Empfehlung bezüglich COVID-19 für die autologe Blutstammzellspende

Aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus hat die Blutspende SRK, Bereich Swiss Blood Stem Cells (SBSC), in Rücksprache mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) am 21.04.2020 einen Beschluss zum Vorgehen bei der allogenen Blutstammzellspende (aktueller Beschluss Vorschriften SBSC Nr. 02_2022) getroffen. Die aufgeführten Massnahmen sollen dazu beitragen, auch in der Transplantationsmedizin die Menschen vor der Übertragung des neuen Coronavirus zu schützen und seine Verbreitung einzudämmen. Sie müssen bei Bedarf an die aktuelle Situation angepasst werden.

Auch im Bereich der autologen Blutstammzellspende sind aufgrund der Covid-19 Pandemie besondere Massnahmen angezeigt.
Der Umgang mit Blut-Stammzellen für eine autologe Spende muss gemäss Artikel 13 und 14 der Transplantationsverordnung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erfolgen und unter anderem Empfehlungen von nationalen und internationalen Fachorganisation entsprechen.
Swissmedic empfiehlt, bei autologen Blutstammzellspenden die COVID-19 Empfehlung und die Information zur COVID-19 Impfung der «European Society for Blood and Marrow Transplantation (EBMT)» zu beachten, und die entsprechenden Massnahmen sinngemäss anzuwenden (https://www.ebmt.org/covid-19-and-bmt : EBMT COVID RECOMMENDATIONS UPDATE MAY 27, 2021; EBMT COVID VACCINE INFORMATION MAY 27, 2021).

Zudem kann der oben erwähnte SBSC-Beschluss für autologe Spender, wenn in gewissen Situation angemessen, ebenfalls sinngemäss berücksichtigt werden.
Ferner sind in Zusammenhang mit «New Emerging Diseases», wie z.B. COVID-19 die Vorgaben des Ratgebers des Europarates über die Sicherheit und die Qualitätssicherung beim Umgang mit Geweben und Zellen (Guide to the quality and safety of tissues and cells for human applications, EDQM Guide) massgebend, welche auf die Empfehlungen des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) (www.ecdc.europa.eu/en/novel-coronavirus-china) verweisen.
Weitere Informationen zum Coronavirus finden Sie auf der Webseite des Bundesamts für Gesundheit (www.bag.admin.ch).

Zulassung von Arzneimittel mit neuem Wirkstoff:

Blenrep, Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung (Belantamabum mafodotinum)

Name Arzneimittel Blenrep, Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
Name des Wirkstoffs / der Wirkstoffe Belantamabum mafodotinum
Dosisstärke und Darreichungsform 100 mg, Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung
Anwendungsgebiet / Indikation Blenrep ist indiziert als Monotherapie zur Behandlung des multiplen Myeloms bei erwachsenen Patienten, die bereits mindestens vier Therapielinien erhalten haben, und deren Erkrankung refraktär gegenüber mindestens einem Proteasom-Inhibitor, einem Immunmodulator und einem monoklonalen Anti-CD38-Antikörper ist und die während der letzten Therapie eine Krankheitsprogression zeigten.
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Belantamab mafodotin bei Patienten mit vorheriger BCMAgerichteter CART-Zell-Therapie ist nicht untersucht.
ATC Code L01XC39
IT-Nummer / Bezeichnung 07.16.1./Cytostatica
Zulassungsnummer/n 67741
Zulassungsdatum 20.06.2022
Für vollständige Informationen zum Präparat ist die Fachinformation zu konsultieren.

Scemblix®, Filmtabletten (Asciminibum)

Name Arzneimittel Scemblix®, Filmtabletten
Name des Wirkstoffs / der Wirkstoffe Asciminibum
Dosisstärke und Darreichungsform 20 mg und 40 mg, Filmtabletten
Anwendungsgebiet / Indikation Scemblix ist für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver chronisch-myeloischer Leukämie (Ph+ CML) in der chronischen Phase (CP) indiziert, die zuvor mit zwei oder mehr Tyrosinkinaseinhibitoren behandelt wurden und ein Therapieversagen oder eine Unverträglichkeit darauf aufweisen (siehe Abschnitt «Klinische Wirksamkeit»).
ATC Code L01EA06
IT-Nummer / Bezeichnung 07.16./Oncologica
Zulassungsnummer/n 68441
Zulassungsdatum 09.06.2022
Für vollständige Informationen zum Präparat ist die Fachinformation zu konsultieren.

Exkivity®, Hartkapseln (Mobocertinibum)

Name Arzneimittel Exkivity®, Hartkapseln
Name des Wirkstoffs / der Wirkstoffe Mobocertinibum
Dosisstärke und Darreichungsform 40 mg, Hartkapseln
Anwendungsgebiet / Indikation EXKIVITY ist indiziert als Monotherapie zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit nichtresezierbarem oder metastasiertem nichtkleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) mit Exon- 20-Insertionsmutation des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR), bei denen die Krankheit während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie fortgeschritten ist.
ATC Code L01EB
IT-Nummer / Bezeichnung 07.16./Oncologica
Zulassungsnummer/n 68147
Zulassungsdatum 01.06.2022
Für vollständige Informationen zum Präparat ist die Fachinformation zu konsultieren.

Exkivity® (Wirkstoff: Mobocertinib)

Befristete Zulassung in der Schweiz: 01.06.2022 Arzneimittel (Hartgelatinekapseln) zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) mit Exon 20 Genveränderung des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors (EGFR).

Über das Arzneimittel

Exkivity ist ein Krebsmedikament mit dem Wirkstoff Mobocertinib, das als Kapsel eingenommen wird. Mit Exkivity werden Erwachsene mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) behandelt, deren Krebs sich auf andere Körperteile ausgebreitet (metastasierend) hat oder nicht chirurgisch entfernt werden kann und bei denen der Lungenkrebs während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie fortgeschritten ist. Das Arzneimittel Exkivity ist zur Behandlung von Patientinnen und Patienten geeignet, bei denen eine spezifische Veränderung (Mutation) des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors1 (EGFR) nachgewiesen werden kann. Diese Genveränderung wird als Exon 20-Insertionsmutation des EGFR bezeichnet. Exkivity wurde im Rahmen des «Project Orbis» zugelassen. Project Orbis ist ein von der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA koordiniertes Programm für vielversprechende Krebsbehandlungen. Es bietet einen Rahmen für die gleichzeitige Einreichung und Prüfung von Krebsmedikamenten durch mehrere internationale Partnerbehörden verschiedener Länder. Damit wird das Ziel verfolgt, Patientinnen und Patienten einen schnelleren Zugang zu innovativen Krebsbehandlungen zu ermöglichen. Zurzeit sind die Zulassungsbehörden von Australien (TGA), Brasilien (ANVISA), Israel (MOH), Kanada (HC), Singapur (HSA), Schweiz (Swissmedic) und dem Vereinigten Königreich (MHRA) im Project Orbis vertreten.

Wirkung

Die Veränderung des EGFRs bewirkt, dass Signale in der Tumorzelle ausgelöst werden, welche das Zellwachstum und die Zellteilung beeinflussen und somit das unkontrollierte Tumorwachstum auslösen können. Der im Arzneimittel Exkivity enthaltene Wirkstoff Mobocertinib ist ein sogenannter Tyrosinkinase-Inhibitor, der gegen EGFR-Mutationen einschliesslich Exon 20-Insertionsmutationen wirkt. Mobocertinib kann die spezifische Genveränderungen des EGFR hemmen und sich an die veränderten WachstumsfaktorRezeptoren binden. Durch diesen Wirkmechanismus kann Exkivity das Wachstum und die Ausbreitung des Krebses kontrollieren.

Anwendung

Exkivity ist rezeptpflichtig und als Hartgelatinekapseln zur oralen Einnahme in der Dosisstärke 40 mg zugelassen. Voraussetzung für die Anwendung von Exkivity ist der Nachweis einer spezifischen EGFR-Exon 20-Insertionsmutation. Die empfohlene Dosis beträgt 160 mg (4 Kapseln) einmal täglich. Exkivity kann unabhängig von den Malzeiten (d. h. mit oder ohne Nahrung) eingenommen werden. Die Behandlung mit Exkivity wird durch eine medizinische Fachperson, die über Erfahrung in der Anwendung von Krebstherapien hat, eingeleitet und überwacht. Der Arzt oder die Ärztin wird die Dosis auf den Gesundheitszustand der individuellen Patientin oder des individuellen Patienten anpassen, sofern dies aus Gründen der Verträglichkeit und Sicherheit erforderlich ist.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Exkivity wurde in einer multizentrischen, einarmigen offenen Studie (AP32788-15-101) an 114 Personen untersucht, die Insertionsmutationen im Exon 20 des EGFR-Gens aufwiesen und bei denen die Krankheit während oder nach einer platinhaltigen Chemotherapie fortgeschritten war. Alle Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer hatten nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC) in fortgeschrittenem Stadium oder wiesen Metastasen auf. Die Patientinnen und Patienten erhielten Exkivity in der Dosis von 160 mg/Tag bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis schwere Nebenwirkungen auftraten. Median. Gemessen wurde die Gesamtansprechrate. Sie zeigt den Anteil der Patientinnen und Patienten, die eine Verringerung der Tumorgrösse aufweisen. Als weiteres Ergebniswurde das Gesamtüberleben erfasst. Das Gesamtüberleben bezeichnet die Zeitspanne zwischen Therapiebeginn und Tod des Patienten bzw. der Patientin. Die durchgeführte Studie zeigte bei den mit Exkivity behandelten Patientinnen und Patienten unter anderem eine Gesamtansprechrate von 28% und ein medianes (2) Gesamtüberleben von 20.2 Monaten.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen & Risiken

Exkivity darf bei einer Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff Mobocertinib nicht angewendet werden. Exkivity kann Nebenwirkungen verursachen. Die häufigsten schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen sind Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Dehydrierung, Nierenschädigung, Hautausschlag, verminderter Appetit, Herzinsuffizienz und interstitielle Lungenerkrankung (3). Exkivity kann Herzrhythmusstörungen auslösen, die tödlich verlaufen können. Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Patientinnen- und Patienteninformation sowie in der Fachinformation von Exkivity® aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

Patientinnen und Patienten mit NSCLC immetastasierenden oder nicht chirurgisch behandelbaren Stadium haben eine schlechte Prognose. Durch die Behandlung mit Exkivity kann die Krankheit über einen gewissen Zeitraum kontrolliert werden. Bei Patienten und Patientinnen, die an NSCLC mit Exon 20-Insertionsmutation des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptorsleiden, konnte mit Exkivity eine klinisch bedeutsame Gesamtansprechrate beobachtet werden. Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile von Exkivity die Risiken. Das Arzneimittel Exkivity mit dem Wirkstoff Mobocertinib wurde in der Schweiz für die Behandlung von erwachsenen NSCLC Patientinnen und Patienten mit Exon 20-Insertionsmutation des EGFR befristet zugelassen (Art. 9a HMG), da zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht alle klinischen Studien abgeschlossen waren. Die befristete Zulassung ist zwingend an die zeitgerechte Einreichung der von Swissmedic verlangten Daten gebunden. Nach Erfüllung dieser Zulassungsauflagen kann die befristete Zulassung in eine ordentliche Zulassung umgewandelt werden.

 

1. Ein Rezeptor ist ein Protein oder ein Proteinkomplex auf der Oberfläche oder im Inneren von Zellen. Wenn eine spezifische Substanz an einen Rezeptor bindet, wird eine Reaktion in der Zelle ausgelöst.

2. Median: Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentralwert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.

3. Als interstitielle Lungenerkrankungen werden Entzündungen des Lungengewebes bezeichnet, die z.B. durch Arzneimittel hervorgerufen werden können.

SGAIM Frühjahrestagung: Update Nephrologie

Wie kann man einer chronischen Nierenkrankheit  vorbeugen?

Die primäre Prävention der chronischen Nierenkrankheit (CKD) umfasst die Identifizierung von Risikofaktoren, die Bewältigung der Fettleibigkeit, eine verbesserte Kontrolle des Blutzuckers und des Blutdrucks, Vermeidung eines hohen Salzkonsums, gesunde Ernährung und gesunder Lebensstil, stellte PD Dr. med. Pietro Crippà, Lugano, fest.
Die Ziele der sekundären Prävention sind Verlangsamung der CKD Progression, Verzögerung der Dialysebehandlung, Korrektur der Risikofaktoren (Vermeidung unkontrollierter Hypertonie, kein
hoher Protein- und Salzkonsum, Vermeidung von Azidose und akuten koronaren Ereignissen.
Die Tertiärprävention hat die Vermeidung urämischer Symptome und Komorbiditäten zum Ziel, und zwar durch massgeschnei­derte kardiovaskuläre und Ernährungstherapie und Pharmakotherapie. Die Mortalität nimmt bei zu niedrigem aber auch bei zu hohem eGFR-Wert zu.

Das bescheidene Organ

Der Referent zitiert eine Kolumne von Milan Moser «Genau das ist es ja» sagt Victor «Die Niere ist bescheiden. Sie macht kein Theater, wenn sie leidet. Sie begehrt nicht auf wie das Herz oder die Lunge. Erst wenn’s schon fast zu spät ist, wenn sie gar nicht mehr kann, macht sie sich bemerkbar» (www.faszinierend.swiss).

Nierenerhaltende Pflege

  • Diät und Lebensstil
    Pflanzliche, eiweissarme und salzarme Ernährung. Körperliche
    Aktivität, Gewichtsabnahme und Raucherentwöhnung.
  • Pharmakotherapie
    • Für Krankheitsprogression: RAAS Blocker, SGLT2-Inhibitoren, MR Antagonisten, Krankheitsspezifische Medikamente
    • Für kardiovaskuläres Risikomanagement: Blutdrucksenker, Glucose-senkende Medikamente, Lipidsenker, Diuretika
    • Für andere Komorbiditäten: Azidose-Management, Kaliumbinder, Anämie-Management, Aufrechterhaltung der
      Knochengesundheit, schrittweiser Übergang zu Dialyse.

Der Referent präsentierte die hauptsächlichen klinischen Studien mit ACE-Inhibitoren und ARB bei CKD, die REIN Stratum 2
(Ramipril vs Placebo), die RENAAL (Losartan vs. Placebo), die ASASK Studie (Ramipril vs. Metoprolol vs. Amlodipin) und die IDNT (Irbesartan vs Placebo vs Amlodipin).In der REIN Stratum 2 war der renoprotektive Effekt vor allem durch die Reduktion der Proteinurie bedingt. Bei Patienten mit Backgrund ACE-Hemmer-Therapie ergab die intensivierte Blutdruckkontrolle keine Wirkung auf die Proteinurie und schien mit einer schnelleren Proteinurie einherzugehen. In RENAAL war der Basis-systolische Blutdruck ein stärkerer Prädiktor für Nierenergebnisse als der diastolische Blutdruck. Diejenigen Patienten mit dem höchsten Ausgangs SBP hatten das höchste Risiko für Nephropathie- Progression, erzielten aber auch die grösste Risikoreduktion wenn der SBP auf weniger als 140mmHg gesenkt wird. In der ASASK-Studie scheinen die ACE-Inhibitoren bei der Verlangsamung des GFR -Rückgangs wirksamer zu sein als der Kalziumkanalblocker Amlodipin (Ramipril 22% Risikoreduktion vs Metoprolol, 38% vs. Amlodipin). IDNT zeigte eine relative Risikosenkung für Irbesartan vs Placebo von 19%, und von 24% vs Amlodipin. Der Mineralkortikoidrezeptor Antagonist Finerenone ergab in der FIDELIO DKD Studie eine Risikosenkung des primären Outcomes (Nierenversagen, anhaltende Senkung der eGFR von mindestens 40% oder Tod infolge renaler Ursachen) um 18%.

SGLT2 Inhibitoren

Die Meta-Analyse der Studien CREDENCE, DECLARE-TIMI58, CANVAS Program, EMPA-REG Outcome ergab bezüglich End Stage Kidney Disease eine Overall Relative Risikoreduktion von 35%, Bezogen auf einen substanziellen Verlust der Nierenfunktion, End Stage Kidney Disease oder Tod eine relative Risikoreduktion von 42% und bezüglich substanziellen Verlust der Nierenfunktion End Stage Kidney Disease oder Tod infolge kardiovaskulärer oder
Nierenkrankheit um 29%.
Die DAPA-CKD-Studie mit Dapagliflozin bei Patienten mit oder ohne Typ 2 Diabetes, die unter ACEi/ARB bei max. Dosierung während 24 Wochen stabil waren, eine relative Risikoreduktion von 39%.

Neue Perspektiven für die Nierenersatztherapie

Nierentherapieoptionen: Organreparatur

  • In situ
    • Faktoren, die die Reparatur auslösen/verbessern
  • Ex vivo Modelle
    • Adulte Nierenstammzellen
    • Humane pluripotente Stammzellen
    • Krankheitsmodelle für die Arzneimittelentwicklung
  • De novo
    • Biotechnologisch hergestelltes Nierengewebe für die Ersatztherapie
    • Neuartige Geräte für die Ersatztherapie

Der Wegbereiter?

Der Referent erwähnt zum Schluss die erfolgreiche Schweinenierentransplantation an menschlichen Patienten. Viele der Hindernisse, die bisher den Fortschritt in der Xenotransplantation hemmten, wurden durch die Entwicklung von CRISP / Cas9 basierten Gen Editing Methoden überwunden. Damit wurden die Organe von Schweinen besser mit dem menschlichen Immunsystem kompatibel gemacht. Selbst mit dieser Modifikation ist noch nicht klar, ob die Anwendung ein ähnliches Überleben wie die Allotransplantation ermöglichen kann. Gezielte Kombinationen von Wirtsimmunität und der gentechnischen Veränderung von Schweinespendern werden wahrscheinlich zu einem klinischen Erfolg der Xenotransplantation in naher Zukunft führen.
Der Patient zeigte keine Anzeichen einer Abstossung des genetisch modifizierten Organs, litt aber an vielen Komplikationen (Zeichen von tierischem Virus) vor dem Tod.
Es stellt sich die Frage: bahnbrechend? – gefährlich? – ethisch
akzeptabel?

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

SGAIM Frühjahrestagung: Abklärung und Therapie der Demenz

Prävalenz der Demenz

Die Prävalenz der Demenz nimmt mit dem Alter zu. Bei 65 bis 69-Jährigen beträgt sie 3%, bei 70 bis 79-Jährigen 9% und bei 80 bis 84-Jährigen 18% wie Prof. Dr. med. Andreas Schönenberger, Chefarzt Medizinische Klinik Kantonsspital Münsterlingen, feststellte. Die Diagnosekriterien sind auch mit den neuen ICD-11 Code nach wie vor gleichgeblieben. Wichtigstes Kriterium ist die Gedächtnisstörung, die zwingend vorhanden sein muss. Zusätzlich muss mindestens eine weitere kognitive Störung vorhanden sein, z.B. Aphasie, Apraxie, Agnosie oder eine Störung der Exekutivfunktion. Weitere wichtige Kriterien sind Alltagsrelevanz, Verschlechterung über Zeit, kein Delir oder andere Störung. Gemäss ICD-11 zusätzlich: Dauer mindestens 6 Monate.

Grundprinzipien der Testung

  • Domäne (Kurzzeit-)Gedächtnis: Wortliste zum Merken, Aufgabe zum Ablenken, Abrufen der Wortliste.
  • Domäne Aufmerksamkeit: Von 20 rückwärts zählen, Monate rückwärts aufsagen, von 100 in 7er-Schritte rückwärts zählen.
  • Domäne Orientierung: Zeit, Ort, Person.
  • Domäne Visuokonstruktion, Exekutivfunktionen. Würfel zeichnen, Uhr zeichnen, Pentaeder zeichnen.

Standardtests

Minimental Status

  • Vorteile: Gedächtnis, Orientierung, Aufmerksamkeit, Sprache abgedeckt. Limitatio für Acetylcholinesterase-Inhibitoren (AChEI)/Memantin basierend auf MMSE
  • Nachteile: Exekutivfunktionen/Visuokonstruktion untergewichtet, Aufmerksamkeitstestung bildungsabhängig, einfach / langweilig, geschützt. Zeitbedarf 8-10 Minuten.

Montreal Cognitive Assessment (MOCA)

  • Vorteile: Schwieriger/unterhaltsamer als MMSE. Exekutivfunktionen / Visuokonstruktion abgedeckt, Aufmerksamkeit ausführlicher und weniger bildungsabhängig als im MMSE, nicht geschützt
  • Nachteile: Noch nicht akzeptiert als Limitatio für AChEI
  • Zeitbedarf 8-10 Minuten

Mini Cog

  • Vorteile: Gedächtnis und Visuokonstruktion abgedeckt, rasch durchführbar
  • Nachteile: Keine weiteren Domänen (z.B. Orientierung, Aufmerksamkeit)
  • Zeitbedarf 2-3 Minuten

Von der Testung zur Diagnose

  • Testung und (Fremd-)Anamnese
  • Prüfung der Testkriterien, Ausschluss von Differentialdiagnosen
  • Ätiologische Zuordnung der Demenz, Einschätzung des Schweregrades

(Fremd-)Anamnese unter Einbezug von Angehörigen oder Betreuern

Beginn und zeitlicher Verlauf und deren Auswirkungen im Alltag, die Schulbildung, nicht-kognitive Symptome der Gedächtnisschwierigkeiten sollen erfragt werden, sowie Fragen nach Schlaf (Tag-Nacht-Umkehr), Familienanamnese bezüglich Demenz und Parkinsonsymptome und Fragen nach autonomen Symptomen
(Inkontinenz, Orthostase).

(Fremd-)Anamnese: auch nicht kognitive Symptom abfragen

Gemäss einer Studie aus dem Jahre 2002, die im JAMA publiziert wurde, wurde Aggressivität in 30.3%, Depression in 20.1%, Wahn in 18.0%, Apathie in 14.7%, Reizbarkeit in 14.7%, Schlafstörung in 13.8%, Halluzinationen in 10.5% Essstörung in 10.4%, Angst in 9.9% und Enthemmung in 3.1% gefunden. (Laketsos CG et al. JAMA. 2002;288(12):1475-1483).

Ausschluss von Differentialdiagnosen

Diagnosekriterien Delir: Akuter Beginn, flukturierender Verlauf, Aufmerksamkeitsstörung prädominant, aber auch andere kognitive
Domänen gestört (z.B. Orientierung, Gedächtnis), verändertes
Bewusstsein (hypo- oder hyperalert).

Ausschluss von Differentialdiagnosen (weitere DDs)

  • Depression, andere psychiatrische Leiden
  • Metabolische/endokrine Störungen: B12-Mangel, Folsäure­mangel, Hypo-/Hyperkalzämie, Hypo-/Hypernatriämie, Hypo-/Hyper­thyreose
  • Hirnorganische Veränderungen: Hydrocephalus (inkl. Normaldruckhydrocephalus), Tumoren, Subduralhämatom)
  • Infektionen: HIV, JC Virus, Lues, Enzephalitis

Polypharmazie-Check: Medikamente, die kognitive Störungen verursachen können

  • Trizyklische Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Trimipramin)
  • Neuroleptika mit starker anticholinerger Wirkung (z.B. Levomepropazin, Clozapin)
  • Alte Antiparkinsonika mit starker anticholinerger Wirkung (z.B. Benzatropin)
  • Alle Antihistaminika (z.B. Hydroxyzin)
  • Alte Uro-Spasmolytika mit systemischer anticholinerger Wirkung (z.B. Trospiumchlorid)
  • Antikonvulsiva mit sedierender Wirkung (z.B. Phenytoin, Levetiracetam, Carbamazepin)
  • Sedativa / Benzodiazepine
  • Opiate (insbeso. Pethidin)
  • Antibiotika (insbesondere Cephalosporine, Chinolone, Makrolide, Penicilline)
  • Antiarrhythmika (z.B. Amiodaron, Betablocker)

Diagnosestellung

Diagnosekriterien prüfen, wobei das wichtigste Kriterium das Vorliegen einer Gedächtnisstörung ist (muss zwingend vorhanden sein). Zusätzlich muss mindestens eine weitere kognitive Störung existieren, z.B. Aphasie, Apraxie, Agnosie, Störung Exekutivfunktion. Weitere wichtige Kriterien sind die Alltagsrelevanz, eine Verschlechterung über Zeit, kein Delir oder andere Störung. Gemäss ICD-11 zusätzlich: Dauer mind. 6 Monate.

Nach der Diagnosestellung

Ätiologische Zuordnung

Alzheimer-Demenz 60%, Lewy-Body-Demenz 15%, Vaskuläre Demenz 15, Frontotemporale Demenz 5%, andere Demenzen 5%.

Primärprävention
Antihypertensive Therapie. «Eine Heilung des Gedächtnisschwunds ist noch immer nicht in Sicht, aber das Demenzrisiko lässt sich halbieren», so der Referent.

Nicht-pharmakologische Therapie

  • Organisation eines sozialen Netzwerks
  • Stärkung vorhandener Ressourcen
  • Organisation einer Tagesstruktur
  • Anpassung der räumlichen Umgebung

Milieutherapie: Organisation einer Tagesstruktur

  • Tagesklinik
  • Stärkung vorhandener Ressourcen
  • Kognitives Training und körperliche Aktivität Gewisse Evidenz aus Studien ist vorhanden, dass durch kognitives Training und körperliche Aktivität der kognitive Abbau gebremst werden kann.

Pharmakologische Therapie: Aducanumab

In den Phase III-Studien ENGAGE und EMERGE wurden Patienten mit MCI oder früher Alzheimer-Demenz der monoklonale Antikörper Aducanumab monatlich i.v. appliziert. Beide Studien wurden vorzeitig gestoppt da kein Nutzen erkennbar war. Nur in der EMERGE-Studie wurde nach 1.5 Jahren in der Gruppe mit hoher Dosis wurde eine leichte klinische Verbesserung festgestellt (MMSE Score +0.6 Punkte). Die Behandlungskosten beliefen sich auf ca. 50’000 US$ pro Jahr. Der Wirkstoff von Biogen ist der erste, er den Krankheitsverlauf bei Alzheimer abbremsen soll. Mit seiner Zulassung setzte die FDA sich über die Empfehlung ihrer externen Beratungskommission hinweg. Die FDA knüpft die Zulassung an die Durchführung einer Phase-4-Studie. Sie muss in den nächsten Jahren den Beweis erbringen, dass das Mittel auch den klinischen Zustand der Patienten verbessert

Memory Clinic

Der Referent erwähnte zum Schluss die Bedeutung der Memory Clinic. Sie wird eingesetzt zur sicheren Diagnosestellung bei Unklarheit/Unsicherheit, zur ätiologischen Klärung der Demenzdiagnose, sowie zur Indikationsstellung einer medikamentösen Therapie.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Wirkstoff: Sotorasib (Lumykras®)

Befristete Zulassung in der Schweiz: 16.12.2021
Filmtabletten zur Zweitlinien-Behandlung von nicht-plattenepithelialem, nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) mit einer KRAS G12C Mutation

Über das Arzneimittel

Lumykras ist ein Krebsmedikament mit dem Wirkstoff Sotorasib. Mit Lumykras werden Erwachsene mit einem speziellen Lungenkrebs behandelt, dem sogenannten nicht-plattenepithelialen, nicht-kleinzelligen Lungenkrebs (NSCLC). Lumykras wird einge-setzt, wenn die Lungenkrebszellen eine bestimmte Veränderung im KRAS-Gen, die so-genannte KRAS G12C Mutation, aufweisen. Der zu behandelnde Lungenkrebs ist entweder fortgeschritten und/oder er hat bereits gestreut und sich auf andere Körperteile ausgebreitet (metastasiert).
Lumykras wird Patientinnen und Patienten verschrieben, die zuvor bereits mit anderen Medikamenten gegen den Lungenkrebs be-handelt wurden, die nicht ausreichend wirksam waren (Zweitlinien-Behandlung).

Wirkung

Das veränderte KRAS G12C Gen bewirkt die Bildung eines Proteins. Das gebildete KRAS G12C Protein ist am Wachstum und Vermehrung der Krebszellen beteiligt. Der Wirkstoff Sotorasib von Lumykras scheint das veränderte KRAS Protein zu blockieren. Lumykras bindet an dieses Protein und hemmt so dessen Funktion. Dadurch kann das Wachstum des Krebses verlangsamt oder gestoppt werden.

Anwendung

Lumykras ist rezeptpflichtig und als Filmtablette in der Dosisstärke von 120 mg zugelassen. Voraussetzung für die Anwendung von Lumykras ist der Nachweis einer spezifischen Veränderung des KRAS Gens, die sogenannte KRAS G12C Mutation. Die empfohlene Dosierung beträgt 960 mg (acht Tabletten à 120 mg). Die Filmtabletten werden einmal täglich geschluckt. Sie sollen jeden Tag zur selben Zeit, mit oder ohne Nahrung, eingenommen werden.

Wirksamkeit

Lumykras zeigte in einer einarmigen1 Studie CodeBreaK 100 bei 126 Patienten und Patientinnen mit einer KRAS G12C Mutation und fortgeschrittenem und/oder metastasiertem NSCLC, die bereits mit anderen Medikamenten gegen den Lungenkrebs behandelt worden waren, ohne dass dadurch das Fortschreiten der Krankheit eingedämmt werden konnte, eine klinisch relevante Wirksamkeit. Der Anteil der Patientinnen und Patienten mit einer objektiv festgestellten Tumorverkleinerung (objective response rate, ORR) betrug 37 %. Das mediane2 Überleben (overall survival, OS) betrug 12.5 Monate.

Vorsichtsmassnahmen, unerwünschte Wirkungen
& Risiken

Unter der Therapie mit Lumykras besteht die Gefahr einer durch das Arzneimittel hervorgerufenen Leberschädigung, die zu einer Leberentzündung (Hepatitis) führen kann. Je nach Schwere der Nebenwirkung muss die Behandlung unterbrochen, die Dosis redu- ziert oder Lumykras dauerhaft abgesetzt werden.
Unter der Therapie mit Lumykras besteht die Gefahr einer Lungenerkrankung (interstitielle Lungenerkrankung, ILD), welche potentiell tödlich verlaufen kann. Die Patientinnen und Patienten werden daher hinsichtlich Atemwegssymptome überwacht.
Einige sehr häufige unerwünschte Wirkungen nach Verabreichung von Lumykras sind Durchfall, Übelkeit, Müdigkeit, Erbrechen, Verstopfung, Magenschmerzen, Fieber, Gelenk- und Rückenschmerzen, Kurzatmigkeit, Husten, niedrige Anzahl roter Blutkörperchen (Anämie), Kopfschmerzen sowie Flüssigkeitsansammlungen im Körper (Ödeme).
Alle Vorsichtsmassnahmen, Risiken und weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind in der Information für Patientinnen und Patienten und in der Fachinformation aufgeführt.

Begründung des Zulassungsentscheids

NSCLC-Patientinnen und Patienten, die eine KRAS G12C Veränderung aufweisen und deren Krankheit bereits fortgeschritten ist, haben eine schlechte Überlebenschance und können mit den bis anhin eingesetzten Krebsmitteln nicht zufriedenstellend behan- delt werden. Man schätzt ca. 300 neue Patienten und Patientinnen pro Jahr, die an diesem Lungenkrebstyp in der Schweiz erkran- ken. Da es sich bei dieser Krankheit um eine seltene und lebensbedrohende Krankheit handelt, wurde das Arzneimittel als «Orphan Drug» zugelassen. Mit «Orphan Drug» werden wichtige Arzneimittel für seltene Krankheiten bezeichnet.
Die Studie CodeBreaK 100 konnte eine überzeugende Wirksamkeit auf die Verkleinerung des Tumors und auf das Überleben zeigen. Weitere Studien zur Dosierung, Verträglichkeit und Wirksamkeit laufen noch.
Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Daten überwiegen die Vorteile von Lumykras die Risiken. Das Arzneimittel Lumykras wurde in der Schweiz befristet zugelassen (Art. 9a HMG), da zum Zeitpunkt der Zulassung noch nicht alle klinischen Studien abge- schlossen waren. Die befristete Zulassung ist zwingend an die zeitgerechte Einreichung der von Swissmedic verlangten Daten gebunden. Nach Erfüllung dieser Zulassungsauflagen kann die befristete Zulassung bei positiver Nutzen-Risiko Beurteilung der Resultate in eine ordentliche Zulassung umgewandelt werden.

Weitere Informationen zum Arzneimittel
Information für medizinisches Fachpersonal: Fachinformation Lumykras®
Information für Patientinnen und Patienten (Packungsbeilage):
Patientinnen- und Patienteninformation Lumykras®
Weitere Fragen beantworten Gesundheitsfachpersonen.

 

1. einarmig = die Studie wird ohne Vergleichsgruppe (z. B. mit einem anderen Arzneimittel oder einer Placebo therapierten Gruppe) durchgeführt.

2. Median = Der Wert, der genau in der Mitte einer Datenverteilung liegt, nennt sich Median oder Zentral- wert. Die eine Hälfte aller Daten ist immer kleiner, die andere grösser als der Median.