Auch Corona hat uns nicht davon abgehalten, als Aerzteverlag medinfo AG an der Weiterentwicklung unserer Fortbildungszeitschrift «der informierte arzt» zu arbeiten, die in ärztlicher Hand von Chefredaktoren geführt und von KollegInnen im Hausärzte-Board für die tägliche Praxis gestaltet wird. Um hierbei auch wieder das Feedback unserer LeserInnen berücksichtigen zu können, baten wir Sie in den vergangenen Ausgaben erneut um Ihre Meinung. Wir freuen uns über die wiederholte Bestätigung, vieles in der ärztlichen Fortbildung richtig zu machen – zum Beispiel mit Peer-Review und einer Fortbildung mit CME-KERN-Credits, deren Reduktion durch die SGAIM auf nur noch einen Credit allerdings deutlich kritisiert wird.
Gangstörung im Alter
Gangstörungen nehmen nach dem 60. Lebensjahr stark an Häufigkeit zu und können eine Vielzahl von Ursachen, nicht selten kombiniert, haben. Stürze und deren Konsequenzen sind nebst eingeschränktem Bewegungsradius und Verlust der Unabhängigkeit schwerwiegende Folgen. Die exakte Anamnese und klinische Untersuchung sind das wichtigste Rüstzeug zu deren Erkennung und auch zum sinnvollen Einsatz der
Zusatzdiagnostik. Nicht wenige sind gut zu behandeln, z.B. inadäquate Medikation, Sehstörungen, Parkinson, Hydrozephalus, enger zervikaler oder lumbaler Spinalkanal. Aber auch nicht-neurologische Ursachen wie schwere Gelenkarthrosen, Herzinsuffizienz oder somatoforme Gangstörungen sind oft einer Therapie zugänglich.
Gangstörungen sind oft der erste Schritt zur Immobilität und zum Verlust der Unabhängigkeit. Ihre Prävalenz («community based») nimmt mit steigendem Alter rasch zu (über 60 Jährige: 15%; über 75 Jährige: 30%; über 85 Jährige: 49%) und ist assoziiert mit einem deutlich erhöhten Risiko für eine Heimeinweisung und Tod (1).
Da der Gang wie die Nasenlänge oder Ohrengrösse einer starken individuellen Prägung unterliegt, ist es schwierig einen pathologischen Gang zu definieren, u.a. auch wegen fehlenden Normwerten. Die numerischen Messwerte verschiedener Ganganalysesysteme (wie Schrittlänge, Schrittbreite, Schritthöhe, evtl. Fusswinkel) vernachlässigen viele (diagnostisch) sehr wichtige Aspekte des Gangbildes (Abstossen, Aufsetzen, Abrollen, Asymmetrien (Hinken), Mitbewegungen, Mimik, Gestik, Haltung, «Verhalten», etc.) die das geschulte ärztliche Auge alle simultan und rasch miterfassen kann («Muster-Erkennung»).
Die Anamnese [Alter, frühere neuromuskuläre Erkrankungen (z.B. Polio), Auftreten im Gefolge von ? (Medikation, Infekt, Trauma, operativem Eingriff, Konfliktsituation, etc.), Begleitsymptome (Schwindel, Sensibilitätsstörung, Schwäche, Einknicken, Schmerzen, Hautveränderungen, Miktionsstörung), verstärkende (nachts, bergauf, offener Raum) oder lindernde (Stütze) Momente] und die klinische Untersuchung [internistisch, osteoartikulär, kutan, neurologisch) sind die wichtigsten Instrumente zur Diagnose und zum gezielten sinnvollen Einsatz von bildgebender und Labor-Zusatzdiagnostik.
Es gibt keine alle Bedürfnisse befriedigende Klassifikation der Gangstörungen. Man kann sie nach «hierarchischer Ebene» einteilen (Tab. 1) oder nach den Ätiologien (Tab. 2) (2).
In der Einstein Aging Study hatten von 488 70 bis 99-jährigen 36% eine Gangstörung; 17 % mit nicht-neurologischen (Arthrose/Arthritis 84%, kardial 7,2 %, pulmonal 6,2%, PAVK 1,9 %) und 15% mit neurologischen (Gangunsicherheit 46,6%, hemiparetisch 26,4%, frontal 12,6% parkinsonisch 9,3%, neuropathisch 4,1% und spastisch 1 %) Ursachen; 4% gemischt (3). Je älter ein Patient mit Gangstörungen, desto häufiger finden sich mehrere potentielle Ursachen.
Wir wollen im Folgenden auf die häufigsten neurologischen Ursachen fokussieren (4).
Die hemiparetische und die frontale Gangstörung als Folge eines Schlaganfalls wie auch der unsichere Gang als Folge multipler/rezidivierender Schlaganfälle ist aufgrund der akuten Präsentation und den aktuellen diagnostischen Möglichkeiten der CVI Diagnostik (kraniales MRI) meist einfach zu erkennen. Mehr Probleme kann das Erkennen der langsam progredienten Gangataxie im Rahmen einer ausgeprägteren vaskulären Leukoenzephalopathie (subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie, Binswanger) sein. Bei genauer Befragung finden sich doch oft akute Symptom-
episoden, die Patienten haben seit Jahren multiple vaskuläre Risikofaktoren und oft Zeichen der KHK und/oder PAVK sowie eine Urininkontinenz. Bei der Untersuchung finden sich eine (meist leichte) Spastik, Zeichen der frontalen Enthemmung, sogenannte pseudobulbäre Zeichen (Dysphagie, Dysarthrie, emotionale Labilität) und Zeichen einer demenziellen Entwicklung. Beweisend ist in den meisten Fällen die zerebrale Kernspintomographie mit einer ausgeprägten multifokalen und konfluierenden Leukoencephalopathie (Abb. 1).
Der Gang ist kleinschrittig, unsicher, im Vergleich zum Parkinson-Gang aber breitbasig und recht schnell, Mimik und Gestik sind meist nicht reduziert.
Ein sehr unsicherer, sehr breitbasiger, meist auch kleinschrittiger Gang ist das wichtigste klinische Kennzeichen eines sogenannten Normaldruckhydrozephalus, eine Erkrankung des älteren Menschen (> 65 J.). Die Gangstörung ist das erste und schwerste Symptom, sie entwickelt sich schleichend und es kommt im Verlauf eine Dranginkontinenz und eine demenzielle Entwicklung dazu. Der Gang ist langsam, die Füsse kleben am Boden («magnetischer Gang») und sind oft nach aussen gedreht, es besteht eine Standunsicherheit (die Patienten halten sich fest), beim Drehen werden viele (kleine) Schritte benötigt. In der zerebralen Kernspintomographie findet man eine Ventrikulomegalie (Abb. 2). Nach spezieller Abklärung kann eine Shuntoperation die Symptome anhaltend bessern.
Eine Erkrankung des Vestibular-Apparates, auf welche bei der „bedside» Diagnostik ein pathologischer Kopf-Impulsionstest (KIT) Hinweis geben kann, geht je akuter desto häufiger mit einer Stand- und Gangunsicherheit einher. Aufgrund des Symptomablaufs und der oto-neurologischen Befunde ist die Diagnose meist evident. Die Gangstörung ist meist auch nur passager, da das (zentrale) Kompensationsvermögen des Vestibularapparates, auch bei Vestibularisausfall, gross ist. Besonders bei älteren Leuten kann aber (nach Kompensation einer akuten Vestibulopathie) eine oft ausgeprägte «Gangunsicherheit» bei normalen neurologischen und vestibulären Befunden weiter persistieren, die deutlich angstgefärbt (Sturz-Angst) ist und einen phobischen Ursprung hat. Diese Phobie ist u.a. auch physiotherapeutisch meist effizient zu behandeln.
Auch ohne vestibulären Auslöser oder Hintergrund kann eine Sturzangst («fear of falling») gerade bei älteren alleinstehenden Personen eine leichte Gangstörung massiv verschlimmern und zur (unnötigen) Immobilität und Verlust an Lebensqualität führen.
Das Gangbild des Parkinsonkranken ist gekennzeichnet durch eine generelle Verlangsamung, verkürzte Schrittlänge, Trippeln, vor allem bei Auftauchen von Hindernissen, oder Blockaden, und reduziertes bis fehlendes Mitschwingen der Arme, dies typischerweise asymmetrisch. Der Rumpf ist leicht vornüber gebeugt, die Knie und Ellbogen leicht flektiert, Drehen erfolgt «en bloc» mit erhöhter Wendeschrittzahl. Ein wichtiges Merkmal ist auch die reduzierte Mimik. Bei Prüfung der passiven Gelenkbeweglichkeit findet man einen erhöhten passiven Muskeltonus (Rigor), oft mit sog. Zahnradphänomen (am frühesten im Handgelenk bei passiver Pro / Supination). Eine Spastik und Pyramidenzeichen fehlen, die Reflexe sind i.d.R. normal. Die Parkinsonkrankheit ist typischerweise eine Erkrankung der über 55 Jährigen. Im weiteren Krankheitsverlauf sind die Symptome, gerade auch die Gangstörung, oft durch starke Fluktuationen gekennzeichnet.
Auch die zervikale Myelopathie ist eine Krankheit des älteren Menschen, bedingt durch eine Rückenmarkskompression durch arthrotisch oder diskogene degenerative Veränderungen der unteren Halswirbelkörper (v.a. C5 / C6 und C6 / C7) mit konsekutiver Einengung des zervikalen Spinalkanals (Abb. 3). Anamnestisch rezidivierende Nackenschmerzen und zervikale radikuläre Beschwerden sind keineswegs obligat. Die Gangstörung ist meist das früheste Symptom, entwickelt sich aber sehr schleichend: die Patienten beklagen einen unsicheren Gang, eine Schwäche oder Müdigkeit in den Beinen, die bei längerem Gehen zunehmen kann. Die klinische Untersuchung zeigt einen unsicheren breitbasigen Gang, unsicheren oder unmöglichen Einbeinstand und eine Paraspastik mit Pyramidenzeichen der Beine.
Die Gangstörung bei einer Multiplen Sklerose, besonders bei spinalen Plaques, kann sehr ähnlich aussehen, entwickelt sich aber häufig akuter und trifft bevorzugt jüngere Patienten. Die gezielte Anamnese ergibt meist auch Symptome eines eventuell auch nur episodischen extraspinalen Befalls wie Sehstörungen (Retrobulbärneuritis), Schwindel oder fokale sensible Störungen. Die klinische Untersuchung zeigt eventuell nicht nur eine Para- sondern eine Tetraspastik (Halsmarkbefall) und evtl. einen Nystagmus oder eine INO (internukleäre Ophthalmoplegie) als Zeichen einer multifokalen ZNS-Affektion In beiden Fällen ist aber die spinale Bildgebung (MRI) ausschlaggebend.
Auch andere entzündliche Rückenmarksaffektionen (z.B. virale oder parainfektiöse Myelitis) wie auch metabolische oder toxische Myelopathien (z.B. funikuläre Myelose bei Vit B-12 Mangel, Myelopathien bei Heroinabusus) können mit einer Gangstörung als Leitsymptom auftreten.
Typischerweise nur Beschwerden in den Beinen und typischerweise belastungsabhängig (zunehmend beim Gehen) verursacht der enge lumbale Spinalkanal. Durch degenerative Veränderungen der unteren Lendenwirbelkörper (v.a. L4 / L5 und L5/S1, evtl. auch L3 / L4) (Diskusverschmälerung mit Osteophytose, hypertrophe Facettgelenkarthrose, hypertrophe Ligamenta flava, Wirbelkörpergleiten (Listhesis) und eventuell zusätzlicher Diskushernie) kommt es zur Einengung des lumbalen Spinalkanals (Abb. 4). Konsekutiv kommt es zur Kompression einzelner oder mehrerer Wurzeln der Cauda equina. Dies verursacht v.a. beim Gehen, evtl. auch beim Stehen, aber kaum im Liegen, Parästhesien der Beine und ausstrahlende (radikuläre) Schmerzen, oft bilateral. Beim Gehen bemerken die Patienten eine belastungsabhängige progrediente multiradikuläre Schwäche mit eingeschränkter Gehstrecke (Claudicatio). Diese ist bergauf weniger eingeschränkt als bergab. Beim Stehenbleiben mit Bücken oder beim Absitzen verschwinden die Beschwerden innert Minuten. Lumbago, oft seit vielen Jahren, im Stehen und Gehen ist häufig, aber keineswegs obligat. Auch hier ist die Bildgebung des lumbalen Spinalkanals (MRI) meist diagnosebestätigend. Aber aufgepasst: diese Bildgebung erfolgt im Liegen und kann daher evtl. (bei grösserer Instabilität) die tatsächliche Einengung (im Stehen) unterschätzen.
Eine Polyneuropathie, in ihrer häufigsten Form mit distal symmetrischen sensomotorischen Ausfällen beginnend an den Füssen und langsam aufsteigend, kann aufgrund der Sensibilitätsstörung (mit gestörter Afferenz) und auch der Paresen zu einer, je nach Ausprägung schweren Gangstörung führen. Im Gegensatz zum engen lumbalen Spinalkanal sind oft, wenn auch diskreter, auch die oberen Extremitäten mit Sensibilitätsstörung der Finger betroffen und die sensiblen Defizite dominieren oft. Der Claudicatio-Charakter fehlt und die sensiblen Symptome, insbesondere Schmerzen, stören vor allem in Ruhe. Es finden sich oft distal betonte trophische Störungen der Haut (dünn, trocken, livide verfärbt) und Anhangsgebilde (Haarausfall, gestörte Nageltrophik) Die Muskeleigenreflexe fehlen und die distalen (Fuss- und Unterschenkel-) Muskeln sind hypotroph. Die Elektroneurographie kann hier beweisende Befunde liefern.
Einzelne Läsionen peripherer Nerven, wie z.B. eine Femoralisparese oder eine Peronäusparese verursachen ein charakteristisches Gangbild (Gehen mit durchgestrecktem Knie bzw. Steppergang) - sind aber diagnostisch von einem radikulären Ausfallsyndrom abzugrenzen.
Keine Seltenheit sind hingegen Gangstörungen als Ausdruck einer funktionellen (auch: dissoziativen, somatoformen) Störung, wenn auch funktionelle neurologische Störungen gelegentlich von Ungeübten allzu leicht diagnostiziert werden. Das klinische Bild kann hier sehr variabel und multiform sein. Die Gangstörung soll sprichwörtlich zum Ausdruck bringen, dass «es nicht mehr geht». Meistens präsentieren sie sich akut, ausgelöst durch eine nicht immer evidente Konfliktsituation. Kennzeichen sind eine, bezüglich Muster und Ausprägung, stark fluktuierende und wechselnde Phänomenologie, eine Verbesserung durch Ablenkung und Suggestion, ein normaler übriger neurologischer Untersuchungsbefund, bzw. diskrepante Paresen (z.B. im Liegen Fussheberplegie, im Stehen aber Fersengang möglich).
Das Erkennen solcher Störungen verlangt etwas Geschick und die notwendige Untersuchungstechnik, ist aber sehr wichtig um eine ausufernde Diagnostik zu vermeiden und um eine spezifische Therapie einzuleiten.
40% der über 70 Jährigen nehmen 5 oder mehr Medikamente täglich ein (2). Polypharmazie kann über mehrere Mechanismen zu Gangstörungen führen: Ataxie und Schwindel bei Anticholinergika, Antikonvulsiva, Antidepressiva, Antihistaminika, Antihypertensiva und Benzodiazepinen; Sedation bei Analgetika, Anticholinergika, Antidepressiva, Antihistaminika, Antipsychotika, Antiparkinsonika und Benzodiazepinen; Orthostase bei Anticholinergika, Antidepressiva, Antihistaminika, Antihypertensiva, Antiparkinsonika und Antipsychotika; etc. Eine exakte Medikamentenanamnese und wenn immer möglich die Reduktion der Anzahl Medikamente ist ein wichtiger therapeutischer Faktor unabhängig von anderen Ursachen einer Gangstörung.
Inselspital Bern
Universitätsklinik für Neurologie, Universität Bern
Diesbachstrasse 3
3012 Bern
mhst@bluewin.ch
Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.
Referenzen:
1. Axer H, Axer M, Sauer H, Witte OW, Hagemann G. Falls and gait disorders in geriatric neurology. Clinical Neurology and Neurosurgery 112 (2010) 265–274
2. Snijders AH, van de Warrenburg BP, Giladi N, Bloem BR. Neurological gait disorders in elderly people: clinical approach and classification. Lancet Neurol 2007; 6: 63–74
3. Verghese J, LeValley A, Hall CB, Katz MJ, Ambrose AF, Lipton RB. Epidemiology of gait disorders in community-residing older adults. J Am Geriatr Soc2006;54:255-61
4. Stolze H, Vieregge P, Deuschl G. Gangstörungen in der Neurologie. Nervenarzt 2008; 79: 485-99.
Schmerzhafte Schwellungen im Hodensack
Eine Schwellung im Hodensack kann verschiedene Ursachen haben. Hierzu gehören entzündliche Erkrankungen wie eine Nebenhoden- oder Hodenentzündung, die Hodentorsion, ein Hodentrauma, Variko-, Spermato- oder Hydrozelen, Leistenhernie sowie bösartige und gutartige Tumore des Hodens und selten des paratestikulären Gewebes. Dieser Artikel bietet eine Übersicht über die wichtigsten Krankheitsbilder und präsentiert Massnahmen und Empfehlungen für die Betreuung von Patienten mit schmerzhafter Schwellung im Hodensack in der Grundversorgung. Ein zweiter Teil über schmerzlose Schwellungen folgt.
Bei der Entdeckung einer Schwellung im Hodensack ist primär die Detektion eines akuten Leidens, das einer notfallmässigen Therapie bedarf, wichtig sowie der Ausschluss eines malignen Tumors.
Während entzündliche Veränderungen, eine Hodentorsion oder ein Trauma vor allem mit Schmerzen einhergehen, sind Spermato- und Hydrozelen sowie Hodentumore meist schmerzlos. Bereits die Anamnese gibt somit erste, wichtige Informationen über eine mögliche Ursache des aktuellen Leidens. Hierfür ist neben einem allfälligen Trauma-Hergang hauptsächlich eine Schmerz-, Miktions- sowie eine Sexualanamnese zu erfragen. Zudem lässt auch das Patientenalter bei altersspezifischen Problemen die möglichen Differenzialdiagnosen weiter eingrenzen. Die primäre Diagnostik beinhaltet neben der körperlichen Untersuchung fast immer einen skrotalen Ultraschall. Diese Untersuchung erlaubt eine schnelle und nebenwirkungsfreie Diagnostik und ist mit einer Duplex-Untersuchung kombinierbar, so dass auch lokale und ggf. pathognomonische Durchblutungsmerkmale erfasst werden können. Ausserdem können Blut- und Urinuntersuchungen weitere wichtige Information über die Ätiologie der Hodenschwellung geben. Wichtig in der Grundversorgung ist hierbei die Erkennung von Erkrankungen, die einer weiteren Behandlung durch den Urologen oder gar einer Zentrumsanbindung bedürfen.
Orchitis (Hodenentzündung)
Ursächlich für eine akute Orchitis sind meist virale Infektionen oder Entzündungen im Rahmen einer Mitbeteiligung bei primärer Nebenhodenentzündung. Eine isolierte Orchitis wird meist im Rahmen einer viralen Infektion beobachtet, wobei von einem hämatogenen Infektionsweg ausgegangen wird. Bei bakteriellen Entzündungen wird vermutet, dass die Infektionen ausgehend von einer bestehenden Harnwegsinfektion über den Ductus deferens, in den Nebenhoden und anschliessend in den Hoden gelangen. Dies kann im Rahmen einer Zystitis, Prostatitis oder Urethritis der Fall sein und bringt deshalb oft die entsprechenden Zusatzsymptome mit sich.
Durch den hämatogenen Infektionsweg bei viralen Infekten ist eine virale Orchitis häufiger bilateral anzutreffen als bei der aufsteigenden bakteriellen Form. Bekannt ist hier vor allem die Mumps-orchitis, die jedoch auf Grund der breiten Beimpfung in den westlichen Ländern nicht mehr häufig anzutreffen ist. Eine Orchitis kann aber auch im Rahmen anderer Viruserkrankungen auftreten wie z.B. der Mononukleose oder Infektionen mit Coxsackie-, Varizella- oder Echoviren. Bei der klinischen Untersuchung imponiert sowohl bei der viralen als auch bei der bakteriellen Orchitis ein geschwollener, druckdolenter und überwärmter Hoden mit möglicher Rötung und Schwellung des Skrotums. Bei einseitiger Klinik wird dies am besten durch den Vergleich mit dem nicht befallenen Hoden beurteilt.
Die Symptomatik kann sich über wenige Stunden bis Tage entwickeln und bei fortgeschrittenen Fällen zeigen sich die typischen Infektionszeichen mit Fieber, Rötung und gespanntem Skrotum. Bei einer bakteriellen Entzündung können zudem begleitende Symptome eines Harnwegsinfektes wie Drangsymptomatik, Brennen oder Schmerzen bei der Miktion auftreten. Im Falle einer Mumpsorchitis sind auf Mumps-spezifische Symptome wie z.B. die Schwellung der Ohrspeicheldrüsen zu achten. Es sind aber durchaus auch klinisch inapparente Mumps-Verläufe möglich, die nur mit einer Orchitis einhergehen. Es sollte deshalb eine durchgemachte Mumps-Infektion oder Impfung erfragt werden. Bei Verdacht können entsprechende serologische Untersuchungen durchgeführt werden.
Da palpatorisch meist eine sehr ausgeprägte Druckdolenz besteht, ist es klinisch oft schwer, zwischen einer Hoden- und Nebenhodenentzündung zu unterscheiden. Eine sonographische Untersuchung des Hodens ist deshalb die Diagnostik der Wahl und in den meisten Fällen wegweisend. Hierbei imponiert die akute Entzündung mit einer relativ homogenen und echoarmen Vergrösserung des gesamten Hodens und einer relativen Hyperperfusion im Duplex-Ultraschall. Das initiale homogene Ultraschallbild kann im weiteren Verlauf einem fleckigen inhomogenen Bild weichen, das ein Hinweis für einen infektbedingten Gewebsuntergang bzw. eine Einschmelzung sein kann. Begleitend kann eine reaktive Hydrozele oder ein Skrotalödem auftreten. Bei Verdacht auf eine aufsteigende, bakterielle Entzündung sollte eine Urinkultur bzw. bei Fieber auch Blutkulturen abgenommen werden. Bei sexuell aktiven Patienten ist auch an mögliche sexuell übertragbare Infektionskrankheiten (z.B. Chlamydien- oder Gonokokken-Urethritis) zu denken, die dann entsprechend abgeklärt werden sollten.
Therapeutisch sollte bei jeder Art der Orchitis primär Bettruhe mit Hochlagern und Kühlen des Skrotums veranlasst werden. Zudem sollte eine symptomatische, antiphlogistische Therapie initiiert werden. Bei bakterieller Infektion bedarf es initial einer empirischen antibiotischen Therapie mit resistenzgerechter Anpassung nach Erhalt der abgenommenen Kulturen. Die Antibiotikatherapie richtet sich hierbei nach der Anamnese und dem zu erwartenden Keimspektrum. Bei sexuell aktiven Männern zielt diese auch auf mögliche sexuell übertragbare Erreger, beim betagten Mann eher auf die häufigsten Keime einer «üblichen» Harnwegsinfektion.
Eine mögliche Komplikation der akuten Orchitis ist die testikuläre Abszedierung weshalb es einer Verlaufskontrolle bedarf. Diese ist insbesondere bei Patienten, die klinisch schlecht auf die Therapie ansprechen, angebracht. Bei entzündlicher Destruktion des Hodengewebes kann es im Verlauf zu einer Atrophie und somit zu einem Funktionsverlust des betroffenen Hodens kommen. Insbesondere bei beidseitiger Orchitis besteht hierbei die Gefahr einer Infertilität und eines Hypogonadismus.
Epididymitis (Nebenhodenentzündung)
Viel häufiger als die Orchitis ist die Entzündung des Nebenhodens. Die bakterielle Infektion ist die häufigste Ursache einer akuten Epididymitis und tritt meist bei einer Harnwegsinfektion oder im Rahmen von sexuell übertragbaren Infektionen der Harnwege auf. Auch hier stellen sich die Patienten mit einem schmerzhaften, geschwollenem und im Verlauf gerötetem Skrotum vor, welches sich oft über einen kurzen Zeitpunkt entwickelt hat. Bei fortgeschrittenem Stadium der Entzündung können zudem systemische Infektzeichen wie Fieber oder Schüttelfrost auftreten. Nebenhodenentzündungen können akut, eitrig-abszedierend oder chronisch auftreten.
Anamnestisch wichtig ist hierbei, urogenitale Begleitsymptome zu erfragen, um die Ursache und das Keimspektrum weiter eingrenzen zu können. Insbesondere bei jungen, sexuell aktiven Patienten sollte auch hier eine Sexualanamnese erhoben werden.
Diagnostisch wichtig ist in jedem Fall die Urin-Analyse. Im Urinstatus kann der Verdacht einer Harnwegsinfektion bei Leukozyturie oder bei Nitrit-positivem Befund erhärtet werden. Eine Urinkultur kann einen möglichen Keim inklusive Antibiotikaresistenzen identifizieren und sollte immer vor Beginn einer Therapie abgenommen werden. Es ist jedoch auch möglich, dass bei bakterieller Epididymitis die Urinkultur negativ ist. Daher sollte zusätzlich bei auffälliger Sexualanamnese oder klinischem Verdacht einer sexuell übertragbaren Erkrankung auch diesbezüglich eine Diagnostik mittels PCR aus Urethralabstrich oder Erststrahlurin erfolgen (Gonokokken, Chlamydien sowie Urea- / Mykoplasmen).
Wegweisend ist bei Verdacht auf eine Nebenhodenentzündung ebenfalls die sonographische Untersuchung des Skrotums. Hierbei imponiert eine echoarme Vergrösserung des Nebenhodens mit inhomogen vergröberten Binnenechomustern (Abb. 1). Im Farbdoppler zeigt sich typischerweise eine «inflammatorische» Hyperperfusion des Nebenhodens (Abb. 2). Oft zeigt sich eine entzündlich bedingte Begleit-Hydrozele. Sonographisch wichtig ist der Ausschluss eines Abszesses, welcher in der Regel einer operativen Sanierung bedarf. Kann ein solcher ausgeschlossen werden, sollte neben einer symptomatischen Therapie mit Bettruhe, Hodenhochlagern und medikamentöser Therapie mit einem Antiphlogistikum, eine primär empirische und später gezielte antibiotische Therapie erfolgen (s.o.).
Hodentrauma
Traumatische Verletzungen des Hoden sind meist stumpfer Natur, nur selten gibt es penetrierende Traumen. Da sich Patienten meist aufgrund des Hodentraumas vorstellen, ist die Anamnese oft wegweisend. Durch das Trauma kann ein intraskrotales Hämatom (Hämatozele) oder ein sichtbares Hämatom der Skrotalwand entstehen. Beides führt zu einer Schwellung des Skrotums. Auch hier erlaubt die Skrotalsonographie oft eine schnelle Diagnosefindung. Im Ultraschall ist das Hodenparenchym und das Cavum serosum testis auf mögliche Hämatome sowie die Tunica albuginea auf ihre Integrität zu prüfen. Zudem ist es wichtig die Hodendurchblutung in der Duplex-Sonographie vor allem im Seitenvergleich zu beurteilen.
Das Ausmass der Verletzung kann sonographisch leicht unterschätzt werden. Bei Parenchym-Unregelmässigkeiten sowie Hämatozele stellt sich der Verdacht auf eine Ruptur der Tunica albuginea, so dass grosszügig die Indikation für eine operative Evaluation gestellt werden sollte. Wichtig zu wissen ist, dass auch bei intakter Tunica albuginea eine bestehende Schwellung bzw. eine intratestikuläre Einblutung im Verlauf zu einer Hodenischämie führen kann und einer zeitnahen Verlaufskontrolle bzw. im Zweifelsfall immer einer operativen Freilegung bedarf.
Ein konservatives Therapie-Regime ist bei unauffälliger Bildgebung ohne Anzeichen eines intratestikulären Hämatoms, einer Hämatozele oder von Durchblutungsstörung gerechtfertigt. Bei reinem Hämatom der Skrotalwand reicht ebenfalls eine symptomatische Therapie mittels Analgesie, Hochlagern, Kühlen und Bettruhe aus.
Operativ erfolgt je nach Verletzungsmuster eine Hämatomevakuation, die Entfernung von avitalem Hodengewebe, die Blutstillung oder die Naht der Tunica albuginea bzw. deren Rekonstruktion mit einem Gewebepatch bei grösseren Defekten. Bei stark destruierender Verletzung ist ggf. auch die Entfernung des Hodens notwendig.
Hodentorsion
Von einer Hodentorsion spricht man bei einer Verdrehung des Samenstranges mit Beeinträchtigung der Hodendurchblutung. Eine Torsion entsteht meist spontan z.B. im Rahmen einer rotatorischen Kontraktion des Musculus cremaster. Sie kann jedoch auch durch Manipulationen, bei sportlicher Aktivität oder durch ein Trauma bedingt sein. Gehäuft tritt die Hodentorsion bei Kleinkindern unter 2 Jahren sowie bei Adoleszenten im Alter von 15-20 Jahren auf. Prinzipiell kann sie jedoch in jedem Alter vorkommen. Führende Klinik hierbei ist der plötzlich aufgetretene starke Hodenschmerz. Eine Hodentorsion kann sich jedoch auch atypisch, zum Beispiel durch ipsilaterale Unterbauchschmerzen bemerkbar machen. Klinisch kann ein Hodenhochstand oder abnormale Lage des Hodens auffallen. Auch begleitende, vegetative Symptome wie Übelkeit und Erbrechen können auftreten. Im Verlauf treten bei länger bestehender Torsion eine skrotale Schwellung sowie Entzündungszeichen auf.
In der klinischen Untersuchung imponiert ein oftmals hochstehender und druckdolenter Hoden, welcher meist bereits bei geringer Palpation stark schmerzhaft ist. Zur Differenzierung eines entzündlichen Geschehens kann der Hoden am liegenden Patienten angehoben werden (Prehn-Zeichen). Ist hierdurch eine Linderung zu erreichen ist das Prehn-Zeichen positiv, was für eine entzündliche Genese spricht. Persistieren die Schmerzen, ist das Prehn-Zeichen negativ, was für eine Hodentorsion spricht. Das Prehn-Zeichen ist jedoch nicht als zuverlässig anzusehen und sollte nie als alleinige Diagnostik durchgeführt werden. Bei testikulären Schmerzen muss differentialdiagnostisch auch an ein symptomatisches prävesikales Ureterkonkrement gedacht werden, welches oft eine Schmerzausstrahlung in das ipsilaterale Skrotum und den Hoden bewirken kann. Kolikartige Schmerzepisoden, Miktionsbeschwerden (insbesondere neu aufgetretene Pollakisurie) sowie ein unruhiger Patient und Stein-episoden in der Anamnese können hier wichtige Hinweise geben.
Laborchemisch sind ein Urinsediment und -kultur sowie Blut-untersuchungen (Blutbild, CRP, Kreatinin) durchzuführen, um eine entzündliche Ursache auszuschliessen bzw. nicht zu verpassen. Bei akuter Torsion des Hodens kann eine Leukozytose nachweisbar sein. Erhöhte Entzündungsparameter sowie ein febriler Patient sprechen im frühen akuten Stadium jedoch eher für ein entzündliches Geschehen.
Diagnostik der Wahl ist die sonographische Untersuchung des Hodens mit zusätzlicher Doppler- / Duplex-Sonographie, womit die testikuläre Durchblutung im Seitenvergleich beurteilt werden kann. Wichtig ist, dass das arterielle Durchblutungssignal bei inkompletter Torsion anfangs normal sein kann und somit eine Torsion verpasst werden kann. Durch eine zunehmende venöse Stauung kommt es erst im Verlauf zu einem intratestikulären Druckanstieg mit verzögertem Sistieren der arteriellen Durchblutung.
Im Zweifel sollte daher bei jedem Verdacht auf eine Hodentorsion eine zeitnahe operative Freilegung des Hodens erfolgen, um einer irreversiblen, ischämischen Schädigung, die nach ca. 4-8h einsetzt vorzubeugen. Zeigt sich der Hoden nach Freilegung und Retorquierung in einem vitalen Zustand, so wird dieser und auch der kontralaterale Hoden im Skrotum fixiert (sog. Orchidopexie), um einer erneuten Torsion vorzubeugen. Bei persistierender Ischämie trotz Retorquierung erfolgen eine ipsilaterale Orchiektomie und eine Pexie der Gegenseite.
Klinik für Urologie
UniversitätsSpital Zürich
nico.grossmann@usz.ch
Klinik für Urologie
UniversitätsSpital Zürich
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Witellikerstrasse 40
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Die Autoren haben keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitrag.
Paradigmenwechsel in der Erstlinientherapie des NSCLC
Am Symposium von MSD anlässlich des ersten SOHC wurden die immun-onkologischen Fortschritte in der Erstlinien-Behandlung des NSCLC besprochen.
Die Meilensteine der Therapie des NSCLC mit Checkpoint-Inhibitoren sind die Einführung von Nivolumab als Zweitlinientherapie im Jahre 2015, die Studien mit Nivolumab, und Atezolizumab als Zweitlinientherapie sowie Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei PD-L1 pos. im Jahre 2016, Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei PD-L1 pos., sowie Pembrolizumab und Chemotherapie als Erstlinientherapie im Jahre 2017 und Durvalumab im Stadium III des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC)2018, stellte Prof. Dr. med. Solange Peters, Lausanne, fest. Die Referentin besprach die Resultate der KEYNOTE-024 Studie, die den PD-1 (Programmed Cell Death 1 Protein)-Inhibitor Pembrolizumab als Monotherapie im Vergleich zu einer Platin-haltigen Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC und hoher Tumor-PD-L1-Expression (TPS ≥ 50 %) in der Erstlinie untersuchte. In die Studie wurden Patienten mit NSCLC, unabhängig von der Tumorhistologie eingeschlossen, die keine genomischen Tumoraberrationen vom EGFR- oder ALK-Typ aufgewiesen hatten. Die Ergebnisse des mehr als zweijährigen Follow-up zeigen unter anderem, dass Pembrolizumab das mediane Gesamtüberleben im Vergleich zu Chemotherapie um mehr als das Doppelte verlängert. Zudem zeigten die Daten ein medianes Gesamtüberleben von 30 Monaten unter Pembrolizumab gegenüber 14,2 Monaten unter Chemotherapie. In der KEYNOTE-042 Studie war die Subgruppe mit PD-L1 ≥50% der Hauptantreiber für OS Nutzen. Fast alle Studien haben bislang eine positive Beziehung zwischen klinischem Nutzen von PD1 oder PD-L1 Inhibitoren und PD-L1 Expression gezeigt. Bezüglich Biomarker für NSCLC muss festgehalten werden, dass die meisten Daten eher von einem Cut-Off Wert als von durch Expressionsraten bestimmten Kohorten stammen.
Wie erkennt das Immunsyste Krebs als Fremdantigen?
Die Prävalenz somatischer Mutationen (Anzahl Mutationen pro Megabase) ist am geringsten beim pilozytischen Astrozytom (<< 0.1), und nimmt über Pankreas- und Brustkarzinom (1.0), Leberzellkarzinom (5.0) und Plattenepithellungenkarzinom (10.0) zu. Am höchsten ist sie beim Melanom (> 10). Eine hohe Wahrscheinlichkeit für Neoantigene (Prävalenz für somatische Mutationen >8.0) zeigen Magen- Kopf- und Halskarzinome, Zervix- und Kolonkarzinom, kleinzelliges Lungenkarzinom, Blasen- und Lungenkarzinom und das Melanom. Neuere technische Innovationen haben es ermöglicht, die Immunantwort auf patientenspezifische Neoantigene, die als Folge tumorspezifischer Mutationen entstehen, zu zerlegen. Die Erkennung solcher Neoantigene ist ein wichtiger Faktor für die Wirkung klinischer Immuntherapien. Die Mutationszahl wird durch gesamte Exomsequenzierung ermöglicht. Dies setzt eine Harmonisierung der verschiedenen Assays zur Bestimmung der Tumorlast voraus. Entsprechende Studien sind in Deutschland und den USA am Laufen. Die Referentin stellte Korrelationskurven zwischen objektiver Ansprech-
rate und Anzahl kodierender somatischer Mutationen bei verschiedenen Krebsarten vor. Die Gesamtkorrelation beträgt dabei 0.74 (p < 0.001).
Einfluss des Darm-Mikrobioms auf die Immuntherapie bei Melanompatienten
Obschon grosse Fortschritte in der Behandlung des Melanoms und auch anderer Krebsarten mit Hilfe von gegen CTLA-4 und/oder PD-1 Protein gerichteten Therapien erzielt worden sind, ist das Ansprechen gegen diese Therapien oft heterogen und nicht dauerhaft. Faktoren ausserhalb der Tumor-Genetik beeinflussen die Krebsentstehung und die Therapie. Diese umfassen Wirtsfaktoren wie das Darm-Mikrobiom. Dabei zeigten sich signifikante Unterschiede in Diversität und Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms zwischen Responders und Non-Responders. Die verschiedenen Daten führen zu einem Immunogramm hoher Komplexität, welches aus der Tumorlast, der Neoantigenlast, dem generellen Immunstatus, dem Mikrobiom, der Infiltration mit Immunzellen, der Absenz von Checkpoints (PD-L1), der Absenz von löslichen Inhibitoren, dem Fehlen eines hemmenden Tumormetabolismus und der Tumorsensitivität auf Immuneffektoren besteht. Daraus ergibt sich ein grosses Potential für sinnvolle Kombinationen zur Verbesserung der Wirkung der Immuntherapie, wie die Referentin aufzeigte. Dabei sind Therapien, die die CTLA 4 Blockade mit der PD-1 Hemmung kombinieren von besonderem Interesse.
Die Referentin verwies auf die KEYNOTE-189 Studie, die zeigte, dass die Gabe von Pembrolizumab zu einer Platin/Pemetrexed Therapie der Platin/Pemetrexed Therapie allein, unabhängig von PD-L1-Expression, überlegen war.
In der IMPower150 Studie war Atezolimumab plus Carboplatin / Paclitaxel / Bevacizumab gegenüber Carboplatin / Paclitaxe
l / Bevacizumab überlegen, ebenfalls unabhängig vom PD-L1-Expressionsstatus. Bei EGFR mutiertem NSCLC war Atezolizumab / Bevacizumab plus Carboplatin überlegen gegenüber Bevacizumab/Carboplatin, Azolizumab + Carboplatin war aber Bevacizumab + Carboplatin nicht überlegen: kein Benefit ohne Bevacizumab.
KEYNOTE-407 zeigte Überlegenheit der Kombination von Pembrolizumab/Taxan/Carboplatin gegenüber Carboplatin/Taxan allein, unabhängig von PD-L1.
Die IMPower 131 Studie ergab Überlegenheit von Pembrolizumab/Carboplatin/nabPaclitaxel gegenüber Carboplatin/nabPaclitaxel unabhängig von PD-L1.
In CheckMate 227 war das PFS mit der Kombination Ipilimumab / Nivolumab signifikant länger als mit Platin-basierter Chemotherapie (p = 0.0002) bei Tumormutationslast ≥ 10 Mb unabhängig von PD-L1. Diese Resultate bestätigen den Nutzen von Nivolumab plus Ipilimumab beim NSCLC und die Rolle der Tumormutationslast als Biomarker für die Patientenauswahl.
Wird die Immunonkologie Standard Frontline Option für alle Patienten?
So die zusammenfassende Frage der Referentin, die sie mit der folgenden Zusammenstellung erläuterte:
Monotherapie:
- Pembrolizumab (KEYNOTE-024, KEYNOTE-042)
- Nivolumab (CheckMate 026)
Immunonkologie + Immunonkologie:
- Nivolumab + Ipilimumab (CheckMate 568, CheckMate 227)
- Durvalumab + Tremelimumab (MYSTIC, NEPTUNE)
- Nivolumab-Pembrolizumab/Epacadostat
- Pembrolizumab/Ipilimumab (KEYNOTE-598)
Immunonkologie + Chemotherapie:
- Atezolimumab (IMPower 120, IMPower 131, IMPower 132, IMPower 150)
- Pembrolizumab (KEYNOTE-189, KEYNOTE-407)
- Nivolumab ( CheckMate 227, CheckMate 722)
- Nivolumab + Ipilimumab (CheckMate 9LA
- Durvalumab + Tremelimumab (POSEIDON)
Quelle: MSD-Satellitensymposium, SOHC Kongress, Zürich, 28.06.2018
riesen@medinfo-verlag.ch
Rezidivierende Harnwegsinfekte – alle Tage wieder

Rezidivierende Harnwegsinfektionen (rHWI) kommen gerade auch bei jungen Frauen ohne Risikofaktoren sehr häufig vor. Meist werden die Infektionen von E. coli (75-95%) hervorgerufen, aber auch andere Enterobacteriaceae wie Klebsiella pneumoniae oder Proteus mirabilis spielen eine Rolle. Bei negativem Ergebnis des Urinstix ist ein HWI unwahrscheinlich, Keimzahlen von über 105cfu/ml in der Urinkultur gelten als pathologisch. Asymptomatische Patientinnen mit positiver Urinkultur sollen nicht behandelt werden. «Denn es hat sich gezeigt», betonte die Referentin Dr. med. Sabrina Schraag, Zürich, dass bei unbehandelten Patientinnen weniger Rezidive, bei ungezielt Behandelten hingegen mehr Resistenzen auftreten. Bei 50-70% der Patientinnen mit einem HWI kommt es klinisch und bei 25% auch mikrobiologisch zu einer spontanen Heilung. Zur Symptomlinderung hat sich die Gabe von Ibuprofen als ebenso wirksam erwiesen wie die Anwendung von Ciprofloxacin (15). Unter Beachtung der lokalen Resistenzsituation (16) sind bei unkomplizierten HWI wegen hoher Sensibilität für E. coli Nitrofurantoin, Fosfomycin oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol (TMP/SMX) 1. Wahl. In der 2. Wahl werden Ciprofloxacin und Amoxicillin oder Co-Amoxicillin eingesetzt. Bei komplizierten HWI und Pyelonephritis ist Ceftriaxon 1. Wahl. Bei rHWI werden Nitrofurantoin und TMP/SMX zur kontinuierlichen und Fosfomycin und TMP/SMX für 6 Monate zur postkoitalen Prophylaxe
eingesetzt.
Bei rHWI können Cranberry-Produkte oder Probiotika bzw. Lactobacillen das Risiko vermindern. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen vier E. coli-Serotypen und gegen das E. coli-Adhesin FimH zeigen vielversprechende Resultate (17, 18). Die orale Immunstimulation mit Uro-Vaxom® kann Rezidive um 40-50% reduzieren (grössere Studien wären wünschenswert). D-Mannose reduziert die Adhärenz von E. coli am Urothel, wodurch das rHWI-Risiko gesenkt wird (vergleichbar mit einer Nitrofurantoin-Behandlung) (19). Das Rezidivrisiko kann durch intravesikale Instillation von Hyaluronsäure und Chondroitinsulfat (Ialuril® Prefill) gesenkt werden, Utipro®plus kann eine Symptomlinderung bewirken und den Antibiotikaeinsatz reduzieren.
Quelle: Fortbildung UniversitätsSpital Zürich: “Urogynäkologische Probleme – Tag und Nacht” am 11. Januar 2018
Literatur:
1. Leijonhufvud Å et al. Risks of stress urinary incontinence and pelvic organ prolapse surgery in relation to mode of childbirth. Am J Obstet Gynecol. 2011;204:70.e1-7
2. Perucchini D et al. Age effects on urethral striated muscle I. changes in number and diameter of striated muscle fibers in the ventral urethra. Am J Obstet Gynecol 2002;186:351-5
3. Labrie J et al. Surgery versus Physiotherapy for Stress Urinary Incontinence. N Engl J Med 2013;369:1124-33
4. Ford AA et al. Mid-urethral sling operations for stress unrinary incontinence in women. Cochrane Database Syst Rev 2017;7:CD006375
5. Scheiner DA et al. Twelve months effect on voiding function of retropubic compared with outside-in and inside-out transobturator midurethral slings. Int Urogynecol J 2012;23:197-206
6. Betschart C et al. Patient satisfaction after retropubic and transobturator slings: first assessment using the Incontinence Outcome Questionnaire (IOQ). Int Urogynecol J 2011;22:805-12
7. Vijaya C et al. Increased serum nerve growth factor levels in patients with overactive bladder syndrome refractory to antimuscarinic therapy. Neurourol Urodyn 2011;30:1525-9
8. Tauber SC et al. Immunomodulatory Properties of Antibiotics. Curr Mol Pharmacol. 2008;1:68-79
9. Betschart C et al. Randomized, couble-blind placebo-controlled trial with Bryophyllum pinatum versus placebo for the treatment of overactive bladder. Phytomedicine 2013;20:351-8
10. Drake MJ et al. Efficacy and Safety of Mirabegron Add-on Therapy to Solifenacin in Incontinent Overactive Bladder Patients with an Inadequate Response to Initial 4-Week Solifenacin Monotherapy: A Randomised Double-blind Multicentre Phase 3B Study (BESIDE). Eur Urol 2016;70:136-145
11. Juul KV et al. The physiological and pathophysiological functions of renal and extrarenal vasopressin V2 receptors. Am J Physiol Renal Physiol 2014;306:F931-40
12. Sand PK et al. Efficacy and safety of low dose desmopressin orally disintegrating tablet in women with nocturia: results of a multicenter, randomized, double-blind, placebo controlled, parallel group study. J Urol. 2013;190:958-64
13. Weiss JP et al. Efficacy and safety of low dose desmopressin orally disintegrating tablet in men with nocturia: results of a multicenter, randomized, double-blind, placebo controlled, parallel group study. J Urol. 2013;190: 965-72$
14. Juul KV et al. Low-dose desmopressin combined with serum sodium monitoring can prevent clinically significant hyponatraemia in patients treated for nocturia. BJU Int 2017;119:776-784
15. Bleidom J et al. Symptomatic treatment (ibuprofen) or antibiotics (ciprofloxacin) for uncomplicated urinary tract infection? – Results of a randomized controlled pilot trial. BMC Med 2010;8:30
16. www.anresis.ch
17. Huttner A et al. Safety, immunogenicity, and preliminary clinical efficacy of a vaccine against extraintestinal pathogenic Escherichia coli in women with a history of recurrent urinary tract infection: a randomised, single-blind, placebo-controlled phase 1b trial. Lancet Infect Dis 2017;17:528-537
18. Langermann S et al. Prevention of mucosal Escherichia coli infection by FimH-adhesin-based systemic vaccination. Science. 1997;276:607-11
19. KranjČec B et al. D-mannose powder for prophylaxis of recurrent urinary tract infections in women: a randomized clinical trial. World J Urol 2014;3:79-8
Aktuelle Bildgebung in der Neurologie
Die Magnetresonanztomographie (MRI), die auf Röntgenstrahlen basierende Computertomographie (CT) sowie die nuklearmedizinische Techniken Positronenemissionstomographie (PET) und Einzelphotonen-Emissionscomputertomographie (SPECT) werden routinemässig bei neurologischen Fragestellungen eingesetzt. Die folgenden Erläuterungen sollen das aktuelle Spektrum der Untersuchungsmöglichkeiten aufzeigen und helfen, für spezifische Pathologien die geeignetste Untersuchungstechnik zu wählen.
Die meisten neurologischen Fragestellungen werden heutzutage mittels MRI abgeklärt. Insbesondere für die Beurteilung der zerebralen Strukturen ist der hohe Weichteilkontrast und die Möglichkeit, mit verschiedenen Geräteparametern spezifische Kontraste zu erzeugen, ein entscheidender Faktor. Zudem liefern MRI Techniken wie die Diffusions- und Perfusionsanalyse sowie die Spektroskopie weitere Informationen auf molekularer Ebene zur Charakterisierung von gefundenen Strukturalterationen (Abb. 1).
Häufige Indikationen für eine MRI Untersuchung sind neben fokalen neurologischen Defiziten, wie sie zum Beispiel bei Ischämien, entzündlich-demyelinisierenden Erkrankungen oder Tumoren vorhanden sind, die Abklärung von Schwindel und Gangunsicherheiten, Seh-, Hör- und Riechproblemen, hypophysäre Hormonstörungen, Kopfschmerzen oder Trigeminusneuralgien. Zur weiteren Beurteilung von dementiellen Entwicklungen oder Bewegungsstörungen werden häufig volumetrische Auswertungen der grauen Substanz durchgeführt, um signifikante Abweichungen vom entsprechenden Alterskollektiv zu erkennen und zu quantifizieren. Aufgrund der früher und spezifischer detektierbaren Veränderungen auf molekularer Ebene werden bei den entsprechenden Abklärungen häufig zusätzliche nuklearmedizinische Techniken wie die PET mit FDG (Fluorodeoxyglukose) zur Einteilung der Demenzformen (Abb. 2,
Tab. 1) oder die SPECT mit Ioflupan (DaTSCAN) zur Evaluation des dopaminergen nigrostriatalen Systems bei Bewegungsstörungen komplementär angewendet.
PET-Untersuchungen mittels markierten Aminosäuren wie Fluoro-Ethyl-Tyrosin (FET) finden zudem Anwendung in der Abklärung von Hirntumoren, da sie in höhergradigen Gliomen stark aufgenommen werden und eine Gewebecharakterisierung sowie Grössenbestimmung zulassen (Im MRI ist es zum Teil schwierig, infiltrative Tumoranteile von umgebenden ödematösen oder posttherapeutischen Veränderungen abzugrenzen). Die CT hat ihren Stellenwert primär bei frischen hämorrhagischen Veränderungen, da im MRI frisches Blut zum Teil nur ungenügend abgegrenzt werden kann (z.B. bei akuten Subarachnoidalblutungen). Zudem wird die gute Visualisierung des Knochens benötigt, um traumatische Frakturen abzugrenzen oder ossäre Texturstörungen zu charakterisieren. Insbesondere bei älteren Patienten lässt sich bei einer CT zudem die Untersuchungszeit kurzhalten (ca. 1 – 5 Minuten gegenüber 30 – 60 Minuten im MRI). Die Kontrastmittelgabe erhöht sowohl bei der CT- wie auch bei der MRI-Untersuchung die Sensitivität zur Detektion von gewissen Pathologien (z.B. Metastasen, Mikroabszesse, meningeale Erkrankungen) und lässt weiterführende Charakterisierungen hinsichtlich einer Blut-Hirn-Schrankenstörung zu (z.B. zur Gradabschätzung bei Gliomen oder zur Beurteilung von Floridität und Mehrzeitigkeit bei demyelinisierenden Erkrankungen).
Naturgemäss muss das potentielle Risiko einer Untersuchung mit dem möglichen Benefit bei der Indikationsstellung abgewägt werden. Bei der CT und den nuklearmedizinischen Untersuchungen sind es insbesondere die ionisierenden Strahlen mit einem potentiellen Effekt auf die genetische Struktur, wenn gleich in den letzten Jahren die applizierten Dosen durch technischen Fortschritt deutlich reduziert werden konnten. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Patienten mit wiederholten Untersuchungen wird daher primär zu einem MRI geraten. Risiken beim MRI bestehen insbesondere bei Fremdmaterial wie Metallsplittern und elektronischen Implantaten, wobei die neueren Generationen von den meisten Medizinaltechnikgeräten unter gewissen Bedingungen MRI tauglich sind. Vor einer MRI Untersuchung sollte der genaue Name des Implantates und dessen Hersteller bekannt sein. Bei
Patienten mit Herzschrittmacher oder Neurostimulator sollte eine strenge Indikationsprüfung erfolgen, da die Untersuchung aufwändig ist: Es können oft nur Sequenzen bei niedriger Feldstärke (1,5 Tesla) mit reduziertem SAR-Wert gefahren werden. Die meisten Schrittmacherimplantate erfordern eine Einstellung des Schrittmachers vor und nach der MRI-Untersuchung durch einen Kardiologen (Rhythmologen). Die potentiell schädigenden Wirkungen bestehen in lokalen Erwärmungen bzw. Verbrennungen, Dislokationen von ferromagnetischen Materialen oder die Ausserfunktionssetzung von elektronischen Geräten. Mechanische Herzklappen sind in der Regel MR-tauglich, da eine allfällige Erwärmung mit dem zirkulierenden Blut abtransportiert wird und Dislokationen aufgrund der stabilen Befestigung nicht festgestellt wurden.
Untersuchungen der Felsenbeine, des Viszerokraniums und des Halses
Zur Beurteilung allfälliger Pathologien der Felsenbeine beziehungsweise des Gehör- und Gleichgewichtsorgans wird primär die CT eingesetzt, wenn es um eine strukturelle Analyse der ossären Strukturen geht (Gehörknöchelchen, otische Kapsel, Integrität der lateralen Schädelbasis) respektive das MRI, wenn eine Beurteilung des membranösen Labyrinthes oder der Nervi vestibulocochlearis und fazialis gewünscht wird. Spätaufnahmen im MRI 4 Stunden nach Kontrastmittelgabe ermöglichen zudem die Detektion eines chochleären und/oder vestibulären Hydrops wie er beim Morbus Menière gesehen wird (1). Zur Abklärung eines möglichen Cholesteatoms wird häufig sowohl eine CT akquiriert zur Beurteilung der Belüftung der Mittelohrkompartimente und zur Evaluation von ossären Arosionen, wie auch ein MRI mit Diffusionssequenz zur Charakterisierung einer allfälligen Raumforderung bzw. Belüftungsstörung. Die Abklärungen von Nasenatmungsbehinderungen oder chronischen Rhinosinusitiden geschieht in erster Linie mittels CT, da insbesondere strukturelle Einengungen detektiert und anatomische Varianten beschrieben werden müssen. Bei Verdacht auf endonasale/sinusale Tumoren, granulomatöse Pathologien oder invasive Pilzinfektionen wird die Untersuchung nach Kontrastmittelgabe durchgeführt und allenfalls mit einem MRI ergänzt. Sowohl für die Beurteilung der Kiefergelenke wie auch der Speicheldrüsen ist die MRI-Technik die Methode der Wahl, wobei dynamische Funktionsaufnahmen bei Kieferöffnung (Movie-Sequenzen) und dedizierte MR-Sialographien ins Unterschungsprotokoll eingeschlossen werden können. Bei zervikalen Pathologien haben sowohl das MRI wie auch die CT ihren Stellenwert und die Empfehlung zur Bildgebungstechnik hängt primär von der klinischen Fragestellung und der Kooperationsfähigkeit des Patienten ab. Das MRI ermöglich eine genauere Gewebscharakterisierung wie z.B. die Detektion einer Hyperzellularität (wie typischerweise sehr ausgeprägt bei Lymphomen), die CT ist aufgrund der schnellen Akquisitionszeit jedoch deutlich weniger artefaktanfällig. Für das ‚Staging’ von ORL-Tumoren mit Suche nach Lymphknotenmetastasen bzw. zur Suche des Primärtumor sbeim CUP-Syndrom (Cancer of unknown origin, d.h. Lymphknotenmetastasen ohne Primärtumor) wird standardmässig das PET/CT hinzugezogen (2). Gefässpathologien werden neben der Duplex-Sonographie wiederum am häufigsten mittels MR-Angiographie abgeklärt, da im MRI sowohl dynamische Flussvisualisationen (4D-Angiographie) wie auch Beurteilungen von Plaque-Morphologie, entzündlichen Wandveränderungen und Dissektionen möglich sind. Die Halsangiographie kann im MRI bezüglich der proximalen supraaortalen Äste aufgrund von Artefakten jedoch eingeschränkt aussagekräftig sein. Bei einer diesbezüglichen Fragestellung ist die CTA der Halsgefässe einschliesslich Aortenbogen / A. subclavia die besser geeignete Untersuchungsmethode.
Untersuchungen der Wirbelsäule und minimal invasive Schmerztherapie
Zur Abklärung von spinalen Pathologien bzw. zur Beurteilung des Myeloms, der Cauda equina, der Nervenwurzeln, der Meningen und der Gefässe ist das MRI der Standard (3). Die konventionellen Myelographien wurden primär durch die nicht invasive MR-Myelographie abgelöst (Abb. 3).
Obwohl das MRI in den allermeisten Fällen im Liegen akquiriert wird, können allfällige biomechanische Wirbelverschiebungen mit zunehmenden Stenosierungen in aufrechter bzw. gewichtstragender Position mit komplementären Röntgenbildern im Stehen sowie in Flexion/Extension detektiert und in die finale Befundsynthese integriert werden. Die CT-Myelographie beschränkt sich auf Fälle, wo eine Kontraindikation für ein MRI vorliegt oder bei Metallimplantaten, die grosse Artefakte im MRI verursachen können, wie z.B. Spondylodesen. Eine CT-Myelographie ermöglicht dann eventuell die Beurteilung von Nervenkompressionen / Spinalkanalstenosen, die ggf. artefaktüberlagert im MRI nicht eruierbar sind.
Bei auch nach durchgeführtem MRI unklaren spinalen Schmerzsyndromen werden zunehmend auch nuklearmedizinische SPECT/CT-Untersuchungen mit Technetium-99m-markierten Phosphonaten zur Detektion von fokal erhöhtem Knochenmetabolismus eingesetzt. Die minimal-invasiven Infiltrationen von lokalen Schmerzgeneratoren (aktivierte Fazettengelenksarthrosen, Spinalkanalstenosen und Nervenwurzelkompressionen) werden aufgrund der genauen Nadelplatzierung und des niedrigen Komplikationsrisikos meist unter CT-Kontrolle durchgeführt. Damit werden zusammen mit muskelstärkenden Übungen häufig gute Langzeitresultate erzielt.
Untersuchungen des peripheren Nervensystems
Die MR-Neurographie hat für die Detektion von lokalen Kompressionssyndromen und intrinsischen Nervenpathologien in den letzten Jahren deutlich an Stellenwert gewonnen. Aufgrund von speziell optimierten Sequenzen wurden hochaufgelöste Visualisierungen von verschiedenen peripheren Nerven und eine Beurteilung der Neventextur bzw. Faszikelstruktur möglich. Zudem lassen sich im gleichen Untersuchungsgang assoziierte Muskeldenervationsmuster erkennen (akute/subakute Denervationsödeme und chronische fettige Degenerationen), um daraus Rückschlüsse auf die zugrundeliegende Pathologie zu gewinnen (4). Mit der gleichen Technik werden zudem Veränderungen des Plexus brachialis wie auch des Plexus lumbosakralis abgeklärt.
Ausblick
Insbesondere im Bereich der Nuklearmedizin finden molekularpathologische Erkenntnisse zunehmend Eingang in die klinischen Abklärungen. Neue Radiotracer ermöglichen, spezifische Stoffwechselvorgänge, Neurotransmitter oder Rezeptoren in-vivo zu visualisieren und zu quantifizieren. Als Beispiel sollen ß-Amyloid und Tau-Protein-Liganden Demenzerkrankungen im Frühstadium erkennen und charakterisieren. Obwohl diese Verfahren aktuell noch nicht in der klinischen Routine etabliert sind, werden sich in den kommenden Jahren wohl einige neue bildgebende Möglichkeiten ergeben – à suivre.
MAS Medical Physics ETH
Medizinisch Radiologisches Institut (MRI) Zürich
Goethestrasse 18
8001 Zürich
fkuhn@mri-roentgen.ch
Der Autor hat keine Interessenskonflikte in Zusammenhang mit diesem Beitrag.
Literatur:
1. Barath, K., B. Schuknecht, A.M. Naldi, T. Schrepfer, C.J. Bockisch, and S.C. Hegemann, Detection and grading of endolymphatic hydrops in Meniere disease using MR imaging. AJNR Am J Neuroradiol, 2014. 35(7): p. 1387-92.
2. Kuhn, F.P., M. Hullner, C.E. Mader, N. Kastrinidis, G.F. Huber, G.K. von Schulthess, S. Kollias, and P. Veit-Haibach, Contrast-enhanced PET/MR imaging versus contrast-enhanced PET/CT in head and neck cancer: how much MR information is needed? J Nucl Med, 2014. 55(4): p. 551-8.
3. Kuhn, F.P., S. Hammoud, M.M. Lefevre-Colau, S. Poiraudeau, and A. Feydy, Prevalence of simple and complex sacral perineural Tarlov cysts in a French cohort of adults and children. J Neuroradiol, 2017. 44(1): p. 38-43.
4. Manoliu, A., M. Ho, D. Nanz, E. Dappa, A. Boss, D.M. Grodzki, W. Liu, A. Chhabra, G. Andreisek, and F.P. Kuhn, MR neurographic orthopantomogram: Ultrashort echo-time imaging of mandibular bone and teeth complemented with high-resolution morphological and functional MR neurography. J Magn Reson Imaging, 2016. 44(2): p. 393-400.