken, die kommen, wenn sie wollen und nicht wenn ich will, in eine Logik und Sprachstruktur eingebunden werden, wo sie verstehbar und damit in ihrer Fremdheit in den Nachwirkungen fassbar werden.
Freud hat in seiner Schrift über «das Unheimliche» [Freud 1919] mit Bezug auf Schelling die Fremdheit in uns selbst als den abschattenden unbewussten Verdrängungsanteil des Heimischen und Altvertrauten hingewiesen: „… heimlich ist ein Wort, das seine Bedeutung nach einer Ambivalenz hin entwickelt, bis es endlich mit seinem Gegensatz unheimlich zusammenfällt. Unheimlich ist irgendwie eine Art von heimlich.“ Das Unheimliche ist nicht wirklich neu oder fremd, sondern etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozess der Verdrängung entfremdet worden ist [Freud 1919, 254]: Die Vorsilbe „un“ am Wort „unheimlich“ sei „die Marke der Verdrängung“ (ebda.). Dieser fremde Anteil in uns selbst wurde schliesslich über Julia Kristeva während der Flüchtlingsdebatten 2016 auch von Slawoj Žižek in den Vordergrund gestellt, wenn er in der „Zeit“ schrieb, dass wir uns nicht in den Fremden wiedererkennen zu suchen sollten, um letztlich zu denken, sie seien so wie wir, sondern umgekehrt wir eher gehalten sind, eine:n Fremde:n in uns selbst zu erkennen (Žižek 2016).
Dass diese Analyse des Fremden an eine Grenze stösst, wenn man die gesellschaftliche Grossgruppendynamik betrachtet, die ihre Ursachen nicht einfach in der Anerkennung des eigenen Fremdheitsanteils im Unbewussten der Individuen hat, darauf hat Werner Bohleber in seinem Editorial der Zeitschrift „Psyche“ zum Thema „Heimat, Fremdheit, Migration“ hingewiesen [Bohleber 2016, 768].

Fassen wir zusammen:

Das Fremde, es ist relational, von pathischem Charakter eines Widerfahrnisses, paradox bestimmt durch Präsenz im Entzug, ausserordentlich, d.h. sich jeglicher Ordnung entziehend und damit singulär, ein Topos, der als das Anderswo selbst bestimmt und insofern in der Erfahrung ein Nicht-Ort, ein Atopos ist. Das Fremde ist unvergleichlich und steht dennoch in Bezug zum Eigenen.
Levinas hat sich die Frage, wie gedacht werden kann, dass etwas, das nicht einfach vergleichbar ist, nicht begriffen werden kann, sondern ein Singuläres ist, mich dennoch aber zu irritieren und zu beunruhigen vermag, folgendermassen gestellt: „Wie kann ein Ereignis, das nicht ergriffen werden kann, mir überhaupt noch widerfahren?“ [Levinas 2003, 49]. In der Zukunft, im Tod und im Eros hat Levinas solche Verhältnisse zu einem Fremden als einem Unverfügbaren, nicht in meinen Möglichkeiten Stehenden, sondern mich irgendwie Ankommenden gesehen. „Die Zukunft des Todes, seine Fremdheit, lässt dem Subjekt keinerlei Initiative. … Den Tod besiegen, heisst, mit der Andersheit des Ereignisses ein Verhältnis unterhalten, das doch noch persönlich sein soll.“ [a.a.O., 53] In der Liebe erkennt Levinas ein solches Verhältnis zum Anderen, welches sich nicht einer Möglichkeit und Initiative, die mir offensteht, verdankt: „sie ist ohne Grund, sie überfällt uns und verwundet uns und dennoch überlebt in ihr das Ich“ [a.a.O., 59]. Die Liebkosung ist denn auch „ein Spiel mit etwas, das sich entzieht, … mit etwas anderem, etwas immer anderem, immer Unzugänglichem, immer Zu-Kommendem“ [a.a.O., 60].
Das Fremde ist also etwas, das sich uns zeigt, indem es sich entzieht, d.h. nicht im Raum unserer Möglichkeiten und Initiativen liegt, sondern allenfalls auf uns zukommt, uns ankommt, heimsucht und anspricht – ein Anspruch, auf welchen wir zunächst Antworten. Über Fremdheit als solche lässt sich nur sprechen, wenn man vom Fremden her spricht, nicht über das Fremde. Es ist das, welches uns anspricht und worauf wir nur antworten können.
Die Antworten auf das Fremde sind wahrlich vielfältig. Häufig bestehen sie nicht nur darin, es abzulehnen und auszugrenzen, sondern gerade umgekehrt es sich anzueignen (s. den Begriff der Akkulturation), d.h. seinen Fremdheitscharakter zu nehmen in der Rückführung auf Eigenes, Eingliederung in ein Allgemeines, eine Ordnung, eine Kultur, in ein Wissenschafts- oder Rechtssystem – oder eben auch in ein psychiatrisch-diagnostisches System.

Der Anspruch des Fremden

„Kultur ist das, was in der Auseinandersetzung mit dem Fremden entsteht“, so schreibt der Ethnopsychoanalytiker Mario Erdheim und fährt fort: „sie stellt das Produkt der Veränderung des Eigenen durch die Aufnahme des Fremden dar.“ [Erdheim 1996, 181]. Man sollte diese Definition vorsichtig verwenden, denn die Kultur hat in der Tat die Tendenz, sich das Fremde anzueignen. Zwar verändert sich das Eigene in dieser Aneignung, allerdings verliert dann möglicherweise auch das Fremde selbst seinen Anspruch, ausser-ordentlich, unvergleichlich, im Entzug zu sein. In diesem Sinn kann man von einem Anspruch sprechen, wonach das Fremde uns anspricht und wir darauf Bezug nehmen: wir sind angerührt, irritiert, erschüttert (auch verängstigt) und reagieren neugierig oder verunsichert. Zugleich aber erhebt das Fremde einen Anspruch, nämlich es in seiner Eigenheit zu belassen, die, wie oben ausgeführt, gerade darin besteht, dass es sich nicht einfach einer bestimmten Interpretation, begrifflichen Fixierung und Einordnung widersetzt, sondern seine Interpretierbarkeit als solche in Frage stellt. So bleibt das Fremde einer vollkommenen Aneignung letztlich entzogen, tritt dennoch aber mit einem unausweichlichen Appell auf, auf den auch eine Nicht-Antwort eine Antwort ist. So bleibt die Asymmetrie, dass eine Antwort auf das Fremde nicht einfach im Vergleich von Eigenem und Fremden etwa durch Perspektivenübernahme erfolgen kann, sondern das Fremde in seinem Kern singulär und unvergleichlich bleibt.

Fallbeispiel

Im Folgenden wird das Beispiel einer jungen Frau, die aus einem westafrikanischen Land stammt, geschildert, an welchem deutlich wird, dass alle Verstehensversuche einer Verhaltensweise, die einen ausgeprägten Fremdheitscharakter für die Therapeutin – und letztlich auch für die Patientin selbst – hat, trotz der vielfältigen und unterschiedlichsten Perspektivenwechsel nicht zu einem Verständnis führen, welches einen Ansatz für Veränderung böte. Vielmehr ist es schliesslich ein Überhang des Nicht-Verstehbaren, dessen gegenseitiges Eingestehen zu Aufbruch und Entwicklung führt.
Frau G., 22-jährig, in einem westafrikanischen Land aufgewachsen und im Alter von 15 Jahren alleine über den Land- und Seeweg nach Zentraleuropa geflüchtet, um einer gewaltgeprägten Zwangsehe zu entkommen, sucht eine psychiatrische transkulturelle Sprechstunde auf.
Die Patientin möchte weitere ungewollte Schwangerschaften verhindern, nachdem sie innerhalb von zwei Jahren fünf Mal ungewollt schwanger geworden war. Die Schwangerschaften und medizinischen Schwangerschaftsabbrüche seien körperlich sehr belastend gewesen, nach dem letzten Schwangerschaftsabbruch habe sich eine depressive Symptomatik entwickelt.
Die Schwangerschaften seien im Rahmen gelegentlichen einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs mit dem Ex-Partner und Vater einer gemeinsamen dreijährigen Tochter entstanden. Der Ex-Partner gehöre derselben ethnischen Gruppierung an und spreche dieselbe Muttersprache.
Frau G. habe sich bereits vor der Geburt der gemeinsamen Tochter von diesem Mann getrennt und wünsche schon seit Längerem, den Kontakt definitiv abzubrechen. Sie trage das alleinige Sorgerecht für die gemeinsame Tochter, mit welcher der Ex-Partner keinerlei Kontakt pflege. Der Ex-Partner habe ihr durch die ungewollten Schwangerschaften viel Leid zugefügt, bspw. indem er in ihrer gemeinsamen Community indiskret mit ihren Schwangerschaftsabbrüchen umgegangen sei, was ihr Morddrohungen eingebracht habe. Zu sexualisierter Gewalt in der Beziehung sei es nicht gekommen. Immer wieder habe sie sich zu einem Treffen mit ihrem Ex-Partner bereit erklärt, nach jedem (ungeschützten) Geschlechtsverkehr sei sie schwanger geworden.
Zu ihrer Biographie berichtet die Patientin, dass sie als älteres von zwei Kindern mit einer sehr liebevollen Mutter aufgewachsen sei, die noch während ihrer Kindheit an den Folgen einer körperlichen Erkrankung verstorben sei. Der Vater und seine zweite Ehefrau bzw. Stiefmutter der Patientin hätten Frau G. sehr schlecht behandelt und als Arbeitskraft missbraucht. Wiederkehrend sei es zu körperlicher Gewaltanwendung durch Vater und Stiefmutter gekommen. Sie sei, so wie dies in ihrem Herkunftskontext üblich sei, beschnitten worden, später habe man sie auch einer Zwangsehe zuführen wollen. Der designierte künftige Ehemann habe sie vergewaltigt, sie habe Bisswunden am Rücken davongetragen, die bis zum heutigen Tag sichtbar seien.
Vor diesem Hintergrund sei sie letztlich mithilfe von Schlepper:innen nach Europa geflüchtet, habe nebst den schweren Strapazen auf der Fluchtroute wiederholt direkt und indirekt sexualisierte Gewalt an anderen Frauen bezeugt, ohne jedoch selbst zum Opfer zu werden.
Frau G. sei in einem religiös praktizierenden Haushalt aufgewachsen, ihr eigenes Verhältnis zur Religion sei inzwischen entfremdet.
Im Rahmen ihrer ersten und bislang einzigen ausgetragenen Schwangerschaft, habe sie im geburtshilflichen Kontext des Aufnahmelandes erstmals realisiert, dass die weibliche Beschneidung (female genital mutilation, im Weiteren mit FGM abgekürzt) «nicht überall normal» sei. Sie habe aufgrund der FGM in einer spezialisierten Geburtshilfestation gebären müssen, die Geburt ihrer Tochter beschreibt die Patientin als «zu schmerzhaft». Auch Geschlechtsverkehr sei nur unter grossen Schmerzen möglich.
Einmal sei sie von ärztlicher Seite gefragt worden, ob sie für ihre Tochter auch eine Beschneidung vorsehe. Sie habe dies vehement verneint. Im Gegenteil sei sie sehr erleichtert, dass ihrer Tochter durch das Leben im Exil dieses Leid erspart bleibe.

Therapieverlauf

Frau G. ist im Kontakt zurückhaltend, strahlt dabei Ernsthaftigkeit und Stärke einerseits, Feinfühligkeit andererseits aus, was in einer bemerkenswerten physischen Präsenz zusammenkommt. In Beziehung zur Therapeutin wird eine gesunde Abgrenzungsfähigkeit deutlich, gleichzeitig, wenn auch auf diskrete Art und Weise, eine emotionale Bezogenheit. Die Therapiegespräche werden in einer Sprache geführt, die für Patientin und Therapeutin eine Fremdsprache darstellt. In der Therapeutin löst die Patientin Gefühle der Zuneigung und des Respekts aus, vielleicht auch fürsorgliche Gefühle, wenn auch es der Therapeutin aufgrund der guten Abgrenzungsfähigkeit der Patientin und der fehlenden Viktimisierungstendenz erstaunlich einfach fällt, nicht in eine überfürsorgliche Überidentifikation zu verfallen.
Der Wunsch, den Kontaktabbruch zum Kindsvater aufrechtzuerhalten und ein Verständnis für die Wiederholung der ungewollten Schwangerschaften zu entwickeln, steht für Frau G. im Vordergrund. Frau G. ist über kontrazeptive Methoden sehr gut informiert und wird dahingehend gynäkologisch betreut. Die depressive Symptomatik remittiert in grossen Teilen. Der Kontaktabbruch zum Ex-Partner gelingt durch Wechsel der Handynummer und Kontaktblockierung in den sozialen Medien erstaunlich einfach und kann durch die Patientin konsequent aufrechterhalten werden.
Drei Monate nach Therapiebeginn berichtet die Patientin jedoch von körperlichen Beschwerden ähnlich denjenigen, die sie im Rahmen der Schwangerschaften erlebt habe. Beim ersten Treffen mit einem Mann, den sie einige Wochen zuvor über die sozialen Medien kennengelernt habe, und der, wie die Patientin betont, ihrer Herkunftscommunity angehöre und dieselbe Muttersprache spreche, sei es zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr gekommen. Nun fürchte sie eine erneute Schwangerschaft.
Die Schwangerschaft kann kurz danach ausgeschlossen werden, sodass der therapeutische Fokus im Weiteren expliziter darauf gelegt wird, den Konflikt zwischen dem Wunsch, weitere Schwangerschaften zu verhindern, und der unverstandenen Wiederholung ungeschützten Geschlechtsverkehrs, gemeinsam herauszuarbeiten.
Es wird deutlich, dass die Patientin aus einer Position heraus spricht, in welcher Vorstellungen eigener sexueller Lust oder romantischer Liebe nicht verbalisierbar sind. Es entsteht der Eindruck, als wäre die Verbindung von Zärtlichkeit, erotischem Begehren und Sexualität für die Patientin ausserhalb des Vorstellbaren. So äussert Frau G., dass Sexualität für sie bislang immer nur schmerzhaft gewesen sei. Sie verneint, jemals Emotionen für einen Mann empfunden zu haben, die dem genannten Gefühlsspektrum zugeordnet werden könnten. Für ihre Tochter könne sie sich in Zukunft hingegen durchaus eine romantische Beziehung zu eine:r Partner:in vorstellen.
Weshalb Frau G. trotz alledem aktiv den Kontakt zum letzten Sexualpartner gesucht und sich auf ungeschützten Geschlechtsverkehr eingelassen habe, sei ihr rätselhaft. Der Geschlechtsverkehr sei «wieder einmal ungeplant» gewesen und sei ihr «einfach passiert». Vom Gegenüber dazu gezwungen worden sei sie nicht.
Einer näheren Analyse der Situation, in welcher der Geschlechtsverkehr der Patientin «passierte», und eine Verknüpfung mit der möglichen Aktivierung eigener konflikthafter Wünsche, oder aber doch mit der Erfahrung uneingestandener Unterdrucksetzung durch den Sexualpartner, ist die Patientin nicht zugänglich, sie wiederholt stattdessen immer wieder, nicht zu verstehen. Auch für die Therapeutin gestaltet sich ein Verstehen schwierig.

Hypothesen und Verstehensversuche

Aus traumadynamischer Perspektive könnte man die Wiederholung ungeschützten Geschlechtsverkehrs als unbewusste Reinszenierung einer traumatischen Situation vor dem Hintergrund wiederholter zwischenmenschlicher und sexualisierter Gewalterfahrungen und folglich das «Passieren» des Geschlechtsverkehrs als Dissoziation verstehen.
Dagegen spricht das Fehlen einer Opfer-Täter:innen-Dynamik in der Übertragungsbeziehung zur Therapeutin, und eine gute Objektdifferenzierung der potentiell tätlichen Person (in diesem Falle des Ex-Partners), die eine Identifikation mit Täteranteilen unwahrscheinlich macht.
Aus transkultureller Perspektive wiederum drängt sich die Hypothese auf, dass die Schwierigkeit, in einem selbstreflexiven Modus über das eigene innere Erleben zu sprechen, einen kulturspezifischen Aspekt in Zusammenhang mit der Sozialisierung in einer kollektivistisch geprägten Gesellschaftsstruktur darstellt. Dass also ein Sprechen über das eigene Innenleben im Zuge des therapeutischen Individuationsprozesses erst noch erlernt werden müsste.
Weiter könnten die wiederholten, vordergründig ich-dystonen Schwangerschaften als unbewusster Versuch der Patientin verstanden werden, sich des eigenen «Frauseins» zu vergewissern. Frau G. ist gemäss eigener Angaben in einem traditionellen Umfeld mit einem für weiblich gelesene Personen klar auf Reproduktionsarbeit ausgelegten Rollenverständnis aufgewachsen. Vor diesem Hintergrund hätten die wiederkehrenden Schwangerschaften die Funktion, sich ihrer sozialen Identität gemäss eines ihr bekannten, kulturell geprägten Musters zu vergewissern, zumal bei noch nicht begonnener Ausbildung oder Arbeitstätigkeit im Aufnahmeland, und somit Fehlen eines akzeptablen Gegenentwurfs für das eigene soziale Identitätserleben.
Die zyklische Wiederholung von Schwangerschaft und Abtreibung, von Prokreation und Destruktion wiederum könnten als Inszenierung einer inneren Zerrissenheit zwischen Festhalten an traditionellen Vorstellungen des «Frauseins» einerseits und Identifikation mit anderen Rollenentwürfen im Aufnahmeland andererseits, verstanden werden.
Verknüpft man die Tatsache, dass die Patientin eine FGM aufweist damit, dass eine Verbalisierung eigener sexueller Wünsche und Phantasien und das Empfinden erotischen Begehrens nicht möglich ist, fragt es sich, ob der traumatisierende Charakter der körperlichen «Beschneidung» möglicherweise mit einer «Beschneidung» psychischer Repräsentanzen in Bezug auf Sexualität einhergeht.
Auch stellt sich die Frage, ob ein In-Kontakt-Treten mit der eigenen Sexualität abgewehrt werden muss, um eine vertiefte Auseinandersetzung damit, was ihr im Intimbereich genau angetan wurde (Frau G. äusserte, dass sie bis auf Weiteres eine Zuweisung zu einer Untersuchung in ein auf FMG spezialisiertes Zentrum ablehne), und dadurch letztlich eine Infragestellung des idealisierten Objekts der Mutter (die sie nicht vor einer Beschneidung schützen konnte), zu vermeiden.
Überdies könnte eine Abwehr schmerzhafter Affekte auch im Dienste der Aufrechterhaltung gewisser positiv konnotierter kulturell geprägter Zugehörigkeitsaspekte stehen: So äusserte Frau G. gelegentlich, dass die Robustheit im Umgang mit Schmerz ein wichtiges Charakteristikum für Personen ihrer ethnischen Herkunftsgemeinschaft sei – man beklage sich nicht.
Keine dieser Hypothesen hielt jedoch einer Überprüfung in der therapeutischen Beziehung stand.
Nachdem das gemeinsame Nichtverstehen durch die Therapeutin verstanden und verbalisiert wurde, kam es auf Seiten der Patientin zu einer progressiven Entwicklung: sie traute sich erstmals, gemeinsam mit ihrer Tochter in ein Flugzeug zu steigen, und in einem anderen europäischen Land eine Freundin, die sie auf der Fluchtroute kennengelernt hatte, für eine Feier zu besuchen, wovon sie retrospektiv genussvoll berichtete. Auch entschied sich die Patientin dazu, sich nicht weiter auf eine Beziehung zum letzten Sexualpartner einzulassen, da dieser ihr «zu religiös» sei und sie durch die Beziehung zu ihm fürchten müsse, zu religiösen Praktiken gezwungen zu werden, mit welchen sie sich nicht identifiziere. Auch meldete sich die Patientin für einen Deutschkurs an und konnte perspektivisch erstmals einen konkreten Ausbildungs- und Berufswunsch äussern.
Das in Frage stehende fremde Verhalten der jungen Frau scheint in Bezug auf den der Therapeutin – wie auch der Patientin selbst – zur Verfügung stehenden eigenen Verständnisweisen, welche durchaus auch unbewusste Dynamiken mitumfassen, fremd. Es ist in Relation zu einem eigenen Verstehen fremd (relationaler Charakter des Fremden). Weiter widerfährt es gewissermassen der Patientin und in der Schilderung letztlich auch der Therapeutin (pathischer Charakter des Fremden), entzieht sich fortwährend den Verstehensversuchen, während es in seiner Manifestation geradezu körperlich präsent bleibt (präsent im Entzug) und damit etwas «Ausserordentliches» zum Ausdruck bringt (Singularität des Fremden) und unvergleichlich ist – dennoch uns aber angeht und in der Patientin in ihrem Leid einen Anspruch trägt.

PD Dr. med. Dr. phil. Daniel Sollberger

Erwachsenenpsychiatrie Baselland
Bienentalstrasse 7, 4410 Liestal

daniel.sollberger@pbl.ch

Dr. med. Serena Galli

Zentrum für Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie (ZIPP)
der Charité Berlin
Charitéplatz 1
D-10117 Berlin

serenagalli@msn.com

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Gesundheitliche Chancengleichheit in der Geburtshilfe durch transkategoriale Kompetenz

Nicht alle Mütter und Neugeborene haben gleiche Chancen auf eine gesunde Mutterschaft und auf einen gesunden Start ins Leben. Unterschiede bestehen bei verschiedenen Diversitätsmerkmalen, wie niedrigem sozioökonomischem Status, Migrationshintergrund, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Behinderung. Neben einer Reihe erhöhter gesundheitlicher Risiken für Mütter und Neugeborene hindern Barrieren im Versorgungsprozess, wie mangelndes Bewusstsein für die spezifischen Bedürfnisse dieser Gruppen und Interaktionsprobleme zwischen Klientel und Fachpersonen die Nutzung geburtshilflicher Leistungen. Ein Abbau von Zugangsbarrieren und Diskriminierungsmechanismen kann durch transkategoriale Kompetenz erlangt werden. Im geburtshilflichen Kontext zeigt sich transkategoriale Kompetenz beispielsweise in der angemessenen Einbindung von Angehörigen bei Migrant*innen, der Anerkennung und Unterstützung verschiedener Familienformen bei LGBTI*Q-Menschen und der Sensibilisierung für diskriminierendes Verhalten. Kontinuität in der Betreuung durch Gynäkolog*innen und Hebammen erleichtert die Versorgung und minimiert Missverständnisse. Die Verankerung der transkategorialen Kompetenz erfordert eine institutionelle Sensibilisierung für Diskriminierungsformen und Benachteiligungen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und diversitätssensible Aus- und Weiterbildung sind entscheidend, um Unsicherheiten abzubauen und Stereotypisierung zu vermeiden.

Einleitung

Frauen* und Familien, die geburtshilfliche Leistungen in Anspruch nehmen, repräsentieren die Vielfalt unserer Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status (Einkommen, Vermögen, Bildung, berufliche Stellung), Migrationshintergrund, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder physischen Integrität bzw. einer Behinderung kommen abgesehen von wenigen Ausnahmen wie Frauen*, die aus Not oder Überzeugung eine Alleingeburt wählen, nahezu alle Schwangeren spätestens bei der Geburt mit dem Gesundheitssystem in Berührung. Geburtshelfenden, d. h. Gynäkolog*innen, Hebammen und Pflegenden, kommt die Aufgabe zu, dieser Vielfalt in ihrer Arbeit Rechnung zu tragen, da Diversitätsmerkmale bedeutende Einflussfaktoren für gesundheitliche Ungleichheit darstellen (1). Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit stellen sensible Lebensereignisse dar, die für die Gesundheitsentwicklung im späteren Lebensverlauf von grosser Bedeutung sind (2, 3).

Diversität und Gesundheit rund um Schwangerschaft und Geburt

Die Evidenz zeigt, dass es bei allen genannten Diversitätsmerkmalen Ungleichheiten in der reproduktiven Gesundheit gibt. Ein niedriger sozioökonomischer Status, insbesondere Armut, ist mit einer erhöhten mütterlichen Mortalität (4) und Morbidität verbunden, z. B. Adipositas, Diabetes oder Hypertension, die ihrerseits wiederum mit Präeklampsie in Zusammenhang stehen, sowie psychische Probleme, Suchtmittelkonsum, schlechtere Ernährung und geringere Einnahme von Supplementation. Auch die perinatale Morbidität und Mortalität sind erhöht, was sich vor allem in einer höheren Rate von Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht manifestiert, die mit einem erhöhten Risiko von Komplikationen einhergehen (5). Gesundheitsprobleme in Zusammenhang mit Armut sind nicht nur auf Länder des globalen Südens beschränkt, sondern betreffen auch Frauen* und Kinder in Hocheinkommensländern und sind umfassend belegt (6). Eine Studie, die sozioökonomische Daten aus der Schweiz mit Daten zu Geburtsoutcomes verknüpft hat konnte aufzeigen, dass staatliche Unterstützungszahlungen sich positiv auf die fötale Entwicklung auswirken (7).
Die Migrationsbevölkerung weist einen schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand (8) und im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung in Aufnahmeländern einen schlechteren geburtshilflichen Verlauf auf (9, 10). Dazu gehört eine höhere Prävalenz von ante- und postnatalen Depressionen (11), Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Kaiserschnitten sowie eine erhöhte perinatale Morbidität und Mortalität und eine erhöhte Säuglingssterblichkeit (12). Ferner zeigen Forschungsergebnisse, dass das geburtshilfliche Präventionsverhalten von Migrant*innen ungünstiger ist. Diese nehmen Schwangerschaftskontrollen weniger, unvollständig oder verspätet in Anspruch, beachten Empfehlungen zur Ernährung des Kindes weniger genau (z. B. Beikost, Vitamin D-Prophylaxe) und nutzen präventive Angebote wie Geburtsvorbereitung, Rückbildungskurse oder Mütter-Väterberatung seltener (9, 10). Es gibt eine Reihe migrationsbedingter Faktoren, z. B. eine schlechtere Ausgangsgesundheit, vorbestehende Krankheiten oder eine beschwerliche Flucht mit traumatischen Erfahrungen, die sich negativ auf das Outcome auswirken (13). Darüber hinaus spielen persönliche und verhaltensbezogene Faktoren, wie z. B. Stress während der Schwangerschaft und der ersten Lebensphase, mangelndes Wissen und geringe Gesundheitskompetenz eine Rolle. Allerdings scheinen sozio-ökonomische Faktoren wie z. B. fehlende soziale Unterstützung, geringes Einkommen (8) oder ungünstige Wohnumgebung (14) einen noch entscheidenderen Faktor für das schlechtere perinatale Outcome darzustellen. Schliesslich bestätigt die Evidenz, dass sowohl bei Migrant*innen als auch bei Menschen mit niedrigem soziökonomischen Status der Zugang zu den Gesundheitsanbietern sowie die Ausgestaltung des Gesundheitssystems eine zentrale Rolle für das schlechtere Outcome spielen (9, 15).
Die Gruppe der asylsuchenden Frauen* ist am stärksten von Ungleichheit betroffen. Neben den negativen neonatalen und mütterlichen Outcomes sind sie auch mit geschlechtsspezifischen Gesundheitsrisiken wie sexualisierter Gewalt, fehlender Verhütung und sexuell übertragbaren Krankheiten konfrontiert. Auf den Fluchtrouten ist der Zugang zu Verhütung und Mutterschaftsversorgung beschränkt (16). In den europäischen Aufnahmestaaten, wo viele Geflüchtete in kollektive Unterbringungen leben, fehlt den Frauen* ein privater Rückzugsraum und oft ein tragfähiges soziales Netz. Durch die Marginalisierung und die prekären Wohnverhältnisse steigt das Risiko für psychische Belastungen und Erkrankungen sowie für geburtshilfliche Komplikationen (17). In der Schweiz ist trotz grundsätzlich verfügbarem Zugang die geburtshilfliche Betreuung oft inadäquat. Die geringe Sensibilisierung des betreuenden Personals für die Probleme von Schwangeren und Mütter in Asylunterkünften stellt ein Hindernis dar. Dadurch kommt es oft nicht zu Überweisungen an spezialisiertes Fachpersonal. Zusätzlich können in abgelegenen Asylunterkünften Probleme mit dem Transport den Zugang zu angemessener Versorgung erschweren. Wenn asylsuchende Frauen* innerhalb des Asylsystems ihre Unterkunft wechseln müssen, treten häufig Unterbrechungen in der Versorgung auf, was den Informationsfluss medizinisch relevanter Daten betrifft (18).
Lesbische, schwule, bisexuelle, transgender/trans*, intersexulle sowie queere Menschen (LGBTI*Q-Menschen) haben im Vergleich zu Cis-Menschen schlechtere Gesundheitschancen, wie ein aktuell in der Schweiz durchgeführtes Literaturreview aufzeigt (19). LGBTI*Q-Menschen sind aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität regelmässig Diskriminierung sowie verbaler oder physischer Gewalt ausgesetzt. Sie leiden überdurchschnittlich häufig unter psychischen Störungen. Das zeigt sich in einer höheren Prävalenz von Depressionen, Suizidgedanken und Suizidversuchen gegenüber Cis-Menschen. Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen werden auch in der Gesundheitsversorgung gemacht, wobei trans/nichtbinäre Personen am stärksten betroffen sind. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist erschwert und medizinische Leistungen werden teilweise nicht Anspruch genommen (19). Zwar konnten keine direkten Zahlen zum geburtshilflichen Outcome dieser Gruppe gegenüber der Gesamtbevölkerung gefunden werden, aber Schwangerschaft, Geburt und weitere Bereiche der reproduktiven Gesundheit sind gesellschaftlich, institutionell, strukturell und politisch durch Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität geprägt. So kommt es im Zusammenhang mit Elternschaft zu einer Verstärkung der diskriminierenden Erfahrungen (20).
Laut der Weltgesundheitsorganisation sind 16 Prozent der Bevölkerung von einer Behinderung betroffen (21). Frauen* mit Behinderung sind in der Alltagsbewältigung mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Der eingeschränkte barrierefreie Zugang zu medizinischer Versorgung führt zu einer inadäquaten pränatalen Versorgung, vermehrten Hospitalisierungen während der Schwangerschaft und einem erhöhten Risiko für Sectio Caesarea und Frühgeburt (22). Fehlende oder unzureichende barrierefreie Ausgestaltung des Innenbereichs stellen eine weitere Herausforderung dar und schränken die Wahl des Geburtsortes ein. Zudem sind Sexualität, Schwangerschaft und Mutterschaft bei Menschen mit Behinderung gesellschaftlich sowie strukturell immer noch mit Stigmatisierung, Stereotypisierung und Tabuisierung besetzt und eine bedürfnisangepasste Betreuung wird durch die strukturellen Bedingungen sowie das fehlende Fachwissen erschwert (23).
Die Gründe für die gesundheitliche Ungleichheit rund um Schwangerschaft und Geburt sind gruppenspezifisch und vielfältig. Ein Grossteil der gesundheitlichen Unterschiede in der perinatalen Zeit lässt sich darauf zurückführen, dass bestimmte Gruppen über weniger gesundheitsbezogene Ressourcen verfügen. Der Migrationskontext, Armut, soziale Isolation und sexuelle Orientierung verstärken intersektional den benachteiligenden Effekt auf das Gesundheitsergebnis und die geburtshilfliche Ungleichheit. Weitere zentrale Faktoren für die Ungleichheit stellen Zugangsprobleme sowie strukturelle und personelle Diskriminierung in der Versorgung dar. Erfahrungen rassistischer Diskriminierung in der geburtshilflichen Versorgung sind gut dokumentiert und stehen in direktem Zusammenhang mit schlechteren Outcomes (24). Insbesondere (queere) Menschen, die behindert sind oder beispielsweise einen ungesicherten Aufenthaltsstatus haben, erfahren häufig eine mehrfache Diskriminierung und der Zugang zu adäquater Gesundheitsversorgung wird durch die multiplen Barrieren verstärkt (20).

Probleme der geburtshilflichen Versorgung

Der Abbau von Diskriminierungsmechanismen und Zugangsbarrieren im Gesundheitssystem ist essenziell für eine gute Gesundheitsversorgung. Unter Verwendung des Rahmenmodells von Levesque et al. (25) für den Zugang zur Gesundheitsversorgung untersuchte ein Review die Hindernisse und Erleichterungen bei der Inanspruchnahme geburtshilflicher Leistungen durch Frauen* mit sozialer Benachteiligung in Hocheinkommensländern. Das Ziel war, ein besseres Verständnis für die unzureichende Nutzung trotz grundsätzlich vorhandenem und offenem Zugang zu geburtshilflichen Leistungen zu erlangen (26). Es wurden Barrieren im gesamten Versorgungsprozess identifiziert, angefangen beim behandlungsbedürftigen Zustand, z. B. erkennen, dass eine Schwangerschaft regelmässige Vorsorge erfordert, bzw. Angebote, die als sinnvoll dafür erachtet werden, über das Aufsuchen eines Angebots, z. B. die geeignete Fachperson zum richtigen Zeitpunkt wählen und erreichen können, Möglichkeit einer niederschwelligen Kontaktaufnahme bzw. praktische Probleme, die Konsultationen wahrzunehmen wie kurze Konsultationen, lange Wartezeiten, fehlende Kinderbetreuung während anstehender Konsultationen, ungedeckte Transportkosten, lange Anfahrtszeiten, fehlende Parkplätze, hin zur tatsächlichen Nutzung der Angebote, z. B. die eigentliche Behandlung oder Beratungen bedarfs- und bedürfnisgerecht gestalten bzw. nutzbarmachen, verständliche und vertrauenswürdige Informationen erhalten. Die Zugangsbarrieren entstehen an den Schnittstellen zwischen der Versorgungsstruktur und der Gesundheitskompetenz und werden sowohl von den Anbietern als auch von den Nutzenden selbst beeinflusst.
Eine weitere Studie untersuchte die Kommunikation in der geburtshilflichen Betreuung von allophonen Migrant*innen und zwar aus der Sicht von Nutzer*innen, Fachpersonen und Dolmetschenden (27). Mit der Triangulation der unterschiedlichen Perspektiven, wurden genau die oben genannten Schnittstellen sichtbar. Es wurde deutlich, dass es für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung war, die unterschiedlichen Lebenswelten und das unvertraute Gesundheitssystem an einem neuen Ort zu verstehen. Unterschiedliche Erwartungen aufgrund kultureller Prägungen und schwierige soziale Verhältnisse, sowie unsicherer Aufenthaltsstatus stellten hohe Anforderungen an die Fachpersonen, welche oft wenig zur Lösung sozialer Probleme der Frauen* beitragen konnten. Trotz der Bemühungen aus allen Blickwinkeln heraus reichten die Anstrengungen häufig nicht aus, um eine angemessene Aufklärung über die Behandlung zu gewährleisten und den Erwartungen und Bedürfnissen der allophonen Migrant*innen gerecht zu werden. Aus der Synthese der unterschiedlichen Perspektiven erschienen die Gesundheitsleistungen in bestimmten Situationen aufgrund der sprachlichen Verständigungsprobleme autoritär, aufgezwungen und nicht bedürfnisorientiert (27). Zwar standen in dieser Studie die Sprachbarrieren im Fokus, aber viele der identifizierten Problembereiche tangieren auch viele Migrant*innen, die die lokale Sprache beherrschen. Auch Schwangere mit niedrigem soziökonomischem Status sind nicht vertraut mit den Vorsorgeuntersuchungen, oft überfordert mit den vielen verschiedenen in der Behandlung involvierten Akteur*innen und finden es herausfordernd mit den Fachpersonen zu kommunizieren (28, 29). Bei schweizerischen Fachgesellschaften und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) besteht Einigkeit, dass die sprachliche Verständigung in der Behandlung von allophonen Migrant*innen durch Dolmetschende gewährleistet sein muss (30, 31). Bisher ist Dolmetschen jedoch nicht im Leistungskatalog der obligatorischen Krankenpflegversicherung in der Schweiz aufgenommen. Die spärliche Verfügbarkeit von Dolmetschdiensten verunmöglicht, dass allophone Schwangere und Mütter selbstbestimmte und informierte Entscheidungen über ihre Behandlung treffen können. Gesundheitsberatung ist nicht möglich und die Gefahr von Missverständnissen oder gar Fehlbehandlung ist gegeben.
LGBTI*Q-Menschen sind häufig mit fehlenden Informationen (z. B. Broschüren) zu Schwangerschaft und Geburt konfrontiert. Diese Tatsache führt dazu, dass den betroffenen Personen grundlegende medizinische und rechtliche Informationen fehlen (20). Zudem zeigt sich sprachlich und bildlich in der Kommunikation sowie in spitalinternen Broschüren und Formularen, dass in der perinatalen Versorgung immer noch von einer heterosexuellen Familienkonstellation ausgegangen wird. Trans Menschen und Menschen mit nichtbinären Geschlechtsidentitäten werden oft nicht berücksichtigt und der soziale Elternteil nicht als solcher angesprochen, erkannt und akzeptiert (32). Auch für gehörlose und hörbeeinträchtigte Frauen* ist die Sicherstellung von barrierefrei gestalteten Strukturen nicht gewährleistet. So gibt es wenig Personal in Spitälern, die Gebärdensprachkenntnisse verfügen (23).
Wie aufgezeigt, finden Diskriminierungen in Bezug auf verschiedenste Faktoren statt, Herkunft, sozioökonomischer Status, Alter, Parität oder sexueller Orientierung. Diskriminierungen verletzen die Würde und das Selbstwertgefühl von Betroffenen und schädigen dadurch ihre körperliche, psychische und soziale Integrität. Das Gefühl von mangelnder Wertschätzung oder Diskriminierungserfahrungen verringern das Vertrauen in die Fachperson stark und haben direkten Einfluss auf die Behandlung. Frauen* haben Angst, ihre Anliegen oder echte Meinung einzubringen oder verzichten gar auf nachfolgende Behandlungen (29). Um die Diskriminierungsprozesse entlang gesellschaftlicher Macht- und Ungleichheitsverhältnisse und die vielfältigen Formen der Marginalisierung zu verstehen, ist eine intersektionale Perspektive zentral. Das im US-amerikanischen Kontext von Schwarzen Feminist*innen entwickelte Konzept der reproduktiven Gerechtigkeit dient der Artikulation verschiedener Erfahrungen und Perspektiven von gesellschaftlichen Gruppen, deren (potenzielle) Elternschaft gesellschaftlich als unerwünscht oder illegitim betrachtet wird (33). Die stratifizierten staatlichen sowie strukturellen Kontrollmechanismen (vgl. 34) wirken sich in einem verstärkten Masse auf die Versorgung und Betreuung von Personen aus, die bereits auf unterschiedliche Weise Diskriminierung erfahren und/oder besondere Bedarfe haben und werden verstärkt durch den ökonomisch bedingten Zeitdruck und Personalmangel (20). Es ist deshalb wichtig, dass Fachpersonen sich der Mehrdimensionalität von Diskriminierung bewusst sind und die Herausforderungen auf politischer, struktureller sowie individueller Ebene einordnen können.
Bei den zahlreichen Problemen, die sich bei der Behandlung von diversen Frauen* und Familien in der Geburtshilfe stellen, fühlen sich Geburtshelfende oft alleingelassen und sehr gefordert mit der Komplexität. Viele Sachzwänge hindern sie, flexibel auf die Bedürfnisse der Frauen* einzugehen. Komplexe Fälle fordern viel Zeit, die bei knappen Personalschlüssel nicht verfügbar ist. Engagieren sich die Fachpersonen trotzdem, kann das Gefühl aufkommen, andere Klientinnen dadurch zu vernachlässigen (27). Richtlinien sehen oft keine Alternativen für individuelle oder soziokulturell geprägte Präferenzen vor, z. B. für interventionsärmere Geburtshilfe. Dokumentationen sehen keine geschlechtsneutralen Formulierungen vor. Aufgrund nicht verfügbarer Dolmetschleistungen ist es schwierig, edukative und präventive Ziele zu verfolgen. Wenngleich viele der Probleme auf struktureller Ebene gelagert sind, ist die Stärkung der Kompetenz von Gesundheitsfachpersonen im Umgang mit gesellschaftlicher Diversität ein wichtiger gesundheitsstrategischer Schwerpunkt des BAG für die Erreichung einer chancengleichen Versorgung (1). Transkategoriale Kompetenz stellt eine mögliche Herangehensweise dar, um diskriminierendem Verhalten vorzubeugen. Sie lässt sich auf die heterogene und vielfältige Klientel in der Geburtshilfe anwenden und trägt ganz unterschiedlichen Diversitätsmerkmalen Rechnung.

Transkategoriale Kompetenz

Wir haben gezeigt, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der Beziehung von Nutzenden und Betreuungspersonen und dem geburtshilflichen Outcome. Die Interaktion zwischen Fachpersonen und einer diversen Klientel in der Geburtshilfe ist also von großer Bedeutung. Der Ansatz „gleiche Behandlung für alle“ ist nicht zielführend. Konzepte wie Ganzheitlichkeit, Frau-, Person- und Familienzentriertheit sind weitgehend anerkannt, aber in der täglichen Arbeit schwierig umzusetzen (36). In der Praxis müssen alle Interaktionen von den Beteiligten interpretiert und sinnvoll gedeutet werden. Um das Gegenüber richtig zu verstehen, ist es unerlässlich, in sozialen Kategorien zu denken. Dadurch werden automatisch Gleichheit oder Andersartigkeit zugeschrieben, was das Potenzial für unbeabsichtigte Diskriminierung durch implizite Zuordnungen birgt (35).
Aufgabe von Fachpersonen ist es, sich dieser Mechanismen bewusst zu werden und die Entstehung von Zuschreibungen in professionellen Interaktionssituationen zu hinterfragen – die eigenen und die des Gegenübers. Transkategoriale Kompetenz ist die Fähigkeit, individuelle Lebenswelten in der besonderen Situation und in unterschiedlichen Kontexten zu erfassen, zu verstehen und entsprechende, angepasste Handlungsweisen daraus abzuleiten (36). Durch die situative Herangehensweise wird jede Situation neu beurteilt, und die Normen und Werte sowie Bedürfnisse und Erwartungen der Betroffenen stehen im Zentrum. Transkategorial kompetente Fachpersonen reflektieren eigene lebensweltliche Prägungen und Vorurteile. Sie haben die Fähigkeit, die Perspektive anderer zu erfassen und zu deuten, und vermeiden Kulturalisierungen sowie Stereotypisierungen von bestimmten Zielgruppen (36). Durch Selbstreflexion setzt sich die Fachperson mit den eignen Werten und Überzeugungen auseinander, überdenkt eigene Haltungen sowie soziokulturell geprägte Wertvorstellungen und entwickelt ein Verständnis für das eigene Orientierungssystem.
Ferner gehört zu transkategorialer Kompetenz das Bewusstsein, dass in pluralen Gesellschaften komplexe Identitäten die Norm sind und der Lebenswelten von unterschiedlichen Kategorien, wie Mobilität, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Behinderung, Alter usw. geprägt sind, die jede für sich oder intersektional zu Diskriminierungserfahrungen und sozialen Ausgrenzungen führen können (36). Die Ausweitung der ursprünglich zugrundeliegenden Definition von transkultureller Kompetenz auf weitere Diversitätsmerkmale zeigt auf, dass potenzielle Diskriminierung nicht nur bezüglich Kultur, sondern in Bezug auf jedes soziale Merkmal und jede Kategorie entstehen kann. Neben professionellen geburtshilflichen Fertigkeiten müssen Fachpersonen also die Zusammenhänge und Wechselwirkungen von sozialen Kategorien und reproduktiver Gesundheit verstehen. Ausserdem müssen sie sich mit dem Thema Diskriminierung auseinandersetzen und die eigenen Interaktionsmuster reflektieren.
Es scheint wichtig zu betonen, dass sich transkategoriale Kompetenz vom inzwischen überholten Verständnis der interkulturellen Pflege unterscheidet. Mit ihrer Theorie legte Leininger vor rund 50 Jahren den Grundstein dafür, dass jeder Mensch, ein durch seine Kultur, Werte und Normen sowie sein soziales Umfeld geprägtes ganzheitliches Wesen ist, welches das Bedürfnis hat, entsprechend diesen Vorstellungen zu leben, zu interagieren und behandelt zu werden (37). Pflegende sollten demnach Patienten unterschiedlicher Herkunft behandeln, indem sie die ihre Bedürfnisse in Zusammenhang mit ihrer Kultur berücksichtigen. Erstmals wurde in der Pflege der lebensweltlichen Prägung von Individuen eine zentrale Bedeutung beigemessen, was grundsätzlich anerkennenswert ist. Die Theorie baut aber auf einem Kulturverständnis auf, das die vorherrschende Kultur als Norm versteht. Die Bemühungen liegen auf dem Verständnis des Anderen, was Stereotypisierungen fördert, die im Einzelfall für das Lösen von konkreten Problemen nicht dienlich sind. Der Blick auf die Kultur der anderen verdrängt die Reflexion des eigenen Standpunktes. Bei der transkategorialen Kompetenz hingegen geht es u. a. ums Verstehen des Erlebten und der Interaktion und nicht ums Erklären des Anderen. Was transkategoriale Kompetenz im geburtshilflichen Kontext sein kann, zeigen die folgenden Beispiele.

Familiensysteme

Für Migrant*innen sind ihre Angehörigen eine wichtige Stütze vor und nach der Geburt, und zwar moralisch, praktisch und auch als Hilfe bei der Verständigung. Insbesondere weibliche Angehörige, die selbst Mütter sind, nehmen eine wichtige Rolle als Vorbild ein. Fachpersonen hingegen gelingt es nicht immer, die Angehörigen angemessen in den Betreuungsprozess einzubinden, oder sie nehmen diese als hinderlich wahr. Manche Angehörige fühlen sich unerwünscht, machen sich selbst Sorgen um die Situation und erhalten oft ungenügende Informationen. Von aussen betrachtet scheinen Migrationsfamilien häufig besonders geschlossen und schwer zugänglich zu sein (38). Die Interaktion im Kontext eines Familiensystems, welches von einem soziozentrierten Gruppenverständnis ausgeht, unterscheidet sich grundsätzlich von den Interaktionsmustern, die in individuumzentrierten Gesellschaften vorherrschend sind (36). Bei soziozentrierten Familiensystemen kann nicht einfach zwischen den Interessen eines Individuums und denen der Familie unterschieden werden, da beide Aspekte für den Einzelnen ein und dasselbe sind und der Familienzusammenhalt einen nicht in Frage gestellten Wert bedeutet. Bei Familien aus soziozentriert ausgerichteten Kontexten sollte die Familie in viel stärkerem Mass in die Betreuung einbezogen und Gruppenwerten und -zielen eine grössere Bedeutung beigemessen werden, als dies normalerweise bei Klientinnen aus individuumzentrierten Kontexten der Fall ist. Fachpersonen sollten erwägen, dass nur wenige Migrant*innen ein tragendes soziales Netzwerk im Gastland haben, und somit die gewählten Vertrauenspersonen eine besonders wichtige Funktion einnehmen und Mitbetroffene sind. Sie sollten die Angehörigen deshalb nicht nur als Unterstützende besser einbinden, sondern auch aktiv auf sie zugehen, sie umfassend informieren und ihre persönlichen Ängste und Anliegen ernst nehmen (39). Gelingt es der Fachperson, mit der Familie zusammenzuarbeiten, können protektive Faktoren und Ressourcen des familiären Systems besser genutzt werden (38).
Wenn LGBTI*Q-Menschen Kinder bekommen, wird die traditionell akzeptierte und verstandene Konzeptionalisierung von Familie herausgefordert. Gleichzeitig findet die Betreuung in einer vorherrschenden heteronormativen Kultur statt, in der die Bedürfnisse und Ängste von Betroffenen ignoriert, versteckt und kaum verstanden werden (40). Zur Förderung der institutionellen Sichtbarkeit und Auflösung heteronormativer Strukturen ist es wichtig, verschiedene Familienformen sprachlich und bildlich in Broschüren, auf Websites und in klinikinternen Dokumenten abzubilden. Dadurch, dass auch Berufsbezeichnungen inklusiv formuliert werden, kann einem potenziellen Gefälle zwischen Fachpersonen und Klientel entgegengewirkt werden. So sind nicht die zu Behandelnden, sondern alle Menschen divers, und die genderneutrale Ausdrucksweise wird zur Norm. An dieser Stelle sei erwähnt, dass obschon im Alltag der Begriff «Hebamme» häufig mit einer weiblichen Person/Frau in Verbindung gebracht wird, der Schweizerische Hebammenverband die Berufsbezeichnung Hebamme als geschlechtsneutral definiert (32). Bei Schwangerschafts- und Wochenbettkontrollen, Informationsveranstaltungen, Geburtsvorbereitungs- sowie Rückbildungskursen gilt es, auf inklusive Formulierungen sowie eine genderneutrale Sprache zu achten und nicht automatisch von einer heterosexuellen Beziehung oder einer Cis-Genderidentität auszugehen. Es ist wichtig, den sozialen Elternteil aktiv in Handlungen und Entscheidungen einzubeziehen und geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie Eltern(teil) anstelle von Mutter und Vater zu verwenden, die Personen mit Namen anzusprechen und den Eltern die Möglichkeit bieten, die gewünschten Pronomen (z. B. sie/ihr) oder Bezeichnungen selbst zu äussern. Fachpersonen sollten für geschlechterspezifische Zuschreibungen rund um Schwangerschaft und Geburt (z. B. Gebärmutter) sensibilisiert sein und bei Bedarf lateinische Begriffe (z. B. Uterus) verwenden (32).

Diskriminierung

Menschen ausländischer Herkunft, non-binärer Geschlechtsidentität oder mit einer Behinderung berichten über Diskriminierungen in vielfältiger Form. Selten ist sich eine Fachperson eines diskriminierenden Verhaltens bewusst oder bekennt sich gar offen zu einer rassistischen Haltung. Jeder Mensch hat jedoch indirekte Vorurteile und unbewusste Präferenzen. Im geburtshilflichen Kontext kann sich diskriminierendes Verhalten in vielen Verhaltensformen manifestieren, z. B. in einer rein funktionalistischen und bevormundenden Behandlung, einem voyeuristischen und vorurteilgeprägtem Umgang bspw. bezüglich der Konzeption, der Auslassung von vertrauensfördernden Massnahmen, der Überzeugung, dass die angebotene Betreuung gut genug ist, weil sie besser ist als im Ursprungsland der Betroffenen ist, oder einem Urteil über die vermeintlich ungenügenden Integrationsbemühungen der Frauen* und Familien. Selten sind Diskriminierung mit offenkundig verbaler Herabsetzung verbunden, zumindest direkt gegenüber den Betroffenen. Häufiger hingegen fallen Urteile hinter geschlossener Tür, im formellen oder informellen Austausch im Behandlungsteam. Solche Haltungen und implizite Erwartungen werden unbewusst ausgedrückt und führen so zu negativen Empfindungen von Betroffenen. Transkategoriale Kompetenz kann Diskriminierungsverhalten entgegenwirken, indem Fachpersonen die Auswirkungen von Diskriminierung, Rassismus und Vorurteilen verstehen und die Rolle, die sie in der perinatalen Versorgung spielen können, erkennen. Sie sollten sich und andere zur Reflektion darüber anregen, wie sie über Menschen, die sich äusserlich oder in ihrem Verhalten von sich unterscheiden, denken und darüber, wie sich das eigene Denken und Werthaltungen in den Interaktionen in meinem beruflichen Alltag auswirken. Schliesslich sich der Frage stellen, wann es ihnen leichtfällt, empathisch auf das Gegenüber einzugehen und wann es Mühe bereitet, neutral und interessiert auf die Menschen zuzugehen. Die Art und Weise wie mit und über die Klient*innen gesprochen wird, ist ein Mediator für Diskriminierung (41).

Vertrauensaufbau

Eine kontinuierliche Betreuung durch Gynäkolog*innen und Hebammen schafft einen Betreuungsrahmen, in dem LGBTI*Q-Menschen nicht jedes Mail ihre sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität oder Familienzusammensetzung erklären müssen und minimiert Missverständnisse. Die Betreuung von Frauen * mit Behinderung, beispielsweise aufgrund von kommunikativen Schwierigkeiten ist häufig mit einem erhöhten Arbeitsaufwand seitens des Gesundheitspersonals verbunden. Das erfordert zusätzliche Ressourcen und steht im Spannungsfeld mit der zunehmend ökonomisierten Geburtshilfe. Auch für Migrant*innen, die unvertraut sind mit dem Leben und dem Gesundheitssystem vor Ort, ist Betreuungskontinuität sehr wichtig, wobei es in Anfangssituationen essentiell ist, vertrauensbildenden Prozessen genügend Raum zu geben. Das macht sich trotz knappen Zeitressourcen auf die Länge ausbezahlt. Vertrauensstiftend können einfache Gespräche über informelle Themen sein, gerade dann, wenn sprachliche Verständigungsprobleme vorliegen. Selbst wenn eine Frau* vermeintlich kein Deutsch versteht, sollte eine Fachperson durch Sprechen, Zugewandtheit und Interesse in Kontakt bleiben. Auch Kommunikationsformen wie Berührung können helfen, um im Kontakt zu bleiben (27). Fachpersonen mit Migrationshintergrund berücksichtigen in weit höherem Masse die «Geschichte» der Migrant*innen, haben weniger Angst vor zu grosser Nähe und wissen sich falls nötig angepasst abzugrenzen. Für manche Migrant*in mag es unverständlich erscheinen, wenn sie eine Fachperson mit einem bestimmten Anliegen aufsucht, und sie erst eine lange Anamnese, Untersuchungen, Labortests, geschweige denn unzählige administrative Praktiken über sich ergehen lassen muss. In solchen Fällen kann ein symptomorientiertes Handeln helfen, das Vertrauen zur Fachperson stärken. Indem diese dem Anspruch der Frau auf Soforthilfe begegnet, kann sie die Bereitschaft für alle anderen Erfordernisse erhöhen. Wünsche, Gewohnheiten und praktische Vorgehensweisen der Frauen* sollten die Fachpersonen respektieren und darauf aufbauen, sofern sie nicht schädlich sind.

Verankerung der transkategorialen Kompetenz

Im Rahmen der Nationalen Gesundheitsstrategie «Gesundheitliche Chancengleichheit» setzt sich die Schweiz dafür ein, die Versorgungsqualität von benachteiligten Bevölkerungsgruppen zu verbessern und Zugangsbarrieren abzubauen (42). Bis vor kurzem konnten sich Kliniken dem Netzwerk «Swiss Hospitals for Equity» anschliessen lassen. Für Institutionen ist eine Sensibilisierung auf alle möglichen Diskriminierungsformen und Benachteiligung zentral. So zeigen die Evidenzen, dass Frauenpaare häufig «lesbian friendly» Kliniken aufsuchen, um negative Erfahrungen und Diskriminierungen zu vermeiden (40). Eine funktionierende interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit ist in komplexen Situationen zentral, bei komplexen Situationen gilt es ein Case-Management anzubieten (22, 32).
Es ist wichtig, die diversitätssensible Aus- und Weiterbildung zu fördern, um Unsicherheiten, soziale Zuschreibungen und Stereotypisierung seitens Gesundheitspersonal abzubauen (22, 32). Geburtshelfende müssen in der Lage sein, die individuellen Lebenswelten der Schwangeren, Personen und ihrer Familien situations- und kontextbezogen zu verstehen, um eine angemessene Betreuung anzubieten. Transkategoriale Kompetenz muss als unverzichtbarer Teil der professionellen Kompetenz eingestuft werden, und muss von den Fachpersonen in der Berufsausbildung erworben und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Gerade bei Fachpersonen, die sehr erfahren sind, besteht in professionellen Tätigkeiten die Gefahr, dass hohe Erfahrung mit Routine einhergeht. Deshalb ist bewusste Reflexion notwendig, um differenziert mit Diversitäten, Zuschreibungen und der Einschätzung von Einschränkungen und Ressourcen im professionellen Alltag umgehen zu können (35).
Der Erwerb transkategorialer Kompetenzen sollte in allen Ausbildungsplänen für Berufsgruppen in der Geburtshilfe verankert sein. Im Fachbereich Geburtshilfe der Berner Fachhochschule beispielsweise, sind die Inhalte in den Curricula des Hebammenstudiums spiralartig aufgebaut. Im ersten Studienjahr des Bachelor-Studiengangs Hebamme setzen sich die Studierenden mit transkultureller Kommunikation auseinander. Sie üben mit Simulationspatient*innen die Gesprächsführung mit einer Migrationsfamilie und reflektieren anhand einer Filmaufnahme die Übungssituation kritisch. Im dritten Studienjahr setzen sich die Studierenden mit den Themen Public Health, Frauengesundheit, Migration, Armut, Behinderung und LGTBI*Q auseinander. In Seminaren befassen sie sich u. a. mit rassistischer Diskriminierung, analysieren berufliche Situationen aus einer queer-feministischen Perspektive oder reflektieren partizipativ mit Menschen mit Menschen mit besonderen Umständen geburtshilfliche Situationen. Alle Sequenzen zielen darauf ab, die Hindernisse und die Möglichkeiten für die Hebammenbetreuung abzuleiten sowie den Zusammenhang und die Wechselwirkungen der jeweiligen Lebenswelt und der geburtshilflichen Situation herzustellen. Im Master-Studiengang Hebamme widmet sich schliesslich ein ganzes Modul der Diversität in der perinatalen Versorgung. Das Ziel des Moduls ist, durch ein vertieftes Verständnis für soziale Ungleichheit und Vulnerabilität Behandlungs- und Betreuungskonzepte auszuarbeiten, die zu einer chancengerechten Versorgung in der Geburtshilfe beitragen (43).
In der Praxis sollte die Möglichkeit zur Weiterentwicklung der transkategorialen Kompetenz aufrechterhalten werden. Weiterbildungen, Intervisionen und Fallbesprechungen im interprofessionellen Team können helfen, transkategoriale Kompetenzen zu verbessern und den Betreuungsprozess kontinuierlich zu reflektieren. Ein Ziel sollte auch darin bestehen, alle Beteiligten für diskriminierendes Verhalten zu sensibilisieren. Schliesslich können Indikatoren für transkategoriale Kompetenz in die regulären Qualitätsprozesse integriert werden und in den Leitlinien und Qualitätsstandards der Institutionen erscheinen (27). Durch die kontinuierliche Förderung transkategorialer Kompetenzen der Fachpersonen können Diskriminierungsmechanismen abgebaut werden und das Bewusstsein für Zugangsbarrieren verbessert werden. Die Bereitschaft gleichzeitig auch die unzähligen strukturelle Barrieren abzubauen, kann nur durch ein gemeinsames Verständnis erreicht werden.

MSc Paola Origlia Ikhilor

Berner Fachhochschule Gesundheit, Fachbereich Geburtshilfe
Murtenstrasse 10
3008 Bern

paola.origlia@bfh.ch

MA Anina Haefliger

Berner Fachhochschule Gesundheit, Fachbereich Geburtshilfe
Murtenstrasse 10
3008 Bern

anina.haefliger@bfh.ch

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Kulturelle Kompetenz in der klinischen Ethik

Einleitung

Die kulturelle Vielfalt im Schweizer Gesundheitswesen nimmt zu, was vor allem auf die Migration zurückzuführen ist. Mittlerweile haben rund 40% der Schweizer Wohnbevölkerung ab 15 Jahren einen Migrationshintergrund (Bundesamt für Statistik 2022). Folglich steigt der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund sowohl unter den Patient*innen als auch unter den Gesundheitsfachpersonen. In Bezug auf die Gesundheit und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen ist diese Bevölkerungsgruppe nicht homogen. Insbesondere Migrant*innen der ersten Generation aus Südwesteuropa sowie Ost- und Südosteuropa haben ein deutlich erhöhtes Risiko von Herz-Kreislauf-Krankheiten, Arthrose, Übergewicht und psychischen Belastungen betroffen zu sein. Sie konsultieren unterdurchschnittlich oft Hausärzt*innen, Spezialärzt*innen oder Zahnärzt*innen, besuchen dafür etwas häufiger Notfallstationen. Migrant*innen aus Nord- und Westeuropa unterscheiden sich bezüglich Gesundheit und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen hingegen kaum von der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (Bundesamt für Statistik 2020). Neben der Migration trägt auch die Pluralisierung von Lebensentwürfen zur Vielfalt im Gesundheitswesen bei. Das Krankenhaus ist zu einem kulturellen Mikrokosmos geworden, in dem unterschiedliche «Kulturen» – nicht zuletzt medizinische Kulturen – aufeinandertreffen (Saladin 2009). Gesundheitsfachpersonen sind täglich mit Menschen anderer kultureller Identitäten konfrontiert, deren Welt- und Wertvorstellungen teilweise als fremd erfahren werden. Dies führt im klinischen Alltag nicht selten zu Unsicherheiten oder Konflikten, die auch moralischer Natur sein können (Ilkilic 2007).
Im Umgang mit moralischen Konflikten im Gesundheitswesen haben sich zunehmend Strukturen des klinischen Ethik-Supports herausgebildet (Zentner et al. 2022). Das Ziel solcher Ethikstrukturen ist es, Gesundheitsfachpersonen, Patient*innen und Angehörige bei moralischen Fragen und Konflikten zu unterstützen, sei es in der ethischen Fallberatung, in der ethischen Aus-, Fort- und Weiterbildung oder bei der Ausarbeitung von medizin-ethischen Empfehlungen oder Richtlinien (SAMW 2017). Anfragen für klinische Ethikberatung entstehen häufig aus moralischen Wertkonflikten, das heisst aus widersprüchlich wahrgenommenen moralischen Verpflichtungen, was in einer Situation zu tun oder zu lassen ist. Sie können aber auch auf unterschiedliche Auffassungen der Situation oder auf eine besondere Bedürftigkeit oder Erwartungshaltung von Patient*innen zurückgehen. Werte, Auffassungen und Erwartungen von Menschen sind stark von ihrer kulturellen Identität geprägt. Kulturelle Diversität kann daher auch in der klinischen Ethikberatung relevant werden oder in Form eines erlebten «(inter-)kulturellen Konflikts» Auslöser für die Inanspruchnahme von klinischer Ethikberatung sein (Zentner et al. 2022). Für solche Probleme, die auf kulturell unterschiedlichen Identitäten beruhen und moralisch problematisch werden, wird in diesem Artikel der Begriff kulturell-moralisches Problem verwendet.
Im Umgang mit kultureller Diversität in der Gesundheitsversorgung hat sich vor allem in den USA, zunehmend aber auch in Westeuropa das Konzept der kulturellen Kompetenz durchgesetzt. Darunter wird die Fähigkeit von Gesundheitsfachpersonen verstanden, Menschen mit verschiedenen kulturellen Identitäten wirksam, sicher und qualitativ hochwertig medizinisch zu versorgen und dabei Aspekte ihrer kulturellen Identität angemessen zu berücksichtigen (Sharifi et al. 2019). Neben der individuellen Ebene der Begegnung von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Identitäten ist auch eine Team- und Organisationsebene zu unterscheiden, auf der es darum geht, den Umgang mit kulturellen Herausforderungen und Diversität im Team bzw. in der Organisation zu verbessern (Liu et al. 2021). Obwohl die Bedeutung des Konzepts im Gesundheitssektor inzwischen weithin anerkannt ist, ist bis heute keineswegs klar, was damit genau gemeint ist. Kritiker wenden ein, dass das Konzept einem problematischen Kulturbegriff Vorschub leistet und damit zu Stereotypisierung, Ausgrenzung («Othering») oder Bevormundung führen kann (Muaygil 2018). Auch ist die Wirksamkeit der mittlerweile zahlreich angebotenen Trainings in kultureller Kompetenz umstritten (Horvat et al. 2014; Shepherd 2019). In den letzten Jahren wurden daher verschiedene alternative Konzepte wie kulturelle Bescheidenheit, interkulturelle Effektivität, kulturelle Sensibilität, kultureller Respekt oder transkategoriale Kompetenz vorgeschlagen (Botelho und Lima 2020; Domenig 2021; Liu et al. 2021). Auch in der Medizinethik gibt es Autor*innen, die hinsichtlich kultureller Kompetenz in der Medizinethik – z.B. im Sinne einer «kultursensiblen Ethikberatung» – zur Vorsicht mahnen, weil dies zu moralischen Stereotypisierungen oder einem ethischen Relativismus führen könnte (Wild 2012; Bracanovic 2011; Coors et al. 2018).
In diesem Beitrag wird untersucht, welche Rolle kulturelle Kompetenz in der klinischen Ethik spielen sollte. Dazu wird in einem ersten Schritt das Verhältnis von Kultur und Ethik beleuchtet. Anschliessend wird die Rolle kultureller Kompetenz in der Medizinethik diskutiert. Der Beitrag schliesst mit Empfehlungen für einen kulturell kompetenten klinischen Ethik-Support.

Kultur und Ethik

Die Frage nach dem Verhältnis von Kultur und Ethik lässt sich philosophiegeschichtlich bis in die Antike zurückverfolgen. Für Aristoteles, den Gründervater der philosophischen Disziplin der Ethik, sind Menschen wesentlich Vernunftwesen (ausgestattet mit Gefühl und Willen) und ein gutes Leben deshalb ein Leben, das der Reflexion einen zentralen Stellenwert einräumt (Aristoteles 2002). Menschen sind aber gleichzeitig soziale und politische Wesen («zoon politikon»), sie sind eingebettet in eine Gemeinschaft, ohne die sie ihre Fähigkeiten nicht entfalten und das gute Leben nicht verwirklichen können. Die Ethik als Wissenschaft vom guten Leben vollendet sich in der idealen Gemeinschaft, der Polis, einem unabhängigen Staat, in dem die vernünftigen Bürger gemeinsam das gute Leben verwirklichen. Freilich hatten für Aristoteles neben Frauen auch Sklaven, Kaufleute und Fremde kein Bürgerrecht. Die Bestimmung des Menschen als eines leiblichen Vernunftwesens und der praktischen Klugheit («phronesis») als der Fähigkeit, durch richtige Überlegung das in einer Situation im Sinne des menschlich Guten Angemessene zu tun, weist jedoch über die jeweilige soziale und kulturelle Praxis – und auch über Aristoteles’ eigene Vorurteile – hinaus.
Radikalisiert wird dieser Gedanke bei Immanuel Kant in der Epoche der Aufklärung (Kant 2003). Er versteht Ethik als Wissenschaft der reinen praktischen Vernunft, die Gefühl, Gemeinschaft und Kultur transzendiert. Menschen sind bei Kant wesentlich Vernunftwesen, die sich einen Begriff von der Welt machen, sich in ihrem Handeln frei bestimmen und sich als selbstbewusstes Ich verstehen können. Darin begründet sich für Kant die sittliche Achtung vor den Mitmenschen: Ich erkenne meine Vernunftfähigkeit im anderen. Darin gründet der kategorische Imperativ, den anderen nie nur als Mittel, sondern immer auch als Zweck an sich, d.h. als sich im Handeln autonom Bestimmenden zu begreifen.
Für den späten Wittgenstein hingegen gründen alle begrifflichen und moralischen Regeln letztlich in den Sprachspielen, mit denen wir aufgewachsen sind und die wir täglich spielen (Wittgenstein 1984). Wir verstehen Aussagen nur, wenn wir wissen, unter welchen Umständen wir sie verwenden können («Sprechakte»), und wir wissen dies, wenn wir die Sprachspiele praktizieren, in denen solche Sprechakte verwendet werden. Die Einsicht in moralische Prinzipien setzt also eine Gemeinschaft moralisch denkender und sprechender Wesen oder – wie man auch sagen könnte – eine Kultur der Moral («Ethos») voraus.
In der modernen Bio- und Medizinethik wird das Verhältnis von Kultur und Ethik seit den 2000er Jahren intensiv – und kontrovers – diskutiert. Bracanovic (2011) spricht von einer «kulturellen Wende» in der Bioethik, die verschiedene Ansätze einer kultursensiblen Bioethik hervorgebracht hat («Cross-Cultural Bioethics», «Cultural Engagement in Clinical Ethics», «Global Bioethics», «Postcolonial Bioethics»). Diese Wende geht auf eine kritische Auseinandersetzung mit traditionellen Modellen der Bioethik zurück (siehe Tabelle 1). Diese wurden als zu vereinfachend und zugunsten westlicher Werte voreingenommen angesehen werden. Von der Einbeziehung kultureller Aspekte erhofft man sich eine Kontextualisierung bioethischer Fragestellungen und damit eine Verbesserung der Entscheidungsfindung. Im Zentrum dieser Ansätze steht dabei der Respekt vor der kulturellen Vielfalt im Gesundheitswesen. Vertreter*innen einer kultursensiblen Bioethik betonen, dass moralische Normen immer schon in kulturelle und soziale Kontexte eingebunden und nicht unabhängig davon zu verstehen sind (Turner 2003; Chattopadhyay und Vries 2013). Der klassische, prinzipienorientierte Ansatz der Bioethik von Beauchamp und Childress (2019) basiere auf einem anglo-amerikanischen Moralverständnis und könne nicht auf andere kulturelle Kontexte übertragen werden («moral imperialism»). Dieser Ansatz sei in pluralistischen Gesellschaften nur eingeschränkt anwendbar, u.a. da er ethnografische und religiöse Informationen vernachlässige und auf Dichotomien und individuelle Autonomie fokussiere, statt auf Ausgleich und Gemeinsinn (Bowman 2004). In der Bioethik sollte es vielmehr darum gehen, die aus der kulturellen Vielfalt resultierende moralische Vielfalt anzuerkennen. Aufgabe einer kultursensiblen Bioethik sei es, eine gemeinsame Handlungsgrundlage zwischen verschiedenen Kulturen zu finden und dabei die kulturelle und moralische Vielfalt zu respektieren (Chattopadhyay und Vries 2013).
Einige Autor*innen stehen dieser Wende hin zu einer kultursensiblen Bioethik jedoch skeptisch gegenüber (Bracanovic 2011, 2013; Have und Gordijn 2011). Für Bracanovic (2011) besteht eine konzeptionelle Herausforderung bereits darin, den Kulturbegriff klar zu definieren bzw. die kulturelle Identität von Menschen eindeutig zu beschreiben. Im Einzelfall bestehe daher die Gefahr, dass Beschreibungen kultureller Aspekte vage und unbestimmt bleiben und damit für die ethische Entscheidungsfindung wenig hilfreich seien. Eine weitere Herausforderung ergebe sich aus der Tatsache, dass Kulturen adaptive Systeme seien, die angesichts des raschen natürlichen und sozialen Wandels der Gegenwart einem ständigen Wandel unterworfen seien. Dies wirft die Frage auf, ob Kulturen einen stabilen normativen Rahmen für medizinethische Fragen darstellen. Zudem würden Menschen selten alle Überzeugungen und Werte ihrer Kultur teilen. Dies berge die Gefahr der Stereotypisierung und der Vernachlässigung individueller Zugänge zu kultureller Identität. Es stelle sich daher die Frage, warum kulturelle Unterschiede stärker gewichtet werden sollten als individuelle Unterschiede. Wäre nicht vielmehr eine personensensible Bioethik erforderlich? Diese Forderung sei obsolet, da die individuellen Wertvorstellungen und Lebensentwürfe von Patient*innen durch das klassische Prinzip des Respekts vor der Autonomie hinreichend berücksichtigt würden (Bracanovic 2011). Auch Bracanovic (2011) betont die Bedeutung einer kultursensiblen Hermeneutik, d.h. die Fähigkeit, kulturell unterschiedliche Welt- und Wertvorstellungen zu verstehen. Dies impliziere jedoch keine relativistische Ethik, nach der alle kulturellen Welt- und Wertvorstellungen auch toleriert werden müssten.

Kulturelle Kompetenz und Medizinethik

In der medizinethischen Literatur hat sich weitgehend ein konstruktivistischer Kulturbegriff durchgesetzt, der Kultur als «komplexes Gewebe unzähliger aufeinander bezogener, wissensbasierter, dynamischer Praktiken und Praxisfelder» versteht, die nicht – wie im essentialistischen Kulturbegriff unterstellt – objektiv, statisch und diskret sind, sondern in Selbst- und Fremdzuschreibungen interpretativ erschlossen werden (Straub et al. 2007). Bezeichnungen wie «die albanische Kultur», «der türkische Patient», «die Familie mit Migrationserfahrung» oder «die afroamerikanische Ärztin» sind mit Vorsicht zu verwenden, da sie einen essentialistischen Kulturbegriff implizieren und mit der Gefahr der Stereotypisierung bzw. Kulturalisierung, d.h. der Zuschreibung individueller Eigenschaften aufgrund kultureller Zugehörigkeit, einhergehen. In der Praxis der klinischen Ethik dürfte eine stereotypisierende Verwendung solcher Begriffe jedoch ebenso vorkommen wie in der medizinischen Praxis (Karger et al. 2017). Für klinische Ethikberater*innen ergibt sich daraus die Verpflichtung, die stereotypisierenden Sprachformen (und dahinterliegende Machtverhältnisse) zu reflektieren und auf die einzelne Person oder die Personen, um die es geht, zurückzuführen. Ziel dieser Reflexion sollte dabei gemäss Inthorn (2018) die «Verflüssigung der Kategorien» sein, um eine Verständigung über die Identität, Erwartung und Erfahrung der Person(en) zu ermöglichen, ohne sie damit vollständig charakterisieren zu wollen.
Weniger breit rezipiert ist die These von Perkins (2008), dass der wichtigste kulturelle Unterschied in der Patientenversorgung häufig derjenige zwischen medizinischen Fachpersonen und Laien ist. Die Medizin kann aufgrund der spezifischen Ausbildung, Sprache, Praktiken, Hierarchien und des medizinischen Ethos als eigenständige Kultur gelten. In einem weiten Sinn sind selbst Gesundheitsinstitutionen als Kulturatope zu verstehen, d.h. als kulturelle Orte, die die Akteur*innen einer bestimmten Ordnung unterstellen, die vorgibt, welche Ziele nach welchen Regeln verfolgt werden sollten und was entsprechend als «erfolgreiches» Handeln gilt (Straub et al. 2007). Perkins (2008) identifiziert sechs Dimensionen, in denen typischerweise kulturelle Unterschiede zwischen medizinischen Fachpersonen und Laien auftreten (siehe Tabelle 2). Da eine Verständigung in diesen Dimensionen offensichtlich eine wichtige Voraussetzung für das Gelingen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung ist, ist diese auch moralisch geboten. Sofern diese Transferleistung in der Arzt-Patienten-Kommunikation nicht gelingt, kann es daher durchaus als Aufgabe der klinischen Ethik verstanden werden, zu einer gelingenden Verständigung zwischen Fachpersonen und Laien – direkt oder indirekt – beizutragen. Für Situationen im Klinikalltag, die aus Sicht der Beteiligten aus kulturellen Gründen moralisch problematisch erscheinen, wird in der Literatur häufig der Sammelbegriff (inter-)kultureller Konflikt verwendet. Darunter wird ein breites Spektrum an Herausforderungen verstanden, die auf eine unzureichende Verständigung oder Probleme des Dolmetschens, kulturell geprägte Verhaltensweisen und Bedürfnisse (z.B. religiöse Rituale, Speisevorschriften, Tabus, Schmerzbeschreibungen), kulturell geprägte Weltbilder und Wertvorstellungen (z.B. Krankheitsvorstellungen, Einstellungen zu Sterben und Tod, Rollenvorstellungen, Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft), Diskriminierung, Stigmatisierung und Rassismus oder den fehlenden Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zurückgehen (Ilkilic 2007; Ilkilic 2017; Würth et al. 2018; Staar und Kempny 2019; Traub 2022). Diese Herausforderungen können in allen Situationen des Klinikalltags auftreten, bei der Anamnese, der Diagnostik, dem Diagnosegespräch, der gemeinsamen Entscheidungsfindung, dem Angehörigengespräch, dem Angehörigenbesuch, der Behandlung oder der Nachsorge. Fallbeispiele zu solchen Herausforderungen finden Sie im vorliegenden Themenheft (z.B. Ilkilic 2023).

Welche Relevanz haben solche kulturellen Herausforderungen im Kontext der klinischen Ethik? Der primäre klinische Bezugspunkt sind moralische Konflikte zwischen Patient*innen, Angehörigen und Behandelnden, d.h. eine wahrgenommene Unvereinbarkeit moralischer Positionen. Neben dem moralischen Konflikt gibt es jedoch auch andere Problemtypen, die kulturell geprägt und ethisch relevant sein können. Bruchhausen (2014) hat eine hilfreiche Typologie kulturell-moralischer Probleme vorgeschlagen. Er unterscheidet zwischen 1.) Missverständnissen, die auf mangelndem Verständnis der jeweils anderen kulturell geprägten Sichtweise beruhen und die Arzt-Patienten-Kommunikation behindern, 2.) Bewertungsdifferenzen, die trotz weitgehender Verständigung und ausreichender gemeinsamer Wertebasis auf einer divergierenden Bewertung der Situation beruhen, 3.) Diskriminierung, d.h. die individuelle oder strukturelle Benachteiligung von Menschen aufgrund ihrer kulturellen Identität und 4.) Wertedifferenzen, d.h. Konflikte, die aus zumindest primär unvereinbaren moralischen Verpflichtungen resultieren. Klinische Ethiker*innen sollten sich daher bewusst sein, dass kulturelle Identitäten die Wahrnehmungen und Einstellungen in nahezu allen Handlungsfeldern der Patientenversorgung substanziell beeinflussen können und welche kulturell-moralische Probleme sich daraus ergeben können.
In der Medizinethik wurden verschiedene Ansätze vorgeschlagen, um mit solchen kulturell-moralischen Problemen umzugehen (vgl. Grützmann 2014). Orr et al. (1995) identifizierten vier Elemente, die für die Lösung solcher Probleme wesentlich sind: 1.) eine effektive Kommunikation mit Patient*innen und ihren Familien, 2.) Sensibilität für den kulturellen Hintergrund der Patient*innen, 3.) das Erkennen von kulturübergreifenden Wertkonflikten und 4.) die Kompromissbereitschaft. Zu diesen Elementen geben sie verschiedene Empfehlungen (siehe Tabelle 3) (Orr et al. 1995).
Während diese Auflistung insbesondere zur Kultursensibilität wertvolle Hinweise enthält, sind die Empfehlungen zur Erkennung und Lösung moralischer Konflikte weniger konkret. Hier setzt der dreistufige Ansatz von Jecker et al. (1995) zur Lösung kulturell-moralischer Konflikte an. Im ersten Schritt (1.) geht es darum, die zentralen Ziele zu identifizieren, die sowohl Patient*innen als auch Fachpersonen in die Begegnung mitbringen. Dazu müssten die moralischen Werte und kulturellen Orientierungen der Patient*innen und ihren Angehörigen von den Fachpersonen offen und vorurteilsfrei erfragt werden. Im zweiten Schritt (2.) seien für beide Seiten akzeptable Strategien zur Erreichung dieser Ziele zu suchen. Dies kann in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess oder in einem Familiengespräch geschehen, idealerweise mit einer transkulturell dolmetschenden Person. Im letzten Schritt (3.), der ethischen Reflexion, ist die moralische Angemessenheit der diskutierten Strategien durch die Fachkräfte zu bewerten. Diese Reflexion erfolgt nach Jecker et al. wiederum in drei Phasen: Erstens (i.) wird geprüft, ob die Strategien zwei zentralen ethischen Kriterien genügen: der Vereinbarkeit mit den persönlichen und professionellen Werten der Fachkräfte einerseits und der Vereinbarkeit mit den Werten der Patientin oder des Patienten und ihrer/seiner kulturellen Identität andererseits. Wenn dies nicht zu einer Klärung führt, sollten zweitens (ii) alle Beteiligten ihre eigenen moralischen Prinzipien und Verpflichtungen kritisch hinterfragen, um sie im Lichte der Situation neu zu interpretieren, zu ordnen oder zu modifizieren. In der dritten Phase (iii.) sollen verbleibende Differenzen in einem fairen und nichtdiskriminierenden Verfahren beigelegt werden (Jecker et al. 1995). Hinsichtlich der Ausgestaltung dieses Verfahrens bleiben viele Fragen offen. Die Autor*innen betonen, dass die divergierenden Positionen in diesem Verfahren als moralisch gleichwertig zu betrachten seien.
Andere Autor*innen, die sich um einen kompetenten Umgang mit kulturellen Konflikten bemühen, argumentieren hingegen, dass es Grenzen geben muss, was Patient*innen und Angehörige in Namen kultureller Werte moralisch einfordern können. Für Paasche-Orlow (2004) ist eine kulturell kompetente Patientenversorgung ein moralisches Gut, das sich aus der moralischen Verpflichtung zur Respektierung der Patientenautonomie und der Gerechtigkeit ergebe. Daraus abgeleitet ergebe sich die Verpflichtung von Fachpersonen, die kulturelle Identität von Patient*innen verstehen zu lernen, die kulturellen Unterschiede zu respektieren und die negativen Folgen kultureller Zugehörigkeit zu vermindern. In diesem Sinne seien kulturelle Kompetenz und westliche Medizinethik Bewegungen, die sich weitgehend gegenseitig stützen. Wenn jedoch echte moralische Dilemmata auftreten, könnten Fachpersonen nicht gezwungen werden, gegen ihr Gewissen zu handeln. Viele moralische Grundwerte seien in Gesetzen und Praxisstandards kodifiziert, und in den meisten Fällen könnten Fachpersonen bei moralischen Dilemmata ohne erhebliche Nachteile für ihre Patienten in den Ausstand treten (Paasche-Orlow 2004).
Für Hyun (2008) kann die Position des ethischen Relativismus – entgegen dem Anschein – eine tolerante Haltung zwischen verschiedenen Kulturen gerade nicht begründen, da es keine Garantie gibt, dass alle Kulturen den Wert der Toleranz anerkennen. Dazu bedürfe es der Grundüberzeugung, dass alle Menschen den gleichen moralischen Wert haben. Diese Überzeugung schließe den Gedanken ein, dass die Gesundheit und das Wohlergehen jeder Person unabhängig von kulturellen Unterschieden gleich wichtig seien. Die Grenzen der Toleranz lägen dort, wo die moralische Gleichwertigkeit von Menschen geleugnet werde. Dort sei es die Aufgabe der Fachpersonen, die moralischen Wertvorstellungen der Patient*innen und Angehörigen sanft, aber bestimmt in Frage zu stellen. Um solche Konflikte zu lösen, sei ein substantieller ethischer Dialog zwischen allen Beteiligten notwendig, zum Beispiel im Rahmen einer klinischen Ethikberatung (Hyun 2008).
Carter und Klugman (2001) gehen in ihrem Ansatz des «cultural engagement» noch spezifischer auf die Rolle der klinischen Ethik ein. Ihr Modell zielt darauf ab, die kulturellen Identitäten von Patient*in und Fachpersonen zu bewahren und gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen ihnen zu verbessern. Die Aufgaben der klinischen Ethiker*innen werden von der Moderation und Verhandlung moralischer Konflikte auf die aktive Vermittlung eines interkulturellen Verständnisses im Sinne von Kulturmittler*innen erweitert. Werden klinische Ethiker*innen um Unterstützung bei einem kulturell-moralischen Problem gebeten, sollen sie die Patient*innen und die Fachpersonen zunächst getrennt befragen, um deren Interpretation der Krankheit und des Behandlungsverlaufs zu verstehen. Die Antworten sollen verbal in einem Diagramm festgehalten werden, das den klinischen Ethiker*innen hilft, unterschiedliche Überzeugungen und Werthaltungen zu erkennen (siehe Tabelle 4). Auf dieser Basis könnten klinische Ethiker*innen einem nächsten Schritt in einen gemeinsamen Dialog mit den Beteiligten treten und gegenseitiges Verständnis und Vertrauen aufbauen. Dies ermögliche eine Annäherung der Positionen, ohne dass die Beteiligten ihr eigenes Wertesystem kompromittieren oder verändern müssten (Carter und Klugman 2001).

Ilkilic (2014) weist darauf hin, dass klinische Ethiker*innen nicht nur das Krankheitsverständnis, sondern auch die Wertvorstellungen der Patient*innen explizit untersuchen sollten. Ilkilics «integrativ-reflektierender partikularistischer Ansatz», der sich von einem universalistischen und relativistischen Ansatz abgrenzt, zielt darauf ab, kulturelle Wertvorstellungen im klinischen Ethik-Support besser zu berücksichtigen. Freiheit sei als ethisches Grundprinzip anzuerkennen, eine unreflektierte Anwendung des Autonomieprinzips sei jedoch zu vermeiden. Vielmehr sollten klinische Ethiker*innen herausfinden, was die Patient*innen selbst unter Patientenautonomie verstünden. Die individuellen, kulturell geprägten Wertvorstellungen der Patient*innen dienen dabei als Ausgangspunkt des Gesprächs. Eine unkritische Übernahme der kulturellen Praxis («kulturalistischer Fehlschluss») könne so vermieden werden. Dazu sei ein kultursensibler, ergebnisoffener Kommunikationsprozess notwendig. Erst danach könne konkretisiert werden, was dieses Autonomieverständnis für die Situation der Patient*innen und den weiteren Entscheidungsprozess bedeute. Ilkilic weist darauf hin, dass ethische Kompetenz und (inter-)kulturelle Kompetenz nicht gleichzusetzen sind – dementsprechend müsse (inter-)kulturelle Kompetenz in der Aus-, Fort- und Weiterbildung für klinische Ethiker*innen gezielt vermittelt werden (Ilkilic 2014).
Solche Programme zur Vermittlung kultureller Kompetenz in der Medizinethik existieren beispielsweise bereits in den USA (Miller und Loike 2012; Brunger 2016). Brunger nennt sechs zentrale Lernziele eines solchen Programms: 1.) Biomedizin und Medizinethik sind kulturelle Systeme; 2.) zu einer kulturübergreifenden Medizinethik gehört die kritische Selbstreflexion der eigenen Werte und Annahmen; 3.) Kultur prägt alle Entscheidungen, nicht nur die «problematischen»; 4.) wenn bioethische Prinzipien nicht mit den Wertvorstellungen der Patient*innen übereinstimmen, müssen beide auf den Prüfstand; 5.) kulturelle Zugehörigkeit ist kein Prädiktor für Überzeugungen und Verhalten einer Person; und 6.) im Kontext westlicher Gesundheitssysteme müssen Fachpersonen eine Grenze ziehen, welche Risiken sie nicht mehr verantworten können (Brunger 2016). Professionelle Standards der klinischen Ethik enthalten zudem allgemeine Verpflichtungen, die auch für den Umgang mit kulturell-moralischen Problemen relevant sind, z.B. die Fähigkeit, kulturelle Wertunterschiede zu erkennen und konstruktiv in den klinischen Ethik-Supports einzubringen (American Society for Bioethics and Humanities 2011; Akademie für Ethik in der Medizin 2019). MacDuffie et al. (2022) empfehlen obligatorische Schulungen zur Erkennung von (individueller und struktureller) Diskriminierung, Stigmatisierung und Rassismus für klinische Ethiker*innen. Zudem führen die Autor*innen in ihrem Ethik-Supportdienst Ethikberatungen, die die gesundheitliche Chancengleichheit betreffen, immer zusammen mit einer Person der Abteilung Diversity Management durch, dies vor dem Hintergrund, dass fast alle Personen in ihrem Team nicht-hispanisch und weisser Hautfarbe sind und selbst keine Rassismuserfahrungen gemacht hätten. Madison et al. (2022) fordern konsequenterweise eine Diversifizierung von Ethik-Supportteams in den USA.

Kulturell kompetente klinische Ethik

Es gibt überzeugende Gründe dafür, dass klinische Ethiker*innen sich um einen kulturell kompetenten Umgang mit Patient*innen, Angehörigen und medizinischen Fachpersonen bemühen sollten. Eine gemeinsame Entscheidungsfindung ist nur auf der Basis einer vertrauensvollen Beziehung möglich, die eine grundlegende Wertschätzung der kulturellen Identität des Gegenübers und eine ausreichende sprachliche und kulturelle Verständigung voraussetzt. Klinische Ethiker*innen sollten sich daher für eine niederschwellige Einbeziehung von professionellen Sprach- oder transkulturellen Dolmetscher*innen einsetzen und durch eine sorgfältige Exploration der Überzeugungen und Werthaltungen aller Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis beitragen. Die Vermittlung von «Kulturwissen» gehört hingegen nicht zur Aufgabe klinischer Ethiker*innen. Bei kulturell-moralischen Problemen ist ein offener Dialog mit allen Beteiligten über die bestehenden Behandlungsoptionen zu führen, eine gemeinsame ethische Abwägung der Gründe für und wider vorzunehmen und die Möglichkeit eines begründeten Kompromisses auszuloten. Dabei sind die kulturellen Wertvorstellungen der Patient*innen im Rahmen des Patientenwillens und der subjektiven Lebensqualität zu respektieren, aber auch die Grenzen dessen, was medizinische Fachpersonen im Rahmen der medizinischen Indikation und ihrer Gewissensfreiheit verantworten können. Insofern unterscheidet sich das Verfahren der ethischen Güterabwägung bei kulturell-moralischen Konflikten nicht grundsätzlich von anderen moralischen Konflikten.
Die Grundhaltung klinischer Ethiker*innen sollte ein Bewusstsein für die Bedeutung kultureller Überzeugungen und Werte für die Gesundheitsversorgung und für die eigene kulturelle Identität, eine Selbstreflexion der eigenen kulturellen Vorannahmen und Verhaltensweisen, Bescheidenheit hinsichtlich dessen, was man über kulturelle Identitäten zu wissen glaubt, eine Haltung des Respekts und der Wertschätzung anderer kultureller Identitäten und ein Engagement für gesundheitliche Chancengleichheit beinhalten.
Auf der strukturellen Ebene einer Ethikberatungsstelle sollten sich klinische Ethiker*innen für die Etablierung von Netzwerken mit Kooperationspartnern bei kulturell-moralischen Problemen sowie für eine angemessene Aus-, Fort- und Weiterbildung in kulturell kompetenter klinischer Ethikberatung einsetzen.
Für die Umsetzung eines kulturell kompetenten klinischen Ethik-Supports kann eine Liste konkreter Dos und Don’ts hilfreich sein (siehe Tabelle 5).

Fazit

Sprache, kulturelle Identität und Wertvorstellungen von Patient*innen, Angehörigen und medizinischen Fachpersonen beeinflussen massgeblich die Patientenversorgung und können im Einzelfall zu kulturell-moralischen Problemen wie Missverständnissen, Bewertungsdifferenzen, Diskriminierungen oder Wertkonflikten führen. Von der klinischen Ethik ist zu erwarten, dass die Mitarbeitenden sensibel, reflektiert, empathisch, respektvoll und fair – eben kulturell kompetent – mit solchen Problemen umgehen können.

Dr. sc. med. Jan Schürmann

Abteilung Klinische Ethik, Universitätsspital Basel (USB)
Spitalstrasse 22
4031 Basel

jan.schuermann@usb.ch

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Palliative Care im Migrationskontext

Palliative Care im Migrationskontext ist primär eine auf den jeweiligen Menschen zugeschnittene diversitätssensible Behandlung und Betreuung. Menschen mit Migrationshintergrund haben bei schwerer fortgeschrittener Erkrankung grundsätzlich ähnliche Bedürfnisse wie der Rest der Bevölkerung: Sie möchten möglichst frei von Schmerzen und anderen belastenden Symptomen sein und wünschen sich im Sterben Beistand durch ihre Angehörigen sowie Unterstützung durch kompetente Gesundheitsfachpersonen, mit denen sie sich wenn immer möglich in ihrer Muttersprache unterhalten können. Eine transkulturelle Kompetenz und Erfahrung in der Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund erleichtert es, Werte, Wünsche, aber auch Sorgen und Ängste der kranken Menschen aus der Migrationsbevölkerung und ihrer Angehörigen zu verstehen und ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. Bestimmend hierfür ist oftmals nicht die Ursprungskultur der Betroffenen, sondern ihre Lebens- und Migrationsgeschichte, ihre Bildung, ihr sozioökonomischer Status und ihre Position und Rolle innerhalb des sozialen Umfeldes. Gespräche über die Natur und Prognose einer ernsten Erkrankung sollen immer primär mit der betroffenen Person geführt werden. Nur falls diese Gespräche und die Entscheidungshoheit an ein Familienmitglied delegiert, kommt eine indirekte Kommunikation in Frage, wobei darauf zu achten ist, dass Entscheidungen im Sinne des erkrankten Menschen und nicht der stellvertretend entscheidenden Person gefällt werden.

Einführung

Palliative Care ist gemäss Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patientinnen und Patienten sowie ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen. Dies geschieht durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitige Erkennung, sorgfältige Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie anderen Problemen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art [1].
Obwohl in den letzten beiden Jahrzehnten immer wieder nachgewiesen werden konnte, dass der Einsatz von Palliative Care zu einer Verringerung der Symptomlast und zu einer Verbesserung der Lebensqualität führt [2,3,4,5], ist bekannt, dass ein Teil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund die Angebote von Palliative Care deutlich seltener nutzt und auch mit der Betreuung am Lebensende unzufriedener ist als derjenige Bevölkerungsanteil ohne Migrationshintergrund [6,7,8]. Die Gründe für die vergleichsweise seltenere Inanspruchnahme der Angebote sind vielfältig. Bemerkenswert aus Sicht der Leistungserbringenden ist sicher die Tatsache, dass die Angebote noch viel zu wenig auf die Migrationspopulation zugeschnitten sind: Im Rahmen einer vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) in Auftrag gegebenen Studie zeigte sich, dass bei den zehn grössten Anbietern von Spezialisierter Palliative Care in der Schweiz lediglich Informationsmaterial in den Landessprachen zur Verfügung stand, nicht aber in denjenigen der wichtigsten Migrationspopulationen. Nach eigener Einschätzung war nur bei den wenigsten der untersuchten Institutionen genügend transkulturelle Kompetenz bei den Fachpersonen vorhanden [9].
Wenn in der Schweiz der Begriff der Bevölkerung mit Migrationshintergrund verwendet wird, sind damit alle in der Schweiz lebenden Menschen ohne Schweizer Pass gemeint, aber auch Eingebürgerte und Kinder von Menschen, die nicht als Schweizerinnen oder Schweizer geboren wurden. Insgesamt sind dies in der Schweiz 37,2% der Bevölkerung [10]. In Deutschland lag der Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationshintergrund im Jahr 2022 bei 28,7% [11], in Österreich bei 26,4% [12].
Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist sehr heterogen, namentlich was die Altersstruktur, die Lebensbedingungen im Herkunftsland, die Kultur, die Aufenthaltsdauer und den aufenthaltsrechtlichen Status, den Bildungsstand, den ausgeübten Beruf sowie das Einkommen betrifft [13]. In der Schweiz lebende Menschen aus Nord- und Westeuropa sind im Gegensatz zu den restlichen ausländischen Staatsangehörigen gebildeter sowie einkommensstärker und haben ausgezeichnete Lebensbedingungen [14]. Der Zugang zu den Angeboten von Palliative Care dürfte für diese Bevölkerungsgruppe vergleichbar sein mit demjenigen der seit Jahren ortsansässigen Schweizer Bevölkerung. Man darf auch davon ausgehen, dass diesen Menschen der uns mittlerweile vertraute Ansatz von Palliative Care bekannt ist. Dieser hat sich in Mittel- und Nordeuropa sowie Nordamerika als ein kulturelles Konzept angelsächsisch und säkular geprägter hochentwickelter Wohlstandsgesellschaften entwickelt, ausgerichtet auf individuelle Autonomie und informierte Entscheidungsfindung durch die kranken Menschen selbst [9]. Dieser Fokus auf Selbstbestimmung und eigenständige Entscheidungen ist Menschen aus Südosteuropa und aus den meisten aussereuropäischen Staaten ausser denjenigen aus Nordamerika und Australien mehrheitlich nicht vertraut. Hinzu kommt, dass diese Population von doch deutlich über einer halben Million Menschen gegenüber der einheimischen Schweizerischen Bevölkerung in vielerlei Hinsicht benachteiligt ist: Typisch ist oftmals ein geringer Bildungsstand, aufgrund mangelnder sozialer Beziehungen eine schlechte Integration, finanzielle Schwierigkeiten und oftmals auch ein unbefriedigender Gesundheitszustand [14].
Es ist davon auszugehen, dass sämtliche Menschen mit Migrationshintergrund am Ende des Lebens grundsätzlich ähnliche basale Bedürfnisse haben wie der Rest der Bevölkerung in der gleichen Situation: Auch sie wünschen sich ein schmerz- und symptomarmes Sterben und möchten Zeit mit ihrer Familie oder ihren Freunden verbringen. Daneben kann es aber zusätzliche spezifische Bedürfnisse geben; zu den wichtigsten gehört wohl der Wunsch, mit Gesundheitsfachpersonen in der eigenen Sprache kommunizieren zu können [13].
Daneben werden in der Literatur zahlreiche weitere Punkte aufgeführt, die vor allem für die Migrationsbevölkerung aus Südosteuropa, teilweise auch für diejenige aus Südeuropa und diejenige aus aussereuropäischen Staaten von Relevanz sind (Tabelle 1) [9,13,15].

Kultur und transkulturelle Kompetenz

Nach Cain CL et al. entspricht Kultur einem dynamischen Konzept, das sich beeinflusst durch historische, politische und soziale Gegebenheiten fortlaufend entwickelt und anpasst. Im Rahmen dieses Konzeptes bilden sich Subgruppen von Menschen, die sich einander zugehörig fühlen. Diese Subgruppen schaffen für sich ein System von Überzeugungen, Werten und Lebensstilen, das ihren Mitgliedern ein Gefühl von Sicherheit, Identität und Lebenssinn vermittelt [16].
Angesichts der sich aus dieser Definition ergebenden Komplexität ist es offensichtlich nicht zielführend, wenn in der Medizin und ganz speziell in der Palliative Care Abklärungs- und Behandlungswege sowie Kommunikationsmuster für Menschen zum Beispiel aus der Türkei, aus Ex-Jugoslawien oder aus Subsahara-Afrika entwickelt und angewandt werden. In einer multikulturellen Gesellschaft ist Diversität kaum noch durch das Herkunftsland als geographische oder politische Struktur bestimmt, sondern vielmehr durch Alter, Geschlecht, Bildung, soziokulturelle Biographie, familiären, ökonomischen und rechtlichen Status, sowie durch physische, psychische Fähigkeiten, sexuelle Orientierung und Religion.
Unbestritten ist allerdings die Tatsache, dass in multikulturellen Gesellschaften die soziökonomische Schichtung für die Gesundheitsversorgung von hoher Relevanz ist. Sozioökonomisch schlechter gestellte Subgruppen sind weltweit bezüglich ihrer Gesundheit gegenüber Mitgliedern der in einer Gesellschaft dominierenden Gruppe benachteiligt. Wenn nun im Bereich der Palliative Care für gewisse Subgruppen deren Werte und deren Umgang mit lebensbedrohlichen Erkrankungen untersucht und berücksichtigt werden sollen, muss dies immer auch im Lichte der sozioökonomischen Benachteiligung dieser Subgruppe gegenüber der in einer Gesellschaft dominierenden Population geschehen [17]. Das Erkennen und Verstehen von Werten, Vorstellungen und Bedürfnissen von gewissen Subgruppen ermöglicht letztlich Vertrauen zu schaffen zwischen ernsthaft erkrankten sowie den ihnen nahestehenden Menschen und den Gesundheitsfachpersonen. Sozioökonomisch benachteiligte Gruppen empfinden oftmals ein Misstrauen gegenüber den etablierten Gesundheitsversorgungsstrukturen. Für eine Verbesserung der Palliativbetreuung dieser Menschen muss dieses Misstrauen daher verstanden und angegangen werden [7].
Auch wenn der Umgang mit dem Konzept der Kultur in der Medizin nach wie vor nicht einfach ist, so steht uns mit dem Begriff der transkulturellen Kompetenz seit einigen Jahren ein Werkzeug zur Verfügung, das hilfreich ist, Werte, Wünsche, Bedürfnisse, aber auch Ängste und Sorgen der von uns betreuten Menschen zu verstehen und in die Behandlung miteinzubeziehen [18].
Im Wesentlichen geht es dabei um Selbstreflexion, Hintergrundwissen und Erfahrung sowie narrative Empathie. Unter narrativer Empathie versteht man eine wertschätzende, respektvolle und interessierte Haltung, die kombiniert mit der Selbstreflexion eine Beziehungsgestaltung sowie den Einbezug individueller Lebenswelten ermöglicht. Die Narration spielt nach Domenig D. eine bedeutende Rolle im Bewältigungsprozess einer Krankheit. Erst die Narration stelle den kranken Menschen in den Mittelpunkt, indem die Krankengeschichte zu einer wirklichen Geschichte ausgeweitet werde.

Behandlungspräferenzen

Die Berücksichtigung der individuellen Behandlungspräferenzen am Lebensende gehört zu den Hauptzielen einer guten palliativmedizinischen Versorgung. Man weiss, dass in den Ländern Mittel-und Nordeuropas, aber auch in den USA Mitglieder von Migrationspopulationen resp. ethnische Minoritäten bei weit fortgeschrittener Erkrankung eher intensivere und auf Kuration ausgerichtete Behandlung wünschen, als dies bei der im entsprechenden Land dominanten Bevölkerungsgruppe der Fall ist. Auf der anderen Seite erstellen Mitglieder dieser Minoritäten im Vergleich zur dominanten Bevölkerungsgruppe viel seltener Patientenverfügungen [19].
Die Gründe hierfür sind vielfältig: Sicher spielt Unkenntnis bei den Betroffenen über die Bedeutung einer Patientenverfügung eine Rolle, sowie auch die Tatsache, dass Menschen mit Migrationshintergrund von Gesundheitsfachpersonen aus verschiedenen Gründen gar nicht auf eine gesundheitliche Vorausplanung angesprochen werden. Man weiss aber auch dass viele Menschen aus einem gewissen Misstrauen gegenüber den etablierten Gesundheitsstrukturen ihre Behandlungspräferenzen lieber in mündlicher Form einem Familienmitglied anvertrauen in der Überzeugung, dass diese Person sich für eine den Bedürfnissen der betroffenen Person gerecht werdende Betreuung am Lebensende einsetzen wird [20]. Auch wenn der Stellenwert der individuellen Autonomie bezogen auf Behandlungsentscheidungen für gewisse Mitglieder der Migrationspopulation nicht derselbe ist wie für die ortsansässige Bevölkerung, sollten Gesundheitsfachpersonen im Idealfall frühzeitig, spätestens aber, wenn sich eine Palliativsituation einstellt, mit den Betroffenen über ihre Behandlungspräferenzen sprechen. Dies vermittelt ihnen einen Einblick in die Vorstellungen des kranken Menschen zum Umgang mit schwerer Krankheit, Sterben und Tod und ermöglicht diesem, ganz bestimmte Wünsche zur Sterbebegleitung und zum Umgang mit dem Leichnam nach dem Tod zu äussern. Das Gespräch an sich hat einen eigenständigen Wert für die Betroffenen, aber auch für die ihnen nahestehenden Menschen und die betreuenden Gesundheitsfachpersonen. Auch wenn die erkrankte Person kein eigentliches Dokument verfassen möchte, wird es mehrheitlich möglich sein, in einer Patientenverfügung resp. einem Vorsorgeauftrag eine für medizinische Entscheidungen zuständige Vertretungsperson zu bezeichnen.

Krankheitsverständnis – Sprechen über Sterben und Tod

Nur informierte kranke Menschen sind in der Lage, ihre Behandlungswünsche zu äussern und Entscheidungen zu treffen. Nicht selten werden Gesundheitsfachpersonen von Angehörigen eines schwer kranken Menschen gebeten, diesem die Ernsthaftigkeit der Erkrankung zu verschweigen und überhaupt nicht mit dem kranken Menschen selbst, sondern mit einer ihn vertretenden Person über Krankheit, Verlauf und Prognose zu sprechen. Gerade in eher sozioorientierten Gesellschaften ist es durchaus üblich, dass ein Familienmitglied in der Regel im stillschweigenden Einverständnis mit dem betroffenen schwer kranken Menschen Entscheidungen für ihn fällt, auch wenn dieser hierfür durchaus noch urteilsfähig wäre. Wird ein solcher Wunsch an eine Gesundheitsfachperson herangetragen, gilt es, dem gegenüber Respekt zu zeigen und nachzufragen, weswegen dem kranken Menschen Diagnose und Prognose nicht mitgeteilt werden sollen. Es ist durchaus richtig und angezeigt, dass die Gesundheitsfachperson dann auch ihre eigenen Werte kommuniziert. In jedem Fall soll der kranke Mensch selbst direkt gefragt werden, ob er mit dieser indirekten Kommunikation über ein Familienmitglied einverstanden ist [21]. Sollte der kranke Mensch mit dieser indirekten Kommunikation einverstanden sein, wird die Vertretungsperson informiert, wobei diese im Gespräch befähigt werden muss, Entscheidungen im Sinne des kranken Menschen zu treffen und nicht gemäss ihren eigenen Wertvorstellungen und Bedürfnissen. In diesem Gespräch mit der betroffenen oder der stellvertretend für sie kommunizierenden und entscheidenden Person soll in Erfahrung gebracht werden, was und wieviel der erkrankte Mensch zu seiner Krankheit weiss – zur Ernsthaftigkeit, zum Verlauf und zur Prognose; aber auch wie er die Krankheit interpretiert, weswegen er denkt, krank geworden zu sein und ob er mit seinen Angehörigen über die Krankheit spricht. Entscheidend ist, welche Verläufe in Betracht gezogen werden; macht sich die kranke Person Gedanken, dass sie an dieser Erkrankung sterben könnte und spricht sie dies aktiv an? Wichtig ist, dass in diesem sensiblen Bereich der kranke Mensch resp. die Vertretungsperson nicht mit Botschaften überhäuft wird, die nicht verarbeitet werden können. Mit vorsichtigem Fragen gelingt es, in Erfahrung zu bringen, was der kranke Mensch weiss, was er wissen möchte, aber auch was er nicht wissen möchte. Nicht selten werden Erkrankte oder ihre Angehörigen zum Ausdruck bringen, dass in ihrem Umfeld die Ansicht vorherrscht, Sprechen über das Lebensende könne den Tod beschleunigt herbeiführen; Gesundheitsfachpersonen werden sogar gelegentlich von Angehörigen gebeten, dem kranken Menschen zu kommunizieren, dass er wieder gesund werde, obwohl medizinisch gesehen eine Heilung nicht mehr möglich ist. In einem derartigen Fall darf einerseits keinesfalls Hoffnung auf vollständige Genesung vermittelt werden; andererseits ist es für gewisse Menschen auch nicht richtig, ihnen klar zu kommunizieren, dass keine Hoffnung auf
Heilung mehr besteht. Diesem Umstand tragen die 2006 publizierten und 2013 dem Erwachsenenschutzrecht angepassten medizin-ethischen Richtlinien der SAMW Palliative Care Rechnung, indem dort festgehalten ist: Manchmal möchte sich ein Patient nicht realistisch mit seiner Krankheit auseinandersetzen. Diese Haltung ist zu respektieren. Sie erlaubt dem Kranken, Hoffnungen zu hegen, die ihm helfen können, eine schwierige Situation besser auszuhalten. Hoffnung hat einen eigenständigen Wert, welcher palliative Wirkung entfalten kann. Drücken Angehörige den Wunsch aus, den Kranken vor schlechten Nachrichten zu schonen, oder umgekehrt die Verleugnung der Krankheit durch den Patienten nicht zu berücksichtigen, müssen die Hintergründe für solche Wünsche thematisiert werden. Das Recht des Patienten auf Aufklärung bzw. Nicht-Wissen steht jedoch über den Wünschen der Angehörigen [22].

Umgang mit belastenden Symptomen

Es empfiehlt sich, im Gespräch mit schwer kranken Menschen in Erfahrung zu bringen, was ihre Krankheit für sie bedeutet, wie sie mit belastenden Symptomen wie Schmerzen und Atemnot umgehen und welche Unterstützung sie sich von den Gesundheitsfachpersonen erhoffen. Das Schmerzerleben ist geprägt durch Erziehung, Sozialisation sowie durch individuelle Erfahrungen, physische und psychische Faktoren. Oftmals beeinflusst auch die Religion die Bewertung von Schmerzen, indem diese in gewissen Fällen als Zeichen einer göttlichen Macht interpretiert und als (Glaubens-)Prüfung für die Betroffenen wahrgenommen werden [23]. De Graaf FM et al. haben Menschen mit türkischem und marokkanischem Migrationshintergrund befragt, was für sie eine gute palliative Pflege bedeute: Die Befragten wiesen neben anderen Aspekten darauf hin, dass es für Angehörige ihrer Gemeinschaft ein zentrales Anliegen sei, mit einem klaren Kopf, das heisst nicht sediert, zu sterben, um bewusst von den Angehörigen Abschied nehmen oder auch um unmittelbar nach dem Tod bei klarem Verstand vor Allah treten zu können [24]. Dies ist für Gesundheitsfachpersonen oftmals nicht einfach zu akzeptieren und kann zu einem moralischen Dilemma führen, da sie einerseits Leiden lindern und zugleich den Wünschen des kranken Menschen gerecht werden möchten.

Bedürfnisgerechte Gestaltung des Lebensendes

Wann immer ein Gespräch über den Umgang mit schwerer Krankheit, Sterben und Tod möglich ist, empfiehlt es sich, mit den Betroffenen resp. deren Vertretungsperson zu besprechen, worauf am Lebensende und auch nach dem Eintreten des Todes zu achten ist. Dabei ist zu klären, wer beim Sterben dabei sein soll, ob eine spirituelle Begleitung und Unterstützung gewünscht ist und worauf von Seiten der Gesundheitsfachpersonen zu achten ist. Wichtig ist es dabei, darauf zu achten, dass es nicht zu Situationen kommt, die vom kranken Menschen oder seinen Angehörigen als beschämend wahrgenommen werden. Dies betrifft insbesondere die Pflege vor dem Tod und auch den Umgang mit dem Leichnam nach dem Tod. Für viele Menschen ist es ein zentrales Anliegen, dass sie oder ihre Angehörigen in diesen sensiblen Momenten sicher von einer Person des gleichen Geschlechts und je nachdem auch von jemandem aus dem eigenen Kulturkreis betreut oder nach dem Tod gewaschen und angekleidet werden. Insbesondere ist auch zeitgerecht zu klären, ob der kranke Mensch in seinem Heimatland versterben möchte. Dann sind frühzeitig die entsprechenden Transporte zu organisieren und Dokumente bereitzustellen.

Konkretes Vorgehen im Rahmen der Behandlung von schwer kranken Menschen am Lebensende

Hilfreich für eine den Bedürfnissen des kranken Menschen und seiner Angehörigen gerecht werdende Betreuung von Menschen in Palliativsituationen sind sicher die im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit erstellten Checklisten für eine migrationssensitive Palliative Care: Fragen an den Patienten, die Patientin / Fragen an die Angehörigen [25]; die Checklisten orientieren sich am SENS-Modell zur Problemstrukturierung in der Palliative Care (S=Symptommanagement, E=Entscheidungsfindung, N=Netzwerk-Organisation, S=Support der Angehörigen) [26]. Die entsprechenden Fragen können nach Bedarf situativ mit dem betroffenen Patienten resp. den Angehörigen durchgegangen werden und sollen dabei helfen, die Bedürfnisse des erkrankten Menschen und seiner Angehörigen besser zu verstehen.
Für eine erste Orientierung eignet sich auch das von Cain CL et al. in Anlehnung an Koenig BA und Gates-Williams J sowie an Kagawa-Singer M und Blackhall LJ entwickelte Assessment mit dem Ziel, die individuelle Haltung der betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen sowie deren Überzeugungen und ihren Glauben im entsprechenden Umfeld in Erfahrung zu bringen, wobei es auch darum geht, wie Personen Entscheidungen fällen und über welche Ressourcen sie verfügen (Tabelle 2) [16,27,28].

Schlussfolgerungen

Palliative Care im Migrationskontext ist primär eine diversitätssensible Palliative Care. Diversitätssensibel bedeutet, dass Gesundheitsfachpersonen in der Lage sein sollten, sich einen Einblick in die Lebenswelt jedes einzelnen Menschen und der ihm nahestehenden Personen zu gewinnen. Es geht darum, die Lebensgeschichte und das Krankheitsverständnis eines Menschen zu erfassen und zu erkennen, wo dieser Mensch Prioritäten setzt, sei dies im Bereich der autonomen Entscheidungsfindung oder der Lebensqualität und insbesondere natürlich der Linderung von belastenden Symptomen. Die individuellen multidimensionalen Bedürfnisse müssen verstanden werden und genau gleich wie bei der ansässigen Bevölkerung ist zu klären, was und wieviel der erkrankte Mensch im Voraus planen und entscheiden möchte. Besonders wichtig ist die Rolle der Angehörigen und anderer nahestehender Menschen. Hier gilt es zu klären, wer welche Rolle hat, in welchem Mass Angehörige informiert werden oder gar in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden wollen und sollen und schliesslich welche Unterstützung und Begleitung sie benötigen. Dies alles sind Kernelemente einer guten individuellen palliativmedizinischen Versorgung; ob dies nun Menschen aus einer uns fremden Kultur betrifft oder Menschen aus unserem eigenen Kulturkreis spielt letztlich eine untergeordnete Rolle.
Auf systemischer Ebene sind nach wie erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zu den Angeboten von Palliative Care zu erleichtern. Dies beginnt mit der Bereitstellung von Informationsmaterial in ihrer Muttersprache über die Aus- und Weiterbildung sowie Finanzierung von transkulturell kompetenten Dolmetschenden und Gesundheitsfachpersonen bis hin zur Anpassung der Versorgungsstrukturen an die Bedürfnisse dieses ohnehin schon sehr vulnerablen und oftmals strukturell benachteiligten Kollektivs von kranken Menschen und ihren Angehörigen.

PD em Dr. med. Klaus Bally

Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH
Universitäres Zentrum für Hausarztmedizin beider Basel, uniham-bb
Kantonsspital Baselland
Rheinstrasse 26
4410 Liestal

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