Spätdumping nach Bariatrischem Eingriff

Das Spätdumping ist eine häufige Komplikation im Langzeitverlauf nach Magenoperationen, speziell nach bariatrischem Eingriff wie beim Roux-Y-Bypass oder bei der Sleeve-Gastrektomie. Die (neuroglykämischen) Symp­tome fallen unterschiedlich aus und können missinterpretiert werden. Die Diagnostik dazu ist entscheidend. Die Therapie basiert heute auf diätetischen Massnahmen, der Pharmakotherapie und in seltenen Fällen der chirurgischen oder endoskopischen Reintervention. Trotz dem multimodalen therapeutischen Ansatz stellt die Spätdumpingproblematik in der haus – oder spezialärztlichen Praxis eine
Herausforderung dar.

Dumping syndrome is a common and frequent complication after gastric surgery, especially after bariatric surgery as Roux-Y-Gastric Bypass or Sleeve-Resection. The (neuroglycemic) symptoms in dumping are multiple and so different and should be suspected so physician awareness is important. Diagnostic tests afford time and may be repeated. Treatment should be primary a diet approach, followed by medication therapy and when this option fails then surgical reintervention can be considered. In spite of different therapeutical options dumping syndrome remains a challenging problem in the follow up after bariatric procedures.

Key Words: Bariatrische Chirurgie, Proximaler Magenbypass, Dumpings Syndrom, postprandiale Hypoglykämie, Neuroglykopenie, Somatostatine,
GLP-1 Analoga, Magenbanding

Fallvignette

Anlässlich der 2-Jahres-Kontrolle an unserem Adipositaszentrum nach Magenbypassanlage bei III-Adipositas (BMI präoperativ von 46 kg/m2, aktueller BMI 28 kg/m2), klagt eine 34-jährige Patientin, Nichtdiabetikerin, seit etwas mehr als einem halben Jahr über Übelkeit, Zittern, Schwitzen und «schwache» Beine. Dies tritt typischerweise wie sie angibt etwa 2 Stunden postprandial auf,
ca. 1 mal die Woche, und unabhängig was sie einnimmt. Sie isst dabei recht schnell, hat beruflichen Stress und wenig Zeit über Mittag. Sie muss sich oft nach dem Essen ein paar Minuten hinlegen. Sie nimmt dann unterwegs Traubenzucker oder Knäckers mit und kann so die Situation bei der Arbeit im Verkauf besser überbrücken. Gelegentlich muss sie wegen Erschöpfung nach Hause und macht sich berechtigterweise auch Sorgen um ihre Arbeitsstelle. Zudem stellt sie wieder eine Gewichtszunahme von 8 kg fest was sie irritiert. Die repetitiven Bestimmungen des Blutzuckers zeigen teils normale Werte, teils Werte aber unter 3.5 mmol/l. Ein halbes Jahr postinterventionell als sie damals wieder «normal» essen konnte gab sie klassische Frühdumpingprobleme mit Übelkeit und Schwindel und hypotonen Blutdruckwerten an, die aber unter Anleitung unserer Ernährungsberatung und erfolgreicher Änderung des Ess- und Trinkverhaltens deutlich besserten. Mit der Diagnose eines sog. Spätdumpings wird sie nun wiederum engmaschig durch unsere Ernährungsberatung betreut und die Kohlenhydratzufuhr optimiert. Flüssige KH-Zufuhr wie Süssgetränke, Red Bull oder alkoholische Getränke werden verneint, eher schon Süssspeisen und Snacks. Bei geringer Wirkung dieser Massnahmen erfolgt eine medikamentöse Unterstützung, doch wegen fehlender Medikamenten Compliance haben wir uns schliesslich entschieden, laparoskopisch ein Minimizer-Band im Bereich der Anastomose zu implantieren. In der Zwischenzeit, 6 Monate postoperativ, haben die Beschwerden deutlich gebessert, treten auch nicht mehr regelmässig auf und ihr Gewicht konnte sie ebenso stabilisieren. Der Langzeitverlauf auch nach operativer Korrektur bleibt aber abzuwarten.

Einleitung

Trotz den auf dem Markt angepriesenen GLP1-Analoga ist die bariatrische Chirurgie heute noch immer die wirksamste Therapie für eine nachhaltige Reduktion des Gewichtes bei morbider Adipositas. Wie eine grosse noch nicht publizierte retrospektive Kohortenstudie mit über 25’000 analysierten Patienten aus einem nationalen Register (BAG) vom Zeitraum 2012 -2018 zeigt, wird in der Schweiz zu fast 80 % als Eingriffsmethode der proximale Magenbypass (PMB) favorisiert, zu knapp 20 % noch die Magen-Sleeve-Resektion (1).
Mit der weltweiten Zunahme bariatrischer Eingriffe beobachten wir analog zur medikamentösen Therapie auch bedeutende Nebenwirkungen und Komplikationen sowohl im Früh- wie im Langzeitverlauf. Ein relevantes Problem ist die postprandiale Hypoglykämie mit unterschiedlichen Symptomen was allgemein als Dumping Syndrom (DS) bezeichnet wird (2). Wir kennen aber auch postprandiale Hypoglykämien bei Bypasspatienten die symptomfrei bleiben wie auch bei Nichtoperierten (Abb. 1). Wir unterscheiden dabei zwei Arten von Dumping, ein Früh- und ein Spätdumping. Wegen der Magenverkleinerung und dem direkten Anschluss des proximalen Jejunums mit u.a. Ausschluss der duodenalen Passage kommt es zur raschen Entleerung relevanter Nahrungsportionen v.a. Kohlenhydrate in den Dünndarm. Beim Frühdumping kommt es dadurch 30-60 Minuten nach dem Essen zu einem Shift von Flüssigkeits­volumen in das Darmlumen sowie dem Auslösen gastrointestinaler Hormone was zu lästigen vasomotorischen und gastro-intestinalen Symptomen führt. Das Spätdumping erfolgt dagegen 2-3 Stunden später postprandial, vorwiegend nach Einnahme niedrigwertiger Kohlenhydrate und folgender meist inkretingesteuerter Hypoglykämie. In der Literatur ist der Begriff Spätdumping oft ungleich definiert, aber man ist sich einig, dass es den gleichen pathophysiologischen Hintergrund hat wie das Nichtinsulinoma Pankreatogene Hypoglykämische Syndrom (NIPHS) und die Neisidioblastose. Als pathologischer Wert wird ein BZ von<2.8mol/l definiert.
Früh- wie Spätdumping kann nach allen Formen einer Ösophagus- oder Magenresektion auftreten, speziell nach totaler Ösophagektomie und nach Roux-Y-Magenbypass. Wegen der hohen Anzahl operierter Adipositaspatienten nimmt der PMB mit seinen Komplikationen eine grosse Bedeutung in der hausärztlichen und Adipositas­sprechstunde ein, zumal oft fehl- oder unterdiagnostiziert, werden die Folgen davon trotz hohem Leidensdruck gelegentlich unterschätzt.
Diese Übersichtsarbeit zeigt die Problematik auf unter Analyse der aktuellen Datenlage aber auch aus der eigenen Erfahrung heraus nach über 25 Jahren bariatrischer Chirurgie.

Ursache

Gemäss neuester Literatur sind diese Insulin/Inkretin-Dysregulationen oft multifaktoriell und nicht eindeutig pathophysiologisch geklärt. Unklar auch weshalb die Hypoglykämie nach Magen­bypass meistens mehr als ein Jahr postoperativ auftreten kann. Man schätzt die Häufigkeit bei 10-15 % oder mehr, zumal die Dunkelziffer höher liegt (3). Nur knapp 0,34 % der operierten Bypasspatienten in der Schweiz müssen gemäss der zitierten Kohortenstudie aus dem KS Aarau deswegen hospitalisiert werden (1).
Die Hypoglykämie ist meist charakterisiert durch eine unproportionale Insulinantwort nach Nahrungsaufnahme bei Magenoperierten, eine Art Insulinübersensitivität v.a nach starker Gewichtsreduktion sowie eine Inselzelldysfunktion nach Bypassanlage. Durch die Passage der Nahrung direkt vom Magenpouch in den proximalen Dünndarm unter Umgehung des Duodenums (Abb. 2) bewirkt der Bypass einen starken glykämischen Effekt mit der Folge überschiessender Inkretin-Sekretion, z.B. bis 10-fach erhöhter GLP-Sekretion. Zudem scheint, dass nach Bypassanlage die B-Zell-Suppression trotz Hyperinsulinämie reduziert ist (4).

Diagnostik

Eine akkurate Anamnese ist essentiell zumal differentialdiagnostisch immer auch andere Formen der Hypoglykämie in Frage kommen. Wie war die Mahlzeit vor Auftreten der Symptome, wie schnell wurde gegessen, was dabei getrunken? In welchem zeitlichen Abstand zur Mahlzeit traten die Symptome auf? Welche Medikamente werden regelmässig eingenommen?
Aber: viele Patienten nach Magenbypass klagen über Herzklopfen, Schwächegefühl, Schwindel. Dabei kann es sich wohl um Dumping-Symptome handeln allerdings ohne nachweisbare Hypoglykämie.
Treten die Beschwerden bei schwerer körperlicher Tätigkeit auf, in nüchternem Zustand (Fastentest!) oder nachts muss zwingend nach anderen Ursachen der Hypoglykämie gesucht werden, z.B. Nichtinselzelltumore, Insulinome, eine schwere Malnutrition etc.
Die Whipple-Kriterien für ein DS (Neuroglykopenische Symptome, messbarer tiefer BZ, Symptombesserung nach Kohlenhydrateinnahme) sind von zentraler Bedeutung (5). Die Symptome können mild oder eben sehr schwer sein und sind daher gefährlich: Kopfweh, Schwitzen, Schwäche, Verwirrung, Palpitationen, Sprachstörungen, Angstzustände, Tremor bis zum Bewusstseinsverlust.
Ein kontinuierliches Glukose-Monitoring kann hilfreich sein, wird aber bei uns nicht routinemässig und nur bei komplexen Fällen durchgeführt. Es gibt auch Fehlwerte, z.B. nachts, wenn der Patient auf dem Sensor liegt. Eine kapilläre BZ-Messung zum Zeitpunkt des Symptombeginns und entsprechend instruierten Patienten genügt in den meisten Fällen.
Ein verlängerter Mahlzeitentest mit Bestimmung von Glucose, Insulin und C-Peptid kann hilfreich sein; in speziellen Fällen bestimmen wir auch das Proinsulin, das GLP-1 und das Glucagon. Ein oraler Glukosebelastungstest ist problematisch bei Magenoperierten und sollte wegen den zu erwartenden schweren Nebenwirkungen nicht mehr durchgeführt werden.

Therapie

Als erste Massnahme nach Diagnose einer postprandialen Hypoglykämie bedarf es einer exakten Ess- und Trinkanalyse durch den Hausarzt oder die Ernährungsberaterinnen des Adipositaszentrums. Mittels Esstagebuch soll Portionengrösse, Nahrungszusammensetzung und Art und Zeitpunkt der aufgetretenen hypoglykämischen Symptome erfasst werden. Als Diätempfehlung macht dabei ein Verzicht auf Kohlenhydrate wenig Sinn. Vielmehr sollen einfache KH durch komplexe, hochwertige oder Fructose ersetzt werden; diese in kleineren Portionen eingenommen und am besten in Kombination mit Proteinen und essentiellem Fett (6).
Langsames und gutes Kauen der Nahrung, Trinken und Essen dabei strikt trennen gehört ebenso zu den Eckpfeilern der Essumstellung. Eine engmaschige Begleitung durch die Ernährungsberatung in dieser Phase ist selbstverständlich. Zeitgleich muss auch die Supplementation der Vitamine und anderer Nährstoffe monitorisiert werden, um eine Mikro- oder Makromalnutrition auszuschliessen.
Koffein und Alkohol sollte wenn möglich vermieden werden da es den hepatisch induzierten Glukoseabbau hemmen kann.
Wichtig ist der Einbezug von Angehörigen und Arbeitskollegen/Arbeitsgeber, damit alle die Alarmsymptome kennen um möglichst vor Eintreten gefährdender Symptome und Folgen entsprechend präventive Massnahmen zu ergreifen, z.B. Fahrverbot als Lastwagenchaffeur.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit parallel zur Diätumstellung ergibt sich durch Medikamente. Acarbose, durch Hemmung der intestinalen Alpha-Glucosidase, bewirkt eine verlangsamte Resorption der Glucose. Um Nebenwirkungen wie abdominale Krämpfe und Gasretention so niedrig wie möglich zu halten soll dieses eintitriert werden, beginnend z.B. mit einer Dosierung von 25 mg p.os. Somatostatinanaloga wie Octreotid, subcutan verabreicht, hemmen die Insulin- und GLP1-Sekretion. Die initiale Dosis beträgt hier etwa 50 Microgramm s.c. vor dem Essen (7), später Steigerung bis 100 Microgramm gefolgt von einem Langzeitsomatostatin i.m. verabreicht. Nebst den hohen Kosten haben Somatostatine als Nebenwirkung Durchfall, QT-Intervallverlängerung und Risiko einer Cholecystolithiasis.
Neuerdings werden vermehrt auch GLP1-Agonisten eingesetzt, meist Liraglutide, dies wurde bereits in einer Studie von 2013 empfohlen, evidenzbasierte Daten sind aber noch Inhalt laufender Studien (8).
Chirurgische Eingriffe gelten auch heute als letzte Option bei refraktärer medikamentöser Therapie oder bei Malcompliance. Bezüglich Rückwandlungen des Bypasses in die ursprüngliche Form zurück sind Einzelfälle beschrieben ebenso wie das aggressivere Vorgehen der distalen, sog. Linkspankreatektomie zur vermeintlichen Kontrolle der Hyperinsulinämie. Wegen der hohen Komplikationsrate wie auch der Rezidivrate (trotz ausgedehnter Parenchymresektion) können solche Eingriffe nicht empfohlen werden.
In unserem Adipositaszentrum favorisieren wir dagegen seit 7 Jahren eine sog. Magenoutletrestriktion, d.h. der Übergang vom kleinen Magenpouch in den Dünndarm wird durch ein laparoskopisch platziertes einfaches Magenband (Abb. 3) vorsichtig eingeengt (9). Im Gegensatz zur transoralen endoskopischen Anastomosenraffung mit der Gefahr der erneuten Dilatation bleibt das Band stabil an Weite. Sämtliche Verfahren ob endoskopisch oder laparoskopisch haben aber ihre Risiken wie Magenperforation, zu enge Naht mit Dysphagie, Refluxbeschwerden, Magenbandmigration und das Dumpingrezidiv.

Dr. med. Alessandro Wildisen

Chefarzt Viszeralchirurgie LUKS Sursee
Co-Leiter Adipositaszentrum Zentralschweiz Standort Sursee
Spitalstrasse 38
6210 Sursee

Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Nach proximalem Magenbypass kann auch Jahre nach der Operation durch eine überschiessende Insulin/Inkretin-Sekretion als Reaktion auf die hohe Glucosezufuhr im proximalen Darm eine schwere Hypogly­kämie resultieren mit neuroglykämischen Symptomen und so Kompromittierung der Lebensqualität trotz zufriedenstellender Gewichts­­abnahme. Diese Symptome müssen ernst genommen werden, benötigen eine umfängliche Abklärung und Therapie. Letztere besteht aus drei Säulen: Ernährungsberatung mit Änderung der Essgewohnheit, Vorstellung am Adipositaszentrum/Endokrinologen und Evaluation einer medikamentösen Therapie, bei Persistenz der Symptome Erwägung einer restriktiven Chirurgie mit Anastomoseneinengung (gastric outlet restriction).

 

Literatur:
1. Wildisen A., Schütz P., Rate of cardiovascular events and safety outcomes seven years following gastric bypass versus sleeve gastrectomy, Division of Endocrinology, Diabetes and Metabolism; University Department of Med-icine, Kantons­spital Aarau, Aarau, Switzerland, publication in evaluation
3. Malik S.Recognition and Management of hyperinsulinemic hypoglycemia after bariatric surgery.Obes Res Clin Pract 2016;10(1):1-14
2. Banerjee A. The role of dumping syndrome in weight loss after gastric bypass surgery.Surg Endosc 2013;27:1573-1578
4. Dirkson C. No islet cell hyperfunction but altered gut-islet regulationand post­prandial hypoglycemia in glucose tolerant patients 3 years after gastric Bypass surgery. Obes Surg 2016;26(9):2263-2267
5. Salehi M. Hypoglycemia after Gastric Bypass Surgery Current Concepts and Controversies. J Clin Endocrinol Metab 2018; 103(8):2815-2826

6. Stano S. Effect of mealsize and texture on gastric pouchemptying and
glucagonlike peptide 1 after gastric bypass surgery. Surg Obes Relat Dis
2017 ;13(12):1975-1983
7. Myint KS.Prolonged successful therapy for hyperinsulinaemic hypoglycemia
after gastric bypass: the pathophysiological role of GLP-+ and its response to
a somatostatine analogue. Eur J Endocrinol. 2012; 166(5):951-955
8. Abrahamsson N. GLP-1-analogs as treatment of postprandial hypoglycemia
following gastric bypass surgery: a potential new indication?. Eur J Endocrinol 2013; 169(6):885-889
9. Z’graggen K. Severe recurrent hypoglycemia after gastric bypass surgery 2008;18(8):981-988

GLP-1 Analoga für die Therapie der Adipositas

Übergewicht und Adipositas stellen eine der grössten globalen Herausforderungen für das Gesundheitssystem unserer Zeit dar (1-4). Gemäss den neuesten Zahlen des WHO European Regional Obesity Reports 2022 sind bereits jetzt fast 60% aller Erwachsenen und 1/3 aller Kinder in Europa von Übergewicht oder Adipositas betroffen (5) – und die Zahlen in Europa und weltweit sind weiter steigend. Adipositas ist ein Hauptrisikofaktor für zahlreiche Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ2 und verschiedenste Krebserkrankungen und ist mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert (6, 7). Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, zu verstehen, dass es sich bei Adipositas um eine Erkrankung handelt und dass Menschen mit Adipositas eine spezifische, massgeschneiderte Therapie benötigen.

Obesity, represents a global socioeconomic health burden with epidemic dimensions worldwide (1-4). According to the WHO European Regional Obesity Reports 2022, already now 60% or adults and 1/3 of all children are affected in Europe (5) – and the numbers keep increasing in Europe and worldwide. Obesity is a major risk factor for multiple comorbidities such as type 2 diabetes, cardiovascular disease and cancer and is associated with an increased overall mortality (6, 7). To successfully fight this epidemic now and in the future, it is important to understand that obesity is a disease and that people with obesity need a specific, tailored treatment.

Key Words: obesity, GLP-1 analogues, stigmatization, tailored treatment

Dramatischerweise ist noch immer der Irrglaube weit verbreitet, dass Übergewicht und Adipositas eine Folge unzureichender Willens­anstrengung seien und dass sich betroffene Menschen «einfach mehr anstrengen, weniger Essen und mehr bewegen sollten». Dies hat zur Folge, dass Menschen mit Adipositas nicht nur im gesellschaftlichen Rahmen sondern auch und gerade im Gesundheitssektor eine massive Stigmatisierung erfahren, die, zunächst externer Natur, über die Zeit internalisiert wird. So machen sich Menschen mit Adipositas sehr häufig grosse Selbstvorwürfe in Hinblick auf die eigene Gewichtsentwicklung und werten sich selbst ab. Dies kann in eine gefährliche Spirale münden, die sowohl Folge als auch Ursache der Adipositas ist und wodurch emotionales Essverhalten, Essen als Coping-Strategie und eine Vermeidung der Exposition durch körperliche Aktivität gefördert werden aufgrund einer Zunahme von psychologischen Stressfaktoren (Abb. 1).

Abb. 1: Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas (gemäss 8-11)

Gerade die Stigmatisierung im Gesundheitssektor und durch behandelnde Ärzte, welche in einer grossen multinationalen, multi­zentrischen Studie von fast 70% der Befragten mindestens einmalig erlebt wurde (12), kann schwerwiegende Folgen haben wie eine vollständige Abwendung vom Gesundheitssystem, Substanzmissbrauch und eine erhöhte Suizidalität (12-14).

Diagnose und Pathogenese

Übergewicht und Adipositas werden weithin gemäss dem sogenannten Body Mass Index (BMI, kg/m2) klassifiziert, wobei es sich hierbei nur um eine sehr grobe Einteilung handelt, welche durch die zusätzliche Anwendung des «Edmonton obesity staging systems», das den Folgeerkrankungen der Adipositas Rechnung trägt, sinnvoll ergänzt wird (Abb. 2).
Bei Adipositas handelt es sich um eine multifaktorielle Erkrankung, bei der (epi)genetische, (neuro)biologische und äussere Faktoren, sogenannte «Lifestyle»-Faktoren, eine Rolle spielen. Eine entscheidende Rolle kommt hierbei den veränderten neurobiologischen Prozessen zu, da das Gehirn in weitestgehend autonomer Weise vorgibt, was, wann und wie wir essen und wie unsere Stoffwechsel­prozesse ablaufen. Diese Prozesse sind analog zu vielen anderen Prozessen im menschlichen Körper nur sehr marginal willentlich beeinflussbar. D.h., der Patient mit Adipositas ist nicht übergewichtig, weil er zu viel isst, er isst zu viel, weil er an Adipositas erkrankt ist!

Abb. 2: Body mass index und Edmonton obesity staging system (gemäss 15, 16)

Adipositas-Therapie mit GLP-1 Analoga

Noch immer sind eine angepasste, ausgewogene Ernährung und ein Ausbau der körperlichen Aktivität Grundpfeiler der Adipositas-Therapie. Aber: Adipositas muss vor allem dort behandelt werden, wo sie entsteht, und zwar auf neurobiologischer Ebene. Mit den GLP-1 Analoga haben wir erstmals in der Geschichte der
Adipositas-Therapie Medikamente zur Verfügung, mit denen wir Adipositas gezielt therapieren können bei guter Verträglichkeit und akzeptablem Nebenwirkungsprofil. GLP-1 Analoga bewirken auf Ebene des Gehirns eine Verstärkung des Sättigungsgefühls und eine Verringerung des Hungergefühls, so dass es zu einer Reduktion der Nahrungsaufnahme kommt. In Studien konnte eine mittlere Abnahme des Körpergewichts um 10% vom Ausgangsgewicht gezeigt werden (17, 18). Die individuellen Effekte können aber stärker und schwächer ausfallen.
Patienten unter Therapie mit GLP-1 Analoga berichten vor allem, dass sie schneller satt sind, nur noch kleinere Portionen essen möchten bzw. können. Viele Patienten berichten, insgesamt eine grosse Entspannung zu erleben, weil sie nicht mehr so viel Energie darauf verwenden müssen «um das Essen herumzukommen». Neben der Gewichtsreduktion hat die Therapie mit GLP-1 Analoga andere positive Wirkungen auf Stoffwechselprozesse z.B. auf Ebene der Leber und positive Effekte auf das Herz­kreislaufsystem.
In der Schweiz ist das GLP-1 Analogon Liraglutid (Saxenda®) für die Therapie von Adipositas zugelassen. Die Kosten für eine Therapie mit dem GLP-1 Analogon Liraglutid (Saxenda®) werden in der Schweiz seit dem 01.04.2020 unter bestimmten Voraussetzungen von der Krankenkasse übernommen. Wichtig zu wissen ist, dass dieses Medikament ausschliesslich durch Fachärzte FMH Endokrinologie/Diabetologie oder Adipositas-Spezialisten
(gemäss Liste BAG) verordnet werden darf. D.h., Patienten müssen den jeweiligen Spezialisten für eine Therapie zugewiesen werden.
Voraussetzungen für eine Kostenübernahme für die Behandlung mit dem GLP-1 Analogon Saxenda® (Liraglutid) sind:

  • BMI ≥ 28kg/m2 mit Gewichts-bedingten Begleiterkrankungen (Prädiabetes, Diabetes mellitus Typ 2, Dyslipidämie, Arterielle Hypertonie ODER BMI ≥ 35kg/m2 (unabhängig von Begleiterkrankungen)
  • Dokumentierte Einhaltung einer 500kcal/d Defizit-Diät.
  • Belegte Steigerung der körperlichen Aktivität, z.B. durch Schrittzähler.
  • Erfolgskontrolle und Entscheid bezüglich weiterer Übernahme der Kosten nach 4 Monaten und nachfolgend jeweils alle
    6 Monate
  • Kostenübernahme für maximal 3 Jahre

Liraglutid (Saxenda®) muss täglich durch den Patienten subkutan appliziert werden. Die Injektion ist einfach und erfolgt mittels eines Pens. Dennoch ist es wichtig, den Patienten hinsichtlich der richtigen Injektionstechnik gut zu instruieren. Ebenso wichtig ist es, mit einer niedrigen Dosis (0.6mg/Tag) zu beginnen und die Dosis nur langsam, in wöchentlichen Abständen bis zu einer Maximaldosis von 3mg/Tag zu steigern, um dem Körper die Möglichkeit zu geben, sich langsam an das Präparat zu gewöhnen. So können mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit und sehr selten Erbrechen minimiert oder ganz vermieden werden. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Diarrhö oder Obstipation. Ebenso wie das Therapie­ansprechen ist auch das Auftreten von Nebenwirkungen von Patient zu Patient sehr verschieden.
Neben der Therapie mit GLP-1 Analoga stellt die bariatrische Chirurgie für ausgewählte Patienten eine sehr effektive und sichere Methode dar, das Gewicht zu senken und Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen zu behandeln oder vollständig zu heilen.
Egal bei welcher Therapieform gilt: der Patient muss im Zentrum der Behandlung stehen und für jeden Patienten muss ein individuelles, massgeschneidertes Vorgehen gefunden werden. Für eine erfolgreiche Adipositas-Therapie gilt viel mehr «state oft the heart» als «state oft the art»: der Patient muss spüren, dass er an einem Ort ist, an dem er mit seinen individuellen Bedürfnissen und Wünschen gesehen und mit seiner Lebenswirklichkeit wahrgenommen wird.

Abb. 3: Empfehlung zur Abklärung und Therapie von Patienten mit Adipositas
Prof. Dr. med. Katharina Timper

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus
Universitätsspital Basel
Petersgraben/Spitalstrasse 21
4031 Basel

Die Autorin hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Adipositas ist eine Krankheit ➞ Patienten mit Adipositas brauchen eine gezielte Therapie.
◆ State of the heart: wertschätzende, empathische, nicht-stigmatisierende
Einstellung gegenüber dem Patienten ist zentral,
Motivational Interviewing – Arzt-Patient=Team.
◆ Erfassen von: Ess-Störungen, emotionalem Essen, psychischer Gesundheit, Adipositas Grading (BMI und Edmonton Obesity Scale), Adipositas-assoziierten Begleiterkrankungen; Ausschluss endokrino­logischer Ursachen für Adipositas.
◆ Aktions-/Behandlungsplan inklusive Behandlungsziele gemeinsam mit dem Patienten erstellen
◆ Lebensstil-Änderungen individuell gestalten und interdisziplinär
implementieren (ggf. Zuweisung Adipositaszentrum).
◆ Adipositas gezielt therapieren mit GLP-1 Analoga (Zuweisung Facharzt FMH Endokrinologie/Diabetologie bzw. Adipositas-Spezialist gemäss BAG-Liste).
◆ Bariatrische Operation evaluieren und diskutieren
(Zuweisung Adipositas-Zentrum).

Literatur:
1. WHO Fact sheet 311 uA. Obesity an overweight. 2014 (accessed 30. October 2014).
2. Collaboration NCDRF. Trends in adult body-mass index in 200 countries from 1975 to 2014: a pooled analysis of 1698 population-based measurement studies with 19.2 million participants. Lancet 2016; 387(10026): 1377-96.
3. Collaboration NCDRF. Worldwide trends in body-mass index, underweight,
overweight, and obesity from 1975 to 2016: a pooled analysis of 2416 population-based measurement studies in 128.9 million children, adolescents, and adults. Lancet 2017; 390(10113): 2627-42.
4. Bluher M. Obesity: global epidemiology and pathogenesis. Nat Rev Endocrinol 2019; 15(5): 288-98.
5. https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/353747/9789289057738-eng.pdf.
6. Malik VS, Willett WC, Hu FB. Global obesity: trends, risk factors and policy
implications. Nat Rev Endocrinol 2013; 9(1): 13-27.
7. Kivimaki M, Luukkonen R, Batty GD, et al. Body mass index and risk of dementia:
Analysis of individual-level data from 1.3 million individuals. Alzheimers Dement 2018; 14(5): 601-9.
8. Puhl RM, Brownell KD. Confronting and coping with weight stigma: an investigation of overweight and obese adults. Obesity (Silver Spring) 2006; 14(10): 1802-15.
9. Himmelstein MS, Puhl RM, Quinn DM. Intersectionality: An Understudied Framework for Addressing Weight Stigma. Am J Prev Med 2017; 53(4): 421-31.
10. Pearl RL, Puhl RM. Weight bias internalization and health: a systematic review. Obes Rev 2018; 19(8): 1141-63.
11. Himmelstein MS, Puhl RM, Pearl RL, Pinto AM, Foster GD. Coping with Weight Stigma Among Adults in a Commercial Weight Management Sample. Int J Behav Med 2020; 27(5): 576-90.
12. Puhl RM, Lessard LM, Himmelstein MS, Foster GD. The roles of experienced and internalized weight stigma in healthcare experiences: Perspectives of adults engaged in weight management across six countries. PLoS One 2021; 16(6): e0251566.
13. Albury C, Strain WD, Brocq SL, et al. The importance of language in engagement between health-care professionals and people living with obesity: a joint consensus statement. Lancet Diabetes Endocrinol 2020; 8(5): 447-55.
14. Puhl RM, Phelan SM, Nadglowski J, Kyle TK. Overcoming Weight Bias in the Management of Patients With Diabetes and Obesity. Clin Diabetes 2016; 34(1): 44-50.
15. https://www.euro.who.int/en/health-topics/disease-prevention/nutrition/
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16. Padwal RS, Pajewski NM, Allison DB, Sharma AM. Using the Edmonton obesity staging system to predict mortality in a population-representative cohort of
people with overweight and obesity. CMAJ 2011; 183(14): E1059-66.
17. Fujioka K, O’Neil PM, Davies M, et al. Early Weight Loss with Liraglutide 3.0 mg Predicts 1-Year Weight Loss and is Associated with Improvements in Clinical Markers. Obesity (Silver Spring) 2016; 24(11): 2278-88.
18. le Roux CW, Astrup A, Fujioka K, et al. 3 years of liraglutide versus placebo for type 2 diabetes risk reduction and weight management in individuals with pre­diabetes: a randomised, double-blind trial. Lancet 2017; 389(10077): 1399-409.

Subklinische Hypothyreose im Alter

Die subklinische Hypothyreose ist eine häufige Diagnose, die nicht immer einer Behandlung bedarf. Gerade im Alter sinkt der Bedarf an Schilddrüsenhormonen ab, ohne dass klinische Symptome für eine Hypothyreose auftreten. Eine grosse, randomisierte Studie und mehrere Metaanalyen konnten bei TSH-Werten <7mU/l keinen relevant negativen Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko, die Knochengesundheit oder die neurokognitive Funktion zeigen. Jedoch ergaben die Untersuchungen, dass bei einem Anstieg des TSH >10mU/l eine Schilddrüsenhormonsubstitution nach sorgfältiger Prüfung sinnvoll sein kann. Insgesamt sollte die Substitutionstherapie bei über 65-Jährigen niedrigdosiert begonnen werden.

Subclinical hypothyroidism is a common disease and does not necessarily require treatment. Especially in the elderly, the need for thyroid hormones decreases, often without clinical symptoms. A large, randomized study and several meta-analyses showed no relevant negative influence on cardiovascular risk, bone health or neurocognitive function at TSH levels <7mU/l. However, in individuals with a TSH >10mU/l, thyroid hormone substitution may be beneficial after careful consideration. Overall, substitution therapy should be started at low doses in people over 65 years of age.

Key Words: Subclinical hypothyroidism; elderly people, levothyroxine treatment

Die Hypothyreose ist in allen Altersgruppen eine der häufigsten chronischen Erkrankungen. In Europa liegt die Prävalenz bei Frauen zwischen 5-20% und bei Männern zwischen 3-8% (1). Bei der manifesten Hypothyreose liegt der TSH-Wert über dem oberen Referenzbereich bei gleichzeitig erniedrigten freien Schilddrüsenhormonen (fT4 und fT3). Die subklinische oder latente Hypothyreose zeigt ein erhöhtes TSH bei normalen peripheren Schilddrüsenhormonwerten. Ein generelles Bevölkerungsscreening auf Schilddrüsenfunktionsstörungen wird gemäss den aktuellen Guidelines nicht empfohlen. Jedoch hat der weitverbreitete Einsatz automatisierter Laboranalysen dazu geführt, dass die Schilddrüsenfunktion öfter kontrolliert wird und auch milde Schilddrüsenfehlfunktionen gehäuft detektiert werden. Die klinische Bedeutung dieser oft relativ milden Schilddrüsenhormonveränderungen, insbesondere bei älteren Personen, ist nach wie vor ungewiss. In den letzten Jahren konnten mehrere Untersuchungen zeigen, dass bei einer subklinischen Hypothyreose in vielen Fällen keine Behandlung notwendig und insbesondere bei älteren Personen sogar nachteilig sein kann. Im Gegensatz dazu ist eine adäquate Behandlung der manifesten Hypothyreose zur Reduktion der Morbidität und Mortalität, sowie der Verbesserung der Lebensqualität wichtig (2).
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass der Schilddrüsenhormonbedarf im Alter absinkt (3) und die TSH-Werte im Durchschnitt höher liegen als bei jungen Erwachsenen, ohne dass eine schilddrüsenspezifische Erkrankung vorliegt (4). Die verschiedenen Aspekte der oft nur laborchemisch gestellten Diagnose einer subklinischen Hypothyreose werden im Folgenden in der Patientengruppe der über 65-Jährigen genauer betrachtet.

TSH-Verlauf beim Älterwerden

Grosse Observationsstudien konnten mit dem Älterwerden eine Verschiebung des TSH hin zu höheren Konzentrationen nachweisen (2). In einer grossen amerikanischen Untersuchung an über 16’000 schilddrüsengesunden Personen ab zwölf Jahren zeigte sich ein kontinuierlicher Anstieg des TSH mit zunehmendem Alter. In der Gruppe der über 65-Jährigen fanden sich in ungefähr 15% der Studienteilnehmenden ein TSH-Wert >4.5mU/l. Interessanterweise lagen die TSH-Werte aber zum grössten Teil in einem Bereich von 4.5-7mU/l und nur in ca. 5% der Bestimmungen lag der TSH-Wert über 10mU/l (5).
Symptome bei subklinischer Hypothyreose Häufig beschriebene Symptome der Hypothyreose (Müdigkeit, trockene Haut, Muskelschwäche und Ödeme) sind in allen Altersgruppen bei der subklinischen Hypothyreose im Allgemeinen deutlich weniger stark ausgeprägt als bei einer manifesten Hypothyreose. Gerade bei älteren Patientinnen und Patienten mit einer subklinischen Hypothyreose sind die Symptome häufig sehr mild bis nicht vorhanden. Die TRUST-Studie ist eine der grössten, doppelblinden, randomisierten Studien, welche Patientinnen und Patienten im Alter über 65 Jahren (Durchschnittsalter 74 Jahre) mit einer subklinischen Hypothyreose untersucht hat. In dieser europäischen Studie wurde an mehr als 700 Teilnehmenden der Zusammenhang zwischen Symptomen und dem Schilddrüsenhormonstatus untersucht. Die Studienteilnehmer wurden 1:1 in eine Behandlungsgruppe und eine Placebogruppe randomisiert. Die Personen in der Behandlungsgruppe erhielten zum Erreichen eines TSH-Wertes im Referenzbereich eine Schilddrüsenhormonsubstitution. Befragt nach der Veränderung der Lebensqualität, klinischen Symptomen einer Hypothyreose und speziell nach Müdigkeit zeigte sich im Follow-Up nach zwölf Monaten kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (6).

Einfluss auf Kognition und Depression

In einzelnen Untersuchungen zur Assoziation zwischen subklinischer Hypothyreose und Gedächtnisstörung oder Demenz zeigten sich teilweise widersprüchliche Resultate, je nachdem ob es sich um Querschnitts- oder Beobachtungsstudien handelte. Insgesamt konnte aber in mehreren Metaanalysen bei Personen, welche älter als 65 Jahre waren, kein direkter Zusammenhang zwischen einer subklinischen Hypothyreose und kognitiven Einschränkungen hergestellt werden (7, 8). Auch in Bezug auf eine Depression ist die Assoziation geringer als im klinischen Alltag oft angenommen wird (9). Die Datenlage bezüglich depressiver Symptome bei älteren Patientinnen und Patienten mit einer subklinischen Hypothyreose ist spärlich. In eine Subgruppenanalyse von über 400 Teilnehmenden aus dem Kollektiv der TRUST-Studie konnte durch Gabe einer Schilddrüsenhormonsubstitution im Vergleich zur Placebogruppe nach 12 Monaten kein Unterschied bezüglich der depressiven Symptomatik detektiert werden (10).

Auswirkung auf das kardiovaskuläre Risiko

Eine subklinische Hypothyreose mit TSH-Werten >10mU/l ist mit einer erhöhten Rate von Herzinsuffizienz assoziiert. Ausserdem kann es durch eine subklinische Hypothyreose, v.a. bei TSH-Werten >7mU/l zu einer Verschlechterung einer bereits vorliegenden Herzinsuffizienz kommen. Auch das Auftreten einer koronaren Herzkrankheit ist bei TSH-Werten >10mU/l erhöht (11).
Eine Auswertung von 55 Kohortenstudien ergab bei Personen mit einer subklinischen Hypothyreose eine erhöhte Mortalität jeglicher Ursache (all-cause mortality) bei einem TSH >10mU/l. Gemäss den Autoren einer kürzlich publizierten amerikanischen Kohorten­studie mit mehr als 10’000 Teilnehmenden könnte v.a. das höhere kardiovaskuläre Risiko einen wichtigen Faktor für die Zunahme der Mortalität darstellen (12). Dahingegen konnte eine Metaanalyse von mehr als einer halben Million Patienten weder eine erhöhte Gesamtmortalität noch eine Erhöhung der Todesfälle durch kardiovaskuläre Ereignisse in der Untergruppe der über 65-Jährigen mit einer subklinischen Hypothyreose zeigen, wohingegen in der Gruppe der unter 65-Jährigen eine Assoziation bestand.
Die TRUST-Studie war ursprünglich als kardiovaskuläre Outcomestudie geplant. Zur Analyse des Effekts der Levothyroxin-Substitution bei Personen mit einer subklinischen Hypothyreose war aber weder die Dauer noch der Umfang der Untersuchung ausreichend. Über den Beobachtungszeitraum von einem Jahr konnte in keiner der beiden Gruppen ein Effekt auf die kardiovaskulären Endpunkte erhoben werden. Ebenso konnte kein signifikanter Unterschied beim Auftreten von Vorhofflimmern detektiert werden (6). In einer kürzlich veröffentlichten englischen Studie wurden 95 Patienten mit einer milden, subklinischen Hypothyreose und einem akuten Myokardinfarkt untersucht. Nach einem Jahr wurde in der Gruppe mit einer Schilddrüsenhormonsubstitution keine signifikante Verbesserung der linksventrikulären Funktion erreicht. (13)

Effekt auf den Knochen

Der negative Einfluss einer Schilddrüsenüberfunktion auf den Knochenmineralgehalt ist bekannt. Der Einfluss einer subklinischen Hypothyreose ist weniger genau untersucht, jedoch haben zwei kürzlich publizierte Metaanalysen den Effekt einer subklinischen Hypothyreose auf die Knochendichte untersucht. In der einen Analyse hatten 450 von 5458 Personen eine subklinische Hypothyreose. In einer Metaanalyse von 2015, welche 13 Kohortenstudien eingeschlossen hat, erfüllten 4092 von 70’298 Patientinnen und Patienten die Kriterien einer subklinischen Hypothyreose. Keine der beiden Untersuchungen konnte einen negativen Effekt auf die Knochendichte oder das Frakturrisiko zeigen (14, 15).

Risiko für die Entwicklung einer manifesten Hypothyreose

Ein mögliches Argument zur Behandlung einer subklinischen Hypothyreose ist die Verhinderung der Entwicklung einer manifesten Hypothyreose. Das jährliche Risiko eine manifeste Hypothyreose zu entwickeln liegt jedoch im tiefen einstelligen Prozentbereich. Höhere TSH-Werte bei Erstdiagnose, weibliches Geschlecht und positive TPO-Antikörper sind hier als Risikofaktoren für die Entwicklung einer manifesten Hypothyreose zu nennen (16, 17). Im Gegenzug zeigen mehrere Untersuchungen, dass sich bei einem einmaligen Nachweis einer subklinischen Hypothyreose die Schilddrüsenhormonwerte in 20-50% der Fälle wieder normalisieren. Es ist jedoch anzumerken, dass die Rate der spontanen Erholung der Schilddrüsenfunktion hauptsächlich von der initialen Höhe des TSH abhängig war (18, 19).

Potentielle Überbehandlung

In den letzten Jahren haben die Patienten, welche mit Schilddrüsenhormonen behandelt werden, stetig zugenommen. Bei älteren Personen ist das Risiko für eine Übertherapie erhöht. In diesem Kollektiv entwickeln 13-28% eine iatrogene Hyperthyreose. Bei einer Schilddrüsenhormonübersubstitution insbesondere mit TSH-Werten <0.1mU/l stieg das Risiko für Vorhofflimmern und Frakturen signifikant an. (11) Aus diesem Grund sollte die Indikation zum Beginn einer Schilddrüsenhormonsubstitution streng gestellt und mit einer niedrigeren Dosis (Levothyroxin 25-50µg/Tag) begonnen werden.(6)

Schlussfolgerung

Es konnte gezeigt werden, dass durch eine subklinische Hypothyreose bei Patienten, welche älter als 65 Jahre sind, kein erhöhtes krankheitsspezifisches Risiko in Bezug auf Symptome, Lebensqualität aber auch harte Endpunkte wie generelle Mortalität besteht. Neuere Daten aus randomisierten Studien sind mehrheitlich auf die TRUST-Studie und ihre Unterstudien begrenzt. Aber auch in älteren Observationsstudien und retrospektiven Analysen konnte bei TSH-Werten <7mU/l weder ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von klinischen Symptomen noch für eine erhöhte Mortalität und Morbidität gezeigt werden. Einzig im Kollektiv mit einem erhöhten kardiovaskulären Risikoprofil konnte gezeigt werden, dass sich die Gefahr für das Auftreten einer koronaren Herzkrankheit, eines Schlaganfalls oder eine Herzinsuffizienz bei TSH-Werten >10mU/l erhöht ist. Hier sollte nach wiederholt erhöhten TSH-Werten eine niedrigdosierte Schilddrüsenhormonsubstitution erwogen und ein TSH-Ziel-Wert <7mU/l, idealerweise zwischen 3 – 6mU/l, angestrebt werden (11). Anhand der vorliegenden Daten kann aber keine generelle Empfehlung für eine Schilddrüsenhormonsubstitution bei Personen über 65 Jahren mit einer subklinischen Hypothyreose ausgesprochen werden (20).

Prof. Dr. med. Christian Meier

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus
Universitätsspital Basel
Endonet Praxis und Osteologisches Universitätsforschungszentrum DVO
Aeschenvorstadt 57
4051 Basel

christian.meier@unibas.ch

Dr. med. Claudia I. Maushart

Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Metabolismus
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Endonet Praxis
Aeschenvorstadt 57
4051 Basel

claudia.maushart@usb.ch

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ TSH-Werte im Abstand von 6 Monaten kontrollieren, da in 20-50% der Fälle spontane Normalisierung der Schilddrüsenfunktion
◆ Zurückhaltende Indikation bei Beginn einer Schilddrüsenhormon­substitution bei Personen im Alter über 65 Jahren und TSH-Werten <10mU/l
◆ Niedrigdosierter Beginn einer Schilddrüsenhormonsubstitution (25-50µg/Tag oder ca. 0.3-0.4µg pro Kilogramm Körpergewicht)

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Fokaler Leberherd als Zufallsbefund

Fokale Leberherde sind ein häufiger Zufallsbefund in der sonografischen Routinediagnostik. Während es sich in gesunden Organen in der Mehrzahl um gutartige Tumore oder Pseudotumore handelt, sind in zirrhotischen Lebern Malignome, allen voran das HCC, häufiger. Wenn mittels B-Bild– und Duplexsonografie die Diagnose nicht sicher möglich ist, stehen mit der Kontrastmittelsonografie, der MRT und der CT hochwertige kontrastgestützte Bildgebungsverfahren zur Verfügung. Besonders für den fokalen Herdbefund in der Zirrhose existieren Diagnosealgorithmen mit Fokus auf der Bildgebung, die die laborchemische und bioptische Diagnostik zunehmend in den Hintergrund stellen. Der Artikel soll die Kenntnis der häufigsten Läsionen, ihrer bildgebenden Charakteristika und ihres Managements vermitteln.

Focal liver lesions are frequent findings in routine abdominal ultrasound. The differential diagnosis covers a wide spectrum of causes, including
benign and malignant primary liver tumors, metastatic disease, or focal lesions related to infectious or metabolic diseases. In healthy livers the majority of solid lesions are benign, whereas the likelihood of malignancy, especially HCC, rises in cirrhosis or chronic hepatitis. When conventional
ultrasound cannot establish the diagnosis, further workup is needed and includes contrast-enhanced imaging (CEUS, CT, MRI) or biopsy in cases of diagnostic uncertainty. The article provides an overview of the frequently found lesions, their characteristic imaging features and their clinical management.

Key Words: focal liver lesion, ultrasound, contrast-enhanced imaging, liver cyst, hemangioma, focal nodular hyperplasia, adenoma, metastasis, HCC

Einleitung

Zufällig entdeckte Leberherde sind häufig, in verschiedenen Studien werden Prävalenzen von bis zu 30 % beschrieben. Leberherde werden aufgrund der weiten Verbreitung der Ultraschalldiagnostik meist zufällig im Rahmen von Routine- und Vorsorgeuntersuchungen entdeckt. Die Differentialdiagnose fokaler Leberherde umfasst ein breites Spektrum benigner und maligner Befunde, die von Pseudotumoren und Gewebsveränderungen im Rahmen metabolischer, inflammatorischer infektiöser und rheumatologischer Erkrankungen über lebereigene gutartige und bösartige Neoplasien bis zu Metastasen solider Tumoren und Mitbeteiligung bei hämatologischen Neoplasien reicht. Da viele dieser differenzialdiagnostisch zu erwägenden Befunde sehr selten sind und oftmals durch die bereits bekannte Grunderkrankung in Betracht gezogen werden können, stellt ein kleineres Spektrum fokaler Herde den Grossteil der im Alltag entdeckten Läsionen dar. In verschiedenen Studien hat sich gezeigt, dass ein zufällig gefundener Leberherd in der Mehrzahl der Fälle benigne ist (1). Seitz und Kollegen beschreiben in der grossen DEGUM-Multicenterstudie eine Häufigkeit benigner Läsionen von ca. 55%, in kleineren Serien waren bis zu 83% hepatischer Inzidentalome gutartig (2). Eine maligne Erkrankung in der Vorgeschichte erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Zufallsbefund maligne ist, um das ca. 1,8-fache (1). In Zirrhoselebern verhalten sich die Häufigkeiten anders, hier wurden in der o.g. DEGUM-Studie 83% der Läsionen als maligne identifiziert.

Primäre B- Bild – und Duplexsonografie

Eine Vielzahl diagnostisch wertvoller Informationen zu einem zufällig entdeckten Leberherd lassen sich bereits in der konventionellen B- Bild und Duplex-/ Dopplersonografie erlangen. Hierbei ist neben der Charakterisierung der Läsion selbst die Beurteilung des Leberparenchyms sowie der intraabdominellen Organe und peritonealen Strukturen unumgänglich. Bezogen auf die Läsion ist die Frage der Anzahl, Verteilung, Echogenität und Echotextur zu beantworten. Wichtig ist vor allem auch, ob es sich um nicht raumfordernde Herdbefunde – die meistens fokalen Fettverteilungsstörungen, seltener Parenchymveränderungen durch Stoffwechselerkrankungen entsprechen können – oder Raumforderungen mit oder ohne
Kriterien einer Invasion in Gefässe oder Nachbarstrukturen handelt. Da bestimmte Läsionen ein charakteristisches Perfusionsmuster aufweisen oder sich eine vermeintliche Zyste als Gefässmalformation entpuppen kann, muss in jedem Fall der farbkodierte Doppler wie auch der PW- Doppler zugeschaltet werden. Die Beurteilung der Restleber hat allen voran die Aufgabe, Hinweise auf eine möglicherweise nicht bekannte Zirrhose zu finden. Dies ist auch deshalb von Bedeutung, da die Wahrscheinlichkeit für einen malignen Prozess in einer Zirrhose deutlich höher liegt. Bei Verdacht auf ein Malignom sollte unbedingt versucht werden, Anhaltspunkte auf das Stadium der Erkrankung, (z.B. Aszites bei Peritonealkarzinose), Komplikationen (z.B. Darmpassagestörung, Pfortaderthrombose) oder gar den Primarius (Pankreas, Intestinaltrakt) zu erlangen,
was Umfang und Dringlichkeit der weiterführenden Diagnostik beeinflusst.

Weiterführende Diagnostik

Labordiagnostik, Tumormarker

Im klinischen Kontext einer zufällig entdeckten Leberläsion besitzen Laborparameter einschliesslich der Tumormarker kaum diagnostischen Nutzen und sollten daher sehr zurückhaltend bestimmt werden, auch um diagnostische Dilemmata zu vermeiden. Bei bereits bekannter maligner Erkrankung kann eine Bestimmung der spezifischen Marker sinnvoll sein.

Biopsie

Mit zunehmendem Stellenwert der kontrastmittelgestützen Bildgebung ist die Biopsie im Rahmen der Primärdiagnostik in den Hintergrund geraten, stellt aber bei diagnostischen Unsicherheiten den Goldstandard dar.

Kontrastmittelgestützte Bildgebung

Kontrastmittelsonografie (CEUS)

Zunehmende Bedeutung und Verbreitung auch im ambulanten fachärztlichen Bereich hat in den letzten Jahren die kontrastmittelverstärkte Ultraschalldiagnostik erlangt.
Hierbei wird nach intravenöser Applikation eines Kontrastverstärkers dessen Verteilung innerhalb der Läsion sowie im umgebenden Gewebe in Echtzeit dargestellt (real-time-Untersuchung). Die Beurteilung des arteriellen Vaskularisierungsmusters sowie des KM-Verhaltens im Laufe weniger Minuten nach Applikation ermöglicht in vielen Fällen eine Artdiagnose der Läsion sowie mit hoher Sicherheit eine Unterscheidung zwischen benignen und malignen Läsionen. Letztere gelingt insbesondere bei Leberraumforderungen deshalb, weil maligne Läsionen nicht über die duale Perfusion gesunden Lebergewebes verfügen- also nicht sowohl arteriell wie auch portalvenös versorgt werden. Das für den Ultraschall verwendete Kontrastmittel besteht aus Mikroblasen mit einem Lipidmantel, die nach der Untersuchung abgeatmet bzw. verstoffwechselt werden. Das Nebenwirkungsprofil ist extrem günstig, lediglich sehr seltene allergische Reaktionen sind beschrieben. Nachteil der Methode ist die Abhängigkeit von Erfahrung des Untersuchers und den Untersuchungsbedingungen.

CT, MRT

Die CT und gleichermassen die MRT mit Gadolinium oder leberspezifischen Kontrastmitteln sind heutzutage Standardverfahren, deren Vorteil gegenüber der CEUS die Untersucherunabhängigkeit ist, während das Nebenwirkungsprofil der Kontrastmittel sowie die höheren Untersuchungskosten Nachteile darstellen. In grossen Studien hat sich die Kontrastmittelsonografie in Bezug sowohl auf die Identifikation maligner versus benigner Läsionen als auch auf die Artdiagnose der kontrastverstärkten CT- wie auch MRT- Diagnostik als ebenbürtig erwiesen (3,4).

Häufige Lebertumore

Zystische Leberherde

Die unkomplizierte dysontogenetische Leberzyste ist ein häufiger Zufallsbefund in ca. 2-3% der sonografischen Untersuchungen. Die Kriterien der sonografisch blanden Zyste umfassen vor allem eine zarte Kapsel und ein echofreies Lumen ohne Hinweise auf solide Zystenanteile oder eine Perfusion. Liegen diese Kriterien vor, ist die Diagnose ohne weitere Diagnostik sicher zu stellen. Zeigen sich Zysten mit verdickter Kapsel, echogenen, septierten, solide wirkenden oder gar perfundierten Binnenstrukturen, muss in der Regel, wenn nicht eindeutig der klinische Kontext weiterhilft, eine zusätzliche Kontrastbildgebung erfolgen. Mögliche Differenzialdiagnosen sind sekundär eingeblutete oder infizierte Zysten, Leberabszesse, Zysten im Rahmen infektiöser Erkrankungen (z.B. Echinokokkosen), prädominant zystische Metastasen oder die seltenen biliären Zystadenome oder Zystadenokarzinome.

Leberhämangiome

Hämangiome sind die häufigsten gutartigen soliden Lebertumore. In Autopsien sind sie in bis zu 20% gesunder Lebern zu finden (5). In der überwiegenden Zahl der Fälle sind die Läsionen asymptomatisch, Ausnahmen können die > 10 cm messenden Riesenhämangiome darstellen. Grössenänderungen im Verlauf sind möglich. Unterschieden wird zwischen kavernösen Hämangiomen mit langsamem Blutfluss und meist im Verlauf vorhandenen Teilthrombosierungen und meist kleineren Läsionen mit hohem Blutfluss. Das klassische sonografische Bild des kavernösen Hämangioms entspricht einer < 3cm grossen, weitgehend homogenen, echoreicheren Läsion, die manchmal ein zuführendes Gefäss, jedoch in der Regel keine Binnenperfusion im Farbdoppler erkennen lässt. Auch hier ist bei typischem Erscheinungsbild die Diagnose durch B- Bild und Duplexsonografie möglich. Eine zusätzliche Kontrastbildgebung ist meist notwendig, wenn Hämangiome mit hohem Blutfluss oder Hämangiome in Fettlebern als echoarme Herdbefunde imponieren oder infolge intratumoraler Teilthrombosen und Sklerosierungen echoinhomogenere Gebilde vorliegen. Beinhaltet die Vorgeschichte des Patienten eine Tumor- oder chronische Lebererkrankung, empfehlen die aktuellen Leitlinien auch im Falle typischer sonografischer Befunde eine kontrastmittelgestützte Bildgebung (5). Hämangiome zeigen in allen bildgebenden Verfahren typische Kontrastphänomene: ein peripher- noduläres Enhancement und im Verlauf eine nach zentral zunehmende KM-Anflutung, auch als Irisblendenphänomen bezeichnet. In seltenen Fällen können vor allem sehr grosse Hämangiome komplexere KM- Bilder erzeugen, die eine Zuordnung schwierig machen.
Die Kontrastmittelsonografie zeigt in Studien Sensitivitäten um 75% und Spezifitäten bis 100% (6). Alternativ kommen die Multidetektor-CT oder MRT in Frage, wobei die MRT mit Sensitivitäten und Spezifitäten bis 99% bei Detektion und Artdiagnose die höchste Genauigkeit aufweist (7,8). Routinemässige Verlaufskontrollen sind aufgrund des gutartigen und komplikationsarmen Verlaufs nicht notwendig, ebenso wenig muss die Einnahme eines Kontrazeptivums pausiert oder beendet werden.

Fokale noduläre Hyperplasie

Die FNH macht ca. 8% der gutartigen Lebertumore aus und wird gehäuft bei Frauen jungen und mittleren Alters gefunden. Die Läsion besteht histopathologisch aus einer Hyperplasie von Lebergewebe als Antwort auf gesteigerten lokalen arteriellen Blutfluss infolge einer Gefässmalformation (9). Sie tritt in bis zu 30% multifokal auf. Im B- Bild stellt sich die FNH als zumeist isoechogene Läsion mit feinen fibroseartigen Strangmustern und einer zentralen echoreicheren Narbe dar. Bei richtiger Duplexeinstellung lässt sich oft bereits ein bei der typischen Form zentral, bei atypischen Formen peripher liegendes stern- oder radspeichenartig sich aufzweigendes arterielles Gefäss erkennen. Im PW- Doppler weist es typischerweise einen niedrigen Resistenzindex mit Werten bis zu 0,2 auf (10). Die Erstdiagnose sollte eine kontrastgestützte Bildgebung umfassen. Sowohl Kontrastmittelsonografie als auch MRT mit hepatobiliären Kontrastmitteln besitzen eine sehr hohe diagnostische Aussagekraft. Die diagnostische Genauigkeit der Kontrastmittelsonografie betrug in einer aktuellen Studie knapp 99% bei einer Sensitivität von 85% und einer Spezifität von 99,5% (11). Typisch für die FNH sind das rasche arterielle Anfluten mit zentrifugaler Ausbreitung, die Radspeichenstruktur der Gefässe mit zentraler Narbe und das Isoenhancement in den späten Phasen. In seltenen Fällen diagnostischer Unsicherheit, insbesondere wenn die Abgrenzung vom hochdifferenzierten HCC schwerfällt, kann zunächst die Kombination einer MRT mit einer Kontrastmittelsonografie zusätzliche Sicherheit bringen (5), ansonsten können eine bioptische Klärung oder alternativ bildgebende Verlaufskontrollen im Abstand weniger Monate erwogen werden. Die FNH ist durch einen komplikationsarmen Verlauf gekennzeichnet, wenn auch in manchen Fällen ein Grössenwachstum beobachtet werden kann. Hämorrhagische Ereignisse sind extrem selten, eine maligne Entartung tritt nicht auf. Entgegen früherer Annahmen muss die Einnahme von Kontrazeptiva nicht beendet werden, dann sind jedoch anfängliche sonografische Verlaufskontrollen in Abständen von 1-2 Jahren sinnvoll.

Abb. 2: Diagnosealgorithmus bei HCC- verdächtigem Leberherd. Nach: S3- Leitlinie HCC. 2021

Hepatozelluläres Adenom

Das HCA ist ein seltener Lebertumor mit einer geschätzten Prävalenz von 1:25000 und tritt in 85% in Frauen jungen bis mittleren Alters auf (9). Besonders genetische Faktoren und hormonelle Einflüsse spielen bei der Entstehung eine Rolle. Neuere Studien konnten nachweisen, dass Leberadenome eine molekulargenetisch heterogene Entität darstellen, und Genotyp- Phänotyp- Korrelationen herausarbeiten(12). Im Gegensatz zur FNH besitzen bestimmte molekulargenetische Subtypen des Adenoms ( Beta-Catenin- aktivierte Tumore ) das Potential maligner Entartung. Auch hämorrhagische Komplikationen sind häufiger, wobei Blutungen in der Regel bei Adenomen > 5 cm Grösse auftreten. Die differenzialdiagnostische Abgrenzung zum gut differenzierten HCC, das selten auch in nicht zirrhotischen Lebern auftreten kann, bereitet beim HCA in allen bildgebenden Modalitäten Schwierigkeiten. Daher wird im Zweifel eine Biopsie angestrebt, selten auch eine primäre Resektion. Das Management hängt in erster Linie von Geschlecht, Tumorgrösse und Ergebnis der Molekulargenetik ab. Bei Tumorgrösse über 5 cm, bei Nachweis einer Beta-Catenin-Aktivierung, bei Männern oder bei Vorliegen einer Glykogenspeichererkrankung sollte primär eine Resektion angestrebt werden, alternativ stehen ablative Verfahren wie die Radiofrequenzablation oder die transarterielle Embolisation zur Verfügung. In allen andern Fällen ist eine Beobachtung mittels halbjährlicher Bildgebung möglich und eine Resektion im Falle signifikanter Grössenzunahme.

Metastasen

Die häufigsten bösartigen Leberläsionen sind Metastasen, vornehmlich bei Primärtumoren des Gastrointestinaltraktes. Das sonographische Erscheinungsbild ist vielgestaltig und erfordert eine weiterführende Diagnostik. Der Nachweis wie auch die bildgebende Charakterisierung gelingt am sichersten mit der MRT, die Kontrastmittelsonografie weist ebenfalls eine Sensitivität und Spezifität von bis zu 90 % auf (13). Die Notwendigkeit einer Biopsie zur histopathologischen Beurteilung wird im Rahmen eines onkologischen Gesamtkonzeptes festgelegt.

Hepatozelluläres Karzinom (HCC)

Das HCC tritt in der überwiegenden Zahl der Fälle in einer zirrhotischen Leber auf. Ist keine Zirrhose vorhanden, sind in Europa die chronischen Hepatitiden die häufigsten Präkanzerosen. Insgesamt liegt über 90% der HCCs eine chronische Erkrankung zugrunde. Die differenzialdiagnostische Herausforderung liegt in der Abgrenzung von Regeneraten und dysplastischen Knoten in der Zirrhoseleber. Im konventionellen Ultraschall sind uni- oder multifokale, iso-, hyper- und hypoechogene Erscheinungsformen möglich. Jeder sonografisch entdeckte Herdbefund in einer Zirrhose muss wegen des Verdachts auf ein HCC einem durch die aktuellen Leitlinien festgelegten diagnostischen Algorithmus zugeführt werden (14,15). HCCs durchlaufen einen Prozess zunehmender Entdifferenzierung, dem eine Zunahme der arteriellen Vaskularisation entspricht. Die Leitlinien betonen den Stellenwert der kontrastgestützten Bildgebung, in der das HCC eine früharterielle Hyperperfusion und ein verzögertes Washout aufweist. Der Nachweis dieser typischen Kontrastmittelbefunde gelingt in CT, MRT und Kontrastultraschall mit vergleichbarer diagnostischer Genauigkeit (13) und erlaubt ohne weitere Diagnostik die Diagnose eines HCC (Abb. 2). Probleme bereiten in allen bildgebenden Verfahren kleinere Tumore < 2 cm, da diese nur in ca. 50% die charakteristischen Kontrastmittelphänomene aufweisen (16). In solchen Fällen wird, falls technisch möglich, primär eine Biopsie angestrebt. Herdbefunde < 1 cm Grösse in einer Zirrhose werden in der Regel in 6-monatigen Abständen kontrolliert.

Prof. Dr. med. Hasan Kulaksiz

Hirslanden Klinik Im Park
Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie
Seestrasse 220
8027 Zürich

Hasan.kulaksiz@hin.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Fokale Leberherde treten als Zufallsbefunde in bis zu 30% der
Ultraschalluntersuchungen auf.
◆ Der kontrastmittelgestützen Bildgebung mittels CEUS, MRT oder CT kommt für die weiterführende Abklärung herausragende Bedeutung zu.
◆ In nicht zirrhotischen Organen stellen Zysten, Hämangiome und FNHs die häufigsten gutartigen Tumore und Metastasen die häufigsten
bösartigen Raumforderungen dar.
◆ In zirrhotischen Lebern muss jeder Herdbefund unter V.a. HCC einem diagnostischen Algorithmus zugeführt werden.

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14. European Association for the Study of the Liver. EASL Clinical Practice Guidelines: Management of hepatocellular carcinoma. J Hepatol. 2016; 69: 182-236
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Vergessene Infektionskrankheiten, Impfungen und Infodemie – eine Einordnung

Durch Impfung verhinderbare Infektionskrankheiten dürfen – obwohl seltene Erkrankungen – nicht in Vergessenheit geraten. Ärztinnen und Ärzte haben hier eine wichtige Rolle, da sie Fachpersonen und häufig auch Vertrauenspersonen sind und durch Aufklärung dazu beitragen können, dass diese Infektionskrankheiten nicht in Vergessenheit geraten. Daneben benötigen Patientinnen und Patienten Unterstützung durch fundiertes Faktenwissen, um die Flut an Informationen über die (sozialen) Medien zu ordnen und verzerrte oder falsche Informationen einordnen zu können. Das Ziel ist eine aufgeklärte und autonome Impfentscheidung, damit die verhinderbaren Infektionskrankheiten auch in der Zukunft seltene Erkrankungen bleiben.

Infectious diseases that can be prevented by vaccination – although rare diseases – must not be forgotten. Physicians have an important role to play here, as they are experts and often trusted persons and can help to ensure that these infectious diseases are not forgotten through education. In addition, patients need support in the form of sound factual knowledge in order to sort out the flood of information via the (social) media and to be able to classify distorted or incorrect information. The goal is an educated and autonomous vaccination decision, so that preventable infectious diseases remain rare diseases in the future.

Key Words: vaccination, infectious disease, disease prevention

Infektionskrankheiten, die durch Impfung verhindert werden können, sind aus unserem Alltag inzwischen vielfach verschwunden. Was nicht mehr sichtbar ist, wird vergessen. Dies betrifft einerseits uns Ärztinnen und Ärzte. Der Umgang mit seltenen Erkrankungen wird zur Herausforderung. Andererseits entsteht bei einigen Menschen der Raum für die eigentümliche Idee, warum eine Impfung durchführen, wenn es die Krankheit gar nicht mehr gibt? Damit riskieren Impfungen, Opfer ihres Erfolgs zu werden. Wie so häufig hilft hier der Blick über den Tellerrand und ein Perspektivenwechsel weitet das Gesichtsfeld. Sichtbar wird, dass die Unsichtbarkeit dieser Erkrankungen häufig nur örtlich begrenzt, aber global keineswegs selbstverständlich ist. Nicht nur der Blick auf andere Länder, auch die gegenwärtige SARS-CoV-2 Pandemie lassen dies klar erkennen. Dieser Artikel beleuchtet – am Beispiel von Masern – in der Schweiz fast vergessene und damit vermeintlich verschwundene Infektionskrankheiten. Unter Berücksichtigung der aktuellen Pandemie werden zudem Lösungen für die medizinische Praxis aufgezeigt, um vermeidbare Infektionskrankheiten im Gedächtnis zu erhalten.

Wiederauftreten von durch Impfung vermeidbaren seltenen Infektionskrankheiten

Seltene Krankheiten sind in der EU definiert als Krankheiten mit einer Prävalenz von weniger als 5 pro 10’000 Einwohner (1). Damit sind Infektionskrankheiten, die durch Impfung verhindert werden können, in der Schweiz mehrheitlich seltene Erkrankungen und dies schon seit vielen Jahrzehnten. Obwohl Wirksamkeit und Verträglichkeit von Impfungen inzwischen über Jahrzehnte dokumentiert sind, ist das Beinahe Verschwinden verhinderbarer Infektionskrankheiten mitnichten ein Selbstläufer. Beispiele sind Masern aber auch die Poliomyelitis.

Masern in der Schweiz, globale Situation

Masern sind in der Schweiz selten geworden mit regelmässigen kleineren und grösseren Ausbrüchen über die vergangenen Jahre. 2019 gab es in der Schweiz letztmalig eine Zunahme der Masernfälle. Mehrheitlich manifestiert sich die Erkrankung inzwischen im Jugendlichen- und Erwachsenenalter und ist damit keine eigentliche Kinderkrankheit mehr. Dies zeigte sich auch 2019; mehr als die Hälfte der 221 Erkrankten war bereits im Erwachsenalter. Von den Erkrankten mit bekanntem Impfstatus waren 91% ungeimpft. Zwei Erwachsene sind verstorben. Ein Erwachsener erhielt nach knapp 3 Tagen und vor Auftreten von Symptomen eine postexpositionelle Immunoprophylaxe, verstarb dann aber an der Erkrankung mit dem Wildtyp Virus (2). Nach dieser Zunahme gab es 2021 hingegen keinen einzigen Masernfall in der Schweiz und dies erstmalig seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1876. Wahrscheinlich sind die im Rahmen der Pandemie verstärkten Hygienemassnahmen wie auch die verminderte Reisetätigkeit verantwortlich. In vielen Ländern sind die Masern jedoch immer noch häufige Erkrankungen. Und dies, obwohl in den letzten 30 Jahren die Anzahl der Masern­erkrankungen global um mehr als 80% rückläufig war. Dabei zeigt sich ein klarer und gegenläufiger Zusammenhang zwischen der Durchimpfungsrate und der Maserninzidenz (3). Wie rasch aber ein vorgängiger Erfolg kippen und welche schwere Krankheit die Masern auch heute noch bedeuten kann, illustriert ein Masernausbruch im Herbst 2019 auf dem Inselstaat Samoa im Pazifik. Bei einer Bevölkerung von knapp 200’000 sind fast 3% erkrankt und mehr als 80 Menschen verstorben. Vorgängig war die Durchimpfungsrate (1 Impfung im Alter von 1 Jahr) von 99% (2013) auf 40% (2018) gefallen (4). Entsprechend betrafen die meisten Todesfälle Kinder in den ersten 5 Lebensjahren. Bei uns geht das leider gerne vergessen, obwohl wir wie oben dargelegt, Todesfälle auch in der Schweiz registrieren. Was nicht mehr sichtbar ist, wird vergessen.

Einfluss der Pandemie – Masernausbrüche und seit Jahrzehnten wieder ein Fall von Poliomyelitis

Das komplette Ausbleiben der Masern 2021 in der Schweiz – wie auch fast aller respiratorischen Erkrankungen – illustriert, dass die Häufigkeit von Infektionskrankheiten nicht nur von der Durchimpfung oder der medizinischen Versorgung und Verteilung der Impfstoffe abhängt. Auch Ereignisse wie die aktuelle SARS-CoV-2 Pandemie zeigen Auswirkungen in mehrfacher Hinsicht. Die Effekte sind bedauerlicherweise nicht immer vorteilhaft. Bekannt war schon länger, dass mit Einführung der Schutzmassnahmen die Zahlen der verabreichten Routineimpfungen weltweit eingebrochen sind. Die Sorge bestand, dass dies zu einer «Pandemie in oder nach der Pandemie» d.h. zum Wiederauftreten verhinderbarer Infektionskrankheiten bei Kindern führen könnte. Damit wären Kinder erneut indirekt von Massnahmen gegen SARS-CoV-2 betroffen. Bei uns haben sich die Zahlen der Routineimpfung inzwischen fast wieder erholt. Nicht aber in anderen Ländern, insbesondere auch in Entwicklungsländern. Entsprechend meldet die WHO nun, dass die Masern im Januar und Februar 2022 im Vergleich zum Vorjahr global wieder um 79% zugenommen haben (5). Doch nicht nur die Masern, auch eine weitere Infektionskrankheit kehrt aus der Vergessenheit zurück: Israel meldet nach über 30 Jahren wieder einen Polio Fall bei einem 4-Jahre alten Kind. In der Schweiz liegt der letzte Poliofall 40 Jahre zurück. Gründe für das Wiederauftreten der Polio in Israel sind nicht die fehlende medizinische Versorgung durch mangelnde Infrastruktur oder erschwerter Zugang zur Impfung bedingt durch einen Lockdown, sondern zunehmende Impfskepsis. Was aber erklärt die Skepsis gegenüber bewährten Präventionsmassnahmen von schweren Erkrankungen?

Verunsicherung bei der Impfentscheidung durch Überfluss an Informationen

Aus dem nationalen Forschungsprogramm zur Impfskepsis (NFP74) des Schweizerischen Nationalfonds gibt es neue Erkenntnisse für die Schweiz und Vorschläge, wie Ärztinnen und Ärzte eine erfolgreiche Impfberatung durchführen (6). Im Zentrum des Dialogs mit impfskeptischen Patientinnen und Patienten steht die ausgewogene und transparente Information (Vor- und Nachteile erläutern), wenn möglich sollen Pauschalaussagen vermieden werden (z.B. «Impfungen sind wirksam und sicher!») und idealerweise erfolgt das Gespräch auf der Basis eines Vertrauensverhältnisses. Dafür braucht es fundiertes Faktenwissen, sowohl zu Impfungen und Infektionskrankheiten, daneben auch Kommunikationskompetenz. Ersteres lässt sich aneignen und letzteres ist eine der Kern­kompetenzen der medizinischen Grundversorgung. Impfskeptische Patientinnen und Patienten sind sehr wohl einer guten Impfberatung zugänglich und verweigern sich nicht grundsätzlich den Impfungen. Ziel im gemeinsamen Entscheidungsprozess (shared decision making) ist kein Impfentscheid auf Basis der Angst vor Krankheit und Tod, vielmehr die aufgeklärte und autonome Entscheidung für das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten und ihrer Kinder. Ein ergebnisoffener Dialog trägt hierzu bei. Das Gegenteil sehen wir in der derzeitigen Pandemie. Ein Überfluss an teilweise falschen oder verzerrten Informationen führt zur starken Verunsicherung und wird bereits als Infodemie (7) bezeichnet. Die unkomplizierte Verbreitung von Inhalten über die sozialen Medien spielt dabei eine wesentliche Rolle. Umso wichtiger ist hier die Einordnung der Fakten durch Fachpersonen, damit eine überzeugte Impfentscheidung möglich wird. Wie aber lässt sich fundiertes Faktenwissen aneignen und aktuell erhalten?

Fundiertes Faktenwissen

In der Schweiz gibt es unabhängige Fachinformationen für die Impfberatung über das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das BAG wird beraten durch die ausserparlamentarische Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF), die seit 2011 für die jährlichen Impfempfehlungen zuständig ist. Die nachstehende Tabelle fasst online und kostenlos verfügbare Informationen für Ärztinnen und Ärzte für die Schweiz zusammen.
Neben diesen online Ressourcen steht allen Fachpersonen auch die Registrierung bei Infovac offen. Die Mitgliedschaft beinhaltet einen monatlichen Newsletter (Infovac-Bulletin), individuelle Impfberatung per E-Mail mit persönlicher Beantwortung aller Impffragen innert 1-2 Arbeitstagen sowie Zugriff auf verschiedene nützliche Dokumente und alle früheren Infovac-Bulletins. Eine Mitgliedschaft kostet 25 CHF pro Jahr. Unabhängige interaktive Fortbildungen, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden im klinischen Alltag werden in jährlich mehrmals stattfindenden VacUpdate Seminaren angeboten (8).

Dr. med. Christian Kahlert

Leitender Arzt/Leiter
Ostschweizer Kinderspital, Infektiologie & Spitalhygiene
Claudiusstrasse 6
9006 St. Gallen

christian.kahlert@kispisg.ch

Dr. med. Anita Niederer

Reisemedizin, Klinik für Infektiologie/Spitalhygiene
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Frau Dr. Niederer-Loher ist Mitglied der Infovac-Experten und wird für diese Tätigkeit vom Bundesamt für Gesundheit entlohnt. Daneben arbeitet sie unentgeltlich in der eidgenössischen Kommission für Impffragen. Weitere Interessenskonflikte haben die Autoren im Zusammenhang mit diesem Artikel nicht deklariert.

◆ Durch Impfung verhinderbare Infektionskrankheiten gehören in der Schweiz schon lange zu den seltenen Krankheiten.
◆ Obwohl mehrheitlich unsichtbar, sind sie aber nicht verschwunden, verlaufen immer noch schwer (z.B. Masern) und dürfen daher keinesfalls vergessen werden.
◆ Globale Krisen wie die SARS-CoV-2 Pandemie und die Infodemie
über die sozialen Medien zeigen zudem exemplarisch, wie fragil
dieses vermeintliche Verschwinden ist.
◆ Die ärztliche Grundversorgung spielt eine zentrale Rolle in der
Unterstützung des aufgeklärten und autonomen Impfentscheids der Patientinnen und Patienten.

Literatur :
1. EMA. EU Orphan Regulation No 141/2000 [Internet]. European Medicines
Agency. 2018 [cited 2022 Apr 27]. Available from: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/orphan-designation-overview
2. BAG B für G. Masern Schweiz – Ausbrüche 2019 [Internet]. [cited 2022 Apr 27]. Available from: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/ausbrueche-epidemien-pandemien/vergangene-epidemien-pandemien/masern-lagebericht-schweiz.html
3. Wang R, Jing W, Liu M, Liu J. Trends of the Global, Regional, and National Incidence of Measles, Vaccine Coverage, and Risk Factors in 204 Countries From 1990 to 2019. Frontiers in Medicine [Internet]. 2022 [cited 2022 Apr 24];8. Available from: https://www.frontiersin.org/article/10.3389/fmed.2021.798031
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islands. The Lancet Infectious Diseases. 2020 Mar 1;20(3):273–5.
5. UNICEF and WHO warn of perfect storm of conditions for measles outbreaks,
affecting children [Internet]. [cited 2022 May 5]. Available from: https://www.who.int/news/item/27-04-2022-unicef-and-who-warn-of–perfect-storm–of-conditions-for-measles-outbreaks–affecting-children
6. Lisa ST, Clara Z, J DM, Bernhard W, Caesar G, Peter C, et al. Impfskepsis: 10 Punkte für eine ­erfolgreiche Impfberatung. Primary and Hospital Care [Internet]. 2022 Mar 9 [cited 2022 Apr 24];(3). Available from: https://primary-hospital-care.ch/article/doi/phc-d.2022.20103
7. WHO Infodemic [Internet]. [cited 2022 Apr 27]. Available from:
https://www.who.int/health-topics/infodemic
8. Medvis | VacUpdate [Internet]. [cited 2022 May 5]. Available from:
https://www.medvis.ch/veranstaltungen/vacupdate

Schmerzmedizin in der Geriatrie

Aufgrund der steigenden Lebenserwartung ist künftig mit mehr chronischen Schmerzpatienten im Allgemeinen und im Speziellen im geriatrischen Patientenkollektiv zu rechnen. Chronische Schmerzen sind oftmals sehr komplex und verlangen immer nach einem individuell abgestimmten Beurteilungs- und Therapieverfahren. Oftmals gehen psychologisch-psychosomatische und physikalische Therapieoptionen neben den medikamentösen Therapiemöglichkeiten vergessen. Bei den medikamentösen Therapieoptionen sollte immer eine Nutzen-Risiko Abwägung insbesondere beim geriatrischen Patienten durchgeführt werden. Das oftmals angewendete WHO Stufenschema soll nur bei Tumorschmerzen konsequent angewendet werden. Nicht vergessen werden sollten minimal-invasive Schmerztherapiemethoden. Falls richtig indiziert, können sie insbesondere bei älteren Menschen oftmals hilfreich und mit wenig Risiken assoziiert sein.

Due to increasing life expectancy, more chronic pain patients in general and in particular in the geriatric patient population can be expected in the future. Chronic pain is often very complex and always requires an individually tailored assessment and therapy process. Often, psychological-psychosomatic and physical therapy options are forgotten alongside drug therapy options. In the case of drug therapy options, a risk-benefit analysis should always be carried out, especially in geriatric patients. The WHO step-by-step regimen, which is often used, should only be applied consistently in cases of tumor pain. Minimally invasive pain therapy methods should not be forgotten. If properly indicated, they can often be helpful and associated with few risks, especially in older people.
Key Words: Geriatrics, pain medicine, multimodal pain therapy, opioids

Einführung

Aufgrund der Fortschritte in der modernen Medizin und anderen
Faktoren (z.B. Ernährung, Wohlstand, Bildungsniveau) ist künftig mit einer weiteren Zunahme der Lebenserwartung zu rechnen (1). Zusammen mit der erhöhten Schmerz-Vulnerabilität im Alter sowie der erhöhten Inzidenz von chronischen Schmerzen nach Tumorbehandlungen und Operationen (2) führt dies zu einer weiteren Zunahme von chronischen Schmerzen im Alter. So wird die Prävalenz von chronischen Schmerzen in der geriatrischen Patientenpopulation bereits jetzt auf 50 bis 85 % geschätzt (3). Ebenso leiden Bewohner von Pflegeeinrichtungen häufig unter chronischen Schmerzen (4, 5).
Dabei stellt die «Schmerzfreiheit» kein sinnvolles therapeutisches Ziel dar. Im Fokus des ärztlichen Bemühens sollte die Verbesserung der Funktionalität sowie vor allem eine gute Lebensqualität mit und trotz Schmerzen stehen (6).

Ätiologien

Die wichtigsten Ätiologien für Schmerzen im Alter sind degenerative, osteoporotische und entzündliche Krankheiten des Bewegungsapparats, neuro­pathische Schmerzen, Ischämie und Schmerzen bedingt durch Tumorerkrankungen als Folge der diversen Tumortherapien oder duch den Tumor selber (3). Kombinationen diverser Schmerzlokalisationen und -ursachen sind in der geriatrischen Patientengruppe häufig.

Geriatrische Schmerztherapie

Eine multimodale Schmerztherapie, mit Einbezug von pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Therapieoptionen, stellt auch beim geriatrischen Patienten mit chronischen Schmerzen das erfolgversprechendste Konzept dar (7). Eine entsprechende S3-Guideline wird voraussichtlich im Dezember 2024 publiziert (www.awmf.org).

Schmerzassessment

Eine strukturierte Schmerzanamnese mit Erhebung der sechs Dimensionen des Schmerzes (Lokalisation, Dauer, Qualität, Verbesserung, Verschlechterung, Begleitbeschwerden) bildet auch in der Geriatrie die Basisdiagnostik (8) und sollte neben der Erhebung einer vertieften psychosozialen Anamnese sowie der patientenseitigen Erwartungshaltung routinemässig erfolgen (9). Dazu existieren spezifisch für das geriatrische Patientenkollektiv entwickelte Instrumente, wie beispielsweise den «Geriatric Pain Measure» (GPM) und das «Geriatric Painful Events Inventory» (10). Aufgrund der häufig bestehenden kognitiven und/oder kommunikativen Einschränkungen stellt die Schmerzerfassung jedoch oft eine zusätzliche Herausforderung dar. Hier können mehrdimensionale Fremdbeurteilungsskalen mit Beurteilung von Mimik, Gestik, Sprache, Körperhaltung, Verhalten sowie physischen Indikatoren (z.B. Schwitzen, Hypertonie, Tachykardie) hilfreich sein (z.B. BISAD-, BESD-, PAINAD-, MOBID-2-, Doloshort- oder Doloplus-2-Skala) (11). Ein besonderes Augenmerk sollte bei der Schmerz­erfassung auf das Vorhandensein von «Red Flags» gelegt werden (7), um kausal behandelbare Ursachen oder Ursachen mit hoher und unmittelbarer Patientengefährdung nicht zu verpassen.

WHO Stufenschema und neueste Empfehlungen

Im Jahre 1985 publizierte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das WHO-Stufenschema zur Therapie von nozizeptiven Tumorschmerzen (12). In den letzten Jahren wurde die Validität des WHO-Stufenschemas vor allem in der Schmerztherapie von nicht-tumorbedingten Schmerzzuständen zusehends hinterfragt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der «Opioid-Krise» in den USA (13). Aktuelle schmerzmedizinische Publikationen zu Tumor bedingten Schmerzen empfehlen, auch minimal-invasive schmerzthera­peutische Verfahren in Erwägung zu ziehen (insbesondere bei
loko-regionalen Schmerzen) und sehen insbesondere die Dauertherapie mit Opioiden äusserst kritisch (14) (15-17) (Abb. 1). Allgemein wird heute empfohlen, das WHO Stufenschema nur bei Karzinompatienten zu verwenden, nicht aber bei chronischen oder akuten Schmerzzuständen bei Nicht-Tumor-Patienten; bei akuten Schmerzen ist es oft sogar sinnvoll, mit der Stufe 4 (minimal invasive Schmerztherapie) zu beginnen.

Abb. 1: Modifiziertes WHO Stufenschema gemäss Autoren, soll nur bei Tumorschmerzen zur Anwendung gelangen.

Nicht-Opioidanalgetika

Nicht-Opioidanalgetika gehören zu den am meisten verordneten sowie eingenommen Medikamenten weltweit und hemmen (wie auch Paracetamol) die Cyclooxygenasen-Isoenzyme COX-1 und COX-2 in unterschiedlichem Ausmass. Diese wirken analgetisch, antipyretisch, antiphlogistisch sowie im Fall von Metamizol spasmolytisch. Kombinationen von zwei Präparaten der gleichen Substanzklasse müssen unbedingt vermieden werden. Wechselwirkungen von Nicht-Opioidanalgetika mit anderen, Patienten eigenen Dauermedikationen sind häufig. So konnte eine erhöhte Blutungsgefahr bei der Kombination von NSAR-Analgetika mit SSRI-Antidepressiva, mit Steroiden sowie mit verschiedenen Antikoagulantien nachgewiesen werden. Eine wichtige Besonderheit der selektiven COX-2-Hemmer ist die höhere Rate an kardiovaskulären Ereignissen (18) (19), weshalb diese Substanzen besonders beim geriatrischen Patientenkollektiv mit Bedacht verordnet werden müssen. Des Weiteren hebt die gleichzeitige antiemetische Therapie mit Setronen (z.B. Tropisetron) die analgetische Potenz von Paracetamol auf (20). Bei Paracetamol können auch bereits nach kurzer Behandlungsdauer Leberzellschädigungen auftreten, insbesondere bei akzidentiell zusätzlicher Einnahme von «over the counter» Kombinationspräparaten. Der Patient muss auf diese Gefahr unbedingt hingewiesen werden. Neuere Untersuchungen lassen auch darauf schliessen, dass Paracetamol u.U. den Blutdruck erhöhen und für kardiovaskuläre Komplikationen verantwortlich sein kann. Die Gefahr einer Agranulozytose unter Metamizol wird in der Regel überschätzt bei ansonsten gutem Wirkung-Nebenwirkungsprofil dieser Substanz (21). Dennoch müssen sich Arzt und Patient über diese, wenn auch sehr seltene, Nebenwirkung im Klaren sein, auch wenn mitunter schwere Nebenwirkungen bei NSAID’s deutlich häufiger auftreten (Faktor 10 bis 100).

Opioidanalgetika

Opioide können bei akuten nozizeptiven Schmerzen, welche ein ungenügendes Ansprechen auf Nicht-Opioidanalgetika zeigen, zusammen mit diesen kurzzeitig indiziert sein. Die analgetische Potenz bei neuropathischen Schmerzen ist hingegen deutlich reduziert. Eine Opioid-Langzeittherapie (mehr als 90 Tage) bei
chronischen nicht Tumor-bedingten Schmerzen wird heutzutage sehr kritisch betrachtet und sollte in der Regel vermieden werden (16, 22). Grundsätzlich stellen z.B. Kopfschmerzerkrankungen und Fibromyalgie keine Indikationen für Opioidanalgetika dar.
Zu beachten ist, dass eine Therapie mit Opioidanalgetika bei ca. 80% der Patienten mit leichten bis moderaten und bei 8% mit starken unerwünschten Arzneimittelwirkungen einhergeht (23).
Zur Therapie von akuten Schmerzexazerbationen haben sich nicht-retardierte Opioidpräparate bewährt (z.B. Morphin Tropfen). Der Einsatz von Opioiden und deren Dosierung muss immer individuell und situativ erfolgen. Des Weiteren scheinen Opioide das Schmerzerlebnis im limbischen System (Stichwort: Stimmungsaufhellung) zu beeinflussen, was bei Risikopatienten rasch zu Abhängigkeit, Missbrauch oder gar Suchtverhalten führen kann, ganz besonders bei rasch wirksamen, rasch anflutenden Opioid-Formen. Wegen häufig auftretender Nausea und Obstipation sollte parallel eine Verordnung mit Antiemetika sowie Laxanzien zumindest in der initialen Phase erfolgen.
Vor allem bei älteren Schmerzpatientinnen und -patienten kann es unter einer neu initiierten Opioidschmerztherapie zu Dysphorie, Sedierung, Delirium sowie zum Auftreten von Halluzinationen kommen. Einige Opioide, wie beispielsweise das in der Schweiz sehr verbreitete Tramadol, besitzen neben der analgetischen Wirkung auch einen therapeutisch bedeutsamen antidepressiven Effekt, welcher durch eine Noradrenalin-Serotonin Wiederaufnahme vermittelt wird.
Die Opioid-haltigen transdermalen Systeme (Fentanyl oder Buprenorphin) sind hochpotente pharmakologische Systeme und zeichnen sich vor allem durch eine sehr langsame Kinetik (Steady state erst innerhalb von Tagen) aus, so dass eine «Steuerung» der Schmerztherapie mit dieser Applikationsform sehr anspruchsvoll ausfällt. Der korrekte Einsatz erfordert klinische Erfahrung, da es ansonsten rasch zu Über- oder unter Unterdosierungen kommen kann. So sind diese Systeme etwa bei Kachexie und akuten Schmerzsituationen kontraindiziert.

Co-Analgetika und topische Analgetika

Co-Analgetika wie beispielsweise trizyklische Antidepressiva, SSRI, NSRI, Gabapentinoide und Ketamin sowie Lokalanästhetika i.v. sind wichtige therapeutische Pfeiler in der komplexen Schmerzmedizin. Diese hier ausführlich darzustellen, sprengt den Rahmen dieses Artikels, weshalb diese nur kursorisch genannt werden (Abb. 2).

Abb. 2: psychologisch-psychosomatische, hysikalische sowie medikamentöse Therapieoptionen beim geriatrischen Patienten.

Cannabinoide

Bezüglich den vor allem auch in den Medien zum Teil schon fast überschwänglich gepriesenen Therapieoptionen mit Cannabinoiden sollte mit sachlich nüchterner, evidenzbasierter Haltung begegnet werden. Eine wissenschaftliche Begründung für den breitflächigen Einsatz von THC bei chronischen Schmerzen gibt es zurzeit nicht. Metaanalysen schätzen die NNT bei chronischen Schmerzen bei etwa 25, die NNH bei etwa 6 (24). Eigene Daten aus unserer CBD Forschung in einem akuten Schmerzmodell sind sehr enttäuschend (25, 26).

Physikalische und psychologische Therapiemodalitäten

Die nicht-pharmakologischen Schmerztherapien haben insbesondere bei der Behandlung von chronischen Schmerzen einen sehr hohen Stellenwert.
Abbildung 2 zeigt die wichtigsten physikalischen Therapiemodalitäten. Die körperlichen Übungen müssen vom Patienten auch im häuslichen Umfeld selbstständig angewendet werden können. Für multimodalen Therapieansätze besteht insgesamt eine gute Evidenzlage bezüglich ihrer Wirksamkeit (27).
Die wichtigsten Formen psychologisch-psychosomatischer Therapieformen sind ebenfalls in Abbildung 2 aufgeführt. Die Wirksamkeit von psychologischen Verfahren bei akuten Rückenschmerzen sowie bei chronischen Schmerzen ist wissenschaftlich belegt. Es scheinen jedoch keine wesentlichen Wirkunterschiede zwischen den einzelnen (verhaltenstherapeutischen) Ansätzen zu bestehen (28). Eine grosse Herausforderung stellt in der täglichen Praxis die Gewinnung des Patienten für das «bio-psycho-soziale» Krankheitsmodell dar. Dabei hat sich vor allem die schmerzedukative Arbeit mit gut verständlichen Metaphern sowie graphischen Erklärungsmodellen durch den Schmerzmediziner bewährt.

Interventionelle Schmerztherapie

Bei allen Patienten mit einem streng regionalen Schmerzgeschehen ist zu überlegen, ob die Möglichkeit einer interventionellen Schmerztherapie oder lokalen Therapie (statt einer systemischen Therapie) besteht. Die interventionellen Therapiemodalitäten spielen auch in der geriatrischen Schmerztherapie eine wichtige Rolle. Grundsätzlich lassen sich Infiltrationen in der Nähe der Wirbelsäule, in die gros­sen Gelenken sowie Interventionen an den peripheren Nerven unterscheiden. Diese interventionellen Schmerztherapien finden meistens unter Zuhilfenahme von bildgebenden Verfahren statt (Ultraschall, C-Bogen, CT). Es handelt sich somit um eine möglichst spezifische Therapie eines anatomischen Schmerzgenerators.
Als Beispiele für diagnostisch-therapeutische Interventionen an der Neuraxis in der geriatrischen Patientenpopulation gelten die interlaminäre epidurale Steroidinfiltration bei Spinalkanalstenose, die periradikuläre Wurzelinfiltration mit Steroiden bei Neuroforaminalstenosen, die intra- bzw. periartikulären Steroidinfiltrationen in die Facettengelenke sowie die intra- oder periartikulären Steroidinfiltrationen wie z.B. ins ISG Gelenk. Bei therapieresistenten Kniegelenkarthrosen können Blockaden der Nn. geniculares der Kniegelenke oftmals eine deutliche Verbesserung der Schmerz Situation insbesondere bei geriatrischen Patienten herbeiführen, bei denen eine prothetische Massnahme nicht mehr möglich oder erwünscht ist. Die Darstellung der Möglichkeit von ablativen Schmerztherapieverfahren sprengt den Rahmen dieses Artikels ebenso wie die Durchführung von regelmässig wiederkehrenden Schmerzinfusionstherapien mit Lokalanästhetika und Ketamin. Ebenso kann an dieser Stelle auf weitere Therapiestrategien wie Neuraltherapie, Hypnose oder traditionelle chinesische Medizin nicht eingegangen werden.

Prof. Dr. med.Wilhelm Ruppen

Leitender Arzt Abteilung für Schmerzmedizin
Klinik für Anästhesie, Notfall- und Schmerzmedizin
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 1
4031 Basel

schmerzmedizin@usb.ch

Dr. med. Pascal Gerster

Dr. med. Pascal Gerster
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 1
4031 Basel

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Schmerztherapie soll bei jedem Patienten individuell beurteilt und indiziert werden.
◆ Bei älteren Menschen kann aufgrund verschiedener funktioneller Defizite eine systematische, standardisierte Schmerzerfassung zielführend sein.
◆ Je komplexer die Schmerzsituation ist, umso mehr müssen neben medikamentösen Behandlungsansätzen auch psychologisch-psychosomatische und physikalische Therapieoptionen in Erwägung gezogen werden.
◆ Minimalinvasive Schmerz Therapiemethoden sollten insbesondere beim geriatrischen Patienten in Erwägung gezogen werden, da, richtig indiziert, wenig bis kaum systemische Nebenwirkungen zu erwarten sind.
◆ Das WHO Stufenschema soll prinzipiell konsequent nur bei Tumor- Schmerzpatienten zur Anwendung gelangen.
◆ Die Schmerzmedizin ist in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen des umstrittenen Einsatzes von Opioiden deutlich anspruchsvoller und komplexer geworden, ganz besonders beim älteren Menschen.

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