Ide-cel or Standard Regimens in Relapsed and Refractory Multiple Myeloma
P. Rodriguez‑Otero, et al. N Engl J Med. 2023 Feb 10. doi: 10.1056/NEJMoa2213614. Online ahead of print. PMID: 36762851
Patienten mit Plasmazellmyelom, nach multiplen Rezidiven, refraktär auf Immunmodulatoren, Proteasom-Inhibitoren und monoklonale Antikörper (tripel refraktäres PZM) haben eine ungünstige Prognose. Idecabtagene vicleucel (Ide-cel) ist eine gegen BCMA (B-cell maturation antigen) gerichtete CAR (chimeric antigen receptor )-T Zell Therapie in der autologe T-Lymphozyten des Patienten mit dem CAR-Konstrukt transfiziert, expandiert und nach einer lymphodepletierenden Therapie verabreicht werden.
Die hier vorgestellte Phase III Studie mit rezidivierten refraktären PZM Patienten mit 2-4 Vortherapien, welche unter der zuletzt verabreichten Therapie progredient waren, wurden 2:1 in einen Arm mit ide-cel oder in einen Arm mit der Auswahl aus fünf verschiedenen Standard Regimes randomisiert. Die Verbesserung des PFS war das angestrebte Ziel.
Es wurden 386 Patienten randomisiert, 254 Ide-cel und 132 Standard-Regime.
Nach median 18.6 Monaten war das PFS median 13.3 Monate im Ide-cel-Arm im Vergleich zu 4.4 Monaten im Standard-Arm (hazard ratio: 0.49; 95% CI, 0.38 bis 0.65; P<0.001). Ein Ansprechen wurde bei 71% im Ide-cel- Arm und 42% im Standard-Arm beobachtet (P<0.001); eine komplette Remission in 39% und 5%. Grad 3-4 Nebenwirkungen wurden in 93% im Ide-cel-Arm und in 75% im Standard-Arm beobachtet. Im Ide-cel-Arm wurden die immunologischen Nebenwirkungen Cytokine Release Syndrom in 88% und Neurotoxizitäten (ICANS) in 15% beobachtet.
In der Schlussfolgerung zeigt diese Studie, dass Ide-cel das PFS im Vergleich mit Standard-Behandlungen verlängert und dass die bekannten Toxizitäten beobachtet werden und beherrschbar sind. Einigermassen enttäuschend: die PFS Kurven sind gut separiert aber zeigen keine Tendenz zu einem Plateau.
Two-Year Outcomes of Valoctocogene Roxaparvovec Therapy for Hemophilia A
J. Mahlangu, et al N Engl J Med. 2023 Feb 23;388(8):694-705.
Hämophilie A ist eine X-Chromosom übertragene Krankheit und betrifft fast ausschliesslich Männer. Der Mangel an Faktor VIII führt zu Blutungen, besonders Gelenkblutungen mit konsekutiver Arthropathie. Zur Behandlung wird Faktor VIII intravenös verabreicht, je nach Schweregrad entweder bei Blutung oder prophylaktisch. Valoctocogene roxaparvovec ist eine B-domain–deleted Factor VIII Gentherapie die mittels eines Adeno-associated virus vector verabreicht wird. Die Therapie soll Blutungen bei Patienten mit schwerer Hämophilie A verhindern.
134 Männer mit schwerer Hämophilie A, welche eine prophylaktische Behandlung mit Faktor VIII benötigten, wurden in dieser Phase III Studie untersucht. Sie erhielten eine Infusion mit einer bestimmten Dosis von Vektor Genomen pro Kg. Das gemessene Resultat war die Anzahl Blutungen innerhalb von 2 Jahren.
Zum Zeitpunkt 2 Jahre war die Blutungsrate um 84.5% tiefer (P<0.001) mit einer medianen Faktor VIII Aktivität wie bei einer milden Hemophilia A (6 – 39% Aktivität). Nach 76 Wochen der Therapie wurde ein Abfall des transgene kodierten Faktors VIII beobachtet, mit einer Halbwertszeit von 132 Wochen. D.h. die weniger guten Nachrichten sind, dass diese Therapie in der Wirksamkeit für die meisten Patienten nicht anhält, sondern langsam abfällt. Die Verträglichkeit wurde als moderat beurteilt mit einer selbstlimitierten hepatischen Entzündung in der Mehrheit der Patienten.
Ein zweiter Artikel in der gleichen Ausgabe des NEJM beschäftigt sich mit der Hämophilie B, dem Mangel an Faktor IX.
Gene Therapy with Etranacogene Dezaparvovec for Hemophilia B
S.W. Pipe, et al N Engl J Med. 2023 Feb 23;388(8):706-718.
Faktor IX Mangel (Hämophilile B) wird mittels lebenslänglicher Substitution mit Faktor IX behandelt. Mittels Gentherapie wird versucht die Faktor IX Aktivität zu heben um vor Blutungen zu schützen.
Dies ist eine Phase III Studie, in welcher zuerst während 6 Monaten Faktor IX verabreicht wurde (lead-in Phase), gefolgt von einer Infusion von Adeno-associated virus 5 (AAV5) Vektor mit Expression der Padua Factor IX Variante (etranacogene dezaparvovec in einer Dosis pro Kilogramm).
Der Faktor IX Padua ist eine mutierte Variante des Faktors IX, die in Familien mit Thrombophilie gefunden wird, mit einer bis zu 8-fach erhöhten Aktivität.
54 Männer mit Hämophilie B (Faktor IX Aktivität ≤2%) wurden behandelt mit dem Resultat der jährlichen Blutungsrate 7-18 Monate nach der Gabe.
Die jährliche Blutungsrate fiel von 4.19 (95% CI, 3.22 bis 5.45) während der Einführungsphase auf 1.51 (95% CI, 0.81 to 2.82) 7 bis 18 Monate nach Behandlung (rate ratio of 0.36 (95% CI, 0.20-0.64; P<0.001). Faktor IX Aktivität nahm zu um 36.2% (95% CI, 31.4 – 41.0) 6 Monate nach Behandlung und 34.3% (95% CI, 29.5 to 39.1) 18 Monate nach Behandlung. Die Verwendung von Faktor IX nahm ab um 248,825 IU pro Jahr. Auch Patienten mit AAV5 neutralisierenden Anitkörper wenn unter einem bestimmten Titer profitierten von der Behandlung.
In der Schlussfolgerung ist die Gentherapie der prophylaktischen Faktoren Gabe überlegen in der jährlichen Blutungsrate mit gutem Sicherheitsprofil.
Insgesamt ist die Gentherapie für die Hämophilen auf gutem Weg, wie erwartet sind die Probleme beim Faktor VIII (grosses komplexes Protein) grösser als beim Faktor IX. Das Ziel bleibt eine einmalige Gabe der Gentherapie mit einer lebenslänglichen Wirkung auf Genexpression und somit Faktorenproduktion.
Prof. Dr. med. Jakob Passweg
Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel
Erhöhtes Risiko für Malignome, schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE), schwerwiegende Infektionen, Thrombosen und Gesamtmortalität
Zusammenfassung
In einer grossen, randomisierten Sicherheitsstudie nach Markteinführung mit Xeljanz® (Tofacitinib), einem JAK-Inhibitor, bei RA-Patienten 50 Jahre und älter mit mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor wurde bei Patienten, die mit diesem JAK-Inhibitor behandelt wurden, im Vergleich zu mit Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren behandelten Patienten, Folgendes beobachtet:
Ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Infektionen
Eine höhere Gesamtmortalitätsrate
Eine höhere Rate von Tumorerkrankungen, insbesondere Lungenkrebs, Lymphome und nicht-melanozytärer Hautkrebs (NMSC).
Eine erhöhte Inzidenz von schwerwiegenden unerwünschten kardiovaskulären Ereignissen (MACE).
Ein erhöhtes Auftreten von Lungenembolien, venösen und arteriellen Thrombosen.
Diese Risiken werden als Klasseneffekte und relevant für alle zugelassenen JAK-Inhibitoren für chronisch-entzündliche
und dermatologische Erkrankungen betrachtet.
Die Arzneimittelinformationen der betroffenen JAK-Inhibitoren wurden wie folgt aktualisiert:
Einfügen folgender «Boxed Warning»:
In der Rubrik «Warnhinweise und Vorsichtsmassnahmen» wurden Empfehlungen für Fachpersonen betreffend Patienten über 65 Jahren und Warnhinweise zu Gesamtmortalität, maligne Tumorerkrankungen, MACE und Thrombosen eingefügt.
Die JAK-Inhibitoren sollten bei folgenden Patientinnen und Patienten nur eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen:
– Patienten über 65 Jahre, – Patienten, die gegenwärtig rauchen oder früher geraucht haben, – Patienten mit anderen Risikofaktoren für maligne Erkrankungen, – Patienten mit anderen kardiovaskulären Risikofaktoren.
Verschreibende Ärztinnen bzw. Ärzte sollten die mit der Anwendung von JAK- Inhibitoren verbundenen Risiken mit ihren Patienten besprechen.
Detaillierte Informationen auf www.swissmedic.ch
Zulassungen von Humanarzneimitteln mit neuem Wirkstoff und Indikationserweiterungen 2022
47 Humanarzneimittel mit neuen Wirkstoffen zugelassen. Übersicht Neuzulassungen 2022
Im Jahr 2022 hat das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic erneut mehr Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen begutachtet und für den Schweizer Markt zugelassen als in den Vorjahren.
Der gegenüber dem Vorjahr gestiegene Zeitbedarf für die Begutachtungen ist primär auf Gesuche zurückzuführen, welche in den intensiven Pandemiejahren 2020/2021 bei Swissmedic eingereicht, bearbeitet und im 2022 abgeschlossen wurden. Während dieser Zeit wurden Gesuche für Medikamente und Impfstoffe gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 zu Lasten anderer innovativer Neuanmeldungen priorisiert.
Die Übersicht zeigt die Anwendungsgebiete sowie die Art und Dauer der Zulassungsverfahren. Swissmedic beteiligt sich zusätzlich an zwei Benchmarking-Studien zum Vergleich der Zulassungszeiten mit den führenden Partnerbehörden. Die Resultate dazu werden im Lauf des Jahres 2023 publiziert.
Welche Verfahren die Gesuchstellerinnen nutzen, wie lange die Zulassungsprozesse dauerten und für welche Anwendungsgebiete die Arzneimittel zugelassen wurden, erfahren Sie in der folgenden Übersicht: www.swissmedic.ch/swissmedic/de/home/humanarzneimittel/authorisations/new-medicines/2022-zl-ham-nas.html
Vor drei Jahren, am 8.11.2019, lancierte Oncosuisse die «Oncosuisse-Initiative» mit einem Ziel: den chancengerechten Zugang zu Krebsmedikamenten zu verbessern. Im Rahmen von fünf Workshops wurde ein Netzwerk von rund 100 Expert:innen aus allen involvierten Bereichen (Ärzte, Patientenorganisationen, Pharmaunternehmen, Krankenversicherungen, Vertrauensärzte usw.) aufgebaut. Basierend auf den Perspektiven der verschiedenen Expert:innen wurden sieben Projekte konkretisiert und weiterentwickelt. Am 12.12.2022 fand der fünfte Workshop der Initiative in den Räumlichkeiten des Bundesamtes für Gesundheit statt. Da die Projekte nun von den verschiedenen interessierten Expert:innen unabhängig voneinander durchgeführt und weiterentwickelt werden können, markierte der fünfte Workshop das Ende dieser Phase der Initiative.
Die Projekte
Sieben Projekte wurden entwickelt oder befinden sich derzeit in der Umsetzungsphase. Die Problematik des «off-label use» steht im Mittelpunkt, fünf Projekte zu diesem Thema wurden entwickelt. Teilweise hat die Aktualität in der Versorgung diese Projekte insofern eingeholt, als sie nicht mehr in der angedachten Form notwendig sind bzw. sich an neue Bedingungen anpassen müssen. Dieses Jahr wird diesbezüglich daher ein Jahr der Neuausrichtung dieser Aktivitäten darstellen.
Massnahme 1 «Erweitertes Antragsrecht»
Massnahme 2 «Wissenstransfer gewährleisten»
Massnahme 3 «Expertengremium für schwierige Fälle»
Massnahme 4 «Kosten und Nutzen»
Massnahme 5 «Internationale Zusammenarbeit»
Massnahme 6 «Empfehlungsliste»
Massnahme 7 «Prozess verkürzen – Experten von Anfang an einbeziehen»
Informationen zu den Projekten finden Sie unter
https://www.oncosuisse.ch/gesundheitspolitik/oncosuisse-initiative/
Die Ergebnisse der von der Universität Zürich (ZHAW) durchgeführten Evaluation der Initiative zeigten, dass die Initiative in ihrer Gesamtheit ihr Ziel erreicht hat, indem sie dazu beigetragen hat, eine breit abgestützte Diskussion zum Zugang zu Krebsmedikamenten zu lancieren. Darüber hinaus hat sie auch ein gegenseitiges Verständnis für die Positionen aller Akteur:innen gefördert, was die Umsetzung von Projekten in der Zukunft erleichtern wird.
Oncosuisse wird weiterhin die verschiedenen Projekte begleiten sowie das entstandene Netzwerk unterstützen.
Geschäftsstelle Oncosuisse – info@oncosuisse.ch
Oncosuisse publiziert Bericht mit Handlungsempfehlungen für die Schweizer Krebsversorgung zum Thema «Behandlung, Nachsorge und Qualität»
Im Nachgang zum Netzwerkanlass zur Themenplattform «Behandlung, Nachsorge und Qualität» publizierte Oncosuisse den resultierenden Bericht. Dieser nimmt Fragestellungen auf wie beispielsweise die Gewährleistung der Zugangsgerechtigkeit bei onkologischen Therapien, eine punktuelle Implementierung von Psychoonkologie und Palliativ Care entlang des Patientenpfades, die Stärkung der Patientenorientierung und die langfristige Sicherung von Kompetenzen und Qualifikationen in der Versorgungskette. Im Bereich der Nachsorge stellen Themen zum Umgang mit Cancer Survivorship, zur Entwicklung der Selbstkompetenz und Selbstwirksamkeit von an Krebs erkrankten Menschen und Lebensqualität den Schwerpunkt. Der Bereich der Qualität setzt ergänzend zur Qualitäts-Entwicklung und Qualitäts-Sicherung den Fokus auf die Stärkung des schweizerischen onkologischen Netzwerkes, den Wissenstransfer, sowie die Aus-, Weiter- und Fortbildung.
Erarbeitet wurde der Bericht im Rahmen eines Netzwerkanlass mit rund 85 Repräsentant:innen von Onkologie, Patientenorganisationen, Ärzteorganisationen, Forschung, Industrie, Versicherungen, Gesundheitsbehörden. Ziel des Anlasses war es, gemeinsam mit den Stakeholdern der Schweizer Onkologie-Versorgung den Handlungsbedarf im Bereich Behandlung, Nachsorge und Qualität zu definieren und Handlungsempfehlungen zu entwickeln. Die an diesen Workshops erarbeiteten Resultate und daraus abgeleiteten Handlungsempfehlungen wurden nun im Bericht «Handlungsempfehlungen für die Schweizer Krebsversorgung zum Thema ‹Behandlung, Nachsorge und Qualität› » festgehalten.
Ausblick
Der Inhalt dieses Berichts wird zusammen mit dem ebenfalls erschienen Bericht zur Themenplattform «Daten und Register» in den Oncosuisse «Masterplan 2030» einfliessen. Die nächsten beiden Oncosuisse Netzwerkanlässe sind wie folgt geplant:
– 22. März 2023 – Themenplattform «Prävention und Früherkennung»
– 18. September 2023 – Themenplattform «Forschung»
Die publizierten Berichte sind einsehbar unter:
www.oncosuisse.ch/berichte-themenplattformen/ Geschäftsstelle Oncosuisse – info@oncosuisse.ch
Neu sollen auch über 70-Jährige zur systematischen Darmkrebsvorsorge
Etwa 4500 Menschen erkranken jährlich in der Schweiz an Dickdarmkrebs, rund 1650 Personen sterben daran. Früh erkannt, ist Dickdarmkrebs in den meisten Fällen heilbar. Doch aktuell deckt die obligatorische Grundversicherung nur Früherkennungsuntersuchungen bei 50- bis 69-Jährigen. Die Krebsliga reicht deshalb gemeinsam mit weiteren Organisationen bei der zuständigen Kommission einen Antrag zur Erhöhung der Alterslimite auf 74 Jahre ein.
Zur Früherkennung von Dickdarmkrebs empfiehlt die Krebsliga alle zwei Jahre den Blut-im-Stuhl-Test (FIT) oder alle zehn Jahre die Darmspiegelung – idealerweise im Rahmen eines kantonalen Früherkennungsprogramms. Leider haben noch immer nicht alle Kantone in der Schweiz ein systematisches Darmkrebsscreening eingeführt und das trotz des belegten Nutzens solcher Programme. Doch die weissen Flecken auf der Karte füllen sich langsam: Im vergangenen Jahr sind Bern und Luzern hinzugekommen, anfangs Jahr Basel-Landschaft und im Kanton Thurgau ist die Einführung geplant. Für die Umsetzung sind in mehreren Kantonen die kantonalen oder regionalen Krebsligen zuständig.
Erhöhung der Alterslimite bis 74 Jahre
Derzeit ist die Kostenübernahme für Untersuchungen zur Früherkennung von Darmkrebs durch Art.12 der KLV auf die Altersgruppe der 50- bis 69-Jährigen beschränkt. Doch in der Schweiz beträgt die Lebenserwartung bei 70-Jährigen noch mehr als zehn Jahre und ein Fortführen des Screenings wäre daher sinnvoll. Um der Bevölkerung in der Schweiz den Zugang bis zum Alter von 74 Jahren zu ermöglichen, unterbreitet die Krebsliga Schweiz nun gemeinsam mit Partnerorganisationen einen entsprechenden Antrag bei der Eidgenössischen Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen (ELGK). Mit einer Erhöhung der Alterslimite wäre die Schweiz auch im Einklang mit den internationalen Empfehlungen.
In der Schweiz betreuen 8% der Kinder und Jugendlichen zwischen 9 und 16 Jahren erkrankte Angehörige (Leu et al. 2019). Sie werden im internationalen Kontext «Young Carers» genannt. Welche Aufgaben, Herausforderungen und Bedürfnisse junge Menschen haben, die Angehörige mit Krebs betreuen, wird anhand internationaler Literatur und einer Sekundäranalyse von Interviews aus zwei Forschungsprojekten der Careum Hochschule Gesundheit nachgegangen.
Gibt es «Young Carers» in der Onkologie?
Menschen mit Krebs sind eine wachsende Bevölkerungsgruppe in der Schweiz. Laut Bundesamt für Statistik waren 2015-2019 rund 17% der ca. 45’000 Neudiagnosen pro Jahr in der Altersgruppe der 20 bis 54-jährigen. Laut internationalen bevölkerungsbasierten Studien haben 14-26 % der Erwachsenen mit Krebs Kinder unter 26 Jahren (Inhestern et al. 2021). Für die Schweiz gibt es keine Angaben. Zahlreiche Studien untersuchten die psychosozialen Auswirkungen der Krebserkrankung eines Elternteils oder Geschwister auf Kinder und Jugendliche (Walczak et al. 2018). Dabei stand jedoch selten der Betreuungsaspekt im Vordergrund, da kaum explizit nach Unterstützungsaufgaben von jungen Familienmitgliedern gefragt wurde. Eine systematische Übersichtsarbeit mehrheitlich qualitativer Studien zeigte jedoch auf, dass sich in vielen Studien Hinweise zu Betreuungsaufgaben finden (Justin et al. 2021). So übernehmen junge Menschen durch die Krebserkrankung des Familienmitglieds mehr Verantwortung und unterstützen diese in praktischer (z.B. einkaufen), organisatorischer (z.B. Arzttermine koordinieren), pflegerischer (z.B. Medikamentenverabreichung) und emotionaler Hinsicht (z.B. Trost spenden). Die Betreuung ging mit positiven Folgen wie mehr Reife, Unabhängigkeit, Einfühlungsvermögen oder Empathie einher, hatte aber auch negative Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit, das soziale Leben und die Schule (Justin et al. 2021). Die Unterstützungsaufgaben sowie deren Konsequenzen sind also vergleichbar mit denjenigen, die aus der «Young Carers»-Forschung bekannt sind (Leu et al. 2019).
Was berichten junge Menschen krebskranker Angehöriger in der Schweiz?
Eine Sekundäranalyse von Interviews aus zwei abgeschlossenen «Young Carers»-Projekten in der Schweiz widerspiegelt die Erkenntnisse aus der Literatur. So zeigten neun Interviews mit jungen Menschen, die eine krebskranke Person betreuten, dass sie pflegerische Aufgaben übernehmen, emotionale Unterstützung leisten, im Haushalt und mit jüngeren Geschwistern helfen, mit Fachpersonen kommunizieren und administrative Aufgaben erledigen. Die jungen Betreuenden berichteten von hohen Anforderungen, die an sie gestellt werden, die sie an die Grenzen der eigenen Kompetenzen bringen und die Vereinbarkeit von Ausbildung oder Arbeit und Betreuung erschweren. Ihre Bedürfnisse nach Unterstützung in ihrer Rolle und Verständnis für ihre Situation richten sich daher an das persönliche Umfeld, an Arbeitgebende oder Ausbildende und an Gesundheitsfachpersonen. Sie äussern den Wunsch nach Austausch mit gleichgesinnten Gleichaltrigen und nach einer Auszeit, da durch Stress, Erschöpfung und Überforderung die eigenen Bedürfnisse oft zu kurz kommen. Eine allgemeine Anlaufstelle für Unterstützung verschiedenster Art (z. B. rechtliche Fragen) wäre gemäss den jungen Betreuenden ebenfalls hilfreich.
Welches sind die Herausforderungen in der Kommunikation mit Gesundheitsfachpersonen?
Die personenzentrierte Betreuung stellt die erkrankte Person in den Mittelpunkt – mit der Folge, dass die Betreuungsrolle von jungen Angehörigen oft unzureichend erkannt wird. Die Befragten fühlen sich vom Informationsfluss ausgeschlossen und erleben sogar bewusstes Nicht-Kommunizieren durch Fachpersonen. Offene und ehrliche Gespräche über den Krankheitszustand sind ihnen insbesondere in palliativen Situationen ein Anliegen. Die Befragten berichteten von zu viel wie auch zu wenig Verantwortung, die ihnen übertragen wird. Sie erfuhren aber auch Entlastung durch die Spitex oder Angebote wie die Cancerline der Krebsliga Schweiz. Die Sensibilisierung für die Situation von jungen Angehörigen ist der erste Schritt, um Unterstützung anbieten zu können (Leu et al. 2020). Dennoch fehlt es Fachpersonen im hektischen Alltag häufig an Zeit und Ruhe, die Anliegen von jungen Angehörigen anzuhören bzw. sie zu involvieren. «In der üblichen professionellen Praxis der Onkologiepflege sind sie nicht vorgesehen», «in der häuslichen Pflege bleiben sie im Hintergrund» oder «Kinder wollen von den Eltern durch nicht Einbezug geschützt werden» sind Aussagen in Fokusgruppen mit Fachpersonen im Rahmen der erwähnten Studien. Für interessierte Gesundheitsfachpersonen gibt es unterdessen verschiedene Möglichkeiten, sich über Angebote für junge betreuende Angehörige zu informieren: Der Ratgeber «Young Carers – erkennen und unterstützen», der im Februar 2023 beim Careum Verlag erschienen ist (www.careum-verlag.ch/Young-Carers/A-3196), oder über www.young-carers.ch und www.feel-ok.ch.
Karin Ribi, PhD, MPH 1 Anja Orschulko, M.A. 2 Alwin Abegg, M.A. 3
1 Senior Researcher, Careum Hochschule Gesundheit, Zürich, karin.ribi@careum-hochschule.ch
2 Forschungspraktikantin, Careum Hochschule Gesundheit, Zürich bis Ende September 2022, seit Oktober 2022 Project Associate, Swiss Centre for International Health (SCIH), Schweizerisches Tropen- und Public Health Institut, Allschwil, anja.orschulko@swisstph.ch
3 Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Careum Hochschule Gesundheit, Zürich bis Ende 2022
Erstpublikation des Artikels in der Zeitschrift Onkologiepflege 1/2023
Bundesamt für Statistik: Krebs: Anzahl und jährliche Rate der Neuerkrankungen und Todesfälle nach Sprachregion, Krebslokalisation, Geschlecht und Altersklasse. PxWeb (admin.ch)
Cancerline: https://www.krebsliga.ch/beratung-unterstuetzung/chat/cancerline-der-chat-fuer-kinder-und-jugendliche-zu-krebs
Inhestern, L.; Bultmann, J. C.; Johannsen, L. M.; Beierlein, V.; Möller, B.; Romer, G. et al. (2021): Estimates of Prevalence Rates of Cancer Patients With Children and Well-Being in Affected Children. A Systematic Review on Population-Based Findings. In: Frontiers in psychology 12 (Article 765314). DOI: 10.3389/fpsyt.2021.765314.
Justin, Pauline; Lamore, Kristopher; Dorard, Géraldine; Untas, Aurélie (2021): Are there young carers in oncology? A systematic review. In: Psycho-Oncology, S. 1–12. DOI: 10.1002/pon.5708.
Leu, Agnes; Frech, Marianne; Wepf, Hannah; Sempik, Joe; Joseph, Stephen; Helbling, Laura et al. (2019): Counting Young Carers in Switzerland – A Study of Prevalence. In: Children & Society 33 (1), S. 53–67. DOI: 10.1111/chso.12296.
Leu, Agnes; Wepf, Hannah; Sempik, Joe; Nagl-Cupal, Martin; Becker, Saul; Jung, Corinna; Frech, Marianne (2020): Caring in mind? Professionals’ awareness of young carers and young adult carers in Switzerland. In: Health Soc Care Community 28 (6), S. 2390–2398. DOI: 10.1111/hsc.13061.
Long KA, Lehmann V, Gerhardt CA, Carpenter AL, Marsland AL, Alderfer MA. Psychosocial functioning and risk factors among siblings of children with cancer: An updated systematic review. Psychooncology. 2018 Jun;27(6):1467-1479. doi: 10.1002/pon.4669. Epub 2018 Mar 15. PMID: 29441699.
Walczak, Adam; McDonald, Fiona; Pattersona, Pandora; Dobinsona, Deborah, Allison, Kimberley (2018): How does parental cancer affect adolescent and young adult offspring? A systematic review. In: International Journal of Nursing Studies (77), S. 54–80. DOI: 10.1016/j.ijnurstu.2017.08.017.
Waters AR, Gren LH, Rogers CR, Kirchhoff AC, Warner EL. Qualitative inquiry of cancer caregiving during young adulthood: responsibilities, challenges, teamwork, and social support. J Psychosoc Oncol Res Pract. 2021 Oct-Dec;3(4): e062. doi: 10.1097/or9.0000000000000062.
Erwähnte Studien der Careum Hochschule Gesundheit:
«Pflegende Jugendliche und junge Erwachsene – Vereinbarkeit von Ausbildung und Pflegerolle als Herausforderung in der Übergangsphase Schule-Beruf»: bisher unveröffentlicht.
«Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene als pflegende Angehörige in der Schweiz»: Leu A, Frech M, Jung C. Young carers and young adult carers in Switzerland: Caring roles, ways into care and the meaning of communication. Health Soc Care Community. 2018 Nov;26(6):925-934. doi: 10.1111/hsc.12622
Der Einsatz von Estrogenen als wirksame Methode zur Frakturprävention fehlt in den neuesten internistischen Empfehlungen, obwohl nur für die menopausale Hormontherapie (MHT) gezeigt wurde, dass sie auch bei gesunden jüngeren Frauen in der Peri- und frühen Postmenopause ohne erhöhtes Risiko Fragilitätsfrakturen an allen vertebralen und nicht-vertebralen Lokalisationen inklusive Schenkelhals signifikant um 25–40% senkt. Solche Daten liegen bisher für keines der nichthormonalen Präparate vor. Die Analyse des kumulativen Follow-Ups nach 13 Jahren zeigt bei korrekt indizierter oraler MHT einzig einen minimen Anstieg des Risikos für den Tod durch eine Lungenembolie. Auch dieses Risiko lässt sich vermeiden, wenn statt oralem Estrogen transdermales Estradiol eingesetzt wird. Bei gesunden Frauen innerhalb des «günstigen Fensters» (unter 60 Jahre alt oder weniger als 10 Jahre von der Menopause entfernt) überwiegt auch bei der Indikation «Frakturprävention» der Nutzen einer MHT die Risiken.
The use of estrogens as an effective method of fracture prevention is absent from the most recent internal medicine recommendations, although only menopausal hormone therapy (MHT) has been shown to significantly reduce fracture risk by 25-40% at all vertebral and non-vertebral sites including the femoral neck in younger women without any increased fracture risk. In the same age group, no such data are available for non-hormonal preparations. The analysis of the cumulative follow-up after 13 years of estrogen use shows only a minimal increase in the risk of death from pulmonary embolism in users of correctly individualised oral MHT. This risk can be avoided if transdermal estradiol is used instead of oral estrogen. In healthy women within the «window of opportunity» (under 60 years of age or less than 10 years from menopause), the benefits of MHT outweigh the risks also for the indication «fracture prevention». Key Words: menopause, estrogens, osteoporosis
Die systematische Review und Metanalyse und die daraus abgeleiteten klinischen Empfehlungen vom Februar 2023 des American College of Physicians (APF; 1) kommen zum Schluss, dass Bisphosphonate, Denosumab, Abaloparatid, Teriparatid und Romosozumab klinische Frakturen bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose vermindern. In diesen neuesten Guidelines zur Frakturprävention werden die Estrogene nicht erwähnt. Hingegen schliesst die North American Menopause Society (NAMS) in ihren Empfehlungen von 2021 und 2022 (2, 3) unter den von der FDA (wie auch von der Swissmedic) bei erhöhtem Frakturrisiko zugelassenen Optionen Estrogene und SERM ein. Dies deckt sich auch mit der Sicht der europäischen Menopausengesellschaften. Raloxifen ist heute primär eine Alternative zu MHT bei Frauen mit erhöhtem Brustkrebsrisiko. Es bietet zwar einen gesicherten osteoprotektiven Schutz an der Wirbelsäule, doch liegt keine direkte Evidenz für eine protektive Wirkung am Schenkelhals und am übrigen nicht-vertebralen Skelett vor. Aus Platzgründen muss hier auf eine weitere Diskussion der SERMs verzichtet werden (4).
Warum werden in internistischen klinischen Empfehlungen selektive Estrogen-Modulatoren wie Raloxifen und Bazedoxifen empfohlen, wogegen natürliche Estrogene, die auch das nicht-vertebrale Frakturrisiko signifikant senken (Tab. 1), nicht erwähnt werden?
Der eine Hauptgrund dafür ist, dass Osteoporosespezialisten in der Regel erst bei der älteren postmenopausalen Frau zur Behandlung einer etablierten Osteoporose beigezogen werden, bei welcher Estrogene nicht mehr die beste Option sind.
Endokrinologen und Gynäkologen geht es dagegen meist um die Frakturprävention bei der peri- und früh postmenopausalen Frau mit noch normaler oder nur leicht verminderter Knochendichte. Genau in dieser Altersgruppe ist der Platz der natürlichen
Estrogene.
Der zweite Hauptgrund dafür mag sein, dass die SERMs für die rheumatologisch orientierten Verschreiber und auch die meisten Anwenderinnen als «Medikamente» gelten, während E2 und EV als «Hormone» eingestuft werden und daher seit der Women’s Health Initiative Studie (WHI-Studie) zu Unrecht immer noch suspekt sind. Dazu werden oft mögliche Estrogen-Nebenwirkungen wie vaginale Blutungen oder Mastodynien gescheut, da hier Nicht-Gynäkologen die Erfahrung fehlt.
Die Peri- und frühe Postmenopause: Platz der Estrogene
Tiefe endogene Estrogene führen zu einem Knochenverlust und einem Anstieg des Frakturrisikos (Abb. 1). In der Peri- und frühen Postmenopause ist somit der korrekte pathophysiologische Ansatz zur Frakturprävention die Gabe von natürlichen Estrogenen. Für Frauen in dieser Altersgruppe gibt es keine solide Evidenz und keine Langzeiterfahrungen zum Einsatz von medikamentös-pharmakologischen Therapieprinzipien wie Bisphosphonate oder Denosumab. Hingegen zeigen RCTs wie die Women’s Health Initiative (WHI) (Tab. 1) und die Danish Osteoporosis Prevention Study (DOPS) (5-12; weiterführende Literatur in 13), Metaanalysen und grosse Beobachtungsstudien unter Estrogenen eine signifikante Reduktion klinischer Frakturen. Darauf basieren die Empfehlungen der menopausalen Hormontherapie (MHT) als einer Methode der ersten Wahl zur Frakturprävention bei der Frau unter 60 Jahren. Sie kann seit über 30 Jahren bei der Frau als gesichert gelten. Der Begriff MHT umfasst auch eine Behandlung mit Tibolon (1,25 mg per os/Tag), einem synthetischen Steroid, dessen Metaboliten estrogene, androgene und gestagene Partialwirkungen besitzen. Tibolon senkt das Risiko von vertebralen und nicht-vertebralen Frakturen signifikant (14) (siehe Übersicht von Kloosterboer (15)).
Der WHI-Trial mit konjugierten equinen Estrogenen (CEE) bleibt der einzige bisher bei einer Normalpopulation durchgeführte RCT zur Effizienz einer MHT mit CEE allein oder kombiniert mit einem Gestagen zur Senkung des Frakturrisikos. Bei Frauen ohne Frakturrisiko wird das Auftreten von Knochenbrüchen an der Wirbelsäule, am Schenkelhals und am gesamten non-vertebralen Skelett signifikant gesenkt. (Tab. 1; 8-11). Diese Resultate sind mit allen anderen älteren und neueren Daten zur Frakturprävention mit Estrogenen konsistent (12, 13). Dagegen wurden alle RCTs mit SERMs, Bisphosphonaten, Denosumab, Parathormonen oder Romosozumab bei älteren Risikopopulationen mit vorbestehender Osteoporose oder Osteopenie durchgeführt.
Im WHI-Trial kann die Wirksamkeit einer MHT als Anzahl Frauen ausgedrückt werden, deren Frakturen über eine 5-Jahres-Periode verhindert werden konnten. Unter Estrogenen allein repräsentiert dies 27,1 Frauen per 1000 über 5 Jahre, unter Estrogen+Gestagen 21,8 Frauen. In der PERF-Studie liegt die benötigte Anzahl der mit Estradiol zu behandelnden Frauen zur Verhinderung einer Fraktur bei 7 (16). Die Frakturprävention mittels MHT ist kostenwirksam. Eine MHT senkt zudem im Gegensatz zu allen nicht-hormonalen Therapieprinzipien das Frakturrisiko nicht nur über den Knochenstoffwechsel, sondern auch über eine Verbesserung der Muskelkraft und der «Stossdämpferfunktion» der Zwischenwirbelscheiben (17, 18).
Für die systemische MHT sind in der Schweiz einzig 17-beta-Estradiol (E2) und Estradiol-Valerat (EV) zugelassen (Tab. 2). Ethinylestradiol (EE) und damit die «Pille» soll bei der postmenopausalen Frau wegen des bei EE metabolisch ungünstigen Nutzen-Risiko-Profils nicht verwendet werden.
Niedrig oder ultra-niedrig dosierte MHT zur Frakturprävention?
Die Standarddosis zur Behandlung des klimakterischen Syndroms beträgt pro Tag peroral 2mg E2 oder transdermal 50 µg E2 (Tab. 2; 19). Zu dessen erfolgreichen Behandlung ist oft auch eine niedrig oder ultra-niedrig dosierte Estrogengabe wirksam (Abb. 2).
Bei den meisten der so therapierten Frauen reicht diese Dosis auch zum Schutz des Knochens aus (20, 21; weiterführende Literatur in 13), doch erhöht sich mit der Senkung der Estrogene unter die Standarddosis der Prozentsatz der sogenannten Non-Responders (>2% Knochenverlust an der Wirbelsäule innert 26 Lunarmonaten trotz Therapie). Unter einer ultra-niedrigen Estradiol-Gabe (0,5 resp. 0,25 mg E2 per os/Tag) steigt die Anzahl der Non-Responders auf 13% resp. 22% an, in der Placebo-Gruppe hatten 51% einen Knochenverlust >2% (21). Es wird daher empfohlen, die Wirksamkeit einer niedriger als Standard dosierten Estrogengabe durch die Bestimmung von Knochenmarkern (nach ca. 3 Monaten) und 1-2 Jahre nach Beginn der MHT durch eine Bestimmung der Knochendichte mittels DXA zu überprüfen, wenn das Ziel der MHT die Frakturprävention ist.
Erhaltener Nutzen am Skelett nach Beendigung einer MHT?
Das Absetzen einer MHT führt zu einem jährlichen Knochenverlust, der innert 2 Jahren mit 3% bis 6% demjenigen in der frühen Menopause gleicht (22, 23). In der WHI führte das Absetzen der MHT zu einem bei Frauen in der Placebogruppe vergleichbaren Frakturrisiko (24).
Der unter der MHT erreichte präventive Gewinn bleibt deswegen erhalten, weil der wiedereinsetzende beschleunigte Knochenverlust bei einem höheren Ausgangswert einsetzt. In der PERF Studie (16) ist der erworbene Vorteil bis 15 Jahre nach dem Stopp der MHT nachweisbar, indem die Odds Ratio (OR) für Frakturen bei den früheren Estrogenanwenderinnen im Vergleich zu Placebo noch bei 0.48 (VI 0.26-0.88) liegt.
Bei Frauen mit POI ohne Estrogen-Kontraindikationen besteht mindestens bis zum Erreichen des normalen Menopausenalters eine Indikation für eine Substitution mit Estrogenen. Frauen mit POI benötigen für ihre klimakterischen Beschwerden meist höhere Dosierungen als ältere Frauen (≥2mg 17β-Estradiol pro Tag). Damit ist auch der Knochenbedarf abgedeckt.
Eine Indikation besteht auch für die Substitution mit E2 oder EV bei der primären Amenorrhöe und bei jeder längerdauernden sekundären Amenorrhöe (>6 Monate). Bei einer sekundären Amenorrhöe können bei Kontrazeptionsbedarf auch kombinierte hormonale Ovulationshemmer eingesetzt werden.
Nebenwirkungsprofil einer MHT
Bei der Diskussion der WHI-Studie wird heute leider oft vergessen, dass in der ersten Publikation nur zwei Resultate signifikant waren: der Anstieg des Thrombose-Risikos unter der oralen MHT als einzige ungünstige Nebenwirkung und die Reduktion des Frakturrisikos als einzigem Nutzen. Alle andern im Medien-Hype nach 2002 hochgespielten möglichen Gefahren waren nicht-signifikante Spekulationen.
Die Analyse des kumulativen Follow-Ups der WHI-Studie nach 13 Jahren (Tab. 3; 26) zeigt bei korrekt indizierter MHT für die alleinige Estrogen-Gabe einzig einen nicht-signifikanten Anstieg des Risikos für Lungenembolie (relatives Risiko (RR), 1.21; 95% CI, 1.06-1.38,). Dieses Risiko lässt sich zudem vermeiden, wenn statt oralem Estrogen transdermales Estradiol in normaler Dosierung eingesetzt wird (2, 6, 13, 25).
Alle übrigen im WHI-Trial untersuchten Todesursachen sind erniedrigt, insbesondere auch das kardiovaskuläre Risiko. Unter einer Kombination von E2/EV mit mikronisiertem Progesteron oder Dydrogesteron verschlechtert sich dieses Risikoprofil im Gegensatz zur Gabe von anderen Gestagenen nicht. Auch das Brustkrebsrisiko steigt im WHI-Trial unter CEE allein nicht an (weiterführende Literatur siehe in 2, 6, 13, 25, 26). Gemäss der Internationalen Menopausegesellschaft (IMS) ist das mögliche Risiko eines mit einer MHT assoziierten Mammakarzinoms klein und wird auf weniger als 0.1% per Jahr oder auf eine Inzidenz von <1.0 per 1000 Frauen pro Anwendungsjahr geschätzt (6).
Die vorhandene Evidenz zeigt, dass innerhalb des «günstigen Fensters» der Nutzen einer MHT die Risiken überwiegt (25-27).
Schlussfolgerung
Die Verschreibung einer MHT zur primären Prävention von Fragilitätsfrakturen muss Teil einer globalen Strategie sein. Bei peri- und frühen postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko innerhalb des therapeutisch «günstigen Fensters» (<60 Jahre oder <10 Jahre von der Menopause entfernt) gehört eine MHT zu den Therapien der ersten Wahl für die Prävention und die Therapie von Fragilitätsfrakturen und eignet sich zur Prävention der ersten vertebralen Fraktur, die unbedingt vermieden werden muss (Abb. 3), da diese das Risiko für weitere Frakturen signifikant steigert. Es gibt keine arbiträre Alterslimitierung für die Fortführung einer MHT (5, 6, 13), vorausgesetzt, dass die MHT nach den Bedürfnissen und persönlichen Risikofaktoren der Patientin individualisiert ist.
Vom Beginn einer MHT nach dem Alter von 60 Jahren mit der alleinigen Indikation einer Osteoporosetherapie wird hingegen abgeraten und auf die medikamentösen Alternativen verwiesen.
Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG
Prof. em. Dr. med. Martin Birkhäuser
Gartenstrasse 67
4052 Basel
martin.birkhaeuser@bluewin.ch
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Eine MHT (inklusive Tibolon) senkt das Frakturrisiko an allen vertebralen und nicht-vertebralen Lokalisationen inklusive des Schenkelhalses signifikant um 25–40%.
◆ Im Gegensatz zu allen nicht-hormonalen Alternativen vermindert eine individualisierte MHT auch bei Frauen einer Normalpopulation ohne erhöhtes Frakturrisiko die Inzidenz aller mit einer Osteoporose im Zusammenhang stehenden Frakturen.
◆ Eine MHT senkt das Frakturrisiko nicht nur durch ihre Wirksamkeit am Knochen, sondern auch über andere Wirkungsmechanismen an der Muskulatur und an den Zwischenwirbelscheiben.
◆ Hinsichtlich Knochendichte und Frakturprävention bestehen keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Estrogenen oder der
oralen und der transdermalen Verabreichungsform, doch besitzt transdermales Estradiol bei normaler Dosierung kein erhöhtes Thromboembolie- oder Schlaganfallrisiko.
◆ Bei gesunden peri- und postmenopausalen Frauen mit erhöhtem
Frakturrisiko unter dem Alter von 60 Jahren oder innerhalb der ersten 10 Jahre nach der Menopause darf die MHT als eine Therapie der ersten Wahl für die primäre Prävention und Behandlung Osteoporose-bezogener Frakturen an allen Skelettlokalisationen gelten. Innerhalb dieses «Window of Opportunity» überwiegt der Nutzen einer MHT die Risiken.
◆ Bei Frauen über 60 Jahren oder solchen mit einer Kontraindikation gegen MHT sind nicht-hormonale anti-resorptive Therapien wie
Bisphosphonate oder Denosumab die Therapie der ersten Wahl.
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Les encéphalites auto-immunes sont des maladies rares mais traitables qui se manifestent par un tableau associant généralement troubles cognitifs, psychiatriques, crises épileptiques et autres manifestations neurologiques. Le diagnostic est difficile chez la personne âgée, en raison d’une présentation clinique et biologique moins « inflammatoire ». Le diagnostic repose sur l’IRM cérébrale, la ponction lombaire et la mise en évidence d’anticorps antineuronaux dans le sang et/ou le liquide céphalo-rachidien, et un traitement immunosuppresseur précoce est essentiel.
Autoimmune encephalitis is a rare but treatable disease and usually presents with cognitive and psychiatric symptoms, seizures and other neurological manifestations. Diagnosis is difficult in the elderly because of a less “inflammatory” clinical and biological presentation. Diagnosis is based on brain MRI, lumbar puncture and the detection of antineuronal antibodies in the serum and/or cerebrospinal fluid, and early immunosuppressive treatment is essential. Key Words: autoimmune encephalitis, cognitive/psychiatric symptoms, immunosuppression
Introduction
Chez les patients présentant des troubles neurocognitifs, il est essentiel de chercher les causes réversibles et traitables. Les encéphalites auto-immunes peuvent se présenter sous forme d’ une atteinte cognitive. Elles ont une prévalence estimée de 13.7/100’000 habitants (1), représenteraient jusqu’ à 20 % des troubles neurocognitifs chez les patients jeunes (<45 ans) (2) et entre 4 et 46 % des démences rapidement progressives (3). L’ âge médian est très variable, variant de 21 ans pour l’ encéphalite à anti-NMDAR à 64 ans pour celle à anti-LGI1 (4,5).
Il existe deux types d’ encéphalites auto-immunitaires, selon la cible de l’ anticorps dans la cellule : 1) des protéines à la surface membranaire des neurones (récepteur de surface/synaptique), par exemple les anti-NMDAR, LGI1 ou 2) des antigènes intracellulaire, dit « onconeuronaux », par exemple AK5, GAD-65 (tab. 1). Dans les encéphalites à anti-récepteur de surface, l’ anticorps détecté est pathogénique et perturbe directement les fonctions neuronales; les symptômes sont en général réversibles, reflétant une meilleure réponse à l’ immunothérapie (4,5). Au contraire, les encéphalites associées à des anticorps ciblant des protéines intracellulaires sont principalement des syndromes paranéoplasiques ; l’ anticorps détecté est un reflet de la réponse immunitaire, sans être pathogénique en soi. Ces syndromes sont responsables de tableaux cliniques très variés, avec en général une mauvaise réponse à l’ immunothérapie. Plus récemment, des cas d’ encéphalite immune ont été décrits après traitements oncologiques par inhibiteur des checkpoints immunitaire, dont l’ apparition peut être retardée, parfois jusqu’ à 1 année après l’ arrêt de la thérapie (7).
Présentation clinique
Présentation cognitive
La présentation cognitive est fréquente, souvent sous la forme d’ une « encéphalite limbique », avec une atteinte prédominant sur le versant mnésique antérograde et parfois associée à des manifestations psychiatriques (anxiété). La progression est généralement subaiguë (semaines à mois), remplissant les critères d’ une démence rapidement progressive (démence apparu en <12 mois après le début des troubles cognitifs). Dans une étude récente, 39 % des sujets avec encéphalite à anti-LGI1, NMDAR et GABABR remplissaient les critères de démence, parmi lesquels 76 % ceux d’ une démence rapidement progressive. Le tableau neuropsychologique permet difficilement de distinguer une encéphalite auto-immune d’ une atteinte neurodégénérative. Les formes à anti-LGI1 et GABABR semblent associées à une atteinte visuo-spatiale et exécutive prédominante, similaire au tableau de la démence à corps de Lewy, alors que dans les formes à anti-NMDAR seraient plutôt associées à une atteinte langagière et comportementale, au même titre qu’ une démence fronto-temporale (8).
Manifestations associées
Les crises épileptiques, focales ou généralisées, sont fréquentes et souvent précoces. On peut retrouver typiquement des crises focales d’ origine mésiotemporale, dont les manifestations sont difficiles à reconnaitre (sensation épigastrique ascendante, sensation de déjà-vu, hallucinations olfactives etc.). Les crises dystoniques facio-brachiales, épisodes fréquents (jusqu’ à 40-50x/j) de contractions musculaires brèves facio-brachiales ipsilatérales, sont pathognomoniques de l’ encéphalite à anti-LGI1, et peuvent parfois précéder les troubles cognitifs (5).
Les manifestations psychiatriques sont fréquentes, en particulier dans l’ encéphalite à anti-NMDAR avec des troubles psychotiques et une catatonie (4). Des mouvements anormaux sont rencontrés, comme les dyskinésies orofaciales dans l’ anti-NMDAR ou la chorée dans l’ anti-CRMP5/CV2 (4, 9). Le tableau 2 résume les caractéristiques anamnestiques, cliniques et paracliniques suggestives d’ une encéphalite auto-immune.
Examens complémentaires
En cas de suspicion d’ encéphalite auto-immune, le bilan complémentaire doit comprendre une IRM cérébrale injectée, un bilan sanguin, une analyse du LCR et la recherche d’ anticorps antineuronaux dans le sang et le LCR. Une recherche de néoplasie sous-jacente doit être discutée.
L’ atteinte radiologique est variable selon l’ anticorps incriminé, avec une IRM qui peut être normale, comme dans la moitié des cas d’ anti-NMDAR (Fig. 1A) (4). En cas d’ encéphalite limbique comme celle à anti-LGI1, l’ IRM cérébrale peut trouver un hypersignal T2 FLAIR de la région mésiotemporale uni- ou bilatéral, parfois associées à une tuméfaction et prise de contraste hippocampique (Fig. 1B-E) (5). Ce tableau radiologique n’est cependant pas spécifique, et peut se voir dans des encéphalites infectieuses (HSV-1), des gliomes ou des états de mal épileptiques. D’ autres images ont été décrites, comme des atteintes multifocales, une atteinte des ganglions de la base ou une atteinte diencéphalique. L’ IRM permettra également d’ exclure des diagnostics alternatifs, comme une atteinte infectieuse, tumorale ou une maladie à prion.
Le bilan biologique de base comprend un bilan hématologique, métabolique, infectieux et immunologique. La présence d’ une hyponatrémie évoque une encéphalite à anti-LGI1 (5). L’ analyse du LCR doit comporter les analyses de routine (répartition cellulaire, protéines, glucose, quotient d’ albumine, recherche de bandes oligoclonales), des recherches infectieuses, une cytologie et une cytométrie de flux. Selon le contexte, le dosage des marqueurs phospho-tau, total-tau et Abeta 42 peut être effectué en cas de suspicion de maladie d’ Alzheimer, et le RT-QuIC pour l’ évaluation d’ une maladie à prions. Dans le LCR, on peut trouver une pléocytose lymphocytaire légère à modérée, une hyperprotéinorachie et parfois une synthèse intrathécale d’ immunoglobuline. Un LCR normal n’ exclut cependant pas une encéphalite auto-immune.
La recherche des anticorps antineuronaux permet de confirmer le diagnostic d’ encéphalite auto-immune puis de guider le traitement et la recherche oncologique. Les anticorps doivent être cherchés avant l’ introduction d’ une immunothérapie, dans le sang et le LCR. La sensibilité de ces anticorps est plus élevée pour certains dans le sang (ex : anti-LGI1) ou d’ autres dans le LCR (ex : anti-NMDAR) (10). L’ absence d’ anticorps retrouvé n’ exclut pas le diagnostic d’ encéphalite auto-immune (formes séronégatives).
L’ électroencéphalogramme (EEG) peut montrer des signes aspécifiques d’ encéphalopathie et parfois un caractère irritatif expliquant les phénomènes épileptiques. Il permet d’ exclure un état de mal épileptique. Certains signes peuvent orienter vers une étiologie, comme l’ « extreme delta brush » présents jusqu’ à chez 30% des patients avec encéphalite à anti-NMDAR (11). L’ EEG peut également retrouver des arguments pour d’ autres étiologies comme celui d’ une maladie de Creutzfeldt-Jakob (12).
Prise en charge
Dès qu’ une encéphalite auto-immune est suspectée, la prise en charge s’ articule en deux phases ; la recherche de néoplasie et le traitement immunomodulateur. La recherche de néoplasie se fait au moment du diagnostic, lors de rechute et est répétée durant 5 ans, une néoplasie pouvant s’ exprimer des années après l’ encéphalite (13). Si un cancer est retrouvé, son traitement permet parfois de maitriser à lui seul l’ encéphalite.
Le traitement immunomodulateur doit être le plus précoce possible et débuté dès une étiologie infectieuse exclue, sans attendre la positivité d’ un anticorps. Plusieurs études récentes ont montré qu’ un retard dans l’ introduction de l’ immunothérapie influence le pronostic fonctionnel et le risque de rechute (14). Un traitement de phase aiguë (méthylprednisolone à haute dose, immunoglobulines intraveineuses, plasmaphérèses, rituximab, cyclophosphamide) puis d’ un traitement de maintenance (corticothérapie dégressive, rituximab, azathioprine, mycophenolate mofetil) est recommandé. Le traitement sera adapté en fonction de l’ anticorps retrouvé, des comorbidités du patient, de la sévérité et du risque de récidive de l’ encéphalite (15).
Difficultés diagnostiques et thérapeutiques chez la personne âgée
Les encéphalites auto-immunes expriment moins de caractéristiques inflammatoires chez la personne âgée, avec moins de signe inflammatoire à l’ IRM cérébrale ou dans le LCR (16). Le diagnostic peut être encore plus difficile lorsque les biomarqueurs de démence du LCR sont anormaux. Dans une étude récente, presque 50% des patients avec encéphalites auto-immunes (LGI1, GABABR et NMDAR) se manifestant par des démences avaient des anomalies des biomarqueurs du LCR suggestive d’ une maladie neurodégénérative (8).
Les traitements immunosuppresseurs sont associés à des effets secondaires potentiellement problématique chez la personne âgée. Les glucocorticoïdes au plus ou moins long cours entrainent un risque d’ ostéoporose, d’ hypertension artérielle, de troubles digestifs et d’ infections entre autres. Les immunosuppresseurs d’ épargne corticostéroïdes, en particulier le rituximab, sont également associés à un risque infectieux accru dont une augmentation du risque d’ infection sévère à SARS-CoV-2 (17). Au vu d’ une présentation de la maladie moins « inflammatoire », probablement en lien avec l’ immunosénescence, on pourrait également suspecter une moins bonne réponse à l’ immunothérapie chez la personne âgée (18).
Copyright Aerzteverlag medinfo AG
Dr Valentin Loser
Médecin assistant
Service de neurologie, Département des neurosciences cliniques
Centre hospitalier universitaire vaudois et Université de Lausanne
Rue du Bugnon 46
CH-1011 Lausanne
Valentin.Loser@chuv.ch
Pre Caroline Pot
Professeure associée et médecin associée
Service de neurologie, Département des neurosciences cliniques
Centre hospitalier universitaire vaudois et Université de Lausanne
Rue du Bugnon 46
CH-1011 Lausanne
Caroline.Pot-Kreis@chuv.ch
Les auteurs de cet article ne déclarent aucun conflit d’ intérêt.
◆ Les encéphalites auto-immunes sont des causes rares mais traitables de démence. Ce diagnostic doit être évoqué particulièrement en cas de démence chez un patient jeune, de forme rapidement progressive ou en cas de symptômes neurologiques associés, en particulier des crises épileptiques. Le diagnostic est plus difficile chez la personne âgée, en raison d’une présentation clinique et paraclinique moins « inflammatoire ». Le diagnostic repose sur plusieurs examens, en particulier le dosage des anticorps antineuronaux qui doit se faire dans le sang et le LCR. Ceci souligne l’importance d’une évaluation neurologique des patients présentant des démences, en particulier en cas d’atypie.
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