No longer the «Forgotten Valve» – Interventionelle Therapie der Trikuspidalinsuffizienz

Der Trikuspidalklappeninsuffizienz und ihrer Behandlung wurde lange Zeit eine geringe klinische Bedeutung beigemessen, da in der Vergangenheit nur chirurgische Verfahren zur Verfügung standen, die mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden waren. Grundlage der Therapie einer schweren Trikuspidalklappeninsuffizienz bleibt die optimale medikamentöse Behandlung mit Diuretika. Bei anhaltender schwerer Trikuspidalklappeninsuffizienz stehen eine Reihe neuartiger minimalinvasiver Reparaturverfahren sowie die perkutane Trikuspidalklappenimplantation zur Verfügung.

In the past, tricuspid valve regurgitation was considered of little clinical importance as only surgical procedures associated with high mortality rates were available. Cornerstone therapy for severe tricuspid valve insufficiency remained optimal medical treatment with diuretics. However, with advanced interventional techniques and new minimally invasive repair procedures including percutaneous tricuspid valve implantation, an updated assessment of treatment options is essential.
Key Words: Tricuspid valve insufficiency, transcatheter therapy, valve reconstruction, valve replacement

Einführung

Die Prävalenz einer signifikanten, mässigen oder schweren Trikuspidalinsuffizienz (TI) beträgt ca. 0,6% in der Allgemeinbevölkerung und bis zu 3% nach dem 75. Lebensjahr, ähnlich wie bei der Aorten-stenose. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass eine signifikante TI mit einer fast doppelt so hohen Sterblichkeit verbunden ist. Trotz der hohen Prävalenz und der schlechten Prognose wird sie nur selten operativ behandelt (1). Der Outcome bei operativer Sanierung hängt direkt mit der Funktion des linken (LV) und rechten Ventrikels (RV) und des Pulmonalarteriendrucks ab (2-4).
In der Vergangenheit wurde die Funktion der Trikuspidalklappe (TK) von der medizinischen Fachwelt als deutlich weniger wichtig erachtet als die Funktion der Aorten- und Mitralklappe. Ausserdem ging man davon aus, dass eine schwere TI mit alleiniger medikamentöser Therapie gut toleriert und kontrolliert werden kann. Die derzeitige Auffassung über die TK hat sich jedoch erheblich geändert.

Angesichts des hohen Risikos einer Trikuspidalklappenoperation (5, 6) und der schlechten Ergebnisse der konservativen Therapie (7) hat sich die kathetergestützte Trikuspidalintervention in jüngster Zeit als praktikable Alternative zur Chirurgie entwickelt. Zudem zeigten jüngste Studien, dass die Sterblichkeit im Spital, periprozedurale Komplikationen, sowie Dauer des Krankenhausaufenthalts und die medizinischen Kosten bei interventionellem Trikuspidal­repair im Vergleich zu den chirurgischen Methoden tiefer waren (8).

Im Folgenden werden die aktuell gängigen kathetergestützten Verfahren, die für die Reparatur oder den Ersatz der TK zur Verfügung stehen, sowie die damit verbundenen klinisch relevanten Studien erörtert.

Anatomie, Ätiologie und Symptome der Trikuspidalinsuffizienz

Die TK ist die grösste aller Herzklappen und in ihrer Morphologie sehr variabel. Der normale Trikuspidalanulus weist eine unebene D-förmige Struktur auf (9). Das vordere Segel, das eine viereckige Form hat, ist das grösste Segel und weist die grösste Bewegung auf, das hintere Segel, das eine dreieckige Form aufweist, ist das kürzeste. Das septale Segel, das halbkreisförmig ist und Einbuchtungen aufweist, ist das am wenigsten bewegliche Segel und ist direkt über dem interventrikulären Septum am Trikuspidalanulus befestigt (10). Eine kürzlich eingeführte neue Nomenklatur wird der Variabilität gerecht und berücksichtigt auch bikuspide, quadrikuspide und quindikuspide Konfigurationen in 5%, 39%, respektive 2% (11). Zusätzlich wurde die TI auch neu in 5 Schweregrade eingeteilt: reissend («torrential»), sehr schwer («massive»), schwer («severe»), mittelschwer («moderate») und leicht («mild») (12). Die TI ist in hohem Masse vom Ausmass der Dilatation des Klappenanulus abhängig (Abb. 1).

In ca. 90% der Fälle liegt eine sekundäre Genese vor, die Prävalenz nimmt dabei mit dem Alter zu (3, 9, 13, 14). Diese ist zumeist durch eine ischämische Herzkrankheit, Vorhofflimmern, Aorten- oder Mitralklappenerkrankungen, Kardiomyopathien oder pulmonale Erkrankungen verursacht. Eine wichtige Ursache ist auch die durch Schrittmacher- oder ICD-Elektroden induzierte TI. Ähnlich wie bei der Mitralklappe wird auch bei der TK zwischen der atriogenen und ventrikulogenen funktionellen TI unterschieden. Nur bei rund 10% der Patienten liegt eine primäre Aetiologie vor. Ursächlich dafür sind meist degenerative Veränderungen wie myxomatöse Degeneration (Prolaps), Endokarditis, Karzinoid-Syndrom, rheumatische Herzerkrankung oder Bestrahlung des Thorax, seltener kongenitale Ursachen wie eine Ebstein-Anomalie (13).

Zu den typischen Symptomen der TI gehören Müdigkeit und Leistungsreduktion, Atemnot, Appetitlosigkeit, Aszites und periphere Ödeme (13). Zur Verbesserung dieser Symptome werden in erster Linie Diuretika eingesetzt. Eine langjährige, hochdosierte Behandlung mit Diuretika zusammen mit der chronischen Rechtsherzinsuffizienz kann zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion (kardio-renales Syndrom), Leberfunktion und letztlich zu einem Nierenversagen und Leberzirrhose führen.

Behandlung der TI

Die Behandlung der TI ist komplex und sollte deshalb interdisziplinär im Heart Team evaluiert werden, um die optimale Lösung für jeden Patienten individuell definieren zu können. In vielen Fällen kann die defekte Herzklappe chirurgisch rekonstruiert werden. Dieser Eingriff wird meistens minimalinvasiv unter Verwendung der Herzlungenmaschine (HLM) vorgenommen und gilt heute als «Goldstandard». Bei einigen Patienten kommt eine chirurgische Lösung allerdings nicht in Frage, da die rechtsventrikuläre Funktion oder das operative Risiko prohibitiv sind. Für solche Fälle wurden wenig invasive Verfahren entwickelt, die am schlagenden Herzen angewandt werden.

Die Wahl der alternativen, katheterbasierten TK-Intervention (TTVI) ist ebenfalls komplex (Abb. 2). Neben den anatomischen Gegebenheiten ist auch ein umfassendes Verständnis der physiologischen und hämodynamischen Bedingungen wichtig für den Erfolg der Klappenintervention (Tab. 1) (15). Eine multimodale Evaluation, welche nicht-invasive und invasive Untersuchungen kombiniert, ist zentral und sollte idealerweise in einem euvolämen Patientenzustand durchgeführt werden. Dabei sind die zu erwartenden hämodynamischen Auswirkungen einer TTVI zu beachten: Eine Reduktion der TI erhöht akut die Nachlast des RV, was zu einer Verschlechterung der RV-Funktion führen kann. Langfristig zeigen sich aber auch eine Reduktion des RV-Volumens und Verbesserung der RV-Kontraktilität durch Reduktion der Volumenbelastung. Aktuelle Studien konnten trotz initial echokardiographischer Verschlechterung der RV-Funktion eine Verbesserung von Schlagvolumen und Herzminutenvolumen nach TTVI dokumentieren (16, 17).

Das Outcome nach TTVI hängt auch direkt von der Funktion anderer Organsysteme ab, insbesondere der Leber- und Nierenfunktion. Ein vorbestehendes hepato-kardiales Syndrom zeigte ein signifikant schlechteres Outcome nach TTVI hinsichtlich Mortalität und Re-Hospitalisationen wegen Herzinsuffizenz (18).

Transkatheter Trikuspidalklappen Interventionen (TTVI)

Unter katheterbasierte Verfahren fallen (in Analogie zu den Mitralklappenbehandlungen) Rekonstruktionsverfahren wie Implantation von Anuloplastie-Devices (Abb. 3), edge-to-edge repair (TEER, Abb. 3B und Abb. 4) und der interventionelle TK-Ersatz (Abb. 5). Abhängig von der zugrundliegenden valvulären Pathologie bieten sich auch kombinierte Eingriffe an, wie z.B. die direkte Ringanuloplastie mit anschliessender «edge-to-edge-repair». In kürzlich publizierten Studien haben TEER-Devices den echokardiografisch gemessenen Schweregrad der TI in 80-85% der Patienten von schwer auf moderat und davon in 30-50% der Fälle auf leicht reduziert. Gleichzeitig wurden eine signifikante klinische Besserung sowie eine Verbesserung der Lebensqualität dokumentiert (19, 20). Am effizientesten zeigte sich der orthotope Trikuspidalklappen-Ersatz, der bei 90% der Fälle den Schweregrad der TI auf mild oder weniger reduzieren konnte (21).

Transcatheter edge-to-edge valve repair (TEER)

Trikuspid-TEER ist aktuell das häufigste perkutane Verfahren für die Behandlung der TI. Weltweit sind hierfür zwei Implantate kommerziell erhältlich und in Europa für die Behandlung der Trikuspidalklappe zugelassen (CE Marktzulassung): TriClip (Abbott Vascular) und PASCAL (Edwards Lifesciences). Beide Devices folgen dem Prinzip des chirurgischen Alfieri-Stitch (edge-to-edge) und reduzieren die TI durch Koaptation der TK-Segel. In der Handhabung sind sie ähnlich: Der Zugang erfolgt über die Punktion der rechten Femoralvene und das Implantat wird über eine steuerbare Schleuse bis in den rechten Vorhof vorgeschoben. Das lenkbare Kathetersystem wird unter echokardiographischer und fluoroskopischer Kontrolle bis zur TK gesteuert. Die Orientierung und Zahl von implantierten Devices richtet sich nach der Art, Schweregrad und Anatomie der funktionellen und strukturellen Läsion. Am häufigsten werden die Implantate zwischen dem anterioren und septalen Segeln, seltener zwischen posterioren und septalen Segel platziert. Die Echokardiographie spielt eine entscheidende Rolle zur Auswahl anatomisch geeigneter Patienten, sowie intraprozedural zur Anleitung des Eingriffs (mittels TEE). Als geeignete Anatomien für eine TK-TEER gelten v.a. zentrale Jets zwischen dem anterioren und septalen Segel, ein Koaptations-Gap <7mm, ein umschriebener Prolaps oder Flail und eine trikuspide Klappenmorphologie (Tabelle 1). Eher ungeeignet sind Koaptations-Gaps >9mm, schwer verdickte oder verkalkte Segel, die anteroposteriore oder septoposteriore Hauptlokalisation des Jets, quadriskupide oder quindiskuspide Klappenmorphologien, sowie das Vorhandensein einer adhesiven Schrittmacher-Elektrode.

Der TriClip™ (Abbott Vascular) stellt eine modifizierte Form des seit 2008 in der Schweiz eingeführten MitraClip™ Systems dar und ist das erste Device, das eine breite klinische Anwendung erlangte. Um unterschiedlichen Patientenanatomien gerecht zu werden, gibt es TriClip™ in zwei verschiedenen Grössen. Da diese Prozedur am schlagenden Herz durchgeführt wird, kann der Interventionserfolg schon während dem Eingriff mittels TEE beurteilt werden. Die TRILUMINATE-Studie ist die erste randomisierte Studie, in welcher die TTVI mittels TriClip™ mit einer medikamentösen Therapie bei 350 Patienten mit schwerer TI verglichen wurde (20). Die TTVI führte zu einer deutlichen Reduktion der TI (leicht oder mittelschwer in 87% der Patienten). Zwar gab es keine Unterschiede bzgl. Gesamt-Mortalität oder Re-Hospitalisationen zwischen den beiden Gruppen, die Studie war allerdings nicht dafür gepowert. Die Resultate des vordefinierten primären hierarchischen Composite-Endpunktes fielen zugunsten der Device-Gruppe aus, wobei ausschlaggebend hierfür eine Verbesserung der Lebensqualität (gemäss Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire) in der Device Gruppe war. Zudem fand sich ein gradueller Zusammenhang zwischen Verbesserung der TI und subjektiver Besserung: Die besten subjektiven Resultate wurden in der Gruppe erzielt, in welcher die TTVI zu einer Abnahme der TI um 2 oder mehr Grade führte.

Das PASCAL-Reparatursystem (Edwards Lifesciences) ist in zwei Grössen erhältlich. Das PASCAL P10 Device verfügt über einen zentralen Spacer und zwei breitere Klammerarme, während das PASCAL Ace System über dünnere Klammerarme und einen schlankeren Spacer verfügt. Für den Einsatz in der Triksupidalklappe kommt aufgrund der anatomischen Komplexität und Fragilität der Trikuspidalklappe fast ausschliessen das PASCAL Ace System in Frage (22). Vorläufige Resultate der aktuell laufenden Studien (CLASP TR und TRICLASP) bei Patienten mit schwerer TI zeigten nach 30 Tagen eine Abnahme der TI auf lediglich leicht bis mittelschwer bei 86% bis 90% (23, 24). Der enddiastolische RV-Durchmesser wurde signifikant reduziert, während das LV-Schlagvolumen sowie der funktionelle Status, die körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität signifikant verbessert werden konnten. Weitere prospektive, randomisierte Studien, die den TriClip und das Pascal-Device mit optimaler medikamentöser Therapie und alternativen Methoden vergleichen, sind geplant.

Annuloplastie: Cardioband (Edwards Lifesciences)

Die Annuloplastie ist heutzutage ein Standardverfahren in der herzchirurgischen Behandlung der TK-Rekonstruktion. Als Transkatheter-Therapie muss sich die Annuloplastie noch etablieren. Da es sich um eine annuläre Behandlung handelt, zielt sie prinzipiell eher auf die Pathologie assoziiert mit annulärer Dilatation ab. Katheter-basierte Annuloplastie-Systeme lassen sich in Ring- (direkt oder indirekt), nahtbasierte und nicht nahtbasierte Systeme unterteilen. Präinterventionell sind gefährdete Strukturen im Interventionsgebiet mit Bildgebung und Herzkatheter zu beurteilen; die rechte Koronararterie (RCA), das Erregungsleitungssystem (AV-Knoten und rechtes His-Bündel), sowie das Ostium des Koronarsinus. Das Cardioband besteht aus einem adaptierbaren Dacronband, die Grösse des Bandes wird anhand von CT-Messungen bestimmt. Dieses wird vorhofseitig am anterioren Anulus mittels multipler Anker fixiert. Zur Sicherheit wird ein Führungsdraht in die RCA platziert, um eine Verletzung zu vermeiden. Sobald alle Anker eingesetzt sind, wird das System vom Band gelöst und entfernt (22). Unter Studienbedingungen lag das Risiko für eine RCA-Perforation oder einer Komplikation, die eine Stentimplantation erforderte bei 15 % (25, 26).

Transkatheter Trikuspidalklappen-Implantation

Die Transkatheter-TK-Implantation (Abb. 5) ermöglicht die Implantation einer biologischen Klappenprothese in TK-Position ohne den Einsatz einer HLM (Herz-Lungen-Maschine) und ohne chirurgischen Zugang (Sternotomie oder Thorakotomie). Grundsätzlich muss zwischen bereits operierten TK (nach Anuloplastie oder chirurgischem Trikuspidalklappenersatz) und nativen Klappen unterschieden werden: Valve-in-Valve-Eingriffe werden heute idR. mit Ballon-expandierbaren TAVI-Prothesen durchgeführt, welche ähnlich wie bei der Mitraklappe auch für die TK «zweckentfremdet» werden. Valve-in-Ring-Eingriffe sind allerdings bei der TK meist problematisch, da die implantierten chirurgischen Anuloplastie-Ringe idR nicht-geschlossen und uneben sind und daher kein gutes Widerlager für eine Katheter-gesteuerte Prothese darstellen.

Anspruchsvoller ist der orthotope Katheter-basierte Klappenersatz (Abb. 5B) bei der nativen TK. Die Verankerung der Prothese im Annulus ohne Beeinträchtigung der benachbarten anatomischen Strukturen (AV-Reizleitungs-System, RCA, Ostium des S. coronarius, etc.) bildet dabei die grösste Herausforderung. Unterschiedliche Modelle wurden in den letzten Jahren getestet. Aktuell am weitesten fortgeschritten ist das EVOQUE-System (Edwards Lifesciences). Diese selbst-expandierbare Bioprothese steht in verschiedenen Grössen zu Verfügung (44-52mm) und besteht aus Rinderperikard. Der Zugang erfolgt femoral-venös mittels Führungsdraht. Dieses Device weist eine geringe Radialkraft auf um schwere Reizleitungsstörungen oder RCA-Impingement zu vermeiden. Erste Resultate zeigen eine eindrückliche Reduktion der TI, in ca. 90% der Fälle auf leicht und weniger und eine erstaunlich tiefe 1-Jahres-Mortalität von 7-10% (21, 27).

Die EVOQUE ist die erste perkutan orthotop implantierbare Klappe, welche eine CE Zertifizierung für die Behandlung der TI bekommen hat (Oktober 2023).

Ein heterotoper Klappenersatz (Abb. 5A) ist bei schwer symptomatischen Patienten als palliativer Eingriff indiziert, bei denen alle anderen Verfahren ungeeignet oder mit zu hohem Risiko verbunden sind. Dabei erfolgt die Implantation der biologischen Klappen in die untere und/oder obere Hohlvene (uni- oder bikaval) ohne die TK selbst einzubeziehen. Der heterotope bikavale Trikuspidalklappen-Ersatz mittels TricValve (transcatheter bicaval valves system) führt zu einer akuten Reduktion der venösen Druckwerte und damit einer «Entstauung» im Systemkreislauf. Mittelfristig beobachtet man eine Verbesserung der Leistungsfähigkeit, der 6-min-Gehstrecke sowie ein rechtsventrikuläres Remodelling (28). Die TricValve ist ein seit Mai 2021 CE-zertifiziertes Medizinprodukt. Von Vorteil ist, dass diese unabhängig von der Morphologie der Trikuspidalklappe bzw. des Annulus oder des RV implantiert werden können. In der Tricus EURO-Studie konnte bei 35 Patienten eine 94%ige Erfolgsrate mit signifikanter Besserung der echokardiographischen Parameter, Verringerung des Lebervenenrückflusses und funktioneller Besserung gezeigt werden (28).

Bei hoher Gefahr einer Klappenthrombose infolge tiefer Druck- und Flussverhältnisse im rechten Herz ist nach Trikuspidalklappen-Implantation eine Antikoagulation indiziert (22).

Abkürzungen:
TI Trikuspidalinsuffizenz; LV Linker Ventrikel; RV Rechter Ventrikel; TK Trikuspidalklappe; ICD implantierbarer Kardioverter/Defibrillator; TTVI Transkatheter-Trikuspidalklappen-Eingriffe; TEER Transcatheter edge-to-edge valve repair; HLM Herz-Lungen-Maschine; TAVI Transkatheter-Aortenklappen-Implantation; TEE transösophageale Echokardiographie

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Dr. med. univ. Hasan Hadzalic

Herzklinik Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Prof. Dr. med. Roberto Corti

HerzKlinik Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Prof. Dr. med. Oliver Gaemperli

HerzKlinik Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Oliver.Gaemperli@hirslanden.ch

Die HerzKlinik Hirslanden wurde als erste Klinik in Europa als center of excellence für HeartTeam anerkannt und bietet entsprechende Workshops für nationale und internationale Herzklappenzentren.
Die Autoren erklären, dass dieser kurze Review unabhängig von kommerziellen oder finanziellen Beziehungen, die als potenzieller Interessenkonflikt ausgelegt werden könnten, durchgeführt wurde.

◆ Transkatheter-Eingriffe bieten für ein bestimmtes Patientengut eine gute, weniger invasive Alternative zur chirurgischen Sanierung. Dabei ist eine interdisziplinäre Evaluation im Heart Team essentiell.
◆ Die minimalinvasiven, katheterbasierten Verfahren ermöglichen es, dass eine frühzeitige Therapie der «forgotten valve» evaluiert wird.
◆ Je nach Patient, Symptomatik, Klappenmorphologie und Ursache der Insuffizienz sollte eine individuelle Therapiestrategie gewählt werden.
◆ Eine detaillierte prä- und periinterventionelle Bildgebung (insbesondere 3D-TEE und gegebenenfalls CT) sind für die Auswahl von Patient und Interventionstechnik von besonderer Bedeutung.
◆ Die aktuelle Studienlage ist vielversprechend und weist darauf hin, dass eine frühzeitigere Versorgung höhergradiger Trikuspidalinsuffizenzen die Mortalität, Symptome und den klinischen Verlauf signifikant verbessern kann.

 

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Perioperative Therapie beim Nierenzellkarzinom

2020 wurden weltweit 431 288 Nierenzellkarzinome (RCC) diagnostiziert. Der Grossteil der Patienten wird durch eine Lokaltherapie geheilt. Je nach Risikofaktoren rezidivieren allerdings bis zu 70% der Tumore, was eine Einschränkung der Lebenserwartung zur Folge hat. Um eine Verbesserung der Prognose zu erreichen, wurden verschiedene Tyrosinkinase (TKI)-, mTOR- und Checkpointinhibitoren (IO) im perioperativen Setting getestet. Nur in zwei Studien S-TRAC und Keynote 564 konnte eine Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) gezeigt werden. Für Sunitinib im S-TRAC Trial führte dies allerdings nicht zu einer Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS). In Zusammenschau mit der Toxizität des Sunitinib wird der Einsatz von EAU und ESMO nicht empfohlen. Die Keynote 564 Studie wies für Pembrolizumab bei Patienten mit RCC und Risikokonstellation für ein Rezidiv eine Verbesserung des DFS nach und beim diesjährigen ASCO GU wurde eine robuster OS Benefit gezeigt. Es besteht allerdings die Gefahr einer Übertherapie mit dem Risiko von unnötiger Toxizität für den Patienten und einer finanziellen Belastung für das Gesundheitssystem. Die Identifikation von klinischen und molekularen Biomarkern ist entscheidend für eine optimale Patientenselektion.

431,288 renal cell carcinomas (RCC) were diagnosed worldwide in 2020. The majority of patients are cured through local therapy. However, depending on the risk factors, up to 70% of tumors recur, which results in a reduction in life expectancy. To achieve improvement, various tyrosine kinase (TKI), mTOR and checkpoint inhibitors (IO) have been tested in the perioperative setting. Only two trials S- TRAC and Keynote 564 showed an DFS benefit. However, for sunitinib in the S-TRAC trial, this did not lead to an improvement in overall survival (OS). Together with the remarkable toxicity of sunitinib, EAU and ESMO do not recommended the use. Keynote 564 demonstrated an improvement in DFS for pembrolizumab in patients with RCC and a high-risk constellation for recurrence. The presentation at this years ASCO GU showed an OS benefit. However, there is a risk of overtreatment with the risk of unnecessary toxicity for the patient and a financial burden on the healthcare system. The identification of clinical and molecular biomarkers is crucial for optimal patient selection.
Key Words: adjuvant, clear cell carcinoma, immunotherapy, tyrosine kinase inhibitors

2020 wurden weltweit 431 288 Nierenzellkarzinome (RCC) diagnostiziert und 179 368 Todesfälle dokumentiert (1). Der Grossteil der Patienten mit Nierenzellkarzinomen wird durch Lokaltherapien geheilt. Je nach Tumorgrösse, Lymphknotenstatus, Fuhrmangrad rezidivieren allerdings bis zu 70 % der Tumore, was eine Einschränkung der Lebenserwartung zur Folge hat (2). Die Frage der adjuvanten Therapie von Nierenzellkarzinomen hat somit einen grossen Stellenwert zur Verbesserung der Prognose dieser Patientengruppe. In der metastasierten Situation wurden in den letzten Jahren viele Fortschritte mit signifikanter Verbesserung der Überlebenszeit gemacht. Viele von den verwendeten Substanzen wurden als logische Konsequenz auch in der adjuvanten Situation getestet.

Tyrosinkinase- und mTOR Inhibitoren

Die sechs Phase 3 Studien, die Tyrosinkinase- und mTOR Inhibitoren im adjuvanten Setting nutzten, unterscheiden sich hinsichtlich Histologien und Risikogruppen zum Teil erheblich (Tab. 1).

Der S-TRAC Trial konnte eine Verbesserung des DFS für Sunitinib mit einer HR 0,76 (95% KI 0,59 – 0,98) zeigen, was zur Zulassung durch die «US Food and Drug Administration» (FDA) in den USA führte. Eine Verbesserung des OS konnte allerdings nicht gezeigt werden. 27 % der Patienten in der Sunitinibgruppe brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen (AE) ab (3). Eine Zulassung in der Indikation erfolgte daher in Europa nicht und die Therapie wird von ESMO und EAU nicht empfohlen (4, 5). Keiner der anderen Trials mit TKI oder mTOR Inhibitoren konnte einen DFS oder OS Benefit zeigen (6-11).

Checkpointinhibitoren

Für den Einsatz von Checkpointinhibitoren im adjuvanten Setting gibt es vier vorgestellte Phase 3 Studien, die eine Hoch­risikopopulation gemäss Histologie, TNM und Fuhrmangrad einschliessen (Tab. 2).

Die Keynote 564 konnte für Pembrolizumab eine Verbesserung des DFS mit einer HR 0,68 (KI 0,53 – 0,87) zeigen (12). Der Benefit blieb auch im 30 Monate follow up erhalten (13). Dieser DFS Benefit führte zur Zulassung durch die FDA und European Medcine Administration (EMA). Beim aktuellen ASCO GU wurden nun die OS-Daten präsentiert, mit einer statistisch signifikanten Verbesserung HR 0,62 (KI 0,44 – 0,87) (14).
Die aktuellen NCCN Guidelines empfehlen eine adjuvante Therapie mit Pembrolizumab gemäss den Einschlusskriterien der Keynote 564 (15). Die aktuellen ESMO und EAU Guidelines schliessen sich dem mit einer optionalen respektive schwachen Empfehlung an. Allerdings berücksichtigen diese noch nicht den OS Benefit. (4, 5). Der IMmotion 010 Trial untersuchte Atezolizumab bei Patienten mit klarzelligem und sarkomatoid dedifferenziertem RCC ohne DFS-Benefit (16).

Die Checkmate 914 Studie testete die im metastasierten Stadium sehr effektive Kombination aus Ipiliumumab und Nivolumab. Etwas überraschend konnte kein DFS Benefit gezeigt werden (17). Der Prosper Trial verabreichte Nivolumab 2 x präoperativ zusätzlich zur adjuvanten Therapie, aber auch ohne DFS Benefit und wurde vorzeitig beendet (19).

Der RAMPART Trial rekrutiert aktuell Patienten für eine Durvalumabmonotherapie oder die Kombination aus Durvalumab und Tremelimumab. Die erste Datenauswertung ist für 2024 vorgesehen (20).

Die Frage, warum nur eine von vier IO basierten Studien einen DFS und OS Benefit zeigen konnte, kann bisher nicht abschliessend beantwortet werden. Es gibt keinen direkten Vergleich der verschiedenen PD-1 und PD-L1 Inhibitoren in der adjuvanten Situation. Das Studiendesign und die Einschlusskriterien der verschiedenen Studien sind heterogen. Prosper schloss nicht klarzellige Histologien ein, welche ein geringeres Ansprechen auf eine IO-Therapie im metastasierten Stadium zeigen (21). Die Subgruppenanalyse sowohl von der Keynote 564 als auch der CheckMate 914 lassen für Tumore mit sarkomatoider Differenzierung einen Benefit vermuten (13, 17).

Patienten mit vollständiger Metastasenresektion (M1 NED) wurden in der Keynote 564 und in der IMmotion 010, nicht aber in der CheckMate 914 eingeschlossen. Auch der PROSPER Trial schloss Patienten mit M1 NED ein, allerdings nur 3%. In der Subgruppenanalyse der Keynote 564 profitieren insbesondere Patienten mit M1 NED.

Die Therapiestrategie für den Rezidivfall nach adjuvanter Therapie ist aktuell noch unklar. Ist von einer IO/IO oder IO/TKI Therapie noch ein Benefit zu erwarten?

Spielt die Therapiedauer und kumulative Dosis eine Rolle? CheckMate 914 hatte eine geplante Therapiedauer von nur 6 Monaten. Trotzdem brachen 32% der Patienten die Therapie vorzeitig ab. Es gibt einen dritten Studienarm mit einer Nivolumabmonotherapie, auch für diesen konnte keine DFS-Benefit gezeigt werden (17,18). Ausserdem wurde mit der 6 wöchentlichen Gabe ein anderes Ipilimumabschema als im metastasierten Stadium üblich gewählt. Vergrösserte Therapieintervalle für Ipiliumumab gehen nicht mit einer reduzierten Effektivität in der metastasierten Situation einher (22).
Der nun nachgewiesene solide OS Benefit für Pembrolizumab ändert die Situation. Es ist davon auszugehen, dass die Guidelines der Fachgesellschaften angepasst werden.

Im präsentierten Zeitraum von 48 Monaten waren 64,9% in der Pembrolizumabgruppe vs 56,6% in der Placebogruppe ohne Rezidiv (14). Dies bedeutet aber auch, dass für 56,6% der Patienten Pembrolizumab eine Übertherapie darstellen würde. Eine optimale Patientenselektion ist also von entscheidender Bedeutung, und die Identifikation von klinischen und molekularen Biomarkern ist Gegenstand laufender und zukünftiger Forschung.

Dr. med. Katharina Hoppe

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Medizinische Onkologie und Hämatologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

Prof. Dr. med. Richard Cathomas

Klinik für Onkologie/Hämatologie
Kantonsspital Graubünden
Loëstrasse 170
7000 Chur

richard.cathomas@ksgr.ch

K. Hoppe hat folgende COI: Bayer, BMS, MSD,
Novartis, Pfizer. R.Cathomas hat folgende COI: Consulting für BMS, MSD, Roche, Pfizer, Bayer, Honoraria von BMS

◆ Die Frage der adjuvanten Therapie von Nierenzellkarzinomen ist weiterhin nicht beantwortet. Adjuvant Pembrolizumab zeigt zwar einen DFS Benefit aber bisher nur einen Trend für ein OS Benefit. Eine Therapie kann nach ausreichender Kosten- und Nutzenabwägung gemeinsam mit dem Patienten insbesondere bei Hochrisikokonstellation wie zum Beispiel sarkomatoider Differenzierung evaluiert werden. Um eine Übertherapie mit der Gefahr unnötiger Toxizität zu verhindern ist die Identifikation von klinischen und molekularen Biomarkern entscheidend für die optimale Patientenselektion.

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4. eUpdate – Renal Cell Carcinoma Treatment Recommendations: https://www.esmo.org/guidelines/guidelines-by-topic/esmo-clinical-practice-guidelines-genitourinary-cancers/renal-cell-carcinoma/eupdate-renal-cell-carcinoma-treatment-recommendations-4; [
5. EAU Guidelines on Renal Cell Carcinoma [Available from: https://d56bochluxqnz.cloudfront.net/documents/full-guideline/EAU-Guidelines-on-Renal-Cell-Carcinoma-2023.pdf.
6. Haas NB, Manola J, Dutcher JP, Flaherty KT, Uzzo RG, Atkins MB, et al. Adjuvant Treatment for High-Risk Clear Cell Renal Cancer: Updated Results of a High-Risk Subset of the ASSURE Randomized Trial. JAMA Oncol. 2017;3(9):1249-52.
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10. Gross-Goupil M, Kwon TG, Eto M, Ye D, Miyake H, Seo SI, et al. Axitinib versus placebo as an adjuvant treatment of renal cell carcinoma: results from the phase III, randomized ATLAS trial. Ann Oncol. 2018;29(12):2371-8.
11. Ryan CW, Tangen CM, Heath EI, Stein MN, Meng MV, Alva AS, et al. Adjuvant everolimus after surgery for renal cell carcinoma (EVEREST): a double-blind, placebo-controlled, randomised, phase 3 trial. Lancet. 2023;402(10407):1043-51.
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13. Powles T, Tomczak P, Park SH, Venugopal B, Ferguson T, Symeonides SN, et al. Pembrolizumab versus placebo as post-nephrectomy adjuvant therapy for clear cell renal cell carcinoma (KEYNOTE-564): 30-month follow-up analysis of a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet Oncol. 2022;23(9):1133-44.
14. Choueiri et al. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr LBA359)
15. NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology (NCCN Guidelines®)
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16. Pal SK, Uzzo R, Karam JA, Master VA, Donskov F, Suarez C, et al. Adjuvant atezolizumab versus placebo for patients with renal cell carcinoma at increased risk of recurrence following resection (IMmotion010): a multicentre, randomised, double-blind, phase 3 trial. Lancet. 2022;400(10358):1103-16.
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18 Motzer et al. J Clin Oncol 42, 2024 (suppl 4; abstr LBA358)
19. Allaf M, Kim SE, Harshman LC, McDermott DF, Master VA, Signoretti S, et al. LBA67 Phase III randomized study comparing perioperative nivolumab (nivo) versus observation in patients (Pts) with renal cell carcinoma (RCC) undergoing nephrectomy (PROSPER, ECOG-ACRIN EA8143), a National Clinical Trials Network trial. Annals of Oncology. 2022;33:S1432-S3.
20. Oza B, Frangou E, Smith B, Bryant H, Kaplan R, Choodari-Oskooei B, et al. RAMPART: A phase III multi-arm multi-stage trial of adjuvant checkpoint inhibitors in patients with resected primary renal cell carcinoma (RCC) at high or intermediate risk of relapse. Contemp Clin Trials. 2021;108:106482.
21. Zoumpourlis P, Genovese G, Tannir NM, Msaouel P. Systemic Therapies for the Management of Non-Clear Cell Renal Cell Carcinoma: What Works, What Doesn’t, and What the Future Holds. Clin Genitourin Cancer. 2021;19(2):103-16.
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COPD 2023

Die COPD gilt als Volkserkrankung. Die globale Prävalenz der COPD liegt bei 10,3% mit steigender Tendenz aufgrund der steigenden Anzahl rauchender Menschen in low and middle-income-countries (LMICs) und der zunehmenden Alterung in high income countries. Wie schon in den Vorjahren gab es 2023 von der Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) ein Update zur erstmalig 2001 publizierten Empfehlung bezüglich Diagnose, Management und Prävention der COPD mit einigen essentiellen Neuerungen. (1)

COPD is considered a widespread disease and the global prevalence of COPD is 10.3% with an upward trend due to the increasing number of smokers in low and middle-income countries (LMICs) and the ageing population in high-income countries. As in previous years, in 2023 the Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) issued an update to the recommendation first published in 2001 recommendation regarding the diagnosis, management and prevention of COPD with some essential innovations (1).
Key Words: COPD, Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD), prevention of COPD

Unter anderem wird die Definition der Erkrankung COPD angepasst, die berücksichtigt, dass neben dem Tabakrauch als Hauptursache der Erkrankung andere weitere pathogenetische Mechanismen zur klinischen Präsentation der COPD als sehr heterogene Erkrankung beitragen. Die angepasste Taxonomie umfasst folgende sogenannte Etiotypen der COPD:

► COPD-G (genetic): genetisch determinierte COPD, z.B. AA1AT Mangel
► COPD-D (developement): durch abnorme Lungenentwicklung verursacht, z.B. Frühgeburtlichkeit
► COPD-C (cigarette): durch Exposition zu Tabakrauch (Zigaretten, Passivrauchexposition, Vaping/E-Zigarette) verursacht
► COPD-P (pollution): durch Exposition gegenüber (Luft-) Schadstoffen verursacht
► COPD-I (infections): durch schwere/wiederholte (frühkindliche) Infekte verursacht
► COPD-A (asthma): in Verbindung mit Asthma in Kindheit stehend
► COPD-U (unknown): unbekannte Urache

Die Diagnose der COPD sollte aufgrund der Anamnese, klinischen Symptomen, körperlicher Untersuchung und zudem spirometrischer Untersuchung gestellt werden. Bei der Spirometrie gilt weiterhin eine postbronchodilatatorische FEV1/FVC Ratio (Tiffeaneauwert) unter 70 % als Hinweis für eine obstruktive Ventilationsstörung. Es ist aber zu beachten, dass die Verwendung eines fixen FEV1/FVC Verhältnisses (kleiner 70%) zur Definition einer Obstruktion bei älteren Menschen zu einer Überdiagnose und bei jungen Erwachsenen zu einer Unterdiagnose einer obstruktiven Atemwegserkrankung bzw. der COPD führen kann, insbesondere bei leichten Erkrankungen (2).

Favorisiert wird daher die Verwendung eines Grenzwertes, der auf der unteren Grenze der Normalwerte für FEV1/FVC basiert (LLN: lower limit of normal). Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein erniedrigter FEV1 Wert (FEV1 kleiner 80% des Referenzwertes nach Bronchodilatation) bei gleichzeitig noch normalem Tiffeaneauwert über 70 % mit respiratorischen Beschwerden verbunden ein Vorbote einer COPD sein kann (PRISm: Preserved ratio impaired spirometry). Diese Patientengruppe weist auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für Komorbiditäten insbesondere kardiovaskuläre Erkrankungen und eine höhere

Mortalität jedweder Ursache auf (3). Die Einteilung der COPD-Patienten in die Schweregrade GOLD 1-4 erfolgt weiterhin bei eingeschränktem Tiffenauwert unter 0,7 bzw. 70 % nach bronchialem Dilatationstest abhängig von der Einschränkung der absoluten Einsekundenkapazität (GOLD 1: kleiner 80 % vom FEV1 Sollvolumen bis GOLD 4: kleiner 30 % vom FEV1 Sollvolumen).

Erwähnt werden sollte auch, dass eine nicht vollständige Reversibilität der Obstruktion im Bronchospasmolysetest (Spirometrie vor und 10 -15 min nach Gabe eines kurzwirksamen Betamimetikums mit positivem Befund bei Besserung der FEV1 um mehr als 200 ml und 10 % gegenüber Ausgangswert) auch bei Asthma und anderen Erkrankungen vorkommen kann. Zudem wird bei diagnostischen Unklarheiten die erweiterte lungenfunktionelle Diagnostik (hier v.a. Bodyplethysmographie und die Messung der Diffusionskapazität) und auch bildgebende Untersuchungen ((Herz-)ultraschall, Computertomographie, Pulsoxymetrie (auch bei Belastung, z.B. Sechsminutengehtest)) empfohlen. Gerade das CT Thorax sollte bei Patienten mit rezidivierenden Exacerbationen (u.a. Frage nach Bronchiektasien) bei einem FEV1 Wert unter 45% (u.a. Frage nach Hyperinflation/Emphysem), bei Symptomen die nicht im Verhältnis zum Schweregrad der Lungenfunktionseinschränkung bestehen (u.a. Frage nach Lungenfibrose) und bei Patienten, die die Kriterien für eine Lungenkrebsfrüherkennung erfüllen, erfolgen (4).

Betont wird von GOLD weiterhin die Bedeutung von Komorbiditäten wie v.a. kardiovaskulären Erkrankungen, Lungenkrebs, Osteoporose, gastrooesophagealer Reflux, Diabetes mellitus, Depression und Angststörungen sowie Sarkopenie, welche einen signifikanten Einfluss auf den Verlauf der COPD-Erkrankung und die Prognose haben. Dabei wird neben dem Rauchen auch eine chronische Inflammation im gesamten Organismus als Ursache für die Komorbiditäten vermutet (5).

Aufgrund der grossen Bedeutung von Exacerbationen für den Verlauf und die Prognose der COPD-Erkrankung werden die Schweregrade C und D neu zum Schweregrad E zusammengelegt, der, unabhängig von der Symptomschwere, durch mindestens zwei moderate Exazerbationen, beziehungsweise eine Exacerbation, die aber zur Hospitalisierung führt, charakterisiert ist (Abbildung 1).

Die Symptomatik sollte mittels CAT (COPD-Assessment-Test) oder mMRC (modified Medical Research Council)-Grades ermittelt werden und bestimmt die Einteilung in Gruppe A (wenig Symptome) oder B (starke Symptome), wenn nicht mehr als eine moderate Exacerbation (ohne Hospitalisierung) im Jahr stattgefunden hat (6, 7).

Ein wichtiger neuer Aspekt ist auch die angepasste Definition einer Exacerbation. Diese ist durch zunehmende Atemnot und/oder Husten mit Sputum innerhalb von weniger als 14 Tagen gekennzeichnet. Dies kann mit Tachypnoe und/oder Tachykardie einhergehen und ist oft mit gesteigerter lokaler und systemischer Inflammation verbunden, welche durch Atemwegsinfektionen, Luftverschmutzung oder andere Irritationen der Atemwege verursacht wird (8).

Wichtige Differentialdiagnosen bei einer COPD-Exacerbation sind Lungenembolie, kardiale Dekompensation, Myocardinfarkt, Pneumonie und Pneumothorax (9). Die Langzeitprognose einer COPD- Exazerbation mit Krankenhausaufenthalt ist mit Sterblichkeitsrate von ca. 50 % nach 3,6 Jahren schlecht. Zu den prognostischen Faktoren, die unabhängig voneinander mit einem schlechten Verlauf verbunden sind, gehören höheres Alter, niedrigerer BMI, Komorbiditäten (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Lungenkrebs), frühere Krankenhausaufenthalte wegen COPD-Exazerbationen, klinischer Schweregrad der Exacerbation und Notwendigkeit einer langfristigen Sauerstofftherapie bei der Entlassung.

Auch wenn bis 80 % aller Exacerbationen ambulant behandelt werden können (medikamentös mit Bronchodilatoren, Steroidstosstherapie mit 40 mg Prednison für 5 Tage und Antibiotika bei Patienten mit den drei Kardinalsymptomen vermehrte Dyspnoe, vermehrte Sputummenge und Sputumpurulenz) (10, 11) schlägt GOLD folgende Indikationen für eine Spitaleinweisung bei Exacerbation vor:

► schwere Symptome wie akute Dyspnoezunahme in Ruhe, hohe Atemfrequenz, schlechte Sauerstoffsättigung, neu Verwirrtheit
► akute respiratorische Insuffizienz
► Neuauftreten von körperlichen Zeichen wie Zyanose oder peripheren Ödemen
► fehlendes Ansprechen auf die initiale medikamentöse Therapie der Exacerbation
► schwere Komorbiditäten wie Herzinsuffizienz oder neu aufgetretene Herzrhythmusstörungen
► insuffiziente häusliche Versorgung

Die meisten COPD-Patienten leiden noch mehrere Wochen lang an den Folgen der Exacerbation und kommen oft nie auf ihren ehemaligen klinischen Stand zurück. Eine frühzeitige klinische Nachkontrolle sollte innerhalb eines Monats nach der Entlassung erfolgen und führt zu weniger Rückfällen bzw. Re-Exacerbationen (1).

Die Therapie der stabilen COPD basiert auf der Symptomatik und Exacerbationshistorie mit Einteilung in die Risikogruppen A, B und E und gliedert sich in zwei Teile, einerseits die initiale Therapieempfehlung und andererseits die Follow-Up-Behandlung.

Die Basistherapie der COPD besteht grundsätzlich aus Bronchodilatoren, in Gruppe A empfiehlt GOLD einen kurz- oder langwirksamen Bronchodilatator mit Präferenz für ein langwirksames Präparat, hierbei mit gewisser Bevorzugung langwirksamer Anticholinergika. In den Gruppen B und E ist die duale Bronchodilatation (Kombination aus LABA (long acting beta agonists) und LAMA (long acting muscarinic agonists) die Therapie der Wahl. Die Kombination aus LABA und ICS (inhaled corticosteroid) wird bei der COPD-Therapie grundsätzlich nicht mehr empfohlen. Falls ICS indiziert sind (siehe Graphik ICS Therapie Kriterien) sollte eine Dreifachkombination aus LABA, LAMA und ICS erfolgen. Als Kriterium für ICS als zusätzliche Therapie in Gruppe E sollte die Zahl der eosinophilen Zellen im Differentialblutbild (grösser als 300 Eosinophile/µl) und die Exacerbationshistorie herangezogen werden. Eine Langzeitgabe von oralen/systemischen Steroiden ist kontraindiziert.

Bei der Followup Situation ist entscheidend, ob die Patienten mehr unter Symptomen leiden oder aber eher bei dem Patienten unter Therapie zwischenzeitlich Exacerbationen aufgetreten sind. Bei einer bereits laufenden Therapie mit LABA/LAMA Kombination wird dann eine Eskalation mit ICS empfohlen (LABA/LAMA/ICS Kombination = Tripletherapie), falls die Eosinophilenzahl im peripheren Blutbild bei mehr als 100 Zellen/µl liegt. Hier ist aber zu beachten, dass eine ggf. zum Zeitpunkt der Blutbildbestimmung durchgeführte systemische Steroidtherapie eine ansonsten vorliegende Eosinophilenzahl von über 100/µl verschleiern kann.

Im Vergleich zu einer LAMA/LABA Kombinationstherapie kann die Behandlung mit einer Tripletherapie bei symptomatischen Patienten, bei denen es unter Therapie zu Exacerbationen kommt, einen signifikanten Überlebensvorteil bringen (12).

Fixkombinierte Wirkstoffe (sog. fixe Triple-Therapie) bieten hinsichtlich des grösstmöglichen Nutzens und der Therapieadhärenz einen Vorteil. Grundsätzlich empfiehlt GOLD vor/bei jeder Therapieänderung eine Bewertung, Überprüfung und Berücksichtigung der Symptomatik und Exacerbationshistorie aber auch der Inhalationstechnik und Therapietreue sowie von nichtpharmakologischen Massnahmen wie Rauchentwöhnung oder auch ambulante/stationäre Rehabilitationsmassnahmen mit dem Ziel der Steigerung der körperlichen Aktivität.

Darüber hinaus wird allen COPD-Patienten die Influenza-, SARS- Cov-2-, Pneumokokken-, Pertussis- und Herpes Zoster-Impfung empfohlen.
Last but not least ist für die optimale Betreuung unserer COPD-Patienten die bestmögliche Kooperation von Hausärzten, Fachärzten, Physiotherapeuten, Ernährungsspezialisten, Rehabilitationsmedizinern und im Endstadium auch Palliativmedizinern essentiell und unabdingbar.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Andreas Piecyk

LungenZentrum Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

a.piecyk@lungenzentrum.ch

Interessenskonflikt: Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. The G lobal Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease, 2023 GOLD REPOR
2. Guder C. et al.: Gold or lower limit of normal definition? A comparison with expert based diagnosis of chronic obstructive pulmonary disease in a porspective cohort study. Respir Res 2012 Feb 6;13(1):1
3. Stolz D. et. al.: Towards the elimination of chronic obstructive pulmonary disease: a Lancet Commission. Lancet 2022 Sep 17;400(10356):921-972.
4. Galban C et. al.: Computed tomography-based biomarker provides unique signature for diagnosis of COPD phenotypes and disease progression. Nat Med 2012 Nov;18(11):1711-5.
5. Fabbri L. M. et. al.: Complex chronic comorbidities of COPD. Eur Respir J 2008 Jan;31(1):204-12.
6. Fletcher CM: Standardised questionnaire on respiratory symptom: a statement prepared and approved by the MRC Committee on the Aetiology of Chronic Bronchitis (MRC breathlessness score). BMJ 196: 2: 1662.
7. Jones P.W. et al.: Development and first validation of the COPD Assessment Test. Eur Respir J 2009 Sep;34(3):648-54.
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9. Beghè B. et al.: Exacerbation of respiratory symptoms in COPD patients may not be exacerbations of COPD. Eur Respir J 2013 Apr;41(4):993-5.
10. Leuppi J.D. et. al.: Short-term vs Conventional Glucocorticoid Therapy in Acute Exacerbations of Chronic Obstructive Pulmonary DiseaseThe REDUCE Randomized Clinical Trial. JAMA. 2013;309(21):2223-2231.
11. Miravittles M. et. al.: Sputum colour and bacteria in chronic bronchitis exacerbations: a pooled analysis. Eur Respir J 2012 Jun;39(6):1354-60.
12. Martinez FJ, et al.: Reduced All-Cause Mortality in the ETHOS Trial of Budesonide/Glycopyrrolate/Formoterol for Chronic Obstructive Pulmonary Disease. A Randomized, Double-Blind, Multicenter, Parallel-Group Study. Am J Respir Crit Care Med 2021;203:553–564

Chinzig Chulm

Zwischen dem 24. und 27. September 1799 überschritt General Suworow mit seiner Armee von Altdorf kommend den Chinzig Chulm nach Muotathal, wo er vergeblich den Ausbruch nach Schwyz und weiter den Zusammenschluss mit den verbündeten Armeen bei Zürich suchte. Der Chinzigpass stellte grössere technische Herausforderungen für seine Soldaten als der Gotthardpass, da dieser zweite Übergang nur von lokaler Bedeutung und deshalb lediglich durch kaum oder schlecht befestigte Bergwege erschlossen war.

Wie am Gotthard und in der Schöllenenschlucht musste sich die russische Armee auch hier den Weg zum Pass hinauf freikämpfen und vorerst zwei französische Bataillone mit dem Bajonett besiegen. Danach waren die Soldaten und ihr Tross schlechtem Wetter mit eisigem Wind, Regen und Schneefall ausgesetzt. Die Wege waren vermutlich bald einmal völlig verschlammt oder vereist und stellten Truppen sowie Train insbesondere im stotzigen Aufstieg zum Chinzig Chulm vor grosse Schwierigkeiten. An die Biwaks in nasser Kleidung und ohne adäquate Ausrüstung mag man gar nicht erst denken. Während meiner Überschreitung des Passes am 23. November 2018 bei ebenfalls launischem Wetter und eisigem Wind war ich oft in Gedanken bei jenen russischen Soldaten und schätzte meinen leichten Rucksack sowie die moderne Gebirgsausrüstung sehr.

Wir starten die etwas längere Wanderung bei der Bergstation der Luftseilbahn Flüelen – Eggberge und folgen dem Fahrsträsschen über Unter- und Ober-Eggberge, bis dieses nach mehreren Kehren die Trasse des Skiliftes quert. Hier zweigt in östlicher Richtung ein Bergweg ab, der zur Hüenderegg hinaufführt, einem herrlichen Aussichtspunkt, hoch über dem Reusstal gelegen (Abb. 1). Der Blick reicht vom Schärhorn zu Windgällen, Bristen, Urirotstock und weiter über das Nebelmeer im Mittelland hinaus bis zur fernen Jurakette. Nach kurzer Rast steigen wir nach Norden über den Gratrücken zum Flesch Kiosk ab und queren anschliessend die Ostseite der Krete in Richtung der Chalberweid, von wo wir weglos durch den Kessel zwischen Hagelstock und Hagelstöckli den von letzterem herunterziehenden Grat, wie oft hier in der Gegend Eggen genannt, mit seinem Geländepunkt 1949 Meter gewinnen. Hier erwartet uns wieder eine Bank, die zum erneuten Geniessen der Aussicht einlädt. Weiterhin weglos steigen wir Richtung Wiltschi ab, wo wir über den Schächentaler Höhenweg das Skihaus Edelweiss erreichen, ein weiterer Ort der möglichen Einkehr.

Nun beginnt der Aufstieg durch den Felsenkessel über der Alp Hinter Wissenboden hinauf zum Chinzig Chulm. Der Pfad ist in seinem oberen Teil steil und an einigen Stellen in den Fels geschlagen. Im Bewusstsein, dass Suworows Armee damals zu wenig Maultiere für diesen Übergang zur Verfügung standen und deshalb auch Laffetten und Kanonenrohre, soweit nicht schon aufgegeben, von den Soldaten selbst getragen werden mussten, fällt dieser Anstieg ohne schwere Last leicht. Auf dem Pass, am Fuss der kleinen Kapelle, erinnert eine Gedenktafel an den Durchgang der russischen Armee (Abb. 2). Auch eine kleine Schutzhütte steht heute hier, die man bei windigem Wetter gerne in Anspruch nimmt.

Für den Abstieg ins Hürital wenden wir uns vorerst gegen Norden Richtung Wandfuss des Chaiserstocks, bevor wir nach Nordosten umbiegen und über Hoch Biel und Lang Egg zur Seenalp mit dem gleichnamigen See hinuntergehen. Hier erwartet uns eine karge, von Karren und Schratten durchzogene Landschaft, die im ersten Schnee nur noch abweisender wirkt (Abb. 3). Auf dem Seenalper Seeli sirrt die sich bildende dünne Eisdecke unter dem dahinfegenden Wind. Über Tannenboden und durch den Stöckwald geht es nun immer steiler hinab zum Grund und weiter bis Liplisbüel, wo im Sommer eine weitere Gastwirtschaft auf müde Wanderer wartet. In der Gruobi weiter talwärts, einem im Kanton Schwyz häufig anzutreffenden Unterstand aus Holz, hängen Gedenktafeln, die an den Tod von Wildheuern erinnern, welche vom Träsmerenband hoch oben am Wasserbergfirst stürzten.

Der alte Talweg folgt dem Hüribach bis hinunter nach Muotathal (Abb. 4). Ausgangs Hürital hat sich das Wildwasser über die Zeit eine tiefe enge Schlucht gegraben und lässt die Naturgewalten erahnen, die einmal entfesselt Mensch und Tier auch heute zu bedrohen vermögen. Am gegenüberliegenden Hang sind noch gut die Verwüstungen des Murganges zu erkennen, der im Januar 2016 vom First entlang des Teufbachs niederfuhr und einen einheimischen Autofahrer in den Tod riss. 2010 erfolgte zudem zwischen dem Weiler Ried und dem Dorf Muotathal beim Mettelbach ein mächtiger Felssturz, der im darunterliegenden Wald einen mächtigen Schuttkegel zurückliess.

Suworow fand bei seinem Durchzug im Minoritinenkloster nördlich des Dorfes Unterschlupf, während seine Truppen sich gegen die Franzosen bis zur Brücke in der Schlucht beim Schlattli vorkämpften. Letztere trägt noch heute den Namen des Generals. Da sie den Ausbruch nach Schwyz nicht schafften, zog das russische Heer schliesslich über Pragel- und Panixerpass bis ins Vorderrheintal, wo Suworow ohne den angestrebten militärischen Erfolg bei Zürich seine Reise in die russische Heimat antrat.

Prof. Dr. med. dent. Christian E. Besimo

Riedstrasse 9
6430 Schwyz

christian.besimo@bluewin.ch

Die neuen ESC-Guidelines zur Behandlung von akuten Koronarsyndromen

Die neuen Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) haben die Empfehlungen für Patienten mit ST-Hebungsinfarkten und Nicht-ST-Hebungsinfarkten vereinheitlicht, um den gemeinsamen pathophysiologischen, diagnostischen und therapeutischen Aspekten Rechnung zu tragen. In diesem Review werden ausgewählte praxisrelevante Neuerungen beleuchtet, insbesondere im Hinblick auf antithrombotische Therapien und logistische Gesichtspunkte in der akuten Infarktbehandlung.

The updated guidelines of the European Society of Cardiology (ESC) now combine their recommendations for patients with and without ST-segment elevation myocardial infarction, reflecting the common pathophysiological, diagnostic and therapeutic aspects for the management of acute coronary syndromes. This review seeks to highlight selected updates relevant to everyday clinical practice, particularly with respect to antithrombotic therapies and logistical considerations in the treatment of acute myocardial infarction.
Key words: acute coronary syndromes, acute myocardial infarction, guidelines

Einleitung

Nach der letzten Auflage der Leitlinien der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) für Patienten mit ST-Hebungsinfarkten (STEMI) im Jahr 2017 und Nicht-ST-Hebungsinfarkten (NSTEMI) im Jahr 2020 entstand nun ein vereinheitlichtes Dokument für Patienten mit akuten Koronarsyndromen (ACS), welches auf der ESC Jahrestagung im August 2023 präsentiert wurde (1-3). Dadurch wurde der gemeinsamen Pathophysiologie und den ähnlichen diagnostischen sowie therapeutischen Behandlungspfaden Rechnung getragen. Naturgemäss fand eine rigorose Evaluation der bisherigen und neu generierten Evidenz statt, insbesondere in Bezug auf antithrombotische Therapien sowie logistische Gesichtspunkte bei Patienten mit NSTEMI (Zeitpunkt der invasiven Abklärung), STEMI (Zeitpunkt der vollständigen Revaskularisierung bei Mehrgefässerkrankung) oder nach Herzkreislaufstillstand («out of hospital cardiac arrest»). Nachfolgend werden ausgewählte, praxisrelevante Neuerungen beleuchtet.

Zeitpunkt für die invasive Abklärung von vermuteten Nicht-ST-Hebungsinfarkten

Der Zeitpunkt für invasive Abklärung von Patienten mit vermutetem Myokardinfarkt ohne ST-Streckenhebungen richtet sich weiterhin nach Risikomerkmalen (Abbildung 1). Unverändert zu den Leitlinien aus dem Jahr 2020 sollten «very high risk» Patienten mit Vorliegen von zumindest einem der folgenden Kriterien unverzüglich einer Koronarangiographie zugeführt werden. Die Klasse-I-Empfehlung für eine invasive Abklärung von Hochrisikopatienten («high risk») binnen 24 Stunden wurde auf eine Klasse-IIa-A-Empfehlung zurückgestuft. Weiterhin besteht jedoch eine Klasse-I-Indikation für eine invasive Abklärung dieser Patienten während demselben Krankenhausaufenthalt. Diese Empfehlungen basieren unter anderem auf einer Meta-Analyse mit zwei neuen randomisierten Studien seit 2020 und somit in Summe 17 randomisierten Trials mit 10`209 Patienten. Die gepoolte mediane Zeit bis zur Angiographie waren 3,4 vs. 41,3 Stunden in den jeweiligen Studiengruppen. Eine frühe invasive Strategie war nicht mit einem Unterschied in harten Endpunkten wie Mortalität, Myokardinfarkt (meist definiert anhand von Enzymanstiegen, neuen Q-Zacken oder der universellen Myokardinfarktdefinition), Herzinsuffizienz-Hospitalisation oder schweren Blutungsereignissen assoziiert. Wiederkehrende Ischämien (meist definiert anhand von wiederkehrenden Symptomen von min. 5-10 Minuten Dauer, mit oder ohne begleitende EKG-Veränderungen) traten in der frühen invasiven Gruppe seltener auf (RR: 0.57, 95% CI: 0.40–0.81), die Hospitalisierungsdauer war im Mittel um 22 Stunden kürzer.(4) Für Patienten, welche keine der Hochrisikokriterien erfüllen, ist weiterhin ein selektiver invasiver Approach gemäss Leitlinien für chronische Koronarsyndrome empfohlen, sofern die klinische Einschätzung eine elektive Abklärung erlaubt (1).

Zeitpunkt der invasiven Abklärung nach Out-of-hospital Cardiac Arrest

Während nur ein geringer Prozentsatz von ACS-Patienten mit einem Out-of-hospital Cardiac Arrest (OHCA) präsentiert, ist ein ACS die häufigste Ursache eines OHCA.

Bei Patienten mit ST-Streckenhebungen nach Wiedererlangen des Kreislaufes (ROSC) ist eine primäre PCI-Strategie empfohlen (Klasse I-B). Bei OHCA-Patienten ohne ST-Streckenhebungen sind seit 2019 zumindest fünf neue randomisierte Studien verfügbar, die eine frühe gegenüber einer verzögerten koronarangiographischen Abklärung untersucht haben. In keiner dieser Studien war eine umgehende Koronarangiographie mit einem Überlebensvorteil assoziiert (5-9). Dies war auch bei Patienten mit initial schockbarem Rhythmus der Fall (5, 8). Ursächlich dafür erscheint, dass die neurologische Prognose und intensivmedizinische Komplikationen überwiegend zu der etwa 50-prozentigen Mortalität beitragen und somit selbst durch die Behandlung einer koronarischämischen Ursache das Outcome nicht massgeblich beeinflusst werden kann. Dementsprechend ist eine routinemässige notfallmässige Koronarangiographie bei hämodynamisch stabilen Patienten nach OHCA ohne persistierende ST-Streckenhebungen (oder Äquivalent) nicht empfohlen (Klasse III-A) (1). In der initialen Evaluation dieser Patienten sollten nicht-koronare Ätiologien (z.B. zerebrovaskuläre Ereignisse, respiratorisches Versagen, nicht-kardiogener Schock, Lungenembolie, Intoxikation) untersucht werden, wobei die Echokardiographie einen wesentlichen Beitrag zur Differentialdiagnostik leisten kann. Trotz den neuen Richtlinien kann es in ausgewählten OHCA-Patienten ohne STEMI Sinn machen, ohne Verzug eine Angiographie durchzuführen, nämlich wenn ein Koronarverschluss wahrscheinlich ist und die Aussicht auf neurologische Erholung gut (e.g Patienten mit Thoraxschmerzen vor Herzkreislaufstillstand und kurzer Reanimationsdauer) (10).

Antithrombotische Therapien

«Loading» mit Plättchenaggregationshemmern

Aktuell empfohlene prä- und postinterventionelle antithrombotische Strategien sind in Abbildung 2 zusammengefasst.

Weiterhin ist bei Patienten mit NSTEMI ohne Kenntnis der Koronaranatomie und zeitnah geplanter Koronarangiographie (<24 Stunden) eine routinemässige Vorbehandlung mit P2Y12 Hemmern nicht empfohlen (Klasse III-A), da ein potenzieller Anstieg von Blutungskomplikationen keinem ischämischen Benefit gegenübersteht. (1, 11) Basierend auf einer verfügbaren randomisierten Studie mit Ticagrelor (ATLANTIC) und Registerstudien ist eine «pre-loading» Strategie bei Patienten mit STEMI weder mit Vorteilen auf der ischämischen Seite, noch mit Nachteilen hinsichtlich Blutungskomplikationen behaftet (12-14). In den aktuellen ESC-Leitlinien wurde die diesbezügliche Empfehlung neu formuliert. Bei Patienten die für eine primäre PCI-Strategie vorgesehen sind, kann eine Vorbehandlung mit P2Y12-Hemmern erwogen werden (Klasse IIb-B), ist aber keine Klasse-I-Indikation mehr.

Das Infarktnetzwerk des Inselspital hat bereits im Jahr 2018 aufgrund von Europäischen Empfehlungen für NSTEMI-Patienten die institutionellen Richtlinien vereinheitlicht und empfahl ab Oktober 2018 sowohl für NSTEMI- als auch STEMI-Patienten kein prä-interventionelles Loading mit P2Y12-Hemmern durchzuführen (15, 16). Dieses Vorgehen wurde kürzlich im Bern-PCI-Register validiert. Eine Strategie mit sofortigem Loading bei Diagnosestellung eines STEMI gegenüber einem verzögerten Loading nach Kenntnis der Koronaranatomie resultierte in einer vergleichbaren Inzidenz von schweren kardiovaskulären Ereignissen, Blutungen und prozedurellen Komplikationen, was die aktuelle Leitlinie mit lokalen Daten unterstützt (17).

Langfristige antithrombotische Therapiestrategien

Die optimale Intensität und Dauer der antithrombotischen Kombinationstherapie ist Gegenstand zahlreicher Studien (18-24). Da die modernen Stent-Plattformen ein Plateau hinsichtlich ihrer Effektivität erreicht haben (25), mittels intrakoronarer Bildgebung das kurz- und langfristige Resultat weiter verbessert werden kann (26-28) und auch basierend auf aggressiveren sekundärprophylaktischen Massnahmen (29) gab es ein Umdenken im Feld der antithrombotischen Therapie in Richtung Vermeidung von Blutungskomplikationen (30, 31).

Es haben sich zwei prädominante Strategien herauskristallisiert, mit denen das Blutungsrisiko ohne apparente «Kosten» auf der ischämischen Seite gesenkt werden kann. Einerseits die Verkürzung der dualen Plättchenaggregationshemmung auf 1-6 Monate nach PCI gefolgt von einer Monotherapie mit einem potenten P2Y12-Hemmer (anstatt Aspirin) – andererseits die De-Eskalation von einem potenten P2Y12-Hemmer auf Clopidogrel frühestens 1 Monat nach PCI mit Aspirin als Hintergrundtherapie (1, 30, 31). Während das standardmässige Vorgehen mit 12 Monate dualer Plättchenaggregationshemmung (DAPT) erneut eine Klasse I-A-Empfehlung erhielt, wurden die oben erwähnten Optionen mit einer Klasse IIa-A (Verkürzung der DAPT auf 3-6 Monate, gefolgt von potenter P2Y12-Hemmer Monotherapie, auch bei niedrigem Blutungsrisiko) und einer Klasse IIb-A-Indikation beurteilt (Verkürzung der DAPT auf 1 Monat bei hohem Blutungsrisiko). Als neue Empfehlung hauptsächlich basierend auf einem Expertenkonsensus, sollte bei Patienten mit ACS und chirurgischer Revaskularisierung postoperativ eine DAPT für mindestens 12 Monate etabliert werden (Klasse 1-C) (1).

Revaskularisierung von Patienten mit akuten Koronarsyndromen und Mehrgefässerkrankung

Die Notwendigkeit einer Behandlung von angiographisch signifikanten nicht-culprit-Läsionen bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt ist seit den CULPRIT, DANAMI-3-PRIMULTI- und COMPLE­TE-Studien bestens etabliert (32-34). Entsprechend wurde der Empfehlungsgrad vorhergehender Leitlinien (eine routinemässige vollständige Revaskularisierung sollte vor Spitalaustritt erwogen werden, Klasse IIa-A) nun hochgestuft. Eine vollständige Revaskularisierung ist entweder während der Index Prozedur oder binnen 45 Tagen empfohlen (Klasse I-A) (1, 3, 15). Der optimale Zeitpunkt, d.h. während der Index-Prozedur, während des Spitalsaufenthaltes oder in einem Folgeaufenthalt, wurde erst in kürzlich publizierten Studien untersucht, die auf die aktuellen Richtlinien noch keinen Einfluss hatten.

Die rezente BIOVASC-Studie randomisierte 1525 Patienten mit STEMI oder NSTEMI zu einer zeitnahen Behandlung (während der Index Prozedur oder während des Index-Aufenthaltes) gegenüber einer «staged» Behandlung aller nicht-culprit-Läsionen binnen 6 Wochen. Der primäre Endpunkt, bestehend aus Gesamtmortalität, Myokardinfarkt, ungeplanter ischämiebedingter Revaskularisierung und zerebrovaskulären Ereignissen nach einem Jahr, war vergleichbar zwischen den Gruppen (HR 0.78, 95% CI 0.55–1.11, p für Überlegenheit 0.17). Myokardinfarkte traten seltener in der zeitnah revaskularisierten Gruppe auf (1.9% vs. 4.5%, HR 0.41, 95% CI 0.22-0.76, p<0.01), jedoch war der Endpunkte durch peri-prozedurale Ereignisse, welche in der zeitnah revaskularisierten Gruppe durch den Index Myokardinfarkt maskiert waren, verzerrt. Die Gesamtsterblichkeit und kardiovaskuläre Mortalität, sowohl nach 30 Tagen als auch nach 12 Monaten war vergleichbar zwischen den Gruppen (numerisch niedriger in der «staged PCI» Gruppe) (35).

Die MULTISTARS-AMI-Studie randomisierte 840 STEMI-Patienten zu einer umgehenden vollständigen Revaskularisierung gegenüber einer «staged PCI» Strategie binnen 19 bis 45 Tagen. Der primäre Endpunkt bestehend aus Gesamtmortalität, Myokardinfarkt, ungeplanter ischämiebedingter Revaskularisierung und Herzinsuffizienz-Hospitalisierung nach 1 Jahr trat seltener in der umgehend vollständig revaskularisierten Gruppe auf (8.5% vs. 16.3%, HR 0.52, 95% CI 0.38-0.72, p<0.01). Wie auch in der BIOVASC-Studie waren nur etwa ein Drittel der ausschlaggebenden Myokardinfarkt-Ereignisse spontane Events der zur Behandlung anstehenden nicht-culprit Läsionen. Ausschlaggebend waren periprozedurale Myokardinfarkte, welche in der frühen Revaskularisationsgruppe im initialen Enzympeak des Indexinfarktes untergehen, aber niederschwellig erkannt werden in der «staged PCI» Gruppe. Die Gesamtsterblichkeit und kardiovaskuläre Sterblichkeit war vergleichbar zwischen den Gruppen (36).

In einer Analyse des Bern-PCI Registers mit 1432 ACS-Patienten fand sich keinerlei Signal dass eine zeitnahe (<4 Wochen) gegenüber einer verzögerten (>4 Wochen) «staged PCI» mit einem Unterschied in schweren kardiovaskulären Ereignissen assoziiert sein könnte (37).

Intrakoronare Bildgebung

Die Bedeutung der intrakoronaren Bildgebung wurde erstmals in den Richtlinien hervorgehoben mit einer Klasse IIa-A-Indikation für die Verwendung von Imaging zur Stentimplantation und einer IIb-C-Indikation zur Klärung von unklaren Angiographiebefunden (mit Präferenz für die optische Kohärenztomographie, OCT) (1).

Sekundärprevention

Zusätzlich zum weiterhin gültigen Motto «the lower the better» gilt es, das Lipidziel nach ACS schnellstmöglich zu erreichen. Bei Patienten mit einem kardiovaskulären Zweitereignis binnen 2 Jahren liegt das LDL-Ziel bei <1.0mmol/L (<40mg/dl).(1, 38) Eine Neueinleitung oder Umstellung auf ein hochpotentes Statin (Atorvastatin, Rosuvastatin) sollte immer Teil der Therapiestrategie sein, wobei gemäss der neuen Empfehlungen zur raschen Zielerreichung eine initiale Kombinationstherapie mit Ezetimib erwogen werden kann (Klasse IIb-B). Gemäss Leitlinien sollte eine erste Kontrolle hinsichtlich Ziel-Erreichung in 4-6 Wochen stattfinden (1). Die Limitatio der PCSK-9 Hemmer verlangt jedoch eine 3-monatige Therapie in maximal verträglicher Dosierung (mit oder ohne Ezetimib, oder Ezetimib als Monotherapie), und erstattet bei LDL-Spiegeln von >1.8mmol/L. Mit einer LDL-Senkung von 50-70% unter einer Statin-/Ezetimib-Kombination fällt ein relevanter Anteil von Patienten in den nicht erstattbaren aber gemäss Leitlinien unzureichend kontrollierten Bereich (d.h. 1.4 – 1.8 mmol/L). Eine praktikable Lösung dieses Problems beinhaltet Ezetimib vorzuenthalten, um eine Therapie mit den etwa 3x so potenten PCSK-9 Hemmern zu ermöglichen (39). Dadurch kann sogar eine Regression von bereits bestehenden Koronarplaques erreicht werden (29, 40).

Die antidiabetische Therapie sollte auf Komorbiditäten wie Herzinsuffizienz, Niereninsuffizienz und Übergewicht abgestimmt werden (Klasse I-A) (1). Die ebenso am ESC präsentierten neuen Leitlinien für das Management von kardiovaskulären Erkrankungen bei Patienten mit Diabetes empfehlen den Einsatz von SGLT-2-Hemmern bei allen Patienten mit Herzinsuffizienz (unabhängig von der systolischen Linksventrikelfunktion, dem HbA1c und der begleitenden antidiabetischen Therapie), und Niereninsuffizienz (Klasse I-A). Bei Patienten mit atherosklerotischer Herzkreislauferkrankung sollte unabhängig von der Blutzuckerkontrolle ein GLP-1-Rezeptor-Antagonist zur Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse zum Einsatz kommen (Klasse I-A), speziell wenn eine Gewichtsreduktion angestrebt wird (Klasse IIa-B) (41).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. univ. Miklos Rohla

Inselspital, Universitätsspital Bern
Universitätsklinik für Kardiologie
Herz Gefäss Zentrum
Freiburgstrasse 20
3010 Bern

miklos.rohla@insel.ch

Prof. Dr. Dr. Lorenz Räber

Leiter Herzkatheterlabor
Universitätsklinik für Kardiologie
Inselspital
Freiburgstrasse 18
3010 Bern

lorenz.raeber@insel.ch

Miklos Rohla erhielt Beratungshonorare von Daiichi Sankyo, Sanofi Aventis, COR2ED, Novartis und Medtronic, sowie Vortragshonorare von Daiichi Sankyo, Biotronik und Takeda Pharma.
Lorenz Räber erhielt Forschungsförderungen an die Institution von Abbott, Biotronik, Heartflow, Sanofi, Regeneron und Beratungs- bzw. Vortragshonorare von Abbott, Amgen, AstraZeneca, Canon, Novo Nordisk, Medtronic, Sanofi, Occlutech, und Vifor.

◆ Bei NSTEMI-Patienten entscheiden weiterhin Risikocharakteristika über die Dringlichkeit der invasiven Abklärung, wobei Patienten mit sehr hohem Risiko («very high risk») wie STEMIs zu behandeln sind. Der anteilsmässig grösste Teil der Patienten fällt in die Hochrisikogruppe («high risk»), bei denen eine Angiographie innerhalb des initialen Krankenhausaufenthaltes Pflicht ist (I B), aber nicht mehr zwingend innerhalb der ersten 24h (IIa B)
◆ OHCA-Patienten ohne ST-Hebungen sollen nicht mehr zwingend unverzüglich angiographiert, wegen fehlendem Einfluss auf die Prognose
◆ Im Hinblick auf antithrombotische Kombinationstherapie rückt die Vermeidung von Blutungskomplikationen und der damit einhergehende netto klinische Benefit vermehrt in den Mittelpunkt der therapeutischen Bemühungen
◆ Ein routinemässiges Pre-loading mit P2Y12 Inhibitoren vor der Angiographie bei STEMI Patienten ist nicht mehr empfohlen
◆ Die vollständige Revaskularisation aller Koronargefässe nach STEMI ist empfohlen (I A), entweder während der Index Angiographie oder während eines geplanten Zweiteingriffes innerhalb von 45 Tagen
◆ Intrakoronares Imaging wird zur Optimierung der PCI empfohlen
(IIa-A)
◆ Für die lipidsenkende Therapie gilt nicht nur «the lower the better» sondern auch «hit hard and early»

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Oligometastasiertes Prostatakarzinom

Das Konzept der Oligometastasierung als fortgeschrittenes Tumorstadium, welches dennoch in kurativer Intention behandelt werden könne, wurde 1995 von Hellman und Weichselbaum formuliert (1). Beispiele für eine kurative Metastasen-gerichtete Therapie (MDT) sind die Resektion von Lebermetastasen von kolorektalen Tumoren (2–5), von adrenalen Metastasen von nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen (6) oder von Lungenmetastasen verschiedener Tumoren (7). Ziel dieser Arbeit ist es, die Evidenz zur MDT beim oligometastasierten Prostatakarzinom zusammenzufassen und ein paar konkrete Empfehlungen zu geben.

The concept of oligometastasis as an advanced tumour stage that can nevertheless be treated with curative intent was formulated by Hellman and Weichselbaum in 1995 (1).Examples of curative metastasis-directed therapy (MDT) include resection of liver metastases from colorectal tumours (2-5), adrenal metastases from non-small cell lung cancer (6) or lung metastases from various tumours (7). The aim of this paper is to summarise the evidence on MDT for oligometastatic prostate cancer and to make some specific recommendations.
Key Words: oligometastasis, curative metastasis-directed therapy (MDT), radiotherapy, stereotactic ablative radiotherapy, oligometastatic prostate cancer

Das oligometastasierte Prostatakarzinom (omPC) wird meist charakterisiert als das Vorliegen von maximal drei Fernmetastasen (M1), typischerweise Lymphknoten- und/oder Knochenmetastasen (8). Die beste Evidenz für Behandlungsempfehlungen beim metastasierten Hormon-sensitive Prostatakarzinom (mHSPC), welches auch das oligometastasierte Hormon-sensitiven Prostatakarzinom (omHSPC) umfasst, gibt es für palliative medikamentöse Therapien. Die Grundlage der Systemtherapie stellt dabei eine Androgendeprivation (ADT) dar, wobei die Intensivierung der Therapie durch die Ergänzung von Androgen Receptor Pathway Inhibitors (ARPI) und in ausgewählten Fällen von Docetaxel die Prognose deutlich verbessert werden kann (9–17).

Im Falle einer bei Erstdiagnose vorliegenden Oligometastasierung (d.h. synchrone Metastasierung) ist häufig auch die Definition einer low volume Erkrankung gemäss CHAARTED-Kriterien erfüllt (16), bei der nach den Ergebnissen aus der STAMPEDE-Studie eine hypofraktionierte Bestrahlung des Primärtumors neben der Standard ADT zu einer absoluten Verbesserung des Gesamtüberlebens von 8% nach 3 Jahren führt (18). In kürzlich präsentierten Ergebnissen der PEACE-1-Studie, zeigte sich in dieser Situation jedoch mit ADT plus Abiraterone (+/- Docetaxel) behandelten Männern durch eine Bestrahlung der Prostata zwar eine Verbesserung des radiographisch Progressions-freien Überlebens (rPFS), jedoch keine Verbesserung des Gesamtüberlebens (19). Daten aus randomisierten Studien für eine MDT bei synchron omHSPC liegen bisher kaum vor. Eine Radiotherapie z. B. einer singulären Knochenmetastase im Bereich der Symphyse kommt allenfalls pragmatisch in Betracht, wenn der Primärtumor bestrahlt wird und dies nicht zu einem relevant höheren Toxizitätsrisiko führt.

Die besten Daten für eine MDT beim omHSPC nach vorgängiger kurativ intendierter Behandlung mittels Prostatektomie oder Radiotherapie (d.h. metachrone Metastasierung) stammen von den randomisierten Phase 2 Studien STOMP und ORIOLE (20, 21). In beiden Studien wurden asymptomatische Patienten mit maximal drei Metastasen eingeschlossen, festgestellt mittels Cholin-PET/CT in der STOMP-Studie (20) bzw. Computertomographie, Magnetresonanztomographie und/oder Knochenszintigraphie in der ORIOLE-Studie (21). Die Patienten wurden anschliessend randomisiert zu einer lokalen Therapie (stereotaktische ablative Radiotherapie, SABR) oder Beobachtung; in der STOMP-Studie war auch eine Resektion pelviner Lymphknotenmetastasen (cN1) möglich (20). In beiden Studien zeigte sich ein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt: In der STOMP-Studie fand sich eine Verlängerung der ADT-freien Zeit von median 8 Monaten (20) und in der ORIOLE-Studie eine absolute Reduktion der Progressionswahrscheinlichkeit nach 6 Monaten um 42% (21). Beeindruckend ist die ADT-freie Rate von 34% nach 5 Jahren bei der STOMP-Studie. Die Charakteristika und Ergebnisse beider Studien sind in der Tabelle 1 zusammengefasst.

Bei der Interpretation dieser Daten ist zunächst zu konstatieren, dass eine reine Verlaufsbeobachtung – anders als bei der Planung der Studien – heute kein übliches Vorgehen mehr darstellt und lediglich bei geringer Krankheitsdynamik eine Option darstellt. Weiters handelt es sich um kleinere Phase 2 Studien mit einer beträchtlichen Wahrscheinlichkeit für ein falsch-positives Ergebnis (alpha Fehler). Auch die Bildgebung für den Studieneinschluss dürfte heutzutage an vielen Orten vom sensitiveren PSMA-PET/CT-Untersuchungen abgelöst worden sein. Die Bedeutung hiervon illustriert eine Substudie der ORIOLE-Studie, in der bei allen Männern vor SABR auch ein PSMA-PET gemacht wurde, wobei die Investigatoren bei der Therapieplanung keine Kenntnis der entsprechenden Befunde hatten (21). Es zeigte sich dann, dass bei fast der Hälfte der mit SABR behandelten Männer, viele PET-positive Befunde nicht von den Bestrahlungsvolumina erfasst worden waren. Bemerkenswerterweise zeigte sich nach 6 Monaten dann nur bei 1/19 Männern (5%) mit Behandlung aller Metastasen eine Progression im Vergleich zu 6/16 (38%) bei denen nicht alle PET-positiven Befunde bestrahlt worden waren. Ein ähnliches Bild zeigte sich für den sekundären Endpunkt Progressions-freies Überleben (PFS) mit einer Hazard Ratio (HR) von 0.26 (P = 0.006) zu Gunsten von Patienten ohne nicht-behandelte Metastasen (21).

Gibt es andere Faktoren, welche mit einem Benefit einer Metastasen-gerichteten Therapie korrelieren? Interessanterweise war der Unterschied im ADT-freien Überleben in der STOMP-Studie bei Männern mit einer PSA-Verdoppelungszeit ≤ 3 Monaten deutlich grösser als bei Männern mit einer PSA-Verdoppelungszeit >3 Monaten (20). In einer kürzlich publizierten kombinierten Analyse der beiden Studien mit einem median Follow-up von 53 Monaten konnte bei 70 Patienten ein next generation sequencing (NGS) durchgeführt werden, wobei der relative Benefit einer Metastasen-gerichteten Therapie (MDT) bei Vorliegen einer Hochrisiko-Signatur (definiert als Mutation in ATM, BRCA1/2, Rb1 oder TP53) tendenziell grösser war als wenn eine solche Signatur nicht vorlag: Hazard Ratio für Progression-freies Überleben (HRPFS) 0.05 vs. HRPFS 0.42 (P für Interaktion 0.12) (22). Oder in absoluten Zahlen: Medianes PFS mit Hochrisiko-Signatur 7.5 Monate (MDT) vs. 2.8 Monate (Beobachtung) bzw. ohne Vorliegen einer Hochrisiko-Signatur 13.4 Monate (MDT) vs. 7.0 Monate (Beobachtung) (22). Falls in weiteren Studien bestätigt, dürfte diese Unterscheidung hilfreich sein, da insgesamt Männer mit einem metachron oligometastasierten Prostatakarzinom eine ausgezeichnete Prognose haben (mittleres Überleben in der Grössenordnung von acht Jahren mit alleiniger ADT) (23).

Eine synergistische Wirkung zwischen Radiotherapie und endokriner Therapie ist in der lokalisierten Situation klar belegt (24). Eine kurzzeitige systemische Therapie bestehend aus ADT + ARPI in Kombination mit MDT kann, basierend auf der EXTEND-Studie, erwogen werden (25). In dieser randomisierten Phase 2 Studie wurden Männer mit oligometastasiertem Prostatakarzinom (definiert als maximal 5 Metastasen, diagnostiziert mittels Computertomographie und Knochenszintigraphie oder Fluciclovine F18 PET/CT) nach mindestens zweimonatiger ADT randomisiert zu einer zusätzlichen ablativen Strahlentherapie aller Metastasen unter Fortführung der ADT mit oder ohne ARPI oder einer alleinigen Fortführung der ADT mit oder ohne ARPI. Die endokrine Therapie wurde nach 6 Monaten pausiert und erst bei biochemischer/radiographischer Progression wieder begonnen (intermittierende Gabe). Der primäre Endpunkt war PFS. Mehr als 60% der Patienten in der Gruppe mit der zusätzlichen Strahlentherapie und lediglich 30% der Patienten in der Gruppe ohne Strahlentherapie benötigten 2 Jahre nach Studieneinschluss keinen Wiederbeginn der systemischen Therapie (25). Weitere Details zu Studien sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

In der erwähnten EXTEND-Studie mit recht heterogenem Patientenkollektiv wurden insgesamt auch 7 Patienten mit oligometastasiertem Kastrations-resistentem Prostatakarzinom (omCRPC) eingeschlossen, aber auf Grund der Subgruppengrösse nicht separat ausgewertet (25). Randomisierte Daten für eine MDT bei omCRPC liegen ansonsten nicht vor und das Vorgehen in dieser Situation bedarf wie auch das Management einer Oligoprogression (z.B. Progress einer singulären Metastase bei ansonsten ansprechenden oder stabilen Metastasen) einer Einzelfallentscheidung.

Zusammenfassend kann zum oligometastasierten Prostatakarzinom festgehalten werden, dass drei randomisierte Phase 2 Studien eine Verlängerung der Progressions-freien Zeit durch eine Metastasen-gerichtete Therapie – typischerweise eine stereotaktische Radiotherapie – bei metachroner Metastasierung zeigen konnten, eine Systemtherapie jedoch auch bei Oligometastasierung die Standardbehandlung darstellt. Eine Metastasen-gerichtete Therapie (MDT) ohne begleitende Systemtherapie kommt im Einzelfall bei gut informierten Patienten nach PSMA-PET/CT und sorgfältiger interdisziplinärer Evaluation in Betracht, insbesondere um Nebenwirkungen der endokrinen Therapie zu vermeiden (26). Die Kombination MDT mit einer zeitlich unbegrenzten endokrinen Therapie sollte aus unserer Sicht jedoch kritisch hinterfragt werden, da in den erwähnten Studien STOMP und ORIOLE eine solche Kombination nicht vorgesehen war bzw. eine Verlängerung der ADT-freien Zeit gerade das primäre Studienziel darstellte (STOMP-Studie). Eine zeitlich begrenzte endokrine Therapie in Kombination mit einer MDT kann hingegen, wie durch die EXTEND-Studie illustriert, ebenfalls bei gut informierten Patienten, auch ein sinnvolles Vorgehen darstellen.

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Prof. Dr. med. Arnoud Templeton

Medizinische Onkologie, St. Claraspital, Basel, Schweiz;
St. Clara Forschung, Basel, Schweiz;
Medizinische Fakultät, Universität Basel, Basel, Schweiz

Arnoud.Templeton@claraspital.ch

Dr. med. Alexandros Papachristofilou

Radioonkologie
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

Arnoud J. Templeton hat Honorare erhalten von Astellas (persönlich [P], an die eigene Institution [I]), Bayer (I), Janssen (P, I), MSD (I), Roche (I), SAKK (P); er hat an Advisory Boards mit Vergütung teilgenommen von MSD (P, I), Sanofi (I), Roche (I), Janssen (I), Bayer (I), Pfizer (I), Ipsen (I), Sandoz (I), BMS (I); er hat Kongressunterstützung erhalten von Orion Pharma (P), Roche (P).
Alexandros Papachristofilou hat Honorare erhalten von Debiopharm, Janssen, Merck und Sanofi sowie Kongressunterstützung von Bayer, Astellas, AstraZeneca.

◆ Bei synchron metastasiertem, oligometastasiertem ProstataCa besteht in der Regel keine Indikation für die Radiotherapie von asymptomatischen Fernmetastasen.
◆ Eine hypofraktionierte Strahlentherapie des Primärtumors kann gemäss STAMPEDE-Studie weiterhin empfohlen werden, der absolute Benefit dürfte jedoch im Zeitalter der eskalierten systemischen Therapie geringer sein.
◆ Eine Radiotherapie von einzelnen Metastasen kann die ADT-freie Zeit verlängern.

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