Medikamentöse Adipositastherapie – endlich Licht, jedoch auch Schatten

Adipositas wird heute als chronische Erkrankung angesehen, welche das Leben betroffener Menschen sowohl gesundheitlich als auch seelisch erheblich beeinträchtigt. Leider zeigen klassische Therapieansätze, welche alleinig auf kognitive Strategien zur Optimierung des Lebensstils insbesondere des Ess- sowie des Bewegungsverhaltens fokussieren, nur unzureichend Wirkung im Hinblick auf die angestrebte Gewichtsreduktion. Bislang war daher die bariatrische Chirurgie die einzige effektive Methode, das Körpergewicht und die überschüssige Fettmasse von Menschen mit Adipositas nachhaltig zu reduzieren. Erfreulicherweise scheint nun ein Durchbruch in der medikamentösen Adipositasbehandlung gelungen zu sein; ein lang ersehnter Lichtblick in der Adipositastherapie. Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Wir möchten hier eine differenzierte Übersicht über praxisrelevante Aspekte der aktuellen und zukünftigen medikamentösen Adipositastherapie geben.

Today, obesity is regarded as a chronic disease that has a considerable impact on the lives of affected people, both in terms of health and mental health. Unfortunately, classical therapeutic approaches, which focus solely on cognitive strategies to optimize lifestyle, in particular eating and exercise behavior, are insufficiently effective in achieving the desired weight reduction. Until now, therefore, bariatric surgery has been the only effective method for sustainably reducing the body weight and excess fat mass of people with obesity. Fortunately, a breakthrough now seems to have been achieved in the pharmacological treatment of obesity; a long-awaited ray of hope in obesity therapy. But where there is light, there is also shadow. We would like to provide a differentiated overview of practical aspects of current and future drug-based obesity therapy.
Key Words: obesity, medical treatment for obesity, GLP-1 analogues

Nach langem Dunkel endlich Licht

Die Entwicklung von Medikamenten zur Gewichtsreduktion war über die letzten Jahrzehnte hinweg eine Geschichte mit Höhen und Tiefen (1, 2). Es wurde eine ganze Reihe an Medikamenten für die Behandlung von Adipositas zugelassen, welche jedoch im Verlauf wieder vom Markt verschwanden, da sie in der breiten Anwendung eine zu hohe Rate an unerwünschten Nebenwirkungen zeigten, welche das Risiko/Nutzen Verhältnis als nicht akzeptabel erscheinen liess. Umso erfreulicher ist es, dass nun Medikamente entwickelt wurden, welche einerseits deutlich effektiver sind, anderseits ein besseres Nutzen-Risiko-Verhältnis aufzuweisen scheinen. Es handelt sich dabei insbesondere um Substanzen, welche als Agonisten am «Glucagon-like peptide-1»/(GLP-1)-Rezeptor wirken. Diese Substanzgruppe kennen wir bereits seit bald 2 Jahrzehnten in der Therapie des Typ-2-Diabetes, wo sie nicht nur einen grossen Nutzen in Bezug auf die glykämische Kontrolle, sondern auch in Bezug auf die Prävention von kardiovaskulären Folgeerkrankungen zeigt. Obgleich bislang bei Menschen mit Adipositas, welche nicht zusätzlich unter einem Diabetes leiden, keine kardiovaskulären Endpunktstudien vorliegen, lassen die Erfahrungen aus dem Bereich der Diabetestherapie jedoch hoffen, dass bereits angelaufene Studien, welche diese Fragestellung untersuchen, ebenfalls positiv ausfallen werden.

Was sind GLP-1-Rezeptoragonisten?

GLP-1 ist ein körpereigenes Hormon, welches von spezialisierten Darmzellen insbesondere nach der Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird. Es handelt sich dabei um ein Peptidhormon, welches innerhalb weniger Minuten in der Blutbahn durch die Dipeptidylpeptidase (DDP) 4 aufgespalten und dadurch deaktiviert wird. GLP-1-Rezeptoragonisten (RA) stellen Analoga des ursprünglichen Hormons dar, welche derart modifiziert wurden, dass sie einerseits nicht durch DPP4 inaktiviert werden, andererseits, beispielsweise mittels Bindung an Albumin, lange in der Blutbahn zirkulieren. Die in der Adipositastherapie eingesetzten Medikamente werden dabei subkutan (s.c.) injiziert, da die Aufnahme von Peptiden über den Gastrointestinaltrakt prinzipiell möglich, jedoch nur mit hohem Aufwand zu erreichen ist.

Welche GLP-1-RA gibt es für die Adipositastherapie?

Für die Adipositastherapie sind in der Schweiz aktuell zwei Substanzen zugelassen. Unter dem Namen Saxenda® ist Liraglutid bereits seit einigen Jahren im Einsatz und wird aktuell unter Erfüllung der in der Spezialitätenliste definierten Limitatio von den Krankenkassen über maximal 3 Jahre finanziert (Tab. 1). Das Zweite von der Swissmedic für die Adipositastherapie zugelassene Medikament trägt den Namen Wegovy® und beinhaltet die Substanz Semaglutid, welche in der Diabetestherapie unter dem Namen Ozempic® gut bekannt ist. Obgleich zugelassen, ist Wegovy® aufgrund der grossen Nachfrage in den USA auf dem Europäischen sowie Schweizer Markt aktuell noch nicht verfügbar. Im Unterschied zu den in der Diabetestherapie eingesetzten Dosen werden für die Adipositastherapie deutlich höhere Dosen der entsprechenden Substanzen eingesetzt. Konkret beträgt die Höchstdosis von Saxenda® 3 mg s.c. pro Tag sowie bei Wegovy® 2.4 mg s.c. einmal pro Woche.

Eine dritte Substanz, welche bislang zwar nicht für die Adipositastherapie zugelassen ist, jedoch in einer grossen Phase-3-Studie bei Menschen mit Adipositas bereits getestet wurde, möchten wir hier ebenfalls vorstellen. Dieses designte Peptid namens Tirzepatid wirkt sowohl agonistisch am GLP-1-Rezeptor als auch am Rezeptor des glukoseabhängigen insulinotropen Polypeptids (GIP). Erwähnenswert ist, dass diese auch als Bi-Agonist bezeichnete Substanz von der Swissmedic bereits zur Therapie des Typ-2-Diabetes unter dem Namen Mounjaro® (3) zugelassen ist. Ebenfalls aufgrund einer hohen Nachfrage in den USA, welche offensichtlich die momentanen Produktionskapazitäten übersteigt, ist das Medikament auf dem Europäischen sowie Schweizer Markt bislang noch nicht verfügbar. Aktuell ist es für den Beginn von 2024 für den Einsatz in der Diabetes­behandlung angekündigt.

Wie wirken die Medikamente in der Adipositastherapie?

Haupteffekt der genannten Medikamente ist eine Verminderung des Appetits sowie eine frühzeitige Sättigung nach der Nahrungsaufnahme (4–7). Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, dass durch die Gabe von GLP-1-RA die Verarbeitung von Nahrungsreizen im Gehirn deutlich beeinflusst wird (8). Dies erleichtert es betroffenen Personen, Kontrolle über ihr Essverhalten auszuüben, um eine Energierestriktion zu erreichen. Leider gibt es jedoch auch Hinweise darauf, dass die Appetit-reduzierenden Effekte nach einer längeren Behandlungsdauer etwas nachlassen respektive von Gegenregulationsmechanismen teilweise überspielt werden (5), was zu einem Wiederanstieg des Körpergewichts führen könnte. In der Tat zeigte eine über 3 Jahre durchgeführte Studie bei Personen mit Prädiabetes, dass die nach etwa einem Jahr erreichte Gewichtsreduktion von 9.2% trotz fortgeführter Behandlung mit 3 mg Liraglutid nicht ganz erhalten werden konnte, sodass die Nettogewichtsreduktion nach 3 Jahren nur noch 7.1% betrug. Bezüglich 2.4 mg Semaglutid zeigte eine kürzlich veröffentlichte Studie, dass die nach 68 Wochen erreichte, maximale Gewichtsreduktion unter einer fortgeführten Behandlung im anschliessenden zweiten Jahr auf stabilem Niveau gehalten werden konnte (9) (Mittlerer Gewichtsverlust nach 2 Jahren 15.2%).

Dosis-Wirkung-Beziehung

Weniger mit Adipositasmedizin vertraute Leserinnen und Leser wird es möglicherweise überraschen, dass bei Anti-Adipositas-Medikamenten ebenso wie in anderen pharmakologischen Bereichen der Medizin eine klare Dosis-Wirkung-Beziehung besteht. Abbildung 1 illustriert sowohl für Liraglutid als auch für Semaglutid diese Dosis-Wirkung-Beziehung aus Phase-2-Studien (10, 11). Für die klinische Praxis ist dies von grosser Bedeutung, da sich durch eine Dosisanpassung des verabreichten GLP-1-RA die Entwicklung des Körpergewichtes bei den meisten Patienten recht gut voraussehen und ggf. auch steuern lässt.

Effektivität der Anti-Adipositas-Medikamente

Um die Effektivität der erwähnten Substanzen darzustellen, haben wir die Daten von drei grossen Phase-3-Studien zusammengefasst (12–14). Aus streng wissenschaftlicher Sicht ist diese Gegenüberstellung nicht valide, da es sich nicht um ganz vergleichbare Untersuchungskollektive handelt. Auch die Basistherapie im Sinne einer Lifestyleintervention, welche sowohl die Verum- als auch die Placebo-Gruppen erhielten, war zwischen den Studien nicht identisch. Der Body-Mass-Index (BMI) zu Beginn der Behandlung war mit 38 kg/m2 in den unterschiedlichen Behandlungsgruppen sowie auch die Behandlungsdauer (Liraglutid und Tirzepatid 72 Wochen, Semaglutid 68 Wochen) jedoch gut vergleichbar. An dieser Stelle sei nochmals explizit erwähnt, dass Tirzepatid nicht zur Behandlung der Adipositas zugelassen ist und dass wir uns bei der Darstellung der Ergebnisse auf die höchste, der in der Studie eingesetzten Tirzepatid Dosen von 15 mg s.c. pro Woche beschränken.

Wie in Abbildung 2 gut erkennbar, ist 2.4 mg Semaglutid einmal pro Woche s.c. deutlich wirksamer bzgl. Gewichtsreduktion als die tägliche Applikation von 1 mg Liraglutid. Noch effektiver scheint jedoch die wöchentliche Gabe von 15 mg Tirzepatid zu sein. Da auch in den Placebogruppen, wohl aufgrund der gleichzeitigen Lebensstilintervention, das Gewicht etwas abnahm, ist immer der medikamentöse Nettoeffekt jeweils durch Subtraktion des in der Placebogruppe erzielten Gewichtsverlusts von dem der medikamentösen Behandlungsgruppe zu errechnen (Abb. 2).

Eine klinisch relevante, in der klinischen Adipositasforschung übliche Darstellungsweise ist auch die Angabe des prozentualen Anteils der behandelten Personen in verschiedenen Gewichtsreduktionskategorien. Wie in Abbildung 3 ersichtlich, zeigten deutlich mehr Personen unter Semaglutid als unter Liraglutid eine erfolgreiche Gewichtsreduktion, wobei sich die Erfolgsquote unter Tirzepatid nochmals deutlich erhöht zeigte.

Insgesamt sind die gewichtsreduzierenden Effekte der beschriebenen Medikamente sehr beeindruckend und scheinen sich der Effektivität von bariatrischen Operationen wie dem Roux-en-Y-Magen­bypass oder der Schlauchmagenresektion, welche einen langfristigen Gewichtsverlust von etwa 25 bis 30% generieren, anzunähern (15).

Die Medikamente wirken nur solange man sie einsetzt

Adipositas ist eine chronische Erkrankung. Wir gehen heute davon aus, dass ein einmal erreichtes Körpergewicht im Sinne eines «Setpoints» über komplexe Regulationsmechanismen gegen Gewichtsreduktionsbemühungen sehr effektiv verteidigt wird. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen konsistent, dass es zu einem Wiederanstieg des Körpergewichtes kommt, sobald die Therapie, sei es eine Ernährungs- oder Bewegungs-Intervention, eine medikamentöse Therapie oder auch eine invasive Therapie, wie ein Magenballon oder Magenband, beendet wird. Dieses Grundprinzip der Adipositasmedizin wurde auch für die Behandlung mit Semaglutid einmal mehr eindrucksvoll dokumentiert. Abbildung 4 fasst zur Illustration die Daten der STEP 4 (16) sowie der STEP 1 trial extention Studie (17) zusammen. In der STEP 4 Studie wurden die eingeschlossenen Personen nach einer 20-wöchigen Semaglutid Behandlung, entweder zu je einer Gruppe mit weiteren Semaglutid- oder Placebo-Gaben randomisiert. In der STEP 1 trial extention Studie wurde Semaglutid nach 68 Wochen gestoppt. Es zeigte sich, dass es nach einem Wechsel auf Placebo oder nach Semaglutid-Stopp zu einem zügigen Wiederanstieg des Körpergewichts kam. Folglich sollte eine medikamentöse Adipositasbehandlung eine Dauertherapie darstellen, um langfristig erfolgreich zu sein.

Sowohl auf therapeutischer Seite als auch auf Patientenseite besteht jedoch oft noch die Vorstellung, dass man das Gewicht nur einfach reduzieren müsse und es dann ohne weitere pharmakologische oder chirurgische Massnahmen und ohne Ausübung einer dauerhaften, extrem ausgeprägten kognitiven Kontrolle auf dem reduzierten Niveau persistiere. Vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Evidenz ist diese Wunschvorstellung leider als veraltet und naiv zu bezeichnen. Vielmehr muss gerade vor diesem Hintergrund gefordert werden, dass vor Einleitung einer medikamentösen Adipositastherapie eine differenzierte Aufklärung über den zu erwartenden Wiederanstieg des Körpergewichts nach Beendigung der pharmakologischen Therapie erfolgen muss und für ein neues Krankheitsverständnis mit dauerhafter Behandlungsnotwendigkeit analog zur medikamentösen Therapie des Cholesterins oder des Blutdrucks geworben werden sollte.

Was sind die Schattenseiten?

Wie die meisten medikamentösen Therapien haben auch die beschriebenen Medikamente der Adipositastherapie Nebenwirkungen. Eine Übersicht der in den drei analysierten Studien vermehrt beobachteten Nebenwirkungen haben wir in Tabelle 2 zusammengefasst. Dabei stehen gastrointestinale Beschwerden klar im Vordergrund. Diese treten meist zu Beginn der Behandlung auf und lassen sich durch eine langsame Dosissteigerung oft limitieren. Im weiteren Verlauf verschwinden sie dann häufig oder reduzieren sich zumindest auf ein akzeptables Ausprägungsniveau. Es gibt jedoch auch Personen, welche die Medikamente schlichtweg nicht vertragen oder ein unzureichendes Ansprechen auf die Therapie zeigen. In dieser Situation sollte die Therapie frühzeitig beendet werden.

Als klinisch wohl relevanteste Nebenwirkungen ist die erhöhte Inzidenz von symptomatischen Gallensteinen zu erwähnen, welche auch zu einer erhöhten Rate an Cholecystektomien führt. Dabei ist die vermehrte Gallensteinbildung nicht als unmittelbare Folge der medikamentösen Therapie zu sehen, sondern als Folge der Gewichtsreduktion, da auch andere gewichtsreduzierende Behandlungen, wie die Durchführung einer sehr energierestriktiven Diät oder einer bariatrischen Operation, zu einer erhöhten Gallenstein-Inzidenz führen.

Sorge bereitet ein unkritischer Einsatz der Medikamente

Die oben beschriebenen Nebenwirkungen erachten wir insgesamt als unproblematisch und gehen davon aus, dass sie das Risiko-Nutzen-Verhältnis auch im Langzeitverlauf nicht wesentlich verschieben werden. Grössere Sorge macht uns der zunehmend unkritische Einsatz der Medikamente insbesondere im Selbstzahlerbereich, welcher keiner Regulation unterliegt. So können wir sowohl in unserem Umfeld als auch in den Massenmedien und auf Social-Media-Kanälen beobachten, dass es einen riesigen Hype um die beschriebenen Medikamente gibt. So werden sie offensichtlich nicht selten auch ohne eine medizinische Indikation unter der Motivation der subjektiven Selbstoptimierung des Körpergewichts eingesetzt. Während das Risiko-Nutzen-Verhältnis bei gegebener medizinischer Indikation aufgrund des übergewichts-bedingten, erhöhten gesundheitlichen Risikos zugunsten des Nutzens liegt, ist dies bei Personen mit nur geringem Übergewicht sowie damit fehlenden assoziierten Komorbiditäten oder gar bei Normalgewicht mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Fall.

Potenziell problematisch ist auch der unreflektierte Einsatz der Medikamente bei Frauen im gebärfähigen Alter, welche keine konsequente Antikonzeption durchführen, und bei Frauen, die noch einen offenen Kinderwunsch hegen. Da bislang keine Daten hinsichtlich des Einsatzes der Medikamente während der Schwangerschaft vorliegen, muss die medikamentöse Therapie vor dem Eintritt einer Schwanger­schaft, spätestens jedoch mit Feststellen einer Schwangerschaft abgesetzt werden. Der dann zu erwartende, rapide Wiederanstieg des Gewichtes könnte den Schwangerschaftsverlauf erheblich komplizieren sowie auch langfristig die metabolische Entwicklung des heranwachsenden Kindes über epigenetische Mechanismen der fetalen Programmierung ungünstig beeinflussen. Aus unserer Sicht besteht diesbezüglich ein dringender wissenschaftlicher Klärungsbedarf, damit therapiebedürftige Frauen adäquat aufgeklärt und beraten werden können (18). Im Hinblick auf diese Problematik und der Unwahrscheinlichkeit von durchführbaren Anwendungsstudien in dieser Fragestellung ist es um so wichtiger, Schwangerschaften unter GLP-1-RA zu sammeln und wissenschaftlich auszuwerten. Wir möchten daher Kollegen und Kolleginnen, die Patientinnen mit eingetretener Schwangerschaft unter aktiver Therapie betreuen, ermuntern diese zu melden (19).

Wo liegt die Grenze zwischen Lifestyle und medizinischer Indikation?

Wir wissen heute sehr gut, dass das allein quantitative Ausmass des Übergewichtes gemessen am BMI wenig über die gesundheitliche Gefährdung der betroffenen Person aussagt. Fettverteilungsmuster, Fettzellvolumen, Ausmass der subklinischen Inflammation sowie der Insulinresistenz, genetische und epigenetische Prägung und viele weitere Faktoren entscheiden, ob und wann Übergewicht respektive Adipositas zu gesundheitlichen Problemen führt. Nicht vergessen werden sollten jedoch auch die funktionellen Einschränkungen sowie psychosozialen und sozioökonomischen Folgen der Adipositas, welche das Leben von betroffenen Menschen deutlich erschweren. In der klinischen Praxis ist es daher unerlässlich, eine sorgfältige Evaluation durchzuführen, bevor eine Behandlungsempfehlung abgegeben und gegebenenfalls eine Behandlung eingeleitet werden kann.
Die Limitatio der Spezialitätenliste definiert als Kriterium für eine Kostenübernahme einer Behandlung mit Saxenda® einen BMI von >28 (bis 35) kg/m2 verbunden mit dem Bestehen mindestens einer Übergewichts-assoziierten Komorbidität wie Prädiabetes, Dyslipidämie oder arterieller Hypertonie (Tab. 3). Einerseits macht die Konzentration der Finanzierung der Therapie auf Personen mit entsprechenden Komorbiditäten aus unserer Sicht Sinn, andererseits kann jedoch die explizite Einschränkung auf einzelne Komorbiditäten problematisch sein. Neben dieser BAG-seitig willkürlich definierten Komorbiditäten könnte man ebenso als finanzierungsbegründende Komorbiditäten das Schlafapnoesyndrom oder die Steatosis hepatis respektive Steatohepatitis aufführen. Ebenso sollten funktionelle Einschränkungen wie beispielsweise eine Gonarthrose sowie auch psychosoziale Beeinträchtigungen durch das Übergewicht Berücksichtigung finden. Letztlich ist es wie immer Aufgabe der ärztlichen Tätigkeit, eine differenzierte Abwägung hinsichtlich einer potenziellen Behandlungsindikation vorzunehmen.

Strukturierte Begleitung immer notwendig

Generell sollte der Einsatz der beschriebenen Anti-Adipositas-Medikamente strukturiert begleitet werden, so wie dies auch in den Zulassungsstudien immer der Fall war. Durch die Medikation wird das Essverhalten der behandelten Person erheblich beeinflusst, so dass es insbesondere darum geht, dass nicht nur eine quantitative Veränderung der Ernährung, sondern auch eine qualitative Anpassung stattfindet. Eine begleitende, qualifizierte Ernährungsberatung sowie ggf. auch Trainingstherapie kann hierbei unterstützend sehr wirksam sein (20).

Fehlende Finanzierung der Dauerbehandlung

Aktuell ist die Finanzierung der medikamentösen Adipositas­therapie zeitlich aktuell auf maximal 3 Jahre limitiert. Wir müssen leider davon ausgehen, dass sich dies zumindest kurzfristig auch nicht grundlegend ändern wird. Da es sich bei der Adipositas jedoch um eine chronische Erkrankung handelt und mit einem zügigen Wiederanstieg des Gewichts nach Absetzen der Medikation zu rechnen ist, macht eine zeitliche Begrenzung der Therapiefinanzierung medizinisch gesehen keinen Sinn. Eine Selbstfinanzierung der Therapie ist für viele betroffene Personen aufgrund ihrer sozioökonomischen Schlechterstellung nicht realistisch und aus unserer Sicht vor dem Hintergrund des Anspruchs auf soziale Gerechtigkeit auch nicht akzeptabel. Genau wie die bariatrisch-chirurgischen
Therapien sollte die Durchführbarkeit einer medikamentösen Therapie nicht von dem sozial-ökonomischen Status der betroffenen Person abhängig sein. Es kann nicht sein, dass es am Ende heisst: «Medikamente für Reiche, Operationen für Arme». Um eine solche Entwicklung zu verhindern, ist es dringend erforderlich, dass die Adipositas in der Gesellschaft, von Gesundheitsfachpersonen sowie insbesondere von regulatorischen Entscheidungsträgern endlich als chronische Erkrankung anerkannt wird.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Bernd Schultes

Stoffwechselzentrum St. Gallen, friendlyDocs AG
Lerchentalstrasse 21
9016 St. Gallen

stoffwechselzentrum@friendlydocs.ch

Prof. Dr. med. Gottfried Rudofsky

Praxis für Endokrinologie, Diabetes & Adipositas
Baslerstrasse 30
4600 Olten

endokrinologie-olten@hin.ch

Prof. Dr. med. Bernd Schultes gibt an, Vortrags­tätigkeiten für die Firmen Novo Nordisk und Eli Lilly durchzuführen sowie an advisory boards dieser Firmen teilzunehmen. Diese Firmen produzieren und/oder Erforschen u.a. Arzneimittel zur Behandlung von Adipositas.
Zudem war er als Investigator an klinischen Studien der Firma Novo Nordisk beteiligt.
Dr. rer. hum. biol. Barbara Ernst gibt an, als Studienkoordinatorin an
klinischen Studien der Firma Novo Nordisk beteiligt gewesen zu sein.
Prof. Dr. med. Gottfried Rudofsky gibt an, Vortragstätigkeiten für die
Firmen Novo Nordisk und Eli Lilly durchzuführen sowie an advisory boards dieser Firmen teilzunehmen. Zudem war er als Investigator an klinischen Studien der Firma Novo Nordisk beteiligt.

◆ Die Entwicklung neuer Anti-Adipositas Medikamente stellt einen
enormen Fortschritt in der Adipositasmedizin dar und wird dabei
helfen, die Erkrankung effektiver zu behandeln.
◆ Eine medikamentöse Adipositastherapie sollte immer strukturiert begleitet werden.
◆ Vor Verordnung eines Medikaments ist darauf hinzuweisen, dass diese Therapie als dauerhafte Therapie zu verstehen ist und die Kosten der Medikation nach maximal 3 Jahren von den Betroffenen wahrscheinlich selbst zu tragen sind.
◆ Zu behandelnde Personen sind im Hinblick auf den zu erwartenden Wiederanstieg des Körpergewichts nach Absetzen der Therapie sowie über die unklare Situation bezüglich einer eventuell eintretenden Schwangerschaft explizit aufzuklären.
◆ Ein unkritischer Einsatz der Medikamente sollte auch im Selbstzahlerbereich unbedingt vermieden werden.
◆ Die Möglichkeit einer medikamentösen Behandlung der Adipositas sollte nicht vom sozioökonomischen Status der betroffenen Person abhängig sein. Es ist daher eine dauerhafte Finanzierung der Therapie bei gegebener Indikation anzustreben.

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2. Schultes B. Medikamentöse Therapie der Adipositas – Aerzteverlag medinfo AG [Internet]. [cited 2023 Feb 6]. Available from: https://www.medinfo-verlag.ch/medikamentoese-therapie-der-adipositas/
3. Swissmedic 2019 © Copyright. Mounjaro®, Injektionslösung in einem Fertigpen (Tirzepatidum) [Internet]. [cited 2023 Feb 6]. Available from: https://www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/authorisations/new-medicines/mounjaro_injektionsloesung_fertigpen_tirzepatidum.html
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Update Demenz 2022

Vieles hat sich im letzten Jahr im medikamentösen Therapiebereich der Alzheimererkrankung getan. Trotzdem: der grosse Durchbruch lässt weiter auf sich warten. Mit der ersten US-Zulassung eines krankheitsmodifizierenden Alzheimer-Medikamentes (Aduhelm® (Aducanumab), Biogen) wurde eine neue Therapie-Ära eröffnet, die erstmals wichtige Folgediskussionen zu verlangter Wirksamkeit, Finanzierbarkeit und ethischen Implikationen angestossen hat. Durch die Nichtzulassung von Aducanumab in Europa und der Schweiz ändert sich bei uns am bisherigen diagnostischen und therapeutischen Management der Alzheimer Erkrankung wenig oder nichts. Trotzdem tun wir gut daran, hier die imminente Einführung von krankheitsmodifizierenden Therapien und der damit zusammenhängenden neuen Diagnostik auf allen Ebenen und mit allen Konsequenzen zu antizipieren.

Much has been achieved in the last year in the field of drug therapy for Alzheimer’s disease. Nevertheless, the big breakthrough is still a long time coming. The first U.S. approval of a disease-modifying Alzheimer’s drug (Aduhelm® (aducanumab), Biogen) opened a new era of therapy, which for the first time triggered important follow-up discussions on required efficacy, financial feasibility and ethical implications. The non-approval of aducanumab in Europe and Switzerland changes little or nothing in the diagnostic and therapeutic management of Alzheimer’s disease. Nevertheless, we do well to anticipate here the imminent introduction of disease-modifying therapies and the associated new diagnostics at all levels and with all consequences.
Key Words: Alzheimer’s disease, dementia, antibody therapies

Heilende Therapien und die damit verbundenen Hoffnungen und Tücken

Für die rheumatoide Arthritis war es Methotrexat (1988), für Multiple Sklerose Interferon Beta-1b (1993). Für die Alzheimer Erkrankung war es Aducanumab (2021) – wirklich? Obwohl zugelassen durch die FDA in den USA, hat sich die Europäische Arznei­mittel-Agentur EMA im Dezember 2021 dagegen entschieden; das bei SWISSMEDIC eingereichte und nach wie vor hängige Zulassungsgesuch hat die Firma vor kurzem zurückgezogen. Offenbar bestehen hier in der Gesamtsicht der Erwartungen an neue Therapien unterschiedliche Anforderungen. Obwohl Aducanumab die Alzheimer-typische Ablagerung von Beta-Amyloid erfolgreich entfernt, haben bei den europäischen Behörden die dabei erzielten minimalen kognitiven Effekte für eine Zulassung nicht ausgereicht. Trotzdem: bereits heute hat die FDA zwei weitere Amyloid-Antikörper Therapien aus der Forschungspipeline für eine beschleunigte Review identifiziert: Donanemab und Lecanemab. Basierend auf diesbezüglich bereits publizierten Daten kann auch hier – im besten Fall – mit bescheidenen klinischen Effekten gerechnet werden.

Von den aktuell 143 untersuchten Molekülen in der Alzheimer-Forschungspipeline gehört die klar überwiegende Mehrheit zu der Klasse der Krankheits-modifizierenden, d.h. kurativen Therapien (Abb. 1) (1). Experimentelle Therapien mit Zielansatz auf Tau-Proteine, Inflammation, synaptische Plastizität und Gefässveränderungen stehen hier gegenwärtig in Phase 2. Als zukünftiges Szenario werden – ähnlich wie in der Kardiologie – immer mehr kombinierte Therapieansätze denkbar. Der Trend für klinische Alzheimer-Studien ist immer mehr auch eine Interventionsverschiebung in die präklinische Krankheitsphase, die – bei fehlenden klinischen Symptomen – von der rechtzeitigen Identifizierung von krankheitsspezifischen Biomarkern abhängig ist. So wurde z.B. mit dem oben erwähnten Donanemab im August 2021 eine Präventionsstudie bei 50- bis 55-jährigen «Risiko»-Probanden mit (lediglich) erhöhtem Plasma Tau-Protein als Einschlusskriterium begonnen. Bei einer angenommenen MCI-Prävalenz von 6.7% für 60 bis 64-Jährige, 25.2% für 80 bis 84-Jährige – und einer wahrscheinlich noch höheren Rate im präklinischen Stadium – müssen bei der grossen Anzahl von potentiellen «Patienten» auch die entsprechenden Kosten erwogen werden. Neben den eigentlichen Kosten für die Moleküle braucht es aber auch eine erhebliche Anzahl spezialisierter Infrastrukturen, um die Therapien zu verabreichen. Anders als das subkutan verabreichte Gantenerumab, werden aktuell in Entwicklung stehende monoklonale Antikörper Therapien mittels monatlicher intravenöser Therapie verabreicht. Alle in dieser Klasse entwickelten Therapien gehen auch mit neurologischen Komplikationen einher (zerebrales Ödem/Blutung), die aufwändiges Monitoring (MRI) benötigen. Kein Wunder hat das amerikanische «Center for Medicare & Medicade Services (CMS)» die Versicherungsprämien für 2022 bereits um 20% erhöht.

Abgesehen von den finanziellen Aspekten hat die Einführung einer krankheitsmodifizierenden Therapie bei Alzheimer auch andere massgebende Effekte auf unser Gesundheitssystem. Der Zugang zu zeitgerechter und akkurater Diagnose wird für einen Therapie­erfolg entscheidend sein. Im Wissen, dass aktuell bis 50% der Demenz-Patienten nicht als solche diagnostiziert sind, lässt bei Verfügbarwerden von krankheitsmodifizierenden Therapien den Mangel an verfügbaren Demenz-Spezialisten (Geriatern, Neurologen und Psychiatern) und –Institutionen (Memory Clinics) lediglich erahnen.

Ein möglicherweise mildernder Faktor für den Bedarf an kognitivem Hirnleistungs-Assessment ist die zunehmende Entwicklung von im Blutplasma nachweisbaren Amyloid- und Tau-Biomarkern. Sobald die diesbezügliche Sensitivität, Spezifizität sowie Verlässlichkeit feststeht, wird ein einfacher Bluttest die Identifizierung einer frühen Alzheimererkrankung in der hausärztlichen Praxis möglich machen. Eine solch frühe Diagnostik kann auch die Weiterentwicklung von präventiven Krankheitsansätzen fördern. Dabei entstehen aber auch neue ethische, legale und versicherungstechnische Herausforderungen. Nicht jeder Patient, der eine solche Testung einfordert wird deren volle Konsequenzen verstehen können, was eine entsprechende Beratung vor und nach der Testung nötig macht. Rechtlich wird auch zu klären sein, was ein positiver diagnostischer Befund versicherungstechnisch bedeutet.
Mit der in Griffweite gerückten Möglichkeit einer Alzheimer erkrankungsmodifizierenden Therapie, müssen parallel zu Fragen von Wirksamkeit, Sicherheit und Kosteneffizienz unbedingt auch die nötigen Diskussionen geführt werden, um die damit zusammenhängenden ethischen, ökonomischen, regulatorischen und legalen Implikationen zu adressieren (2).

Hirnleistungsstörungen: Aktuelle Klinische Abgrenzung von «Normal» versus «Pathologisch»

Obgleich in einer immer näher rückenden Zukunft die Demenzdiagnose primär mittels Biomarkernachweis im Blut erfolgen wird, muss im heutigen Praxisalltag immer noch auf klinische Symptome abgestützt und mit möglichst wenig Zeitaufwand entschieden werden, ob kognitive Störungen schnell weiter abgeklärt werden müssen, ob weiter beobachtet werden muss oder kein weiterer Handlungsbedarf besteht! Das frühere (zeitaufwändige) Screening von kognitiven Störungen mittels MMSE und Uhrentest wurde in den letzten Jahren vom sensitiveren und gezielten «Case Finding» abgelöst (http://www.braincheck.ch/de)! Die von den «Swiss Memory Clinics» und Schweizer Hausärzten entwickelte Testung «BrainCheck» trennt in wenigen Minuten «Normal» von «Pathologisch» mit einer Trennschärfe von 90% (3)! Dazu muss der Patient drei einfache Fragen beantworten und einen Uhrentest absolvieren. Gleichzeitig werden seinem engsten Angehörigen/Partner 7 kurze Fragen gestellt. Alle Resultate können sofort elektronisch erfasst und beurteilt werden.

Bei bestehender weiterer Abklärungsbedürftigkeit muss zusammen mit dem Patienten und seinen Angehörigen entschieden werden, wie die Diagnostik weiter vorangetrieben werden soll. Als erster Schritt ist hier sicherlich der (einfache) Ausschluss von schnellbehandelbaren Ursachen ein absolutes «Muss». Eine Schilddrüsenstörung kann mittels TSH Bestimmung ausgeschlossen werden, eine Depression mittels Geriatric Depression Scale (GDS) und eine psychosoziale Belastungssituation (Stressbelastung) mit einer sorgfältigen Anamnese erkannt und im positiven Fall mit entsprechenden Gegenmassnahmen angegangen werden. Bei anamnestisch begründbarem Verdacht, kann auch ein Vitamin B Status und eine Lues-Serologie weiterführend sein. Wird man in den genannten Bereichen fündig und entsprechend therapie-aktiv, empfiehlt es sich rund 6 Monate später die Kognition mittels BrainCheck nachzukontrollieren.

Abklärungsbedürftige Kognitive Störungen

Die Art der weiteren Abklärung von kognitiven Störungen ist sehr individuell und hängt vom Einverständnis, dem Gesundheitszustand/Lebenserwartung und den sozialen Lebensumständen des Patienten ab. Bei jüngeren und fitteren Senioren sollte immer eine spezialisierte Abklärung bei einem Demenzspezialisten oder einer Memory Clinic erfolgen. Diese umfasst neben einer medizinischen Untersuchung mit Labor und Biomarkern eine neuropsychologische Abklärung mit Hirnbildgebung (MRI). Bei sehr hochaltrigen und fragilen Patienten kann auch eine verkürzte kognitive Abklärung (z.B. mittels MoCa-Assessment (4)) erfolgen. Diese kann – mit etwas Erfahrung – in der hausärztlichen Praxis durchgeführt und diagnostisch ausgewertet werden. Dazu gehört auch hier imperativ eine Hirnbildgebung (MRI oder CT), um den wahrscheinlichsten neuropathologischen Grund der dementiellen Entwicklung festzulegen. Dies ist entscheidend für die Art der einzuleitenden Therapie.

Kognitive Störungen: Therapeutische Optionen

Handelt es sich gemäss DSM-5 um «milde» kognitive Störungen, befinden sich diese innerhalb von zwei Standardvariationen eines kognitiven Normalbefundes. Therapeutisch stehen hier neben medikamentösen (Ginkgo Biloba 240mg/d und Vitamin D (24’000 Einheiten pro Monat) v.a. nicht medikamentöse Massnahmen im Vordergrund: regelmässige körperliche und soziale (kognitive) Aktivität, gesunde altersgerechte Ernährung (regelmässig und genügend Protein (1.2g/kg Körpergewicht pro Tag; MIND-Diät (Abb. 2 (5)) und eine gute hausärztliche Kontrolle von vaskulären Risikofaktoren (art. Hypertonie, Diabetes, Hypercholesterinämie). In der finnischen FINGER Studie (6) konnten allein mit diesen Lebensstilmassnahmen nach 2 Jahren signifikante kognitive Verbesserungen erzielt werden!

Medikamentöse Optionen

Bevor neue Medikamente zum Einsatz kommen, gilt es grundsätzlich, eine bereits vorhandene allfällige Polypharmazie auf kognitiv beeinträchtigende anticholinerge Substanzen zu überprüfen. Handelt es sich gemäss DSM-5 um «major» kognitive Störungen (Demenz) ist für die Festlegung der medikamentösen Therapie (meist mittels Bildgebung und/oder Biomarker) die dem Prozess zugrundeliegende Neuropathologie entscheidend. Handelt es sich um einen neurodegenerativen Prozess (Alzheimer Erkrankung), sind Stadium-abhängig Ginkgo, Cholinesterasehemmer und Memantine Mittel der ersten Wahl (Abb. 3). Bei dieser symptomatischen Therapie wird (bei frühzeitigem Beginn) der Verlauf der Krankheit bzgl. Funktionalitäts- und Selbständigkeitserhalt massgeblich verbessert. Diese Medikamente wirken ausgesprochen langsam, sind aber dank einer «Number Needed to Treat» (NNT) von unter 10 (für alle drei Substanzklassen!) mit einer hohen Responder-Rate versehen. Im Vergleich zu nicht-behandelten Kontrollpopulationen treten erste klinische Differenzen jedoch erst nach einem Jahr Behandlung auf; diese werden in den weiteren Jahren aber sehr relevant, da die Behandlung zu eindrücklich weniger Pflegeheimeintritten führt (7). Hier hat sich v.a. auch die Kombinationstherapie von Memantine mit Cholinesterasehemmer (bei MMSE < 20) als sehr erfolgreich erwiesen. Diese ist in der Schweiz jedoch nur off-label-mässig möglich und wegen einer Limitatio nicht voll von der Grundversicherung übernommen. Trotzdem: viele Patienten tragen (angesichts stark gefallener Antidementiva-Preise) die paar Hundert Franken pro Jahr gerne selber, wenn damit finanziell viel höhere Kosten einer Institutionalisierung gespart oder herausgeschoben werden können. Neben der durch Antidementiva länger erhaltenen Alltagsfunktionalität treten unter dieser Therapie auch signifikant weniger demenz-assoziierte Verhaltensauffälligkeiten auf (Aggression, Schreien, motorische Unruhe etc.).

Ist die der dementiellen Entwicklung zugrundeliegende Pathologie rein vaskulär, sind obige Antidementiva (ausser Ginkgo Biloba) nicht wirksam und entsprechend nicht indiziert. Hier gilt es mit allen Mitteln, mit Lebensstilmassnahmen und der Beherrschung von vaskulären Risikofaktoren das weitere Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Bei gemischten vaskulär-neurodegenerativen Demenzformen können Antidementiva eingesetzt werden. Bei selteneren Demenz-Pathologien wie Lewis-Body Krankheit, Parkinson- oder Fronto-Temporal Demenz lohnt sich eine Rücksprache mit entsprechenden Spezialisten.

Nicht-medikamentöse Optionen

Eine 2021 neu in der Schweiz eingeführte innovative Ernährungssupplement-basierte symptomatische Therapie baut auf dem Mechanismus einer gezielt verbesserten zerebralen Energie-Hirnversorgung auf. Diese ketogene Therapie mit Zuführung von mittelkettigen Triglyzeriden ergänzt die bei Demenzerkrankungen nachgewiesen kompromittierte mitochondriale Glucoseverwertung zur verbesserten Energieproduktion (ATP), was klinisch bei frühen Hirnleistungsstörungen (MCI) zu bescheidenen, aber signifikanten Verbesserungen der Hirnleistung führte. Das Produkt (BrainXpert®, NESTLE) ist nicht kassenzulässig und muss – angesichts des hohen Keton-Gehaltes – zur Vermeidung gastrointestinaler Unverträglichkeiten sorgfältig eindosiert werden (8). Weitere Studien müssen zeigen, wo und wie genau dieser neue symptomatische Therapieansatz in den gängigen Schemen Eingang findet.

Nicht-medikamentöse Interventionen bei Demenzkranken werden von grossen Fachgesellschaften und Expertengruppen – ausser bei Notfallsituationen – in erster Linie und als primären Approach bei demenzassoziierten psychosozialen Verhaltensauffälligkeiten (BPSD) empfohlen (9). Gemäss Cohen-Mansfield sind die meisten Ärzte für die Medikamentenverschreibung bei BPSD geschult und ausgebildet, jedoch nur die wenigsten verfügen über Kenntnisse zu diesbezüglichen nichtmedikamentösen Therapiemassnahmen und deren Wirkungserfolg (10). Entsprechend häufig werden deshalb antipsychotische Medikamente eingesetzt bevor nichtmedikamentöse Interventionen versucht werden.

Im Gegensatz zu den bei Demenz bereits früh eingeschränkten oder verlorenen kognitiven Fähigkeiten sind die emotionalen und psychosozialen Kompetenzen bis in späte Demenzkrankheitsstadien weit weniger vom Abbau betroffen. Hier setzen nicht-medikamentöse Interventionen an, in dem sie – weg vom Defizit-Fokus – auf vorhandene Hirnleistungs-Ressourcen zugreifen, diese gezielt nutzen und fördern. Körperliche Aktivität, musikbasierte Aktivitäten sowie proteinreiche mit Vitamin D ergänzte Ernährung zum Erhalt der Muskelgesundheit bei Demenz haben sich am erfolgreichsten gezeigt (Abb. 4) (10). Spannend und immer wieder Gegenstand von Forschungen ist die Hirnwirkung von mit Musik kombinierten Bewegungsaktivitäten wie Tanz und Rhythmik. In der «Einstein-Aging» Kohortenstudie wurde regelmässiges Tanzen als Freizeitbeschäftigung mit einem bis zu 80% erniedrigten späteren Demenzrisiko assoziiert (12). In einer Interventionsstudie mittels Rhythmik nach Dalcroze konnte das motorisch-kognitive Dual-Task Vermögen von zuhause lebenden Senioren verbessert und das Sturzrisiko um über 50% reduziert werden (13). Bei fortgeschrittenen Demenzstadien scheint die Dalcroze Rhythmik neben der positiven Beeinflussung von BPSD-Symptomen vor allem die sprachlichen Fähigkeiten zu fördern (14).

Nichtpharmakologische Interventionen bei Demenzerkrankten sind neben den pharmakologischen, der aktiven Unterstützung/Beratung der Betreuer sowie einer sorgfältigen frühen Diagnostik, ein wesentlicher Bestandteil des modernen 4-Säulen Demenz Managements. Die zu erwartende Hauptwirkung solcher Massnahmen besteht in der positiven und nebenwirkungsfreien Beeinflussung von BPSD. Körperliche Aktivitätsprogramme zeigen zusätzliche Vorteile für die Alltags-Funktionalität, die insbesondere bei gleichzeitiger proteinreicher Ernährung und Vitamin D-Supplementation deutlich länger erhalten werden kann. Musik und musikbasierte Bewegungsprogramme wie Tanz und Rhythmik scheinen besonders geeignet, Hirnreserven zu mobilisieren und damit die Kognition signifikant zu verbessern.

Fazit für die Praxis

Mit der US-Zulassung des Anti-Amyloid Antikörpers Aducanumab ist eine erste krankheitsmodifizierende Therapie bei Alzheimer Demenz eingeführt worden, die bei klinisch (leider) nur minimen Effekten vor allem durch die erfolgreiche Tilgung des AD-Biomarkers Beta-Amyloid besticht. Durch die Zulassungsablehnung in Europa verändert sich bei uns – im Moment – nichts an den gängigen Abklärungs- und Therapieschemen von Hirnleistungsstörungen. Trotzdem: bei bereits weiteren von der FDA für eine beschleunigte Review vorgesehenen Amyloid-Antikörpertherapien und vielen neuen, in Phase 2 steckenden anderen erfolgversprechenden Therapieansätzen (z.B. Phospho-Tau Antikörper) ist die Ära der krankheitsmodifizierenden AD-Therapie auch in Europa in Sichtweite gerückt. Angesichts der demographisch bedingten hohen Prävalenz von Hirnleistungsstörungen ist damit auch die ethische Diskussion rund um Indikation und Finanzierbarkeit solcher Therapien eröffnet.

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Prof. Dr. med. Reto W. Kressig

Ärztlicher Direktor & Klinischer Professor für Geriatrie
Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER & Universität Basel
Burgfelderstrasse 101
4002 Basel

RetoW.Kressig@felixplatter.ch

Punktuelle Geriatrische Beratungstätigkeit auf
Anfrage bei Novartis, Roche, Takeda, Vifor, OM-Pharma, Schwabe, Biogen, Nestle, Omanda.

1. Cummings J, Lee G, Nahed P, Kambar MEZN, Zhong K, Fonseca J, Taghva K. Alzheimer’s disease drug development pipeline: 2022. Alzheimers Dement (N Y). 2022 May 4;8(1):e12295.
2. Tan ZS. The dawn of disease modification for Alzheimer’s disease: Hope and peril. J Am Geriatr Soc. 2022 Jun;70(6):1661-1663.
3. Ehrensperger MM, Taylor KI, Berres M, Foldi NS, Dellenbach M, Bopp I et al.. BrainCheck – a very brief tool to detect incipient cognitive decline: optimized case-finding combining patient- and informant-based data. Alzheimers Res Ther. 2014 Nov 24;6(9):69.
4. Nasreddine ZS, Phillips NA, Bédirian V, Charbonneau S, Whitehead V, Collin I, Cummings JL, Chertkow H. The Montreal Cognitive Assessment, MoCA: a brief screening tool for mild cognitive impairment. J Am Geriatr Soc. 2005 Apr;53(4):695-9.
5. Marcason W. What Are the Components to the MIND Diet? J Acad Nutr Diet. 2015 Oct;115(10):1744.
6. Kivipelto M, Solomon A, Ahtiluoto S, Ngandu T, Lehtisalo J, Antikainen R et al.. The Finnish Geriatric Intervention Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability (FINGER): study design and progress. Alzheimers Dement. 2013 Nov;9(6):657-65.
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8. Adv Nutr 2020;00:1-20.
9. Savaskan E, et al.. Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie der behavioralen und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD). Praxis (Bern 1994). 2014 Jan 29;103(3):135-48.
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11. Kressig R W. Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten bei Demenz. internistische praxis. 2017;58(1):116–122.
12. Verghese J, Lipton RB, Katz MJ, Hall CB, Derby CA, Kuslansky G, Ambrose AF, Sliwinski M, Buschke H. Leisure activities and the risk of dementia in the elderly. N Engl J Med. 2003 Jun 19;348(25):2508-16.
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Journal Watch

Krankenhausergebnisse einer in der Gemeinschaft erworbenen Infektion mit der SARS-CoV-2 Omicron-Variante im Vergleich zu Influenza-Infektionen in der Schweiz

Angesichts der laufenden COVID-19-Pandemie ist es von entscheidender Bedeutung, die aktuelle Krankheitslast durch die SARS-CoV-2-Omicron-Variante bei Krankenhauspatienten zu bewerten, um die geeigneten Massnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit durch Vergleiche mit den besser bekannten saisonalen Grippeinfektionen können. Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus der Schweiz hatte zum Ziel, die stationären Ergebnisse von Patienten, die mit der SARS-CoV-2 Omicron-Variante infiziert waren, mit Patienten mit Influenza-Infektion zu vergleichen.

Design und Teilnehmer

Diese Kohortenstudie basierte auf einem nationalen COVID-19- und Influenza-Register. Krankenhauspatienten im Alter von 18 Jahren und älter mit einer in der Gemeinschaft erworbenen Infektion mit der SARS-CoV-2-Omicron-Variante, die zwischen dem 15. Januar und dem 15. März 2022 aufgenommen wurden (zu einem Zeitpunkt, wo die B.1.1.529 Omicron-Vorherrschaft >95 % betrug), und hospitalisierte Patienten mit Influenza A- oder B-Infektion wurden eingeschlossen. Patienten ohne Studienergebnis bis zum 30. August 2022, wurden zensiert. Die Studie wurde an 15 Spitälern in der Schweiz durchgeführt.

Expositionen

Gemeinschaftlich erworbene SARS-CoV-2 Omicron-Variante vs. gemeinschaftlich erworbene saisonale Influenza A oder B.

Hauptergebnisse und Massnahmen

Primäre und sekundäre Ergebnisse wurden definiert als Sterblichkeit im Krankenhaus, Sterblichkeit im Krankenhaus und Aufnahme auf die Intensivstation bei Patienten mit der SARS-CoV-2 Omicron Variante oder Influenza. Die Cox-Regression (ursachenspezifische und Fine-Gray-Unterverteilungs-Hazard-Modelle) wurde verwendet, um die Zeitabhängigkeit und konkurrierende Ereignisse zu berücksichtigen, bei einer inversen Wahrscheinlichkeitsgewichtung zur Berücksichtigung von Störfaktoren mit Rechtszensierung an Tag 30.

Ergebnisse

Von 5212 Patienten aus 15 Krankenhäusern hatten 3066 (58,8 %) eine SARS-CoV-2 Omicron Variante und 2146 Patienten (41,2 %) in 14 Zentren waren an Influenza A oder B erkrankt. Von den Patienten mit der SARS-CoV-2-Omicron-Variante waren 1485 (48,4 %) weiblich, während 1113 Patienten mit Influenza (51,9 %) weiblich waren (P = .02). Patienten mit der SARS-CoV-2-Omicron-Variante waren jünger (mittleres [IQR]-Alter, 71 [53-82] Jahre) als die Patienten mit Influenza (mittleres [IQR]-Alter, 74 [59-83] Jahre; P < .001). Insgesamt starben 214 Patienten mit der SARS-CoV-2 Omicron-Variante (7,0 %) während des Krankenhausaufenthalts gegenüber 95 Patienten mit Influenza (4,4 %; P < .001). Die endgültige bereinigte Subdistribution Hazard Ratio (sdHR) für den Tod im Krankenhaus für die SARS-CoV-2 Omicron-Variante gegenüber Influenza betrug 1,54 (95% CI, 1,18-2,01; P = .002). Insgesamt wurden 250 Patienten mit der SARS-CoV-2 Omicron Variante (8,6 %) gegenüber 169 Patienten mit Influenza (8,3 %) auf die Intensivstation eingeliefert (P = .79). Die SARS-CoV-2-Omicron-Variante war nicht signifikant mit einer vermehrten Einweisung in die Intensivstation gegenüber der Influenza- Infektion assoziiert (sdHR, 1,08; 95% CI, 0,88-1,32; P = .50).

Schlussfolgerungen

In dieser Kohortenstudie mit 5212 Patienten, die mit der SARS-CoV-2 Omicron-Variante oder Influenza A oder B in der Schweiz hospitalisiert wurden, war die SARS-CoV-2 Omicron Variante mit einem 1.5-fach höheren Risiko für 30 Tage Gesamtmortalität im Spital im Vergleich zu Influenza assoziiert. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Pa­tienten mit der SARS-CoV2 Omicron Variante trotz der Virusevolution und den verbesserten Managementstrategien ein höheres Risiko für Mortalität im Spital haben als diejenigen mit einer Influenzainfektion.

Quelle: Portmann Lea et al. Hospital Outcomes of Community-Acquired SARS-CoV-2 Omicron Variant Infection Compared With Influenza Infection in Switzerland. JAMA Network Open. 2023;6(2):e2255599. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.55599

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Risikofaktoren für Herpes Zoster; Sollen Patienten mit Asthma oder COPD geimpft werden?

Herpes Zoster (HZ) oder Gürtelrose ist eine durch Impfung vermeidbare Krankheit, die durch die Reaktivierung des latenten Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht wird, das bei >95% der Erwachsenen≥40 Jahre vorhanden ist. Das Lebenszeitrisiko einer Gürtelrose liegt bei >30% derjenigen, die nicht gegen HZ geimpft sind [1-3]. Auch wenn inzwischen hochwirksame Impfstoffe zur Verfügung stehen, sind die Gürtelrose und ihre Komplikationen mit schätzungsweise 1 Million Fällen pro Jahr in den Vereinigten Staaten eine bedeutende Ursache für die Morbidität [4].

Vor der Einführung von Impfprogrammen traten Komplikationen bei fast jedem vierten HZ-Patienten auf [5]. Die häufigste Komplikation ist die postherpetische Neuralgie (PHN), die die Lebensqualität über Monate oder Jahre erheblich beeinträchtigen kann. Sie tritt bei 5-30% aller HZ-Fälle auf, wobei das Risiko mit dem Alter zunimmt; 80% aller PHN-Fälle treten bei Personen im Alter von ≥50 Jahren auf [6, 7]. HZ ophthalmicus (HZO) ist die zweithäufigste Komplikation von HZ, die in bis zu 10% der Fälle auftritt und zu schweren Folgen wie Erblindung führen kann [8]. Chronische Erkrankungen oder Komorbiditäten erhöhen das Risiko einer Person, an HZ zu erkranken [9, 10]. Im Durchschnitt besteht ein um 30% erhöhtes Risiko für eine akute HZ bei Personen mit mindestens einer der folgenden Erkrankungen: Asthma, chronische Herzerkrankung, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Depression und rheumatoide Arthritis (11) [14]. Sowohl Asthma als auch COPD wurden auch mit einem erhöhten Risiko für PHN in Verbindung gebracht (12) [11).

Trotz des gut dokumentierten erhöhten Risikos für HZ und PHN bei Personen mit Asthma oder COPD werden in den aktuellen Leitlinien für HZ-Impfprogramme diese Atemwegserkrankungen oft nicht ausdrücklich in die Liste der chronischen Erkrankungen aufgenommen, die für eine Impfung in Betracht gezogen werden sollten; daher werden Personen mit Atemwegserkrankungen in den aktuellen Impfempfehlungen möglicherweise nicht berücksichtigt (13, 14). Eine kürzlich publizierte Studie (15) untersuchte die Belastung durch HZ bei Erwachsenen mit Asthma oder COPD. Es werden Informationen zusammengefasst, die bei der Entwicklung künftiger Impf- und Krankheitsrichtlinien hilfreich sein können. Es wurden Daten und Belege aus verschiedenen Ländern verwendet, um das HZ-Risiko bei Erwachsenen mit Asthma oder COPD zu beschreiben und Aspekte zu erörtern, wie diese Bevölkerungsgruppen von einer HZ-Prävention profitieren könnten Ohne Impfung wird schätzungsweise 1 von 3 Personen im Laufe ihres Lebens an Herpes Zoster (HZ) erkranken. Ein erhöhtes HZ-Risiko wird auf eine gestörte zellvermittelte Immunität zurückgeführt, wie sie bei altersbedingter Immunoseneszenz oder bei Personen mit geschwächtem Immunsystem aufgrund von Krankheiten oder immunsuppressiven Behandlungen beobachtet wird. Die meisten Impfrichtlinien empfehlen die HZ-Impfung für alle Erwachsenen≥50 Jahre, obwohl Shingrix® durch Swissmedic im Oktober 2021 in der Schweiz für Personen im Alter von≥18 Jahren zugelassen wurde, die aufgrund einer Immunschwäche oder Immunsuppression durch bekannte Krankheiten oder Therapien ein erhöhtes HZ-Risiko haben oder haben werden.

Chronische Atemwegserkrankungen sind ebenfalls Risikofaktoren für HZ. Eine neue Meta-Analyse berichtet über ein um 24% bzw. 41% erhöhtes Risiko für HZ bei Personen mit Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Asthma und COPD erhöhen das Risiko für HZ und damit verbundene Komplikationen in jedem Alter und können bei Personen, die inhalative Kortikosteroide erhalten, weiter erhöht sein. Trotz des erhöhten Risikos gibt es Hinweise darauf, dass die HZ-Impfquote bei Personen im Alter von≥50 Jahren mit COPD im Vergleich zur altersgleichen Allgemeinbevölkerung niedriger ist, was möglicherweise auf ein mangelndes Bewusstsein für HZ-Risikofaktoren bei Klinikern und Patienten hinweist. Der Bericht der Global Initiative for Chronic Lung Disease 2022 erkennt an, dass die Centers for Disease Control and Prevention empfehlen, Personen im Alter von≥50 Jahren gegen HZ zu impfen, obwohl die Gesundheitssysteme die Einbeziehung aller Erwachsenen mit Asthma oder COPD in ihre HZ-Impfprogramme in Betracht ziehen sollten. Weitere Forschungen zur Wirksamkeit und Sicherheit des HZ-Impfstoffs in jüngeren Bevölkerungsgruppen sind erforderlich, um Impfempfehlungen zu erarbeiten. Highlights – Die Reaktivierung des latenten Varizella-Zoster-Virus manifestiert sich als Herpes Zoster (HZ), der mit belastenden Symptomen einhergeht und zu Komplikationen führen kann – Risikofaktoren für HZ sind häufig mit einer Abnahme der zellvermittelten Immunität verbunden, wie sie im Alter, bei geschwächtem Immunsystem, unter immunsuppressiver Therapie und bei chronischen Erkrankungen, die das Immunsystem beeinträchtigen, beobachtet wird Meta-Analysen haben ein erhöhtes Risiko für HZ bei Menschen mit Asthma oder COPD [9, 10] im Vergleich zu Menschen ohne Asthma oder COPD eindeutig nachgewiesen. Die Daten zeigen auch, dass die Einnahme von ICS ein separater Risikofaktor für HZ bei Patienten mit diesen Erkrankungen sein kann. Wie in der Allgemeinbevölkerung ist auch bei Asthma- oder COPD-Patienten das zunehmende Alter ein Risikofaktor (16, 17). Die Empfehlungen für die HZ-Impfung stimmen mit den Daten überein und beziehen sich auf Personen im Alter von ≥50 Jahren, die – möglicherweise zufällig – die Patientengruppen mit dem höchsten Risiko bei Asthma und COPD umfassen. Es ist jedoch besorgniserregend, dass die Impfung gegen HZ bei Patienten mit Atemwegserkrankungen aufgrund des mangelnden Bewusstseins von Klinikern und Patienten für HZ-Risikofaktoren gering sein könnte (18), obwohl sich dies nach der kürzlich erfolgten Aufnahme der HZ-Impfung in die GOLD-2022-Empfehlungen für COPD verbessern könnte (19) .Eine Impfung gegen HZ könnte für Menschen mit Asthma oder COPD in einer Vielzahl von Altersgruppen, von jungen Erwachsenen bis hin zu älteren Menschen, von Vorteil sein.

Quelle: Safonova E et al. Risk factors for herpes zoster : should people with asthma or COPD be vaccinated ? Respir Res. 2023 ; 24 : 35. Doi10.1186/s12931-022-02305-1.

Prof. em. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

1. Insinga RP et al. The incidence of herpes zoster in a United States administrative database. J Gen Intern Med. 2005;20:748–53.
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10. Kawai K, Yawn BP. Risk factors for herpes zoster: a systematic review and meta-analysis. Mayo Clin Proc. 2017;92:1806–21
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13. Gobierno de España. Ponencia de Programa y Registro de Vacunaciones—Recomendaciones de vacunación frente a herpes zóster [Presentation of the immunization program and records—vaccination recommendations against herpes zoster]. https://www.mscbs.gob.es/en/ profesionales/saludPublica/prevPromocion/vacunaciones/programasD eVacunacion/docs/HerpesZoster_RecomendacionesVacunacion.pdf. Accessed 15 Nov 2021
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RETO KRAPFs Medical Voice

Frisch ab Presse:

Debatte

Immer Sommerzeit oder immer Winterzeit?

Sie wissen vielleicht, dass am Tag resp. den Tagen nach der Umstellung auf die Sommerzeit mit Schlafdeprivation von etwa einer Stunde kardiovaskuläre Ereignisse, inkl. die damit verursachte Mortalität und Arbeitsplatz-assoziierte Unfälle signifikant (allerdings mit kleiner Effektgrösse) gehäuft sind. Über das Jahr korrigiert sich dies aber, da am Tag nach der Umstellung auf die Winterzeit kardiovaskuläre Ereignisse und Unfälle weniger häufiger auftreten. Nun will man diese Zeitumstellungen, wahrscheinlich ab 2024, nicht mehr. Die Frage ist also: immer Winterzeit oder immer Sommerzeit?

Medizinstimmlich sind die längeren, hellen Abende – wie Umfragen auch in repräsentativen Populationen mehrheitlich zeigen – subjektiv ein Gewinn an Lebenszeit- und Lebens­qualität. Nicht so sicher ist, wie sich die «Sommerzeit» im Winter, mit der an den kürzesten Tagen erst um 0900h zu erwartenden Dämmerung anfühlen würde. Viele medizinische Fachgesellschaften argumentieren gegen eine – sozusagen – ganzjährige Sommerzeit: Die längeren Abende und die morgendlichen Dunkelstunden würden zu einer Dissoziation des sozialen, gesellschaftlichen vom individuellen, durch die biologische Uhr verlangten Rhythmus führen. Die innere Uhr wird in der Tat durch den Licht (Sonnen-)Zyklus moduliert. Dieser Dissoziation werden signifikante gesundheitsschädigende Einflüsse wie die bereits erwähnten, aber zusätzlich auch Depressionen zugeschrieben. Für die
perenniale Winterzeit spricht, dass wir uns alle vor dem Hin und Her zwischen Sommer- und Winterzeit schon langfristig an nur eine Zeit, nämlich die Winterzeit, adaptiert hatten.

JAMA 2023, doi:10.1001/jama.2023.0159, verfasst am 09.03.2023

Erfolgsstories für Aldosteron-Antagonisten: Positive Wirkungen auf 1. kardiovaskuläre Ereignisse, 2. Progression der chronischen Niereninsuffizienz und 3. Kontrolle refraktärer Hypertonien

Von den klassischen Aldosteron-Antagonisten wie die steroidalen Spironolakton (Aldakton®) und Eplerenon (Inspra®) war bekannt, dass sie antihypertensive, kardioprotektive und nephroprotektive Eigenschaften aufweisen. Von einem neuen, nicht-steroidalen Antagonist (Finerenon, Kerendia®) wurde gezeigt, dass er kardiovaskuläre Ereignisse bei chronischer Nieren­insuffizienz mit oder ohne Diabetes Typ 2 verringert und die Progression der Niereninsuffizienz selber signifikant verlangsamt (1, 2). Während diese 3 Antagonisten den Aldosteron-Rezeptor blockieren (somit die endogenen Aldosteronkonzentrationen erhöhen), blockiert ein neues Medikament (Baxdro­stat, ein sogenannter «small molecule inhibitor») ein Enzym der Nebennieren, die sogenannte Aldosteronsynthase. Die erste Evaluation dieses Medikamentes wurde für die refraktäre (oder Therapie-resistente) Hypertonie Plazebo-kontrolliert vorgenommen (3). «Refraktäre Hypertonie» war in dieser Studie wie folgt definiert: Blutdruckwerte > 130/80 mmHg, trotz 3-monatiger Vorbehandlung mit 3 Antihypertensiva unterschiedlicher Wirkungsklassen.

Der Effekt war sehr gross: Mehr als 11 mmHg Reduktion des systolischen Blutdruckes im Vergleich zu Plazebo! Da in Studien in aller Regel auch die Betreuung der PatientInnen in der Plazebogruppe intensiviert wird, ist der Abfall des systolischen Blutdruckes um 9 mmHg in der Plazebogruppe nicht erstaunlich, aber quantitativ überraschend. Baxdrostat ist in der Schweiz noch nicht erhältlich, alle Medikamente mit Interferenz mit der Aldosteronsynthese oder Aldosteronwirkung, so auch die hier erwähnten, können eine Hyperkaliämie verursachen, die aber bei sorgfältiger Beachtung in den Griff bekommen werden kann. Siehe auch nachstehend «Hintergrundswissen in weniger als einer halben Minute»

1. NEJM 2020, DOI: 10.1056/NEJMoa2025845, 2. NEJM 2021, DOI: 10.1056/NEJMoa2110956, 3. NEJM 2023, DOI:10.1056/NEJMoa2213169, verfasst am 05.03.2023

Ikonoklastische klinische Forschung

Ist Hydrochlorothiazid unwirksam in der sekundären Prävention von kalzium-haltigen Nierensteinen?

Patientinnen und Patienten nach Passage eines kalziumhaltigen Nierensteines wird häufig zur Sekundärprophylaxe das Diuretikum Hydrochlorothiazid verschrieben. Eine gut durchgeführte, Plazebo-kontrollierte Schweizer Studie fand – im Gegensatz zu Lehrbuchmeinungen – keinen signifikanten Effekt von 12.5, 25 oder 50 mg Hydrochlorothiazid auf die Nierensteinrezidive. Wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, dass wir vieles als gegeben annehmen, das es gar nicht ist. Wie bei jeder chronischen Intervention für eine Krankheit ohne aktuelle Symptome (z.B. bei Osteoporose, Hypertonie u.a.m) war die Compliance weit von der Perfektion entfernt. Die gut siebzigprozentige Befolgung der Therapieanweisungen ist zwar nicht schlecht und im Rahmen, was in solchen Situationen und auch gemäss anderen Studien generell zu erwarten ist. Dass mehr als 25% der Studienteilnehmer die Medikamente nicht oder nicht korrekt einnahmen, könnte aber zu einer Unterschätzung des Hydrochlorothiazideffektes geführt haben. Diese Complianceprobleme dürften aber auch in der Praxis in vergleichbarem Masse vorhanden sein. Für eine weisse, vorwiegend männliche Schweizer Bevölkerung (die Hauptpopulation in dieser Studie) gibt es aber auf Grund dieser Resultate wenig Grund auch in Zukunft generell Hydrochlorothiazid weiter zur Rezidivprophylaxe von kalziumhaltigen Nierensteinen zu verschreiben.

NEJM 2023, DOI: 10.1056/NEJMoa2209275, verfasst am 09.03.2023

Hintergrundswissen: In weniger als einer halben Minute ….

Aldosteron: Lebensversicherung und Übeltäter!

Aldosteron, in der zona glomerulosa der Nebennierenrinde als Antwort auf einen Salz- oder Volumenmangel (via Angiotensin II) oder auf einen Anstieg des Plasmakaliums gebildet, ist überlebenswichtig: Es diktiert der Niere (und dem Kolon sowie den Schweiss- und Speicheldrüsen) Natrium (im Sammelrohr) rückzuresorbieren und somit z.B. in den Sommermonaten, nach Schwitzen beim Sport oder extrarenalen Salzverlusten wie beim Erbrechen oder Durchfall, das Extrazellulärvolumen und den Blutdruck so weit wie möglich konstant zu halten. Aldosteron ist auch unsere Lebensversicherung gegen bedrohliche Hyperkaliämien, denn in den sog. mineralokortikoidsensitiven Geweben (die oben erwähnten Sammelrohre der Nieren, das Kolon sowie die Schweiss- und Speicheldrüsen) führt Aldosteron zu einer erhöhten Kaliumsekretion (oder –elimination). Minime Schwankungen des Plasmakaliums (bei ca 0,1 mmol/L) können signifikante Änderungen der Aldosteronsekretion induzieren!

Die vorhin erwähnten mineralokortikoiden Gewebe, sind die klassischen Zielorgane des Aldosterons. Dieses hat aber auch nicht-klassische «Zielscheiben», nämlich u.a. Endothelien, glatte Gefässmuskelzellen, Entzündungszellen und Bindegewebe-produzierende Zellen (Fibroblasten).

Der Netto-Effekt dieser Aldosteronwirkungen ist ein entzündlicher, profibrotischer Zustand. Aldosteron ist selbst bei Normokaliämie und Euvolämie in diversen klinischen Situationen – leider aus noch wenig definierten Gründen – erhöht. Dazu gehören namentlich die chronische Niereninsuffizienz, schon in frühen Stadien, und die essentielle Hypertonie. Die positiven Effekte der Hemmung der Aldosteronaktivität, sei es durch Rezeptorantagonisten oder Synthesehemmung sind starke Argumente für diese «nicht-klassischen» Aldosteroneffekte. Wir sind gespannt, ob der Aldosteron-Synthase Hemmer (Baxodrostat und allfällige Folgeprodukte) seine Schutzwirkung auch gegen kardiovaskuläre Ereignisse und die Progression der chronischen Niereninsuffizienz beweisen kann, wie wir es auf Grund des Gesagten eigentlich erwarten würden.

Und zum Schluss: Warum wirkt ein Aldosteron-Synthase-Hemmer anscheinend stärker als Aldosteron-Rezeptor-Antagonisten (siehe den unerwartet hohen Blutdruckeffekt des Aldosteron-Synthase-Hemmers Baxdrostat)? Bei Rezeptor-Antagonisten wird die Aldosteron-Konzentration steigen, weil dieses ja weiterhin seine Aufgabe erfüllen will. Die Restaktivität am Rezeptor wird also mutmasslich nie ganz Null sein, sondern dadurch bestimmt, wieviele Aldosteronmoleküle durch die gegebene Konzentration des Antagonisten vom Rezeptor verdrängt werden. Die Hemmung der Aldosteron-Synthese andererseits kann theoretisch die Restsynthese auf Null hinunterschrauben.

Verfasst am 12.03.2023

Medizinische Krimis

1. Havanna-Syndrom
Über Monate wurde über eigenartige Symptome bei Angestellten der US-Botschaft in Havanna (Kuba) berichtet, die sich in einem anderweitig nicht erklärten Symptomenkomplex von u.a. Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit, Hörverlust, Schwindel und Kopfschmerzen äusserten. Dieses schnell «Havannasyndrom» genannte Phänomen wurde nicht näher bezeichneten, aber bekannten «Schurkenstaaten» angelastet, wobei namentlich eine Ultrabeschallung vermutet wurde. Diese Woche gaben amerikanische Geheimdienste Entwarnung, das Phänomen sucht also eine andere Erklärung oder Ursache.

2. Ursprung der Pandemie
Das FBI andererseits favorisiert neu – wie wir schon seit längerem – von den zwei möglichen Ursachen der Pandemieentstehung die Entweichung eines manipulierten, mutierten Coronavirus aus einem Labor für experimentelle Mikrobiologie in Wuhan. Dies gegenüber der Alternative einer Übertragung von SARS-CoV-2 aus einem tierischen Reservoir in einem hygienisch bedenklichen Wuhan Nahrungsmittelmarkt. Das FBI glättet gleich die Wogen wieder etwas und hält fest, dass es sich nicht um eine Entwicklung einer biologischen Waffe (?) gehandelt habe. Mit 7 Millionen Todesfällen würde sich China ja auch einer sehr teuren Verursacherrolle schuldig machen, aber auf Grund der globalen Kräfteverhältnisse gleichwohl nicht für die astronomischen Kosten der Pandemie zahlen (müssen) und wie bei anderen Gelegenheiten üblich andere Länder inkriminieren. Da die USA das genannte Labor mit Forschungsförderung unterstützten, sind sie allerdings selber auch nicht aus dem Schneider.

3. Todesursache von Pablo Neruda
Im Verlaufe des Pinochet-Putsches 1973 mit Stürmung des Präsidentenpalastes hatte sich der linke Staatpräsident, Salvador Allende, suizidiert. Sein Freund, Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda, wollte aus Chile fliehen. Kurz davor wurde er durch die revolutionierenden Militäreinheiten aufgegriffen und in ein Spital eingeliefert und starb kurz darauf, offiziell wegen einem metastasierenden Prostatakarzinom und Unterernährung. Gemäss Resultaten einer erneuten gerichtsmedizinischen Untersuchung nach Exhumierung vor 10 Jahren, die nun öffentlich wurden, wurde Neruda jedoch durch eine Botulinus-Toxin Applikation ermordet. Die lange Zeit seit der Tat und die vielen Kratzer am Bild des Schriftstellers (u.a. hatte er – von ihm zugegeben – eine tamilische Angestellte vergewaltigt) halten offensichtlich die Empörung darüber etwas unter dem Deckel.

Quellen: verschiedene Tageszeitungen in der Woche des 27. Februar (The Guardian, NZZ, New York Times). Verfasst am 4. März 2023

Grenzgebiete zur Medizin

«Work or Life», «Work and Life» oder gar «Life in Work»?

Das Thema der «Work-Life-Balance» nimmt seit geraumer Zeit in der Medizin einen wichtigen Stellenwert ein, und zwar bei allen Gesundheitsberufen, unbesehen ob die Mitglieder in der Aus- und Weiterbildung engagiert sind oder diese bereits absolviert haben. Cézanne sagte zwar: «Le meilleur des loisirs est toujours encore le travail!» Ein Künstler kann schön darüber reden, werden Sie vielleicht denken. Die gegenwärtige Diskussion zeigt aber, dass vor allem die jüngeren Ärztinnen und Ärzte (1) die Haltung erfahrener Ärztinnen und Ärzte (2) nicht mehr verstehen. Letztere haben ihrerseits etwas Mühe mit den jüngeren Kolleginnen und Kollegen und beklagen auch die verpassten Chancen als Folge einer strikten «Work-Life-Balance» oder besser einer Ab- oder Ausgrenzung des «Lebens» von der «Arbeit». Dankbar dürfen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Thema im Sinne der Vermittlung und einem Credo gegen die strikte Abgrenzung der Frei- oder Privatzeit («Life») von der Arbeit («Work») auf das Niveau der Vernünftigkeit, um nicht zu sagen der Vernunft gehoben wurde (3). Ein lesenswerter Artikel! Die moderne Arbeits- und Freizeitwelt ist geprägt durch multiple Möglichkeiten und Angebote und Lebenspläne («embarras de richesse»). Mehr als nur oft treten diese einzelnen Möglichkeiten miteinander in Konflikt und verursachen – wenn sie parallel weiter «gepflegt» werden – Unzufriedenheit und Stress. Wie schaffen wir es wieder, uns auf nur einige wenige Hauptaufgaben zumindest während einer definierten, gegebenen Lebensphase zu konzentrieren? Dass die Inhalte, die Wertschätzung, aber auch die eigene Begeisterung eine solche Aufgabe ausgezeichnet zu erledigen, erfüllt sein müss(t)en, ist selbstredend. Wir alle wissen, dass hier Verbesserungsbedarf besteht….

1. Kellerhals, Tamara, SAEZ 2023; 103(10): 27, 2. Fey, Martin, SAEZ 2023; 103(04): 17-18, 3. Schmid, Birgit, NZZ 2023, Ausgabe 11.03.2023, Seite 40, www.nzz.ch/feuilleton/work-life-balance-trennung-von-leben-und-arbeit-eine-illusion-ld.1729061 (Eine PDF-Version dieses Artikels finden Sie hier – Wir bedanken uns herzlich bei der Autorin, Frau Birgit Schmid, für die Gewährung des Copyrights.) Verfasst am 12.03.2023

Prof. Dr. med. Reto Krapf

krapf@medinfo-verlag.ch

Rettet uns der Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Das Problem ist echt und existiert nicht nur in den Medien und der Politik. Dort wird es allerdings kräftig bewirtschaftet, auch zur Durchsetzung von Partikularinteressen.

Die Ursachen sind vielfältig und das Gesundheitswesen belegt den Branchenmangel-Rang 1 noch vor der IT-Branche (Adecco in SRF1, 10 vor 10, 28.11.2022). Treiber sind vor allem die Demographie und die hohen Berufsabgänge. Die Arbeitsbedingungen in den Mangelberufen werden als nicht so attraktiv angesehen wie früher und wie in den anderen Berufen, oder andere Arbeitgeber haben schlicht das attraktivere Paket für Mitarbeiter. Die Pflegevertreterverbände fordern denn auch nicht primär mehr Lohn, sondern attraktivere Bedingungen. Dies ist gut nachvollziehbar- auch im Arztberuf, wenn man mit Kollegen spricht und ich mich mit meinen Kindern unterhalte. Auch ein Kollege und ehemaliger Doktorand, der jetzt eine Hausarztpraxis, noch die einzige im Quartier, übernommen hat, schildert fast verzweifelt seine Lage. Er nimmt keine neuen Patientinnen und hat eine Warteliste von 18 Monaten, wenn denn jemand warten will. Er beginnt seine Hausbesuche nach 20 Uhr. So musste er auch meine Bitte abweisen, als ich helfen wollte, einen Hausarzt für Bekannte zu suchen. (MAS-Erhebung SAeZ 2022,103:28-29).

Man baut jetzt auf Ausbildungsinitative. Das ist richtig, weil wir Jahrzehnte lang vom anscheinend nie versiegenden, billigen Import (und auf Kosten anderer Länder) gelebt haben, wie übrigens auch bei anderen kritischen Gütern, beispielsweise bei Strom und Arzneimittel. Mehr Auszubilden genügt nicht, die Arbeitgeber werden bei Arbeitsplatzattraktivität ein paar Briketts in ihren
Personalofen einwerfen müssen, vor allem um die guten Arbeitskräfte in ihrem Betrieb und im Beruf halten zu können. Das ist billiger, einfacher und auch effizienter als das Problem durch neue Ressourcen für zusätzliche Auszubildende bereit zu stellen und zu betreiben, die dann wieder gehen. Wohlverstanden, der Personalofen soll wärmen, zum Bleiben, nicht als Durchlauferhitzer betrieben werden.

Die selbstverschuldete Krise hilft uns aber vielleicht die erkannten, notwendigen Reformen im Gesundheitswesen – und anderswo – endlich an die Hand zu nehmen wie beispielsweise die Versorgungssicherheit von und der gerechte Zugang zu Pharma- und MedTech-Produkten oder das Kompetenzgerangel (oder ist es das Schwarzpeter-Spiel?) zwischen Kantonen und Bund bei den Überkapazitäten zu klären. Oder dort, wo die Umsetzung begonnen hat, richtig vorwärts zu machen wie beispielsweise bei der HSM (Martin Fey SAeZ 2022 103:34-36). Oder beim Elektronischen Patienten Dossier, wo berechtigterweise der Einbezug der Ärzte in die Gestaltung verlangt wird (Saez 2022: 103: 16-19), um nutzerorientiert vorwärts zu machen, damit dieses eine Hilfe wird und nicht nur eine ungeordnete, kaum hilfreiche pdf-Befundsablage bleibt, die mit Zwang eingeführt werden soll. Hier könnte der Fachkräftemangel helfen endlich den Digitalisierungs- und Standardisierungsrückstand im Gesundheitswesen aufzuholen. In all diesen Feldern müssen sich täglich Fachkräfte im Gesundheitswesen mit Problemen abmühen, die nicht ihrer Kernaufgabe entspricht. Dies baut mehr und mehr Frustration auf, bis zur inneren oder tatsächlich realisierten Kündigung. Zudem entzieht dies die fehlende Fachkompetenz dort, wo sie dringend gebraucht würde.

Der Fachkräftemangel könnte auch die längst notwendige Strukturbereinigung im ambulanten Bereich (Hausarztmedizin statt Notfallstationen, Entlastung der Ärzte von Administration und Bürokratie) aber vor allem im Spitalwesen beschleunigen (und erst noch viel Geld sparen): Ungenügende Zusammenarbeit der Kantone, Überkapazität an Betten und Operationssälen und Speziallabore (Koronarangiographie) haben Hunderte von Millionen verdunstet, gerade auch in meiner geographischen Umgebung, und sind exemplarische Probleme, die vor sich hergeschoben wurden und immer noch werden, wohl weil einfach noch zu viel Geld im System vorhanden ist. Der Abbau von Betten könnte Fachkräfte für die ambulante Versorgung freisetzen und wäre eine Chance für attraktivere Arbeitsbedingungen in den Mangelberufen. Die Thematik wurde auch in der Schweizerischen Ärztezeitung wiederholt behandelt (SAeZ 2022, 103: 26-27).
In einer Umfrage unter 23’000 Ärzten in Deutschland war die Mehrheit über fehlende Wertschätzung durch die Politik und Krankenkassen gestört und 60% denken an einen Berufswechsel in den nächsten 2 Jahren nach. Beanstandet wurden auch die falschen Anreizsysteme, welche die Arbeit für technische Leistungen bevorzugen. Reden mit dem Patienten sei, finanziell gesehen, kontraproduktiv. Geldbegehren liegen bei den Ärzten aber nicht auf den vordersten Rängen der Forderungen (übrigens auch nicht in der Pflege). In ihrer täglichen Arbeit steht als Ursache ihrer Frustration die ausufernde Bürokratie (86%) ganz vorne, gefolgt von Problemen verursacht durch nicht funktionierende oder nicht benutzerfreundliche Digitalisierung. Die langen Arbeitszeiten liegen abgeschlagen auf dem 7. Platz (https://medizinio.de/blog/frust-in-der-arztpraxis-2022).

Hier soll jetzt korrigiert werden: Die Strukturreform soll an die Hand genommen und Fehlanreize bei der stationären Versorgung beseitigt werden. Der Bundesminister wurde in der Covid-Pandemie unterschiedlich wahrgenommen, aber wo er recht hat, hat er recht: «Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen können, dass sie überall, auch in ländlichen Regionen, schnell und gut versorgt werden, sowie medizinische und nicht ökonomische Gründe ihre Behandlung bestimmen. Dafür müssen wir das Fallpauschalen-System überwinden. Wir haben die Ökonomie zu weit getrieben. Eine gute Grundversorgung für jeden muss garantiert sein und Spezialeingriffe müssen auf besonders gut ausgestattete Kliniken konzentriert werden. Momentan werden zu oft Mittelmass und Menge honoriert. Künftig sollen Qualität und Angemessenheit allein die Kriterien für gute Versorgung sein.» (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/regierungskommission-legt-krankenhauskonzept-vor.html)

Was der fehlende Geldmangel nicht schafft, schafft vielleicht der Fachkräftemangel?

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen