Der Barrett-Ösophagus (BE) ist eine häufige Erkrankung im Zusammenhang mit der chronischen gastroösophagealen Refluxerkrankung. Er ist die einzige bekannte Vorstufe des Adenokarzinoms der Speiseröhre, einer Krebsart, deren Inzidenz in den letzten fünf Jahrzehnten deutlich gestiegen ist.
Barrett’s oesophagus is a common condition associated with chronic gastro-oesophageal reflux disease. It is the only known precursor of adenocarcinoma of the oesophagus, a type of cancer whose incidence has increased significantly over the last five decades. Key Words: Barrett, oesophagus, reflux, adenocarcinoma, cancer incidence
Definition und Diagnose von BE
Der Barrett-Ösophagus ist histologisch definiert als eine metaplastische Veränderung des distalen Ösophagus, bei der das normale Plattenepithel durch ein spezialisiertes Zylinderepithel mit Becherzellen ersetzt wird. Diese metaplastische Veränderung wird mit der chronischen gastroösophagealen Refluxkrankheit (GERD) in Verbindung gebracht, sodass bis 10% der Patienten mit chronischen GERD-Symptomen einen BE haben.
Während der Endoskopie kann die Grenze zwischen Magen- und Ösophagusschleimhaut problemlos erkannt werden: die sogenannte Z-Linie. Diese wird ins Verhältnis zum Beginn der Magenfalten gesetzt. Ist die Z-Linie nach proximal verschoben, spricht man vom endoskopischen Verdacht einer Barrett-Mukosa, welche mit der sogenannte Prag-Klassifikation quantifiziert wird. Die Prag-Klassifikation beschreibt die Länge der sich über den gesamten Umfang erstreckenden Veränderung «C» (circumferenziell) sowie die Länge der maximalen Ausläufer «M». So unterscheidet man einen kurzsegmentigen (maximal C3) von einem langsegmentigen Barrett. Zum Beispiel bedeutet «C4M8» eine ringförmige Längsausdehnung von 4cm mit Ausläufern bis maximal 8cm vom gastroösophagealen Übergang. Die Bestätigung der Diagnose erfolgt dann mittels Biopsie.
Epidemiologie und Screening
Der BE ist vor allem wegen des Risikos für die Entstehung von ösophagealen Adenokarzinomen behandlungsbedürftig. Ungefähr 2.3-8% der Patienten mit GERD haben auch einen BE, demgegenüber haben nur ungefähr 1.2-5.6% der Patienten ohne Refluxbeschwerden einen BE. Risikofaktoren sind das Alter, wobei >50-jährige Patienten ca. 3x häufiger einen BE haben, und das männliche Geschlecht. Der wichtigste modifizierbare Risikofaktor ist das Zigarettenrauchen, wo die Prävalenz bei ungefähr 12% liegt. Interessanterweise gibt es Studien, welche eine umgekehrte Korrelation einer Helicobacter pylori Infektion und dem Nachweis eines BE zeigen (1).
Es wird deshalb empfohlen, bei Patienten mit chronischer Refluxerkrankung über 50 Jahre eine Screening-Endoskopie durchzuführen. Die Bestimmung von Zytokinen oder Adipokinen haben (noch) keine klinische Relevanz.
Surveillance bei bekanntem BE & Screening auf hochgradige Dysplasie und Ösophagus-Adenokarzinom
Die Histopathologie des BE schreitet von der Metaplasie, über Low-Grade und High-Grade Dysplasie zum Adenokarzinom fort. In einer vielbeachteten dänischen Beobachtungsstudie zeigte sich das jährliche Risiko für die Entwicklung einer High-Grade Dysplasie oder eines Adenokarzinoms von 0.12% (2).
Leider gibt es zur Risikostratifizierung nur das Ausmass der Dysplasie. Obschon dies ein wichtiger Indikator ist, ist das Risiko der malignen Progression nur schwer abzuschätzen: einerseits entwickeln viele Patienten mit einer Metaplasie nie ein fortgeschrittenes Stadium, andererseits sind dysplastische Areale endoskopisch schwierig zu diagnostizieren, sodass einige Patienten mit fortschreitender Erkrankung nicht erkannt werden.
In verschiedenen Beobachtungsstudien zeigte sich zwar, dass die Inzidenz für das Auftreten von High-Grade Dysplasien und Adenokarzinom während längerer Überwachungszeit ansteigt, dass der Hauptrisikofaktor in dieser Population jedoch das fortschreitende Alter war. Aus diesem Grunde sollten Patienten mit einem stabilen BE weiterhin regelmässig eine Surveillance mittels Gastroskopie bekommen. Wahrscheinlich ist es vertretbar, dass bei jungen Patienten ein längeres Kontrollintervall gewählt werden kann.
Die verschiedenen Richtlinien empfehlen bei Patienten mit BE ohne Dysplasie ein Surveillance-Intervall von 3 bis 5 Jahren, abhängig von der Barrett-Länge (3). Um den Nachweis von dysplastischen Arealen zu verbessern, werden neben einer hochauflösenden Endoskopie auch die Chromoendoskopie mittels Acetat-Färbung eingesetzt. Während der Surveillance müssen genügend Biopsien entnommen werden (4-Quadrantenbiopsien alle 2cm).
Beim Nachweis von Low-Grade Dysplasien sollte das individuelle Risiko abgeschätzt werden: bei multifokalen Dysplasieherden, einer Long-Segment Barrett-Mukosa sowie familiärem Auftreten eines ösophagealen Adenokarzinoms sollte eine endoskopische Therapie erfolgen.
Medikamentöse Prophylaxe
Die Basis der Chemoprävention ist eine gute Refluxkontrolle mit einem Protonenpumpenhemmer. Obschon es Studien gibt, welche einen positiven Effekt der Kombination PPI und Aspirin zeigten, wird aufgrund des erhöhten Blutungsrisikos von einer generellen Empfehlung abgesehen (4). Die Refluxchirurgie ist eine berechtigte Option bei medikamentös nicht kontrollierbarer Refluxerkrankung. Nur wenige Studien zeigten einen positiven Effekt von Statinen, sodass eine generelle Empfehlung nicht ausgesprochen werden kann.
Die endoskopische Behandlung von Barrett-assoziierten Dys- und Neoplasien
Die wichtigste und effektivste Therapie zur Krebsprävention ist die endoskopische Eradikation von dysplastischer Mukosa. Verschiedene Studien zeigten eine 90% Risikoreduktion für das Auftreten von Krebs nach erfolgreicher endoskopischer Ablation. Kleine dysplastische Areale können endoskopisch durch eine Mukosaresektion, grössere Areale – resp. bei Infiltration in die Submukosa – werden mittels Submukosa Dissektion behandelt. Ergänzend kann mittels (Radiofrequenz-)Ablation der Eradikationserfolg der Barrett-Dysplasie gesteigert werden. Auch Frühkarzinome (T1a) können durch eine endoskopische Behandlung erfolgreich behandelt werden. Wohingegen die Behandlung fortgeschrittener Adenokarzinome weiterhin eine schlechte Chance hat: Das 5-Jahresüberleben bei T3/4 Karzinomen liegt bei weniger als 10%. Dies hat damit zu tun, dass das ösophageale Karzinom sehr früh Lymphknoten-Metastasen bildet, sodass die Heilungschancen sehr schlecht sind.
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Dr. med.Roger Wanner
Gastroenterologie Zürich AG
Seefeldstrasse 214
8008 Zürich
roger.wanner@hin.ch
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
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Die gutartige Prostatahyperplasie (BPH) ist eine Krankheit, die mit zunehmendem Alter einen Grossteil der Männer betrifft. Die BPH kann sowohl obstruktive (Blasenentleerung) als auch irritative (Blasenspeicherung) Beschwerden auslösen, welche als Symptome des unteren Harntraktes (engl. lower urinary tract symptoms, LUTS) zusammengefasst werden. Bei störenden Beschwerden besteht die Indikation zur Behandlung. Der erste therapeutische Schritt ist meist eine medikamentöse Therapie. Bei persistierenden Beschwerden oder als Alternative zur medikamentösen Therapie kann eine interventionelle Therapie zum Einsatz kommen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an operativen Verfahren, die dem Patienten angeboten werden können. Für die Auswahl der geeigneten Methode gilt es, sowohl die Prostatagrösse als auch Patientencharakteristika und Patientenwünsche zu berücksichtigen.
Benign prostatic hyperplasia (BPH) is a disease that affects a large proportion of men as they age. BPH can cause both obstructive (bladder emptying) and irritative (bladder storage) symptoms, which are referred to as lower urinary tract symptoms (LUTS). If the symptoms are disturbing, there is an indication for treatment. The first therapeutic step is usually drug therapy. In the case of persistent symptoms or as an alternative to drug therapy, interventional therapy can be used. There is now a wide range of surgical procedures that can be offered to the patient. For the selection of the appropriate method, the size of the prostate as well as patient characteristics and patient wishes must be taken into account. Key Words: BPH, Prostata, Therapie, LUTS, Prostatahyperplasie
Die gutartige Prostatavergrösserung ist eine der häufigsten Erkrankungen des alternden Mannes. Vor allem unter dem Einfluss von Androgenen kommt es zu einem Wachstum der Prostata, der sogenannten benignen Prostatahyperplasie (BPH).
Bei einer relevanten Prostatavergrösserung leiden die Patienten unter Symptomen des unteren Harntraktes (engl. LUTS) (1). Risikofaktoren für das Auftreten von LUTS sind das Alter, ein metabolisches Syndrom, kardio-vaskuläre Risikofaktoren und ein obstruktives Schlafapnoesyndrom (2–4). Protektive Faktoren sind erhöhte körperliche Aktivität, vermehrter Verzehr von Gemüse und moderater bis wenig Alkoholgenuss (5).
Statistisch gesehen leiden die Hälfte der Patienten über 60 Jahren und vier von fünf Patienten über 80 Jahren an einer BPH mit LUTS (4). Dies führt neben einer Einschränkung der Lebensqualität bei den betroffenen Männern auch zu einer erheblichen sozioökonomischen Belastung (6).
Diagnostik
Spätestens ab dem 50. Lebensjahr sollte bei Männern in der Sprechstunde gezielt nach Miktionsbeschwerden gefragt werden. Unterteilt werden diese in Blasenspeicher- und Blasenentleerungssymptome. Zu den Entleerungssymptomen zählen: Pressmiktion, Nachträufeln, abgeschwächter Harnstrahl, verzögerter Miktionsbeginn, zweizeitige Miktion und Dysurie, sowie als Maximalvariante der Harnverhalt oder eine Überlaufblase.
Zu den Blasenspeichersymptomen zählen: imperativer Harndrang, Dranginkontinenz, die Pollakisurie und die Nykturie (4, 7, 8).
Bei komplizierenden Faktoren wie Makrohämaturie, Harnverhalt, rezidivierende Harnwegsinfekte oder Verdacht auf ein Prostatakarzinom sollten eine zeitnahe fachärztliche Vorstellung erfolgen. In der urologischen Abklärung kommen dann weitere gezielte diagnostische Werkzeuge zum Einsatz:
Standardisierte Fragebögen wie der «International Prostate Symptom Score» (IPSS), oder «International Consultation on Incontinence Questionnaire»(ICIQ)
Blasentagebuch
Harnstrahlmessung (Uroflowmetrie)
Ultraschall
Labor (PSA, Kreatinin, Urinstreifentest)
Zystoskopie
Urodynamische Untersuchung
MRT und CT
Durch den stufenweisen Einsatz der Diagnostika kann die Ätiologie der LUTS eruiert und die beste Therapiemöglichkeit für den Patienten individuell gefunden werden.
Konservative und medikamentöse Therapie
Entscheidend für den Beginn einer Therapie ist der Leidensdruck des Patienten. Bei unkomplizierten LUTS ohne subjektiv störende Symptome oder milder Symptomatik ist ein abwartendes Beobachten (watchful waiting) die Therapie der Wahl, denn bis zu 85% der Patienten zeigen nach einem Jahr einen stabilen Verlauf und nur wenige dieser Patienten entwickeln Komplikationen wie z.B. eine Niereninsuffizienz, Blasensteine oder Harnverhalte (9–11).
Folgende Lifestyleempfehlungen können (alleine oder ergänzend zu einer medikamentösen Therapie) einen positiven Einfluss auf LUTS haben (12):
Zeitlich an den Alltag angepasste Flüssigkeitsaufnahme
Vermeidung von Koffein und Alkohol
Ausstreichen der Harnröhre gegen Nachtröpfeln
Blasentraining zur Vergrösserung des Blasenvolumens und zur Kontrolle von Drangsymptomen
Bei progredienten Beschwerden unter watchful waiting oder primär moderaten oder starken Beschwerden ist eine medikamentöse Therapie empfohlen. Die Wahl des Medikaments richtet sich hierbei nach der Symptomatik des Patienten. Bei Blasenentleerungssymptomen kommen Phytotherapeutika, Alpha-1-Rezeptorblocker (Alpha-Blocker), Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5-Hemmer) oder 5-Alpha-Reduktasehemmer zum Einsatz.
Phytotherapeutika beinhalten verschiedene pflanzliche Wirkstoffe, welche in der Zusammensetzung und Menge je nach Präparat variieren können. Eine evidenzbasierte Therapieempfehlung kann bisher nur für Präparate mit Sägepalmenextrakt (Serenoa repens) abgegeben werden (13).
Alpha-Blocker erwirken eine Relaxation des Blasenhalses und der Prostata über eine Hemmung der glatten Muskelzellen in diesem Gebiet (14). Bereits kurz nach Beginn der Therapie mit Alpha-Blockern zeigt sich eine Verbesserung der Harnstrahlstärke und eine Symptomlinderung gemessen am IPSS. Die Therapie senkt jedoch nicht das Risiko eines Harnverhaltes oder einer Operation im weiteren Verlauf und der Effekt endet sobald das Medikament abgesetzt wird (15).
PDE-5-Hemmer reduzieren den Muskeltonus im Detrusor, der Prostata und der Urethra (16). Sie wirken zudem positiv auf die erektile Funktion und verbessern sowohl den IPSS als auch den IIEF (Internationaler Index der erektilen Funktion) -Score. Aktuell ist für die Therapie der LUTS nur das Präparat Tadalafil in einer Dosierung von 5mg/d zugelassen, welches vor allem bei einer kombinierten LUTS und erektilen Dysfunktion seinen Einsatz findet, jedoch in der Schweiz nicht von der Krankenkasse übernommen wird (17).
5-Alpha-Reduktasehemmer verhindern den Effekt von Androgenen auf die Prostata und führen dadurch zu einer Verkleinerung des Prostatavolumens um 18 – 28% und zu einer Reduktion des PSA-Wertes um 50% nach 6-12 Monaten (18). Diese Therapie ist bei einem Prostatavolumen von >40ml am wirksamsten und ist in der Lage sowohl die Symptome zu verbessern, als auch das Risiko für einen Harnverhalt oder eine Operation zu senken (18). Der Wirkeintritt erfolgt jedoch erst nach einigen Monaten.
Bei Blasenspeichersymptomen kommen Muskarin-Rezeptor-Antagonisten und Beta-3-Agonisten zum Einsatz, welche die Blasenkontraktilität reduzieren und Drangsymptome lindern. Bei Restharnmengen unter 150ml ist die Anwendung sicher, denn ein medikamenteninduzierter Harnverhalt ist unwahrscheinlich (19, 20). Neben einzelnen Präparaten kann bei gemischter Symptomatik oder unzureichender Besserung unter Monotherapie auch eine Kombinationstherapie durchgeführt werden.
Operative Therapie
Absolute Indikationen für eine operative Therapie der BPH sind: rezidivierende Harnwegsinfekte oder Harnverhalte, Überlaufinkontinenz, therapierefraktäre Makrohämaturie, Harnblasensteine oder grosse Divertikel und postrenale Niereninsuffizienz aufgrund einer Blasenentleerungsstörung. Relative Indikationen sind eine unzureichende Symptomlinderung unter medikamentöser Therapie oder wenn der Patient eine solche ablehnt.
Die Wahl des operativen Verfahrens hängt von der Prostatagrösse, den Nebendiagnosen und der entsprechenden Medikation des Patienten und den operationsspezifischen Nebenwirkungen mit dem jeweiligen Patientenwunsch ab. Dabei spielt auch die Verfügbarkeit von technischen Instrumenten und die entsprechende Erfahrung des Operateurs eine entscheidende Rolle.
Als Goldstandard bei Prostatagrössen bis 80ml gilt weiterhin die bipolare transurethrale Resektion der Prostata (TURP). Bei einem Prostatavolumen <30ml reicht in der Regel eine Blasenhalsinzision aus (21, 22). Allerdings weist die TURP eine beträchtliche Nebenwirkungs- und Re-Operationsrate auf. Die kumulative Morbidität beträgt perioperativ 11,1% (23). Die häufigsten Komplikationen hierbei sind ein Harnverhalt (5,8%), Harnwegsinfektionen (3,6%) und transfusionsbedürftige Blutungen (2,9%). Die kurzfristige (30 Tage) Re-Operationsrate liegt bei 5,6% und die langfristige (5 Jahre) bei 12% ebenfalls in einem relevanten Bereich (23). Zudem führt die TURP in ca. 75% zu einer retrograden Ejakulation, was für viele sexuell aktive Männer zu einer grossen Einschränkung der Lebensqualität führt (24).
Die Herausforderung, den Erwartungen der Patienten an die Therapie mit möglichst komplikationsarmen Operationsmethoden mit maximaler Effektivität und kurzer Rekonvaleszenz gerecht zu werden, haben eine Reihe moderner Therapieverfahren hervorgebracht (25).
Die 180W-XPS-Laservaporisation (XPS) der Prostata bietet die Möglichkeit Patienten sicher unter laufender Antikoagulation zu operieren ohne vermehrte Blutungsraten (26). Hierbei sind die funktionellen Ergebnisse wie Harnstrahlstärke, Restharn und IPSS mit dem Goldstandard TURP vergleichbar (27).
Bei grösseren Prostatavolumina (>80ml) haben endoskopische Enukleationsverfahren in den letzten Jahren die offene Adenomenukleation aufgrund des deutlich besseren Sicherheitsprofiles immer mehr in den Hintergrund geschoben (28).
Hierbei stehen verschiedene technische Verfahren zur Enukleation bereit (bipolare Energie, ThuLEP mit Tm:YAG-Laser, HoLEP mit Ho:YAG-Laser). Diese zeigen alle ähnliche Ergebnisse bezüglich der Effektivität und sind mit der TURP vergleichbar (21). Die Wahl des Verfahrens liegt hier vor allem an der technischen Verfügbarkeit und der Expertise des Operateurs.
Bei sehr grossen Prostatavolumina kann eine minimalinvasive laparoskopische roboterassistierte Adenomenukleation angeboten werden, welche bezüglich der funktionellen Ergebnisse mit der offenen Adenomenukleation vergleichbar ist, bei deutlich kürzerer Hospitalisierungs- und Katheterliegedauer und geringerem Blutverlust (29).
Zu den minimalinvasiven Operationsverfahren werden u.a. die Wasserdampfablation der Prostata (REZUM) und die Wasserstrahlablation (Aquabeam) der Prostata gezählt.
Beim REZUM-Verfahren wird endoskopisch über die Harnröhre mit einer dünnen, ausfahrbaren Nadel 103°C heisser Wasserdampf in das Adenomgewebe der Prostata injiziert (Abb. 1).
Der Eingriff dauert hierbei nicht länger als 5-10 Minuten und kann in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Der Wasserdampf verteilt sich gleichmässig in der Prostata und führt zum Zelluntergang. Der maximale Effekt tritt nach etwa 3 Monaten ein und bewirkt eine Verkleinerung der Prostata um ca. 30%, was zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome und der Harnstrahlstärke führt (30).
Die Sexualfunktion wird bei diesem Verfahren optimal geschont. Eine retrograde Ejakulation tritt bei nur 3% der Patienten auf und die Erektionsfähigkeit wird nicht beeinträchtig (31, 32).
Aquabeam ist ein neues und innovatives Verfahren, welches eine schnelle und kontrollierte Verkleinerung der Prostata ermöglicht (Abb. 2). Mit einem fokussierten Hochdruckwasserstrahl wird das Prostatagewebe ohne thermische Energie abgetragen. Durch eine transrektale Ultraschallsonde kann die millimetergenaue Abtragung entlang der eingezeichneten Grenzen in Echtzeit kontrolliert werden. Falls sich nach der Gewebeabtragung relevante Blutungen aus der Prostata zeigen, kann während der Operation eine Blutstillung mittels bipolarer Kauterisation erfolgen (33). Die WATER-Studie konnte zeigen, dass Aquabeam einer klassischen TURP bezüglich der Verbesserung der Beschwerden nach einem Zeitraum von 3 Jahren nicht unterlegen ist. Hinsichtlich der Sexualfunktion, konnte auch bei diesem Verfahren eine, im Vergleich zur TURP, niedrige Rate an retrograder Ejakulation von lediglich 7.8% beobachtet werden (34). Für beide minimalinvasiven Verfahren stehen Langzeitdaten allerdings noch aus, weshalb diese Verfahren aktuell noch als experimentell angesehen werden müssen.
Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG
Dr. med. univ. Manuel Walter
Klinik für Urologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
Prof. Dr. med. Hans Helge Seifert
Klinik für Urologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
Prof. Dr. med. Christian Wetterauer
Klinik für Urologie, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
Danube Private University, Krems, Österreich
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Die benigne Prostatavergrösserung ist eine der häufigsten Erkrankungen des alternden Mannes und führt zu Einschränkungen der Lebensqualität und einer hohen sozioökonomischen Belastung.
◆ Bei milder Symptomatik hat ein Grossteil der Patienten ohne Therapie einen stabilen Verlauf.
◆ Die stufenweise Therapie besteht aus Lifestyleveränderungen,
medikamentöser Therapie und operativer Therapie.
◆ Bei der operativen Therapie steht eine Vielzahl an modernen und
alterprobten Verfahren zur Verfügung, welche je nach Patientencharakteristika individuell ausgewählt werden sollten.
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32. McVary K T, Gange S N, Gittelman M C, Goldberg K A, Patel K, Shore N D et al. Erectile and Ejaculatory Function Preserved With Convective Water Vapor Energy Treatment of Lower Urinary Tract Symptoms Secondary to Benign Prostatic Hyperplasia: Randomized Controlled Study. J Sex Med [Internet]. 2016 Jun [cited 2022 Nov 26];13(6). Available from: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27129767/
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In der Schweiz gibt es etwa 5000 Dialysepatienten. Es handelt sich dabei um eine gefährdete und zunehmend ältere Bevölkerungsgruppe. Dialysepatienten weisen häufig mehrere Komorbiditäten auf, weshalb Pflegefachpersonen verschiedener Disziplinen regelmässig mit diesen Patienten konfrontiert sind. Dies erfordert spezifische Kenntnisse, auch in Bezug auf ihre Ernährung. In diesem Artikel werden mögliche Nährstoffdefizite und -überschüsse bei Dialysepatienten sowie die neuesten Therapieempfehlungen zu deren Behebung erläutert.
There are about 5000 dialysis patients in Switzerland. They represent a vulnerable and increasingly elderly population. Dialysis patients often have multiple co-morbidities; therefore, caregivers from different disciplines are regularly confronted with these patients, which requires specific knowledge, also with regard to their nutrition. In this review, we will discuss possible dietary deficits and excesses in hemodialysis patients and the latest therapeutic recommendations. Key Words: hemodialysis, co-morbidities, dietary, nutritional supplements, vitamins
Dialysepatienten in der Schweiz: eine gefährdete Bevölkerungsgruppe
Gemäss dem Schweizer Dialyseregister «SRRQAP» (Swiss renal registry and quality assessment program) gibt es in der ganzen Schweiz rund 5000 Dialysepatienten. Dieses Register erfasst seit 2014 auch die klinischen Merkmale dieser Patientengruppe. Bei 90 % der Patienten kommt die Hämodialyse (HD) zum Einsatz, bei 10 % die Peritonealdialyse. In beiden Fällen handelt es sich um eine langwierige Behandlung. Bei der HD müssen durchschnittlich drei Dialyse-Sitzungen pro Woche absolviert werden, wobei jede drei bis vier Stunden dauert. Patienten, die mit Peritonealdialyse behandelt werden, müssen sich 2 bis 5 Behandlungszyklen à 30 Minuten pro Tag unterziehen.
Die Zahl der Dialysepatienten steigt langsam, aber stetig um 1-2 % pro Jahr. Weltweit gibt es derzeit etwa 2 Millionen Dialysepatienten. Dies ist vor allem auf die Diabetes-Epidemie, Hauptursache für terminale Niereninsuffizienz, zurückzuführen, aber auch auf die Alterung der Bevölkerung. Das Medianalter der Dialysepatienten liegt bei 72 Jahren, wobei 20 bis 25 % ≥ 80 Jahre alt sind (SRRQAP-Daten). Die Dialyse-Sitzungen und die Einschränkungen bei der Ernährung, die zur Aufrechterhaltung der Homöostase erforderlich sind, stellen die die betroffenen Patienten auf eine harte Probe bezüglich ihrer Ernährungsgewohnheiten. Häufig sind diese schon dadurch geschwächt, dass sie aufgrund der Niereninsuffizienz weniger Appetit haben. Es besteht das Risiko sowohl einer Unterernährung als auch eines Überangebots an bestimmten Nahrungsstoffen. Der Grat zwischen diesen beiden Zuständen ist schmal. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Ernährung dieser Bevölkerungsgruppe genau überwacht wird, am besten durch spezialisierte Ernährungsberaterinnen.
Die in diesem Artikel besprochenen Empfehlungen gelten im Grossen und Ganzen auch für Peritonealdialyse-Patienten, deren genaueren Betrachtung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde.
Technischer Hintergrund
Die Hämodialyse (HD) ist ein hochtechnischer Vorgang, bei der semipermeable Filtersysteme, hochreines Wasser, eine Mischung aus Elektrolyten und ein extrakorporales Kreislaufsystem zur Reinigung des Blutes eingesetzt werden (Abb. 1). Obwohl es sich um ein sehr leistungsstarkes System handelt, beträgt die erreichte Clearance von Schlüsselsubstanzen wie Harnstoff und Kreatinin nicht mehr als 15 ml/min. Die HD ersetzt also bei weitem nicht alle Funktionen der Niere. Dies hat zur Folge, dass die Patienten viele Medikamente einnehmen und Einschränkungen bei der Ernährung in Kauf nehmen müssen. Darüber hinaus entwickeln die meisten Patienten eine Oligurie oder Anurie und müssen zudem eine Flüssigkeitsrestriktion einhalten.
Die Blutreinigung erfolgt nach dem Diffusionsprinzip. Während einer Hämodialyse-Sitzung kommt das Blut des Patienten mit einem Filter, dem Dialysator (einer künstlichen, halbdurchlässigen Membran) in Kontakt. Wenn das Blut und die Dialyselösung eine unterschiedliche Molekülkonzentration aufweisen, diffundieren die Moleküle durch die Membran in Richtung der niedrigeren Konzentration. Dies ist zum Beispiel bei Kalium (Konzentration im Dialysat: 2-4 mmol/l), Harnstoff und Phosphat (Konzentration im Dialysat: 0 mmol/l) der Fall. Ihre Konzentration nimmt während jeder Dialysesitzung stark ab, um sich dann in den folgenden Stunden und Tagen bis zur nächsten Sitzung wieder zu stabilisieren.
Der alte Dämon ist noch nicht tot: Kalium
Die wahrscheinlich am meisten gefürchtete Elektrolytstörung bei Dialysepatienten, die zu zahlreichen Einschränkungen bei der Ernährung führt, ist die Hyperkaliämie. Die Hyperkaliämie ist grösstenteils auf die Anreicherung von Kalium aus der Nahrung (Obst, Gemüse, Kartoffeln) zurückzuführen.
Weniger bekannt ist, dass auch Verstopfung eine Hyperkaliämie auslösen oder verschlimmern kann. Die Ausscheidung von Kalium über den Dickdarm ist bei Hämodialyse-Patienten dreimal so hoch wie bei Gesunden. Dies ist wahrscheinlich auf eine kompensatorisch erhöhte Leitfähigkeit der Kaliumkanäle in den Epithelzellen des Dickdarms zurückzuführen (1). Daher ist es wichtig, Verstopfung zu vermeiden und/oder zu behandeln, am besten mit einer ballaststoffreichen Diät und/oder osmotischen Abführmitteln wie Lactulose oder Polyethylenglycol (2).
Ein gewisser Grad an Hyperkaliämie wird bei Dialysepatienten häufig toleriert. Dies zeigen Beobachtungsstudien, bei denen das Mortalitätsrisiko nur bei einem Kaliumwert von >5,6 mmol/l steigt (3). In solchen Fällen wird der Nephrologe zunächst versuchen, durch Dialysesitzungen das Kalium herauszufiltern, bevor er dem Patienten eine strengere Nahrungsrestriktion nahelegt. Die National Kidney Foundation empfiehlt für alle Dialysepatienten eine Kaliumaufnahme von <3g (<77 mmol) pro Tag. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es häufig nötig, den Verzehr von kaliumreichen Lebensmitteln wie bestimmten Früchten (Bananen, Aprikosen) und Gemüse (Spinat, Avocados, Bohnen, Kartoffeln) einzuschränken. Kaliumreiche Lebensmittel sind auch reich an Ballaststoffen, so dass eine Einschränkung das Risiko von Verstopfung erhöhen und zu einem Teufelskreis führen kann.
Um dies zu verhindern, ist die Verwendung von Kalium Chelatoren theoretisch eine interessante Lösung. Die in der Schweiz erhältlichen Chelatbildner sind Natrium-Polystyrolsulfonat (Resonium®), Calcium-Polystyrolsulfonat (Sorbisterit®) und seit kurzem auch Patiromer (Veltassa®). Hierbei handelt es sich um Harze oder Polymere (Veltassa®) in Pulverform, die mit Wasser verdünnt werden. Im Dickdarm wird Kalium in den Verbindungen gegen Natrium oder Kalzium ausgetauscht, die dann mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Leider können Sorbisterit® und Resonium® in seltenen Fällen zu Nekrosen und/oder Perforation des Dickdarms führen (Inzidenz 0,27 %), insbesondere in der postoperativen Phase (4). Aus diesem Grund sollte ihre Verschreibung zeitlich begrenzt werden. Im Gegensatz dazu wurde diese Nebenwirkung bei Veltassa® nicht beschrieben. Es wird derzeit untersucht, ob die langfristige Einnahme von Veltassa® dazu beiträgt, eine Ernährung mit mehr Obst, Gemüse und Ballaststoffen aufrechtzuerhalten.
Mangelernährung, Proteine und Aminosäuren
Mangelernährung gilt als eine der Hauptkomplikationen der Hämodialyse. In der englischsprachigen Literatur als «Protein-Energy Wasting (PEW)» bezeichnet, ist Unterernährung die Folge eines über den Anabolismus hinausgehenden Katabolismus von Körperprotein. PEW tritt besonders häufig bei Hämodialyse-Patienten auf, und zwar aufgrund der Proteinverluste im Dialysat, der diätetischen Einschränkungen zur Eindämmung der Hyperphosphatämie und der urämischen Anorexie (durch die Urämie bedingten Appetitlosigkeit), die trotz der Dialysesitzungen bestehen bleiben kann. Bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz, die (noch) nicht dialysepflichtig sind, ist eine zu proteinreiche Ernährung jedoch mit einem schnelleren Rückgang der glomerulären Filtrationsrate (GFR) verbunden. Grund dafür ist eine Hyperfiltration in den verbleibenden in ihrer Anzahl bereits reduzierten Nephronen, bedingt durch die proteinreiche Ernährung.
Im Allgemeinen wird eine Aufnahme von 0,6 bis 0,8 g/kg/d empfohlen, wenn die GFR unter 45 ml/min liegt (5). Hämodialyse-Patienten sollten idealerweise 1,0 bis 1,2 g/kg/d Protein zu sich nehmen. Der Übergang zur Dialyse erfordert daher eine deutliche Erhöhung der Proteinzufuhr, ohne dass der Phosphatspiegel “explodiert”. Auch hier ist die Einbeziehung von Ernährungsberaterinnen für eine optimale Behandlung von entscheidender Bedeutung.
In Anbetracht der Aminosäureverluste während der Hämodialyse, kam der letzte Konsensus der ISRNM (International Society of Renal Nutrition and Metabolism) zu dem Schluss, dass Mahlzeiten und Nahrungsergänzungsmittel allen Patienten ohne Kontraindikationen während der Hämodialyse angeboten werden sollten. Dieser Konsensus basiert auf Studien, die den Nutzen für den Ernährungszustand und das Potenzial zur Verbesserung anderer wichtiger Ergebnisse (z.B. Lebensqualität, Patientenzufriedenheit, Überleben) belegen (6).
Laut KDOQI-Empfehlungen 2020 (Kidney Disease Outcome Quality Initiative) sollen Erwachsene mit terminaler Niereninsuffizienz und manifester oder drohender Protein-Energie- Unterernährung, orale Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Dies würde ihren Ernährungszustand verbessern, falls die diätetische Beratung allein nicht ausreicht, um eine dem Grundbedarf entsprechende Protein-Energiezufuhr zu erreichen. Bei Patienten, die trotz oraler Nahrungsergänzungsmittel chronisch unterversorgt sind, ist es sinnvoll, einen Versuch mit enteraler Sondenernährung in Betracht zu ziehen (5).
Vitamine
Hämodialyse-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Vitaminmangel. Zu den Ursachen für Vitaminmangel gehören (a) die Verordnung einer kalium- und phosphatarmen Diät, die den Verzehr von frischem Obst und Gemüse, Milchprodukten und anderen vitaminreichen Produkten einschränkt; (b) ein veränderter Stoffwechsel, wie bei Pyridoxin und möglicherweise Folat; (c) eine veränderte Synthese (z. B. von 1,25-Dihydroxy-Vitamin D); (d) eine möglicherweise verminderte intestinale Absorption (z.B. wurde eine verminderte Aufnahme von Riboflavin, Folat und Vitamin D bei Ratten mit chronischer Niereninsuffizienz festgestellt); und (e) Verluste von wasserlöslichen Vitaminen im Dialysat aufgrund ihres niedrigen Molekulargewichts (<1 kDa) (7).
In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere technische Fortschritte und Änderungen bei der Hämodialyse in der klinischen Praxis umgesetzt, darunter die Verwendung von Hochflussmembranen (high-flux) und die Einführung der Hämodiafiltration (HDF) (2). Eine kürzlich in Lausanne durchgeführte Studie zeigt, dass die Vitaminverluste bei HDF noch höher sind als bei HD, insbesondere bei Vitamin C (Abb. 2) (8). Die Supplementierung mit wasserlöslichen Vitaminen nach jeder Dialysesitzung ist bei chronischen Hämodialyse-Patienten üblich und gleicht die Verluste aus. Die am häufigsten verschriebenen Präparate sind Dialvit® (mit 50mg Vit B1, 10mg Vit B2, 40mg Vit B6, 3mg Folsäure und 200mg Vit C) oder eine Kombination aus Becozyme forte®, Folsäure und Vitamin C. Zusätzlich erhalten die meisten Patienten regelmässig Vitamin-D-Präparate (Cholecalciferol, Calcitriol).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Hämodialyse-Patienten mehrere Stoffwechselveränderungen, Elektrolytstörungen sowie ein erhöhtes Risiko für Vitaminmangel und Protein-Energie-Unterernährung aufweisen. Eine ausführliche Betrachtung aller Aspekte würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber die verschiedenen Ernährungsempfehlungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Zukunft: Eine Rolle für die Mikrobiota?
Die intestinale Mikrobiota, definiert als die Gesamtheit der Mikroorganismen im Darm, war in den letzten zehn Jahren Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten. Es wurde deutlich, dass die Mikrobiota viele nützliche Funktionen intestinal und systemisch ausübt, darunter die Synthese von Vitamin K, den Abbau von Oxalat und die Reifung des Immunsystems. Bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung ist ihre Zusammensetzung wahrscheinlich als Reaktion auf Urämie, häufige Antibiotikaverschreibung und Ernährungsumstellung verändert. Die veränderte Mikrobiota führt zu einer vermehrten Produktion von Molekülen wie p-Cresylsulfat und Indoxylsulfat, die entzündungsfördernde und kalzifizierende Effekte haben (9). Die Hämodialyse wiederum wird mit einer vorübergehenden Erhöhung der Durchlässigkeit der Darmbarriere und einem Anstieg der zirkulierenden Zytokinspiegel in Verbindung gebracht. Derzeit laufen mehrere Studien, um zu untersuchen, ob die regelmässige Einnahme von Probiotika (lebende Mikroorganismen, die positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben) oder Präbiotika (unverdauliche Nahrungsbestandteile, die eine positive Wirkung auf die Zusammensetzung oder die Aktivität der intestinalen Mikrobiota haben) die Zusammensetzung der Mikrobiota verändern und den Trend von PEW und Muskelabbau verzögern oder umkehren kann.
Schlussfolgerungen:
Nierenversagen führt zu grossen Veränderungen des Metabolismus und des inneren Milieus der Patienten. Dazu gehören nicht nur Elektrolytstörungen, Vitaminmangel und ein erhöhtes Risiko für Unterernährung, sondern auch eine Protein-Energie-Unterernährung. Die Hämodialyse kann den Mangel an Vitaminen und Aminosäuren aufgrund der Verluste, die durch die hochdurchlässigen Filter verursacht werden, noch verstärken. Die Ernährungsberatung und -kontrolle nimmt heute einen wichtigen Platz in der Behandlung von Hämodialyse-Patienten ein. Dies gilt umso mehr, als die Kenntnisse auf diesem Gebiet ständig zunehmen und neue Strategien zur Erreichung eines angemessenen homöostatischen Gleichgewichts bei Dialysepatienten ermöglichen.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Nephrologen, Ernährungsberatern, Allgemeinmedizinern, Endokrinologen und Internisten ist für die optimale Betreuung dieser besonders gefährdeten Patientengruppe von entscheidender Bedeutung. Die Zukunft wird zeigen, ob sich die Manipulation von Mikrobiota als neues Instrument im täglichen Kampf gegen die Protein-Energie-Unterernährung durchsetzen wird.
Übersetzung aus «la gazette médicale» 01-2023
Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG
Dr. med. Erietta Polychronopoulou
Abteilung für Nephrologie und Hypertonie
Universitätsklinik und Hochschule Lausanne
Rue du Bugnon 17
1011 Lausanne
PD Dr. med. Menno Pruijm
Abteilung für Nephrologie und Hypertonie
Universitätsklinik und Hochschule Lausanne
Rue du Bugnon 17
1011 Lausanne
menno.pruijm@chuv.ch
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Hyperkaliämie kann durch Verstopfung ausgelöst oder verschlimmert werden; bei anhaltender Hyperkaliämie ist eine Beschränkung auf <3g/d durch die Nahrung erforderlich. Kalium Chelatoren (mit Ausnahme von Patiromer) können wegen des Risikos einer Dickdarmperforation nicht über einen längeren Zeitraum verschrieben werden.
◆ Die Proteinzufuhr spielt eine wichtige Rolle für die Prognose von Patienten mit Nierenerkrankungen und sollte an das Stadium ihrer Erkrankung angepasst werden.
◆ Eine optimale Einstellung der Ernährung bei Hämodialyse-Patienten erfordert eine spezialisierte und multidisziplinäre Betreuung.
1. Hayes CP, Jr., McLeod ME, Robinson RR. An extravenal mechanism for the maintenance of potassium balance in severe chronic renal failure. Trans Assoc Am Physicians. 1967;80:207-16.
2. Cupisti A, Kalantar-Zadeh K. Management of natural and added dietary
phosphorus burden in kidney disease. Semin Nephrol. 2013;33(2):180-90.
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Die Osteoporose ist häufig und führt bei normalen Belastungen zu einer Erhöhung des Risikos von Frakturen typischerweise an der Wirbelsäule, proximal an Femur oder Humerus und distal am Radius. Die Diagnose wird mittels Knochendichtemessung oder aufgrund einer typischen Fraktur gestellt. Osteoporose-Frakturen sind verbunden mit Invalidität und erhöhter Mortalität und das Ziel der Osteoporosediagnostik ist die Verhinderung von Frakturen. Die Osteoporose sollte in Anamnese und Untersuchung gezielt aufgespürt werden. Allgemeine Massnahmen beinhalten eine Überprüfung der Medikamentenliste, Sturzprophylaxe und adäquate Ernährung, unterstützt von Physio- und Ergotherapie sowie Ernährungsberatung. Liegt schon eine typische Fraktur vor, ist die Diagnose der Osteoporose gestellt. Stellen Sie die Diagnose und verhindern Sie Frakturen.
Osteoporosis is a common problem leading to low-impact fractures typically in the spine, proximally at the femur or humerus, and distally at the radius during normal loading. Diagnosis is based on bone densitometry or on a typical fracture. Osteoporotic fractures are associated with disability and increased mortality. The goal of an intervention is to prevent fractures. Osteoporosis should be specifically sought in history and examination. General measures include a review of the medication list, prevention of falls, and adequate nutrition. If a typical fracture is already present, the diagnosis of osteoporosis is established: capture the fracture and prevent the next fracture. Key Words: osteoporosis, fractures, risks, diagnosis, interventions
Mit der Diagnose Osteoporose wird eine Veränderung der Knochenstruktur bezeichnet, die Krankheitswert besitzt und deren Häufigkeit bei Frauen mit zunehmendem Alter vor allem postmenopausal und, altersmässig etwa 10 Jahre später, auch bei Männern auftritt. Die Erkrankung ist charakterisiert durch eine erniedrigte Knochenmasse und eine Verschlechterung der Mikroarchitektur des Knochengewebes, die zu einer vermehrten Knochenbrüchigkeit und damit zu einer Erhöhung des Frakturrisikos führen (1). Als Folge der verminderten Knochenmasse und -struktur ist der Knochen einer normalen Belastung nicht mehr gewachsen. Die klinisch fassbare Folge ist die Fraktur an typischer Stelle (meist an der Wirbelsäule, inklusive Sakrum, proximal an Femur oder Humerus und distal am Radius), welche spontan, nach einer normalen Belastung (z.B. beim sich bücken) oder aufgrund eines einfachen Sturzes (aus Stehhöhe) auftreten kann.
Die Osteoporose als Diagnose kann mittels Knochendichtemessung (Osteodensitometrie, DXA oder DEXA = Dual Energy X-ray Absorptiometry) oder klinisch aufgrund einer typischen Fraktur diagnostiziert werden.
Messtechnisch ist die Osteoporose mit der Knochendichtemessung definiert als eine Abweichung des Knochenmineralgehalts der Patientin von -2.5 oder mehr Standardabweichungen (dem T-Wert) im Vergleich zu einem Kollektiv von prämenopausalen gesunden Frauen (Der Z-Wert beschreibt hingegen die Abweichung des Knochenmineralgehalts der Patientin im Vergleich zu einem Kollektiv gleichaltriger Frauen) (1).
Klinisch wird die Diagnose einer Osteoporose aufgrund einer typischen Fraktur gestellt. Zu unterscheiden ist eine solche (Insuffizienz-)Fraktur aufgrund einer Osteoporose, von einer Fraktur nach einem «adäquaten» Trauma, wie z.B. einem Sturz von einer höheren Mauer oder auf einer Treppe über mehrere Stufen abwärts, von einem Fahrradsturz oder von einer anderen grossen Belastung, wie z.B. einem mehrstündigen Marsch im Militär (sogenannte Stressfraktur). Hier handelt es sich um Frakturen als Folge einer aussergewöhnlichen Ursache bei jedoch meist normalem Knochen. Überlappungen der Frakturtypen sind natürlich auch hier möglich.
Frakturen aufgrund einer Osteoporose sind gerade bei älteren Menschen oft die Grundlage für eine weitergehende Behinderung bis zum völligen Verlust der Autonomie. Ebenso besteht nach entsprechenden Frakturen eine erhöhte Mortalität. Das Ziel der Osteoporosediagnostik ist deshalb die Verminderung des Frakturrisikos und somit die Verhinderung von Frakturen.
Die Risiken
Da in der Schweiz gemäss neueren Schätzungen über 500’000 Personen unter einer Osteoporose leiden und bei vielen davon die Diagnose wahrscheinlich nicht bekannt ist, sollte in der Sprechstunde gezielt danach gesucht werden. Wie üblich beginnen wir dabei mit der Anamnese.
Einen ersten Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für eine Osteoporose liefern die bisher bekannten Risikofaktoren, viele davon sind nicht direkt beeinflussbar (2). Dazu gehören, nebst dem Geschlecht, dem Alter, die Familienanamnese mit bekannter Osteoporose oder typischen Frakturen bei den Eltern, die persönliche Anamnese bezüglich Frakturen ab dem 50. Lebensjahr, eine länger dauernde Immobilität nach Unfall oder Krankheit oder eine frühe Menopause bzw. eine endokrin bedingte Impotenz beim Mann.
Weitere, nicht direkt änderbare Risikofaktoren sind Bindegewebs-Krankheiten wie die Osteogenesis imperfecta, das Marfan- oder das Ehlers-Danlos-Syndrom.
Krankheiten als Risikofaktoren sind zumindest teilweise beeinflussbar, dazu gehören unter anderen Malabsorptionssyndrome, hämatologische und onkologische Erkrankungen, HIV sowie Störungen der endokrinen Organe und viele entzündliche Krankheiten aus Rheumatologie, Gastroenterologie, Nephrologie und Pneumologie sowie der Kalzium- und Vitamin D-Mangel.
Zusätzlich kann das Risiko, zum Teil überlappend mit den schon genannten Faktoren, medikamentös sowohl positiv als auch negativ beeinflusst sein; als bekannteste negative Risikofaktoren sind hier, nebst einigen weiteren, die länger dauernde Behandlung mit Glukokortikosteroiden (und anderen Immunsuppressiva) sowie der Einsatz von Aromatasehemmern zu erwähnen.
Zu den grundsätzlich, wenn auch häufig mit wenig Erfolg, beeinflussbaren Risikofaktoren gehören das Rauchen und der übermässige Alkoholkonsum sowie ein Untergewicht mit einem BMI unter 20 kgKG/m2.
Weitere Risikofaktoren stellen rezidivierende Stürze (mehr als 1 Sturz im letzten Jahr) dar, da diese direkte Auslöser von Frakturen sein können.
Ein zusätzlicher anamnestischer Hinweis ergibt sich aus dem Vergleich der aktuellen mit der früheren Körpergrösse, wobei eine Differenz von -5 cm oder, wenn in der Praxis normiert gemessen, von mehr als -2 cm als verdächtig gilt.
Mit der vertieften Anamnese und der körperlichen Untersuchung, inklusive Testung der Gangsicherheit und der Mobilität (Beschreibung z.B. im TOP), werden auch Krankheiten und Ursachen gesucht, die zu Stürzen oder zu einer sekundären Osteoporose führen können.
Eine Labor-Basisdiagnostik zur Erfassung von Ursachen für eine sekundäre Osteoporose vervollständigt die Diagnostik.
Mit den erfassten Angaben ist nun eine Risikoabschätzung möglich. Diese kann z.B. anhand der Empfehlungen der schweizerischen Vereinigung gegen die Osteoporose (SVGO) 2015 erfolgen, oder auch mittels eines elektronischen Hilfsmittels, wie z.B. mit dem TOP (Tool Osteoporose Plattform) oder mit dem FRAX (Fracture Risk Assessment Tool) der Universität Sheffield (Tab. 2). Die Eingabe eines Knochendichtewertes ist für eine erste Berechnung in beiden Fällen nicht zwingend.
Bestehen aufgrund der Anamnese Hinweise für ein erhöhtes Frakturrisiko, ohne dass eine Fraktur vorliegt, ist als nächster Schritt eine Knochendichtemessung (Osteodensitometrie, DXA) zu empfehlen. Hier ist einschränkend zu erwähnen, dass diese von der Krankenversicherung nur bezahlt wird, wenn sich die Diagnose einer Osteoporose ergibt (T-Score an Wirbelsäule oder Schenkelhals ≤ -2.5) oder eine andere spezifische Indikation gemäss Krankenversicherungsgesetz (KVG) vorliegt, ansonsten muss diese Untersuchung von der Patientin selbst bezahlt werden (Preis aktuell ca. CHF 70.-).
Mit den Resultaten der Osteodensitometrie kann nun die Diagnose einer Osteoporose mittels DXA (gemäss WHO (1) ) gestellt und die Risikoberechnung nochmals durchgeführt werden. Gemäss den Vorschlägen der SVGO ergibt sich daraus die individuelle und alterskorrigierte Indikation zur Behandlung (3). Auch hier gilt, dass die Leistung der Krankenversicherer grundsätzlich nicht die Risikoberechnung, sondern nur die gestellte Diagnose und die Indikation der Medikamente gemäss Spezialitätenliste berücksichtigt, auch wenn eine Behandlung in speziellen Fällen klinisch manchmal auch schon bei osteopenen Knochendichtewerten indiziert wäre.
Zur medikamentösen Therapie liegen mittlerweile verschiedene Therapieprinzipien mit z.T. spezifischen und eingeschränkten Indikationen vor. Deren Einsatzmöglichkeiten sind andernorts schon genügend beschrieben (3). Zu betonen ist jedoch, dass die nicht-medikamentösen Massnahmen wie die Beseitigung von sogenannten «Stolperfallen», ein Kraft- und Koordinationstraining zur Sturzprophylaxe sowie eine vollwertige Ernährung mit genügend Kalzium-, Vitamin D- und Eiweissaufnahme und allenfalls sogar eine Hilfsmittelversorgung mindestens so wichtige Beiträge zur Verhinderung von Frakturen darstellen. Physio- und Ergotherapie sowie Ernährungsberatung können hier wertvolle Dienste leisten.
Die Chancen
Liegt bei der Patientin eine typische Fraktur von Femur, Wirbelkörper, Sakrum oder Humerus ohne adäquates Trauma vor, ist die Frage nach einer Osteoporose schon geklärt, weil das unerwünschte Ergebnis schon stattgefunden hat (der «Biotest» für die Osteoporose ist schon positiv), d.h. die Diagnose der Osteoporose ist prinzipiell schon gesichert. Die Erfassung dieser Patientinnen ist nun auch die vordringlichste Aufgabe; in dieser Situation ist die Gefahr weiterer Frakturen am grössten: Zweitfrakturen treten in 40 – 60% der Fälle in den ersten zwei Jahren auf (3).
Da es sich bei der fehlenden Behandlung nach typischen Frakturen um ein weltweites Problem handelt, hat die International Osteoporosis Foundation (IOF, https://www.osteoporosis.foundation) das Programm «Capture The Fracture» (https://www.capturethefracture.org) entwickelt. Damit soll auf nationaler und internationaler Ebene die Erfassung und Behandlung der Osteoporose verbessert und die Unterversorgung der Patientinnen vermindert werden, damit Frakturen und deren Folgen (Morbidität, Mortalität, finanziell) abnehmen.
Gemäss der Zusammenfassung der grossen europäischen Osteoporose-Studie mit Daten auch für die Schweiz, ist davon auszugehen, dass in der Schweiz 2019 über 500‘000 Menschen, davon über 80% Frauen, an einer Osteoporose litten (4). Im gleichen Zeitraum traten ca. 80‘000 typische osteoporotische Frakturen auf. Ausgehend von FRAX-Daten für die Schweiz wird damit gerechnet, dass über 80% der Patientinnen mit hohem Risiko für (weitere) Frakturen keine adäquate Behandlung erhalten. Die täglichen Beobachtungen lassen annehmen, dass ein Grossteil dieser «Behandlungslücke» Patientinnen mit schon vorhandenen Osteoporosefrakturen betrifft. Und hier liegt nun auch die grosse Chance, wie Sie die Versorgung Ihrer Patientinnen mit einfachen Mitteln verbessern können: Suchen Sie bei Risikopatientinnen in der Anamnese nach Hinweisen für eine Osteoporosefraktur, das heisst: Durchsuchen Sie Ihre Diagnoselisten nach schon erfolgten Frakturen (z.B. «St.n. Schenkelhals- oder pertrochanterer Femurfraktur»), schauen Sie sich vorhandene Röntgenbilder der Wirbelsäule (v.a. seitlicher Thorax und LWS) nochmals an und suchen Sie nach (oft nicht beschriebenen und oft auch anamnestisch nicht schmerzhaft invalidisierenden) Wirbelfrakturen. Erfolgserlebnisse sind Ihnen fast sicher. Wenn keine Fraktur vorliegt, berechnen Sie das Risiko für Frakturen mit einem der erwähnten Hilfsmittel. Messen Sie dann die Knochendichte und behandeln Sie entsprechend den aktuellen Empfehlungen mit den allgemein empfohlenen Massnahmen und bei entsprechender Indikation auch medikamentös. Verhindern Sie auf diese Weise Frakturen und deren Folgen.
Zur besseren Lesbarkeit und aufgrund des Patientinnenkollektivs wurde die weibliche Form gewählt, Männer sind immer mitgemeint.
Dr. med. Thomas Vogt
Universitäre Altersmedizin Felix Platter
Burgfelderstrasse 101
4055 Basel
Dr. med. Evmarie Zeiner
Universitäre Altersmedizin Felix Platter
Burgfelderstrasse 101
4055 Basel
Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
◆ Eine Osteoporose führt zu einer Erhöhung des Frakturrisikos.
◆ Wenn keine Fraktur vorliegt, ist eine Risikoabschätzung möglich
anhand der Empfehlungen der schweizerischen Vereinigung gegen die Osteoporose (SVGO) 2015, mit dem TOP oder mit dem FRAX (Fracture Risk Assessment Tool) der Universität Sheffield (siehe Tab. 2).
◆ Eine Osteoporose kann mittels Knochendichtemessung (Osteodensitometrie: DXA oder DEXA = Dual Energy X-ray Absorptiometry) oder aufgrund einer typischen Fraktur diagnostiziert werden.
◆ Zweitfrakturen nach einer Osteoporosefraktur treten in 40 – 60% der Fälle in den ersten zwei Jahren auf. Vordringlich ist deshalb die Erfassung und Behandlung von Patientinnen mit einer bestehenden Osteoporosefrakur.
◆ Nicht-medikamentöse Massnahmen wie die Beseitigung von sogenannten «Stolperfallen», ein Kraft- und Koordinationstraining zur Sturzprophylaxe sowie eine vollwertige Ernährung mit genügend
Kalzium-, Vitamin D- und Eiweissaufnahme und allenfalls sogar eine Hilfsmittelversorgung sind wichtige Beiträge zur Verhinderung von Frakturen.
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application to screening for postmenopausal osteoporosis: report of a WHO study group [meeting held in Rome from 22 to 25 June 1992]. World Health
Organization. (https://apps.who.int/iris/handle/10665/39142)
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3. Ferrari S, Lippuner K, Lamy O, Meier C. 2020 recommendations for osteoporosis treatment according to fracture risk from the Swiss Association against
Osteoporosis (SVGO). Swiss Med Wkly 2020;150:w20352
4. Willers C, Norton N, Harvey NC, Jacobson T, Johansson H, Lorentzon M, McCloskey EV, Borgström F, Kanis JA. Osteoporosis in Europe: a compendium
of country-specific reports. Arch Osteoporos 2022;17(1):23.
Wie immer im Winter füllt sich Ihr Wartezimmer mit Patientinnen und Patienten, welche an Infekten der Atemwege leiden. Es wird geniest und gehustet. Und so meldet sich eine Mutter mit ihrem vierjährigen Sohn bei Ihnen. Er hatte vor gut zwei Wochen einen heftigen Infekt der oberen Luftwege mit Fieber erlitten, welcher zu Hause mit Hausmitteln behandelt wurde. Seit etwa 1 Woche geht es ihm aber wieder deutlich besser. Nun hat er seit gestern ein gerötetes und geschwollenes Auge links und wieder leichtes Fieber.
Persönliche Anamnese
Bisher nie schwer krank, geimpft nach Schweizer Impfplan. Medikation
Sinupret seit 14 Tagen. Vitalparameter
Puls 96, regelmässig, SO2 98%
Temperatur: 38.3 °C.
Grösse 108 cm, Gewicht 18 kg Klinischer Status
Munterer Knabe, etwas abgeschlagen. Auge links geschwollen und gerötet (Abb.1). Es kann fast nicht mehr geöffnet werden. Beim Öffnen der Lider mit den Fingern erkennen Sie reizlose Konjunktiven. Die Pupillen sind isokor. Der Visus ist grob geprüft unauffällig. Die Augenmotilität ist erhalten, jedoch schmerzhaft. Kein Meningismus.
Fragen
1. Was vermuten Sie als Ursache der Augenschwellung?
A. Insektenstich mit Superinfektion
B. Akute Dakryoadentitis
C. Akute Rhinosinusitis
D. fixiertes Arzneimittelexanthem auf Sinupret
Richtig ist Antwort C. Es liegt vermutlich eine orbitale Komplikation nach einer akuten Rhinosinusitis vor. Die Anamnese mit einem biphasischen Verlauf ist recht typisch dafür. Nachdem die akute Rhinosinusitis im Rahmen des akuten Infektes der oberen Luftwege bereits am Abklingen war, äussern sich nun in einem zweiten Schritt die Folgen der orbitalen Komplikation. Die vordere Rhinoskopie zeigt viel Eiter in der linken Nasenhaupthöhle und bestätigt Ihre Vermutung.
Vom klinischen Bild eines geschwollenen Auges links mit Rötung mehr des Oberlids als des Unterlids her käme gegebenenfalls auch eine akute Dakryoadenitis in Frage. Diese zeigt sich in der Regel als umschriebene Schwellung und Rötung im lateralen Drittel des Oberlids. In unserem Fall sprechen jedoch die Anamnese und der Befund der putriden Rhinorrhoe dagegen.
2. Welche diagnostischen und therapeutischen Massnahmen leiten Sie ein?
A. Schädel halbaxial-Röntgen, Infekt-Labor
B. Überweisung auf den Notfall eines Kinderspitals mit HNO-Abteilung
C. ambulante Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure hochdosiert, abschwellende Nasensprays, Kontrolle engmaschig am nächsten Tag
D. Rachenabstrich
Richtige Antwort ist B. Eine orbitale Komplikation einer akuten Rhinosinusitis bei einem vierjährigen Kind muss vordringlich bildgebend abgeklärt und danach adäquat behandelt werden. Ein konventionelles Röntgenbild (Schädel halbaxial) ist dafür obsolet. Eine ambulante Therapie wäre gegebenenfalls möglich bei einer beginnenden orbitalen Komplikation mit erst umschriebener Lidschwellung und fehlender intraorbitaler Ausbreitung.
Unser Kind kann jedoch sein Auge nicht mehr aktiv öffnen und hat schmerzhafte Augenbewegungen, was für eine relevante orbitale Komplikation spricht. Und so zeigt die weitere notfallmässige Abklärung im Spital in der Computertomographie einen grossen Subperiostalabszess in der linken Orbita (Abb. 2). Der Abszess wird operativ entlastet und antibiotisch behandelt. Eine bleibende Schädigung des Auges kann vermieden werden.
Kindesalter treten vor allem orbitale Komplikationen auf, welche von den Sinus ethmoidales ausgehen. Dabei wandern die Bakterien durch die Lamina papyracea hindurch in die Orbita. Anschliessend bildet sich durch Abhebung der Periorbita der Subperiostalabszess aus. Unbehandelt können orbitale Komplikationen zu einer Erblindung oder zu einem lebensbedrohlichen aufsteigenden Infekt mit Sinus cavernosus-Thrombose und Meningitis führen.
Wenn mit zunehmender Pneumatisation im Alter von 10-12 Jahren die Stirnhöhlen ausgebildet sind, treten im Adoleszenten- und Erwachsenenalter zunehmend endokranielle Komplikationen der akuten bakteriellen Rhinosinusitis auf. Diese gehen von den Sinus frontales aus und äussern sich in Form einer sinugenen Meningitis oder eines Hirnabszesses.
Dr. med. Christoph Schlegel-Wagner
Klinik für Hals-Nasen-Ohren- und Gesichtschirurgie (HNO)
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6004 Luzern
christoph.schlegel@luks.ch
Der Autor hat keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.
Nach zweijähriger Corona-Pause, der auch das 10-Jahres-Jubiläum zum Opfer fiel, konnte die Tradition wieder aufgenommen werden: Der medinfo-Abend im Circus Conelli, zu dem der Ärzteverlag medinfo AG Jahr für Jahr die Chefredaktoren, Herausgeber und Autoren seiner fünf Fortbildungszeitschriften einlädt – und im geselligen Kreis im Cantinetta Antinori ausklingen lässt.
Einmal mehr war das Jahresende damit Anlass für Verlegerin Eleonore E. Droux, sich für die Unterstützung und Treue über all diese Jahre, seit sie den Verlag gründete, zu bedanken:
Bei den Chefredaktoren und Herausgebern unserer Fortbildungszeitschriften «info@onco-suisse», «der informierte arzt», «info@herz+gefäss», «info@gynäkologie» und «la gazette médicale», die die Themen der Beiträge definieren, sie organisieren und bei einigen Ideen selbst zur Feder greifen, beim jeweiligen Advisory-Board versammelter Kollegen und bei den vielen vielen weiteren Autoren, die Ausgabe für Ausgabe mit Leben füllen.
«info@onco-suisse» – das offizielle Organ der ONCOSUISSE
Ein besonderes Jahr war 2022 für «info@onkologie», die mit dem eingestellten Schweizer Krebsbulletin zur «info@onco-suisse» fusionierte. Damit wurde die renommierte Fortbildungszeitschrift zusätzlich das offizielle Organ der ONCOSUISSE und Publikationsplattform aller beteiligten Gesellschaften.
Prof. Reto Krapf jetzt bei medinfo
Auch eine – an anderer Stelle – nicht geglückte Fusion brachte weiteren Rückenwind: «Prof. Reto Krapf verlässt nach 30 Jahren den EMH-Verlag und kommt zu uns», konnte Eleonore Droux am Latenight-Dinner kurz und bündig verkünden. «Besonders freue ich mich, dass Reto Krapf seine Expertise auch als Medizinischer Direktor in unsere Redaktion einbringen wird, und seinen Journal Watch in neuer Form in unseren Fachzeitschriften fortsetzen wird!»
Vom Start weg war Eleonore Droux überzeugt, in ihren medinfo-Titeln die Leserbedürfnisse nicht redaktionell, sondern aus erster Hand von Ärzten selbst bestimmen und umsetzen zu lassen.
Gynäkologie-Herausgeberin der ersten Stunde und Freundin KD Dr. Stephanie von Orelli brachte es in ihrer Laudatio auf den Punkt: «Du hast mit Deiner genialen Kommunikationsgabe eine so illustre Schar wie uns hier zusammengebracht, um besondere Hefte zu kreieren, die man nicht wegwirft – Danke vielmals!»
Dem Dank schloss sich Geriater Prof. Reto W. Kressig gerne an, der augenzwinkernd «bereits 2008 von Ellen Droux gekapert» wurde. Die von ihr geschaffene so familiäre Atmosphäre sei hoch orchestriert – und immer wieder finde sie neue hochkarätige Unterstützer, «während sie die altverdienten weiter mitnimmt».
Unter grossem Applaus konnte die Verlegerin versichern, dass medinfo auch weiterhin nicht stehen bleibt und am besonderen Konzept und seiner durch die vielen Kollegen gesicherten Qualität festhält: «Wir bleiben unserer Philosophie treu, Fortbildung und Redaktion von Inseraten und PR klar zu trennen!»
Wir möchten uns bei Ihnen allen, liebe Chefredaktoren, Herausgeber und Autoren, herzlich für die so vertrauensvolle Zusammenarbeit bedanken und hoffen, auch für unsere Leser, dass Sie uns auch 2023 weiterhin tatkräftig unterstützen werden!
Eleonore E. Droux
Verlegerin
Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen
Wissenschaftliche