Gerinnungsabklärung

Die venöse Thromboembolie (VTE) ist ein multifaktorielles Geschehen. Gemäss Virchow verursacht durch einen beeinträchtigten Blutfluss (Stase), ein Gefässtrauma oder eine Hyperkoagulabilität. Ob und wie eine Gerinnungsabklärung im Management einer VTE hilft, soll im Folgenden beleuchtet werden.

Die Inzidenz der venösen Thromboembolie ist nicht wesentlich anders als jene des Myokardinfarkts 1-2/1000 Personen. Diese steigt deutlich mit dem Alter. Wegen Schwangerschaft, Wochenbett, hormoneller Verhütung und Unfällen sind aber jüngere Personen nicht unwesentlich betroffen. In Europa dürften jährlich 500 000 Todesfälle in Zusammenhang mit venösen Thromboembolien stehen (1). Für über 80% der aufgetretenen Thromboembolien lassen sich Risikofaktoren finden (Tab. 1) (2, 3). Mehr als 2/3 der Ereignisse treten provoziert durch Operationen, Hospitalisation und Tumorleiden auf. Primär gilt es, Thromboembolien durch geeignete prophylaktische Massnahmen zu verhindern. Tritt eine VTE auf müssen Symptome rasch richtig gedeutet, die Diagnose bildgebend gesichert und die Behandlung eingeleitet werden. Mit Ausnahme des Nachweises von Antiphospholipid Antikörpern und Lupus Antikoagulans beeinflusst kein Gerinnungstest die Art der Behandlung. In der akuten Situation einer VTE hat die Behandlung oberste Priorität. Eine streng systematische Herangehensweise mit Anamnese, körperlicher Untersuchung und Übersichtslabors helfen die aufgetretene VTE richtig einzuordnen. Eine Gerinnungsabklärung steht nur bei selektionierten Patienten am Ende dieses Prozesses.

Systematischer Ansatz zur Abklärung venöser Thromboembolie

Anamnese: Nach Risiken wie operativen Eingriffen, Traumata und Hospitalisationen (bis 90 Tage zurück!), Immobilisationen (Reiseanamnese), Schwangerschaften ist zu fragen. Frühere Thromboembolien und Erkrankungen mit erhöhtem Thromboserisiko wie systemischer Lupus erythematodes, myeloproliferative Erkrankungen, nephrotisches Syndrom, entzündliche Darmerkrankungen müssen in Erfahrung gebracht werden. Eingenommene Medikamente, besonders hormonelle Kontrazeptiva, Hormonersatzbehandlungen, Testosteronsubstitution, Tamoxifen und Steroidanwendung sind festzuhalten. Frauen sind nach Aborten zu fragen. Die Familienanamnese ist hinsichtlich Thromboembolien zu erfassen. Nach Symptomen, welche auf eine Neoplasie hinweisen könnten, wie Gewichtsabnahmen, Müdigkeit, Appetitverlust, Husten, Hämoptoe, Stuhlunregelmässigkeiten, Hämaturie ist gezielt zu fragen.
Status: Bei der körperlichen Untersuchung sucht man Veränderungen, welche auf eine maligne Erkrankung hinweisen könnten wie Lymphadenopathie, Verhärtungen der Mamma oder Testes, Aszites, Hepatomegalie, Splenomegalie, Ödeme.
Übersichtslabor: Blutbild mit Ausstrich für mikroskopische Beurteilung, Gerinnungsstatus inkl. Lupus Antikoagulans Test, CRP/BSR, Leber- und Nierenwerte, Urinstatus und allenfalls Hämoccult-Test. Pathologischen Befunden ist nachzugehen.
Bildgebung: Die Bildgebung muss die Diagnose der Thromboembolie sichern und soll die Lokalisation und Ausdehnung der Gerinnsel festhalten.

Thrombophilieabklärung für wen?

Es besteht allgemeiner Konsens, dass nicht jede Person mit einer durchgemachten Thromboembolie eine Thrombophilieabklärung braucht (4, 5). Denn der Nachweis einer Thrombophilie beeinflusst die Therapie und spätere Prophylaxe kaum. Die Mortalität ändert nicht. Die am häufigsten anzutreffenden Thrombophilien heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation und heterozygote Prothrombinmutation beeinflussen das Rezidiv-
risiko nach Erstthrombose nicht. Die Thrombophilien, welche die Rückfallgefahr und damit die Dauer der Antikoagulation beeinflussen könnten (Antithrombin-, Protein-C-Mangel, homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation, kombiniert heterozygote Faktor-V-Leiden plus heterozygote Prothrombinmutation) sind selten (Tab. 2). In folgenden Situationen ist die Gerinnungsuntersuchung aber empfohlen:
Positive Familienanamnese: Hat eine oder haben mehrere direkt verwandte Personen (Eltern, Geschwister, Kinder) im Alter unter 45 Jahre eine Thromboembolie durchgemacht, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich erhöht, dass bei der Abklärung eine Thrombophilie gefunden wird (6). Eine hereditäre Thrombophilie ist zu suchen.
Junge Patienten unter 45-50 Jahre: Patienten mit einer Thrombo-
embolie in dieser Altersgruppe haben in bis zur Hälfte der Fälle eine Thrombophilie. Sie sollen auf das Vorliegen einer angeborenen Thrombophilie und ein Antiphospholipid Syndrom untersucht werden.
Patienten mit wiederkehrenden Thromboembolien: Bei wiederkehrenden Thromboembolien in relativ kurzer Folge ist nach einer angeborenen Thrombophilie und einem Antiphospholipid Syndrom zu suchen. Die Schwelle, eine okkulte Neoplasie zu suchen wird niedrig.
Patienten mit atypisch lokalisierten Thrombosen: Patienten mit Pfortader-, Lebervenen-, Mesenterialvenen- und Cerebralvenenthrombosen sind auf eine hereditäre Thrombophilie und ein Antiphospholipid Syndrom zu testen. Bei splanchnischen Thrombosen liegt mit recht hoher Wahrscheinlichkeit ein myeloproliferatives Syndrom (MPS) vor. Man sucht eine JAK-2 V617F Mutation. Daneben ist auch an eine paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) zu denken. In der Regel ist in diesen speziellen Situationen eine Vorstellung beim Hämatologen ratsam.
Patienten mit arteriellen Thrombosen: Bei arteriellen Thrombosen kann ein Antiphospholipid Syndrom wesentliche Ursache sein und sollte besonders bei jüngeren Patienten gesucht werden. Besteht auch eine Möglichkeit für gekreuzte Embolien (offenes Foramen ovale) ist auch eine hereditäre Thrombophilie zu suchen. Andernfalls sind diese nicht Risiken für arterielle Thrombosen.

Nutzen und potentieller Schaden der Thrombophilieabklärung bei diesen selektionierten Patienten

Der Nachweis einer Thrombophilie kann in zukünftigen Risiko-situationen zu einer personalisierten Thromboseprophylaxe benutzt werden, die dosisintensiviert und verlängert durchgeführt wird. Der Nachweis einer hereditären Thrombophilie kann helfen, Verwandte ersten Grades mit erhöhtem Thromboserisiko zu finden. Alle hereditären Thrombophilien werden autosomal dominant vererbt. Direkt Verwandte haben deshalb eine Vortestwahrscheinlichkeit von 50% die bekannte Thrombophilie auch aufzuweisen. Die Kenntnis, dass eine Gefährdung für Thrombosen vorliegt, kann dazu verwendet werden, Hormone gezielt und restriktiv einzusetzen und Thromboseprophylaxen individualisiert durchzuführen. Das Wissen um einen Antithrombin Mangel z.B. könnte verwendet werden, in Risikosituationen wie z.B. während einer Schwangerschaft eine Thromboseprophylaxe und peripartal eine Antithrombinsubstitution durchzuführen.

Mögliche Nachteile

Da der Nachweis einer Thrombophilie keinen Überlebensvorteil bringt, ist er primär mit Kosten und wenig belegtem Nutzen verbunden. Der Nachweis einer Thrombophilie könnte zu einer unreflektiert langen Antikoagulation führen. Die Diagnose Thrombophilie kann in den Betroffenen Ängste provozieren. Der Patient ist deshalb in den Entscheid eine Abklärung durchzuführen einzubeziehen.

Thrombophilieabklärung, wenn ja, was zu welchem Zeitpunkt?

Abklärung Antiphospholipid Syndrom (erworbene Thrombophilie)

Ein Antiphospholipid Syndrom kann dann diagnostiziert werden wenn klinische Ereignisse wie anderweitig nicht erklärte venöse und arterielle Thromboembolien, wiederholte Aborte, intrauteriner Fruchttod, schwere Präeklampsie oder eine Plazentainsuffizienz mit dem Nachweis von Laborbefunden wie erhöhten IgG/IgM-Titern von Anti-Cardiolipin und/oder Anti-β2-Glykoprotein-1-Antikörpern und/oder einem positiven Lupus-Antikoagulans Test zusammentreffen. Die Laborbefunde müssen im Abstand von mindestens 12 Wochen zweimal positiv ausfallen bevor die Diagnose Antiphospholipid Syndrom gestellt werden darf.
Treten bei jüngeren Patienten venöse und arterielle Thromboembolien ohne anderweitige Risikofaktoren auf, ist die Suche nach Antiphospholipid Antikörpern nebst dem Lupus Antikoagulans Test bereits beim Übersichtslabor mit einzuschliessen. Denn beim hochrisiko Antiphospholipid Syndrom (positiver Lupus Antikoagulans Test, erhöhte Titer Anti-Cardiolipin plus Anti-β2-Glykoprotein-1-Antikörper) ist Rivaroxaban der Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten klar unterlegen (7). Die Behandlung muss mit Vitamin-K-Antagonisten erfolgen.

Abklärung hereditäre Thrombophilie

Zur Abklärung der hereditären Thrombophilien empfehle ich im Setting einer Praxis die funktionelle Bestimmung von Antithrombin und Protein C, die antigenetische Bestimmung des freien Proteins  S und die molekulargenetische Suche einer Faktor II (Prothrombinmutation G20210A) und Faktor V (R506Q, Leiden) Mutation. Um pathologische Befunde von Protein C und S interpretieren zu können, ist es unerlässlich zu zeigen, dass zur gleichen Zeit der Bestimmung dieser Inhibitoren die Prothrombinzeit (Quick) normal ist. Ein verminderter Spontanquick könnte ein Hinweis auf einen Vitamin-K-Mangel sein, welcher gleichermassen auch die Vitamin K abhängigen Proteine C und S verringert. Wichtig: Östrogen kann zu einem erworbenen Protein-S-Mangel führen!

Zeitpunkt der Abklärung einer hereditären Thrombophilie

Die Suche einer hereditären Thrombophilie sollte so geplant werden, dass sie unter optimalen Voraussetzungen, d.h. zum richtigen Zeitpunkt erfolgt und eine möglichst abschliessende Beurteilung erlaubt. Diverse Einflüsse können die Thrombophiliediagnostik stören und verfälschen (Tab. 3). Im Idealfall erfolgt die Thrombophilieabklärung 3-4 Wochen nach abgesetzter Antikoagulation. Ist offen, ob eine Indikation für eine Langzeitantikoagulation vorliegt, soll die Abklärung frühestens drei Monate nach dem akuten Ereignis erfolgen. Die Antikoagulation, heute meist ein DOAC, wird 48-72 Std. pausiert und nach erfolgter Blutentnahme fortgesetzt.

Suche nach einer Thrombophilie bei asymptomatischen Patienten

Ob asymptomatische Patienten auf eine Thrombophilie getestet werden sollen bedarf der Abwägung von Vor- und Nachteilen. Kein Nachweis einer Thrombophilie, auch nicht einer solchen mit hohem Risiko für eine Erstthrombose, wie etwa ein Antithrombin Mangel, würde gemäss heutigem Erkenntnisstand prophylaktisch antikoaguliert.

Mögliche Vorteile der Abklärung

Patienten mit bekannter Thrombophilie könnten gezielt instruiert werden die frühen Warnzeichen einer Thromboembolie zu erkennen und beim Auftreten von solchen adäquat zu handeln. Eine gezielte Aufklärung über das erhöhte Risiko bei der Verwendung von Östrogen wird möglich und in Risikosituationen für die Entstehung einer Thromboembolie könnte eine individualisierte Thromboseprophylaxe durchgeführt werden (z.B. niedermolekulares Heparin während der ganzen Schwangerschaft und im Wochenbett bei einem Antithrombin Mangel).

Mögliche Nachteile der Abklärung

Thrombophilien mit hohem Thromboserisiko sind selten und die häufigen Thrombophilien erhöhen das Thromboserisiko wenig (Tab. 2). Thrombophilie Screening Programme würden deshalb teuer. In den USA wurde in einer Kosten-Nutzen-Rechnung geschätzt, dass basierend auf den Zahlen von Todesfällen an Thromboembolien unter kombinierten Kontrazeptiva (3 pro Million Anwenderinnen pro Jahr ohne und 14 pro Million pro Jahr mit heterozygoter Faktor-V-Leiden-Mutation) 92’000 Frauen mit Faktor-V-Leiden-Mutation identifiziert werden müssten, welche anschliessend auf östrogenhaltige Kontrazeptiva verzichten müssten, um einen Todesfall zu verhindern. Um diese Frauen zu identifizieren, müssten über 300 Millionen US$ aufgewendet werden (8). Basierend auf diesen ökonomischen Daten wird davon abgeraten, generell vor der Verschreibung östrogenhaltiger Kontrazeptiva eine hereditäre Thrombophilie zu suchen.

Fazit

Abgesehen vom Nachweis eines Antiphospholipid Syndroms haben Gerinnungsuntersuchungen wenig direkten Einfluss auf den Behandlungspfad einer venösen Thromboembolie. Bei jüngeren Patienten mit unerklärt aufgetretenen venösen und arteriellen Thromboembolien ist rasch nach Antiphospholipid Antikörpern und einem Lupus Antikoagulans zu suchen. Bei Verdacht, dass ein Antiphospholipid Syndrom vorliegt, ist die Antikoagulation überlappend mit niedermolekularem Heparin und einem Vitamin-K-Antagonisten zu starten. Ansonsten hat der Einsatz von Laboruntersuchungen auf der Suche einer Hyperkoagulabilität zurückhaltend und gut überlegt zu erfolgen. Eine angeborene Thrombophilie ist im Kontext einer Thrombose bei jungen Patienten, allen Frauen im gebärfähigen Alter, Personen mit rezidivierenden Thromboembolien und solchen mittleren Alters (45-60 Jahre) mit Kindern und Geschwistern durchzufuhren. Alle hereditären Thrombophilien werden autosomal dominant vererbt. Direkt Verwandte eines lndexpatienten mit Thrombophilie weisen eine solche mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ebenfalls auf. Nur die seltenen hereditären Thrombophilien beeinflussen das Rezidivrisiko (Tab. 2) und somit potentiell die Behandlung. Der Nachweis einer der häufigen hereditären Thrombophilien (Faktor-V-Leiden, Prothrombinmutation) beeinflusst das Rückfallrisiko nicht. Sie erhöhen aber wesentlich das Risiko eine Erstthrombose zu erleiden. Der Nachweis dieser Thrombophilien hilft zwar nicht beim Management des Indexpatienten kann aber helfen, direkt Verwandte mit erhöhtem Risiko für eine Erstthrombose zu identifizieren und diese durch gezielte Beratung und Prophylaxe vor einem solchen Ereignis zu bewahren. Die Suche nach einem Antiphospholipid Syndrom kostet 180, jene nach einer hereditären Thrombophilie rund 430 Franken. Dieser Betrag kann effizient eingesetzt sein, wenn die Befunde helfen, bei direkt Verwandten Untersuchungen zu verhindern oder ganz gezielt durchzuführen. Es ist deshalb wichtig, dass die Befunde dem Patienten mitgeteilt und ausgehändigt werden, so dass er sie mit Angehörigen teilen kann.

Dr. med. Jürg Bösiger

FMH/FAMH Hämatologie und FMH Innere Medizin
Abklärungszentrum Blutgerinnung
Bläsistrasse 23
8049 Zürich

j.boesiger@iclot.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Nur der Nachweis eines Antiphospholipid Syndroms (pos. Lupus Antikoagulans Test, erhöhte Titer von Anti-Cardiolipin und Anti-β2-Glyko-protein 1 IgG und IgM Antikörper) beeinflusst die Behandlung einer Thromboembolie (Behandlung primär mit Vitamin-K-Antagonisten).
  • Der Nachweis einer hereditären Thrombophilie beeinflusst nur in wenigen Fällen die Behandlung einer Thromboembolie.
  • Nutzniesser des Nachweises einer hereditären Thrombophilie sind
    primär Verwandte ersten Grades, die nach gezielter Untersuchung von einem erhöhten Thromboserisiko erfahren.
  • Hereditäre Thrombophilien sollten nur bei selektionierten Patienten mit Merkmalen wie: positive Familienanamnese, junges Alter, wiederkehrende Thromboembolien, atypisch lokalisierte Thrombosen
    (abdominal, cerebral) gesucht werden.

1. I. S. C. f. W. T. Day, Thrombosis: a major contributor to the global disease burden. Journal of thrombosis and haemostasis : JTH 12, 1580-1590 (2014).
2. A. D. Blann, G. Y. H. Lip, Venous thromboembolism. Bmj 332, 215-219 (2006).
3. F. A. Spencer et al., The Worcester Venous Thromboembolism study: a population-based study of the clinical epidemiology of venous thromboembolism. J Gen Intern Med 21, 722-727 (2006).
4. T. Baglin et al., Clinical guidelines for testing for heritable thrombophilia. British journal of haematology 149, 209-220 (2010).
5. A. N. Nicolaides et al., Prevention and treatment of venous thromboembolism–International Consensus Statement. International angiology : a journal of the International Union of Angiology 32, 111-260 (2013).
6. J. Mateo, A. Oliver, M. Borrell, N. Sala, J. Fontcuberta, Laboratory evaluation and clinical characteristics of 2,132 consecutive unselected patients with venous thromboembolism–results of the Spanish Multicentric Study on Thrombophilia (EMET-Study). Thrombosis and haemostasis 77, 444-451 (1997).
7. V. Pengo et al., Rivaroxaban vs warfarin in high-risk patients with antiphospholipid syndrome. Blood 132, 1365-1371 (2018).
8. M. D. Creinin, R. Lisman, R. C. Strickler, Screening for factor V Leiden mutation before prescribing combination oral contraceptives. Fertil Steril 72, 646-651 (1999).
9. W. M. Lijfering, F. R. Rosendaal, S. C. Cannegieter, Risk factors for venous thrombosis – current understanding from an epidemiological point of view. British journal of haematology 149, 824-833 (2010).
10. S. Z. Goldhaber, Risk factors for venous thromboembolism. Journal of the American College of Cardiology 56, 1-7 (2010).
11. V. De Stefano et al., The Risk of Recurrent Deep Venous Thrombosis among Heterozygous Carriers of Both Factor V Leiden and the G20210A Prothrombin Mutation. New England Journal of Medicine 341, 801-806 (1999).
12. W. K. Ho, G. J. Hankey, D. J. Quinlan, J. W. Eikelboom, Risk of recurrent venous thromboembolism in patients with common thrombophilia: a systematic review. Archives of internal medicine 166, 729-736 (2006).
13. J. B. Segal et al., Predictive value of factor V Leiden and prothrombin G20210A in adults with venous thromboembolism and in family members of those with a mutation: a systematic review. JAMA : the journal of the American Medical Association 301, 2472-2485 (2009).

Tachykardien

Das Elektrokardiogramm – bereits 1903 durch den holländischen Physiologen Willem Einthoven erfunden – ist aus dem klinischen Alltag nicht mehr weg zu denken. Es ist einfach verfügbar, nicht invasiv und erlaubt eine rasche Diagnose von wichtigen unmittelbar behandlungsbedürftigen kardiologischen Erkrankungen. Es kann einen im klinischen Alltag durchaus vor Herausforderungen stellen, nicht immer ist die Unterscheidung zwischen Artefakt und Pathologie einfach und die Differentialdiagnose mancher EKG-Veränderungen breit. Im Folgenden möchten wir auf die EKG-Charakteristika von tachykarden Herzrhythmusstörungen eingehen.

Bei der Analyse von tachykarden Rhythmusstörungen (Herzfrequenz > 100/min) lohnt sich eine Einteilung anhand von Regelmässigkeit und Dauer der QRS-Komplexe (siehe Tabl. 1). Dies lässt eine Eingrenzung der möglichen Differentialdiagnosen zu und erlaubt das Festlegen der initialen Therapiestrategie, auch wenn die definitive Diagnose nicht immer ohne elektrophysiologische Untersuchung gestellt werden kann.

Schmalkomplextachykardien

Findet sich ein schmaler QRS-Komplex bedeutet dies, dass die Erregungsleitung unterhalb des AV-Knotens über das normale Erregungsleitungssystem (His-Bündel, Tawara-Schenkel und Purkinje-Fasern) geleitet wird. Die Tachykardie entsteht somit immer im Vorhof oder AV-Knoten. Am leichtesten lässt sich dabei das Vorhofflimmern von den anderen Arrhythmien abgrenzen, die QRS-Komplexe sind dabei absolut arrhythmisch und P-Wellen fehlen gänzlich.
Bei den Schmalkomplextachykardien mit regelmässigen QRS-Komplexen empfehlen wir einerseits nach sichtbaren P-Wellen zu suchen und andererseits das Frequenzverhalten zu analysieren. Während eine Sinustachykardie und manche ektope atriale Tachykardien frequenzvariabel sind, also zum Beispiel atem- oder belastungsabhängig schneller oder langsamer werden, besteht bei einer Reentry-Tachykardie (AVNRT, AVRT) meist eine relativ starre Herzfrequenz (typischerweise um 140-200/min). Entsprechend berichten die Patienten meist auch über einen abrupten Beginn der Symptomatik.
AV-Knoten-Reentry-Tachykardie: In Abbildung 1 zeigen sich beim genauen Hinschauen in den meisten Ableitungen P-Wellen direkt nach dem QRS-Komplex (Pfeile). Es handelt sich um das typische Bild einer AV-Knoten-Reentrytachykardie.
Die P-Wellen entstehen durch die kreisende Erregung im AV-Knoten mit retrograder Erregung der Vorhöfe. Da die mechanische Vorhofkontraktion zeitlich nicht mehr mit der Trikuspidalklappenöffnung synchronisiert ist, können hier Pulsationen in den Halsvenen auftreten («Frog sign»).
Vorhofflattern: Beim Vorhofflattern handelt es sich ebenfalls um eine regelmässige Tachykardie im Vorhof (typische Vorhoffrequenz 220-300/min). Jedoch werden diese Vorhoferregungen häufig in wechselnden Abständen auf die Ventrikel weitergeleitet, so dass die QRS-Komplexe unregelmässig auftreten können. Vom Vorhofflimmern kann man dies dadurch differenzieren, dass hier P-Wellen sichtbar sind (typischerweise Sägezahnmuster in den Ableitungen II, III und aVF). Das typische Vorhofflattern entsteht durch einen Reentry-Kreislauf im rechten Vorhof (durch cavotrikuspidalen Isthmus), siehe Abbildung 2.
Therapie: Primär sollte bei regelmässigen Schmalkomplextachykardien ein vagales Manöver (Valsalva-Manöver oder Carotismassage) durchgeführt werden. Führt dies nicht zum Erfolg, ist das Medikament der Wahl zur Diagnostik und Therapie Adenosin. Die rasche intravenöse Applikation von 6 mg (bei fehlendem Ansprechen 12 oder maximal 18 mg) führt zu einer Verzögerung oder vollständigen Blockierung der Reizleitung im AV-Knoten über wenige Sekunden. AV-Knoten abhängige Reentrytachykardien (AVNRT oder AVRT) können dadurch häufig terminiert werden. Die anschliessende Therapie der Wahl ist in diesem Fall eine elektrophysiologische Untersuchung mit Ablation der zusätzlichen Leitungsbahn.
Handelt es sich um eine AV-Knoten unabhängige Tachykardie (Vorhofflattern, atriale Tachykardie, ventrikuläre Tachykardie) hat Adenosin meist keinen Einfluss darauf und kann diese nicht terminieren. Aufgrund der kurzzeitigen AV-Blockierung lassen sich aber allfällige P-Wellen besser beurteilen («demaskieren»). Wichtigste Kontraindikation für Adenosin ist neben der hämodynamischen Instabilität ein bekanntes Asthma bronchiale. Gewisse atriale Tachykardien terminieren jedoch unter Adenosin.

Breitkomplextachykardien

Im Gegensatz zu Schmalkomplextachykardien können Breitkomplextachykardien ihren Ursprung im gesamten Herzen haben. Die Wichtigste, meist unmittelbar behandlungsbedürftige und zugleich häufigste Differentialdiagnose ist hier sicherlich die ventrikuläre Tachykardie.
Jedoch kann jede supraventrikuläre Tachykardie mit einem breiten QRS-Komplex einhergehen, wenn das ventrikuläre Myokard neben dem normalen Reizleitungssystem auch über eine akzessorische Bahn erregt wird oder die Reizleitung unterhalb des AV-Knotens zusätzlich beeinträchtigt ist. Letzteres ist der Fall bei vorbestehendem Schenkelblock oder Auftreten von Aberranz (dies bedeutet eine intermittierende Blockierung im Reizleitungssystem bedingt durch unterschiedliche Refraktärzeiten der Leitungsstrukturen also z.B. das Auftreten eines frequenzabhängigen Rechts- oder Linksschenkelblockes).
Hilfreich ist hier, wann immer möglich, der Vergleich mit einem Vor-EKG im supraventrikulären Rhythmus. Besteht eine unveränderte QRS-Morphologie, schliesst dies eine ventrikuläre Tachykardie aus. Des Weiteren wurden diverse Algorithmen entwickelt, welche anhand von vordefinierten EKG-Kriterien in der Differenzierung zwischen ventrikulär und supraventrikulär helfen sollen. Diese vermögen aber alle nicht die Beurteilung im klinischen Kontext zu ersetzen, da keiner eine genügende Sensitivität und Spezifität aufweist. Einer der ersten und in der Praxis häufig verwendeten Algorithmen basiert auf den Brugada-Kriterien (vgl. Tab. 2). Trifft eines der genannten Kriterien zu, erhöht dies die Wahrscheinlichkeit eines ventrikulären Ursprungs der Tachykardien.
Vorbestehender Schenkelblock: In Abbildung 3 zeigt sich ein tachykardes Vorhofflimmern bei gleichzeitig bestehendem Linksschenkelblock. Der Linksschenkelblock (LSB) lässt sich im EKG erkennen am breiten QRS-Komplex mit typischerweise überdrehter Linksachse verbunden mit negativen QRS-Komplexen in V1/V2 und positiven QRS-Komplexen V5/V6.
Ein erstmalig dokumentierter LSB ist immer abklärungsbedürftig, um eine zugrundeliegende Erkrankung nicht zu verpassen. Bei unserem 63-jährigen Patienten (Abb. 3 und 4) ist der Schenkelbock auf die dilatative Kardiomyopathie zurück zu führen, was bei dieser Grunderkrankung häufige Folge ist. Weitere häufige Ursachen sind eine koronare Herzkrankheit oder Hypertrophie des linken Ventrikels.
Kammertachykardie (Abb 5): Zur Differentialdiagnose dieser regelmässigen Breitkomplextachykardie sind die erwähnten Brugada-Kriterien (siehe Tab. 2) hilfreich.

Abklärung: Die weitere Abklärung inkl. Koronarangiographie zeigte keine strukturelle Kardiopathie oder zugrundeliegende kardiologische Erkrankung. Anhand des EKGs vermuten wir eine benigne Kammertachykardie aus dem linksventrikulären Ausflusstrakt.
Therapie: Diese wäre einer elektrophysiologischen Untersuchung und Ablation zugänglich, alternativ kann hier medikamentös ein Klasse 1c-Antiarrhythmikum (z.B. Flecainid) eingesetzt werden.
Jede Tachykardie − selbst die meist gut tolerierten supraventrikulären Reentrytachykardien − ist potentiell kreislaufrelevant. Dafür gefährdet sind insbesondere Patienten mit vorbestehender systolischer oder diastolischer Herzinsuffizienz, da durch die Rhythmusstörung häufig die ventrikuläre Füllung durch eine synchronisierte atriale Kontraktion wegfällt. Die abschliessende Beurteilung des EKGs und Festlegen der Therapie erfordert Erfahrung und häufig auch einen Moment Zeit. Bestehen Zeichen einer hämodynamischen Instabilität, dann ist die Therapie aller Tachykardien die elektrische Kardioversion.

Dr. med. Gabriela Hilfiker

Kardiologie Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

gabi.hilfiker@bluewin.ch

Prof. Dr. med. Richard Kobza

Cardiopuls Medical Center Luzern
Zentralstrasse 1
6003 Luzern

Hirslandenklinik St. Anna
St. Anna-Strasse 32
6006 Luzern

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Eingrenzung der Differentialdiagnosen von Tachykardien gelingt durch die Einteilung in Regelmässigkeit und QRS-Dauer, nach
    Möglichkeit soll immer mit einem Vor-EKG verglichen werden.
  • Bei regelmässigen Schmalkomplextachykardien besteht die erste Massnahme in einem vagalen Manöver, führt dies nicht zum Erfolg,
    ist die intravenöse Gabe von Adenosin die Methode der Wahl zur
    Diagnostik und Therapie.
  • Wichtigste – weil potentiell gefährlichste – Differentialdiagnose von Breitkomplextachykardien ist die ventrikuläre Tachykardie. Jedoch kann jede supraventrikuläre Tachykardie mit einem breiten QRS-
    Komplex einhergehen, sofern eine Aberranz besteht. Hilfreich zur
    Differenzierung sind zum Beispiel die Brugada-Kriterien.

PPI – Nutzen und Risiken der Langzeitanwendung

Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den meist verschriebenen Medikamenten weltweit. In den letzten Jahren kamen immer mehr Bedenken bezüglich übermässigen Einsatzes und Nebenwirkungen auf. Die meisten der postulierten Nebenwirkungen wurden jedoch lediglich in retrospektiven und Beobachtungsstudien evaluiert und zeigen widersprüchliche und schwache Assoziationen mit einem wesentlichen Risiko. Das Risiko von Nebenwirkungen sollte deshalb kein Grund sein, Ihren Patienten PPI vorzuenthalten. Die richtige Indikation sowie deren Evaluation im Langzeit-Verlauf bleibt das Wichtigste. Nutzen und Risiko werden im Folgenden adaptiert nach (1) diskutiert.

Der Magen ist das einzige Organ, das Säure mit einem pH < 2 produziert. Dies ist sowohl wichtig für das Abtöten von Bakterien, die mit der Nahrung aufgenommen werden, als auch für die Verdauung und die Absorption mehrerer Nahrungsbestandteile wie Proteine, Eisen, Kalzium und Vitamin B12.

Vorteile von PPI in der Langzeitanwendung

PPI blockieren die Säuresekretion während des Tages wirkungsvoll. Die Säureblockade steigt nach peroraler Einnahme von PPI in den ersten 3-5 Tagen graduell an, weil immer nur derjenige Teil der Protonenpumpen blockiert wird, der im aktiven, Säure-sezernierenden Status ist. Um sich an die Protonenpumpen binden zu können, brauchen PPI hochkonzentriertes H2 zur Aktivierung. Diejenigen Protonenpumpen, die gerade nicht aktiv Säure sezernieren, können nicht blockiert werden. Anders als bei den H2-Blockern gibt es deshalb kein Toleranzphänomen, auch nicht in der Langzeitanwendung. V.a. tagsüber verliert die Kraft der Säuresuppression Ihre Wirkung auch mit der Zeit nicht. PPI gehören zu den «Marathonläufern», nicht «Kurzstrecken-Sprintern» (1).
PPI werden fast ausschliesslich über die Leber metabolisiert, nicht über die Niere. Eine Niereninsuffizienz beeinflusst ihre Wirkung deshalb nicht.
Für die Erhaltungstherapie bei gastroösophagealer Refluxerkrankung (GERD) und zur Prophylaxe von gastroduodenalen Ulzera unter NSAR und Aspirin ist eine Langzeitanwendung von PPI notwendig (2, 3). Nicht so bei funktioneller Dyspepsie oder hypersensitivem Ösophagus, wo PPI bei Bedarf angewendet werden können. GERD-Patienten klagen oft über postprandiale Refluxsymptome, weil zur Verdauung der Nahrung Säure produziert wird. Da die Säuresuppression einer einzelnen PPI-Morgendosis für den Tag ausreicht, können PPI 1 x / d effektiv eingesetzt werden, um Reflux oder ösophageale Erosionen / Ulzera zu verhindern. Wichtig ist eine Verabreichung 30-60min vor der Mahlzeit, damit der Wirkstoff im Blut ist, bevor die Säure zur Verdauung der Nahrung produziert wird. Wird die Medikation erst nach dem Essen eingenommen, wenn die gesamte Säure bereits produziert wurde, bleibt die Wirkung praktisch aus. Bei kontinuierlicher Anwendung liegt das Wiederauftreten von GERD-Symptomen während 1 Jahres < 15%, im Gegensatz zu > 50% ohne Erhaltungstherapie (4, 5). Verglichen mit H2-Blockern sind PPI wirksamer. Des Weiteren werden PPI eingesetzt, um die neoplastische Transition eines Barrett-Ösophagus zu Dysplasie / Adenokarzinom längerfristig zu verhindern, obwohl dies nicht ganz klar bewiesen ist (6).

Nachteile von PPI in der Langzeitanwendung

Die Nebenwirkungen der PPI können in 2 Gruppen unterteilt werden: die Säure-unabhängigen und die Säure-abhängigen.
Die meisten Nebenwirkungen der Gruppe, die von der Säureblockade abhängen, treten in der Langzeitanwendung auf. Die von der Säure unabhängigen Nebenwirkungen werden sowohl in der Langzeit- als auch in der Kurzzeitanwendung beobachtet (Tab. 1).

Säure-unabhängige Nebenwirkungen

Mögliche allergische Reaktionen

Anaphylaxie, Panzytopenie, Agranulozytose, Thrombozytopenie, hämolytische Anämie, akuter Leberschaden, Lyell-Syndrom, Stevens-Johnson Syndrom, interstitielle Nephritis und Rhabdomyolyse werden unter PPI selten beschrieben. Dies sind unspezifische allergische Reaktionen, die auch unter anderen Medikamenten auftreten (7, 8). Unerklärte Hautläsionen, Fieber oder generelles Unwohlsein nach Beginn einer PPI-Therapie sollten Ihnen gemeldet werden. Es ist deshalb empfohlen, in den ersten Wochen einer PPI-Therapie wegen möglicher Nebenwirkungen eine Folgekonsultation zu vereinbaren.

Mikroskopische Kolitis (Kollagenkolitis)

Von Patienten unter PPI wird oft über Diarrhoe geklagt. Ein Teil der Fälle kann wahrscheinlich mit einer kollagenen Kolitis erklärt werden, die diagnostiziert wird durch Diarrhoe und histopathologische Veränderungen in der Koloskopie. PPI-Gebrauch ist assoziiert mit erhöhtem Risiko einer kollagenen Kolitis (hazard ratio 4.5) (9). Die PPI-bedingte kollagene Kolitis ist meist selbstlimitierend nach Sistieren der Medikation. Bei Auftreten von Diarrhoe unter neu begonnener PPI-Therapie muss jedoch an eine kollagene Kolitis gedacht werden.

Akute interstitielle Nephritis und chronische Nierenkrankheit

PPI können mit einer interstitiellen Nephritis zusammenhängen, möglicherweise auf Grund einer allergischen Reaktion, wobei der genaue Mechanismus nicht klar ist. In Biopsien wurde von 70% medikamenten-bedingter interstitieller Nephritis berichtet, davon 14% durch PPI (10). Zusätzlich zum akuten Nierenschaden wurde auch von chronischer Nierenkrankheit berichtet, die mit PPI vergesellschaftet sein soll, obwohl die Hazard Ratio bescheiden war (1.1-1.5) und die Resultate nur auf Observationsstudien beruhen (11, 12). Fazit ist, dass Patienten unter PPI sicherheitshalber regelmässig bzgl. Nierenfunktion kontrolliert werden sollten, auch wenn ein Zusammenhang mit PPI nicht klar bewiesen werden konnte.

Medikamenten-Interaktionen

Wie viele andere Medikamente (Diazepam, Phenytoin, Warfarin) werden PPI teilweise durch das Leberenzym CYP2C19 metabolisiert. Die Kapazität dieses Enzyms ist jedoch beschränkt. Deshalb kann die pharmakologische Wirkung anderer Medikamente durch PPI-Gabe beeinflusst werden. Clopidogrel z.B. braucht CYP2C19 zur Aktivierung. Bei Patienten unter Clopidogrel könnten PPI deshalb die anti-thrombotische Wirkung abschwächen und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöhen. Dies wurde kürzlich postuliert. Zusammenfassend kann aber gesagt werden, dass gemäss aktueller Datenlage (darunter auch die berühmte COGENT-Studie) keine Empfehlung gegen den Gebrauch von PPI bei Patienten mit Clopidogrel besteht (13, 14). Der Evidenzgrad der vorliegenden Studien war nicht adäquat genug, um klinisch relevante Entscheidungen zu fällen.

Demenz

Vor Kurzem wurden 2 retrospektive Publikationen aus deutschen Datenbanken veröffentlicht, in denen bei älteren Patienten unter PPI von einem erhöhten Risiko für Demenz berichtet wurde. Die Hazard Ratio war bescheiden (1.38 und 1.44), es wurde von einem potenziellen cerebralen Schaden durch erhöhte Spiegel von Amyloid-Beta-Peptiden gesprochen. 3 retrospektive Studien in den USA und Europa konnten diese Statistik jedoch nicht bestätigen. Kürzlich widerlegte eine prospektive Populations-Studie diese Aussage sogar eindeutig. PPI sollten nicht vermieden werden wegen Bedenken bezüglich Demenz (15).

Weitere

Kürzlich wurde ein erhöhtes Risiko für zerebrale Ischämie, KHK und sogar verminderte Lebenserwartung im Zusammenhang mit PPI propagiert. Dies waren jedoch retrospektive Studien aus Datenbanken, die für andere Zwecke erstellt worden waren. Es wurde diesbezüglich keine prospektive Untersuchung durchgeführt. Die Verlässlichkeit dieser retrospektiven Studien ist nicht hoch. Nur Odds ratios (OR) von > 2-3 gelten als klinisch relevant. Die OR für diese Krankheiten betrug 1-2 und ist daher klinisch nicht relevant (16).

Säure-abhängige Nebenwirkungen

Pneumonie

Der bakterizide Effekt des Magensaftes ist unter PPI vermindert, weil der Magen-pH erhöht wird. Zusätzlich sollen PPI auch die anti-bakterielle Immunität vermindern, indem sie die lysosomale Enzymaktivität herabsetzen (17). In retrospektiven Studien wurde gezeigt, dass das Pneumonie-Risiko bei GERD-Patienten zwar in den ersten 30 Tagen nach Beginn einer PPI-Therapie, nicht aber im Langzeit-Verlauf anstieg (18). Untersuchungen bei Patienten, die PPI zur Prävention von NSAR-Ulzera bekamen, zeigten kein erhöhtes Risiko für eine Pneumonie (19). Auch eine Meta-Analyse von prospektiven randomisierten Studien ergab kein erhöhtes Pneumonie-Risiko (20).

Gastrointestinale Infekte

Salmonella und Campylobacter sind säure-labile Bakterien und es ist nachvollziehbar, dass sie den Gastrointestinaltrakt allenfalls eher befallen können, wenn die Säureproduktion auf Grund einer PPI-Therapie vermindert ist. Die Datenlage diesbezüglich ist aber kontrovers. Es gibt sowohl Studien, die eine erhöhte Infektanfälligkeit für Salmonella und Campylobacter gezeigt haben, als auch solche, die dies nicht aufzeigen konnten (21, 22).
Die Clostridium difficile-Enteritis ist in westlichen Ländern wegen der ansteigenden Antibiotika-Resistenz ein zunehmendes Problem. Ein erhöhtes Risiko für eine Infektion besteht unter Langzeitanwendung von PPI mit einer OR von 1.5-2.0 (21). Ein Zusammenhang mit komplizierten Krankheitsverläufen oder rezidivierenden C. difficile-Infektionen konnte aber nicht eindeutig festgestellt werden (23).

Neuroendokrine Tumoren des Magens

Nach dem Beginn des weltweiten PPI-Gebrauchs wurden nur vereinzelte Fälle von gastrischen Karzinoid-Tumoren beschrieben. Ein Zusammenhang mit der PPI-Verabreichung ist nicht klar (24). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Risiko von gastrischen Karzinoid-Tumoren während Langzeitanwendung von PPI klinisch nicht relevant ist.

Mukosale Hypertrophie im Fundus

Eine durch PPI verursachte Hypergastrinämie führt zur mukosalen Hypertrophie im Fundus. Dies ist v.a. bei der Langzeit-Anwendung von PPI der Fall und bei Helicobacter-negativen Patienten. Das abrupte Absetzen einer PPI-Therapie hat deshalb eine Säure-Überproduktion und damit ein Rebound-Phänomen zur Folge (25). Dies macht eine intermittierende PPI-Therapie schwierig.

Veränderungen im Mikrobiom und bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms

PPI sollen das Mikrobiom verändern und die Zahl der Streptokokken in der Mundhöhle vermehren (26). Die klinische Relevanz einer Mikrobiom-Veränderung durch PPI ist allerdings aktuell nicht klar. Dazu erhöht eine PPI-Therapie die Bakterien-Dichte in Duodenum und Jejunum. Bei > = 100 000 Keimen/ml Dünndarminhalt wird eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms diagnostiziert.

Veränderte Absorption von Mikronährstoffen (Mg, Eisen, Kalzium, Vitamin B12)

Die Hypothese einer Hypomagnesiämie unter PPI basiert auf einer selektiven Malabsorption im Dünndarm, verursacht durch das veränderte Mikro-Milieu bei erhöhtem pH. Die Studienlage ist aber nicht eindeutig (27). Konsequenz davon ist die Empfehlung einer periodischen Messung des Serum-Magnesiums unter Langzeit-Therapie mit PPI.
Einige Mikronährstoffe benötigen die Magensäure für eine effektive Absorption, z.B. Eisen, Kalzium und Vitamin B12. Wenn die Eisenreserven im Körper tief sind, reguliert die duodenale Mukosa automatisch die Eisenabsorption hoch. Deshalb tritt lediglich wegen einer PPI-Therapie selten ein Eisenmangel auf. Bezüglich verminderter Kalzium-Absorption mit daraus resultierender Osteoporose und vermehrten Knochenbrüchen gibt es in verschiedenen Untersuchungen keinen klaren Zusammenhang zur PPI-Gabe (28). Über die Vitamin B12-Absorption unter PPI-Therapie bestehen mehrere Studien, die kontrovers ausfielen und keine klinische Relevanz aufzeigen konnten.

Drüsenkörperzysten

PPI-Therapie bei Helicobacter-negativen Patienten führt gern zur Bildung von multiplen Drüsenkörperzysten. Dies sind kleine, benigne Magenpolypen. Sie verschwinden nach Sistieren der PPI-Therapie wieder. Empfohlen ist eine endoskopische Resektion bei Polypen >1cm, ansonsten haben sie keine klinische Relevanz (29). Bei aussergewöhnlich starkem Auftreten sollte mittels Koloskopie eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ausgeschlossen werden, die mit der PPI-Einnahme aber nichts zu tun hat.

Magenkarzinome

Es fehlt die Evidenz, dass eine Langzeitanwendung von PPI zu Magenmukosaatrophie oder Metaplasiebildung führt (30). Patienten mit Helicobacter-Infektion zeigen unter Langzeit-Therapie mit PPI häufiger eine Mukosaatrophie im Korpus als Helicobacter-negative Patienten. Deshalb ist eine Helicobacter-Eradikation vor Langzeit-Therapie mit PPI empfehlenswert. Eine mögliche Folge ist das Fortschreiten der Atrophie und Metaplasie zur Dysplasie. Auch dies kann aber nicht eindeutig belegt werden. Es wurden Magenkarzinome beschrieben, die aber im Zusammenhang mit einer perniziösen Anämie und chronischen Gastritis auftraten, nicht mit einer PPI-Therapie (31, 32).

Kolonkarzinome

Einige Kolonkarzinome haben Gastrinrezeptoren. So könnte eine durch PPI induzierte Hypergastrinämie zu einem erhöhten Kolonkarzinomrisiko führen. Basierend auf mehreren Beobachtungsstudien zeigt sich dafür aber keine Evidenz (33).

Spontanbakterielle Peritonitis und hepatische Encephalopathie

Bei Leberzirrhose und Aszites können wegen erhöhter Permeabilität der intestinalen Mukosa Darmbakterien in den Aszites penetrieren. PPI sollen das Risiko sowohl für eine spontanbakterielle Peritonitis (hazard ratio 1.4-5.0) als auch für das Auftreten einer hepatischen Encephalopathie aus diesem Grund erhöhen. Auch diesbezüglich ist die Datenlage aber kontrovers (34, 35).

Medikamenten-Interaktionen

Die pharmakologische Wirkung von Medikamenten, für welche die Magensäure zur Absorption wichtig ist (z.B. Digoxin), können durch gleichzeitige PPI-Gabe beeinflusst werden. Die Kompatibilität der verschiedenen Medikamente, insbesondere bei Polypharmazie, sollte deshalb auch bei PPI beachtet werden.

Fazit

Am Wichtigsten ist die richtige Indikation vor Verschreibung einer längerfristigen PPI-Therapie. Nebenwirkungen von PPI sind grundsätzlich selten und zeigen eine schlechte Evidenz, treten aber hauptsächlich unter Langzeit-Behandlung auf. Potenzielle Nebenwirkungen sollten die Vorteile der Therapie nicht überragen. Als klinisch relevante Nebenwirkungen können die Kollagenkolitis und bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms genannt werden. Des Weiteren besteht ein diskret erhöhtes Risiko für gastrointestinale Infekte, v.a. Clostridien. Bei Patienten mit Leberzirrhose sollte wegen möglicher spontanbakterieller Peritonitis und hepatischer Encephalopathie die Indikation für eine PPI-Therapie gut überlegt werden.
Bei der Behandlung von GERD, gastroduodenalen Ulzera oder einer Helicobacter-Eradikation liegen die Vorteile klar auf Seite der PPI-Therapie, während bei funktioneller Dyspepsie oder hypersensitivem Ösophagus die Datenlage für eine erfolgversprechende Therapie limitiert ist. Um lediglich einen geringen therapeutischen Effekt zu erzielen, sollte das Risiko von Nebenwirkungen vermieden werden, auch wenn es klein ist. Wenn der erwartete therapeutische Nutzen hingegen gross ist, kann ein tiefes Nebenwirkungs-Risiko akzeptiert werden.

Dr. med. Mirjam Hiestand

Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

mirjam.hiestand@kssg.ch

Dr. med. Claudia Krieger-Grübel 

Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
HOCH Health Ostschweiz
Kantonsspital St. Gallen

Prof. Dr. med. Jan Borovicka

Klinik für Gastroenterologie/Hepatologie
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Die Autoren/innen geben an, keine Interessens-konflikte im Zusammenhang mit dem vorgelegten Manuskript zu haben.

  • PPI gehören zu den meistverschriebenen Medikamenten weltweit.
    Das Nutzen/Risiko-Profil liegt zu Gunsten der PPI. Nebenwirkungen sind selten und klinisch oft nicht relevant. Die meisten der postulierten Nebenwirkungen wurden in retrospektiven und Beobachtungsstudien evaluiert und zeigen widersprüchliche und schwache Assoziationen mit einem wesentlichen Risiko.
  • Die beste Evidenz haben die Kollagenkolitis und die bakterielle
    Fehlbesiedlung des Dünndarms. Für gastrointestinale Infekte (v.a. Clostridien) besteht ein leicht erhöhtes Risiko. Bei Patienten mit Leberzirrhose sollte wegen möglicher spontanbakterieller Peritonitis und hepatischer Encephalopathie die Indikation für eine PPI-Therapie gut überlegt werden.
  • Abgewogen werden sollte das Nutzen/Risiko-Profil. Bei geringem therapeutischem Effekt wie funktioneller Dyspepsie sollten PPI möglichst nur bei Bedarf angewendet werden, nicht längerfristig. Bei der Prophylaxe von gastralen Ulzera oder GERD überwiegen jedoch die Vorteile.

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Ikterus

Beim gesunden Erwachsenen liegt die Konzentration des Serum-Bilirubins unter 17 μmol/l, davon weniger als 5% in konjugierter Form. Obgleich Ikterus und Hyperbilirubinämie oft synonym verwendet werden, ist ein Ikterus erst ab einem Serum Bilirubin von mehr als 34 μmol/l, also einem zweifachen des oberen Normwertes, klinisch zu diagnostizieren. Die Gelbverfärbung lässt sich als erstes und am besten am Aussenrand der Konjunktiven und an der oralen Mucosa, insbesondere unter der Zunge erkennen. Die weitere Abklärung eines Ikterus ist kritisch, da es das erste und einzige klinische Zeichen einer relevanten Lebererkrankung sein kann (1).

Eine Hyperbilirubinämie lässt sich nach dem überwiegenden Gallenpigment in zwei Kategorien einteilen:
1. Erhöhung des unkonjugierten (indirekten) Serum-Bilirubins z.B. durch vermehrte Bildung von Bilirubin, gestörte Aufnahme von Bilirubin in die Leber oder gestörte Bilirubinkonjugation.
2. Erhöhung des unkonjugierten wie auch des konjugierten Bilirubins aufgrund einer hepatozellulären Erkrankung, Störung der kanalikulären Exkretion, gestörte Wiederaufnahme von konjugiertem Bilirubin oder einer Gallenwegsobstruktion (1).

Indirekte Hyperbilirubinämie

A. Gesteigerte Bildung von Bilirubin

a. Extravaskuläre Hämolyse – im Rahmen der meisten hämolytischen Erkrankungen kommt es zu einem vermehrten Abbau von Erythrozyten durch phagozytierende Zellen in Milz, Knochenmark und Leber.
b. Extravasation von Erythrozyten – Beim Austritt von Erythrozyten in die Pleura- oder Peritonealhöhle oder ins Gewebe kommt es zur Phagozytose durch Gewebsmakrophagen und zum vermehrten Anfall von Bilirubin.
c. Intravaskuläre Hämolyse – Hierbei wird Bilirubin vor allem in Leber und Nieren gebildet und intravasal an Haptoglobin gebunden. Haptoglobin kann bei ausgeprägter Hämolyse depletiert werden.
d. Dyserythropoese – gestörter Einbau von Bilirubin in die Erythrozyten, wie unter anderem bei der megaloblastischen und sideroblastischen Anämie, schwerer Eisenmangelanämie oder Bleivergiftungen (2).
e. Hämolyse bei körperlichem Stress – hierbei kann es zu einem bis zu 10fachen Anstieg der Bilirubinproduktion kommen. Bei Patienten mit normaler Leberfunktion ist allerdings die Kapazität für die Konjugation weit höher als selbst ein massiver Anfall von unkonjugiertem Bilirubin, so dass die kanalikuläre Exkretion zum geschwindigkeitsbestimmenden Schritt wird (3). Konjugiertes Bilirubin wird dann renal eliminiert und die Serumspiegel steigen nicht über 68 μmol/l. Beim Leberkranken hingegen kann es zu erheblichen Anstiegen des Serum Bilirubins kommen. Bei diesen Patienten kommt es zu einem gemischten Anstieg von unkonjugiertem und konjugiertem Bilirubin.
f. Im Gegensatz dazu findet sich bei Patienten mit einer erblichen Störung der Konjugation, wie z.B. dem Morbus Meulengracht, eine isolierte unkonjugierte Hyperbilirubinämie, da der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Elimination hier die Konjugation ist (4).
g. Von besonderer Bedeutung ist der Bilirubin Spiegel für die Diagnose des akuten Leberversagens bei Morbus Wilson. In dieser Situation findet sich eine normale oder ungewöhnlich niedrige alkalische Phosphatase (AP) wohingegen aufgrund der pathognomonischen Hämolyse die Bilirubinwerte hoch sind. Beim erwachsenen Patienten mit akutem Leberversagen liegt die Sensitivität einer AP (IU/ml)/Bilirubin (mg/dl) Ratio von < 4 bei 94, die Spezifität sogar bei 96% (5).

B. Verminderter Abbau von Bilirubin

a. Gestörte hepatische Bilirubinaufnahme – Sowohl eine Störung des Bilirubintransports in die Leber wie auch eine gestörte Aufnahme in den Hepatozyten können zu erhöhten Bilirubinspiegeln führen. Ersteres kann durch eine Herzinsuffizienz oder portosystemische Shunts bedingt sein, letzteres medikamentös (z.B. Rifampicin, Probenecid) sowie in manchen Fällen des
Morbus Meulengracht.
b. Gestörte Bilirubinkonjugation – eine reduzierte Glucuronidierung infolge verminderter oder fehlender UDP-Glucuronosyltransferase-Aktivität ist Merkmal einiger erworbener und erblicher Erkrankungen. Hierzu zählen Crigler-Najjar Syndrom Typ I und Typ II sowie der bereits erwähnte Morbus Meulengracht. Hyperthyroidismus und Ethinylestradiol-haltige Kontrazeptiva wie auch einige Antibiotika (Gentamicin) können die Glucuronidierung inhibieren (6). Auch fortgeschrittene Leberschäden gehen oft mit einer reduzierten Glucuronidierung einher.

Direkte Hyperbilirubinämie

Bei den erworbenen Erkrankungen, die zu einer direkten Hyperbilirubinämie führen, lassen sich einige grundlegende Pathomechanismen unterscheiden: Obstruktion der Gallen-wege mit extrahepatischer Cholestase, intrahepatische Cholestase und hepatozelluläre Schädigungen.

A. Gallenwegsobstruktion – es akkumulieren sowohl unkonjugiertes wie auch konjugiertes Bilirubin innerhalb der Hepatozyten, hierbei kann es auch zur Dekonjugation kommen und erneut dekonjugiertes Bilirubin gebildet werden (7). Ikterus aufgrund einer Gallenwegsobstruktion beim Erwachsenen hat zahlreiche Differentialdiagnosen: Gallensteinleiden mit der Sonderform des Mirizzi-Syndrom, bei dem die durch einen Zystikusstein gestaute Gallenblase den Hauptgallengang komprimiert. Daneben Tumoren mit intra- oder extraluminaler Obstruktion, Primär Sklerosierende Cholangitis, die intra- wie extrahepatische Gallenwege betreffen kann, parasitärer Befall mit Ascaris oder Leberegeln (Chlonorchis und Fasciola), Lymphome, AIDS Cholangiopathie, die durch Cryptosporidien, CMV oder aber HIV selbst verursacht wird (8), akute und chronische Pankreatitis sowie postinterventionelle Strikturen.

B. Intrahepatische Cholestase – hierbei findet sich ein Ikterus sowie eine erhöhte Serum AP so dass das Bild einer Gallengangsobstruktion besteht, die Gallenwege aber frei sind. Wichtige Differentialdiagnosen sind: Virale Hepatitiden, die sich mit cholestatischem Bild und starkem Pruritus manifestieren können. Alkoholische Steatohepatitis (ASH) die sich mit Cholestase, Fieber und Leukozytose präsentieren kann (9). Nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH) zeigt klinisch wie auch histologisch Ähnlichkeiten mit der ASH. Primär Biliäre Cholangitis zeigt typischer Weise ein cholangitisches Bild, allerdings finden sich auch hepatozelluläre Schäden. Pharmaka und Toxine können dosisabhängig (anabole Steroide, Ethinylestradiol) oder seltener im Sinne eines allergischen Geschehens «idiosynkratisch» zu einer Cholestase führen. Daraus ergibt sich, dass eine sorgfältige Medikamenten- und Substanzanalyse bei jeder Cholestase unerlässlich ist. Besonders erwähnt werden sollen hier unkontrollierte Phytotherapeutika und «pflanzlichen Produkte», die Ursache für unklare Cholestase und Leberschäden sein können (10).
Sepsis und septisches Kreislaufversagen können ebenfalls zu einem cholestatischen Bild führen. Daneben kann Cholestase als paraneoplastisches Syndrom (Stauffer Syndrom) insbesondere bei Nierenzellkarzinomen, gynäkologischen Malignomen und Prostatakarzinomen beobachtet werden (11). Infiltrationen des Leberparenchyms durch pathologische Prozesse wie Amyloidose, Lymphome oder Tuberkulose können ebenfalls ursächlich sein. Bei den erblichen Erkrankungen mit intrahepatischer Cholestase und erhöhtem konjugiertem Bilirubin sind das Dubin-Johnson Syndrom, das Rotor Syndrom, die progressive familiäre intrahepatische Cholestase (PFIC), die benigne rekurrente intrahepatische Cholestase (BRIC) und die low phospholipid assoziierte Cholelithiasis (LPAC) zu nennen. Bereits in der Neugeborenenperiode manifestieren sich Alagille Syndrom, Cystische Fibrose und manche angeborenen Störungen des Kohlenhydrat-, Fett- oder Gallenmetabolismus mit konjugierter Hyperbilirubinämie. Totale parenterale Ernährung kann Lebersteatose und Cholestase verursachen, wobei vorbestehende Leberschäden ein Risikofaktor sind (12).
Bei der Sichelzellanämie kann es im Rahmen der Hepatischen Krise zu dramatischen Erhöhungen des Bilirubins und der Gallensäuren kommen (13).
Eine weitere Entität stellt die Intrahepatische Schwangerschafts-cholestase (ICP) dar. Meist steht Pruritus als Anfangssymptom im Vordergrund, im weiteren Verlauf kann Ikterus folgen. Hier ist das erhöhte Schwangerschaftsrisiko zu bedenken das mit hohen Gallensäurespiegeln einhergeht (14).

C. Hepatozelluläre Schädigung – Bei einer primären hepatozellulären Schädigung stehen in der Laborkontrolle die erhöhten Transaminasen im Vordergrund, die aber von erhöhtem Bilirubin und Gallensäuren begleitet werden können.

Zusammenfassend

kann dem klinischen Bild des Ikterus und dem laborchemischen Befund der Hyperbilirubinämie eine Vielzahl von Erkrankungen zugrunde liegen. Hilfreich ist die Differenzierung des Serum- Bilirubins und damit eine erste diagnostische Einordnung. Eine erschöpfende Abklärung des Ikterus ist angesichts der möglichen gravierenden Grunderkrankungen unbedingt erforderlich.

Dr. med. Joachim Carl Philipp Mertens

Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Universitätsspital
8091 Zürich

joachim.mertens@usz.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die Ursachen des Ikterus sind vielfältig und können hepatischen wie nicht-hepatischen Ursprungs sein
  • Die Unterscheidung von indirekter und direkter Hyperbilirubinämie ist für die Differenzialdiagnose wichtig
  • Eine relevante Lebererkrankung sollte bei jedem Ikterus ausgeschlossen werden.

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13. Betrosian A, Balla M, Kafiri G, Palamarou C, Sevastos N. Reversal of liver failure in sickle cell vaso-occlusive crisis. Am J Med Sci 1996; 311:292-5.
14. Dixon PH, Weerasekera N, Linton KJ, Donaldson O, Chambers J, Egginton E, Weaver J, Nelson-Piercy C, de Swiet M, Warnes G, Elias E, Higgins CF, Johnston DG, McCarthy MI, Williamson C. Heterozygous MDR3 missense mutation associated with intrahepatic cholestasis of pregnancy: evidence for a defect in protein trafficking. Hum Mol Genet 2000; 9:1209-17.

Ambulant erworbene Pneumonie des Erwachsenen

Unter einer ambulant erworbenen Pneumonie werden Pneumonien verstanden, welche ausserhalb des Spitals bei einem nicht immunkompromittierten Patienten auftreten. Die Letalität dieser im Verlauf hospitalisierten Patienten ist mit bis zu ca. 10% nicht zu unterschätzen. Bei vielen erkrankten Senioren kommt eine Polymorbidität komplizierend dazu. Sofern und solange ein kuratives Therapieziel besteht, entscheiden Schweregrad und erwartetes Keimspektrum, sowie ob Polymorbidität vorliegt oder nicht, über die Therapie.

Pneumonien werden in der sogenannten «Pneumonie-Triade» eingeteilt (Tab. 1). Die ambulant erworbene Pneumonie ist definiert als eine Pneumonie, die durch den Ort des Auftretens (ausserhalb des Spitals) sowie die Immunität des Patienten (Immunkompetenz) bestimmt wird.
Die ambulant erworbene Pneumonie (community-acquired pneumonia CAP) steht dabei im Gegensatz zur nosokomialen Pneumonie (HAP), die definiert ist als eine Pneumonie, die > 48h nach Spitaleintritt bzw. bei Patienten mit einer vorbestehenden Hospitalisation bis vor 3 Monaten auftritt. Bei Pneumonie unter schwergradiger Immunsuppression sind opportunistische Keime zu erwarten.
Polymorbide Patienten sind Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen wie COPD, Zystische Fibrose und interstitiellen Lungenerkrankungen. Hepatopathie, Diabetes mellitus und Tumor-
erkrankungen ohne Neutropenie (1).
Die Inzidenz der CAP steigt mit dem Lebensalter. Die Pneumonie des älteren Menschen (≥ 65 Jahre) ist mit einer erhöhten Letalität assoziiert. Pneumonien, die im Seniorenheim erworben werden, stellen die grösste Subgruppe der ambulant erworbenen Pneumonie dar. Die höchste Letalität haben Patienten mit vorbestehender längerer Bettlägerigkeit.
Die CAP des jüngeren Menschen < 65 Jahre, ohne Grunderkrankung verläuft meist milder, die Prognose ist deutlich besser. Darüber hinaus besteht ein anderes Erreger-Muster.

Einteilung der ambulant erworbenen Pneumonien

Die Einteilung der CAP erfolgt in die Gruppen 1a, 1b und 2. Die Gruppen definieren sowohl Kriterien für die Hospitalisation als auch den Umfang der mikrobiologischen Diagnostik und Therapiestrategien einschliesslich der initialen antimikrobiellen Therapie. Die Gruppen 1a, 1b und 2 werden unterschieden durch die Kriterien des Allgemeinzustands und des Schweregrads der ambulant erworbenen Pneumonie. Zugehörigkeit zur Gruppe 1a ergibt sich durch einen guten AZ, definiert als Bettlägerigkeit < 50%, Gruppe 1b durch schlechten AZ, definiert als Bettlägerigkeit > 50% des Tages. In der Gruppe 2 besteht eine schwere Komorbidität mit infauster Prognose, somit Palliation als Therapieziel.
Sonderformen der ambulant erworbenen Pneumonie sind die ambulant erworbene Aspirations-Pneumonie, sowie Pneumonien im Zusammenhang mit Auslandreisen oder im Rahmen von Epidemien (z. B. Influenza-Pneumonien) oder Ausbrüchen (z. B. Legionellen). Die Aspirationspneumonie geht mit einem veränderten Erregerspektrum einher. Aspirationspneumonien erfordern eine Abklärung der zugrundeliegenden Ursachen. Bei Pneumonien nach Tropenreisen müssen seltene Ursachen gesucht und ausgeschlossen werden. In Zeiten einer Grippepidemie ist an eine Grippepneumonie zu denken.

Diagnostik bei vermuteter Pneumonie

Zu den klinischen Symptomen einer Pneumonie gehören:
1. Atemwegssymptome wie Husten mit oder ohne Auswurf, Dyspnoe, ev. atemabhängige thorakale Schmerzen.
2. Allgemeinsymptome wie Fieber oder Hypothermie, allgemeines Krankheitsgefühl («malaise») «grippale» Symptome wie Myalgien, Arthralgien, Cephalgien, Palpitationen, Kreislaufbeschwerden, Diarrhoe.
3. Neurologische Symptome wie «Desorientiertheit (confusion)» insbesondere bei älteren Patienten.

Die klinische Abklärung umfasst die Evaluation des Allgemeinzustands inklusive des Ausmasses der vorbestehenden Bettlägerigkeit, welche die Prognose verschlechtert sowie eine Evaluation potentiell instabiler Komorbiditäten (Prognose schlechter). Sodann wird im Einzelnen auf folgende Befunde geachtet: erhöhte Atemfrequenz, Tachykardie, ev. arterielle Hypotonie, ev. abgeschwächte Perkussion über dem Thorax bei Infiltrationen und/oder einem parapneumonischen Pleuraerguss, auskultatorisch inspiratorische Rasselgeräusche bzw. Bronchialatmen. Die beschriebenen Symptome sind nicht spezifisch für die Abgrenzung einer CAP von anderen unteren Atemwegsinfektionen. Die klinische Untersuchung hat jedoch einen hohen negativen prädiktiven Wert (4). Mit steigendem Lebensalter präsentieren sich Patienten mit Pneumonie zunehmend oligosymptomatisch (5). So ist das Vorliegen von Fieber oder Husten mit Auswurf deutlich seltener. Häufiger treten Symptome wie Verwirrtheit und Durchfall auf, ggf. sogar als einzige Symptome.
An Zusatzuntersuchungen sollte eine Röntgen Thoraxaufnahme angefertigt werden. Eine Thorax Sonographie kann für die Detektion pulmonaler Infiltrate zum Einsatz kommen, wenn zeitnah keine Radiologie verfügbar ist. Der radiologische Befund dient zur Erfassung von der Ausdehnung des Befundes (mono-multilobär, uni-bilateral), von Begleiterkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz) und von Komplikationen (Pleuraerguss, Abszedierung). Zudem liefert er eine Hilfestellung bei differentialdiagnostischen Überlegungen (Lungentuberkulose, Bronchus-Carcinom) und einen Ausgangsbefund, falls eine Kontrolle im Verlauf der Erkrankung indiziert ist. Sensitivität und Spezifität sowie Zuverlässigkeit des Infiltratnachweises in der Röntgen Thoraxaufnahme sind allerdings begrenzt.
Zuweilen bilden sich erst im Verlauf der Erkrankung Infiltrate. In einer Studie wiesen 21% der Patienten mit einer im Verlauf gesicherten Diagnose einer Pneumonie im initialen Röntgen Thoraxbild kein Infiltrat auf (6). Zudem besteht bei leicht- bis mittelgradigen Pneumonien eine erhebliche Abhängigkeit vom entsprechenden Untersucher hinsichtlich der Beurteilung von Infiltraten. Bei stationären Patienten mit einer im Verlauf bestätigten Pneumonie, die initial kein radiologisches Korrelat hatten, ist die Letalität erhöht.
Entzündungs-Parameter können in dieser Situation weiterhelfen. CRP als Einzelparameter ist relativ unspezifisch und kann verzögert ansteigen. Deshalb kann eine zusätzliche Bestimmung von Procalcitonin (PCT), welches im Verlauf früher ansteigt, sinnvoll sein.
Messung der peripheren O2 Sättigung, ev. arterielle Blutgasanalyse (Hypoxämie mit schlechterer Prognose).

Mikrobiologische Untersuchung beim Pneumonie Patienten?
Bei Patienten mit leichtgradigen, ambulant behandelbaren Pneumonien ist eine mikrobiologische Diagnostik im Normalfall nicht erforderlich.
Bei allen wegen einer mittelschweren bis schweren Pneumonie hospitalisierten Patienten der Gruppen 1a und 1b soll eine Erregerdiagnostik erfolgen. Diese soll umfassen:
1. Mindestens zwei Blutkulturen, je aerob und anaerob
2. Urin-Antigentest auf Legionellen
3. Urin-Antigentest auf Pneumokokken zur Detektion einer Pneumonie durch Pneumokokken
4. Adäquates Sputum, das innerhalb von 2-4 Stunden für eine Gram-Färbung und Kultur verarbeitet werden soll. Ist dies nicht möglich, soll eine Sputum Untersuchung unterlassen werden
5. Molekulare Diagnostik zum gleichzeitigen Nachweis von mehreren bakteriellen (z. B. S. pneumoniae, M. pneumoniae, C. pneumoniae, L. pneumophila) oder viralen Erregern (z. B. Influenza A/B, Parainfluenza, Rhinovirus, Adenovirus) d. h. sogenannte Multiplextests sollen nicht routinemässig eingesetzt werden
6. Bei Vorliegen entsprechender epidemiologischer Hinweise (Saison, Epidemie und Pandemie) sollte ein Nasenabstrich (nuclear acid amplification) auf Influenza A/B durchgeführt werden.

Blutkulturen sind insgesamt nur bei etwa 10% aller mit ambulant erworbener Pneumonie hospitalisierten Patienten positiv; im Falle von Pneumonien mit S. pneumoniae ist mit Raten bis zu 38% zu rechnen. Weiterhin können bakteriämische Pneumonien mit einer schlechteren Prognose verbunden sein, so dass eine positive Blutkultur Anlass für eine intensivierte Überwachung sein kann. Auch bei älteren Patienten und bei einer Pneumonie durch Enterobakterien ist die Blutkultur häufiger positiv. Ausserdem stellt der Erregernachweis in der Blutkultur den sichersten ätiologischen Beweis dar.

Der Urin-Antigentest auf Legionellen detektiert mit einer Sensitivität von etwa 75% und einer Spezifität von 99-100% eine Legionellen-Infektion durch Legionella pneumophila der häufigen Serogruppen. Wenn aufgrund der epidemiologischen Situation auch mit anderen Spezies bzw. Serogruppen gerechnet wird, sollte zusätzlich ein Nukleinsäureamplifikationstest aus respiratorischen Materialien durchgeführt werden sowie ein kultureller Nachweis erfolgen.
Der Urin-Antigentest auf Pneumokokken detektiert eine Infektion mit diesen Mikroorganismen mit einer Sensitivität von 67-82% und einer Spezifität von etwa 97%, wobei allerdings Risikofaktoren für ein falsch positives Ergebnis (vor allem COPD) zu beachten sind. Der Test kann damit Grundlage für eine Fokussierung der Therapie sein.
Obgleich die Wertigkeit der mikroskopischen und kulturellen Untersuchung von Sputum häufiger kritisch beurteilt wurde, zeigen andere Studien, dass bei Einhaltung aller Qualitätskriterien (Vorwiegen von Granulozyten, wenig bis keine Plattenepithelien) die Ergebnisse der Untersuchung für die gezielte Therapie leitend sein können, wobei insbesondere Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Staphylococcus aureus gut erkannt werden.

Differentialdiagnose der Pneumonie

Bei allen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie sollen Differentialdiagnosen bzw. zusätzliche Diagnosen erwogen werden, insbesondere Konditionen mit Überwässerung (Nierenerkrankungen), Aspirationen und nicht-infektiösen Infiltraten (Lungenembolie, interstitielle Lungenerkrankung, Lungenkarzinom) sowie COPD und Lungenemphysem
Die unspezifische klinische Präsentation, nicht selten auch die Oligosymptomatik machen es erforderlich, eine differentialdiagnostische Abgrenzung zu anderen Erkrankungen mit überlappender Symptomatik zu treffen.

Schweregrad einer ambulant erworbenen Pneumonie

Als einfacher Score mit guter Prädiktion des Letalitätsrisikos hat sich der CRB-65-Index (Tab. 2) etabliert. Er wird über die unkomplizierte Bestimmung von drei klinischen und einem anamnestischen Parameter gebildet und ist auch ambulant gut anwendbar. Der Score wird berechnet durch die Addition eines Punktes für das Vorliegen jeweils eines der in der Tabelle 2 aufgelisteten Kriterien. Der CRB-65-Index wurde in zahlreichen Studien und mehreren aktuellen Metaanalysen validiert und zeigt eine gute Abschätzung der zu erwartenden Letalität.

Therapie der ambulant erworbenen Pneumonie

Initiale antimikrobielle Therapie

Patienten unter 65 Jahren mit leichter Pneumonie ohne Comorbidität sollen als initiale Therapie der Wahl eine Monotherapie mit einem Makrolid erhalten.
Patienten mit leichter Pneumonie und definierten Comorbiditäten sollen eine initiale Therapie mit einem Aminopenicillin/Betalaktamaseinhibitor-Präparat erhalten. Alternativ kann bei Penicillinallergie oder -Unverträglichkeit ein Fluorochinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) eingesetzt werden. Bei schwerer COPD und/oder Bronchiektasien kann eine Therapie mit Amoxicillin/Ciprofloxacin oder Levofloxacin gegeben werden.
Patienten mit mittelschwerer Pneumonie sollen als initiale antimikrobielle Therapie eine Aminopenicillin oder ein Cephalosporin der Klasse 2 oder 3a, und ein Makrolid erhalten. Werden bei klinischer Stabilisierung keine atypischen bakteriellen Erreger nachgewiesen, soll die begonnene Makrolidtherapie nach 3 Tagen beendet werden. Alternativ kann bei Patienten mit moderater ambulant erworbener Pneumonie eine Therapie mit einem Fluorochinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) erfolgen.
Bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerer Pneumonie sollte in den ersten Tagen die Verabreichung der antimikrobiellen Therapie parenteral erfolgen.
Patienten mit schwerer Pneumonie sollen initial eine intravenöse Kombinationstherapie aus einem ß-Laktam mit breitem Spektrum (Piperacillin/Tazobactam, Cefotaxim oder Ceftriaxon) und einem Makrolid erhalten. Bei klinischer Stabilisierung und fehlendem Nachweis eines atypischen bakteriellen Erregers soll die Makrolidtherapie nach 3 Tagen beendet werden. Die Monotherapie mit einem Fluorochinolon (Moxifloxacin, Levofloxacin) ist eine mögliche Alternative, dies gilt jedoch nur für Patienten ohne septischen Schock.
In der Situation einer Influenza-Pandemie oder einer hohen Aktivität einer saisonalen Influenza kann die frühzeitige Gabe von Oseltamivir (Neuraminidase-Hemmer) insbesondere bei hospitalisierten Patienten mit mittelschwerer bzw. schwerer Pneumonie zusätzlich zur antibakteriellen Therapie erfolgen. Bleibt der Influenza-PCR-Nachweis negativ, soll Oseltamivir beendet werden.

Biomarker gesteuerte Therapie

Die Steuerung der Therapiedauer mittels Biomarker (PCT) wurde in mehreren Studien untersucht, meist zusammen mit der Bestimmung der Indikation zur antimikrobiellen Therapie über Biomarker. Voraussetzung für eine solche Strategie ist, dass PCT im Verlauf in einem Protokoll sequentiell bestimmt wird und eindeutige Stopp-Empfehlungen entlang bestimmter Schwellenwerte definiert sind. In allen Studien stand dem Kliniker zudem ein «overruling» offen, d.h. das Übergehen der Stopp-Empfehlungen entsprechend seinem klinischen Urteil.
Alle Studien konnten zeigen, dass eine PCT-gesteuerte antimikrobielle Therapie eine Verkürzung der Therapiedauer erzielen konnte (12), und zwar sowohl bei hospitalisierten Patienten als auch bei Patienten auf Intensivstation, ohne und mit schwerer Sepsis. Ein Unterschied hinsichtlich Therapieversagen bzw. in der Letalität bestand dabei nicht. Dieses Ergebnis wurde in einer Metaanalyse bestätigt, speziell auch bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie (13, 14).

Verlaufsuntersuchungen

Labor

Die Bestimmung eines Entzündungsparameters (CRP oder PCT) soll im Serum bei Aufnahme und im Verlauf nach 3-4 Tagen durchgeführt werden. Bei Therapieansprechen fallen die Entzündungswerte im Verlauf ab (7). Bei fehlendem Abfall des CRP (< 25-50% des Ausgangswertes) oder des PCT sollte ein Therapieversagen in Betracht gezogen werden (8). Entzündungsparameter sind jedoch immer unter Berücksichtigung des klinischen Bildes und Zustandes des Patienten zu interpretieren. Bei Zeichen einer Organdysfunktion sollte eine Überprüfung der Organfunktion im Verlauf durchgeführt werden, meist durch Kontrolle der Laborchemie
(z.B. Retentionsparameter, Transaminasen bzw. Cholostaseparameter, Laktat, BNP, Troponin, Elektrolyte).

Sonographie der Pleura

Bei hospitalisierten Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie mit einem Pleuraerguss sollte eine sonographische Verlaufskontrolle erfolgen, um die Entwicklung eines komplizierten Ergusses bzw. eines Pleuraempyems zu erkennen. Besteht ein solcher Verdacht, sollte eine diagnostische Pleuraerguss-Punktion erfolgen.

Radiologischer Verlauf

Eine Röntgen Thoraxaufnahme zur Kontrolle ist bei adäquatem klinischem Ansprechen auf die Therapie nicht routinemässig indiziert. Bei Vorliegen von Risikofaktoren für eine Tumorerkrankung, aktiven und ehemaligen Rauchern, älteren Patienten (> 65 Jahre) bzw. Patienten mit schweren Begleiterkrankungen sollte eine Computer-Tomographie zum Ausschluss eines Tumors bzw. von nicht-infektiösen Lungeninfiltraten durchgeführt werden. Insbesondere bei älteren Patienten mit Raucher-Anamnese besteht ein erhöhtes Risiko für ein Lungenkarzinom, welches entweder eine Pneumonie imitieren oder aber eine poststenotische Pneumonie verursachen kann. Bei Patienten ≥ 65 Jahre findet sich im Verlauf von im Mittel weniger als einem Jahr eine Inzidenz von 9,2% eines neu diagnostizierten pulmonalen Malignoms, davon nur 27% innerhalb von 90 Tagen nach Entlassung (9). Die Normalisierung des Röntgen-Thoraxbildes kann Wochen bis Monate dauern. Daher sollte ein Kontroll-Röntgen-Thorax bei klinischem Ansprechen im Verlauf frühestens 2 Wochen nach Ende der Antibiotika-Therapie durchgeführt werden.

Dr. med. Jürg Barandun

LungenZentrum Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Der Autor hat in Zusammenhang mit dem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert

  • Die ambulant erworbene Pneumonie hat, v.a. bei Senioren über
    65 Jahren und mit Polymorbidität, eine beträchtliche Letalität
  • Die Untersuchungen und die Therapie leiten sich nach Alter, AZ,
    klinischen Parametern, Co-Morbidität und dem erwarteten Erreger-Spektrum
  • Der CRB-65-Index erlaubt eine Risiko-Abschätzung und hilft in der Entscheidung, ob ambulante oder stationäre Therapie
  • Wichtig ist das Abklären der Differentialdiagnosen und ein frühzeitiges Erkennen von möglichen Pneumonie-Komplikationen

1. Di Yacovo S, Garcia-Vidal C, Viasus D et al. Clinical features, etiology and outcomes of community acquired pneumonia in patients with diabetes mellitus.
2. Bauer TT, Ewing S, Marre R et al. CRB-65 predicts death from community acquired pneumonia. J Internal Med. 2006; 260:93-101
3. Ewing S.Beuer T, Richter K et al. Prediction of in-hospital death from community-acquired pneumonia by varying CRB-age groups
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5. Metlay JP, Schulz R, Li YH et al. Influence of age on symptoms of presentation in patients with community acquired pneumonia. Arch Intern Med. 1997; 157 : 1453-59
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9. Mortensen EM, Copeland LA, Pugh MJ et al. Diagnosis of pulmonary malignancy after hospitalization for pneumonia. Am J Med.2010; 123: 66-71
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11. Welte T, Torres A, Nathwani D. Clinical and economic burden of community-acquired pneumonia among adults in Europe. Thorax 2012; 67: 71-79
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13. Schnetz P, Müller B, Christ-Crain M et al. Procalcitonin to initiate or discontinue antibiotics in acute respiratory tract infections. Cochrane Database Syst Rev. 2012; 9: CD 007498
14. Schuetz P, Wirz Y, Sager R, Christ-Caine M, Stolz D, Tamm M et al, Effects of procalcitonin-guided antibiotic treatment on mortality in acute respiratory infections: a patient level meta-analysis, Lancet V18, 2018, 95-107
Weiterführende Literatur beim Verfasser erhältlich

Alternativen zur chirurgischen Therapie

Auch wenn Frühaborte häufig ohne schwere mütterliche Morbidität einhergehen, so verursachen sie schon allein auf Grund ihrer hohen Inzidenz signifikante Kosten und sind Grund für häufige Arztbesuche. Die Behandlungsmöglichkeiten lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien unterteilen: Exspektativ, medikamentös und chirurgisch. Welche davon gewählt wird, sollte – abgesehen von Notfallsituationen – mit der Patientin diskutiert und individuell entschieden werden.

Même si les abortus précoces n’ entraînent souvent aucune morbidité maternelle sévère, ils provoquent quand-même, de par leur incidence élevée, un coût significatif et comptent pour bon nombre de consultations chez le médecin. Les traitements peuvent être classés en trois catégories : expectative, traitement par médicaments, traitement chirurgical. Hormis en cas d’ urgence médicale, le choix devrait être discuté et décidé avec chaque patiente individuellement.

Michelle Obama berichtet in ihren Memoiren von einem Abort und ihrem Umgang damit: «Ich hatte das Gefühl, versagt zu haben, weil ich nicht wusste, wie häufig Fehlgeburten sind. Niemand redet darüber.» Sie und viele andere Frauen möchten darüber reden und den Frühabort in den Fokus unserer Gesellschaft holen. Zu Recht, ist er doch mit 12-24% die häufigste Schwangerschaftskomplikation und damit täglich in unserer klinischen Arbeit präsent (1).
Eine dieses Jahr veröffentlichte Metaanalyse zum Management von Frühaborten, die 46 weltweite Studien (insgesamt 9250 Frauen) umfasste, belegt, dass ein exspektatives Vorgehen die geringsten Chancen für ein vollständiges Ausstossen des Schwangerschaftsgewebes hat, sowie, dass das chirurgische und medikamentöse Vorgehen bei den Erfolgsraten vergleichbar sind. Auch bei den Secondary Outcomes zeigten sich zwischen medikamentösem und chirurgischem Vorgehen keine Unterschiede bzgl. schweren Komplikationen, Bluttransfusion, Infektionen, Nausea, Diarrhoe oder Fieber. Frauen, die sich für ein exspektatives oder medikamentöses Vorgehen entschieden, benötigten mehr Schmerzmittel als nach einer chirurgischen Intervention. Die Behandlungszufriedenheit der Patientinnen war in allen Gruppen vergleichbar (2).
Klare Indikationen für eine primär chirurgische Therapie im Sinne einer Kürettage sind: Wunsch der Patientin, starke vaginale Blutungen, septischer Abort und V.a. Trophoblastenerkrankungen mit der Notwendigkeit einer histologischen Abklärung. Eine chirurgische Therapie kann Auswirkungen auf Folgeschwangerschaften haben: So wird der Zusammenhang zwischen CK-Dilatation bei einer Abortkürettage und einem erhöhten Frühgeburtsrisiko in weiteren Schwangerschaften diskutiert (1), jedoch konnte dies in der MIST-Studie in einem 5-Jahres Follow-up nicht bestätigt werden (3). Das Ashermann-Syndrom ist seit der mehrheitlichen Durchführung von Saugkürettagen zwar deutlich regredient, dennoch ist es auch weiterhin eine schwerwiegende Folge nach Kürettagen am schwangeren Uterus.

Exspektatives Management

Das exspektative Vorgehen wird von immer mehr Frauen gewünscht, um den «natürlichen» Weg zu fördern. Kommt es nach 7-14 Tagen zu keinem Ausstossen des Schwangerschaftsgewebes, sollte gemäss den NICE Guidelines eine medikamentöse oder chirurgische Therapie folgen (4). Studien zeigen beim exspektativen Vorgehen sehr unterschiedliche Erfolgsraten von 29-86%. Diese Bandbreite zeigt, dass Erfolgsraten von vielen Faktoren abhängig sind, vor allem aber, ob es sich bei der Diagnose um eine Missed abortion, Windmole oder einen Abortus incompletus handelt. Im Vergleich zum aktiven Management (chirurgisch oder medikamentös) ist beim abwartenden Vorgehen mit einer höheren Rate an Notfalleingriffen zu rechnen. Es zeigt sich keine erhöhte Infektrate und auch wenn sich die Transfusionsrate für Blutprodukte beim exspektativen Management gegenüber dem Aktiven verdoppelt, so ist diese mit 1.6% immer noch gering (1).

Medikamentöses Management

Misoprostol ist der aktuell am häufigsten verwendete Wirkstoff zur Therapie bei Aborten. In der Schweiz ist Misoprostol in Form von Cytotec nur im Offlabel Use einsetzbar, eine entsprechende Aufklärung der Patientin vorausgesetzt. Bei entzündlichen Darmerkrankungen und schwerwiegendem Asthma darf Misoprostol nicht eingesetzt werden.
Es besteht grundsätzlich kein Konsens über die Dosis und die Administrationsart von Misoprostol. Die NICE Guidelines und die WHO empfehlen eine einmalige Dosis von 800 µg vaginal bei Missed abortion oder Windmole. Bei Abortus incompletus könnte die Dosis auch auf 600 µg reduziert werden. Sollte eine vaginale Einlage nicht möglich oder gewünscht sein, so ist eine buccale Applikation alternativ möglich. Die orale Einnahme des Wirkstoffes hingegen erscheint mit mehr gastrointestinalen Nebenwirkungen verbunden zu sein (5). Der Patientin sollte eine grosszügige Analgesie und antiemetische Therapie abgegeben werden (4). Eine zweite Dosis von 800 µg vaginal kann evaluiert werden, sollte es nach der initialen Dosis nicht zu einem suffizienten Ausstossen der Fruchthöhle gekommen sein. Geringere Dosen, z.B. eine Einmaldosis von 400 µg, führen nur in 13% und selbst bei wiederholten Gaben von 400 µg nur in 50-70% zu einer vollständigen Uterusentleerung (6).

Mifepriston

Mifepristons abortive Wirkung beruht auf der kompetitiven Verdrängung von Progesteron aus Bindungen an den Progesteron-Rezeptoren. Es entfaltet seine Wirkung am besten in der Frühschwangerschaft. Die Effektivität sinkt – anders als bei Misop-rostol – mit zunehmendem Schwangerschaftsalter.
Angaben über die Erfolgsrate einer Kombinationstherapie von Mifepriston und Misoprostol bei Frühaborten variierten in der Literatur bisher stark. Eine randomisierte Studie an 300 Frauen (NEJM 2018) konnte nun jedoch eine signifikant höhere Erfolgsrate (Primary Outcome: Expulsion des Gestationssacks nach 8 Tagen) bei Frauen mit einer Kombinationstherapie (75% bei Misoprostol alleine vs. 89% bei Mifepriston und Misoprostol) zeigen (7).
In der Studie wurde als Kombinationstherapie Mifepriston 200 mg oral und 24 Std. später 800 µg Misoprostol (4 Tabl. à 200 µg als Einmaldosis) vaginal verwendet. Die dabei beschriebenen häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Schüttelfrost, Nausea und Diarrhoe; ohne signifikante Zunahme bei Patientinnen mit einer Kombinationstherapie (7).

Psychologische Aspekte

Aus Microarray-Analysen ist bekannt, dass über 90% der Aborte auf genetische Defekte zurückzuführen sind (8). Dieses Wissen und die damit verbundene Erkenntnis, dass nicht ein mögliches Fehlverhalten die Ursache darstellt, bedeutet für viele Frauen eine emotionale Erleichterung. Gleichzeitig sollte eine Bagatellisierung des Frühaborts vermieden werden, da dies bei Betroffenen als kränkend erlebt wird (9).
Auch wenn die psychische Reaktion individuell stark variiert, so ist für viele Frauen doch ein wichtiger Schritt, dass sie das therapeutische Vorgehen selbst entscheiden können. Gerade der zeitliche Faktor spielt dann eine wichtige Rolle. Für manche ist ein schneller Abschluss der Schwangerschaft im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs in Narkose die bevorzugte Massnahme. Andere sehen im exspektativen oder medikamentösen Vorgehen den Vorteil, dass sie Zeit gewinnen, um sich emotional mit der Situation auseinander zu setzen und Abschied zu nehmen.
Pathologische Trauer nach einem Frühabort kann in Einzelfällen in eine reaktive Depression mit Symptomen wie quälende Schuldgefühle, zwanghaftes Grübeln über die Ursache des Abortes, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen und sozialer Rückzug übergehen. Gemäss Wong et al. (10) weisen Frauen ohne soziale Ressourcen (Partnerschaft, Freunde, Familie) hierfür ein erhöhtes Risiko auf. Auch längerdauernde ungewollte Kinderlosigkeit, habituelle Aborte und psychiatrische Vorerkrankungen gelten als Risikofaktoren und sollten nach der Diagnose eines Aborts gezielt exploriert werden. Konkret kann die Betroffene mit Abschiedsritualen, Informationsmaterial und Kontaktmöglichkeiten für psychologische und spirituelle Nachbetreuung sowie Selbsthilfegruppen unterstützt werden. Ein routinemässig angebotener Nachbespre-chungstermin 6-8 Wochen nach dem Abort sowie eine intensivierte Betreuung in einer Folgeschwangerschaft helfen ferner, psychiatrische Folgeerkrankungen zu vermeiden (9).

Follow-up und Restgewebe

Die Restmaterialdiagnostik mit Hilfe der Transvaginalsonografie stellt häufig eine Herausforderung dar. Die Dicke und Echogenität der intrakavitären Befunde sowie dopplersonografische Untersuchungen könnten die Detektion von Restgewebe verbessern, jedoch nicht sicher ausschliessen. Ein Cut-off-Wert für die Endometriumdicke existiert nicht. Gemäss der Literatur muss davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit für Restgewebe steigt, je breiter die sonografische Endometriumsdicke ist (11). Studien legen einen Wert von 10-13mm fest, ab dem von vorhandenem Restgewebe im Cavum auszugehen ist (12) (13) und eine erneute Therapie empfohlen werden sollte.
Der normale Menstruationszyklus sollte sich 1-2 Monaten nach dem Abort einstellen. Nach Sistieren der vaginalen Blutung kann die sexuelle Aktivität wiederaufgenommen werden. Aus medizinischer Sicht gibt es keine Gründe für ein Zuwarten mit einer nächsten Schwangerschaft. Im Gegenteil, eine breit angelegte schottische Studie zeigte, dass Frauen, die binnen 6 Monaten nach einem Abort wieder schwanger wurden, ein geringeres Risiko für einen zweiten Abort oder Schwangerschaftskomplikationen hatten als jene mit einem längeren Intervall (14).

Dr. med. Franziska M. Winder

Kantonsspital St. Gallen
Frauenklinik
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

franziska.winder@kssg.ch

Prof. Dr. med. René Hornung

Frauenklinik
Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Die Autoren haben keinen Interessenskonflikt in Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Abgesehen von Notsituationen sollte primär der Patientin die Wahl zwischen exspektativem, medikamentösem und chirurgischem Vorgehen bei einem Abort gelassen werden.
  • Bei Missed abortion und Windmole hat die Kombinationstherapie aus Mifepriston 200mg oral, und 24 Std. später 800 µg Misoprostol vaginal mit 89% hohe Erfolgschancen auf eine komplette Uterusentleerung.
  • Einen Cut-off-Wert für die Endometriumdicke bei der Nachkontrolle existiert nicht. Jedoch kann ab einem Wert von 10-13mm von vorhandenem Restgewebe ausgegangen werden, welches eine weitere Therapie rechtfertigt.

Messages à retenir

  • Mis à part les situations d’ urgence, en cas d’ abortus, le choix de la procédure (expectative, médicamenteuse, chirurgicale) devrait ap-partenir en premier lieu à la patiente.
  • En cas d’ oeuf blanc ou de «missed abortion», le traitement médical combiné de mifépristone 200 mg par voie orale, suivi après 24 heures de 800 mcg de misoprostol par voie vaginale, donne, avec 89 %, de grandes chances de succès pour l’ évacuation complète de l’ utérus.
  • Une valeur limite (cut-off) pour l’ épaisseur de l’ endomètre lors du contrôle de suivi n’ existe pas. Mais à partir de 10 à 13 mm, la retention de matériel peut être admise et une thérapie supplémentaire se justifie.

Literatur:
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