Perioperative Antikoagulation

Die natürliche Hämostase befindet sich in einem Gleichgewicht der Wirkung von prokoagulatorischen und antikoagulatorischen Faktoren. Eine Entgleisung endet oft entweder in Blutung oder in Thrombose. Der operative Eingriff ist eine Intervention, welche trotz kontrollierter blutstillender Verhältnisse eine prothrombotische Wirkung induziert. Bestimmende Faktoren dafür sind die Lokalisation des chirurgischen Traumas, die Dauer des Eingriffs, die Lädierung grosser Gefässe.

L’ hémostase naturelle se situe dans un équilibre de facteurs procoagulatoires et anticoagulatoires. Le déraillement se termine souvent par un saignement ou une thrombose. L’ intervention chirurgicale est une intervention qui induit un effet prothrombotique malgré une hémostase contrôlée. Les facteurs décisifs à cet égard sont l’ emplacement du traumatisme chirurgical, la durée de l’ opération et la lésion des gros vaisseaux.

Die postoperative Thromboseneigung wurde bereits in den 70er Jahren erkannt und systematisch mit Heparinen behandelt. Die niedermolekularen Heparine (LMWH) waren Produkte, welche an der Handhabung, Effizienz und Sicherheit dem älteren unfraktionierten Heparin überlegen waren und sich deswegen schnell als indizierte Mittel zur postoperativen Thromboseprophylaxe durchgesetzt haben. Mittlerweile haben die Vielfalt der Operationen, die Verfeinerung der operativen Techniken und die Entwicklung neuer Antikoagulantien die Planung der Thromboseprophylaxe, sowohl für eine bestehende Antikoagulation wie auch für den rein postoperativen Thromboseschutz zur Herausforderung gemacht.

Perioperative Überbrückung einer vorbestehenden Antikoagulation («Bridging»)

Vorhofflimmern und venöse thromboembolische Ereignisse treten mit zunehmendem Lebensalter häufiger auf. Auf Grund der Alterung der Gesellschaft ist es somit wahrscheinlich, dass immer mehr Menschen mit einer längerfristigen Antikoagulation behandelt werden. Wenn bei antikoagulierten Patienten ein invasiver Eingriff ansteht, stellen sich 3 Schlüsselfragen:

  • Wie hoch ist das Risiko für den Patienten, wenn die Antikoagulation nicht unterbrochen wird?
  • Wie hoch ist das Risiko für den Patienten, wenn die Antikoagulation unterbrochen wird?
  • Wie hoch ist die Sicherheit und Wirksamkeit, wenn ein alternatives Antikoagulans zur Überbrückung («Bridging») eingesetzt wird?

Das klassische Konzept der Bridging-Therapie war die Überbrückung einer Antikoagulatin mit einem Vitamin-K Antagonisten (VKA; z.B. Phenprocoumon) mit einem unfraktionierten Heparin mit Dosisanpassung anhand der aktivierten Thromboplastinzeit (aPTT). In den letzten 20 Jahren wurde jedoch das unfraktionierte Heparin (LMWH) ersetzt. Diese können bei normaler Nierenfunktion in therapeutischer Dosierung subkutan und ohne Laborkontrolle in einem ambulanten Setting verabreicht werden und beinhalten zudem ein eindeutig kleineres Risiko für die Entwicklung einer Heparin-induzierten Thrombopenie. Mit der Einführung der noch neueren direkten oralen Antikoagulanzien (DOACs; z.B. Dabigatran, Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) hat sich das Management der perioperativen Antikoagulation nochmals deutlich verändert.

Blutungsrisiko
Nicht jeder operative Eingriff geht mit dem gleich grossen Blutungsrisiko einher. Bei einigen Eingriffen ist das Blutungsrisiko so klein, dass eine orale Antikoagulation gar nicht unterbrochen werden muss. Daher handelt es sich vor allem um kleine zahnärztliche, dermatologische oder ophthalmologische Eingriffe (Tab 1). Bei diesen Eingriffen lassen sich Blutungen in den meisten Fällen auch bei antikoagulierten Patienten mit lokalen Massnahmen bestens beherrschen. Das Blutungsrisiko muss jedoch selbstverständlich für jeden Patienten individuell abgeschätzt werden.

Thromboembolierisiko
Die häufigsten Gründe für eine zeitliche unlimitierte Antikoagulation sind die Schlaganfallprophylaxe beim Vorhofflimmern, die unprovozierte und/oder rezidivierte venöse Thromboembolie und der mechanische Herzklappenersatz. Wird die Antikoagulation mit einem VKA durchgeführt, so ist bei einem präoperativen Absetzen des VKA eine überbrückende Antikoagulation nur bei einem relevanten Thromboembolierisiko notwendig. Dieses Risiko ist sowohl von der Indikation der Antikoagulation als auch vom Patienten selber abhängig. Gemäss den ACCP Guidelines von 2012 werden die Patienten bezüglich ihres jährlichen  Thromboembolierisikos in der 3 Risikokategorien stratifiziert (Tab. 2). Während die Guidelines für Patienten mit einem hohen Risiko grundsätzlich ein Bridging empfehlen, kann bei Patienten mit einem niedrigen Risiko die Antikoagulation in den meisten Fällen ohne Bridging mit einer alternativen Substanz unterbrochen werden. Bei Patienten mit intermediärem Risiko müssen sowohl die Risiken des jeweiligen Eingriffs als auch die individuellen Risiken des Patienten zur Festlegung der Strategie einbezogen werden.

Praktisches Vorgehen bei Marcoumar und anderen VKA
Grundsätzlich ist das periprozedurale Blutungs- und Thromboembolie-Risiko eines invasiven Eingriffs bei allen Patienten mit dauerhafter Antikoagulation höher als bei Patienten ohne Antikoagulation. Diese Tatsache ist unabhängig von den Modalitäten der überbrückenden Antikoagulation und muss mit den Patienten in einem Aufklärungsgespräch besprochen werden. Die publizierten Leitlinien zur Überbrückung einer Antikoagulation beziehen sich meistens auf Warfarin, welches eine deutlich kürzere Halbwertszeit als das Pheprocoumon (Marcoumar®) hat. Beispielsweise wird in den ACCP Guidelines empfohlen, eine VKA-Therapie etwas 5 Tage vor einem invasiven Eingriff mit relevantem Blutungsrisiko zu stoppen und dann falls notwendig auf eine Bridging-Substanz umzusteigen. In der Praxis bewährt es sich jedoch, Phenprocoumon schon mindestens 7 Tage vor einem geplanten Eingriff zu pausieren. Sobald die INR unter 2.0 abgefallen ist, muss in Abhängigkeit des Risikos (Tab. 2) die Bridging-Therpie gestartet werden. Die aktuellen Guidelines sehen UFH und LMWH als gleichwertig an, enthalten jedoch keine genauen Angaben über die zu verwendende LMWH-Dosierung. In der Praxis werden heutzutage vorwiegend LMWH zum Bridging verwendet und es hat sich bewährt, die Dosierung Risiko-adaptiert zu wählen: bei hohem Thromboembolierisiko LMWH in therapeutischer Dosis (200 E/kg Körpergewicht/Tag); bei moderatem Thromboembolierisiko LMWH in (hoch-) prophylaktischer Dosis (100 E/kg Körpergewicht/Tag). Gemäss den ACCP Guidelines soll das UFH 6h vor einem invasiven Eingriff gestoppt werden, die letzte Dosis LMWH soll nicht später als 24h vorher appliziert werden. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass zum Zeitpunkt des Eingriffs keine relevante VKA-Wirkung mehr vorliegt. Dehalb empfiehlt es sich, die INR 24h vor dem Eingriff nochmals zu kontrollieren. Sollte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht unter 1.5 abgefallen sein, kann eine Dosis Vitamin K (z.B. 2-10 mg Konakion® p.o. oder i.v.) appliziert werden, um eine Korrektur bis zum Zeitpunkt des Eingriffs herbeizuführen (INR am Morgen des Eingriffs nochmals messen!). Nach erfolgtem Eingriff soll 48-72h bis zur Wiederaufnahme einer therapeutischen Antikoagulation in jedem Fall erst dann erfolgen, wenn klinisch kein relevanted Blutungsrisiko mehr besteht. Bei Patienten mit hohem Thromboembolierisiko kann postoperativ die Zeit bis zum Einsetzen einer therapeutischen Antokoagulation mit LMWH in prophylaktischer Dosierung überbrückt werden. Sobald postoperativ die Hämostase gesichert ist, darf auch der VKA wieder begonnen werden. DIe Bridging-Substanz sollte so lange gegeben werden, bis ein therapeutischer INR an zwei aufeinander folgenden Tagen dokumentiert ist.

Praktisches Vorgehen bei DOAC
Das perioperative Procedere bei Patienten, die mit einem DOAC antikoaguliert sind, ist auf Grund der relativ kurzen Halbwertszeit dieser Substanz denkbar einfach. In der Regel sollen DOAC 24h vor einem invasiven Eingriff mit Blutungsrisiko gestoppt werden, bei hohem Blutdruckrisiko schon 48h vorher. Sobald nach erfolgtem Eingriff die lokale Hämostase wieder gewährleistet ist, kann dann die Antikoagulation mit dem DOAC wieder aufgenommen werden, oft schon ab dem ersten postoperativen Tag. Bei hohem Blutungsrisiko ist es auch möglich, kurzzeitig prophylaktische Dosen zu verwenden. Bezüglich der Details für die einzelnen Substanzen ist auf www.swissmedicinfo.ch verwiesen. Ein eigentliches Bridging mit LMWH entfällt also bei den DOACs, weil die Pharmakokinetik dieser Medikamentenklassen identisch ist. Gelegentlich kann es aber notwendig sein, postoperativ beispielsweise bei nicht möglicher peroraler Medikamenteneinnahme vorübergehend auf eine parenterale Substanz auszuweichen.

Postoperative Thromboseprophylaxe ohne vorbestehende Antikoagulation

Das Risiko für postoperative Thrombosen wurde in verschiedenen Studien bereits früher vor 15 Jahren abgeschätzt, z.B. bei der totalen Hüft- oder Knieprothese lag die Rate der postoperativen Thrombosen zwischen 25-40%. Die prophylakrische postoperative Behandlung mit LMWH konnte diese Rate auf < 20% reduzieren. Neuere Operationstechniken und Materialien haben aktuell dieses Risiko auf 4-5% reduziert. Dem entsprechend besteht eine Tendenz das postoperative Risiko genauer zu gewichten und die Patienten demnach in Risikogruppen für Thrombosebildung zu stratifizieren. Dafür werden detaillierte Score-Systeme verwendet (z.B. Caprini-Score  oder Rodgers-Score, Tab. 5), welche verschiedene klinische, anamnestische und medikamentöse Parameter, die mit Thrombosen assoziiert sind, festhalten. Die Stratifizierung kategorisiert die Patienten in 4 Stufen (sehr niedrig, niedrig, mittel, hoch). Die geschätzte Thromboserate je nach Stufe wird in Tabelle 4 angegeben. Je nach Risikokategorie wird ebenfalls die Auswahl der Form der Prophylaxe empfohlen, mechanische oder pharmakologische (Tab. 5). Je nach Operationstyp kann diese Empfehlung auch variieren.
In der Literatur sind verschiedene Richtlinien für die Handhabung der perioperativen Thromboseprophylaxe bekannt (Tab. 6). Alle münden in die gleiche Richtung ein, eine Risikostratifizierung z.B. nach Caprini-Score wird präoperativ verlangt, je nach Risikokategorie wird die Art der Prophylaxe ausgewählt. Bei den nicht-orthopädischen Eingriffen mit sehr niedrigem oder niedrigem Thromboserisiko werden konservative oder mechanische Massnahmen empfohlen, für mittleres oder hohes Thromboserisiko ist die pharmakologische Prophylaxe die bessere Auswahl. In der Schweiz sind die Empfehlungen der ACCP 2012 breiter bekannt. Die pharmakologische Prophylaxe wird mit niedermolekularen Heparinen appliziert (Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin), die Dosierung bleibt bei den allermeisten Fällen fixiert auf ca. 75 E/ Kg KG/ Tag als subkutane Gabe einmal pro Tag. Einige Einschränkungen sind hier zu berücksichtigen (kleines Gewicht < 50 Kg, Niereninsuffizienz GFR < 30 ml / min), welche zur Dosisadaptation führen. Die Herstellerangaben der Produkte sind hier zu befolgen.
Je nach Operation und Gewichtung der Blutungskonsequenzen kann diese Dosierung reduziert werden (z.B. ZNS-Operationen initial mit halbierter Dosis der LMWH).

Dauer der Thromboseprophylaxe
Lange sahen die Empfehlungen vor, die Thromboseprophylaxe nur während der Hospitalisation zu verabreichen. Neuere Studien insbesondere bei den orthopädischen Eingriffen empfehlen eine Dauer von 5 Wochen postoperativ, bzw. bei persistierenden Risikofaktoren für Thrombosen (Beinimmobilisation, Bettlägerigkeit) auch länger.

Start der Prophylaxe präoperativ oder postoperativ
Die offizielle Zulassung der LMWH in Europa schreibt vor, dass die erste Gabe der Prophylaxe 12h präoperativ verabreicht werden soll. Die Rationale dafür liegt Jahrzehnte zurück, als man festgestellt hatte, dass die meisten postoperativen Thrombosen bereits intraoperativ initiiert wurden. Mit der präoperativen Gabe wollte man allfällige thrombogene Herde im Gefässnetz Stunden vor der Provokation unterdrücken, sodass intraoperativ keine Thrombusbildung aktiviert wird. Mittlerweile haben Vergleichsstudien aus den USA mit Enoxaparin, wie auch die Vergleichsstudie mit den neuen direkten Antikoagulantien in der orthopädischen Chirurgie gezeigt, dass die präoperative Gabe eines LMWH keine Vorteile bedeutet. Demzufolge erlaubt die Empfehlung der ACCP 2012 die erste Gabe sowohl 12h präoperativ wie 12h postoperativ zu planen. Kürzeres postoperatives Fenster war mit mehr Blutungskomplikationen assoziiert.

Aspirin zur postoperativen Thromboseprophylaxe
Bereits seit den 90er Jahren war es bekannt, dass Aspirin einen Schutz gegen Thrombosen ausüben könnte, allerdings mit einer Effizienz von nur 50-60%. Im Vergleich zu den LMWH war die eindeutig ungenügend und daher war Aspirin nie für diese Indikation empfohlen. Neuere Daten signalisieren hier eine Wende. Eine kürzlich publizierte Vergleichsstudie zwischen Aspirin 100 mg/Tag und Rivaroxaban 10mg/Tag in einer selektionierten Patientenkohorte mit totaler Hüft- oder Knieprothese hat gezeigt, dass Aspirin gleich effizient und sicher war wie Rivaroxaban. Die Europäische Gesellschaft für Anästhesie hat dies bereits in den offiziellen Empfehlungen aufgenommen, allerdings für Patienten mit niedrigem Thromboserisiko oder für Patienten mit hohem Blutungsrisiko (1). Diese Empfehlung kann leider nicht auf Patienten mit nicht-orthopädischen Eingriffen übertragen werden.

Dr. med. Lukas Graf

Zentrum für Labormedizin, Hämostase- und Hämophiliezentrum St. Gallen
Frohbergstrasse 3
9001 St. Gallen

lukas.graf@zlmsg.ch

Prof. Dr. med. Dimitrios Tsakiris

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

  • Ein Bridging der therapeutischen Antikoagulation mit Vitamin K-Antagonisten kann mit einem LMWH je nach Thromboserisiko in therapeutischer (200 E/Kg KG / d) oder subtherapeutischer (100 E / Kg KG / d) Dosierung erfolgen.
  • Ein eigentliches Bridging der DOAC mit LMWH entfällt aufgrund der identischen Pharmakokinetik.
  • Postoperativ sind 2018 niedrigere Thromboserisiken zu beobachten als vor 15 Jahren.
  • Die Risikostratifizierung für Thrombosen (Caprini- o. Rodgers-Score) postoperativ definiert die Art (mechanisch oder pharmakologisch) und die Dauer der Thromboseprophylaxe.
  • Aspirin kann neu bei orthopädischen Eingriffen (Total-Knie- oder Hüftprothese) bei Patienten mit niedrigem Thromboserisiko postoperativ zur Thromboseprophylaxe eingesetzt werden (100 mg/d p.o.)

Messages à retenir

  • Le pontage de l’ anticoagulation thérapeutique avec des antagonistes de la vitamine K peut être effectué avec un LMWH à des doses thérapeutiques (200 E / Kg KG / j) ou sous-thérapeutiques (100 E / Kg KG / j), selon le risque de thrombose.
  • En raison de la pharmacocinétique identique, il n’ est pas nécessaire d’établir un pontage entre le DOAC et le LMWH
  • En postopératoire, le risque de thrombose est plus faible en 2018 qu’ il y a 15 ans.
  • La stratification du risque de thrombose (score Caprini ou Rodgers) post-opératoire définit le type (mécanique ou pharmacologique) et la durée de la prophylaxie thrombotique.
  • L’aspirine peut maintenant être utilisée en postopératoire pour prévenir la thrombose (100 mg / j p.o.) dans les procédures orthopédiques (prothèse totale du genou ou de la hanche) chez les patients présentant un faible risque de thrombose.

Literatur
1. Jenny J-Y, Pabinger I, Samama CM. European guidelines on perioperative venous thromboembolism prophylaxis: Aspirin. Eur J Anaesthesiol. England; 2018 Feb;35(2):123–9.
2. Gould MK, Garcia DA, Wren SM, Karanicolas PJ, Arcelus JI, Heit JA, et al. Prevention of VTE in nonorthopedic surgical patients: Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest. United States; 2012 Feb;141(2 Suppl):e227S–e277S.
3. Caprini JA. Risk assessment as a guide for the prevention of the many faces of venous thromboembolism. Am J Surg. United States; 2010 Jan;199(1 Suppl):S3-10.
4. Falck-Ytter Y, Francis CW, Johanson NA, Curley C, Dahl OE, Schulman S, et al. Prevention of VTE in orthopedic surgery patients: Antithrombotic Therapy and Prevention of Thrombosis, 9th ed: American College of Chest Physicians Evidence-Based Clinical Practice Guidelines. Chest. United States; 2012 Feb;141(2 Suppl):e278S–e325S.
5. Murphy PB, Vogt KN, Lau BD, Aboagye J, Parry NG, Streiff MB, et al. Venous Thromboembolism Prevention in Emergency General Surgery: A Review. JAMA Surg. United States; 2018 May;153(5):479–86.

Die kabellose Revolution

Konventionelle Herzschrittmacher besitzen Elektroden, die über lange Kabel mit dem Schrittmacheraggregat verbunden sind. Diese Kabel stellen die Achillesferse herkömmlicher Systeme dar und können Komplikationen verursachen. Die Implantationsrate von kabellosen Schrittmachern nimmt daher rasch zu. Der folgende Beitrag gibt eine Übersicht über Vor- und Nachteile kabelloser Systeme, Indikationen, Implantationsablauf, Patientennachsorge und mögliche Zukunftsperspektiven.

Les stimulateurs cardiaques conventionnels ont des électrodes qui sont reliées à l’unité du stimulateur cardiaque par de longs câbles. Ces câbles sont le talon d’Achille des systèmes conventionnels et peuvent causer des complications. Le taux d’implantation des stimulateurs cardiaques sans fil augmente donc rapidement. L’article suivant donne un aperçu des avantages et des inconvénients des systèmes sans fil, des indications, de la procédure d’implantation, du suivi des patients et des perspectives d’avenir possibles.

Konventionelle Schrittmacher – sind wir am Ende einer Erfolgsgeschichte?

Bereits wenige Jahre nach der Erstimplantation eines voll implantierbaren Herzschrittmachers 1958 hatte sich die Schrittmachertherapie als Methode der Wahl zur Behandlung bradykarder Rhythmusstörungen etabliert. Technische Neuerungen in den kommenden Jahren verbesserten die therapeutischen Möglichkeiten rasch. Die aufgrund der beschränkten Energiespeicherkapazität initial noch kurze Lebensdauer der Geräte vergrösserte sich mit Lithium-basierter Batteriechemie. Mikroprozessor-basierte elektronische Schaltungen und drahtlose Programmierbarkeit erlaubten patientenspezifische Optimierungen. Beschleunigungssensoren und andere Sensoren ermöglichten mit der «rate-response» eine physiologischere Stimulation des Herzens. Die Implementierung eines zusätzlichen Kabels im Rahmen der Resynchronisationstherapie gestattete auch die Stimulation des linken Ventrikels in Patienten mit Herzinsuffizienz. Moderne Aggregate verfügen über vielfältigste Funktionen. Automatische Optimierungen von Stimulationsoutput (zum Energiesparen), Herzinsuffizienz- und Schlafapnoemonitoring oder Fernüberwachung der Gerätefunktion zuhause repräsentieren nur einen kleinen Teil der heute verfügbaren Möglichkeiten.
Trotzdem besitzen heutige konventionelle Systeme gewichtige Nachteile. Nebst der endlichen Lebensdauer der Geräte aufgrund limitierter Batteriereserven sind insbesondere die Schrittmacherkabel eine Achillesferse. Die Komplikationsrate nach Schrittmacherimplantation ist erheblich. Bereits zwei Monate nach Implantation erleiden mehr als 10% aller Patienten eine Komplikation, am häufigsten bedingt durch die Schrittmacherkabel (1). Initial handelt es sich oft um Kabeldislokationen, im Laufe der Zeit mehren sich Isolationsdefekte und Kabelbrüche (vgl. auch Fallbeschreibung zu Abb. 2). Es liegt daher auf der Hand, durch Vermeidung von Kabeln und Entwicklung von kabellosen Schrittmachern diese Komplikationen zu umgehen. Der Grundgedanke besteht darin, dass das ganze Schrittmachersystem in den rechten Ventrikel eingeführt wird und somit keine Kabel mehr notwendig sind (Abb. 1).

Kabellose Schrittmacher – die aktuelle Studienlage

Die ersten Patienten, bei denen kabellos der Herzmuskel stimuliert wurde, waren Empfänger eines Gerätes zur kardialen Resynchronisation (CRT). Es handelte sich bei den implantierten Geräten nicht um eigentliche Schrittmacher, sondern lediglich um einen kleinen piezoelektrischen Wandler. Dieser konvertierte im linken Ventrikel einen von aussen zugeführten Ultraschallpuls in einen elektrischen Stimulationspuls (2). Der Ultraschallpulsgenerator wird dabei zusätzlich zum CRT-Generator subkutan implantiert. Im Rahmen der WiSE-CRT-Studie wurde dieses Gerät 13 von 17 Patienten erfolgreich implantiert. Es kam jedoch zu drei Perikard-
ergüssen, einer der betroffenen Patienten verstarb (3). Die Studie wurde daher vorzeitig gestoppt. Auch die später publizierte SELECT-LV-Studie zeigte mit 8.6% eine hohe Anzahl an Akutkomplikationen nach Implantation des Gerätes (4). Der Hersteller des WiSE-CRT®-Systems (EBR Systems) modifizierte daraufhin das Implantat – konklusive Resultate zu diesem Device stehen aus.
Die erste Implantation eines kompletten kabellosen Schrittmachers im Menschen wurde 2012 durchgeführt. 2014 wurden im Rahmen der LEADLESS-Studie Resultate zu 33 Patienten publiziert (5). Sicherheit und Implantationserfolg des ersten kabellosen Schrittmachers (Nanostim®, Abbott) wurden dabei untersucht. In 32 von 33 Patienten war die Implantation erfolgreich, bei einem Patienten kam es zu einer Myokardperforation, an deren Komplikationen der Patient verstarb. In der nachfolgenden multizentrischen LEADLESS II-Studie wurden 526 Patienten nach Nanostim®-Implantation untersucht. Nach sechs Monaten konnten bei 6.7% der Patienten schwerwiegende Komplikationen beobachtet werden (darunter u. a. 1.6% kardiale Perforationen, 1.1% Dislokationen, 1.2% vaskuläre Komplikationen, und 0.8% interventionsbedürftige Reizschwellenerhöhungen) (6). Nach mehreren Todesfällen wurde die weitere Implantation des Gerätes zunächst kurzzeitig gestoppt. Im weiteren Verlauf wurden dann Batterieprobleme mit komplettem Deviceversagen beobachtet, was im Herbst 2016 zu einem weltweiten Implantationsstopp dieser Geräte führte.
LEADLESS I und II hatten gezeigt, dass kabellose Schrittmacher funktionieren und die Implantation einfach möglich ist, das Gerät hatte aber ernsthafte Probleme verursacht. Eine grössere Studie zu einem kabellosen Schrittmacher eines anderen Herstellers wurde 2016 publiziert. Es handelte sich dabei um eine prospektive multizentrische Studie, welche die Sicherheit des Micra TPS® (Medtronic) in 725 Patienten untersuchte (7). Auch dieses Gerät schien einfach implantierbar zu sein und gute Stimulationsparameter zu erzielen. 25 Patienten (3.4%) entwickelten akute Komplikationen (ein Todesfall, 1.6% kardiale Perforationen, keine Dislokationen). Verglichen mit einer historischen Kontrollgruppe mit konventionellen Schrittmachern war die Komplikationsrate der kabellosen Geräte signifikant geringer. Die Resultate dieser Studie konnten im Rahmen einer weltweiten Registerstudie bestätigt werden (8). Das Micra TPS® konnte in 99.6% der Patienten erfolgreich implantiert werden. Im ersten Monat nach Implantation wurden in 1.51% der Patienten ernste Komplikationen beschrieben (darunter 0.13% Perforationen, 0.13% Dislokationen). Die Rate an schwerwiegenden Komplikationen lag damit tendenziell sogar leicht tiefer als in den initialen Studien zum Micra TPS®. Dieser kabellose Schrittmacher ist derzeit als einziger frei erhältlich und in Europa zugelassen. Weltweit haben mittlerweile gegen 20 000 Patienten diesen Schrittmacher erhalten. Einen Überblick über die technischen Spezifikationen des Micra TPS® und Nanostim® liefert (Tab. 1).

 

Kabellose Schrittmacher – Implantationsablauf und Besonderheiten in der Nachsorge

Im Gegensatz zu konventionellen Schrittmachern werden kabellose Aggregate ganz in den rechten Ventrikel eingeführt. Dazu wird in Lokalanästhesie (ggf. Sedation) die V. femoralis punktiert, nach einer kleinen Hautinzision der Zugangsweg schrittweise aufgedehnt und schliesslich eine 27-F-Schleuse (Aussendurchmesser) in der Vene platziert. Dadurch wird anschliessend unter Durchleuchtung das ganze Schrittmachersystem mittels eines steuerbaren Katheters via V. cava inferior in die rechte Herzkammer eingeführt (Abb. 2A und 2B). Nach präferenziell septaler Platzierung – allenfalls unter Zuhilfenahme von Kontrastmittel zur RV-Ventrikulografie (Abb. 2C) – wird der Schrittmacher durch ein Fixationssystem (Haken oder Schraubmechanismus) am Myokard fixiert. Die mechanische Fixierung wird mittels sanftem Zug überprüft. Nach Kontrolle der üblichen Stimulationsparameter kann der immer noch am Katheter fixierte Schrittmacher definitiv freigelassen oder umplatziert werden (Abb. 2D). Die femoral eingeführte Schleuse wird schliesslich entfernt und die Hautinzision mit einer Z-Naht verschlossen.
Nach Implantation kann der Patient auf einer intermediate care unit oder einer Normalstation mit geschultem Personal weiter überwacht werden. Einer ambulanten Implantation stehen wir sehr zurückhaltend gegenüber, da es auch Stunden später noch zu einer lebensbedrohlichen Perikardtamponade kommen kann. Einige Stunden nach Implantation kann der Patient mobilisiert werden. Üblicherweise führen wir am Folgetag eine Optimierung der Frequenzadaptierung durch Anpassung des Beschleunigungssensor-Vektors durch. Auch die Z-Naht kann meist bereits entfernt und durch einen Verband ersetzt werden. Auf das Heben schwerer Lasten und Benetzen der Wunde sollte in den Folgetagen verzichtet werden, ansonsten sind keine spezifischen Vorsichtsmassnahmen er-forderlich. Wie üblich erfolgt nach Einheilung des Schrittmachers nach ca.
2 Monaten die erste ambulante Kontrolle, die später in jährlichem Abstand wiederholt wird. Patienten mit kabellosem Schrittmacher lassen sich nach Abheilung der inguinalen Punktionsstelle nicht mehr klinisch identifizieren. Das Gerät kann im Thoraxröntgenbild jedoch noch ausgemacht werden (Abb. 2d). Sämtliche bislang in den Menschen implantierbaren Schrittmacher sind bedingt MRI-kompatibel. Sie müssen aber wie konventionelle Schrittmacher vor und nach der Bildgebung umprogrammiert werden. Auch ist ein MRI erst 6 Wochen nach Implantation zulässig.

Kabellose Schrittmacher – für welchen Patienten?

Bei welchen Patienten sollte nun – bei bestehender Schrittmacherindikation – die Implantation eines kabellosen Schrittmachers erwogen werden? Die 2013 publizierten Guidelines der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie machen noch keine Aussagen dazu (9). Werden sie sinngemäss angewendet, stellen kabellose Schrittmacher in erster Linie eine Option dar bei Patienten mit AV-Block und Vorhofflimmern. Gemäss einer multinationalen Umfrage ist dies nebst venösen Zugangsproblemen (z.B. Verschluss der Vv. subcaviae, Dialysekatheter) und Komplikationen nach konventioneller Schrittmachereinlage tatsächlich die häufigste Implantationsindikation (10). Eine mechanische Trikuspidalklappe, ein V. cava-Filter und morbide Adipositas mit einem erwarteten Abstand des Gerätes zum Programmierkopf > 12.5 cm stellen Kontraindikationen zur Implantation dar.

Kabellose Herzschrittmacher – Limitationen und Zukunftsperspektiven

Bei den derzeitig verfügbaren kabellosen Schrittmachern handelt es sich nur um 1-Kammerschrittmacher zur Implantation in den rechten Ventrikel. Die Indikationen zur Implantation solcher Systeme sind limitiert (9), die überwiegende Zahl der heute implantierten konventionellen Schrittmacher sind 2-Kammerschrittmacher oder Resynchronisationsgeräte. Entsprechend werden grosse Anstrengungen unternommen, kabellose Geräte mit VDDR- oder DDDR-Modi zu entwickeln. Diese Programmiermodi erlauben die Detektion der Vorhofaktion und eine entsprechend darauf abgestimmte Schrittmacherstimulation des Ventrikels. Im DDDR-Modus würde sogar eine Vorhofstimulation ermöglicht. Zur Entwicklung genannter Modi werden verschiedene Ansätze verfolgt. Eine Wahrnehmung der aktiven mechanischen Vorhofaktion (A-Welle) scheint theoretisch mit einem Beschleunigungssensor des im rechten Ventrikel sitzenden kabellosen Geräts möglich. Dieser Ansatz wurde im Rahmen der MASS- und MARVEL-Studien untersucht. Es zeigt sich, dass das Konzept grundsätzlich funktioniert, sich damit aber derzeit während lediglich 87% aller Herzschläge eine gewisse VDD-Stimulation erzielen lässt (11). Sollte zusätzlich auch eine Vorhofstimulation gewünscht sein, müsste auch dort noch ein Gerät implantiert werden. Aufgrund der teilweise äusserst geringen Wanddicke des rechen Vorhofs stellt die sichere und komplikationsarme Verankerung eines Gerätes ebendort eine grosse Herausforderung dar. Schliesslich müssten zwei (oder sogar mehrere) kabellose Geräte im Herzen drahtlos miteinander kommunizieren können. Konventionelle Radiofrequenz-Telemetrie scheint dazu aufgrund des relativ hohen Energieverbrauchs nicht geeignet. Eine mögliche Alternative stellt die «intra-body-communication» dar, die die elektrische Leitfähigkeit von Gewebe und Blut nutzt. Dabei werden kurzzeitige hochfrequente Wechselstromimpulse an Myokard und Blut abgegeben, was eine sehr energiesparende, schnelle und bidirektionale Kommunikation erlaubt (12). Kürzlich konnten in Tierversuchen mit dieser Technologie erstmals erfolgreich kabellose Zweikammerschrittmacher implantiert werden.

Dr. med. Dr. phil. Andreas Häberlin

Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital
3010 Bern
Universität Bern

andres.haeberlin@artorg.unibe.ch

MScLukas Bereuter

Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital
3010 Bern

Prof. Dr. med. Hildegard Tanner

Leitende Ärztin Rhythmologie und Elektrophysiologie
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital
Freiburgstrasse
3010 Bern

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel.

  • Kabellose Schrittmacher stellen bei Patienten mit Schrittmacher-Indikation eine potentielle Alternative zu herkömmlichen Systemen dar.
  • Die kabelbedingten Komplikationen konventioneller Schrittmacher können durch diese Geräte vermieden werden. Es besteht schwache Evidenz, dass die Overall-Komplikationsrate kabelloser Geräte geringer als diejenige konventioneller Systeme sein könnte.
  • Speziell geeignet zur Implantation eines kabellosen Schrittmachers scheinen Patienten mit venösen Zugangsproblemen oder AV-Block mit Vorhofflimmern.
  • Kabellose 2-Kammerschrittmacher sind derzeit noch nicht kommerziell erhältlich, hierzu müssen zunächst technische Herausforderungen bewältigt werden (z.B. energiesparende Kommunikation, Verankerung eines Gerätes im rechten Vorhof).

Messages à retenir

  • Les stimulateurs cardiaques sans fil sont une alternative potentielle aux systèmes conventionnels pour les patients ayant des indications de stimulateur cardiaque.
  • Les complications liées aux câbles des stimulateurs cardiaques conventionnels peuvent être évitées grâce à ces dispositifs. Il y a peu de preuves que le taux de complication global des dispositifs sans fil pourrait être inférieur à celui des systèmes conventionnels.
  • Les patients présentant des problèmes d’accès veineux ou un bloc AV avec fibrillation auriculaire semblent particulièrement appropriés à l’implantation d’un stimulateur cardiaque sans fil.
  • Les stimulateurs cardiaques sans fil à 2 chambres ne sont pas encore disponibles dans le commerce, pour cela, il faut d’abord maîtriser les défis techniques (p. ex. communication économe en énergie, ancrage d’un appareil dans l’oreillette droite)

Literatur
1. Udo, E.O., et al., Incidence and predictors of short- and long-term complications in pacemaker therapy: the FOLLOWPACE study. Heart Rhythm, 2012. 9(5): p. 728-35.
2. Auricchio, A., et al., First-in-man implantation of leadless ultrasound-based cardiac stimulation pacing system: novel endocardial left ventricular resynchronization therapy in heart failure patients. Europace, 2013. 15(8): p. 1191-7.
3. Auricchio, A., et al., Feasibility, safety, and short-term outcome of leadless ultrasound-based endocardial left ventricular resynchronization in heart failure patients: results of the wireless stimulation endocardially for CRT (WiSE-CRT) study. Europace, 2014. 16(5): p. 681-8.
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7. Reynolds, D., et al., A Leadless Intracardiac Transcatheter Pacing System. N Engl J Med, 2016. 374(6): p. 533-41.
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9. Brignole, M., et al., 2013 ESC Guidelines on cardiac pacing and cardiac resynchronization therapy: the Task Force on cardiac pacing and resynchronization therapy of the European Society of Cardiology (ESC). Developed in collaboration with the European Heart Rhythm Association (EHRA). Eur Heart J, 2013. 34(29): p. 2281-329.
10. Boveda, S., et al., Use of leadless pacemakers in Europe: results of the European Heart Rhythm Association survey. Europace, 2018. 20(3): p. 555-559.
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12. Bereuter L., et al., Leadless dual-chamber pacing – a novel communication
method for wireless pacemaker synchronization. JACC Basic to Translational
Science, accepted.

Intrakardiale Raumforderung: differentialdiagnostische Überlegungen aufgrund der Lokalisation und Morphologie

Fallpräsentation

Eine 85-jährige Patientin klagt seit zwei Monaten über Müdigkeit, einen ungewollten Gewichtsverlust sowie eine unter Belastung auftretende Nausea. Ebenfalls berichtet sie über einen belastungsunabhängigen Druck im Epigastrium. Klinisch präsentiert sie sich in gutem Allgemeinzustand, kardiopulmonal kompensiert, mit hypertensiven Blutdruckwerten. Laborchemisch finden sich leich erhöhte Entzündungszeichen sowie eine erhöhte Lactatdehydrogenase (LDH 440 IU/L, Norm <214 IU/L). Bei ebenfalls deutlich erhöhtem proBNP (2393pg/ml, Norm <300pg/ml) wird eine kardiologische Abklärung veranlasst.  In der transthorakalen Echokardiographie zeigt sich im rechten Vorhof eine 4.8×3.2 cm grosse, inhomogene Raumforderung (Abb. 1 und 2), welche in der subcostalen Darstellung bis in die V. cava inferior hineinragt und sich zur Leber hin nicht abgrenzen lässt (Abb. 3). Es kann weder eine Adhärenz zum Vorhofseptum, noch zur lateralen Vorhofwand dargestellt werden. Computertomographisch zeigt sich ein max. 7cm langer Tumor, welcher sich von der Leber bis zum rechten Vorhof und bis in die Vena cava inferior erstreckt (Abb. 4). Es finden sich keine weiteren Malignom-suspekten Läsionen.
Welche Differentialdiagnosen muss man bei intrakardialen Tumoren bedenken?

Kommentar

Intrakardiale Tumoren sind grundsätzlich eine Rarität (1). Über 75% der primären kardialen Tumoren sind benigner Natur, wobei es sich in der Mehrzahl der Fälle um Vorhofmyxome handelt. Diese finden sich typischerweise im linken Vorhof, gehen vom interatrialen Septum aus und weisen gehäuft einen Stiel auf. Seltener sind Myxome auch im rechten Vorhof zu finden (nur ca. 10% aller Myxome) und haften auch dort typischerweise dem Septum an (2). Bei den malignen primären kardialen Tumoren handelt es sich meistens um Sarkome (ca. 75% aller malignen primären kardialen Tumoren), welche charakteristischerweise ein schnelles und invasives Wachstum aufweisen. Diese Tumoren können in allen Herhöhlen zu finden sein, haben aber gehäuft ihren Ursprung im rechten Vorhof (insbesondere Angiosarkome) (3). Kardiale Metastasen sind wesentlich häufiger als primäre maligne kardiale Tumoren. Klassische solide Tumoren, welch ins Herz metastasieren sind das Nierenzell- und das Bronchuskarzinom (4). Ein Tumor, welcher per continuitatem von einem angrenzenden Organ, im vorliegenden Fall der Leber, ins Herz einwächst, ist selten.
Aufgrund der Mophologie des sich uns präsentierenden soliden Tumors, welcher echokardiographisch bis in die Vena cava inferior zu verfolgen war und keine klare Begrenzung zur Leber zeigte, sind wir von einem malignen Prozess ausgegangen. Bei fehlenden anderweitigen Malignom-suspekten Läsionen in der Computertomographie des Thorax und des Abdomens war eome Metastase unwahrscheinlich. Histologisch wurde letztlich ein hepatisches Leiomyosarkom diagnostiziert.
Die Echokardiographie erlaubt, wie im vorliegenden Fall, nicht nur eine Aussage hinsichtlich der Präsenz eines intrakardialen Tumors. Die echokardiographische Beurteilung seiner Morphologie und seines Bezuges zu den Herzhöhlen sowie den dem Herzen angrenzenden Strukturen in mehreren Schnittebenen ist auch für differentialdiagnostische Überlegungen sehr hilfreich.

pract. med. Daniela Babic

Klinik für Kardiologie
Stadtspital Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

Daniela.Babic@usz.ch

PD Dr. med. Alain M. Bernheim

Stadtspital Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

Alain.Bernheim@triemli.stzh.ch

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel.

Literatur:
1. Reynen K. Frequency of primary tumors of the heart. Am J Cardiol 1996;77:107
2. Pucci A, Gagliardotto P, Zanini C, Pansini S, di Summa M, Mollo F. Histopathologic and clinical characterization of cardiac myxoma: review of 53 cases from a single institution. Am Heart J 2000;140:134-8.
3. Burke AP, Cowan D, Virmani R. Primary sarcomas of the heart. Cancer 1992;69:387-95.
4. Silvestri F, Bussani R, Pavletic N, Mannone T. Metastases of the heart and pericardium. G Ital Cardiol 1997;27:1252-5.

Prevention Summit 2018, Teil 2

Am 14. Juni fand der Prevention Summit unter der Organisation des «Zurich Heart House» im Careum statt. Das Ziel des ausserordentlich gut besuchten Symposiums war es, einen aktuellen Überblick über wirkungsvolle präventive Massnahmen in der Kardiologie – mit einem speziellen Fokus auf die Lipide – zu verschaffen. Dabei wurden die Themen Lipidstoffwechsel und Behandlungsrichtlinien, Lipidmanagement und neue Therapien, sowie Neues in der kardiovaskulären Prävention behandelt. Der folgende Bericht stellt eine Auswahl der entsprechenden Themen dar.

PCSK9 Inhibitoren: ODYSSEY Outcomes-Studie und klinische Evidenz

Die pharmakologische Senkung von LDL-Cholesterin senkt das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, wie in zahlreichen Studien vor allem mit Statinen gezeigt wurde. Diese Studien dauerten gewöhnlich nur ca. 5 Jahre. Die lebenslange Senkung oder Erhöhung durch genetische Mutationen verstärken diese Wirkung aber um ein Mehrfaches, wie Prof. Dr. med. François Mach, Genf, erklärte. Der Referent zeigte zunächst die Resultate von «Loss of Function»-Mutationen im PCSK9 Gen auf LDL-Cholesterin, welches um 16% gesenkt wird, was sich in einer 60%-igen Senkung des Myokardinfarktrisikos äussert. Das Prinzip der Inhibition von PCSK9 wurde von der Industrie aufgenommen und innerhalb von 10 Jahren konnten 2 Medikamente auf der Basis von monoklonalen Antikörpern gegen PCSK9 entwickelt werden (Alirocumab von Sanofi-Aventis und Evolocumab von Amgen). Prof. Mach erinnerte an die im letzten Jahr veröffentlichte FOURIER-Studie mit Evolocumab, eine Studie mit mehr als 27 000 Patienten, die randomisiert mit der höchsten verträglichen Statindosis mit oder ohne Zusatz von Evolocumab behandelt wurden. Nach 36 Monaten Behandlungsdauer wurde der primäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen instabiler Angina oder koronare Revaskularisierung) in der Evolocumabgruppe um relative 15% gesenkt (absolute Risikosenkung 2%). Der sekundäre Endpunkt (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall) wurde um 20% gesenkt. 1400 Patienten erreichten LDL-Werte unterhalb 0.4mmol/l. Diese Patienten hatten sogar eine grössere Risikosenkung (LDL-C ≥ 2.6 mmol / l: HR 0.69, LDL <0.26 mmol / l: HR 0.59). Die Sicherheit unterschied sich unter den 2 Patientengruppen nicht. Der Referent zeigte zusätzlich Daten zur kognitiven Funktion mit Statinen und mit Evolocumab. In beiden Fällen zeigte sich kein Unterschied zur Placebogruppe. Prof. Mach erinnerte auch an die SPIRE-Studie mit Bococizumab, einem humanisierten, nicht vollhumanen Antikörper. In SPIRE 1 mit LDL-C-Ausgangswerten > 70 mg / dl wurde kein Unterschied im primären Endpunkt beobachtet, in PIRE-2 bei Ausgangswerten > 100mg / dl eine 21%- ige Reduktion. Die Behandlung mit Bococizumab ging aber mit dem Auftreten von Anti-Medikamenten-Antikörpern einher, die zu einer Einschränkung der LDL-Senkung führten.
In diesem Jahr erfolgte die Präsentation der ODYSSEY Outome-Studie mit Alirocumab, die bislang noch nicht publiziert ist. In ODYSSEY Outcome wurden Patienten mit kürzlich erlittenem ACS mit 75 mg oder 150 mg Alirocumab behandelt, wobei Zielwerte zwischen 25-50 mg / dl angestrebt wurden. Werte unter 15 mg / dl wurden auftitriert auf mindestens 25 mg/dl. Alirocumab reduzierte den primären Endpunkt MACE ebenfalls relativ um 15% wie in FOURIER gezeigt. Alirocumab senkte auch die Gesamtmortalität signifikant, weil aber die kardiovaskuläre Mortalität nicht signifikant gesenkt wurde, kann das Resultat aus statistischen Gründen nicht als signifikant gelten. Wichtig ist, dass auch in dieser Studie trotz der sehr tiefen LDL-Cholesterinwerte keine Sicherheitssignale beobachtet wurden. Abschliessend stellte der Referent die Studie PACMAN, eine Studie in verschiedenen Schweizer Zentren mit Prof. Lorenz Räber als Studienleiter vor, die die Plaqueveränderung mit OCT, IVUS und NIRS bei Behandlung mit Alirocumab on Top von Rosuvastatin untersucht und die Studie EVOPACS ebenfalls in verschiedenen Schweizer Zentren mit Evolocumab, die die frühe Reduktion von LDL-C bei Patienten mit Akutem Koronarsyndrom (Injektion von Evolocumab bereits im Katheterlabor) vor. Die zukünftige lipidsenkende Strategie zur Senkung kardiovaskulärer Ereignisse umfasst 3 Konzeptänderungen:
1. Nutze Kombinationstherapie (Statin + Ezetimibe + PCSK9 m Ab induziert LDL-C Senkung und reduziert kardiovaskuläre Ereignisse)
2. Beginne früh (weniger LDL-Exposition wirkt präventiv auf die Bildung von Läsionen)
3. Behandle (viel) aggressiver (vom wünschenswerten LDL-Ziel zur LDL-C Eliminierung)
Abschliessend erinnerte der Referent an die Limitatio des BAG für die Anwendung der PCSK9 Inhibitoren: Patienten mit klinischem ASCVD (KHK, symptomatische PAVK, ischämischer Schlaganfall) unter max. tolerierter Statintherapie + Ezetimibe, wenn LDL - C > 3.6 mmol / l oder bei zusätzlichen Risiko-Anzeichen 2.6 mmol / l. Bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in der Primärprävention wird ein Wert > 4.5 mmol / l ohne Indizien für zusätzliches Risiko, bei zusätzlichen Risikofaktoren ein Wert > 3.6 mmol / l als Indikation für einen PCSK9 Hemmer vorausgesetzt.

Einsatz der PCSK9-Hemmer: Haltung des BAG

Die diskrepante Haltung zwischen Swissmedic, die sagt für welche Patienten bei Behandlung mit PCSK9 Hemmern ein Nutzen dokumentiert ist und dem BAG, welches beurteilt für welche Patienten die Kassen heute zahlen, war Gegenstand der Ausführungen von Prof. Dr. med. Christian Müller, Basel. Der Referent stellte Patientenbeispiele vor, bei denen die Krankenkasse nach Antrag die Kosten vergütete bzw. ablehnte. Die Ablehnung erfolgte beispielsweise weil die Dosierung von Atorvastatin nur 40 mg statt der Maximaldosis von 80 mg (schlecht ertragen wegen Muskelproblemen) entsprach oder weil das LDL-Cholesterin 3.44 mmol / l statt der geforderten 3.5 mmol / l betrug.

Wie läuft es normalerweise?
Der medizinische Nutzen einer Therapie wird durch eine Zulassungsstudie (Phase III) bewiesen und die Therapie durch Swissmedic zugelassen. Die Kostenübernahme durch BAG (Krankenkasse) erfolgt. Die Patienten profitieren von einer optimalen Versorgung, die Ärzte haben Behandlungsfreiheit und keinen administrativen Zusatzaufwand. Die Pharmaindustrie hat Planungssicherheit.

Was ist schief gelaufen?
Swissmedic hat die Behandlung mit PCSK9 Hemmern für Patienten mit KHK / PAVK, die trotz optimaler Therapie nicht auf Zielwert (< 1.8 mmol / l) sind, angenommen. Das BAG verlangt zusätzlich einen Antrag, zudem dürfen nur Kardiologen, Angiologen, Endokrinologen und Nephrologen das Medikament verordnen. Eine weitere Einschränkung ist, dass die Medikamente erst nach optimaler Therapie (> 3 Monate mit der maximal verträglichen Dosierung von 2 verschiedenen Statinen) und einem LDL-C > 3.5 mmol / l bzw. 2.6 mmol / l bei 2 klinischen Ereignissen während der vergangenen 5 Jahre, vergütet werden. Das Ziel ist die Mengen/Kostenbeschränkung. Diese Limitatio kommt einem bedeutsamen Eingriff in die Behandlungsfreiheit gleich. Sie bedeutet eine Diskrepanz zwischen «was ist medizinisch sinnvoll» und «was zahlt die Kasse». In der Schweiz ist dies sehr selten, es kommt aber häufig in weniger gut finanzierten Gesundheitssystemen vor (z.B. NOAKs in Osteuropa).

Wie kam es dazu?
2014 - 2016 gab es einen wahrhaftigen Hype: Sehr hohe Erwartungen an klinische Wirksamkeit (In einer Publikation im NEJM wird die CV-Mortalität um 50% gesenkt), grosses Gewinnpotential für Pharmaindustrie. PCSK9-Inhibitoren sind sehr teuer (> 7000.- CHF pro Jahr). Die FOURIER-Studie hat dagegen «nur» 15-20%-ige Morbiditäts- und keine Mortalitätsreduktion gezeigt. Die Daten von ODYSSEY Outcomes zeigten ebenfalls «nur 15% Morbiditätssenkung» (sie standen bei der Beschlussfassung des BAG noch nicht zur Verfügung). Wie viel ist dieser Behandlungseffekt wert? Die BAG hat sich in seiner Limitatio an eine Konsensuspublikation Europäischer Experten gehalten. Diese Publikation erfolgte allerdings bevor die Phase-III-Outcome-Studien erschienen und wurde entsprechend konservativ gehalten.

Wie kann es weitergehen?
1. Neubewertung: Wir müssen zunächst, dort wo diese Behandlung indiziert ist, sie auch anwenden. Derzeit wird nur ein Bruchteil der Patienten, die für die Behandlung mit einem PCSK9 Hemmer qualifizieren, damit behandelt. Wie viel ist dieser Behandlungseffekt wert?
2. Der Preis für die PCSK9 Inhibitoren muss gesenkt werden. Wahrscheinlich wir die Diskrepanz zwischen Swissmedic und BAG bleiben: KHK/PAVK > 2.6 mmol / l trotz optimaler Therapie
3. Falls der für die PCSK9-Inhibitoren substanziell gesenkt wird, ist eine Übereinstimmung
BAG = Swissmedic denkbar: KHK/PAVK > 1.8 mmol / l trotz optimaler Therapie.
Der Referent ist diesbezüglich optimistisch, weil weitere Medikamente in Studien untersucht werden, wie die langwirksame inhibierende RNA, die einmal in 6 Monaten appliziert werden muss und über diese Zeit eine über 50%-ige LDL-C Senkung bewirkt. Diese Konkurrenzsituation wird zu einer Preissenkung der heutigen PCSK9-Inhibitoren führen.

RNA-Interferenz zur Cholesterinsenkung: Die Zukunft der Pharmakotherapie?

Nachdem wir gehört haben, wie man PCSK9, ein offenbar schädliches Protein im Hinblick auf kardiovaskuläre Erkrankungen, effizient inhibieren kann, soll eine andere wirksame Therapieform, die auch für andere Krankheiten potenziell wichtig werden könnte, besprochen werden, so Prof. Dr. med. Ulf Landmesser, Berlin. Lange hat man geglaubt, dass es nur eine interessante Form von RNA gibt, die Messenger-RNA. Nun hat man aber in den letzten Jahren festgestellt, dass es ganz viele sogenannter nicht-kodierender RNAs gibt, die eine entscheidende regulatorische Funktion im Körper haben. Die RNAs, die man auch als Therapie entwickelt hat, sind die sogenannten SiRNAs, interference RNAs, die mit sehr kleinen Mengen ein Protein praktisch ausschalten können, so der Referent. Um diese RNAs in den Körper zu bringen muss man sie so verändern, dass sie nicht gleich von den RNAs abgebaut werden können. Man muss zudem das RNA Molekül derart verändern, dass keine Immunreaktion stattfindet. Ferner muss die RNA in die Zelle kommen. Der entsprechende Mechanismus erfolgt über Rezeptoren die präferentiell ein Protein, das sich GalNac nennt erkennen. Entsprechend wurde GalNac an die RNA gekoppelt. Dadurch wird das Konjugat RNA-GalNac spezifisch anerkannt und in die Leberzelle aufgenommen. Der Referent wandte sich nun dem ORION-Programm zu, einem Programm, das zum Ziel die Blockierung der PCSK9-Synthese hat, das bislang am weitesten in der Medizin fortgeschritten ist. Das entsprechende Molekül umfasst ein 23 Basenpaare langes Stück, welches ein kleines GalNac Molekül vorne dran hat, welches die Aufnahme in die Leberzelle ermöglicht. Dieses RNA-Molekül bindet dann in der Zelle an einen sogenannten RISC Komplex (RNA –induced silencing complex), der die mRNA degradiert, sodass das PCSK9 Protein nicht mehr entstehen kann. Das kleine modifizierte RNA-GalNac Molekül bleibt immer aktiv, was die lange Wirkungsdauer dieser Therapie erklärt und sie entsprechend attraktiv macht. Prof. Landmesser zeigte erste Phase-I-Studien mit dem PCSK9-siRNA Inclisiran. Mit einer Injektion von Inclisiran konnte der LDL-Spiegel am 180. Tag um 35.5–52.6 % gesenkt werden. In einer Phase-II-Studie wurde die Wirkung von 2 Startdosen von Inclisiran 300 mg untersucht. Dabei zeigte sich nach 270 Tagen eine LDL-Senkung von 40%, die mittlere Senkung über 6 Monate betrug 51%. Inclisiran wird nun im ORION Programm in insgesamt 12 Studien an verschiedenen Populationen weiter untersucht.

Antisense Therapien
Eine weitere interessante und zukunftsträchtige Therapie sind die Antisense Oligonukleotide. Der Referent erinnert zunächst an die verschiedenen Lipid-Biomarker, die Genetik und die koronare Herzkrankheit. Beim LDL-Cholesterin wurde gezeigt, dass die Blockierung der HMG CoA Reduktase, die Blockierung des NPC1L1 Rezeptors und die Inhibition der PCSK9 Synthese das LDL-Cholesterin senken, dass genetische Mutationen im HMG CoA Reduktase Gen, im NPC1L1 Gen und im PCSK9 Gen mit niedrigerem koronarem Risiko einhergehen und dass in klinischen Studien durch
LDL-Senkung das koronare Risiko ebenfalls gesenkt werden konnte. Bei Lp(a) weiss man, dass es ein kardiovaskulärer Risikofaktor ist, klinische Studien zur Senkung von Lp(a) gibt es derzeit allerdings noch keine.
Bei den Triglyzerid-reichen Proteinen sind es Apo CIII und ANPTL3 / 4, die mit erhöhtem koronarem Risiko verbunden sind. HDL  hat in genetischen Studien keinen Einfluss auf das Risiko für koronare Erkrankung gezeigt. Studien mit entsprechenden Antisense Olionukleotiden haben Senkungen von Apo B um 30% (Mipomersen), der Triglyzeride (Apo CIII) um fast 80% (Volanesorsen), von ANGPTL3 um 60% und von Lp(a) um 90% gezeigt. Der klinische Nutzen dieser Medikamente wurde aber in Studien noch nicht bewiesen.

Antikoagulation als Prävention: Bedeutung von COMPASS für die Praxis

Orale Antikoagulation in der Sekundärprävention? Früher wurde die arterielle Seite mit Aspirin, mit Plättchenhemmern behandelt und die andere Seite, im Niederdrucksystem, auf der venösen Seite, musste antikoaguliert werden. Dies geht bis in den linken Vorhof, wo die Antikoagulation bei Vorhofflimmern eingesetzt wird. Dieses Konzept soll nun geändert werden, stellte Prof. Dr. med. Michael Kühne, Basel, fest. Aus den verschiedenen Studien und Metaanalysen zum Vorhofflimmern wissen wir, dass wir die Schlaganfallrate um ca. 60% im Vergleich zu Placebo und um ca. 40% im Vergleich zu Aspirin senken können. Heute erfolgt die Standardtherapie der Antikoagulation mit NOAKs. Dies aufgrund der Megatrials mit Rivaroxaban, Dabigatran und Apixaban. Dabei sind 3 Punkte für den Referenten wichtig: einmal haben wir eine bessere Wirkung. Sie ist nicht massiv aber relevant besser. Wir haben aber vor allem eine deutlich bessere Sicherheit. Das dritte geht in Richtung Gesamtbenefit: Wir haben auch eine Reduktion der Gesamtmortalität. Frühe Erfahrungen mit Stents haben gezeigt, dass Aspirin zur Prävention der Stentthrombosen nicht genügt. Die zusätzliche Antikoagulation zeigte, dass damit auch im arteriellen Bereich eine positive Wirkung erzielt wird. In den 90iger Jahren kam das Konzept der dualen Plättchenhemmung mit Aspirin und Ticlopidin. Ticlopidin wurde etwas später durch Clopidogrel ersetzt. Clopidogrel ergab eine deutliche Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse gegenüber Aspirin allein. Danach kamen die besseren Plättchenhemmer, beginnend mit Prasugrel und fast gleichzeitig Ticagrelor, welche gegenüber Aspirin deutlich weniger kardiovaskuläre Ereignisse zeigten. Prasugrel hatte gewisse Blutungskomplikationen, weshalb es heute nicht mehr so häufig eingesetzt wird. Die zusätzliche Gabe von NOAKs beim akuten Koronarsyndrom ergab aber in der APPRAISE-Studie mit Apixaban, welches zusätzlich zu Clopidogrel und Aspirin gegeben (oder nicht gegeben) wurde, keinen Unterschied bezüglich Wirksamkeit, aber massiv mehr Blutungen. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen. Der zweite Versuch wurde mit Rivaroxaban in tiefer Dosierung (5 mg) oder sehr tiefer Dosierung (2.5 mg), allerdings 2 x täglich in der ATLAS ACS 2 - TIMI 51-Studie unternommen. Die Rivaroxaban-Gruppe hatte ein tieferes kardiovaskuläres Risiko, vergleichbar mit den früheren Daten der Plättchenhemmer. Die Antikoagulation «später» nach Infarkt ergab ein signifikant längeres ereignisloses Überleben unter Warfarin plus Aspirin vs. Warfarin allein, wobei Warfarin allein besser war als Aspirin allein. Es gab massiv mehr Blutungen, aber der INR Zielwert lag zwischen 2.8 und 4.2 und man weiss, dass Blutungen ab INR 3. 4 exponentiell zunehmen. Die Studie hat aber gezeigt, dass grundsätzlich auch im arteriellen System die Prävention mit Antikoagulation funktioniert. Dies führte zur Anwendung von Rixaroxaban 2. 5 mg bid + Aspirin 100 mg od vs. Rivaroxaban 5 mg bid vs. Aspirin 100 mg od in der COMPASS Studie bei stabiler KHK bzw. PAVK. Die Studie wurde wegen der überlegenen Wirksamkeit von Rivaroxaban + Aspirin gegenüber den beiden anderen Armen vorzeitig abgebrochen. Der Effekt war dabei vor allem auf Schlaganfall. Es wurden in dieser Studie etwas mehr Blutungen in der Kombinationsgruppe aber auch in der Warfaringruppe gegenüber Aspirin beobachtet. Der Ort der Blutungen war vor allem gastrointestinal. Der netto klinische Benefit dieser Kombinationstherapie bei stabiler KHK ist indessen eine relative Risikoreduktion des Komposit-Endpunkts kardiovaskulärer Tod, Schlaganfall, tödliche Blutung oder symptomatische Blutungen in kritische Organe beträgt 20% (p < 0.001). Das Risiko für Gesamtmortalität wurde um 18% gesenkt (p 0.01). Die Autoren hatten aber eine präspezifizierte Signifikanz von 0.025 gefordert.
Bei der PAVK-Subgruppe wurden die Major Adverse Limb Events um 37% gesenkt (p 0.005). Die Amputationen wurden ebenfalls signifikant um 54% gesenkt (p 0.01). Dies ist das einzige Medikament, welches zur Reduktion von Amputationen geführt hat, so der Referent. NOAKs für alle? Beim kryptogenen Schlaganfall ergab die Therapie mit Rivaroxaban keinen Nutzen, aber mehr Blutungen. Auf entsprechende Daten mit andern NOAKs darf man gespannt sein. Der Referent schloss mit der Feststellung, dass das Konzept der Sekundärprophylaxe mit NOAK bei KHK und PAVK funktioniert («dual pathway inhibition»), die Dosis in der Schweiz aber bis jetzt noch nicht erhältlich ist, dass die Patientenselektion wichtig ist und dass diese Therapie eine Konkurrenz zur DAPT darstellt. Therapiedauer und Umsetzung in die Praxis sind noch nicht gelöst.

Ischämie-Prävention nach ACS: DAPT für wen und wie lange?

Pathophysiologisch ist der auslösende Faktor eines Myokardinfarkts die Freisetzung von Tissue Factor durch eine oberflächliche Endothelverletzung. Dies führt zu 2 Mechanismen, einerseits zu einer Fibrinaktivierung also eine Aktivierung des Thrombinmechanismus und andrerseits der Aktivierung der Plättchen und diese beiden Mechanismen verstärken sich gegenseitig und führen dann zur Bildung des Thrombus, hielt Prof. Dr. med. Stephan Windecker, Bern, fest. Die Hemmung der Blutplättchenaggregation kann klassischerweise durch Aspirin geschehen, welches zu einer milden Aggregation führt oder durch die neueren P2Y12 Inhibitoren Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor. Zwischen diesen Medikamenten bestehen wichtige Unterschiede im Wirkmechanismus. Clopidogrel braucht typischerweise 4-6 Stunden bis es seine volle therapeutische Wirkung entfaltet, während Prasugrel und Ticagrelor wesentlich schneller anfluten. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die Irreversibilität bei Prasugrel und Clopidogrel, während Ticagrelor reversibel ist. Die Geschichte der dualen Plättchenhemmung (DAPT) umfasst mittlerweile 2 Jahrzehnte, ihr Einsatz ist in Leitlinien festgelegt. In verschiedenen kleineren Studien hat sich gezeigt, dass diese Medikamente in der Risikosenkung für einen Mykoardinfarkt gegenüber dem damaligen Stand der dualen Antikoagulation und gegenüber der Monotherapie mit Aspirin effizienter sind.

Antiaggregation
Gemäss den Guidelines gibt es 2 Medikamente, die man diesbezüglich einsetzen kann, einerseits Ticagrelor zusätzlich zu Aspirin unabhängig von der initialen Behandlungsstrategie (I/B), andererseits Prasugrel. In diesem Fall sollte der Patient formal nicht mit einem P2Y12-Hemmer vorbehandelt sein (I / B). Sowohl Prasugrel als auch Ticagrelor sind mit einem erhöhten Blutungsrisiko vergesellschaftet. Wenn man aber die Number Needed to Treat (NNT) der Number Needed to Harm (NNH) gegenüberstellt ergibt sich für Prasugrel vs. Clopidogrel eine NNT von 46, für Ticagrelor eine NNT von 53 gegenüber einer NNH von 167 für Prasugrel und 167 für Ticagrelor und damit ein eindeutiger Benefit für beide Madikamente.
Die generelle Dauer der DAPT nach einem ACS wurde ebenfalls in den Guidelines (2017) festgelegt.
Bei Patienten, die wegen einem ACS mit einer Stentimplantation behandelt wurden, ist eine DAPT mit einem P2Y12 Inhibitor zusätzlich zu Aspirin während 12 Monaten empfohlen ausser bei Kontraindikationen wie einem exzessiven Blutungsrisiko (z.B.
PRECIS-DAPT ≥ 25) (I/A). Dies gilt auch für Patienten, die einer aortokoronaren Bypassoperation unterzogen werden (I/C). Auch die Patienten, die konservativ behandelt werden, sollten eine DAPT während 12 Monaten erhalten. Der Wechsel von Clopidogrel auf Ticagrelor wird von den Guidelines ganz klar befürwortet, es sei denn es besteht eine Blutungskomplikation (I/B). Die Vorbehandlung beim NSTE-ACS mit Ticagrelor oder Clopidogrel ist ein kontroverses Thema, weil die entsprechenden Studien fehlen. Prasugrel wird aufgrund der ACCOAST-Studie nicht empfohlen. In dieser Studie wurde kein Unterschied in Bezug auf das kardiovaskuläre Risiko gesehen, aber das Blutungsrisiko war erhöht unter Prasugrel. Bei geplanter konservativer Behandlung wird Ticagrelor präferentiell empfohlen sobald die Diagnose bestätigt ist und keine Kontraindikationen vorhanden sind.
Nach einem Jahr Behandlung mit DAPT stellt sich die Frage nach der Fortführung oder Einstellen der Therapie. Eine Verlängerung ist bei hohem ischämischem Risiko angezeigt, eine Verkürzung der Therapiedauer dagegen bei hohem Blutungsrisiko, bei aktiver Blutung und bei nicht-kardialer Chirurgie. Wichtig ist die Beurteilung nach der Stentimplantation aber dann auch nach der Therapiedauer von einem Jahr. Jedes Mal sollte man sich die Frage stellen, welches Risiko überwiegt, das Blutungs- oder das Ischämierisiko? Eine Metaanalyse zeigt, dass man etwa 8 Myokardinfarkte vermeidet, aber etwa 6 schwere Blutungen produziert. Auch im PEGASUS-Trial mit Ticagrelor 90 mg und 60 mg halten sich Wirksamkeit und Blutungsrisiko die Waage. Dabei gilt es die Schwere der Blutung zu beachten. Bei geringfügigen Blutungen überwiegt der prognostische Einfluss des Myokardinfarkts (HR 5.35 vs. 1.70), wogegen bei schweren Blutungen der prognostische Einfluss des Myokardinfarkts und der schweren Blutung sehr ähnlich sind (HR 5.36 vs. 5.73).
Die Charakteristika von Patienten mit hohem Blutungsrisiko sind fortgeschrittenes Alter, Behandlung mit oraler Antikoagulation oder NOAK, früheres Bluten, Anämie und andere hämatologische Störungen, Gerinnungsstörungen, chronische Steroid- oder NSAID Behandlung und Niereninsuffizienz. Das sind etwa 40-50% der Alltagspatienten.
Die Verwendung von Risikoscores zur Evaluation von Nutzen und Risiko von DAPT unterschiedlicher Dauer sollte gemäss Guidelines in Betracht gezogen werden (IIb / A). Der Referent betonte nochmals, dass man das ischämische Risiko zweimal festlegen sollte: einmal zum Zeitpunkt der Präsentation und dann nach 12 Monaten. Der erste Score ist der PRECIS-DAPT-Score. Er beinhaltet Hb, WBC, Alter, CrCl und vorheriges Bluten. Der Score-Range umfasst eine Spanne von 0-100 Punkten. Über 25 überwiegt das Blutungsrisiko. Sie haben keinen Nutzen von einer ischämischen Protektion durch eine verlängerte Therapie und werden die Dauer verkürzen auf 6 Monate oder vielleicht sogar auf 3 Monate. Der zweite Score, der nach einem Jahr bestimmt werden sollte ist der DAPT-Score. Er beinhaltet das Alter, das Zigarettenrauchen, Diabetes mellitus, MI bei Präsentation, vorherige PCI oder vorheriger MI, Paclitaxel Drug eluting Stent, Stent Diameter < 3 mm, CHF oder LVEF <30%, Venentransplantat-Stent. Ein niedriger DAPT Score (< 2 bedeutet dass Sie einen Schaden anrichten, wenn Sie die Therapie über 1 Jahr fortsetzen, ein hoher DAPT Score (≥ 2) bedeutet entsprechend einen Nutzen bei Fortführen der DAPT Therapie über ein Jahr hinaus. Dieses Verfahren ist auch in die Guidelines eingeflossen. Man untersucht bei Patienten mit ACS das Blutungsrisiko. Wenn dieses nicht erhöht ist, gibt man die DAPT während eines Jahres. Umgekehrt wenn es erhöht ist, gibt man sie nur während 6 Monaten.
Zum Abschluss präsentierte der Referent eine Patientin mit ACS und gleichzeitig Vorhofflimmern mit CHA2DS2-VASc Score von 5 Punkten. Wie soll bei dieser Patientin mit der Antikoagulation verfahren werden? Bei einer Triple-Therapie ist das Blutungsrisiko besorgniserregend, stellte der Referent fest. In der PIONEER AF-PCI-Studie wurden 3 Gruppen einander gegenübergestellt: Rivaroxaban + P2Y12, Rivaroaxabn + DAPT und VKA + DAPT. Primärer Endpunkt waren schwere und geringfügige Blutungen und solche die eine medizinische Betreuung erforderten. Sekundärer Endpunkt waren kardiovaskulärer Tod, MI und Schlaganfall. Die Gruppe mit der Zweiertherapie schnitt bezüglich Blutungen erwartungsgemäss besser ab als die Gruppe mit der Dreiertherapie. Bezüglich der Effizienz also bezüglich ischämischer Ereignisse ergab sich aber erfreulicherweise kein Unterschied. Allerdings ist dies nicht konklusiv, weil es eine Blutungsstudie war. Eine ähnliche Studie wurde auch mit Dabigatran durchgeführt. Dabei wurde in einem Arm auch die niedrige Dabigatrandosis verwendet. Auch hier waren die Blutungen mit der Triple-Therapie häufiger als mit der DAPT. Bezüglich Effizienz zeigte sich ebenfalls kein Unterschied. Allerdings wiesen die Patienten in der Gruppe mit der niedrigen Dabigatrandosierung eine Hazard Ratio von 1.3! auf. Die Leitlinien sagen in dieser relativ unklaren Situation, dass man je nach Blutungsrisiko die Wahl einer sehr kurzen Triple Therapie von einem Monat hat, gefolgt von einer Zweiertherapie für die restlichen 11 Monate, gefolgt von einer Antikoagulation. Es gibt aber auch die Möglichkeit von Clopidogrel kombiniert mit einem NOAK für die Dauer von 12 Monaten. In einem Jahr werden wir die Daten von AUGUSTUS haben und dieses Schema möglicherweise adaptieren müssen, so der Referent.

Schlüsselpunkte sind:
DAPT nach ACS

  • Generell Aspirin + Ticagrelor oder Aspirin + Prasugrel während 12 Monaten unabhängig von konservativem Management, PCI oder CABG.
  • Kürzere (6 Monate) Dauer in Fällen mit hohem Blutungsrisiko (PRECISE-DAPT ≥ 25 Punkte).
  • Längere DAPT Dauer (30 Monate) bei DAPT Score ≥ 2 in Fällen mit hohem ischämischem und niedrigem Blutungsrisiko:
    Aspirin + reduzierte Dosis Ticagrelor (2 x 60 mg / d).
    Bei Patienten mit Vorhofflimmern, die eine Stentimplantation haben oder ein Koronarsyndrom
  • Dauer der Triple-Therapie abhängig vom Ischämie- vs. Blutungsrisiko: möglichst kurz halten, 1-12 Monate
  • Nach 12 Monaten: orale Antikoagulation allein
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Cannabis médical : indications gériatriques ?

Le cannabidiol (CBD) est de plus en plus consommé en Suisse mais son effet est peu connu, en particulier dans la population âgée. Cet article vise à déterminer le rationnel, l’ efficacité et les potentiels effets secondaires du cannabis médical dans la population âgée. Une revue de la littérature pour l’ usage du CBD dans les troubles du sommeil a été réalisée. L’ évidence actuelle, reposant sur peu d’ études, est encore trop faible pour encourager la prescription de cannabis médical en gériatrie.

Même si la génération des « baby-boomers », souvent sensibilisée de longue date aux produits dérivés du chanvre, a atteint l’ âge de la retraite, l’ utilisation du cannabis médical (CM) chez le sujet âgé peut paraître incongrue et être restée taboue. Une étude hollandaise randomisée contre placebo (N = 24) a toutefois franchi le Rubicon et testé du delta-9-tétrahydrocannabinol (THC) faiblement dosé pour lutter contre les troubles du comportement chez le patient dément : aucun effet n’ a été constaté en dépit d’ une bonne tolérance (1). Cependant, il est avéré que, chez la souris, le THC améliore les capacités cognitives et a un effet protecteur in vitro sur les plaques amyloïdes (2).
Une synthèse récente sur ce sujet dans le Journal de la Société américaine de gériatrie par Briscoe et Casarett révèle les faibles évidences scientifiques de l’ effet de ces substances sur l’ humain (3). En Suisse, il semble que le Cannabidiol (CBD) soit consommé par l’  adulte âgé dans différentes indications, telle que les troubles du sommeil, l’ anxiété et les douleurs chroniques. Cet article vise à déterminer le rationnel, l’ efficacité et les potentiels effets secondaires du CM dans la population âgée.

Introduction

La plante de cannabis contient plus de 100 cannabinoïdes. La majorité des effets est toutefois attribuée au THC pour les propriétés psychoactives. Le CBD, quant à lui, aurait de multiples propriétés, à la fois sédatives, anxiolytiques, antiémétiques, antidystoniques et anti-inflammatoires, sans effet psychotrope néfaste.
Depuis 2017, le CBD a été autorisé en Suisse (4). Dès lors, les points de vente se sont multipliés. Les produits, présentés parfois comme thérapeutiques, doivent contenir moins de 1% de THC. On les trouve sous différentes formes : feuilles ou poudre de chanvre à haute teneur en CBD, extraits sous forme d’ huiles ou de pâtes, ainsi que produits prêts à l’ emploi tels que gélules, compléments alimentaires, liquides pour cigarettes électroniques, succédanés de tabac, huiles parfumées, chewing-gums et pommades. Le marché du CBD étant encore mal régulé, les dosages restent incertains. Le CBD n’ est en effet pas un principe actif autorisé pour les préparations magistrales.

Propriétés pharmacologiques

Le CBD a une mauvaise biodisponibilité de l’ ordre de 10%. Son absorption est lente et erratique. Il est lié aux protéines plasmatiques, il est lipophile et sa demi vie est de 25-36h. Il est métabolisé par le CYP 3A4 (5).
A priori ses caractéristiques pharmacocinétiques sont donc défavorables en gériatrie en raison d’ une augmentation du stockage dans le tissu adipeux et d’ un risque élevé d’ interactions médicamenteuses.
Au niveau pharmacodynamique, il existe deux types de récepteurs : le CB1 (effet marijuana), présent dans tous le SNC et modulant les neurotransmetteurs, et le CB2, retrouvé principalement sur les cellules immunitaires. Le THC lie les 2 récepteurs avec la même affinité, alors que le CBD semble agir en augmentant l’ activité de l’ anandamide, un cannabinoïde endogène.

Indications générales du cannabis médical

La revue de Briscoe et Casarett concernant les évidences scientifiques pour la prescription du CM sont pauvres (3). Il y aurait ainsi une certaine évidence (some evidence) pour améliorer l’ insomnie dans le syndrome d’ apnée du sommeil (cf. infra) et dans la fibromyalgie (id.), dans le traitement des douleurs chroniques principalement neurogènes. Il existe une indication au niveau limité de preuve (limited evidence) pour le syndrome de stress post-traumatique et l’ anxiété sociale avec une étude montrant une diminution de l’ anxiété à la suite d’ une exposition anxiogène (présentation devant public) à la suite d’ un traitement de CBD (400 mg). Il n’ y a en revanche pas d’ évidence dans la Sclérose latérale amyotrophique, la maladie de Huntington ou de Parkinson.

Indications reconnues

En Suisse, le Sativex®, une combinaison équidosée de THC et de CBD (2.5 mg), est disponible depuis 2014 pour le traitement des douleurs chroniques à titre « compassionnel » et pour la lutte contre la spasticité en lien avec la sclérose en plaque, en cas de non réponse aux autres traitements médicamenteux (5).
Aux États-Unis, le Dronabinol (THC synthétique) est disponible pour les nausées secondaires aux chimiothérapies et en cas de cachexie lors d’ atteinte sidéenne. Le Nabilone (cannabinoïde synthétique proche du THC) est, quant à lui, utilisé pour les nausées après chimiothérapies (3).

Cannabis médical et troubles du sommeil

Nous avons réalisé une revue de la littérature relative à l’ utilisation du CM et en particulier du CBD dans les troubles du sommeil. Il s’ agit en effet d’ une problématique fréquente en gériatrie et les traitements pharmacologiques traditionnels sont grevés d’ effets secondaires majeurs. Il se trouve que le cannabis est utilisé de longue date pour induire le sommeil, le système endocannabinoïde (complexe) intervenant dans le sommeil et dans le rythme veille-sommeil (6).
Une étude brésilienne de 1981 chez le volontaire sain avec insomnie a montré une augmentation de la durée du sommeil et une diminution des réveils précoces après prise de CBD (160 mg) (7). Ces résultats n’ ont pas été répliqués en 2018 sur 26 sujets sains sans insomnie, avec contrôle par polysomnographie (CBD 300 mg 2h avant le sommeil) : absence d’ effet sur le sommeil et son architecture, mais bonne tolérance et absence d’ effets résiduels cognitifs (8).
Une revue narrative a conclu que le CM pourrait avoir un effet plutôt indirect sur le sommeil, qui se traduirait par la diminution de la douleur. Ceci est illustré notamment par une étude (N = 29) avec le Nabilone (proche du THC) dans la fibromyalgie qui s’ est avérée positive (9).
Malgré cela, les études (N = 37) montrent des résultats variables et de nombreux biais (10).
Une revue plus récente de 2017 conclu que le CM peut améliorer l’ endormissement et agir sur l’ architecture du sommeil en augmentant la phase N3 (slow wave sleep) mais à court terme, avec une habituation et des effets rebonds (11).
Indications potentielles en gériatrie
Deux études semblent prometteuses. Un rapport de cas de 4 patients avec maladie de Parkinson a montré une diminution des troubles du sommeil REM avec le CBD (75 ou 300 mg) (12). Une autre étude de 73 patients (âge moyen 54) atteints de syndrome obstructif du sommeil, traités par Dronabinol, a montré une diminution du nombre d’ apnées, une amélioration subjective du sommeil ainsi qu’ une diminution du score d’ Epworth (13).
Toutefois, il n’ existe à ce jour pas d’ étude spécifiquement gériatrique chez des patients polymorbides de plus de 65 ans, même si la tolérance du CM dans cette population semble bonne (14).
Finalement, beaucoup d’ études sont en cours dans des domaines variés. Pour le CBD par exemple, qui semble être une nouvelle panacée, pas moins de 150 études sont enregistrées sur le site ClinicalTrials.gov.

Conclusion

Le CBD ne peut pas être recommandé actuellement, en raison de l’ absence de preuve de son effet et de la paucité des données sur sa toxicité. Le Sativex® (THC et CBD) peut être utilisé en Suisse dans la douleur et en seconde intention dans la spasticité.
Ces molécules « naturelles » sont potentiellement grevées de moins d’ effets secondaires, et pourraient trouver leur place dans l’ arsenal thérapeutique du gériatre comme sédatifs/hypnotiques ou antalgiques. L’ évidence actuelle – reposant sur peu d’ études scientifiques – est encore trop faible pour encourager la prescription de CM en gériatrie.

Dr Lucien Weiss

Service de gériatrie
Avenue de la fusion 27
1920 Martigny

lucien.weiss@hopitalvs.ch

Dr Martial Coutaz M.D.

Service de gériatrie
Avenue de la fusion 27
1920 Martigny

martial.coutaz@hopitalvs.ch

Les auteurs n’ ont aucun conflit d’ intérêt en relation avec cet article.

  • Les principaux effets du cannabis sont médiés par le THC et le CBD qui n’ a pas d’ effet psychoactif.
  • Le système cannabinoïde agit à large échelle dans le corps humain, il est complexe et peu compris mais devrait intéresser le médecin généraliste du fait de la commercialisation récente du CBD sous diverses formes.
  • Les seules indications actuelles du cannabis médical en Suisse sont la douleur en cas d’ échec de tous les autres traitements et pour la spasticité en cas de SEP.
  • Le CBD ne peut pas être recommandé actuellement dans les troubles du sommeil chez le sujet âgé du fait de l’ absence prouvée d’ efficacité.

Références :
1. Van den Elsen GA et al. Tetrahydrocannabinol for neuropsychiatric symptoms in dementia: A randomized controlled trial. Neurology 2015;84:2338-46
2. Nau JY. Du cannabis contre les altérations cognitives du vieillissement? Rev Med Suisse 2018;14:546-7
3. Briscoe J, Casarett D. Medical Marijuana Use in Older Adults. J Am Geriatr Soc 2018;66:859-63
4. Confédération suisse : 27.2.2017 : Produits contenant du Cannabidiol (CBD). Vue d’ ensemble et aide à l’ exécution. https://www.swissmedic.ch
5. Ing Lorenzini K, Broers B. Cannabinoïdes médicaux dans les douleurs chroniques : aspects pharmacologiques. Rev Med Suisse 2015;11:1390-4
6. Prospéro-Garcia O et al. Endocannabinoids and sleep. Neurosci Biobehav Rev 2016;71:671-9
7. Carlini EA. Cunha JM. Hypnotic and antiepileptic effects of cannabidiol. J Clin Pharmacol 1981;21:417-27
8. Linares IMP et al. No Acute Effects of Cannabidiol on the Sleep-Wake Cycle of Healthy Subjects: A Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled, Crossover Study. Front Pharmacol 2018;9:315
9. Ware MA, Fitzcharles MA. The effects of nabilone on sleep in fibromyalgia: results of a randomized controlled trial. Anesth Analg 2010;110:604-10
10. Gates PJ et al. The effects of cannabinoid administration on sleep: a systematic review of human studies. Sleep Med Rev 2014;18:477-87
11. Babson KA et al. Cannabis, Cannabinoids, and sleep: a Review of the Literature. Curr Psychiatry Rep 2017;19:23
12. Chagas MH, Eckeli AL. Cannabidiol can improve complex sleep-related behaviours associated with rapid eye movement sleep disorder in Parkinson’ s disease patients: a case series. J Clin Pharm Ther 2014;39:564-6
13. Carley DW et al. Pharmacotherapy of Apnea by Cannabimimetic Enhancement, the PACE Clinical Trial: Effects of Dronabinol in Obstructive Sleep Apnea. Sleep 2018;41
14. MacCallum CA, Russo EB. Practical considerations in medical cannabis administration and dosing. Eur J Intern Med 2018;49:12-9

Douleurs abdominales chroniques

La clarification et la prise en charge des patients souffrant de douleurs abdominales chroniques imposent des exigences élevées à toutes les personnes impliquées, tant au cabinet médical que dans la clinique externe gastro-entérologique. Cet article propose une approche sensée et discute des aspects actuels.

Les douleurs abdominales chroniques se situent dans le champ de tension entre les maladies organiques et fonctionnelles. En effet, la probabilité de la présence de maladies fonctionnelles augmente avec la durée de la maladie, mais la possibilité de maladies organiques n’  est jamais exclue. Ce fait peut être une cause constante d’ inquiétudes et de demandes d’ éclaircissements, en particulier pour les patients sensibles. Il n’ existe pas de définition établie de la chronicité de la douleur. C’ est plutôt dans l’ évaluation clinique qu’ il faut déterminer si l’ on est confronté à un processus progressif, un processus intermittent à long terme, une recrudescence d’ un problème chronique ou un nouveau problème indépendant. Cependant, les nouveaux critères de ROME IV exigent que les symptômes durent pendant au moins 6 mois afin de diagnostiquer le syndrome de douleur abdominale (1).

Premiers pas (2)

Identification positive des maladies fonctionnelles
Étant donné la prévalence élevée des troubles gastro-intestinaux fonctionnels, nous pourrions supposer qu’ un patient présentant des douleurs abdominales chroniques souffre d’ une forme commune de maladie gastro-intestinale fonctionnelle, comme le syndrome du côlon irritable (SCI) ou le syndrome de douleur abdominale à médiation centrale. Cependant, cette hypothèse peut être trompeuse. En effet, il faut essayer d’ identifier positivement les maladies fonctionnelles et ne pas simplement les diagnostiquer en utilisant la procédure d’ exclusion sous la devise « Vous n’ avez rien ». Une anamnèse psychosociale avec des questions telles que «Pourquoi êtes-vous venu au cabinet aujourd’ hui ? », « Quelles expériences traumatisantes se sont produites ?», « Comment interprétez-vous vos plaintes ?», «Votre qualité de vie souffre-t-elle à cause de ces troubles ? » ainsi que la clarification des diagnostics psychiatriques associés, du rôle de la famille et de la culture servent ce but (3). L’ examen physique tient compte de l’ absence de signes végétatifs typiques des maladies fonctionnelles (tachycardie, élévation de la tension artérielle ou transpiration lors de la provocation de la douleur), de la présence de cicatrices multiples sans indication claire, de l’ expression de la douleur avec les yeux fermés et de la diminution des expressions de la douleur lorsque la douleur sous pression est contrôlée au stéthoscope. Le test de Carnett convient à la détection des douleurs de la paroi abdominale, là où la douleur maximale est d’ abord palpée au repos. Si la douleur augmente avec la tension simultanée des muscles abdominaux, nous parlons d’ un test positif, ce qui peut être interprété comme un argument contre la douleur viscérale (3). La question de savoir si les troubles sont principalement basés sur des flatulences ainsi que sur une augmentation de la teneur en gaz abdominal peut être clarifiée sur le plan anamnestique et clinique.

Exclusion des maladies organiques
Pour exclure les maladies organiques, il faut tenir compte des symptômes d’ alarme tels qu’ un âge de 50 ans ou plus, un saignement rectal, une perte de poids ou des changements récents dans les habitudes intestinales. Les caractéristiques suivantes s’ appliquent plutôt aux maladies organiques : durée plus courte de la maladie, description des qualités sensorielles et non des émotions, affectation anatomique plus précise aux structures neuroanatomiques, et relations interpersonnelles le plus souvent plus simples. En plus d’ une palpation abdominale discrète, avec en particulier l’ exclusion des masses ou de l’ hépatomégalie, un diagnostic basal avec statut sanguin, CRP / calprotectine dans les selles et une sérologie cœliaque sont nécessaires. Les endoscopies sont indiquées pour les symptômes d’ alarme et pour les symptômes clairement associés au tractus gastro-intestinal. Cependant, le diagnostic du syndrome du côlon irritable basé sur les critères de ROME IV en l’ absence de symptômes d’alarme est considéré comme sûr en pratique (2, 3). D’ autres examens sont effectués spécifiquement en fonction de la clinique.

La pierre angulaire du traitement de la douleur abdominale fonctionnelle chronique
La base du traitement des troubles gastro-intestinaux fonctionnels chroniques est d’ abord, et avant tout, d’ établir une bonne relation médecin-patient avec de l’ empathie, de prendre les plaintes du patient au sérieux, de calmer, d’ éduquer et de fixer des objectifs thérapeutiques cohérents. Puis, il faut élaborer un plan de traitement spécifique et compréhensible pour le patient en offrant différentes options. Le patient peut être conseillé à assumer ses responsabilités, par exemple dans les domaines du mode de vie, de l’ entraînement physique, de la réduction du stress et des habitudes de sommeil. Le traitement doit être adapté à la gravité des symptômes et de l’ invalidité, avec une aide psychiatrique le cas échéant. Le traitement peut être diététique, médical ou psychologique.
Bien que la quasi-totalité des patients atteints de troubles gastro-intestinaux fonctionnels sentent un lien entre leur alimentation et les douleurs abdominales, les bienfaits de la thérapie nutritionnelle ont très peu d’  évidence. Les études sur le régime FODMAP sont celles ayant donné les meilleurs résultats ; l’ importance d’ un régime à teneur réduite en gluten est controversée, après avoir exclu la maladie cœliaque (4, 5).
Les analgésiques et opioïdes périphériques ainsi que les benzodiazépines ne se sont pas avérés efficaces. L’ utilisation de mucilages comme des fibres est également discutée en cas de constipation ; seuls les agents gonflants solubles se sont avérés être d’ une efficacité modeste. Le polyéthylène glycol n’ a fait aucune preuve contre la douleur fonctionnelle, cependant son effet laxatif est avéré. Il y a une faible évidence que les spasmolytiques aient des effets à court terme, mais ils peuvent avoir des effets secondaires anticholinergiques selon la substance. L’ huile de menthe poivrée semble pouvoir atténuer l’ hypersensibilité viscérale avec une preuve moyenne en plus d’ un effet spasmolytique. L’ utilisation d’ antidépresseurs, qu’ il s’ agisse de médicaments tricycliques ou d’ ISRS, est, de forte évidence (NNT = 4), et est particulièrement efficace chez les personnes présentant des symptômes dépressifs pour influencer les symptômes des maladies fonctionnelles. Cependant, leur utilisation est faiblement recommandée en raison des effets secondaires fréquents et souvent limitants pour les patients (4). De plus, de nombreux patients se sentent stigmatisés par la prescription d’ un médicament psychiatrique, ce qui explique leur mauvaise observance (2).

« Quand la normalité devient menaçante »
Dans la perpétuation des trouboes gastro-intestinaux fonctionels chroniques, les angoisses spécifiques aux symptômes gastro-intestinaux jouent un rôle important. Elles sont un facteur permanent des troubles gastro-intestinaux et se caractérisent par des inquiétudes ainsi qu’ une hypervigilance face aux sensations gastro-intestinales, allant des fonctions corporelles normales (faim, saturation, gaz) aux symptômes associés à un événement gastro-intestinal (douleur abdominale, diarrhée, urgence). Les inquiétudes et l’ hypervigilance se généralisent normalement au fur et à mesure que les craintes se manifestent. Elles débutent avant même l’ éventuelle apparition de sensations ou de symptômes, et ensuite lors des situations les plus probables où les symptômes se manifestent. Les états d’ anxiété liés à des symptômes gastro-intestinaux spécifiques peuvent conduire à un comportement disproportionné par rapport aux symptômes (6). Ces mécanismes et d’ autres se prêtent à un traitement psychologique comme la thérapie comportementale, et les méta-analyses ont montré que les traitements psychologiques avec un NNT de 2 à 4 sont au moins modérément efficaces pour diminuer les symptômes des troubles gastro-intestinaux fonctionnels chroniques (6).
Quelques modifications aux critères de ROME de la version III à IV
Maladies de l’ interaction cerveau-intestinal
Pour beaucoup de gens, qualifier la douleur et autres symptômes sans corrélation anatomique pathologique évidente de « fonctionnels » signifie une stigmatisation sous le prétexte erroné « n’ est que psychologique ou imaginaire ». Cette compréhension s’ avère également de plus en plus erronée, car la recherche scientifique a démontré que de nombreuses maladies dites fonctionnelles se caractérisent par des modifications organiques, qu’ il s’ agisse d’ inflammations de bas grade dans le cas du côlon irritable, de modifications du microbiome de l’ intestin, de troubles de la motilité ou de modifications du traitement central des afférences du système gastro-intestinal. Pour cette raison, les troubles gastro-intestinaux fonctionnels sont maintenant définis comme des maladies de l’ interaction entre le cerveau et l’ intestin (7, 8) et sont évalués dans le cadre d’ un concept biopsychosocial (6).

Critères de diagnostic du syndrome du côlon irritable et du syndrome de douleur abdominale à médiation centrale
La nouveauté, c’ est que, pour diagnostiquer le SCI, le symptôme « douleur » doit être présent et que les sous-catégories du SCI d’ aujourd’ hui sont plutôt considérées comme un continuum avec un spectre changeant de symptômes tels que la diarrhée ou la constipation au fil du temps. Les critères diagnostiques actuels C1 pour le SCI et D1 pour le syndrome de douleur abdominale à médiation centrale sont résumés dans le tableau 1.

Dr. med. Hans-Kaspar Schulthess

Facharzt FMF Innere Medizin und Gastroenterologie
Neuhausstrasse 18
8044 Zürich

Schulthess_hk@swissonline.ch

L’ auteur n’ a déclaré aucun conflit d’ intérêts en rapport avec cet article.

  • En l’ absence de symptômes d’ alarme et d’ augmentation de la durée des états douloureux abdominaux, la probabilité que des états douloureux fonctionnels soient présents augmente.
  • La clarification et la prise en charge des patients présentant des douleurs abdominales fonctionnelles suspectées sont fondées sur une bonne relation médecin-patient. Sur cette base, nous nous efforcerons d’ établir un diagnostic positif et d’ exclure les maladies organiques de manière appropriée. Le respect des critères de ROME IV peut contribuer à la sécurité du diagnostic.
  • Le traitement comprend un plan thérapeutique spécifique et compréhensible pour le patient. En outre, il englobe des mesures modifiant le mode de vie ainsi que des conseils diététiques, des médicaments et diverses formes de traitement psychologique, par exemple la thérapie comportementale.

Références :
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