Indikationen und Durchführung der Cerclage

Eine Cerclage ist der operative Verschluss der Zervix zur Verhinderung eines Spätabortes oder einer Frühgeburt. Eine Tabaksbeutelnaht wird in die Zervix gelegt, um eine vorzeitige Dilatation zu verhindern. Trotz der teils widersprüchlichen Resultate von retrospektiven Studien bezüglich der Indikationen der Operation wird dieses Verfahren als Bestandteil einer systematischen Behandlung sowohl zur Prävention als auch zur Therapie der Frühgeburtlichkeit angewendet.

A cerclage is the surgical closure of the cervix to prevent late abortion or premature birth. A purse-string suture is placed in the cervix to prevent premature dilatation. Despite the sometimes conflicting results of retrospective studies regarding the indications for surgery, this procedure is being used as part of a systematic treatment for both prevention and treatment of preterm birth.
Key Words: cerclage, cervix, surgical closure

Geschichte

Die erste zervikale Operation zur Behandlung von rezidivierenden Aborten wurde 1902 von Herman dokumentiert. Er beschrieb damals seine Erfahrung mit nur drei Frauen, welche eine Trachelo­rhaphie nach Emmet bei rezidivierenden Aborten bekommen hatten (1). In den 1950er-Jahren entwickelte zuerst Shirodkar und später McDonald eine operative Technik zur Behandlung der Zervixinsuffizienz (2). Die letzten werden bis heute nach geringfügiger Modifikation weiterhin im klinischen Alltag durchgeführt.

Zervixinsuffizienz

Die Zervixinsuffizienz ist die schmerzfreie Erweichung und Verkürzung der Zervix (<25mm) in der Folge mit Eröffnung des Zervixkanals, welche im 2. oder 3. Trimester auftritt. Aufgrund der oft fehlenden Symptomatik ist sie mit erhöhten Spätabort- oder Frühgeburtsraten und deren Folgen assoziiert.

Goldstandard zur Diagnose der Zervixinsuffizienz ist die sonographische Messung der Zervixlänge entweder transvaginal oder transabdominal. Neben der Zervixlänge können auch weitere Charakteristika wie die Weichheit der Zervix oder die Präsenz einer Trichterbildung mitbeurteilt werden.

Falls keine relevanten Risikofaktoren wie zum Beispiel Status nach Spätabort oder Frühgeburt bestehen, ist die erste reguläre Messung der Zervixlänge im Rahmen der zweiten Ultraschalluntersuchung zwischen der 20. und 23. Schwangerschaftswoche empfohlen.

Falls anamnestisch ein erhöhtes Risiko für das Auftreten einer Zervixinsuffizienz vorliegt, ist eine sonographische Messung der Zervix bereits mit 16 Schwangerschaftswochen empfohlen. Ebenfalls sollte regelmässig eine sorgfältige klinische Untersuchung mit Ausschluss einer urogenitalen Infektion durchgeführt werden. Ähnliches Vorgehen ist bei Auftreten von Symptomen wie Unterleib- oder Rückenschmerzen, vaginalen Blutungen oder sonstigen vaginalen Beschwerden unabhängig von der geburtshilflichen Anamnese empfohlen.

Die optimale Betreuung von Schwangeren sowohl mit positiver Anamnese von Zervixinsuffizienz/Frühgeburt in vorangehenden Schwangerschaften als auch mit Zervixinsuffizienz in der aktuellen Schwangerschaft besteht aus der Kombination von medikamentösen und falls indiziert, operativen Massnahmen (Abb. 1).

Indikationen der Cerclage

Es gibt gemäss FIGO 2021 drei Indikationen zur Anlage einer Cerclage (3):

1. Eine prophylaktische Cerclage sollte Schwangeren mit Einlingsgravidität angeboten werden, welche Status nach 3 Frühgeburten und/oder Spätaborten in der Anamnese erlitten haben. Gemäss Literatur wurden die Frühgeburtsraten vor der 33. Schwangerschaftswoche in dieser Gruppe deutlich reduziert (15% mit versus 32% ohne Cerclage) (4). Eine prophylaktische Cerclage sollte am Anfang des zweiten Trimenons (zwischen der 13. Und 16. Schwangerschaftswoche) angelegt werden.

2. Eine therapeutische Cerclage sollte Schwangeren mit Einlingsgravidität angeboten werden, bei welchen eine Zervixinsuffizienz in der aktuellen Schwangerschaft (Zervixlänge <25mm) vor der 24.Schwangerschaftswoche diagnostiziert wurde und der Status nach einer oder mehr Frühgeburten oder Spätaborten in einer vorangehenden Schwangerschaft besteht (5). Bei Schwangeren mit einer Zervixinsuffizienz in der aktuellen Schwangerschaft ohne positive Anamnese einer Frühgeburt oder Spätabort ist eine therapeutische Cerclage gemäss der aktuellen Literatur nicht empfohlen. In dieser Situation kann jedoch eine Operation nach individueller Beurteilung der Risikosituation und ausführlicher Beratung der Schwangeren in Erwägung gezogen werden (6).

3. Eine notfallmässige Cerclage sollte bei Schwangeren mit einer prolabierenden Fruchtblase durch eine Dilatation der Zervix vor der 24. Schwangerschaftswoche in der aktuellen Schwangerschaft angeboten werden. Ein systematisches Review zeigte eine deutlich erhöhte Überlebensrate der Neugeborenen nach einer notfallmässiger Cerclage-Anlage (7).

Durchführung der Cerclage

Methoden der Wahl für die Durchführung einer transvaginalen Cerclage sind nach McDonald und nach Shirodkar benannt. Alternativ kann in bestimmen Situationen ein laparoskopisches, abdominales Vorgehen bevorzugt werden (siehe unten). Präoperativ muss eine urogenitale Infektion bzw. Amnioninfektions­sydrom ausgeschlossen werden. Für die Operation wird die Patientin in Steinschnittlage im Operationssaal gelagert. Eine perioperative intravenöse Antibiotikumprophylaxe ist empfohlen. Eine transvaginale Sonographie wird zur Beurteilung der Zervixlänge ggf. Trichterbildung und zur Darstellung umliegender anatomischer Strukturen wie beispielsweise die Blasenumschlagsfalte direkt präoperativ durchgeführt. Ebenfalls erfolgt prä- und postoperativ die Überprüfung der Vitalität des Feten. Die Operation kann entweder in Regionalanästhesie oder Intubationsnarkose durchgeführt werden.

1. Methode nach McDonald

Nach Desinfektion der Vagina werden die vordere und hintere Muttermundslippe mit atraumatischen Organfasszangen gefasst und die Blasenumschlagsfalte wird dargestellt. Es folgt das Ein­stechen mit dem Ethibondfaden bei 12 Uhr im Bereich der Blasenumschlagsfalte und zirkuläre, subepitheliale Führung der Nadelspitze im Gegenuhrzeigersinn mit Ein- und Ausstichen bei 9, 6 und 3 Uhr im Sinne einer Tabaksbeutelnaht um die äussere Zervix (8). Anschliessend wird ein Knoten des Fadens bei 12 Uhr nach digitaler Kontrolle gelegt. Optimal kann zusätzlich ein Luftknoten für die einfachere Entfernung der Cerclage gelegt werden. (Abb. 2.)

2. Methode nach Shirodkar

Nach der Desinfektion der Vagina werden die vordere und hintere Muttermundslippe mit atraumatischen Organfasszangen gefasst. Dann erfolgt die vordere Kolpotomie unterhalb der Blasenumschlagsfalte und die Harnblase wird stumpf distanziert. Es folgt das Eingehen mit dem armierten Mersilene-Band durch die Kolpotomie und das subepitheliale Durchziehen des Bandes unter Ein- und Ausstichen bei 9, 6 und 3 Uhr. Anschliessend wird ein Knoten des Fadens sowie ein Luftknoten gelegt. Die vordere Kolpotomie wird mit absorbierbarem Faden reepithelialisiert (Abb.3).

Die Methode nach Shirodkar zeigt sich im Vergleich zu der nach McDonald effektiver in der Senkung der Frühgeburtsraten (9).

Notfallcerclage (Abb. 4.)

Im Falle einer prolabierenden Fruchtblase durch eine eröffnete Zervix (bis maximal 3 cm) wird die Patientin präintraoperativ in einer Kopftieflage gelagert. Damit kann die Fruchtblase besser reponiert werden. Nach Einstellen der Portio wird die Fruchtblase mit einem Foley Katheter vorsichtig zurückgedrängt. Der Katheter wird mit 10-20 ml NaCl gefüllt. Die Cerclage Anlage kann mit einer der oben beschriebenen Methoden erfolgen, je nach Erfahrung des Operateurs. Die vaginal angelegte Cerclage kann in der 37. Schwangerschaftswoche ohne Anästhesie entfernt werden. Falls keine anderen Kontraindikationen vorliegen, ist eine vaginale Entbindung nach der Entfernung der Cerclage möglich.

3. Abdominale Cerclage

Bei Versagen der vaginalen Methode in einer vorangehenden Schwangerschaft oder bei deutlich verkürzter Portio postoperativ kann alternativ ein abdominales Verfahren angewendet werden. Die Cerclage kann entweder per Laparotomie oder Laparoskopie eingelegt werden (Abb. 5). Bei Schwangeren wird auf die Einlage eines Uterusmanipulators verzichtet. Bei nicht Schwangeren wird ein 10 mm Hegar Stift intrauterin gelegt. Das ermöglicht eine bessere Mobilisation des Uterus und verhindert, dass die Naht zu fest angezogen wird. Für die Cerclage-Anlage wird zuerst das Peritoneum der Excavatio vesicouterina eröffnet. Danach werden die Parametrien auf beiden Seiten unmittelbar oberhalb der Uteringefässe präpariert. Dorsal wird das Peritoneum der Hinterwand oberhalb der Ligamentum sacrouterinum eröffnet und vorgeschoben. Danach wird ein Ethibond 6 Faden zirkulär angelegt und ventral geknotet. Anschliessend erfolgt die Retro­peritonealisierung des Cerclagefadens mit einer fortlaufenden Naht Vicryl 3-0 dorsal und ventral.

Falls eine Cerclage abdominal angelegt wird, sollte als Geburtsmodus eine Sectio caesarea durchgeführt werden. Falls weiterhin Kinderwunsch besteht, kann die Cerclage in situ belassen werden für eine nächste Schwangerschaft.

Das abdominale Verfahren ist mit tieferen Frühgeburtsraten assoziiert. Dies am ehesten bedingt durch die proximale Lokalisation der Cerclage im Bezug zum Os internum, sowie der Absenz des vaginalen Fremdkörpers. Das laparoskopische Vorgehen scheint ein besseres perinatales Outcome zu haben, abhängig auch von der Erfahrung des Operateurs. Im Gegensatz dazu gehen die abdominalen Verfahren mit erhöhter mütterlicher Morbidität im Vergleich zu den transvaginalen Techniken einher (10).

Komplikationen

Die peri- und postoperative Komplikationsrate einer Cerclage-Anlage beläuft sich generell auf ca. 6% der Fälle. Die häufigsten davon sind die iatrogene Frühgeburt, der vorzeitige Blasensprung, die Chorioamnionitis, die vorzeitige Wehentätigkeit oder selten eine zervikovaginale oder vesikovaginale Fistelbildung.

Kontraindikationen

Kontraindikationen für die Durchführung einer Cerclage(-Anlage) sind vorzeitige Kontraktionen, vaginale (uterine) Blutungen oder ein vorzeitiger Blasensprung. Zusätzlich ist von einer Operation bei Verdacht auf urogenitalen Infekt bzw. Amnioninfektsyndrom abzuraten.

Totaler Muttermundsverschluss

Im Rahmen einer prophylaktischen Cerclage bietet die Durchführung eines gleichzeitigen totalen Muttermundsverschlusses eine zusätzliche Option zur Prolongation der Schwangerschaft durch eine Barrierefunktion gegen eine transzervikal aufsteigende Infektion.

Systematische Behandlung

Die Anlage einer Cerclage sollte nicht als einzelne prophylaktische oder therapeutische Massnahme durchgeführt werden, sondern als Bestandteil einer systematischen Behandlung angewendet werden. Die Behandlung besteht neben der fortlaufenden, lokalen Infektionsprophylaxe zusätzlich in einer vaginalen Applikation von Progesteron 200mg täglich als Unterstützung der Zervix bis zur 36. Schwangerschaftswoche. Bei Frühgeburtsbestrebungen zwischen der 24+0 und 33+6 Schwangerschaftswoche ist zusätzlich eine antenatale Steroidtherapie empfohlen. In dieser Situation wäre ebenfalls die Verlegung der Schwangeren in ein Perinatalzentrum zur interdiszipliären Betreuung in Erwägung zu ziehen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dipl. med.Stylianos Kalimeris

Oberarzt Kantonsspital Graubünden
Department Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

stylianos.kalimeris@ksgr.ch

Dr. med. Carolin Blume

Chefärztin Geburtshilfe Kantonsspital Graubünden
Frauenklinik Fontana
Departement Gynäkologie und Geburtshilfe
Lürlibadstrasse 118
7000 Chur

carolin.blume@ksgr.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die Zervixinsuffizienz stellt ein häufiges geburtshilfliches Krankheitsbild dar, welches potenziell mit erhöhter perinataler Morbidität und Mortalität assoziiert ist
◆ Die Cerclage ist eine operative Technik zur Verminderung des Risikos von Frühgeburt bzw. Spätabort durch den Verschluss der Zervix mit einem nicht absorbierbaren vaginal oder transabdominal gelegten Faden.
◆ Die Cerclage kann im Rahmen einer systematischen Betreuung entweder als prophylaktische oder therapeutische Massnahme appliziert werden.
◆ Eine ausführliche und individuelle Beratung der Schwangeren (der Eltern) über die Möglichkeit der Cerclage-Anlage sowie über den Ablauf, Nutzen und potenzielle Komplikationen der Methode sollte, falls indiziert, präoperativ stattfinden.

1. Herman, G. Ernest. “Note on Emmet’s Operation as a preventive of abortion.” BJOG: An International Journal of Obstetrics & Gynaecology 2.3 (1902): 256-257.
2. Fox NS, Chervenak FA. Cervical cerclage: a review of the evidence. Obstet Gynecol Surv. 2008 Jan;63(1):58-65. doi: 10.1097/OGX.0b013e31815eb368. PMID: 18081941.
3. Shennan, A, Story, L, Jacobsson, B, Grobman, WA; the FIGO Working Group for Preterm Birth. FIGO good practice recommendations on cervical cerclage for prevention of preterm birth. Int J Gynecol Obstet. 2021; 155: 19– 22. https://doi.org/10.1002/ijgo.13835
4. Macnaughton MC, Chalmers IG, Dubowitz V, et al. Final report of the Medical Research Council/Royal College of Obstetricians and Gynaecologists multicentre randomised trial of cervical cerclage. MRC/RCOG Working Party on Cervical Cerclage, Br J Obstet Gynaecol, 1993;100(6) 516-523
5. Owen J, Hankins G, lams Multicenter randomized trial of cerclage for preterm birth prevention in high-risk women with shortened midtrimester cervical length. Am J Obstet Gynecol. 2009;201(4):375.e1-375.e8
6. Berghella V, Odibo AO, To MS, Rust OA, Althuisius SM, Cerclage for short cervix on ultrasonography: meta-analysis of trials using individual patient-level data. Obstet Gynecol.2005;106(1):181-189
7. Ehsanipoor R M Seligman NS, Saccone G, et al Physical examination-indicated cerclage: a systematic review and meta-analysis. Obstet Gynecol. 2015;126(1):125-135.
8. OP-Manual Gynäkologie und Geburtshilfe. Uhl B, Brunnert K, Krause M, Lehmanski M, Wunsch M, ed 2., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2013. doi:10. 1055/b-002-29657
9. McAuliffe, L, Issah, A, Diacci, R, Williams, KP, Aubin, A-M, Phung, J, et al. McDonald versus Shirodkar cerclage technique in the prevention of preterm birth: A systematic review and meta-analysis. BJOG. 2023; 00: 1– 11. https://doi.org/10.1111/1471-0528.17438
10. Vissers J, van Kesteren PJ, Bekedam DJ. Laparoscopic abdominal cerclage during pregnancy: Report on two cases using a McCartney tube. J Obstet Gynaecol 2017; 37:383

Prognostische Tests bei Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs im Frühstadium

Auswertung des Index für die Empfindlichkeit gegenüber endokriner Therapie und des 21-Gene Breast Recurrence Score in der SWOG S8814-Studie.

Eine Chemotherapie hat keinen Vorteil gegenüber einer alleinigen adjuvanten endokrinen Therapie für postmenopausale Patientinnen mit nodal-positivem Brustkrebs und einem OncotypeDX™Brustrezidiv-Score (RS) von 25 oder darunter gezeigt (RS # 25). In einer kürzlich publizierten Studie wurde getestet, ob die kombinierten Ergebnisse von RS und dem Index der Empfindlichkeit gegenüber endokriner Therapie (SET2,3) der endokrin bezogenen Transkription (SETER/PR), bereinigt um den prognostischen Basisindex (BPI), die prognostische Bewertung verbessert und ob SET2,3 den Nutzen einer Chemotherapie auf Anthrazyklin-Basis vorhersagt.

Methoden

Eine verblindete retrospektive klinische Validierung von SET2,3 in zwei randomisierten Behandlungsarmen aus der SWOG S8814-
Studie, in der eine adjuvante Chemotherapie auf Anthrazyklinbasis, gefolgt von einer endokrinen Tamoxifen-Therapie über 5 Jahren im Vergleich zu Tamoxifen allein. Der SET2,3-Assay wurde anhand der RNA-Sequenz des gesamten Transkriptoms kalibriert und gemessen, in Sequenz von Tumorproben, die bereits auf RS getestet worden waren. Der primäre Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS).

Resultate

Es gab 106 Ereignisse bei 283 Patientinnen über einen medianen Follow-up von 8,99 Jahren. Proportionale Gefährdungs-Annahmen wurden nur in den ersten 5 Jahren erfüllt. SET2,3-Index und RS waren nicht korreliert (r 5 -0,04) und waren unabhängig prognostisch (SET2,3: Hazard Ratio [HR], 0,48 pro Einheit; 95% CI, 0,34 bis 0,68; P , .001; RS: HR, 1,28 pro 10 Einheiten; 95% CI, 1,14 bis 1,44; P , .001). Der SET2,3-Index sagte den Nutzen einer Chemotherapie nicht voraus (Interaktion P 5 ,77). Der SET2,3-Index war bei 93/175 (53 %) Patienten mit RS # 25 (konkordantes niedriges Risiko) hoch, die 5-Jahres DFS 97%. Der SET2,3-Index war bei 55/108 (51 %) Patienten mit RS . 25 (konkordantes Hochrisiko) niedrig, das 5-Jahres-DFS betrug 53 %. Beide Komponenten des SET2,3-Index waren nach Anpassung für RS prognostisch: SETER/PR (HR, 0,65; 95% CI, 0,46 bis 0,92) und BPI (HR, 0,45; 95% CI, 0,31 bis 0,64).

Schlussfolgerung

Speers et al. beschreiben die unabhängigen prognostischen Fähigkeiten des SET2,3-Algorithmus im Vergleich zum Oncotype DX-Rezidiv-Score bei Patienten, die an der SWOG S8814-Studie teilgenommen haben, mit additiver Vorhersage der endokrinen Empfindlichkeit. Obwohl der SET2,3-Algorithmus nicht zur Vorhersage des Nutzens einer Chemotherapie geeignet ist, könnte er eine Möglichkeit bieten, Empfehlungen für die adjuvante Therapie zu geben, insbesondere für neue therapeutische Ansätze mit endokriner Therapie.

Kommentar

Der Informationshunger ist unstillbar, wenn wir uns in einem therapeutischen Dilemma befinden. Es werden immer mehr Gensignaturen entwickelt und sogar kombiniert. Die meisten sind aber nur prognostisch und diese brauchen wir kaum zusätzlich zu allen Informationen, welche wir schon haben; gelegentlich zeigen sie sogar konträre Ergebnisse zur konventionellen Pathologie entsprechend ihrem «unabhängigen» Informationsgehalt oder konträre Ergebnisse untereinander, beides vergrössert dann das therapeutische Dilemma. Leider haben nur ganz wenige solcher genomischen Tests prädiktive Eigenschaften, aber liefern oft keine zusätzliche Information, gelegentlich Verwirrung und fast alle ohne Voraussagekraft, ob eine bestimmte Therapie besser wirkt.
Leider hat auch der neue, vielversprechende Ansatz einen endokrinen Sensitivitätstest zu verwenden, um den Nutzen einer Chemotherapie besser abzuschätzen (je kleiner die Sensitivität für endokrine Therapie, umso grösser der Nutzen der Chemo­therapie) ein enttäuschendes Ergebnis erbracht. Es ist wichtig Tests genauso gut zu testen wie Medikamente. Hier bleibt noch viel zu tun, wie die beiden Beispiele zeigen. Dem JCO ist zu gratulieren, dass sie auch diese negativen Studienresultate publiziert haben.

Quelle: Spears CW et al. Evaluation of the Sensitivity to Endocrine Therapy Index and 21-Gene Breast Recurrence Score in the SWOG S8814 Trial. J Clin Oncol 41:1841-1848.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Trastuzumab-Deruxtecan bei fortgeschrittenem oder rezidivierendem Gebärmutterkarzinosarkom, das HER2 exprimiert

Fortgeschrittene oder rezidivierende Uteruskarzinosarkome (UCS) sind schwierig zu behandeln. Eine beträchtliche Anzahl von ihnen weist eine gewisse HER2-Expression auf. Diese Ergebnisse eröffnen einen vielversprechenden neuen therapeutischen Weg. Tratuzumab-Deruxtecan (T-DXd) ist die erste Anti-HER2-Therapie, die bei zuvor behandelten Patienten mit fortgeschrittenem oder rezidivierendem UCS unabhängig vom HER2-Status klinische Aktivität zeigte.

Das Ziel einer kürzlich veröffentlichten Studie war die Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) bei Patienten mit fortgeschrittenem oder rezidivierendem Uteruskarzinom (UCS), die eine niedrige oder hohe Expression des humanen epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (HER2) aufweisen.

Patientinnen und Methoden

Eingeschlossen wurden Patientinnen mit rezidivierendem UCS mit HER2-Immunhistochemie-Scores ≥1+, die zuvor mit Chemotherapie behandelt worden waren. Die Patientinnen wurden für die primäre und die explorative Analyse der Gruppe mit hohem (Immunhistochemie-Score ≥2+; n = 22) bzw. niedrigem (Immunhistochemie-Score von 1+; n = 10) HER2-Gehalt zugeordnet. Trastuzumab Deruxtecan 6,4 oder 5,4 mg/kg wurde einmal alle 3 Wochen intravenös verabreicht, bis eine inakzeptable Toxizität oder ein Fortschreiten der Erkrankung eintrat. Die Dosis­anpassung erfolgte auf der Grundlage der aktualisierten empfohlenen Phase-II-Dosis für Brustkrebs von 5,4 mg/kg. Der primäre Endpunkt war die objektive Ansprechrate bei zentraler Überprüfung in der HER2-high-Gruppe. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Gesamtansprechrate (ORR) in der HER2-High-Gruppe nach Einschätzung des Prüfarztes, die ORR in der HER2-Low-Gruppe, das progressionsfreie Überleben (PFS), das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit.

Resultate

Die ORR nach zentraler Überprüfung betrug in den Gruppen mit hohem und niedrigem HER2-Gehalt 54,5% (95% KI, 32,2 bis 75,6) bzw. 70,0% (95% KI, 34,8 bis 93,3), und die ORR nach Bewertung durch den Prüfarzt 68,2% bzw. 60,0%. Das mediane PFS und OS in den Gruppen mit hohem und niedrigem HER2-Gehalt betrugen 6,2 und 13,3 Monate bzw. 6,7 Monate und wurden nicht erreicht. Unerwünschte Ereignisse vom Grad ≥ 3 traten bei 20 Patienten (61%) auf. Pneumonitis/Interstitielle Lungenerkrankung der Grade 1-2 und 3 traten bei acht (24%) bzw. einem (3%) Patienten auf.

Schlussfolgerung

Trastuzumab Deruxtecan ist bei Patienten mit UCS unabhängig vom HER2-Status wirksam. Das Sicherheitsprofil entsprach im Allgemeinen dem zuvor berichteten. Die Toxizitäten waren bei angemessener Überwachung und Behandlung beherrschbar.

Kommentar

In der Systemtherapie tut sich nach längerer Ruhephase viel: Erfreulich sind die Fortschritte gerade bei den «difficult to treat entities». Dosismodifikationen, Erfahrung und adäquate Patientenbetreuung für Interstitial Lung Disease sind unbedingt notwendig.

Quelle: Nishikaw T et al Trastuzumab Deruxtecan for Human Epidermal Growth Factor Receptor 2–Expressing Advanced or Recurrent Uterine Carcinosarcoma (NCCH1615): The STATICE Trial DOI: 10.1200/JCO.22.02558 Journal of Clinical Oncology, Published online March 28, 2023.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Demenz und Autonomie

Neben akuten gesundheitlichen Problemen äussern Patienten häufig in die Zukunft gerichtete Ängste, den Verlust der Mobilität oder die Abnahme der kognitiven Fähigkeiten. In einem Gespräch rund um die Patientenverfügung können diese Ängste gut aufgegriffen und die individuelle Perspektive in Bezug auf Lebensqualität analysiert werden. Es ist jedes Mal spannend und wertvoll zu erfahren, wie verschieden die Blickwinkel z.B. in Bezug auf eine Demenz-Krankheit sind.

Eine ehemalige NZZ-Auslandskorrespondentin mit einer bemerkenswerten Lebensgeschichte äussert: «Demenz ist für mich kein Problem, wenn ich niemanden mehr erkenne und keinen Satz gerade formulieren kann, das ist nicht schlimm. Solange ich mit meinen Sinnen das Leben geniesse, singe und tanze und mich über die Blumen freuen kann, solange möchte ich leben». Im Gegensatz dazu, wünscht ein ehemaliger Oberrichter festgehalten zu wissen: «Sobald ich einer Diskussion nicht mehr differenziert begegnen kann, verliere ich meine Würde und so möchte ich nicht mehr leben. Beim ersten Anzeichen von Demenz bitte ich, mein Leben mit Exit abzuschliessen».

Die Krankheitslast des Symptomkomplexes Demenz mit kontinuierlichem Abbau von kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten wird nicht von allen gleich schwer beurteilt. Trotzdem dürfte es für die Mehrheit als Schreckensgespenst in den Köpfen spuken und wir müssen uns mit dem juristisch-medizin­ethischen Spannungsfeld Urteilsfähigkeit, fortschreitende Demenz, Autonomiewunsch und Berechtigung zum assistierten Suizid auseinandersetzen.

In der im Mai 2022 von der FMH verabschiedeten SAMW-Richtlinien zu «Sterben und Tod» sind die Leitplanken für einen assistierten Suizid formuliert. Mit dem Fallbeispiel des Oberrichters versuche ich den Handlungsspielraum auszuloten. Die Bedingung, dass medizinisch fassbare Krankheitssymptome und Funktionseinschränkungen vorliegen müssen, lässt sich durch die testbasierte Diagnose einer Demenz einfach erfüllen. Auch das Argument des dauerhaften, unabhängig von Dritten, entstandenen Sterbewunsches lässt sich durch kontinuierliche Gespräche erbringen. Meiner Meinung nach ist aber das zeitgleiche Vorliegen eines für Dritte nachvollziehbaren subjektiv erlebten unerträglichen Leidens im Rahmen einer Demenz und einer uneingeschränkten Urteilsfähigkeit in Bezug auf Suizid eine sehr schwierige Gratwanderung. Anders formuliert: Solange eine uneingeschränkte Selbstreflexion in Bezug auf Suizid möglich ist, kann eine Demenz vermutlich nur schwer als unerträgliches Leiden eingestuft werden. Nicht die Krankheit, sondern die Angst, was kommen könnte, ist für den Patienten unerträglich. Vielleicht ist es nicht unmöglich, Patienten in einer solchen Situation mit dem Wunsch eines assistierten Suizids zu begleiten. Ganz sicher muss aber der Zeitpunkt einer Suizidhilfe bei dementen Patienten sehr sorgfältig, schrittweise und unter Abstimmung mit weiteren Fachärzten koordiniert werden, damit das vage juristisch-medizinethische Eis nicht unter unseren Füssen wegbricht.

Trotz meiner liberalen Haltung der Suizidhilfe gegenüber und Engagement für die Autonomie der Patienten, ist der Sterbewunsch bei einer Diagnose Demenz zwar nachvollziehbar, aber gesellschaftlich auch problematisch. Ich denke es ist wichtig, dass die juristisch-medizinethischen Hürden unbedingt hoch gesteckt bleiben. Es könnte ansonsten ein gesellschaftlicher Druck entstehen, so dass sich Patienten zunehmend als Belastung für ihr Umfeld und die Gesellschaft wahrnehmen, und sich zu einer solchen radikalen Option gedrängt fühlen. Der Gedanke der Autonomie muss daher auch in diesem gesellschaftlichen Kontext gedacht werden.

Dr. med. Vera Stucki-Häusler

Dr. med.Vera Stucki-Häusler

Aerzteverlag medinfo AG
Dr. med. Vera Stucki-Häusler
Seestrasse 141
8703 Erlenbach

stucki@medinfo-verlag.ch

RETO KRAPFs Medical Voice

Frisch ab Presse:

Winterschlaf der Bären ohne die menschlichen Immobilisationsfolgen

Bären machen einen langen Winterschlaf, in dem sie nahezu ganz immobilisiert sind. Trotzdem entwickeln sie im Gegensatz zum Menschen keine Osteoporose, keinen Muskelschwund und nur selten Thromboembolien. Interessant ist auch, dass die glomeruläre Filtrationsrate auf praktisch 0 ml/min sinkt und Bären im Winter eine Anurie aufweisen. Gleichwohl entwickeln sie keine Urämie. Dies obwohl die Stickstoffproduktion bei Verwendung der Sommerreserven anhält. Bären verhindern eine Urämie durch die alternative Sekretion von Harnstoff und Ammoniak ins Darmlumen (1). Bären, wenn im Winterschlaf gestört, bewahren sich auch zumindest einen Teil ihrer kardiovaskulären Fitness und können – im Gegensatz zum Menschen nach längerer Immobilisation – erstaunlich behende aus ihrer Höhle (ihrem Bett) galoppieren!

Also könnten wir von Bären für die Prävention und Behandlung z.B. über die oben geschilderten Immobilisations-bedingten Nebenwirkungen wohl viel lernen! Einer skandinavischen Studie entnehmen wir, dass Thromboembolien bei Bären nicht unbekannt sind, sie also als Vergleichsspezies durchaus qualifizieren. Aber, im Winterschlaf können die Bären die Aktivierung der Blutplättchen durch Suppression verschiedener, Plättchen-aktivierender Plasmaproteine hemmen, am ausgeprägtesten ist die Suppression des sog «heat shock protein 47, HSP47» (2). Dieses Protein wird auch bei immobilisierten Menschen supprimiert und könnte also ein, wenn auch beim Menschen nicht 100% wirksamer Schutzmechanismus sein. Vielleicht wäre ein HSP47 Antagonist, zusätzlich zu oder gar als Ersatz (?) der heute gebräuchlichen präventiven Antikoagulation, ein lohnendes Interventionsziel.

1. Kidney International 2012, doi.org/10.1038/ki.2012.396, 2. Science 2023, DOI: 10.1126/science.abo5044, verfasst am 21.04.2023

Endovaskuläre Thrombektomie bis zu 24 Stunden und auch bei grossen ischämischen Hirninfarkten

Die intravaskuläre (durch Aspiration und/oder Stents) Thrombektomie durchgeführt in der Regel innerhalb von 6h nach Auftreten der ersten Symptome und kleineren bis mittelgrossen Infarkten führt bei einer Rekanalisationsrate von etwa 75% zu einer signifikant höheren funktionellen Unabhängigkeit nach 90 Tagen (mit einer eindrücklichen «number needed to treat» von lediglich 2,3!).

Allerdings wird die Gesamtmortalität nicht vermindert. Es gibt nun drei unabhängige Studien (zusammen etwa 1000 Patienntinnen und Patienten aus japanischen, chinesischen und US-amerikanischen Populationen), die einen vergleichbaren Nutzen auch bei grossen Hirninfarkten (ischämisches Hirnvolumen >50 ml) zeigen (1,2,3). Grosse Hirninfarkte waren von den früheren Studien ausgeschlossen worden, wegen der als zu gross eingeschätzten Gefahr eines Reperfusionsschadens und von Einblutungen ins nekrotische Hirngewebe. Bezüglich des Zeitpunktes oder des «windows of opportunity» zeigt eine holländische Studie bei Patientinnen und Patienten mit ischämischen Insulten in der vorderen Strombahn, dass der Nutzen für eine bessere funktionelle Erholung mit funktioneller Unabhängigkeit innerhalb der ersten 24h nach dem Insult erhalten bleibt. Dies namentlich bei Patientinnen und Patienten, bei denen im Computertomogramm ein relevanter Kollateralfluss (und damit besserer Versorgung des Gewebes mit Sauerstoff) nachgewiesen werden konnte (4). Das Zeitfenster für erfolgreiche Interventionen hat sich also signifikant erweitert und auch grosse ischämische Insulte sind keine Kontraindikation per se für eine endovaskuläre Thrombektomie mehr.

1. NEJM 2022, DOI: 10.1056/NEJMoa2118191, 2. NEJM 2023, doi:10.1056/NEJMoa2214403, 3. NEJM 2023, doi:10.1056/NEJMoa2213379, 4. The Lancet 2023, doi.org/10.1016/S0140-6736(23)00575-5

Therapie rezidivierender Clostridoides difficile Infekte: Ohne Stuhltransplantationen?

Die meisten Episoden einer Clostridoides difficile Infektion sind antibiotisch gut zu behandeln. Allerdings liegt das Risiko eines Rezidivs nach einem Erstinfekt bei etwa 25%. Bei Patientinnen und Patienten mit einem solchen steigt die Wahrscheinlichkeit, weiterer Rezidive auf eindrückliche 60%. Guidelines empfehlen denn auch für diese Hochrisikopatienten eine Wiederherstellung der protektiven Mikrobiomzusammensetzung durch Stuhltransplantate gesunder Spender. Als Alternative kommen nun sogenannte «Biotherapeutika» zur Anwendung, welche die unselektive Mikrobiomtransplantationen durch spezifische, protektive Bakterienstämme (in vitro gezüchtet) ersetzen. Eine solche Studie verwendete 8 kommensale, nicht-pathogene und keine Toxine produzierenden Clostridoidesstämme, welche nach Gabe von Laxativa diesen Hochrisikopatientinnen und -patienten appliziert wurden. Das Rezidivrisiko konnte durch diese Clostridoidesstämme auf mehr als einen Drittel reduziert werden (auf knapp 14% im Vergleich zu den knapp 46% unter Placebo, follow-up = 8 Wochen). Dies sind eindrückliche Daten! Bei Bestätigung dürfte der Weg frei sein für diese innovativen Biotherapeutika. Allerdings ist auch bei ihnen das Rezidivrisiko nicht Null, weshalb weitere Massnahmen oder alternative Zusammensetzungen der Bakterienstämme zu prüfen sind.

JAMA 2023, doi:10.1001/jama.2023.4314, verfasst am 21.04.2023

Senkt Denosumab das Typ 2 Diabetes mellitus Risiko?

Denosumab ist ein antiresorptiv wirkender monoklonaler Antikörper, der ein von Lymphozyten und Osteoblasten gebildetes, zirkulierendes Zytokine (den sog. RANK-Liganden, RANKL*) bindet und auf diesem Wege neutralisiert. Im Knochen führt dies zur Hemmung der Osteoklastenaktivität, also einer antiresorptiven Wirkung. Das angesprochene Zytokin (RANKL) wird auch in der Entzündungskaskade, die die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes fördert, inkriminiert. In Übereinstimmung mit dieser Hypothese entwickelten mehr als 4000 Patientinnen und Patienten mit Denosumab Neuverschreibungen signifikant seltener einen Typ 2 Diabetes mellitus als eine 5-fach grössere Kontrollpopulation unter Bisphosphonaten. Und dies über eine Nachbeobachtungszeit von 2,2 Jahren. Die Risikoreduktion betrug etwa einen Drittel. Denosumab könnte also vor allem bei Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko für das Auftreten eines Diabetes mellitus (namentlich positive Familienanamnese, BMI > 30 kg/m2) das Antiosteoporose-Mittel der ersten Wahl werden.

BMJ 2023, doi.org/10.1136/bmj-2022-073435, verfasst am 22.04.2023

Hintergrundswissen: kurz zusammengefasst

Guidelines für die COPD neu verfasst (GOLD 2023)

Ursachen, Risikofaktoren und neu definierte diagnostische Kriterien
• Hauptursachen bleiben Tabakkonsum und Inhalationen von Toxinen/Partikeln aus Umwelt- und
Haushaltsverschmutzungen.
• Gestörte Lungenentwicklung und beschleunigtes Lungenaltern verstärken deren Wirkung.
• Genetische Varianten exazerbieren diese Umweltfaktoren. Unter den vielen, in der Effektgrösse eher kleinen Genvarianten ist der Serpina 1 Gendefekt der wichtigste genetische Risikofaktor. Er ist Grund für den alpha-1-Antitrypsin-Mangel.
• Im richtigen klinischen Kontext (Husten, Auswurf, Dyspnoe, Exazerbationen) und typischen Risikofaktoren ist eine spirometrisch nicht völlig reversible Obstruktion oder «Atemflusseinschränkung» diagnostisch für eine COPD (FEV1/FVC* Quotient nach Bronchodilatation < 0.7).
• Einige Individuen haben COPD-kompatible Symptome, allenfalls strukturelle Lungenbefunde (Überblähung, Emphysem) oder andere Lungenfunktionsstörungen wie eingeschränkte Diffusionskapaztiät aber keine irreversible Broncho-Obstruktion
(d.h. FEV1/FVC > 0.7 nach Inhalation eines Bronchodilatators).
• Diese Individuen werden als Prä-COPD oder PRISm (preserved ratio impaired spirometry) klassifiziert. Die Hoffnung ist, bei entsprechenden Interventionen die Entwicklung einer COPD hinauszögern oder gar verhindern zu können.

1. POCKET-GUIDE-GOLD-2023-ver-1.2-17Feb2023_WMV%20(1).pdf Obwohl das Dokument über diesen link via die Gold-Website frei und gratis zugänglich ist, gibt es ein formelles copyright, das uns verbietet, Ihnen das Dokument direkt anzuheften.
*FEV1 = Forciertes Erstsekundenvolumen, FVC = Forcierte Vitalkapazität.

Auch noch aufgefallen

Welches Salz für alte Menschen?

Wenn Sie Patientinnen und Patienten in Alters- oder Pflegeheimen betreuen, könnte diese Arbeit für Sie interessant sein: Die Reduktion des der Nahrung zugegebenen oder in präfabrizierten Nahrungsmitteln wie Brot bereits enthaltenen Kochsalzes (NaCl) kann mit einer allmählichen Reduktion des Salzgehaltes ohne Klagen der Betroffenen erreicht werden, weil sich offensichtlich die Geschmackspräferenzen auch anpassen. In fast 50 Chinesischen Heimen wurde den Kochenden ein teilweiser Ersatz des Kochsalzes (NaCl) durch Kaliumchlorid (KCl) studienmässig vorgeschrieben und mit den Folgen keiner Intervention oder einer isolierten Reduktion des NaCl verglichen, und zwar über eine Beobachtungsdauer von 2 Jahren. Die Resultate sind eindrücklich und mit vielen Studien in anderen Populationen vergleichbar, die einen Nutzen des verminderten Natriums, aber erhöhten Kaliums in der Diät nachwiesen: Eine kombinierte «Salzung» in der Heimküche (62,5% NaCl, 25 % KCl, der Rest organische Salze) verminderte die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte und die kardiovaskulären Ereignisse signifikant, aber nicht die Gesamtmortalität. Eine isolierte Reduktion des zugefügten Kochsalzes hatte nur marginale Effekte. Der fehlende Effekt auf die Mortalität – der bei dieser Population naturgemäss nicht mehr das Hauptziel sein dürfte –, aber die positiven Effekte auf die Morbidität sind starke Argumente, Kalium zu Lasten von Natrium in der Diät zu erhöhen. Die Daten wurden übrigens erhoben in einer Population mit ziemlich hohem Kochsalzkonsum ( ca 10. Gramm pro Tag, gemessen durch eine 24h Urinsammlung).

Nature Medicine 2023, doi.org/10.1038/s41591-023-02286-8, verfasst am 24.04.2023

Physiologie und Pathophysiologie

Wie wirken GLP-1 Agonisten?

Die Glukagon-like-Peptid 1 (GLP1) ­Agonisten (allen voran das Semaglutid) werden in vielen Ländern als Antidiabetika und zur Gewichts­reduktion (z.T. noch sog. «off-label») verwendet. Vor allem der grosse und vor allem auch der anhaltende, reduzierende Effekt auf das Körpergewicht hat im Vergleich zu bisherigen nicht-operativen Gewichts­reduktionen ein neues Kapitel in der Adipositas­therapie aufgeschlagen. Darum ist es vielleicht gut, dass Sie sich anhand der nachfolgenden Figur den multiplen Wirkungsmechanismen des Glukagon-like-Peptids und somit seiner Agonisten in Erinnerung rufen.

JAMA 2023, doi:10.1001/jama.2023.2438, verfasst am 27.04.2023

Pr Dr Reto Krapf

krapf@medinfo-verlag.ch

Neue Empfehlungen zur Pulmonalen Hypertonie in den ESC/ERS Guidelines 2022

Die pulmonale Hypertonie (PH) ist eine pathophysiologische Entität, welche bei vielen Krankheiten auftritt und zu schwerwiegenden pulmonalen und kardiovaskulären Symptomen führen kann. Durch gute Achtsamkeit kann eine PH rechtzeitig vermutet, die entsprechenden Abklärungen durchgeführt und eine, für die verschiedenen Ätiologien gezielte Therapie eingeleitet werden. Diesem Umstand tragen die neuen Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie und der europäischen Respiratory Society Rechnung, indem sie einen Hauptschwerpunkt auf die Erkennung und den Algorithmus zur Diagnose legen (1). Weitere wichtige Neuerungen hat es in den hämodynamischen Definitionen, der Klassifikation und der Risikostratifizierung der Patienten mit PH gegeben. Eine Aktualisierung der gegenwärtigen verfügbaren Therapien und auch deren empfohlener Einsatz sind in den Richtlinien dargestellt. Insgesamt bringen die neuen Richtlinien viele Neuheiten. Auf die wichtigsten davon will dieser Artikel hinweisen.

Pulmonary hypertension (PH) is a pathophysiological entity that occurs in many diseases and can lead to serious pulmonary and cardiovascular symptoms. With good awareness, PH can be suspected and in due time the necessary workup performed and the appropriate therapy initiated for the various etiologies. The new guidelines of the European Society of Cardiology and the European Respiratory Society take this into account by placing a major emphasis on detection and the algorithm for diagnosis (1). There have been other important innovations in hemodynamic definitions, classification, and risk stratification of patients with PH. An update of currently available therapies and also their recommended use are presented in the guidelines. Overall, the new guidelines bring many novelties. This article aims to point out the most important of them.
Key Words: pulmonary hypertension, ESC guidelines

Neue hämodynamische Definition der pulmonalen Hypertonie

Eine der wichtigsten Neuerungen ist die neue hämodynamische Definition der PH. Die Schwelle von 25 mmHg für den mittleren pulmonalen Druck (mPAP) wurde auf 20 mmHg gesenkt (Tab. 1). Diese Definition wurde am sechsten Weltsymposium für PH erarbeitet und jetzt von den Fachgesellschaften in ihre Richtlinien übernommen (2). Diese tiefere Grenze des (mPAP) von <20 mmHg wird damit begründet, dass ein normaler pulmonaler Druck noch tiefer liegt und dass eine Erhöhung des mittleren PA-Druckes >20 mmHg zu einer schlechten Prognose im Langzeitverlauf bei der idiopathischen und der chronisch thrombo-embolischen pulmonalen Hypertonie führt. Die prä-kapilläre und die post-kapilläre PH werden unterschieden aufgrund des mittleren pulmonalarteriellen Wedge Druckes (PAWP) und des pulmonalvaskulären Widerstands (PVR) gemessen mittels Wood Units (PVR in WU= mittlerer pulmonaler Druck – PAWP geteilt durch das Herzzeitminutenvolumen). Beträgt der PAWP ≤15 mmHg und der PVR >2 Woods Units handelt es sich um eine präkapilläre PH. Beträgt der PAWP >15 mmHg und der PVR ≤2 Wood Units, so liegt eine post-kapilläre PH vor. Gegenüber 2015 wird also der PVR wieder zur Klassifikation der PH verwendet. Hingegen ist die noch in den 2015 verwendete Identifizierung der reinen präkapillären PH mittels des diastolischen Druckgradienten (diastolischer pulmonal-arterieller Druck – mittlerer PAWP) von 7 mmHg fallen gelassen worden. Die kombinierte prä- und post-kapilläre pulmonale Hypertonie wird neu mit einem PVR von >2 WU definiert (Tab. 1). Wichtig ist zu bemerken, dass die neue Schwelle für die Definition einer PH die Empfehlungen für den Therapiebeginn nicht beeinflusst haben. Es gibt nämlich keine Evidenz für die Wirksamkeit einer spezifischen Therapie bei mPAP-Werten <25 mmHg.

Neu sind erstmals auch diagnostische Kriterien für die belastungsabhängige PH definiert worden. Es muss der mittlere PA-Druck (mPAP) und das Herzzeitminutenvolumen (HZV) in Ruhe und unter Belastung gemessen werden. Wenn der Anstieg des Quotienten mPAP/HZV von Ruhe zu Belastung >3 mmHg beträgt, spricht man von einer belastungsabhängigen pulmonalen Hypertonie. Praktisch bedeutet dies, dass bei vermuteter belastungsabhängiger PH ein Rechtsherzkatheter in Ruhe und unter Belastung durchgeführt werden muss. Das ist ein grosser Aufwand, aber dürfte insbesondere bei PatientInnen mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion hilfreich sein bei der Evaluation der Ursachen der Dyspnoe.

Klassifikation der pulmonalen Hypertonie

Die Grundstruktur der klinischen Klassifikation der PH in fünf Gruppen wurde beibehalten (Tab. 2). Mit Abstand am häufigsten wird die PH durch eine Linksherzinsuffizienz verursacht, gefolgt von der PH assoziiert mit Lungenkrankheiten. Alle anderen Ätiologien sind selten. Bei der Gruppe 1, dh. der pulmonal-arteriellen Hypertonie wird bei der Untergruppe idiopathische pulmonal-arterielle Hypertonie neu unterschieden zwischen «Responders» und der «Non-responders» aufgrund der Testung der Vasoreaktivität. «Responders» können initial mit Kalziumanatagonisten behandelt werden und haben eine etwas bessere Prognose. Des Weiteren wurde die veno-okklusive Ätiologie neu der pulmonal-arteriellen Hypertonie (Gruppe 1) als Untergruppe zugeteilt.

Diagnostische Abklärung

a. Verdachtsdiagnose und allgemeines Vorgehen

Die Empfehlungen für die Abklärung bei Verdacht auf eine PH sind vollkommen neu strukturiert worden und folgen dem in der klinischen Praxis gängigen Patientenpfad. Die Empfehlungen stellen die Echokardiografie ganz in den Vordergrund der Abklärung. Bei Patienten mit Dyspnoe sollte der erstuntersuchende Arzt an eine PH als seltene Ursache der Dyspnoe denken (Abb. 1). Bei Verdacht auf eine PH soll, wie bei Verdacht auf eine kardial bedingte Dyspnoe, der Patient dem Kardiologen für eine Echokardiografie zugewiesen werden. Ergibt die Echokardiografie die mögliche oder wahrscheinliche Diagnose einer PH soll eine umfassende Abklärung, die alle Spezialuntersuchungen, welche zur Evaluation der Ätiologie nötig sind, erfolgen. In den allermeisten Fällen gehört zur Sicherung der Diagnose auch eine invasive Messung der Hämodynamik im Rechtsherzkatheter. Ebenfalls soll bei Patienten, bei denen eine pulmonale Krankheit als Ursache der Dyspnoe vermutet wurde, einer Echokardiografie durchgeführt werden. Umgekehrt sollen Patienten, bei denen aufgrund der Echokardiografie die Wahrscheinlichkeit für eine PH tief ist, den Pneumologen zur weiteren Abklärung überwiesen werden (Abb. 1, Tab. 4). Die chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) soll frühzeitig gesucht werden, mit einem Perfusionsbild, z.B. V/Q Szintigraphie, SPECT-CT oder CT-Thorax mit i.v. Kontrastmittel und Dual-Energy Protokoll. Risikofaktoren für eine CTEPH sind Lungenembolie oder Thrombose in der Vorgeschichte, Tumorerkrankung, Splenektomie und hämatologische Erkrankungen.

b. Abklärung mittels Echokardiografie

Es gibt aufgrund der multiplen Ätiologien für eine PH keinen einzelnen echokardiografischen Parameter, aufgrund dessen die Diagnose einer PH zweifelsfrei gestellt werden kann. Vielmehr erlaubt die Echokardiografie mittels Messen der Flussgeschwindigkeit des trikuspidalen Regurgitationsjets (TVR) und einer sorgfältigen Suche der indirekten Zeichen einer PH die Wahrscheinlichkeit der Diagnose PH anzugeben (Tab. 4 und 5). Geschwindigkeiten <2,8 m/s sprechen gegen und Geschwindigkeiten >3,4 m/s für das Vorliegen einer PH (Tab. 4). Aus der TVR lässt sich der systolische pulmonale Druck abschätzen (TVR2x4). Dazu müsste aber der rechts-atriale Füllungsdruck bekannt sein, respektive abgeschätzt werden. Da die Abschätzung des Füllungsdrucks sehr variable Werte ergibt, empfehlen die Guidelines, dass nicht der geschätzte systolische Pulmonaldruck, sondern alleine die Geschwindigkeit des TVR zur Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer PH verwendet wird.

Zusätzlich zur Flussgeschwindigkeit des TVR Jets geben die indirekten Zeichen für eine PH Hinweise für die Wahrscheinlichkeit einer PH. Neu wird die Bewegung des Trikuspidalanulus als Mass für die Kontraktion des rechten Ventrikels, als indirektes Zeichen in die Empfehlungen aufgenommen. Dabei wird die tricuspidal anulus plane systolic excursion (TAPSE) gemessen und dem systolischen Pulmonaldruck gegenübergestellt. Wenn das Verhältnis TAPSE/sPAP <0.55mm/mm beträgt, spricht das für das Vorliegen einer PH (Tab. 5).

Zu beachten ist, dass, im Gegensatz zur hämodynamischen Neudefinition der PH aufgrund der invasiven Messung (mPAP >20 mmHg), der Wert von >2.8 m/s der TVR als Schwelle für die Verdachtsdiagnose für eine PH nicht verändert wurde. Es hat sich nämlich gezeigt, dass eine TVR >2.8 m/s bei 25%-35% der Allgemeinpopulation und bei >45% der aus klinischen Indikationen durchgeführten Echokardiografien vorliegt (3). Die leicht erhöhten pulmonal-arteriellen Drücke werden durch erhöhte links-atriale Füllungsdrücke, Steifigkeit der Pulmonalarterien, und Remodeling der Pulmonalgefässe, wie sie insbedondere im Alter, bei Frauen und bei metabolischen Krankheiten vorkommen, verursacht (3). Der systolische Pulmonaldruck steigt mit dem Alter an und Werte bis 36 mmHg (dh. eine TVR bis 3 m/s) sind bei Personen >60 Jahre normal (4).

c. Bestätigung mittels Rechtsherzkatheter

Die Rechtsherzkatheteruntersuchung bleibt der Goldstandard für die Diagnose und Klassifikation der PH (Tab. 1). Wenn mittels Echokardiografie die Verdachtsdiganose einer PH gestellt ist, sollte eine Rechtsherzkatheruntersuchung an einem Zentrum durchgeführt werden. Die invasive Untersuchung muss eine sorgfältige Messung der Hämodynamik und der Sättigungen im pulmonalen und systemischen Kreislauf beinhalten. Eine Prüfung der Vasoreaktivität ist nur bei Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie (Gruppe 1) angezeigt, um diejenigen Patienten zu finden, welche mittels Kalziumantagonisten behandelt werden können. Bei den anderen Ätiologien ist eine Vasoreaktivität nicht zu erwarten und hätte keine therapeutischen Konsequenzen. Bei Patienten mit Dyspnoe und Verdacht auf eine PH aber normaler Hämodynamik in Ruhe empfehlen die Guidelines neu eine Rechtsherzuntersuchung unter Belastung durchzuführen. Dies wird am ehesten bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion hilfreich sein. Eine Rechtsherzuntersuchung unter Belastung kann auch prognostische und funktionelle Informationen bei Patienten mit Verdacht auf eine pulmonal-arterielle Hypertonie (Gruppe 1) oder bei der CTEPH liefern.

Risikostratifikation

Einhergehend mit der Diagnosestellung in der Spezialsprechstunde für PH muss die Ätiologie durch verschiedene Spezialuntersuchungen eruiert werden. Im Anschluss daran soll eine Risikostratifizierung erfolgen (Tab. 3). Die Risikostratifizierung ist in den neuen Guidelines verfeinert und ausgedehnt worden. Diese Risikostratifizierung ist gut validiert für Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie (Gruppe 1). Für die anderen Ätiologie besteht keine vergleichbare zuverlässige Risikoabschätzung. Es wird zwischen einem tiefen (Mortalitätsrisiko innerhalb eines Jahres <5%), einem mittleren (Mortalitätsrisiko 5-20%) und einem hohen Risiko (Mortalität >20% innert einem Jahr) unterschieden. Neben den klinischen Symptomen und Zeichen wird das Risiko mittels der funktionellen Tests (6-Minuten-Gehtest, Spiroergometrie), dem natriuretischen Peptid, der invasiv gemessenen Hämodynamik und neu auch mittels der Befunde im MRI festgelegt. Von den echokardiografischen Parametern (5) werden neu auch die Werte der systolischen Auslenkung des Trikuspidalanulus (TAPSE) einbezogen. Das Risiko an der PH zu versterben, bestimmt die Intensität der initialen Behandlung.

Behandlung

Die Behandlung der PH richtet sich nach deren Ätiologie (Tab. 2). Für die Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie der Gruppe 1 (idiopathische PH, vererbte PH, PH assoziiert mit Medikamenten, Drogen, anderen Krankheiten) stehen die spezifischen vasodilatierenden Medikamente, welche über die Endothelin, die NO oder die Prostazyklin vermittelte Vasodilatation wirken, zur Verfügung. Neu wird die Therapie aufgrund des Vorliegens von anderen kardiopulmonalen Komorbiditäten modifiziert. Wenn andere kardiopulmonale Erkrankungen vorliegen, wird primär eine Monotherapie eingesetzt, wenn nicht, wird empfohlen die PH-Medikamente von Anfang an in einer Zweierkombination zu verabreichen. Beim Vorliegen eines hohen Risikos soll rasch eine Dreiertherapie begonnen werden (mit zusätzlich i.v. oder subkutan Prostazyklin Analogen). Nach 3-6 Monaten soll die Therapie überprüft und angepasst werden aufgrund einer neuen Risikoevaluation, welche die Veränderung der Dyspnoe, des 6-Minuten-Gehtests und des natriuretischen Peptids beinhaltet.

Eine orale Antikoagulation wird nicht mehr generell empfohlen. Die diuretische Therapie spielt eine wichtige Rolle in der Rechtsherzinsuffizienz, welche mit einer Hypervolämie, reduzierter renaler Durchblutung und der Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems assoziiert ist. Dabei können die Schleifendiuretika gut mit anderen Diuretika, insbesondere Spironolactone kombiniert werden. Die chronische Hypoxämie verschlechtert die PH durch die zusätzliche hypoxische Vasokonstriktion. Deshalb wird eine Dauersauerstoffstherapie bereits bei einem PaO2 von <8 kPa empfohlen.

Die Empfehlungen bei Patienten mit CTEPH folgen den Entwicklungen der interventionellen und medikamentösen Therapien. Bei diesen Patienten ist eine lebenslange Antikoagulation nötig. Eine Beurteilung der Operabilität und Empfehlung für die Therapie soll im Rahmen einer interdisziplinären Besprechung stattfinden, in der Schweiz wurde vor mehreren Jahren ein nationales CTEPH Board eingeführt, welches online monatlich die Fälle diskutiert.

Wenn der Patient operabel ist, dann soll er im Hinblick auf eine pulmonale Endarteriektomie evaluiert werden. Eine solche ist möglich, wenn proximale fibrotische Obstruktionen vorliegen. Bei distalen fibrotischen Obstruktionen soll eine Ballonangioplastie der befallenen Pulmonalarterien evaluiert werden. Die Operation wird in Zürich (USZ) durchgeführt, die Ballon­angioplastie in Genf (HUG), Bern (Inselspital) und Zürich (USZ).

Für Veränderungen im mikrovaskulären Bereich stehen die spezifischen vasodilatierenden Medikamente zur Verfügung. Die beste Evidenz hat Riociguat, das via Stimulation der löslichen Guanylatzyklase die NO vermittelte Vasodilatation fördert. Schwächere Evidenz hat der Endothelinantagonist Macitentan und wird deshalb erst konditionell als Erstmedikament empfohlen. Die medikamentöse Therapie wird multimodal eingesetzt mit der chirurgischen oder interventionellen Behandlung der CTEPH.
Bei allen anderen Formen der PH wird die Behandlung der Grundkrankheit ohne Einsatz der vasodilatierenden Medikamente empfohlen. Einzig bei der schweren Form der PH aufgrund einer Lungenkrankheit empfehlen die Guidelines den vorsichtigen Einsatz spezifischer Medikamente, am besten im Rahmen von klinischen Studien. Es ist allerding anzumerken, dass in der klinischen Praxis sich zunehmend ältere Patienten (>70 Jahre) mit PH präsentieren. Bei ihnen ist oft eine genaue Unterscheidung in eine ätiologische Gruppe nicht möglich, wie zum Beispiel bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit gemischt prä- und postkapillärer Hypertonie. Evidenz für einen Nutzen der PH-Medikamente bei solchen Patienten fehlen und wir müssen entsprechende Studien abwarten. Dies gilt insbesondere für die grösste Patientengruppe mit PH assoziiert mit Linksherzinsuffizienz. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion hat sich Sildenafil jedenfalls als nicht hilfreich erwiesen (5). Bei Patienten mit Herzinsuffizienz bleibt die Guideline empfohlene Herzinsuffizientherapie die optimale Behandlung.

Zweitabdruck aus «info@herz+gefäss» 02-2023

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Charlotte Berlier

Stadtspital Zürich Waid
Pneumologie
Leiterin Sprechstunde für pulmonale Hypertonie
Tièchestrasse 99
8037 Zürich

Prof. Dr. med. Franz R. Eberli

Stadtspital Zürich Triemli
Klinik für Kardiologie
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

franz.eberli@triemli.zuerich.ch

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

◆ Die neue hämodynamische Definition setzt den mittleren pulmonalen Druck (mPAP) auf > 20mmHg als Definition der pulmonalen Hypertonie (PH).
◆ Die echokardiographische Messung der Flussgeschwindigkeit des trikuspidalen Regurgitationsjets (TVR) und die Suche der indirekten Zeichen einer PH ergibt die Wahrscheinlichkeit der Diagnose PH und die Notwendigkeit für weitere Abklärungen (insbesondere pneumologische) und die Durchführung einer Rechtsherzkatheteruntersuchung.
◆ Die Bestätigung der PH erfolgt mit der Rechtsherzkatheteruntersuchung. Die spezifische PH-Therapie wird nur bei der PH Gruppe 1 und 4 eingesetzt und folgt einem komplexen Algorithmus mit regelmässigen Reevaluationen.

1. Humbert M, Kovacs G, Hoeper MM, Badagliacca R, Berger RMF, Brida M, et al. 2022 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. Eur Heart J. 2022;43(38):3618-731.
2. Simonneau G, Montani D, Celermajer DS, Denton CP, Gatzoulis MA, Krowka M, et al. Haemodynamic definitions and updated clinical classification of pulmonary hypertension. European Respiratory Journal. 2019;53(1).
3. Jankowich M, Maron BA, Choudhary G. Mildly elevated pulmonary artery systolic pressure on echocardiography: bridging the gap in current guidelines. Lancet Respir Med. 2021;9(10):1185-91.
4. Ferrara F, Rudski LG, Vriz O, Gargani L, Afilalo J, D’Andrea A, et al. Physiologic correlates of tricuspid annular plane systolic excursion in 1168 healthy subjects. Int J Cardiol. 2016;223:736-43.
5. Hoendermis ES, Liu LC, Hummel YM, van der Meer P, de Boer RA, Berger RM, et al. Effects of sildenafil on invasive haemodynamics and exercise capacity in heart failure patients with preserved ejection fraction and pulmonary hypertension: a randomized controlled trial. Eur Heart J. 2015;36(38):2565-73.