Das Ende des «Medico-Ökozän»?

«Die Verschlechterung des Gesundheitswesens ist krass» (Basler Zeitung 2023); «Wir stehen am Rande des Zusammenbruchs» (Sonntagszeitung 2023); «Bis das System irgendwann kollabiert» (NZZ 2022) …

Solche oder ähnliche Schlagzeilen ist man seit Jahren gewohnt und sie entlocken der Leserin und dem Leser vielleicht noch ein Kopfnicken und einen beiläufigen Kommentar. Nun wird aber ein neues Szenario angemahnt: «Unterversorgung mit Ansage» (SaeZ Nr.7.2023). In ihrem Leitartikel analysiert die FMH-Präsidentin Yvonne Gilli präzis die Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen und kommt zum Schluss: die Aussichten sind düster, eine schnelle Lösung der Probleme ist nicht realistisch. Nur, ganz so neu ist diese Erkenntnis nicht. Schon 2014 hat die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) in ihrem Positionspapier: «Medizin und Ökonomie – wie weiter?» in fast prophetischer Weise auf die Gefahren hingewiesen, welche durch eine fehlgeleitete Ökonomisierung und zunehmende Kommerzialisierung der Medizin entstehen. So sind etwa Qualitätseinbussen durch fehlgeleitete Effizienzsteigerung oder Interessenkonflikte, in denen sich Ärztinnen und Ärzte gegenüber den medizinischen Institutionen befinden, Folgen dieses Systems. Eine andere, nicht weniger üble Auswirkung ist die Unterwanderung der Beziehung zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient. Diese wirkungsvolle und therapeutisch wertvolle Verbindung wird durch betriebswirtschaftliche Prozesse, standardisierte und maximierte Arbeitsabläufe zunehmend erodiert. Die Zeit, welche für die ärztliche Konsultation zur Verfügung steht, wird vermehrt reglementiert, reduziert, kontrolliert und «optimiert». Die Patientinnen und Patienten reklamieren zu Recht, dass die Ärztin/der Arzt sich immer weniger Zeit für sie nehmen können. So werden die Patientinnen und Patienten ihrer Persönlichkeit beraubt, sie sind zu Leistungsempfängern degradiert worden und ihre Krankheit verkommt im Gesundheitsmarkt zur Ware.

Der Arztberuf als freier Berufsstand, mit seinem Berufsethos, dem «medical professionalism» als eigentlichem Nucleus, welcher die sinngebende ärztliche Tätigkeit induziert, hat einen schweren Stand und fristet innerhalb der «ökonomisierten Medizin» ein Schattendasein. Als Ausdruck der Geringschätzung des «medical professionalism» in diesem System sei an die Semantik von Ärztin/Arzt zu Leistungserbringern erinnert, welche vor mehr als 20 Jahren den Paradigmenwechsel einleitete. Zudem wird der Beruf der Ärztin/des Arztes «deprofessionalisiert»: die ärztliche Zuständigkeit und die Selbständigkeit nehmen ab, das ärztliche Handeln hängt immer mehr von anderen Mitspielern wie beispielsweise den Juristen, den Versicherern, den Ethikern und Managern ab. Aber auch innerhalb der Medizin besteht die Gefahr, dass die vermehrte Spezialisierung und Fragmentierung selbst zu Abhängigkeiten führt, da sich nicht mehr alle an die Richtlinien des eigenen Berufsethos halten. Das Berufsbild erodiert und verliert so an Attraktivität.

Scheint sich langsam die Epoche der fehlgeleiteten Ökonomisierung, das «Medico-Ökozän», wie man es nennen könnte, selbst zu erledigen?

Wäre es nicht an der Zeit, dass sich die Stakeholder des Gesundheitswesens einmal ihre eigenen Positionen und Standpunkte überdenken?

Ist es so falsch, als ersten Schritt der notwendigen Kulturänderung das Genuine der ärztlichen Tätigkeit – die Arzt-Patientenbeziehung – ins Zentrum der Diskussion zu setzen?

Ist es so falsch, dafür den Patientinnen und Patienten (nicht den Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfängern) und den Ärztinnen und Ärzten die notwendige Zeit zur Verfügung zu stellen? Zeit, die nicht kleinkrämerisch tarifiert und rationiert wird, sondern so, dass sie effektiv zur Genesung der Kranken beitragen kann?

Bewahren uns nicht ein aufmerksames Zuhören, eine zielgerichtete Anamnese, eine professionell durchgeführte klinische Untersuchung und ein vertrauliches ärztliches Gespräch vor unnötigen medizinischen Untersuchungen und Prozeduren, welche um einiges kostenintensiver sind?

«Der Standpunkt einer Kultur ist immer der Standpunkt ihrer Mitmenschlichkeit» (Adalbert Stifter).
Die Ärzte dürfen nicht in der Rolle der Betroffenen verharren. Als Partner im Gesundheitswesen ist ihre Rolle als Akteure gefragt!

Dr. med. Christian Häuptle

Dr. med. Christian Häuptle

Otmarweg 8, 9200 Gossau

haeuptle@hin.ch

18. Cardio Update 2023

Auch dieses Jahr berichten wir über einige Highlights des alljährlichen, zweitägigen, ausgezeichneten Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Berlin respektive Mainz. In diversen Vorträgen wurden am 24. und 25. Februar beziehungsweise am 17. und 18. März die neuesten relevanten Fachpublikationen aus dem Jahre 2022 von Experten besprochen und gewertet.

Hot Topic Kardioonkologie

Eine der drei Hot Topic Sessions war die Kardioonkologie. In einem sehr schönen Referat hat Prof. Dr. T. Rassaf aus Essen die erste ESC Leitlinie Kardioonkologie 2022 dargestellt (1, 2, 3). Die Bedeutung dieser Disziplin hat deutlich zugenommen, sind doch Herzkreislauferkrankungen und Krebsleiden die häufigsten Todesursachen in Europa, und hat die Überlebensrate nach Krebserkrankung in den letzten Jahren stark zugenommen. Ziel der neuen Guideline ist es, Therapieansätze zu personalisieren, um die Tumortherapie-bedingte kardiovaskuläre (cv) Toxizität zu minimieren und sowohl die Krebs- als auch die cv-Ergebnisse zu verbessern. Die Leitlinie bietet Hilfe für die Definition, Diagnose, Behandlung und Prävention von onkologisch bedingter cv-Toxizität und das Management von cv-Erkrankungen, die direkt oder indirekt durch Krebs verursacht werden. Durch die deutlich bessere Langzeitprognose moderner onkologischer Therapien ist es entscheidend, potentielle kardiotoxische Nebenwirkungen früh zu identifizieren und korrekt zu behandeln.
Neben den toxischen Kardiomyopathien mit Entwicklung einer Herzinsuffizienz müssen Arrhythmien und QT-Verlängerungen, arterielle und venöse Thromboembolien, Klappenvitien, Perikard-erkrankungen, koronare und arterielle Gefässerkrankungen und die Hypertonie als Folge onkologischer Therapien früh erkannt und behandelt werden.
Es gibt drei resp. vier Phasen der Mitbetreuung in der Kardioonkologie (Abb. 1). In der ersten Phase vor der onkologischen Therapie bedarf es einer Standortbestimmung des individuellen Risikos. Dieses ist Patienten und Therapie assoziiert. Zur Risikoevaluation hat man den HFA-IC-OS Risc Score eingeführt (Abb. 2). Patienten können mittels guter Anamnese (inkl. kardiovaskulär und onkologisch), einer gründlichen klinischen Untersuchung, einem 12-Abl. EKG, einer Echokardiographie (2D-EF, 3D-EF, LV Vol., GLS) und Biomarkern (hs-Tn, NT-pro BNP) identifiziert und in Risikokategorien klassifiziert werden. Bei hohem resp. sehr hohem Risiko muss der Patient vor einer kardiotoxischen Krebstherapie kardiologisch beurteilt werden (Klasse I).
Während einer onkologischen Therapie bedarf es erneuter kardiologischer Kontrollen, um kardiotoxische Komplikationen rasch zu erkennen und zu behandeln. Je nach onkologischer Therapie (Anthrazykline, HER-2, ICI u.a.) gibt es sehr hilfreiche Kontroll-Tabellen. Eine Chemotherapie kann zur Freisetzung kardialer Biomarker führen. Eine Erhöhung des hs-Troponins ist mit einer LV-Dysfunktion assoziiert.

Erste Daten zum GLS (global longitudinal strain) in der Echokardiographie zeigen, dass ein isoliert reduzierter GLS vor Therapiebeginn und ein Abfall unter onkologischer Therapie von 15% mit einem erhöhten Risiko für eine spätere Kardiotoxiziät assoziiert ist. So ist eine frühzeitige Erfassung einer subklinischen LV-Dysfunktion möglich und mittels einer Therapie mit ACE-H./BB/SGLT2-H. kann ein späterer EF-Abfall verhindert werden. Diese Medikamente wirken kardioprotektiv (IIa). Es kommt auch zu einer verringerten Troponinfreisetzung.
Die modernen Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI), welche die Immunabwehr aktivieren und u.a. bei Lungenkrebs und Melanom eingesetzt werden, verursachen bei 9,7% der Patienten kardiale Events im 1. Jahr. 1-2% der Patienten erleiden eine autoimmun bedingte Myokarditis mit sehr unterschiedlicher Symptomatik und deutlich erhöhter Mortalität innerhalb der ersten 6 Wochen. Weitere kardiale Schädigungen sind: Perikarditis, Arrhythmien, ACS, Takotsubo, LV-Dysfunktion und eine beschleunigte Atherosklerose. Daher sind kontinuierliche, langfristige kardiologische Kontrollen notwendig. Auch andere Organsysteme sind betroffen – Haut, Colitis, Pneumonitis, Hepatitis, Nephritis, Myositis u.a.
Deshalb wird ein spezielles Monitoring (Biomarker, EKG, TTE) unter ICI-Therapie empfohlen.
Auch nach einer onkologischen Therapie muss nach einem Jahr und im Langzeitverlauf der Patient resp. die Patientin auch kardiologisch regelmässig kontrolliert werden, um potentielle kardiovaskuläre Schädigungen zu erkennen und zu behandeln. Die Häufigkeit der kardialen Kontrollen richtet sich auch hier nach dem basalen kardiovaskulären Risiko und der spezifischen onkologischen Therapie und deren Nebenwirkungen – HFA-IC-OS Risc Score. Auch bei jungen Erwachsenen, welche als Kind erfolgreich onkologisch therapiert wurden, sind regelmässige kardiologische Verlaufskontrollen sehr wichtig. Bei einer Anthrazyklin-Behandlung und einer thorakalen Bestrahlung als Kind besteht ein besonders hohes Risiko von fast 50%. Auch Jahre nach einer Bestrahlung der linken Brust bei einem Mamma-Ca oder einem thorakalen Morbus Hodgkin besteht ein erhöhtes koronares Risiko.
Eine gute, enge und andauernde Zusammenarbeit zwischen Onkologen, Kardiologen und weiteren involvierten Ärzten ist bei diesen Risiko-Patienten essentiell.

Fazit für Klinik und Praxis:

  • Die onkologische Kardiologie ist ein integraler Bestandteil der Behandlung von Krebspatienten.
  • Die neue ESC-Leitlinie bietet dezidierte Empfehlungen für die Diagnose und Behandlung von betroffenen Patienten.
  • Komplikationen durch Krebsimmuntherapien werden die Kardioonkologie in Zukunft massgeblich beeinflussen.
  • Die Stratifizierung des Toxizitätsrisikos vor Therapiebeginn ist wichtig; engmaschige Überwachung bei hohem Risiko und multidisziplinäre Diskussionen bezüglich des weiteren Managements sind entscheidend.

Literatur:
1. Lyon AR et al., 2022 ESC Guidelines on cardio-oncology entwickelt in Zusammenarbeit mit der European Hematology Association (EHA), der European Society for Therapeutic Radiology and Oncology (ESTRO) und der International Cardio-Oncology Society (IC-OS). Eur H J. 2022 doi/10.1093/eurheartj/ehac244
2. L. Michel et al., ESC -Leitlinien 2022; Onkologische Kardiologie; Herz 2023; 48:15-22
3. L. Michel, T. Rassaf, Kardiologische Langzeitfolgen nach Malignombehandlung; Cardiovasc 2022; 22(4): 50-54

Hot Topic Das perioperative Konsil

In einem weiteren Hot Topic Vortrag wurde die neue ESC-Guideline (1) über die nicht kardiale Chirurgie (NKC) von Prof. Dr. Dr. S. Schirmer aus Kaiserslauten sehr schön und umfassend dargestellt. Die neue Leitlinie hat das Ziel peri- und postoperative Komplikationen zu reduzieren und eine Verbesserung der Versorgungsqualität zu bewirken. Es wird eine schrittweise Bewertung des Patienten, die klinischen Risikofaktoren und Untersuchungsergebnisse mit der geschätzten Belastung des geplanten chirurgischen Eingriffs und den mit dem Absetzen von Medikamenten verbundenen Risiken empfohlen. Die kardiologischen Abklärungsmöglichkeiten werden klar bewertet. Ebenso die verschiedenen Risikoreduktionsstrategien und das Management der perioperativen kardiovaskulären Komplikationen. 50% der Patienten älter als 45 Jahre haben mindestens zwei kardiovaskuläre Risikofaktoren.
Ein neues und sehr wichtiges Kapitel ist der richtige Einsatz von Biomarkern (hs-CTnT/I und NT-pro-BNP) vor, während und nach einer Operation bei einer cv Erkrankung oder cv Risikopatienten. Ein perioperativer Infarkt muss rasch erkannt und richtig behandelt werden. Bei CHK- resp. PAVK-Patienten kommt es in bis zu 15% zu einem Infarkt. In solchen Situationen hs-Troponin präoperativ, nach 24 und 48 Stunden. Die Biomarker werden neben den peri- und post-operativen Komplikationen auch bei einem mittleren bis hohem Risiko und bei jüngeren Patienten mit cv Risiko bestimmt. Bei einer bekannten cv Erkrankung werden serielle Troponin Bestimmungen bei einem Intermediär- oder Hochrisikoeingriff empfohlen. Ein erhöhtes postoperatives Troponin ist mit der 30 Tage Sterblichkeit assoziiert. Dabei muss eine Anämie und ein Infarkt ausgeschlossen und eine spezifische Therapie eingeleitet werden.
Bei Risikopatienten welche nicht belastbar sind (<2 Stockwerke), wird bei einem Intermedärem- resp. Hochrisiko-Eingriff prä­operativ ein Echo (TTE) gefordert, ebenso bei pos. Biomarkern oder bei einem Herz-Geräusch bei Symptomen oder einer cv Erkrankung (1,2,3).
Das präoperative Risiko bezüglich cv Morbidität und Mortalität besteht aus dem individuellen Patientenrisiko (Alter, cv Risikofaktoren, cv Erkrankungen, Komorbiditäten), dem Eingriffsrisiko (drei Gruppen) und der Dringlichkeit. Es bedarf keiner kardialen Massnahmen bei einem Niedrigrisikoeingriff (Zähne, Augen, Brust, Meniskus, TUR-Prostata u.a.) (Abb. 3). Auch nicht bei einem jüngeren gesunden Patienten (<65J.) ohne cv Risiko und einem mittleren Risikoeingriff wie z.B. einer Hüft-TP. Es bedarf nicht routinemässig einem EKG oder Biomarker bei Niedrigrisiko- Patienten oder Niedrigrisikoeingriffen. Auch keine routinemässigen TTE oder Belastungsuntersuchungen.

Ein weiterer wichtiger Abschnitt ist das richtige Vorgehen bei einer antithrombotischen Therapie. Hier gibt es sehr schöne und sehr praktische graphische Abbildungen. Da ein chirurgischer Eingriff häufig nach einer PCI, nach einem Infarkt oder einem hohen ischämischen Risiko durchgeführt werden muss, ist der Umgang mit einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung wichtig. Auch das Blutungsrisiko des Eingriffs ist dabei zu berücksichtigen. Es gibt auch ein sehr schönes Schema zur NOAK-Pausierung gemäss EHRA. Kein bridging in niedrigem/moderatem Thromboembolierisiko.
Der neue Einsatz eines Betablockers zur Prävention eines VHFLi wird nicht empfohlen. Bei einem SGLT2-H. sollte dieser 3 Tage vor einer Operation pausiert werden. Der ACE-H./ARB sollte am Tag der Operation bei einer Hypertonie weggelassen werden, ebenso das Diuretikum. Betablocker und Statine werden belassen.
Spezifische kardiovaskuläre Erkrankungen bei einem NKC werden in der Leitlinie beleuchtet. So die Hypertonie, die koronare Herzkrankheit, die Herzinsuffizienz, die verschiedenen Vitien, Arrhythmien wie VHFLi, Devices, Gefässerkrankungen, onkologische- und VAD-Patienten. Empfehlungen zu peri- und post-operativen Komplikationen finden sich in der umfassenden Leitlinie. CHK: Bei schlecht belastbarem Patienten und Verdacht auf eine CHK resp. ausgeprägtem Risikoprofil wird vor einem Hochrisikoeingriff ein Stressimaging empfohlen (I). In Abhängigkeit von der ischämischen Myokardmasse, refraktärer Symptomatik und Koronarbefund, Myokardrevaskularisation vor NKC erwägen (IIbB).
Diese Guideline ist entscheidend; sind doch ca. 50 % aller perioperativen Todesfälle (4,2 Mio/Jahr weltweit) kardiovaskulär. Ziel ist es, diese signifikant zu vermindern und Komplikationen rasch und richtig zu behandeln. Es bedarf einer sehr guten Zusammenarbeit verschiedener involvierter Fachrichtungen.

Fazit für Klinik und Praxis:

  • Präoperative Risikobeurteilung (Alter, Symptome, Anamnese, Belastbarkeit). Es bedarf dann je nach Risikopatient ein EKG, Biomarker und evt. eine TTE vor einem Eingriff mit inter-mediärem oder hohem Risiko.
  • Das Risiko muss reduziert werden: Modifizierung der Risikofaktoren, Ausschluss einer Anämie, Therapie von speziellen cv Erkrankungen nach Guidelines. Einsatz oder Pause kardialer Medikamente je nach Risiko; Durchführung einer notwendigen Thromboseprophylaxe.
  • Perioperative Komplikationen müssen erkannt und rasch behandelt werden – hs Troponin Anstieg, ACS, Anämie, Herzinsuffizienz und Apoplexie (3).

Literatur:
1. Halvorsen S et al, 2022 ESC Guidelines on cardiovascular assessment and management of patients undergoing non-cardiac surgery. Eur Heart J 2022;43:3826-3924.
2. Mehilli J. Winhard M., ESC Leitlinie 2022 zum kardiovaskulären Assessment und Managment von Patienten, die sich einer nicht kardiologischen Operation unterziehen; Herz 2023; 48:31-38
3. Mehilli et al., The ten commandments, EHJ 2023;44:336-337

Prävention und stabile CHK; Hypertonie und Niereninsuffizienz

Hier einige wichtige Aussagen zu den beiden Vorträgen von Prof. Dres U. Lauf aus Leipzig und F. Mahfoud aus Homburg/Saar: Kardiovaskuläre Risikofaktoren im Kindesalter erhöhen die Sterblichkeit im mittleren Lebensalter. Nach einem schwedischen Zwillingsregister korrelieren kardiometabolische Erkrankungen mit einer Demenz.
Die DANCAVAS-Studie aus Dänemark prüfte das Konzept eines kardio-vaskulären Screenings mit klinischer Untersuchung, EKG, ABI, Echo, Koronar-/Gefäss-CT ohne Kontrast bei bei 46’611 älteren Männern zwischen 65-74 Jahren. Der verstärkte Einsatz einer Statin- und Aspirin-Therapie bei Patienten mit subklinischen Herzkreislauferkrankungen
erklärt wahrscheinlich die Vorteile in der Untergruppe im Alter von 65-69 Jahren (HR 0,89). Leider fehlen Screening-Daten in der weiblichen Population und bei etwas jüngeren Personen. Insgesamt konnte aber die Sterblichkeit in der Gesamtpopulation nicht signifikant gesenkt werden. In der POST-PCI Studie aus Südkorea ergab ein routinemässiger Stresstest bei 1708 Patienten ohne Symptome (30% Ergo, Scinti, Stressecho) 1 Jahr nach der Intervention keine Verbesserung der klinischen Endpunkte nach zwei Jahren. Es kam aber zu mehr Reangiographien und mehr Revaskularisationen. Es gibt somit bisher keine überzeugenden Beweise für Screening-
Programme.
Rauchen bleibt leider immer noch der Gesundheitsrisikofaktor Nummer 1 in DL (35,5%). Das Rauchen hat leider nicht abgenommen; bei den 14-17 Jährigen hat sich der Anteil im letzten Jahr sogar auf 16% verdoppelt. Verbote funktionieren in Neuseeland. Dieser Risikofaktor sollte immer wieder angesprochen werden. E-Zigaretten sollten nicht zur Entwöhnung gebraucht werden.
Ein regelmässiges Nachsalzen ist mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert.
Nahrungsergänzungsmittel wie Fischöl, Zimt, Knoblauch, gelber Ingwer (Kukuma), pflanzliche Sterole und roter Reis sind ungeeignet für eine LDL-Senkung dies im Gegensatz zur Gabe von 5 mg Rosuvastatin. Dies konnte in der SPORT-Studie gezeigt werden.
Der Goldstandard bei der schweren Adipositas bleibt die bariatrische Chirurgie mit anhaltend positiven Effekten. Es gibt keinen Wirksamkeitsbeleg für ein Intervallfasten und für eine Ernährungs-beratung. Semaglutid ist in hoher Dosis ähnlich wirksam wie eine Magenplastik. Eine Schlafrestriktion erhöht die Enegiezufuhr und die abdominelle Fettablagerung ohne Auswirkung auf den Energieverbrauch.
Beim Diabetes mellitus gibt es immer bessere Daten für die SGLT2-Hemmer und für die GLP1-RA betreffend Nephro- und Kardio-Protektion. Auch die Kombinationstherapie ergibt ein vermindertes kardiovaskuläres Risiko. Für Metformin gibt es keine Endpunktdaten.
20% der Bevölkerung haben ein erhöhtes Lpa (>125nmol/l). Dieses wirkt proinflammatorisch und möglicherweise prothrombotisch und ist ein wichtiger Risikomarker für atherosklerotische Ereignisse und für die Aortenklappenstenose. Die Wirkung ist linear ab 75nmol/l. 90% dieses Wertes ist genetisch festgelegt. Es gibt aber Faktoren, welche den Wert etwas variieren: eine Erhöhung gibt es bei einer SS, Entzündung, Hypothyreose, chron. Niereninsuffizienz und beim nephrot. Syndrom. Eine Senkung findet man bei einer Hyperthyreose, bei Östrogengabe und bei einer Lebererkrankung u.a.. Bei einer Aortenklappenstenose im frühen Alter sollte man immer das Lpa bestimmen, wie auch bei einer vorzeitigen und rasch progredienten Atherosklerose. In Zukunft wird es spezifische RNA basierte Therapien geben. Die ESC empfiehlt Lpa einmal im Leben zu bestimmen – dabei sollten die erwähnten Variationsfaktoren beachtet werden. «Lipoprotein(a) erklärt häufig ein residuales lipidbezogenes Risiko bei Personen mit niedrigem oder nur moderat erhöhtem LDL-Cholesterin. Die aktuelle Therapie besteht in der Behandlung aller kardiovaskulären Risikofaktoren und einer Senkung des lipid-bezogenen Risikos durch eine optimale LDL-Senkung».
Lipidtherapie: Drei Studien mit IVUS und OCT haben mit einem Statin und PCSK9 -H. gezeigt, dass ein LDL <1,0mmol/l zu einer Plaque-Stabilisierung führt. Für Fibrate gibt es erneut keinen Wirksamkeitsbeleg. Bei der Bempedoinsäure ist die Endpunktstudie CLEAR-Outcomes positiv. Die Bempedoinsäure verursacht als Prodrug, welches in der Leber in die aktive Form überführt wird, keine Muskelbeschwerden. Bei fast 14’000 Statin intoleranten Patientinnen und Patienten mit einem LDL >2,6mmol/l und einer cv Vorerkrankung oder einem hohen cv Risiko war die Behandlung mit einem geringeren Risiko von -13% im Vergleich zu Placebo für schwerwiegende unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse (Tod durch cv Ursachen, nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall oder koronare Revaskularisation) verbunden. Das LDL wurde nach 6 Monaten um 21%, das hs-CRP um 22% gesenkt. Als NW ist ein Anstieg der Harnsäure mit Gichtanfällen, ein Anstieg von Kreatinin, Leberenzymen und mehr Gallensteine zu beobachten. Wir haben somit bei einer wirklichen Statinintoleranz, cave Nocebo-Effekt, einen alternativen Behandlungsansatz. Eine Kombination mit Ezetrol wird von Experten empfohlen mit einer LDL-Senkung von 45%.
Die Bedeutung der Grippeimpfung wurde in der IAMI- Studie nochmals klar dargelegt. Bei Patienten mit einem Myokardinfarkt in der Grippesaison wurde innert 72 Stunden geimpften Patienten die Sterblichkeit, der Reinfarkt und die Stentthrombose um 41% deutlich gesenkt.
Zum Thema Hypertonie: Die Fixkombinationen sollten heute Standard sein – bessere Adhärenz, stärkere BD-Senkung durch frühe Kombination und weniger Nebenwirkungen. Leider wurden diese 2020 in DL nur in 11 % der Fälle eingesetzt. Zu beachten ist, dass Paracetamol den BD um ca. 5mmHg systolisch erhöht und mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Vor allem in verschiedenen Brausetabletten und OC-Medikamenten, welche frei erhältlich sind, hat es viel Natrium, welches diese negativen Effekte hat. In einer aktuellen Studie konnte kein Unterschied von HCT und Chlorthalidon auf kardiovaskuläre Endpunkte nachgewiesen werden. Somit sind die beiden Diuretika vergleichbar und gut für Fixkombinationen. Die Fototoxizität sollte bei HCT nur bei massiver Sonnenexposition und Gabe von Amiodaron beachtet werden. Die nächtliche Gabe von Antihypertensiva war der morgendlichen Gabe nicht überlegen aber auch nicht schädlich (TIME Studie). Cave Adhärenz bei abendlicher Einnahme.
In der Schwangerschaft sollte auch eine milde Hypertonie (140-159/90-109mmHg) behandelt werden. Als Medikamente kommen in Frage: Metoprolol, Labetalol, Nifedipin und Alpha-Methyl-Dopa. Cave ACEH/ARB – diese sollten schon vor der SS abgesetzt werden.
Zum Thema Niereninsuffizienz: Empagliflozin reduziert bei CKD das Risiko für einen Erkrankungsprogress und kardiovaskuläre Todesfälle in der EMPA-Kidney Studie um 28% über 2,5 Jahre. In einer grossen Metaanalyse von 13 Studien bei 90’409 Patienten konnte die Progression der Niereninsuffizienz um 37%, der cv Tod und die HI Hospitalisation um 23% gesenkt werden. Der cv Tod um 14%., das akute Nierenversagen um 23%. Dies mit oder ohne Diabetes mellitus. Die Genese der NI hat keinen Einfluss auf den protektiven Effekt. Eine Etablierung einer Therapie mit einem ACE-H./ARB und einem SGLT2-H. bei CKD führt zu einer Lebenszeitverlängerung von 7,4 Jahren. ACE-H./ARB können auch bei einer chron. Niereninsuffizienz im Stadium IV/V weitergegeben werden. Die nephroprotektiven Effekte von Dapagliflozin und Eplerenon sind additiv.

Literatur: auf Anfrage

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Zwölf Jahre Aerzteverlag medinfo AG

Nach zweijähriger Corona-Pause, der auch das 10-Jahres-Jubiläum zum Opfer fiel, konnte die Tradition wieder aufgenommen werden: Der medinfo-Abend im Circus Conelli, zu dem der Ärzteverlag medinfo AG Jahr für Jahr die Chefredaktoren, Herausgeber und Autoren seiner fünf Fortbildungszeitschriften einlädt – und im geselligen Kreis im Cantinetta Antinori ausklingen lässt.

Einmal mehr war das Jahresende damit Anlass für Verlegerin Eleonore E. Droux, sich für die Unterstützung und Treue über all diese Jahre, seit sie den Verlag gründete, zu bedanken:

Bei den Chefredaktoren und Herausgebern unserer Fortbildungszeitschriften «der informierte arzt», «info@onco-suisse», «info@herz+gefäss», «info@gynäkologie» und «la gazette médicale», die die Themen der Beiträge definieren, sie organisieren und bei einigen Ideen selbst zur Feder greifen, beim jeweiligen Advisory-Board versammelter Kollegen und bei den vielen vielen weiteren Autoren, die Ausgabe für Ausgabe mit Leben füllen.

«info@onco-suisse» – das offizielle Organ der ONCOSUISSE
Ein besonderes Jahr war 2022 bei medinfo für «info@onkologie», die mit dem eingestellten Schweizer Krebsbulletin zur «info@onco-suisse» fusionierte. Damit wurde sie zusätzlich das offizielle Organ der ONCOSUISSE und Publikationsplattform aller beteiligten Gesellschaften.

Prof. Reto Krapf jetzt bei medinfo
Auch eine – an anderer Stelle – nicht geglückte Fusion brachte weiteren Rückenwind: «Prof. Reto Krapf verlässt nach 30 Jahren den EMH-Verlag und kommt zu uns», konnte Eleonore Droux am Latenight-Dinner kurz und bündig verkünden. «Besonders freue ich mich, dass Reto Krapf seine Expertise auch als Medizinischer Direktor in unsere Redaktion einbringen wird, und seinen Journal Watch in neuer Form in unseren Fachzeitschriften fortsetzen wird!»

Vom Start weg war Eleonore Droux überzeugt, in ihren medinfo-Titeln die Leserbedürfnisse nicht redaktionell, sondern aus erster Hand von Ärzten selbst bestimmen und umsetzen zu lassen. Gynäkologie-Herausgeberin der ersten Stunde und Freundin KD Dr. Stephanie von Orelli brachte es in ihrer Laudatio auf den Punkt: «Du hast mit Deiner genialen Kommunikationsgabe eine so illustre Schar wie uns hier zusammengebracht, um besondere Hefte zu kreieren, die man nicht wegwirft – Danke vielmals!»
Dem Dank schloss sich Geriater Prof. Reto W. Kressig gerne an, der augenzwinkernd «bereits 2008 von Ellen Droux gekapert» wurde. Die von ihr geschaffene so familiäre Atmosphäre sei hoch orchestriert – und immer wieder finde sie neue hochkarätige Unterstützer, «während sie die altverdienten weiter mitnimmt».
Unter grossem Applaus konnte die Verlegerin versichern, dass medinfo auch weiterhin nicht stehen bleibt und am besonderen Konzept und seiner durch die vielen Kollegen gesicherten Qualität festhält: «Wir bleiben unserer Philosophie treu, Fortbildung und Redaktion von Inseraten und PR klar zu trennen!»

Wir möchten uns bei Ihnen allen, liebe Chefredaktoren, Herausgeber und Autoren, herzlich für die so vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken und hoffen, auch für unsere Leser, dass Sie uns auch 2023 weiterhin tatkräftig unterstützen werden!

Eleonore E. Droux
Verlegerin & Geschäftsinhaberin

                  

 

Ergebnisse der RATIONALE 306 Studie

Das fortgeschrittene oder metastasierte Oesophagus-Plattenepithelkarzinom ist mit einer ungünstigen Prognose assoziiert. Für die Erstlinientherapie dieser Patientengruppe gewinnt die Immuntherapie zunehmend an Bedeutung (1, 2).

Die RATIONALE-306-Studie untersuchte den Nutzen von Tislelizumab, einem PD-1-Inhibitor, in Kombination mit platinhaltiger Chemotherapie. Es zeigte sich dabei ein signifikanter Überlebensvorteil für die Erstlinienbehandlung mit Tislelizumab plus Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem ESCC, sowohl bei der primären Analyse (2) als auch nach einer Mindestnachbeobachtungszeit von drei Jahren (3). Bei der 3-Jahres-Nachbeobachtungszeit zeigten die OS-Ergebnisse eine stratifizierte HR von 0,70 für alle Patienten in der ITT-Population. Bei Patienten mit einem Tumor-PD-L1-TAP-Score von ≥ 10 % bzw. ≥ 5 % betrugen die HRs 0,70 bzw. 0,62 (3).
Anlässlich des ESMO-GI-Kongresses 2025 präsentierten Prof. David Tougeron aus Poitiers, Frankreich, und seine Kollegen von insgesamt 18 internationalen Institutionen nun Daten von RATIONALE-306 in der Untergruppe mit einem Tumor-PD-L1-TAP-Score von ≥ 5 %, wie ihn auch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) für die Zulassung berücksichtigte (4).
RATIONALE-306 (NCT03783442) ist eine randomisierte, doppelblinde Phase-3-Studie mit globaler Beteiligung zur Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit von Tislelizumab plus Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie als Erstlinienbehandlung von metastasiertem oder inoperablem ESCC. Patienten mit nicht resezierbarem, lokal fortgeschrittenem oder metastasierendem ESCC, die keine systemische Vorbehandlung für fortgeschrittene Krankheit erhalten hatten, mit ECOG-PS 0 oder 1 und messbarer oder auswertbarer Krankheit nach RECIST v1.1 wurden mit Tislelizumab 200 mg i.v. Q3W plus Chemotherapie (Platin + Fluoropyrimidin oder Platin + Paclitaxel im Verhältnis 1:1) versus Placebo i.v. Q3W plus Chemotherapie (Platin + Fluoropyrimidin oder Platin + Paclitaxel) als Erhaltungstherapie bis zu unannehmbarer Toxizität oder Krankheitsprogression behandelt.
Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS) in der ITT-Analysegruppe. Sekundäre Endpunkte waren das OS in der Untergruppe mit PD-L1-TAP-Score ≥ 10 %, progressionsfreies Überleben (PFS), objektive Ansprechrate (ORR), Ansprechdauer (DoR) sowie gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) und Sicherheit.
Die Post-hoc-Analyse umfasste die Subgruppenanalyse von Patienten mit ESCC-Tumor-PD-L1-TAP-Score ≥ 5 %.
Stratifikationsfaktoren waren:
• Die geografische Region (Asien [ohne Japan] vs. Japan vs. Rest der Welt)
• Die vorherige endgültige Therapie (ja vs. nein)
• Die vom Prüfarzt gewählte Chemotherapie (Platin + Fluoropyrimidin).
Die Patienten wurden unabhängig von ihrer PD-L1-Expression beim Screening in die Studie aufgenommen. Die Proben wurden mit dem VENTANA PD-L1 (SP263) Assay (Roche) auf PD-L1 angefärbt und die Expression anhand des TAP-Scores bestimmt. Zu explorativen Zwecken bewerteten Pathologen die gleichen angefärbten Proben nach dem CPS im Zentrallabor.

Patientendisposition und Baseline-Charakteristiken

Von 649 randomisierten Patienten (Tislelizumab plus Chemotherapie n = 326; Placebo plus Chemotherapie n = 323) hatten 358 (55,2 %) einen Tumor-PD-L1-TAP-Score ≥ 5 % (Tislelizumab plus Chemotherapie n = 172; Placebo plus Chemotherapie n = 186) (Tab. 1). Die Ausgangscharakteristika der Patienten mit einem Tumor-PD-L1-TAP-Score von ≥ 5 % entsprachen der ITT-Population. Bei Datenschnitt (22. August 2024) betrug die minimale Nachbeobachtungszeit der Studie 45,2 Monate (Bereich: 0,4–63,6). Im Tislelizumab-plus-Chemotherapie-Arm erhielten 106 Patienten (61,6 %) gegenüber 126 (67,7 %) im Placebo-plus-Chemotherapie-Arm eine systemische Therapie nach der Behandlung, von denen 27 (25,5 %) gegenüber 44 (34,9 %) eine systemische Immuntherapie hatten.

Wirksamkeit

Klinisch bedeutsame Verbesserungen des OS (Abb. 1A) und des vom Prüfer bewerteten PFS (Abb. 1B) wurden mit Tislelizumab plus Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie beobachtet. Eine höhere ORR und eine verbesserte DoR wurden mit Tislelizumab plus Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie festgestellt (Tab. 2). Der OS-Vorteil wurde in allen vordefinierten Untergruppen beobachtet (Tab. 3).

PD-L1 TAP Score vs. CPS Konkordanz

TAP Score 5 % und CPS 5 Cutoffs zeigten 84 % Gesamtübereinstimmung in Prozent, die eine erhebliche Übereinstimmung ergibt. (Abb. 2).

Sicherheit, Verträglichkeitsprofil

Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (TRAEs) wurden bei den meisten Patienten in beiden Kohorten beobachtet, mit ähnlichen Raten für alle Schweregrade. Eine höhere Inzidenz von TRAEs der Schweregrade ≥ 3 und schweren TRAEs wurde für Tislelizumab plus Chemotherapie festgestellt (Tab. 4).
Die TRAEs der Schweregrade ≥ 3, die bei ≥ 10 % der Patienten mit Tislelizumab plus Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie auftraten, umfassten eine verringerte Neutrophilenzahl (35,1 % vs. 31,9 %), eine verringerte Anzahl weisser Blutkörperchen (12,3 % vs. 17,8 %) und Anämie (13,5 % vs. 11,4 %).
Mehr TRAEs, die zum Tod führten (2,9 % vs. 1,6 %) und behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (TEAEs), die zu einem Abbruch der Behandlung führten (34,5 % vs. 23,2 %), traten in der Gruppe mit Tislelizumab plus Chemotherapie auf als in der Gruppe mit Placebo plus Chemotherapie.
Immunvermittelte unerwünschte Ereignisse (imAEs) wurden in beiden Gruppen beobachtet. Die Inzidenz von imAEs der Schweregrade ≥ 3 war höher bei Tislelizumab plus Chemotherapie im Vergleich zu Placebo plus Chemotherapie (8,8 % vs. 2,2 %) (Tab. 4).

Schlussfolgerungen

Das mediane Gesamtüberleben (OS) von 19,1 Monaten unter Tislelizumab plus Chemotherapie bei Patienten mit einem Tumor-PD-L1-Status ≥ 5 % setzt eine neue Messlatte für die Wirksamkeit in dieser Gruppe von Patienten mit fortgeschrittenem/metastasiertem Oesophagus-Plattenepithelkarzinom bei akzeptabler Sicherheit. Der Nutzen in Bezug auf die Wirksamkeit und die Sicherheitsergebnisse blieb konsistent mit den Ergebnissen der Primäranalyse und des 3-Jahres-Follow-ups, die eine anhaltende Verbesserung ohne neue Sicherheitssignale zeigten.
Diese Daten sprechen für die Integration dieser Kombinationstherapie in die klinische Entscheidungsfindung, insbesondere auch im Schweizer Versorgungsauftrag.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Kato K, et al. Nivolumab plus chemotherapy or ipilimumab versus chemotherapy in patients with advanced esophageal squamous cell carcinoma (CheckMate 648): 29-month follow-up from a randomized, open-label, phase III tria. l Cancer Med. 2024;13:e7235.
2. Xu J, et al. Tislelizumab plus chemotherapy versus placebo plus chemotherapy as first-line treatment for advanced or metastatic oesophageal squamous cell carcinoma (RATIONALE-306): a global, randomised, placebo-controlled, phase 3 study. Lancet Oncol. 2023;24:483-495.
3. Yoon HH, et al. First-Line Tislelizumab Plus Chemotherapy Shows OS Benefit in PD-L1+ ESCC Subgroups. J Clin Oncol. 2024;42(Suppl 16):4032.
4. European Medicine Agency. Tevimbra 100mg concentrate for solution for infusion. Summary of product characteristics. https//www.ema.europa.eu/en/documents/product .information/Levimbra-epar-product-information_en.pdf. Assessed December 19,2 024.

Cholesterin Senkung im Alter – wohin und mit welcher Evidenz?

Auf Grund eines ausgezeichneten Vortrages anlässlich der Frühjahrstagung 2022 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie von Prof. Dr. U. Laufs vom Universitätsklinikum Leipzig kann folgende Aussage zu diesem in der Praxis sehr relevantem Thema gemacht werden: Eine effektive LDL-Senkung <<1,4 mmol/l hat deutliche positive Auswirkungen auf die Gefäss-Plaques, insbesondere in den Koronarien. Nach einer aktuellen Arbeit im JAMA bei Infarktpatienten von L. Räber et al. aus Bern nimmt bei einem LDL von 0,6mmol/l das Atherom-Volumen und der Lipidkern deutlich ab und die Dicke der fibrösen Kappe signifikant zu. Dies führt zu einer Hemmung der Atherogenese und zu einer signifikanten Plaques Stabilisierung. Der absolute klinische Benefit hängt vom individuellen kardio-vaskulären Risiko ab. Dieses ist ja im Alter deutlich erhöht. So konnte in der CTT-Meta-Analyse in 28 Studien unabhängig vom Alter pro 1mmol/l LDL-Senkung das Risiko für kardiovaskuläre Events (Infarkte) um 24%/Jahr gesenkt werden. Dieses Ergebnis wurde auch in einer grossen Metaanalyse mit 21’492 Patienten >75 Jahre bestätigt; es bestand kein Unterschied im Vergleich zu jüngeren Patienten. Auch in einer «Primär-Prävention» bei Patienten ohne bekannte kardiovaskuläre Erkrankungen im mittleren Alter von 81 Jahren zeigte sich in einer retrospektiven Kohorten Untersuchung eine deutliche Senkung der Gesamt- und der kardio-vaskulären Mortalität.

Der Unterbruch einer Statintherapie war bei 75-jährigen atherosklerotischen Patienten mit einer Risikoerhöhung von 33% behaftet. Somit zeigt sich, dass mit einer Statintherapie auch im hohen Alter akute kardiovaskuläre Ereignisse, insbesondere Myokardinfarkte, deutlich reduziert werden können. Es bleibt eine ärztliche individuelle Abwägung bei der Verschreibung von Statinen im Alter. Nicht jeder alte Patient/Patientin bedarf einer diesbezüglichen Behandlung resp. Prävention. Bei fitten, biologisch jüngeren Patienten ist eine solche Therapie aber nach einer individuellen Abwägung auch im hohen Alter gerechtfertigt.

Durch eine unabhängig vom Alter favorisierte Kombinations­therapie mit einem potenten langwirkendem Statin (Rosuva-, Atorvastatin) und Ezetimib kommt es zu einer 65%-igen LDL-Senkung. Dabei bewährt sich wegen der Adhärenz wie in der Hypertonie­behandlung eine Kombinationstablette. Eine weitere Möglichkeit ist bei einer Statinunverträglichkeit die alleinige Einnahme der Bempedoinsäure zusammen mit Ezetimib – LDL -45%. Alle drei Präparate zusammen bewirken eine LDL Senkung von 70%. Durch die Kombination Statin u. Ezetimib u. einem PCSK9-Hemmer kann das LDL nach Katzmann und Laufs um 85% gesenkt werden. Die LDL-Zielwerte richten sich nach dem individuellen Risiko und den klaren Angaben in den ESC Guidelines. «The lower, the better.»

Natürlich sollten auch die restlichen kardiovaskulären Risikofaktoren beachtet und mit den gleichen Abwägungen gut behandelt werden. Betreffend Hypertonie im Alter bewährt sich gemäss ESC ein Home BD-Monitoring mit einem BD-Ziel bei guter Verträglichkeit von 130-139/70-79 mmHg. Davon können nach einer Substudie von SPRINT auch «frailty patients» profitieren (HR 0,68).

 

Dr. med. Urs Dürst, Forch
u.n.duerst@ggaweb.ch

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

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