Neueste Entwicklungen in der Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz

In der Schweiz leben derzeit etwa 200’000 Menschen mit einer Herzinsuffizienz. Epidemiologischen Schätzungen zufolge haben 5% (10’000) davon eine Dyspnoe NYHA III bis IV, befinden sich also in einem fortgeschrittenen Stadium. Die steigende Prävalenz dieser Erkrankung ist auf die Reduktion der Sterblichkeit kardiovaskulärer Erkrankungen und die gesamthaft steigende Lebenserwartung der Bevölkerung zurückzuführen. Die Herzinsuffizienz als solche ist die Endstrecke verschiedenster Herzerkrankungen: Koronare Herzkrankheit, primäre Erkrankung des Myokards (dilatative Kardiomyopathie), Klappenvitien oder andere, seltenere Ursachen.

In Switzerland, about 200’000 people are currently living with heart failure. According to epidemiological estimates, 5% (10’000) of these have NYHA III to IV dyspnea, i.e. are in an advanced stage. The increasing prevalence of this condition is due to the reduction in mortality from cardiovascular disease and the overall increase in life expectancy of the population. Heart failure as such is the final stage of various cardiac diseases: Coronary artery disease, primary myocardial disease (dilated cardiomyopathy), valvular vitiation, or other less common causes.
Key Words: Heart failure, heart transplanttation, organ care system

Herzinsuffizienztherapie

Der unangefochtene Grundpfeiler einer effektiven Herzinsuffizienztherapie ist die Aufdosierung der «Fantastic Four». Dies sind bekanntermassen die Medikamente aus den Wirstoffklassen der ACE-Hemmer/AR(N)i, Beta-Blocker, MRA und SGLT2-Inhibitoren. Interventionell-kardiologische und chirurgische Therapien dienen der Behandlung struktureller Probleme, wie der Beseitigung von Koronarstenosen oder Klappenvitien. Auch die kardiale Resynchronisationstherapie bei erweitertem QRS-Komplex und die Implantation eines Kardioverter-Defibrillators insbesondere bei der ischämischen Kardiopathie stellen beide effektive Therapieoptionen dar. Die Anwendung dieser Therapieoptionen verläuft nach einem Stufenschema der Fachgesellschaften (1).

Goldstandard Herztransplantatation

Nach Ausschöpfung sämtlicher konservativer und interventioneller Optionen und Fortbestehen einer symptomatischen Herzinsuffizienz besteht die Indikation für ein Herzersatzverfahren.

Die Herztransplantation ist der Goldstandard für die Behandlung der terminalen, therapierefraktären Herzinsuffizienz mit über 100’000 Transplantationen seit der Erstimplantation 1967 (2). Aufgrund deutlicher Fortschritte im Bereich der Immunsuppression, Organpräservation, Erkenntnissen der Histokompabilität und Operationstechniken, stellt die Herztransplantation eine effektive Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz dar. Das mittlere Überleben nach Herztransplantation beträgt 10-15 Jahre. In der Schweiz wurden jährlich zuletzt 40 Herzen transplantiert. Eine Diskrepanz besteht zwischen Angebot und Nachfrage und viele Patienten versterben auf der Warteliste (Abb. 1). Zudem wird letztendlich nur ein Drittel aller potentiellen Spenderorgane vergeben (3).

Neuerungen zur Erhöhung der Organverfügbarkeit

Somit muss man zwei Kategorien unterscheiden, die letztendlich der Schlüssel zu einer erhöhten Organverfügbarkeit sind. Hier sind auf der einen Seite der potentielle Spender und die Gesetzgebung und auf der anderen Seite die Organqualität zu nennen.

Die erweiterte Widerspruchslösung

Im Bereich des Spenders und der zugehörigen Gesetzgebung hat sich zuletzt sehr viel getan.

So hat sich das Schweizer Stimmvolk am 15. Mai 2022 für die erweiterte Widerspruchslösung ausgesprochen. Bis zur Einführung dieser neuen Modalität der Willensäusserung (frühestens 2025 der Fall), gilt die erweiterte Zustimmungslösung. Ist kein Wille des Verstorbenen bekannt, entscheiden die Angehörigen in dessen Vertretung. Unsicherheiten bezüglich des mutmasslichen Wunsches des nächsten Angehörigen führen so mehrheitlich zur Ablehnung einer Spende.

Bei der zukünftigen erweiterten Widerspruchslösung muss eine Spende zu Lebzeiten aktiv abgelehnt werden. Sonst wird davon ausgegangen, dass ein Spendewille vorliegt. Die Angehörigen könnten dies ablehnen, falls sie Kenntnis davon hätten, dass die Person dies nicht gewollt hätte. Diese Willensäusserung ist fast europaweit Standard, entlastet die Angehörigen und gibt ihnen trotzdem ein Seit Anfang des Jahres wird jetzt auch im Rahmen der Herztransplantation Donation after Cardiocirculatory Death (DCD) praktiziert. Das Herz steht hierbei still, bevor die Organe entnommen werden. Schon vor 2008 in ausgewählten Zentren und schweizweit seit 2011 ist die Transplantation nach Kreislaufstillstand im Bereich der Leber, Nieren und Lungen etabliert und hat die Transplanta­tionszahlen merklich gesteigert (5).

Organ care system

Die Herztransplantation nach dem DCD Prinzip ist jedoch nur mit dem sogenannten Organ Care System (OCS) möglich. Diese technische Neuerung wurde in Vorbereitung auf DCD langjährig geplant und im November letzten Jahres in der Schweiz eingeführt.

Während bei der konventionellen DBD Methode die Herzen nach der Entnahme direkt gekühlt werden und so 4 Stunden zwischen Entnahme und Implantation ohne nennenswerte Schäden verstreichen können, leiden DCD Herzen unter der sogenannten warmen Ischämie im Rahmen des unterschiedlich langen Sterbeprozesses.

Somit bedarf es einer Apparatur, die es uns erlaubt, das Herz nach unterschiedlich langer warmer Ischämie ausserhalb des Körpers zu revitalisieren und auf seine Funktionstüchtigkeit zu prüfen. Das OCS als ex-vivo Perfusions-Apparatur dient genau diesem Zweck (6).

Funktionsweise des Organ Care Systems

Statt des traditionellen Kühlschritts mit Lagerung auf Eis erfolgt beim Organ Care System der Firma TransMedics® eine maschinelle Perfusion. Dabei wird das Spenderorgan mit sauerstoffreichem Blut perfundiert. Diese aktive Perfusion versorgt die Zellen mit Nährstoffen und ermöglicht es dem Organ, weiterhin zu funktionieren und sich zu erholen.

Während des Transports wird das Organ kontinuierlich überwacht. Funktion und Vitalität des Organs entscheiden über die Eignung des Organs als Transplantat (Abb. 2.)

Erweiterte Spenderkriterien

Das OCS ermöglicht uns zudem die Anwendung der sogenannten erweiterten Spenderkriterien, um die Anzahl der Spenderherzen zu erhöhen.

Organe, die unter diese Kategorie fallen, wurden in den vergangenen Jahren aus Angst vor ungewisser Organqualität vermieden. Hierunter fallen Herzen mit reduzierter Pumpfunktion, Herzen älterer Spender (> 55 Jahre), reanimierte Herzen, koronare Herzkrankheit und Alkohol- oder Drogenabhängigkeit beim Spender. Ebenfalls in diese Kategorie gehören geographisch weit entfernte Organe und Verwachsungssituationen bei voroperierten Empfängern, beides Situationen, die zu extrem langen Ischämiezeiten für das Organ führen können.

Sobald eine Ischämiezeit mehr als 4 Stunden beträgt, steigt das Risiko für ein Spenderherzversagen, wobei das Spenderherz­versagen der Hauptgrund für die 30 Tages Letalität darstellt (7).

DCD und OCS den traditionellen Verfahren ebenbürtig?

Letzte Daten haben gezeigt, dass die DCD Methode im mittelfristigen Verlauf der DBD Transplantation ebenbürtig ist und auch im OCS für gut befundene Organe aus dem Bereich der erweiterten Spenderkriterien den kalt präservierten Herzen in ihrer Funktion nicht unterlegen sind (8).

Mechanische Kreislaufunterstützung

Eignen sich Patienten aufgrund ihrer Dringlichkeit, ihres Alters oder Komorbiditäten nicht für eine Herztransplantation, stehen uns vielseitige, mechanische Herzunterstützungssysteme zur Verfügung, die je nach Perspektive kurz- oder langfristige Strategien verfolgen.

Kurzfristige mechanische Kreislaufunterstützung

Vor allem im kurzfristigen Unterstützungsbereich haben wir in den letzten Jahren von einem Erfahrungsgewinn profitiert, der es uns zunehmend erlaubt, Patienten zu einer Erholung oder Überbrückung zur Transplantation zu führen, ohne mit deutlich grösserem Aufwand an ein voll implantierbares Unterstützungssystem gehen zu müssen.

Mit der über die Leiste implantierbaren Impella CP® (Abb.  3A) und der leistungsfähigeren chirurgisch eingelegten Impella 5.5® (Abb.  3B) können wir den Patienten von einer kurzfristigen Unterstützung mit dem alleinigen Ziel der Wiederherstellung der adäquaten Kreislauffunktion in eine Phase der mittelfristigen Stabilisierung überführen, in der die weiteren Strategien mit dem Patienten und seiner Familie diskutiert werden können. Auch kann -neben der Strategie der Erholung und des langsamen Weanings- bei günstiger Blutgruppenkonstellation die hochdringliche Listung zur Transplantation in Erwägung gezogen werden.

Sollte ein zusätzliches Rechtsherzversagen oder Oxygenationsproblem vorliegen, kann die Impella mit einer ECMO (Abb. 3D) oder einem perkutanem Rechtherzunterstützungssystem (Impella RP® oder PROTEK DUO® Kanüle) (Abb. 3C) kombiniert werden.

Langfristige mechanische Kreislaufunterstützung

Für alle weiteren Fälle, in denen die Strategie der kurzfristigen Überbrückung nicht zielführend ist, bieten die langfristigen mechanischen Unterstützungsysteme ebenfalls eine vielversprechende Option zur Überbrückung (Bridge-to-Transplant) oder sogar als Alternative zur Transplantation (Destination), sollten Kontraindikationen gegen diese vorliegen (Alter, prohibitive Nebendiagnosen oder bestimmte psychosoziale Aspekte).

Mit dem HeartMate™ 3 steht uns mittlerweile nur noch ein einziges, dennoch sehr zuverlässiges System zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein sogenanntes Ventricular assist device (VAD) (Abb. 4). Das native Herz verbleibt am Ort und die Pumpe arbeitet parallel zur verbleibenden Restfunktion des Herzens. Das System ist voll implantierbar. Ein durch die Bauchdecke herausgeleitetes Kabel verbindet das System mit einem am Körper getragen
Kontrollsystem und den Batterien (Abb. 5).

Zwei-Jahres Ergebnisse entsprechen denen der Herztransplantation mit einem Überleben von 80%.

Sollte eine reine Unterstützung des linken Herzens nicht ausreichen, kann neben temporären rechtsventrikulären Unterstützungspumpen auch ein kompletter Herzersatz (Total Artificial Heart) in Erwägung gezogen werden. Für diese Therapieform kann nun ein neues und zuverlässiges Kunstherz (Aeson® von Carmat, Abb. 6)) als Überbrückung bis zu einer Transplantation verwendet werden.

Dr. med. David Reineke 1,
Dr. med. Bruno Schnegg 2,
Dr. med. Monika Fürholz 2,
Dr. med. Michele Martinelli 2,
Prof. Dr. med. Lukas Hunziker 2,
Prof. Dr. med. Matthias Siepe 1
1 Abteilung für Herzchirurgie, Inselspital, Universität Bern, Bern, Schweiz
2 Abteilung für Kardiologie, Inselspital, Universität Bern, Bern, Schweiz

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Dr. med. David Reineke

Abteilung für Herzchirurgie
Inselspital, Universität Bern
Bern

Die Autoren haben keinen Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Nach Ausschöpfung sämtlicher “konventioneller” Therapieformen steht uns bei der Behandlung der terminalen Herzinsuffizienz die Herztransplantation und die mechanische Kreislaufunterstützung zur Verfügung. Aufgrund einer Diskrepanz zwischen Anzahl der Spender und Empfänger arbeiten wir über die Gesetzgebung und der Anwendung neuer Techniken daran, diese Kluft zunehmend zu schliessen. Steht uns der Goldstandard der Herztransplantation nicht zur Verfügung, helfen uns kurz- und langfristige Unterstützungssysteme, die Patienten zu stabilisieren, zur erneuten Erholung zu führen oder auch ohne eine Transplantation über viele Jahre eine gute Lebensqualität
zu bieten.

1. Authors/Task Force M, McDonagh TA, Metra M et al. 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: Developed by the Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). With the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur J Heart Fail 2022;24:4–131.
2. Messer S, Ardehali A, Tsui S. Normothermic donor heart perfusion: Current clinical experience and the future. Transpl. Int. 2015; 28:634–642.
3. Sáez D, Zych B, Sabashnikov A, Bowles C, De Robertis F, Mohite, P.N, Simon A. Evaluation of the organ care system in heart transplantation with an adverse donor/recipient profile. Ann. Thorac. Surg. 2014;98:2099–2105.
4. Quelle: www.swisstransplant.org
5. Iyer A, Gao L, Doyle A, Rao P, Cropper J, Soto C, Dinale A, Kumarasinghe G, Jabbour A, Hicks M et al. Normothermic ex vivo perfusion provides superior organ preservation and enables viability assessment of hearts from DCD donors. Am. J. Transplant. 2015;15:371–380.
6. Kothari, P. Ex-Vivo Preservation of Heart Allografts—An Overview of the Current State. J. Cardiovasc. Dev. Dis. 2023;10:105. doi: 10.3390/jcdd10030105.
7. Stehlik J., Edwards L, Kucheryavaya A, Benden C, Christie J, Dipchand A, Dobbels F, Kirk R, Rahmel A, Hertz M. The Registry of International Society of Heart and Lung Transplantation: 29th official adult heart transplant report. J. Heart Lung Transplant. 2012;31:1052-64.
8. Schroder JN, Patel CB, DeVore AD, Bryner BS, Casalinova S, Shah A et al., Transplantation Outcomes with Donor Hearts after Circulatory Death. N Engl J Med. 2023;388:2121-2131.
9. Mehra MR, Goldstein DJ, Cleveland JC, Cowger JA, Hall S, Salerno CT, Naka Y, Horstmanshof D, Chuang J, Wang A, Uriel N. Five-Year Outcomes in Patients With Fully Magnetically Levitated vs Axial-Flow Left Ventricular Assist Devices in the MOMENTUM 3 Randomized Trial. JAMA. 2022;328:1233-1242.

Prädiabetes mellitus

Ein aktueller sehr guter Review Artikel im JAMA (1) zeigt die Bedeutung eines Prädiabetes mit seinen Komplikationen und den therapeutischen Massnahmen umfassend auf. Die Prävalenz in der Bevölkerung der USA beträgt ca. 10% – einer von drei Erwachsenen ist betroffen und etwa 720 Millionen Menschen weltweit.

Übergewicht resp. eine Adipositas (BMI >25/≥30), eine Insulinresistenz und eine Beta-Zell-Dysfunktion führen zu einem Prädiabetes mellitus. Die Definition nach WHO lautet: Nüchtern-Blutzucker (nBz) 6,1-6,9mmol/l, 2-Stunden Blutzucker postprandial: 7,8-11,0 mmol/l (75g Glucose Belastung), HbA1c: 6,0-6,4%. Nach der amerikanischen Diabetes Gesellschaft (ADA) sind die Werte etwas strenger mit: nBz: 5,6-6,9 mmol/l, HbA1c: 5,7-6,4%. Risikofaktoren für einen Prädiabetes sind: eine positive FA für DM, Alter, Über-gewicht/Adipositas, körperliche Inaktivität und ein Schwangerschafts-Diabetes.

Ca. 10% der Patienten mit einem Prädiabetes in USA entwickeln mit der Zeit einen Diabetes mellitus Typ 2. Bei einem Prädiabetes besteht bereits ein deutlich erhöhtes Mortalitäts-Risiko und eine erhöhte kardiovaskuläre Ereignisrate. Die makrovaskulären Komplikationen sind: nicht tödlicher Myokardinfarkt und Schlaganfall. Es kommt auch zu mikrovaskulären Komplikationen wie: Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie. Patienten mit einem chronischen Koronarsyndrom haben nach ADA-Kriterien in 67% einen Prädiabetes, nach WHO-Kriterien in 34%. Pathophysiologisch besteht eine hepatische Insulinresistenz mit erhöhter endogener Glucose Produktion, eine verminderte hepatische Blutzucker Clearance, eine Beta-Zell-Dysfunktion mit Abnahme des Betazellvolumens im Pankreas und ein verminderter Blutzuckerübertritt in die Muskulatur. Der HbA1c-Wert eignet sich sehr gut zur Diagnose des Prädiabetes mellitus. Cave: eine hämolytische Anämie, ein Eisenmangel, eine Hämopathie, eine Urämie, eine Schwangerschaft (SS) und die Schwarze Bevölkerung – hier kann man sich nicht auf obige HbA1c-Werte stützen.

Die Therapie besteht aus einer deutlichen Veränderung des Lebensstils mit Einschränkung der Kalorien und einer Gewichts-reduktion, einer regelmässigen körperlichen Betätigung (≥150 Min/Woche) und eventuell einer Metformin-Therapie. Letztere wird empfohlen bei einem Alter <60 Jahren mit einem BMI ≥35, einem nBz >5,7mmol/l oder einem HbA1c >6,0%. Ebenso bei einem anamnestischen SS-Diabetes. Cave B-12 Mangel bei langer Therapie. Lifestyle Modifikationen sind deutlich besser als die Verordnung von Metformin. Empfohlen werden auch eine Selbstkontrolle und eine Motivationshilfe. Diese Massnahmen führen zu einer Remission des Prädiabetes. Bei Risikopatienten sollte mindestens alle 2-3 Jahre ein Prädiabetes im Labor ausgeschlossen werden. Auch die restlichen kardiovaskulären Risikofaktoren müssen behandelt werden.

In einem zweiten lesenswertem Fortbildungs-Artikel aus Tübingen (2) wird Prädiabetes mellitus als ernst zu nehmende Erkrankung dargestellt. Es ist wichtig, Prädiabetes frühzeitig zu diagnostizieren, da man damit nicht nur Menschen mit einem hohen kardiovaskulären Risiko und einer NAFLD („non-alcoholic fatty liver disease“) rechtzeitig identifizieren kann, sondern auch in dieser Phase der Hyperglykämie oft noch rechtzeitig präventive Maßnahmen erfolgreich einleiten kann. Sie reduzieren das Risiko für die Entstehung eines DM um 50-60%; auch wird die kardiovaskuläre Mortalität gesenkt.

Quelle: 1) Echouffo-Tcheugui J.B. et al; Diagnosis and Management of Prediabetes – A Review ; JAMA 2023; 329 (14): 1206-1216
2) Stefan N.; CME: Prädiabetes – eine Krankheit? Diabetologie 2023;19:215-222

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

Neurovaskuläre Prävention

Ein von der AGLA initiiertes Symposium anlässlich der Jahrestagung der SGK hatte die neurovaskuläre Prävention zum Thema. Unter dem Vorsitz von Prof. Dr. med. Marcel Arnold, Bern und Prof. Dr. med. Augusto Gallino, Bellinzona, wurden aktuelle Themen der neurovaskulären Prävention diskutiert.

Die Rolle von Biomarkern beim ischämischen Schlaganfall

Es ereignen sich ca. 13,7 Mio. neue Schlaganfälle aller Typen jedes Jahr. Global wird jede vierte Person über 25 Jahren einen Schlag­anfall in ihrer Lebenszeit erleiden. Der Schlaganfall ist die zweit-häufigste Todesursache weltweit. Fünfeinhalb Millionen Personen sterben jährlich an einem Schlaganfall und er ist die häufigste Ursache für schwere Langzeitbehinderung, stellte Frau Prof. Dr. med. Mira Katan, Basel, einleitend fest. Die Schlaganfall-Rezidivrate ging bis Mitte der 2000er Jahre zurück, hat sich aber in den letzten zehn Jahren nicht verändert. Die Mehrzahl der kardioembolischen oder hämorrhagischen Schlaganfälle, die ein Rezidiv aufweisen, sind Schlaganfälle desselben Typs, was darauf hindeutet, dass die Umsetzung wirksamer Präventionsstrategien bei diesen Schlaganfall-Subtypen noch suboptimal ist, so die Referentin.

Die wichtigsten Säulen der Sekundärprävention sind 1. Management der Risikofaktoren bei allen Schlaganfallpatienten (Hypertension, Dyslipidämie, Diabetes, Lebensstil/Behaviorale Faktoren (z. B. körperliche Aktivität, Rauchen, Ernährung, Alkoholkonsum, Depression). 2. Spezifische Behandlungen auf der Grundlage der vermuteten Schlaganfall-Ätiologie (Vorhofflimmern: orale Antikoagulation, PFO: Vorhofsohr-Verschluss, symptomatische Karotis-Stenose Carotisendarteriektomie (CEA) und das Carotisstenting (CAS). Vaskulitis: Steroide plus Langzeit immunmodulierende Therapie. Die Identifizierung der zugrunde liegenden Ätiologie stellt ein Problem dar. Es gibt den Kleingefäss-Schlaganfall, den kryptogenen Schlaganfall, das undiagnostizierte paroxysmale Vorhofflimmern, den kardioembolischen Schlaganfall, den embolischen Schlaganfall indeterminierter Ursache (ESUS) sowie andere verdeckte kardioembolische Ursachen. Die Auswirkung einer kontinuierlichen Langzeit-Herzüberwachung im Vergleich zur üblichen Versorgung auf die Erkennung von Vorhofflimmern bei Patienten mit Schlaganfall aufgrund einer Erkrankung der grossen oder kleinen Gefässe wurde in der randomisierten klinischen STROKE-AF-Studie untersucht. Es zeigte sich, dass bei Patienten mit einem Schlaganfall, der auf eine Erkrankung der grossen oder kleinen Gefässe zurückzuführen ist, bei der Überwachung mit einem ICM im Vergleich zur üblichen Versorgung über 12 Monate hinweg signifikant mehr Vorhofflimmern festgestellt wurde. Es sind jedoch weitere Untersuchungen erforderlich, um zu verstehen, ob die Erkennung von Vorhofflimmern bei diesen Patienten von klinischer Bedeutung ist.

Biomarker für eine «verdeckte» kardioembolische Ätiologie: Biomarker der Vulnerabilität (Abwesenheit von Krankheit), Biomarker erhöhter kardialer Thrombogenität (Früherkrankung, nicht nach-weisbar), spezifische Marker (präklinisch nachweisbar, manifest).

Gutenberg Health Study (N=5000): Natriuretische Peptide sind signifikant mit Vorhofflimmern verbunden. Verschiedene Studien zeigten eine klare Assoziation von NTproBNP mit kardioembolischem Hirnschlag und sogar bei Vorhofflimmern nach einem Schlaganfall. Eine der grössten Studien war RESPECT ESUS mit einer Odds Ratio von 1,7.

Auch das MRproANP (midregionales pro-atriales natriuretisches Peptid) zeigt eine signifikante Assoziation mit dem Risiko für einen Schlaganfall. Eine noch laufende Schweizer Studie (MOSES) befasst sich mit der Frage ob eine biologisch unterschiedliche Untergruppe von Patienten mit ischämischem Schlaganfall ohne bekanntes Vorhofflimmern bei der Aufnahme, ausgewählt aufgrund eines Cut-off Wertes für MRproANP von einer direkten oralen Antikoagulation vs. Thrombozytenaggregationshemmer als präventive Therapie profitiert.

Neurovaskuläres Update – die Strategie «Ein Gehirn - ein Leben» zur Schlaganfallprävention


Die Definition der WHO der Gesundheit des Gehirns lautet: Hirngesundheit bedeutet Förderung der optimalen Entwicklung des Gehirns, der kognitiven Gesundheit und des Wohlbefindens für alle Menschen im gesamten Lebens­verlauf. Die Gesundheit des Gehirns ist entscheidend für die allgemeine körperliche, geistige und soziale Gesundheit sowie für das Wohlbefinden, die Produktivität und Kreativität und die Bewältigung von Lebenssituationen. Im Gegensatz zu Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist das Bewusstsein für die Belastung durch neurologische Erkrankungen noch nicht sehr ausgeprägt, so Prof. Dr. med. Alexander Tarnutzer, Baden.

Für die Gesundheit des Gehirns wurden mehrere Faktoren ermittelt (bzw. werden derzeit vorgeschlagen), darunter die folgenden:
– Erhalten: Faktoren, die die geistige und körperliche Gesundheit des einzelnen fördern wie z.B. eine gesunde Ernährung, ausreichender und qualitativ hochwertiger Schlaf, die Pflege sozialer Interaktionen und die Förderung adaptiver Bewältigungsstrategien.
– Schutz und Vorbeugung: umfasst schützende (wie auch vorbeugende) Faktoren wie Vermeidung von übermässigem Alkoholkonsum, Nichtrauchen, Reduzierung des Zuckerkonsums und Kontrolle des Cholesterinspiegels. Bluthochdruck, Übergewicht, Depressionen, Diabetes, Hörschäden und Katarakte sind ebenfalls Faktoren, die sich erheblich auf die Gesundheit des Gehirns auswirken können.
– Zu den Faktoren, die von den politischen Entscheidungsträgern angegangen werden müssen, gehören der Zugang zu Bildung, Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung, die politische Lage, Forschungsstrategien und sozioökonomische Bedingungen.

Zerebrovaskuläre Erkrankung – Auswirkungen der Prävention

Das globale Lebenszeit-Risiko für Schlaganfall (Alter 25 und älter) beträgt etwa 25% (gemischtes Geschlecht). Der Schlaganfall ist für fast 5% aller DALYs und 10% aller Todesfälle weltweit verantwortlich (2/3 aller neurologischen Todesursachen). Mehr als 90 % der Schlaganfallbelastung (DALYs) war auf veränderbare Risikofaktoren zurückzuführen.
– Metabolische Risiken (hoher systolischer Blutdruck, hoher BMI, hoher Nüchternblutzucker, hohes Gesamtcholesterin und einge-schränkte Nierenfunktion) waren für 72,1 % der Schlaganfall-DALYs verantwortlich.
– Verhaltensbedingte Faktoren (Rauchen, schlechte Ernährung, geringe körperliche Aktivität) waren für 66,3 % der zurechenbaren DALYs verantwortlich.
– Umweltrisiken (Luftverschmutzung, Bleiexposition) waren für 28,1 % verantwortlich.
Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die Umsetzung bewährter, wirksamer primär- und sekundärpräventiver Strategien auszuweiten.

Paradigmenwechsel im Bewusstsein der Bedeutung der Gesundheit des Gehirns

Umfassende Initiativen von WHO, EAN, World Federation of Neurology und anderen Akteuren in den Jahren 2020-2022: WHO gründet 2020 Brain HealthUnit. WHO lanciert Globalen Aktionsplan (GAP) zu Epilepsie und anderen neurologischen Störungen.

Die EAN schlägt ihre Strategie für die Gesundheit des Gehirns vor und unterstützt die Entwicklung von Strategien in den 47 nationalen europäischen Mitgliedsgesellschaften zur Förderung des GAP OneNeurology-Initiative.

EAN Gehirn Gesundheitsstrategie: ein Gehirn – ein Leben – ein Ansatz (Claudio I.A. Bassetti et al) mit dem Ziel der Entwicklung eines nicht krankheits- und alterszentrierten, ganzheitlichen und positiven Ansatzes zur Vorbeugung neurologischer Störungen, aber auch zur Erhaltung der Gesundheit des Gehirns und zur Förderung der Genesung nach Hirnschäden.

Fazit

Die Gesundheit des Gehirns hängt von vielen Faktoren ab und ist für die allgemeine körperliche, geistige und soziale Gesundheit von wesentlicher Bedeutung.

Mehr als 90 % der Schlaganfallbelastung (DALYs) sind auf veränderbare Risikofaktoren zurückzuführen und sollten daher durch Primär- und Sekundärprävention angegangen werden.

Paradigmenwechsel im Bewusstsein für die Bedeutung der Hirngesundheit, umfangreiche Initiativen (WHO, EAN, WFN usw.). Eine beträchtliche Anzahl von neurologischen Störungen kann ver-hindert und das allgemeine Wohlbefinden des Einzelnen verbessert werden.

Zerebrovaskuläre Erkrankungen als Modell für die Auswirkungen von Fortschritten bei Behandlung und Prävention seit 1996 auf die DALYs sind beeindruckend!

Individuelles Management des Cholesterinspiegels bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen


Cholesterinwerte sind beim Menschen viel höher als bei allen anderen Arten, wie wilde Primaten (Paviane 2,8mmol/l, Brüllaffe 2,5mmol/l, Nachtaffe 3,6mmol/l), wilde Säugetiere (Pferd 3,6mmol/l, Bär 1,8mmol/l, afrikanischer Elefant 2,8mmol/l), aber auch bei Jägern und Sammlern (Hazda 2,8mmol/l, Inuit 36mmol/l, Pigmäen 3,7mmol/l). Bei modernen Menschen, erwachsenen Amerikanern beträgt der mittlere Cholesterinwert 5,4 mmol/l., stellte Prof. Dr. med. Marcel Arnold, Inselspital Bern, eingangs fest.

Der ischämische Schlaganfall hat viele verschiedene Ätiologien. Ischämischer Schlaganfall bedeutet nicht Atherosklerose. Es gibt verschiedene seltene Ursachen, wie Dissektion, Arteriitis, Fabry Disease, CADASIL (autosomal-dominant vererbte, neuropsychiatrische Erkrankung aus dem Kreis der Leukenzephalopathien). Die European Stroke Organisation (ESO) gibt eine Evidenz-basierte Empfehlung zur Lipidsenkung: Bei Menschen mit ischämischem Schlaganfall oder TIA wird empfohlen, einen LDL-Cholesterinspiegel von <1,8 mmol/l anzustreben, um das Risiko grösserer kardiovaskulärer Ereignisse zu verringern (Stärke der Empfehlung I, Evidenzqualität moderat (I/C). Die Guidelines der American Heart Association/American Stroke Association 2021 empfehlen bei Menschen mit ischämischem Schlaganfall oder TIA (I/C) eine Lipidsenkung mit einem Statin und ggf. Eztimib auf einen Ziel-LDL-C-Wert von <1,8 mmol/l (<70 mg/dl) , um das Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse zu senken. Bei Personen mit sehr hohem Risiko, definiert als Schlaganfall plus eine weiterer ASCVD oder Schlaganfall plus multiple Hochrisikobedingungen ist es vernünftig, eine PCSK9-Hemmer-Therapie einzusetzen, um ASCVD Ereignisse zu verhindern (IIa, B-NR). Der Referent präsentierte die Daten der SPARCL-Studie mit hoher Atorvastatn-Dosis (80mg/Tag) nach Schlaganfall oder TIA. Atorvastatin war beim tödlichen und nicht-tödlichen Schlaganfall) (p=0.03), beim schweren koronaren Ereignis (p=0.003), und beim schweren kardiovaskulären Ereignis (p=0.002) signifikant besser als Placebo. Auch in Bezug auf alle Schlaganfälle war Atorvastatin signifikant besser als Placebo (p=0.003), und in Bezug auf ischämischen Schlaganfall ebenfalls signifikant besser (p=0.01). Die Therapie mit 80mg Atorvastatin fiel aber beim hämorrhagischen Schlaganfall signifikant schlechter aus (p=0.02) mit einer Hazard Ratio von mehr als 3.

Überlegungen nach ischämischem Schlaganfall / TIA

Eindeutige Hinweise für Patienten mit ischämischem Schlaganfall und zusätzlicher koronarer Herzkrankheit oder zerebrovaskulärer Erkrankung der grossen Arterien zur Festlegung eines Ziel-LDL-C-Wertes <1,8 mmol/l.

Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall haben häufig gleichzeitig eine koronare und eine periphere Arterienerkrankung.
Eine kardiologische Untersuchung ist nicht nur erforderlich, um die Ursache des Schlaganfalls zu ermitteln, sondern auch, um eine koronare Herzkrankheit festzustellen.

Eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung auf periphere Erkrankungen ist bei Schlaganfallpatienten wichtig.

Sehr niedrige LDL-Tarife für alle Schlaganfall/TIA-Patienten ohne Atherosklerose scheinen keine evidenzbasierte Strategie zu sein
Es gibt jedoch eindeutige Belege für die Wirksamkeit hochdosierter Statine bei einer heterogenen Population von Schlaganfall-/TIA-Patienten ohne koronare Herzkrankheit und ohne grössere kardioembolische Ursachen mit einem LDL von 2,6-4,9 mmol/l (SPARCL-Studie).
Ziel-LDL-C ist für diese Patienten weniger klar.

Die AHA/ASA-Empfehlung, alle diese Patienten mit Atorvastatin 80 mg zu behandeln, ist möglicherweise zu einfach.

Ein LDL-C-Zielwert von mindestens <2,6 mmol/l (wahrscheinlich niedriger) scheint bei Patienten mit hohen LDL-Werten sinnvoll.
Hochrisikopatienten mit schwerer Atherosklerose können von sehr niedrigen LDL-C-Zielen profitieren. Je niedriger, desto besser.

Alternativ- und Zusatzbehandlungen zu Statinen sind wirksam und verfügbar und werden bei Schlaganfallpatienten oft nicht ausreichend eingesetzt.
Die Statine dürfen im akuten Stadium des Schlaganfalls nicht abgesetzt werden (pleiotrope Effekte).

Leichte Myalgien/Myopathien können bei einigen Schlaganfallpatienten von grösserer Bedeutung sein.

Bei Patienten mit einem eindeutigen nicht-atherosklerotischen Schlaganfall (z. B. Zervikalarteriendissektion, Arteriitis, PFO mit hohem ROPE-Score) gibt es keine Evidenz für eine positive Wirkung von Statinen.

Statine nach ischämischem Schlaganfall bei den Ältesten
Reine retrospektive Kohortenstudie mit 5190 über 65jährigen Patienten , 3157 über 80 Jahre alt zeigte, dass die Statinverschreibung bei 80jährigen und Älteren sowohl in einem niedrigeren Risiko für den kompositen Endpunkt (wiederkehrender Schlaganfall, Myokardinfarkt und kardiovaskuläre Mortalität) , HR o.80 (0.62-1.02) und für die Gesamtmortalität o.67 (0.57-0.80) ergab.

Personalisierte holistische Prävention
Das «Stroke-Card» Konzept (stadiengerechte Nachsorge durch ein multidisziplinäres Team mit individueller Beratung je nach Risikofaktoren (App und 3-Monatsbesuch) reduzierte kardiovaskuläre Ereignisse (5,4% vs. 8,3%; p=0,007), verbesserte die Lebensqualität (<0,001) und war mit einem besseren funktionellen klinischen Ergebnis verbunden (Willeit P et al eClinicalMedicine 2020;25:100476, doi:10.1016/j.eclinm.2020.100476).

Frühzeitige versus späte Einleitung direkter oraler Antikoagulanzien bei Patienten mit Vorhofflimmern nach einem ischämischen Schlaganfall

Prospektive Beobachtungsstudien und zwei kleine randomisierte Studien haben die Risiken und den Nutzen einer frühzeitigen Einleitung der DOAC-Behandlung (meist mit einer medianen Verzögerung von 3-5 Tagen) bei leichten bis mittelschweren ischämischen Schlaganfällen im Zusammenhang mit Vorhofflimmern untersucht. In diesen Studien wurde berichtet, dass eine frühe DOAC-Behandlung mit einer geringen Häufigkeit von klinisch symptomatischen intrakraniellen Blutungen oder hämorrhagischen Surrogatläsionen auf MRT-Scans verbunden war, während ein späterer Beginn der DOAC-Verabreichung (d. h. >7 Tage oder >14 Tage nach dem Index-Schlaganfall) mit einer erhöhten Häufigkeit von rezidivierenden ischämischen Schlaganfällen verbunden war, Dies war keine randomisierte Studie und der Nettonutzen fraglich, erläuterte Prof. Dr. med. Urs Fischer, Basel.

Die ELAN-Studie

Early versus late initiation of direct anticogulants in post-ischaemic stroke patients with atrial fibrillation, eine Studie von Urs Fischer et al (Clinical Trials gov Identifier:NCT03148457). Das Hauptziel der Studie bestand darin, die Auswirkungen einer frühzeitigen Einleitung im Vergleich zu einer späten Einleitung der Gerinnungshemmung abzuschätzen und den Grad der Genauigkeit (d.h. die Konfidenzintervalle) dieser Schätzungen zu ermitteln. Das primäre Ergebnis nach 30 Tagen bei früher Behandlung 2,9%, bei später Behandlung 4,1% OR 0,70 , n.s. Wiederkehrender ischämischer Schlaganfall bei 1,4% vs. 2,6% n.s. Systemische Embolie 0,4% vs. 0,9% Die symptomatische intrakranielle Blutung war bei beiden Behandlungen gleich (0,2%), die schwere extrakranielle Blutung 0,3% vs. 0,5%, OR 0,63 und vaskulärer Tod 1,1% resp.1,0% OR 1.12. Das zusammengesetzte sekundäre Ergebnis nach 90 Tagen war bei früher Behandlung 3,7%, bei später Behandlung 6,6% =R 0,65, signifikant. Wiederkehrender ischämischer Schlaganfall 1,9% vs. 3,1% n.s., Systemische Embolie 0,4% vs. 1,0%, OR 0.42, n.s. Symptomatische intrakranielle Blutung bei beiden Behandlungen 0.2%. Schwere extrakranielle Blutung 0,3% vs. 0,9%, OR 0.40 , n.s. Vaskulärer Tod 1,8% vs. 1,7%, OR 1.04, n.s. Die Subgruppenanalyse ergab nach 30 Tagen beim NIHSS≥10, beim Alter ≥70 Jahre, bei grosser Infarktgrösse und beim weiblichen Geschlecht deutlich bessere Ergebnisse mit der frühen DOAC-Behandlung (nur Hypothesengenerierend). Die Limitationen der Studie sind Ausschluss von Personen mit therapeutischer Antikoagulation bei Baseline, Ausschluss von Personen mit parenchymatösem hämorrhagischem Schlaganfall, Typ 1 und 2, medianem NIHSS Score nach Rando

misierung war eher gering, jedoch mindestens ein Fünftel der Patienten hatten einen schweren Schlaganfall, mehr als ein Drittel erhielten Thrombolyse, mehr als ein Fünftel erhielten eine Thrombektomie.

Die Implikationen von ELAN sind:
Die Raten an symptomatischen intrakraniellen hämorrhagischen Schlaganfällen sind bei früher Antikoagulation gering, wenn eine Imaging-basierte Klassifizierung verwendet wird.

Frühe Behandlung ist vernünftig, wenn aus logistischen oder andern Gründen indiziert.

Frühe Behandlung ist wahrscheinlich besser und unwahrscheinlich, Schaden zu verursachen.

Es gibt keinen Grund die Antikoagulation mit DOACs bei Personen mit akutem ischämischem Schlaganafll und Vorhofflimmern zu verzögern.

Wiederkehrender Schlaganfall trotz Antikoagulation?
Drei Studien untersuchten das Risiko für erneuten Schlaganfall bei Patienten mit und ohne Antikoagulation.

Seiffge et al Ann Neurol 2020: Patienten mit Vorhofflimmern, die trotz vorheriger oraler Antikoagulation einen ischämischen Schlag-anfall erleiden, haben ein höheres Risiko für einen erneuten ischämischen Schlaganfall, obwohl sie einen ähnlichen CHA2 DS2 -Vasc-Score aufweisen wie Patienten ohne vorherige orale Antikoagulation.

Tanaka et al Stroke 2020: Das Risiko für einen erneuten ischämischen Schlaganfall ist bei Patienten mit NVAF (non-valvular atrial fibrillation).-assoziiertem Schlaganfall mit vorheriger Antikoagulation möglicherweise höher als bei Patienten ohne vorherige Antikoagulation.

Yaghi et al, J Beurol 2021: Vorhofflimmern-Patienten, die trotz Antikoagulation einen ischämischen Schlaganfall erleiden, haben möglicherweise ein höheres Risiko für ein ischämisches Wieder-holungsereignis als Patienten, die keine Antikoagulation erhalten haben. Dies deutet auf unterschiedliche zugrunde liegende Pathomechanismen hin, die unterschiedliche Massnahmen zur Schlaganfallprävention erfordern, und die Identifizierung dieser Mechanismen könnte die Strategien zur Sekundärprävention verbessern.

Ursachen für Schlaganfall bei Patienten mit Vorhofflimmern
Adhärenz und Medikamente: Non-Adhärenz, Dosierung, gleichzeitige Medikamenteneinnahme.

Nicht kardiale Abklärung: Gehirn-MRI, vaskuläres Imaging, zusätzliche Tests: Kompetierende Ursachen für Schlaganfall.

Kardiale Abklärung: Kardiales Imaging, Messung der Vorhofsdysfunktion: Kardioembolie trotz Antikoagulation.

Optimale Therapie – Umstellung der Antikoagulation
Schlaganfall trotz Antikoagulation umfasst heterogene Ätiologien, wobei die Kardioembolie trotz ausreichender Antikoagulation am häufigsten ist. Während DOAC mit besseren Ergebnissen verbunden waren als VKA, war die zusätzliche Gabe von Thrombozytenaggregationshemmern mit schlechteren Ergebnissen bei diesen Hochrisikopatienten assoziiert. Die Ergebnisse zeigen, dass dass individualisierte und neuartige Präventionsstrategien über die Antikoagulanzien hinaus erforderlich sind.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Psoriasisarthritis

Die Psoriasisarthritis (PsA) ist eine chronische inflammatorische Systemerkrankung, die mit der Immundermatose Psoriasis (Pso) assoziiert ist. Die Erkrankung birgt neben Schmerzen das Risiko eines Funktionsverlustes am Bewegungsapparat sowie einer Einschränkung der Lebensqualität. Insbesondere im Falle einer ungenügenden Krankheitskontrolle bestehen ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und zahlreiche Komorbiditäten. In diesem Artikel stellen wir die Charakteristika der Psoriasisarthritis in Abgrenzung zu anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen dar und beschreiben Risikofaktoren, die ein fachärztlich rheumatologisches Management erfordern. Das therapeutische Management wird in seinen Grundzügen erläutert.

Psoriatic arthritis (PsA) is a chronic inflammatory disease associated with psoriasis (Pso). Besides pain, PsA bears the risks of functional impairment of the musculoskeletal system and an overall reduction in the quality of life. Especially under insufficient disease control, PsA is associated with an increased risk of cardiovascular disease and numerous comorbidities. In this article, we present the characteristics of psoriatic arthritis distinguishing it from other inflammatory rheumatic diseases and describe risk factors that should encourage its management by a rheumatologist. The therapeutic management will be briefly sketched.
Key words: psoriatic arthritis, psoriasis, screening, treatment

Die Psoriasisarthritis (PsA) entwickelt sich bei ca. 30 % der Psoriasis-Patienten im Krankheitsverlauf. Bei gut 2/3 der Patienten geht die Hauterkrankung den anderen Symptomen voraus. Bei einem Teil der Betroffenen können aber erst Beschwerden am Bewegungsapparat manifest werden, die Hautveränderungen kommen dann im Verlauf dazu. Auch eine PsA ohne Hautbeteiligung ist möglich («Psoriasisarthritis sine Psoriasis»). Insbesondere bei diesen Patienten ist eine genaue Familienanamnese wichtig, denn in der Entstehung der Pso und der PsA spielen genetische Faktoren eine entscheidende Rolle. Die Erkrankung wird ausserdem durch metabolische und mikrobielle Faktoren beeinflusst.

Klinische Präsentation der Psoriasisarthritis

Die klinische Manifestation ist heterogen und umfasst muskulo-skelettale und nicht muskuloskelettale Aspekte (Tab.1). Typisch für die Psoriasis und für die Psoriasisarthritis ist die Assoziation der Entzündung zu mechanischem Stress (auch als «Mechanoinflammation» bezeichnet), was die Prädominanz der Entzündung an mechanisch exponierten Stellen wie der Haut an den Streckseiten über den Gelenken oder den Sehnenansätzen erklären kann.

Haut und Nägel

Neben der Psoriasis vulgaris treten weitere Formen der Psoriasis im Rahmen einer Psoriasisarthritis auf, u.a. die Psoriasis pustulosa, die Psoriasis guttata und die Psoriasis inversa. Die Nagelpsoriasis ist mit einem bis zu dreifach erhöhten Risiko für das Auftreten einer PsA assoziiert.

Periphere Arthritis, Enthesitis und Daktylitis

In 70 % der Fälle präsentiert sich die PsA, insbesondere zu Beginn, als Oligoarthritis. Hierbei kann prinzipiell jedes Gelenk betroffen sein, einschliesslich der DIP (distalen Interphalangeal)-Gelenke. Das Verteilungsmuster ist häufig asymmetrisch, typischerweise können Phalangen im Strahl betroffen sein. Zum Teil zeigt sich eine diffuse Schwellung eines gesamten Fingers oder Zehs mit Beteiligung der Weichteilstrukturen und der Gelenke, welche als Daktylitis oder «Wurstfinger/-zeh» bezeichnet wird. Polyartikuläre Verläufe können bei Fehlen typischer Hautläsion initial schwierig von einer rheumatoiden Arthritis unterschieden werden. Bei ausgeprägten destruktiven Veränderungen entwickeln sich mutilierende Veränderungen, welche dann eine Differenzierung anhand typischer Röntgenbefunde erlauben.

Axiale Manifestation

In bis zu 50 % der Patienten wird eine axiale Manifestation beschrieben. Diese manifestiert sich analog zur axialen Spondylarthritis häufig mit Rückenschmerzen mit entzündlichem Charakter. Der entzündliche Schmerzcharakter zeigt im Gegensatz zu mechanisch assoziierten Schmerzen eine Zunahme in Ruhe und eine Besserung durch Aktivität, eine verlängerte Morgensteifigkeit der Wirbelsäule, sowie ein sehr gutes Ansprechen auf NSAR.

Uveitis und Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Diese nicht muskuloskelletalen Manifestationen treten bei einigen Patienten auf und spielen eine entscheidende Rolle in der Auswahl der Medikation (s. Management).

Komorbiditäten

Die PsA ist mit einer Reihe von Komorbiditäten assoziiert, insbesondere einem erhöhten kardiovaskulären Risiko multifaktorieller Genese. Neben der Inflammation und der Medikation (z.B. NSAR) finden sich bei PsA-Patientin auch häufiger traditionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren wie eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus, Atherosklerose und ein metabolisches Syndrom. Zudem ist die PsA mit Depression und Angststörungen assoziiert.

Labordiagnostik bei Psoriasisarthritis

Die Labordiagnostik in der PsA ist unspezifisch. Im Vergleich zu anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gibt es keine charakteristischen Laborparameter, insbesondere keine Auto-Antikörper. Laboruntersuchungen dienen somit primär dem Ausschluss von Differenzialdiagnosen und dem Screening von Komorbiditäten. Es empfiehlt sich insbesondere die einmalige Bestimmung von Rheumafaktoren und anti-CCP-Antikörpern zur Abgrenzung gegenüber einer rheumatoiden Arthritis. Akut-Phase-Proteine wie das C-reaktive Protein (CRP) sind bei der PsA häufig normwertig, was in der Differenzialdiagnostik ebenfalls hilfreich sein kann. Sind sie erhöht, zeigen sie eine schlechtere Prognose an und können im Verlauf gut mit dem Therapieansprechen korrelieren.

Bildgebung

Charakteristisch für die PsA sind die Coexistenz von erosiven und osteoproliferativen Veränderungen sowie weitere destruktive Veränderungen wie Lysen im Bereich der terminalen Phalangen und das sog. Pencil-in-cup-Phänomen. In axialen Aufnahmen finden sich Veränderungen analog zu axialen Spondylarthritiden, insbesondere können eine Sakroiliitis und Syndesmophyten nachgewiesen werden. MR-tomographisch und sonographisch kann eine entzündliche Aktivität abgebildet werden.

Identifikation von Patienten mit möglicher Psoriasisarthritis

Zur Identifikation von Patienten mit einer möglichen Psoriasisarthritis bei bekannter Psoriasis stehen verschiedene Screening-Tools zur Verfügung, beispielsweise der Fragebogen der Rheumaliga Schweiz (1), der GEPARD (GErman Psoriasis ARthritis Diagnostic questionnaire) Fragebogen (2) oder der Psoriasis Epidemiology Screening Tool (PEST) Fragebogen (3). Anhand von einfachen Fragen kann hiermit die Entscheidung zur rheumatologischen Zuweisung des Patienten erleichtert werden. Relevante Fragen umfassen schmerzhafte Gelenkschwellungen und eine bereits nachgewiesene Arthritis, eine Nagelpsoriasis, eine Daktylitis und eine Achillodynie als möglichen Hinweis für eine Enthesitis (Tab. 2).

Management der Psoriasisarthritis

Das therapeutische Management orientiert sich an dem individuellen klinischen Manifestationsmuster und den Komorbiditäten. Optimalerweise erfolgt die Behandlung im interdisziplinären Team aus Rheumatologen, Dermatologen und Allgemeinmedizinern, sowie ggf. auch Ophthalmologen und Gastroenterologen. Die Patientenedukation, sowie das Screening und Management kardiovaskulärer Risikofaktoren sind immer fester Bestandteil der Behandlung.

Der im Folgenden dargestellte Therapiealgorithmus basiert auf den Empfehlungen der GRAPPA [4] und der EULAR [5; Neue Empfehlungen aus 2023, präsentiert auf dem EULAR Kongress 2023]. Die Erstlinientherapie der muskuloskelettalen Manifestation sind Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR). Bei der Gabe von NSAR müssen gastrointestinale, kardiovaskuläre und renale Risiken beachtet werden. Alternativ oder ergänzend können bei einer Oligoarthritis intraartikuläre Glukokortikoid-Infiltrationen erwogen werden. Systemische Glukokortikoide haben in der Therapie der PsA in aller Regel keinen Stellenwert und sollten vor dem Hintergrund einer möglichen Zunahme psoriatischer Hautläsionen und der Komorbiditäten vermieden werden. Im Falle einer persistierenden Symptomatik unter NSAR nach maximal 4 Wochen oder Vorliegen von negativen prognostischen Faktoren wird eine DMARD (Disease-modifying antirheumatic drug)-Therapie empfohlen (Abb. 1).


Zur Verfügung stehen eine Vielzahl von DMARDs mit unterschiedlichen Wirkmechanismen und Limitationen. Neben den konventionellen, synthetischen (cs)DMARDs wie Methotrexat (MTX) finden sich inzwischen fünf verschiedene zugelassene biologische Wirkprinzipien (TNF-Inhibitoren, IL-17A-Inhibitoren, IL-12/23-Inhibitoren, IL-23-In-hibitoren und ein CTLA4-Inhibitor) und ein weiterer (IL17A/F-Inhibitor mit in Kürze erwarteter Zulassung, sowie Januskinase (JAK)-Inhibitoren und der Phosphodiesterase(PDE)4-Hemmer Apre­milast.
Die Auswahl der Medikation erfolgt individuell anhand des Verteilungsmusters und der Komborbiditäten unter Berücksichtigung der Patientenpräferenzen. Bei axi aler Manifestation, Uveitis oder chronisch-entzündlicher Darmerkrankung sind konventionelle DMARDs i.d.R. nicht ausreichend effektiv.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Katharina Rose

Stadtspital Zürich
Abteilung für Rheumatologie,
Birmensdorferstrasse 497
8055 Zürich

PD Dr. med. Christof Iking-Konert

Stadtspital Zürich
Abteilung für Rheumatologie,
Birmensdorferstrasse 497
8055 Zürich

Die Autorin und der Autor haben keine Interessesnkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Die Psoriasisarthritis (PsA) umfasst neben der Psoriasis und der Arthritis weitere muskuloskelettale (axiale Manifestation, Enthesitis, Daktylitis) und nicht muskuloskelettale (Uveitis, Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen) Features.
  • Der Verdacht auf eine PsA bei Psoriasis-Patienten kann durch Screening-Tools erhärtet werden und sollte eine rheumatologische Mitbeurteilung veranlassen. Spezifische Laborparameter zur Diagnosesicherung existieren nicht.
  • Die Erstlinientherapie muskuloskelettaler Manifestationen sind NSAR. Systemische Glukokortikoide haben in der Therapie der PsA keinen Stellenwert. Das weitere therapeutische Management richtet sich nach dem individuellen Erkrankungsmuster und den Komorbiditäten und erfolgt in einem interdisziplinären Setting.
  • Die Erkrankung ist mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko und weiteren Komorbiditäten assoziiert und erfordert ein entsprechendes Screening und Management.

1 https://www.rheumaliga.ch/fragebogen-psoriasis-arthritis
2 https://www.psoriasis-bund.de/fileadmin/images/download/formulare/GEPARD Fragebogen.pdf
3 Ibrahim GH, Buch MH, Lawson C et al. Evaluation of an existing screening tool for psoriatic arthritis in people with psoriasis and the development of a new instrument: the Psoriasis Epidemiology Screening Tool (PEST) questionnaire. Clin Exp Rheumatol. 2009; 27(3):469-74.
4 Coates LC, Soriano ER, Corp N. et al. GRAPPA Treatment Recommendations domain subcommittees. Group for Research and Assessment of Psoriasis and Psoriatic Arthritis (GRAPPA): updated treatment recommendations for psoriatic arthritis 2021. Nat Rev Rheumatol. 2022;18(8):465-479.
5 Gossec L et al. (2023) EULAR recommendations 2023

Mögliche Interaktionen von SGLT2-Inhibitoren mit intravenösem Eisen

Herzinsuffizienzexperte Prof. Milton Packer, Dallas Texas, London, warnt zur Vorsicht «Besser keine Substitution bei Eisenmangel unter SGLT2-Inhibitoren» (1).

Bei Patienten mit Herzinsuffizienz führen Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren (SGLT2) nachweislich zu einem Rückgang von Hepcidin und Ferritin und einer Erhöhung des Transferrin-Rezeptorproteins, Veränderungen, die typischerweise auf eine Verschlechterung des absoluten Eisenmangels hinweisen, wie er bei schlechter Nahrungsaufnahme oder gastrointestinalen Blutungen auftritt, die beide nicht durch SGLT2-Hemmer ausgelöst werden. Daher können 2 alternative konzeptionelle Rahmen das beobachtete Muster von Veränderungen bei den Eisenhomöostase-Proteinen erklären. Nach der «Hypothese der zytosolischen Eisenverarmung» würde die Wirkung von SGLT2 Inhibitoren zu einem Rückgang von Hepcidin und Ferritin und einem Anstieg des Transferrinrezeptors mit einem Rückgang des zytosolischen Fe2þ führen, der nach dem medikamenteninduzierten Anstieg des Eisenverbrauchs durch Erythropoetin auftritt. Erythropoietin-Mimetika (z. B. Darbepoietin) lösen diese Art von Eisenmangelreaktion aus, die in der Regel mit einer Erythropoietinresistenz einhergeht, die durch intravenöse Eisenzufuhr gemildert wird. Im Gegensatz dazu stellt nach der «Hypothese der zytosolischen Eisenergänzung» die Wirkung von SGLT2-Inhibitoren, die Hepcidin und Ferritin senken und den Transferrinrezeptor erhöhen, eine direkte Wirkung dieser Medikamente dar: 1) die Umkehrung des entzündungsbedingten Anstiegs von Hepcidin und Ferritin und damit die Abschwächung funktioneller Blockaden der Eisenverwertung; und 2) die Erhöhung der Sirtuin-1-Signalisierung, die Hepcidin unterdrückt, den Abbau von Ferritin beschleunigt und das Transferrin-Rezeptorprotein hochreguliert. Durch einen oder beide Mechanismen dürfte die direkte Unterdrückung von Hepcidin und Ferritin zu einem Anstieg des zytosolischen Fe2þ führen, was eine ungedämpfte erythrozytäre Reaktion auf Erythropoietin ohne die Notwendigkeit einer intravenösen Eisensupplementierung bedeutet.

Die Gesamtheit der klinischen Belege unterstützt die «Hypothese der zytosolischen Eisenergänzung», da SGLT2-Inhibitoren zu einer vollständigen und anhaltenden Erythrozytose als Reaktion auf Erythropoietin auslösen, selbst bei Patienten mit offenkundigem Eisenmangel und ohne intravenöse Eisentherapie. Daher gibt das Auftreten eines Eisenmangel-Antwortmusters während der SGLT2-Hemmung nicht eine Verschlechterung der Eisenspeicher wieder, die aufgefüllt werden müssen, sondern, vielmehr eine potenzielle Linderung eines entzündungsbedingten funktionellen Eisenmangels, der häufig bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz auftritt. Eine Behandlung mit intravenösem Eisen ist möglicherweise unnötig und könnte theoretisch schädlich sein (Packer M JACC 2023;11:106-114).

Fazit

SGLT2-Inhibitoren verändern Eisen-Biomarker in einer Weise, die einen Eisenmangel imitiert.

Diese Veränderungen spiegeln die Linderung entzündungsbedingter Veränderungen in der Eisenhomöostase wider, nicht die Verringerung des zytosolischen Eisens.

SGLT2-Inhibitoren lindern den Eisenmangel, was ihre Fähigkeit erklärt, die Erythrozytose und die Adenosinphosphatproduktion in den Kardiomyozyten zu fördern.

Die Wirksamkeit und Sicherheit der gleichzeitigen Verwendung von SGLT2-Inhibitoren und intravenösem Eisen bei Patienten mit Herzinsuffizienz sollte getestet werden, bevor die kombinierte Therapie empfohlen wird.

Quelle: Packer M. Potential interactions when prescribing SGLT2 inhibitors and intravenous iron in combination in heart failure, JACC 2023 ;11 : 106-114.

Dr. med. Urs N. Dürst

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Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Kardio-Stress-MRT bei CHK – hohe diagnostische und prognostische Treffsicherheit bei 74’470 Patienten

Gemäss einer aktuellen systematischen europäischen Übersichts­arbeit und Meta-Analyse im JAMA Cardiology vom 7. Juni 2023 von Ricci F. et al. bestätigt sich, dass das MRI zur Diagnose und Prognose eine ausgezeichnete Bildgebung ohne Strahlenbelastung ist (1).

Es wurden insgesamt 64 Studien ausgewertet: davon 33 diagnostische Studien mit 7814 Patienten und 31 prognostische Studien mit 67’080 Patienten in den Jahren 2000-2021. Dies bei Personen mit stabiler Angina pectoris bei bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit (CHK). Es ergaben sich für den Nachweis einer funktionellen obstruktiven Stenose folgende Resultate (Tab. 1). Bei einer belastungsinduzierten Ischämie bestand eine schlechte Prognose ebenso beim Nachweis eines Late Gadolinium enhancement resp. einer Fibrose oder Narbe (Tab. 2).

Ein unauffälliges Kardio-Stress-MRT hat ein ausgezeichnetes Resultat bezüglich MACE über die nächsten 3 ½ Jahre mit einer geringen Rate von kardiovaskulären Todesfällen von <1%/Jahr.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die kombinierte Beurteilung der induzierbaren Myokardischämie und der späten Gadolinium-Verstärkung durch Stress-CMR eine genaue Methode ist, um Patienten mit stabilen Brustschmerzen und bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit zu diagnostizieren und das Risiko zu stratifizieren.

Quelle: 1) Ricci F. et al. Diagnostische und prognostische Aussagekraft der kardiovaskulären Stress-Magnetresonanztomographie bei Patienten mit bekannter oder vermuteter koronarer Herzkrankheit. Eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse; JAMA Cardiol. Online veröffentlicht am 7. Juni 2023. doi:10.1001/jamacardio.2023.1290

Dr. med. Urs N. Dürst

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