Was wir von Feldhasen im Jahr des Hasen lernen können

In der ersten Ausgabe von info@herz+gefäss im chinesischen «Jahr des Hasen» werden – wie in früheren Jahren – diverse praxis­relevante Themen «aus der Praxis» für die «Praxis» präsentiert.

PD Dr. med. Simon Stämpfli fasst die Bedeutung der Strain-Analyse des linken Ventrikels als diagnostischer und auch prognostischen Parameter zusammen. Eine myokardiale Strain-Analyse erweist sich als hilfreiches Tool, da die mechanische Charakteristika des Myokards oftmals vor einer Verminderung der Auswurffraktion wertvolle frühzeitige diagnostische Hinweise liefern kann. Strain-Analytik erlaubt aber auch Veränderungen der Ventrikelfunktion im Krankheitsverlauf relativ einfach und meist auch kosteneffizient zu erfassen. Auch wenn für eine korrekte Strain-Analyse – wie der Artikel zeigt – ein hohes Knowhow verlangt wird, scheint auch hier AI – einmal mehr – bald den Arzt überflüssig zu machen (1).

In einem zweiten Artikel diskutieren PD Dr. med. Philipp Krisai und Prof. Dr. med. Michael Kühne eine neue gewebeschonende, nicht-thermische Ablationsmethode bei Vorhofflimmern durch Elektro­poration mittels pulsed-field Ablation.

Schliesslich gehen Frau Dr. med. Thenral Socrates und Dr. med. Thilo Burkhard mit ihrem Artikel zur postpartalen Hypertonie auf eine wichtige Hypertonieform ein, die ihren Ursprung oft schon in und vor der Schwangerschaft hat. Die Autoren beschreiben die Ursachen, die frühzeitige klinische und labortechnische Beurteilung sowie poststationäre Behandlungskonzepte der postpartalen Hypertonie.

Im chinesischen Jahr des Hasen denkt man – unter anderem – auch an die «Hasen Beobachtung» von Hans Selye, dem Vater des modernen Stresskonzeptes und der Stressforschung. Gemäss der Legende beobachtete Hans Selye auf einem Spaziergang Hasen in einem Acker. Plötzlich waren diese verschwunden – wie vom Erdboden verschluckt. Als er sich vom Acker entfernte, sah er zu seiner Überraschung die Hasen abermals, die nun aber wie wild auf dem Acker umhersprangen. Für ihn war der Zusammenhang klar: Die Hasen duckten sich in der Ackerfurche, um nicht gesehen zu werden – Katecholamine, Cortisol und andere Hormone waren aus naheliegenden Gründen massiv erhöht – trotz der ruhigen Kauerstellung in der Ackerfurche. Nach dem Verschwinden der Gefahr in Form des Spaziergängers Selye, mussten die Hasen ihre erhöhten Katecholamine «ausleben». Bekanntlich reduzieren körperliche und sportliche Aktivitäten Stress durch Reduktion der klassischen Stresshormone, aber auch durch vermehrte endogene Synthese von Endorphinen. Die protektiven Effekte auf das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen und chronischen Erkrankungen generell ist gut erforscht und bekannt, aber wie wir vom Praxisalltag und unserer eigenen Erfahrung wissen, ungenügend implementiert. Es scheint, dass die wildlebenden Hasen (zumindest damals vor einigen Dekaden) wussten, was für sie gesundheitsförderlich ist.

Vielleicht mahnt das Hasenjahr den einen oder anderen Leser an Hans Selyes Hasengeschichte und den präventiven Stellenwert der körperlichen Aktivität (es muss nicht Sport sein) oder – auch an die gesunde Ernährung der Hasen. Gemäss asiatischer Weisheit scheinen im Besonderen Menschen, die in einem Jahr des Tigers, Schweins, Schlange oder Hund geboren sind, durch ein hasenähnliches Ernährungsmuster für Ihre Gesundheit profitieren zu können.

Prof. Dr. med. Paolo Suter

Prof. Dr. med. Paolo M. Suter

Klinik und Poliklinik für Innere Medizin
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8044 Zürich

paolo.suter@usz.ch

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Elektroporation mit pulsed-field Ablation

Bereits seit über 20 Jahren existiert die interventionelle Behandlung von Vorhofflimmern mittels Pulmonalvenenisolation (PVI) auf Basis der Beobachtungen von Prof. Haïssaguerre et al in 1998 (1). Seither wird die PVI immer häufiger durchgeführt mit über die Jahre zunehmender Effektivität, Effizienz und Sicherheit der Ablation. In ihrer Grundform hat sich die Prozedur über die Jahre jedoch kaum verändert: Mittels thermischer Energie werden die Pulmonalvenen elektrisch isoliert (2). Die Radiofrequenzablation erhitzt das Gewebe und die Kryoablation entzieht dem Gewebe Wärme. Beide Modalitäten führen dadurch zu einem thermischen Schaden des Myokards mit vergleichbarer Effektivität und Sicherheit (3). Obwohl die Komplikationsrate sehr gering ist, kann es jedoch aufgrund der thermischen Energien bei beiden Modalitäten zu Schäden an umliegenden Strukturen kommen, insbesondere des Oesophagus und des Nervus phrenikus. Im Idealfall benötigen wir daher eine Energieform, welche effektiv die Pulmonalvenen isolieren kann und gleichzeitig die umliegenden Strukturen nicht verletzt. In diesem Artikel möchten wir auf eine neue, primär nicht-thermische Modalität der Ablation eingehen, welche diese Anforderungen erfüllen könnte: Die Elektroporation mittels pulsed-field Ablation.

Interventional treatment of atrial fibrillation by pulmonary vein isolation (PVI) has existed for more than 20 years based on the observations of Prof. Haïssaguerre et al in 1998 (1). Since then, PVI has been performed with increasing frequency with increasing effectiveness, efficiency, and safety of ablation over the years. However, in its basic form, the procedure has changed little over the years: Thermal energy is used to electrically isolate the pulmonary veins (2). Radiofrequency ablation heats the tissue, and cryoablation extracts heat from the tissue. Both modalities thereby result in thermal damage to the myocardium with comparable efficacy and safety (3). However, although the complication rate is very low, damage to surrounding structures, particularly the esophagus and phrenic nerve, may occur due to the thermal energies in both modalities. Ideally, therefore, we need a form of energy that can effectively isolate the pulmonary veins while not injuring surrounding structures. In this article, we would like to discuss a new, primarily nonthermal modality of ablation that may meet these requirements: Electroporation by pulsed-field ablation.
Key Words: atrial fibrillation, pulmonary vein isolation, radiofrequency ablation, cryoablation

Prinzip der Elektroporation mit pulsed-field Ablation

Die Elektroporation via pulsed-field Ablation ist im Gegensatz zu primär thermalen Ablationsformen, wie der Radiofrequenz- oder Kryoablation, in der verwendeten Stärke eine nicht-thermale Alternative. Bei der Elektroporation kommt es durch den Aufbau eines Hochenergiefelds zu Veränderungen an den Zellmembranen, sogenannten Nano-Poren, die die Zellintegrität und –viabilität stören (4). Dieses Hochenergiefeld wird über mehrere Impulse, welche einzeln nur wenige Nanosekunden dauern und in Paketen gruppiert werden, abgegeben. Dabei können die Impulse je nach Katheter monophasisch oder biphasisch abgegeben werden. Konzeptionell handelt es sich dabei um die gleiche Energieform wie bei einem Gleichstromschock.

Elektroporation wird bereits seit Dekaden in anderen Disziplinen, insbesondere der Grundlagenforschung, eingesetzt (5). Dort wird die Elektroporation verwendet um die Zellmembranen temporär durchlässig zu machen und dadurch Moleküle in lebende Zellen zu transportieren. Erst später kam es zur klinischen Anwendung der Elektroporation in der Onkologie, um Chemotherapeutika effektiver in Zellen zu transportieren und in der weiteren Entwicklung diese Zellen direkt mittels Elektroporation abzutöten (6). Diese unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten der Elektroporation beruhen auf zwei Grundprinzipien: 1. Während eine niedrigere Feldstärke zu einer reversiblen Elektroporation führt mit Erholung der Zellmembran, führt eine höhere Feldstärke über einem gewissen Schwellenwert zu einer irreversiblen Elektroporation und einem dauerhaften Zelltod. 2. Der Schwellenwert für die irreversible Elektroporation ist je nach Gewebetyp unterschiedlich. Dieser unterschiedliche Schwellenwert je nach Gewebetyp ist vor allem in der kardiologischen Anwendung essentiell. Myokardzellen haben einen viel tieferen Schwellenwert, sind also viel sensibler, als Nervenzellen oder Endothelzellen. Abbildung 1 zeigt das Konzept der reversiblen und irreversiblen Elektroporation und Abbildung 2 zeigt die unterschiedlichen Schwellenwerte je nach Zelltyp. Aufgrund dieser beiden Grundkonzepte bietet Elektroporation zwei Versprechen: Einerseits eine dauerhafte Ablation im Bereich der irreversiblen Feldstärke und andererseits eine sicherere Ablation ohne Kollateralschaden des Nervus phrenikus oder des Oesophagus aufgrund des fehlenden oder nur sehr geringen thermalen Effekts sowie der höheren Schwellenwerte für diese Gewebe.

Erste Daten der PVI mit pulsed-field Ablation

Präklinische Experimente im Tiermodell konnten die Machbarkeit von dauerhafter PVI mittels pulsed-field Ablation zeigen bei hervorragender Sicherheit (7 – 9). Trotz mehrfacher Impulsabgabe direkt auf den entsprechenden Strukturen zeigten sich keine Pulmonalvenenstenosen, Verletzungen des Oesophagus oder dauerhaften Paresen des Nervus phrenikus. Basierend auf diesen vielversprechenden Daten folgten klinische Studien mit den ersten publizierten Daten in 2018 (10). In der ersten Studie wurden 22 Patienten mit Vorhofflimmern mittels pulsed-field Ablation behandelt. Es konnten dabei alle Pulmonalvenen erfolgreich isoliert werden ohne Komplikationen akut oder nach einem Monat. Daraufhin wurden im Jahr 2019 zwei weitere Studien publiziert, die IMPULSE und die PEFCAT Studien (11). Zusammen wurden in diesen beiden Studien 81 Patienten mit pulsed-field Ablation behandelt. Während der Studiendurchführung wurde die Impulsabgabe von einem monophasischen zu einem biphasischen Impuls mit höherer Stärke optimiert. Dies hat den Vorteil, dass Patienten weniger tief sediert werden mussten, da monophasische Impulse zu starken Skelettmuskelkontraktionen führen. In diesen Studien erfolgte in allen Patienten nach 3 Monaten eine erneute elektrophysiologische Untersuchung mit Mapping des linken Vorhofs. Hierin zeigten sich in der ersten, monophasischen Impulsform nur 16% der Pulmonalvenen dauerhaft isoliert, mit der optimierten biphasischen Impulsform jedoch 100%. Es zeigten sich keine Verletzungen des Oesophagus in den Patienten, die anschliessend im Rahmen der Studie endoskopiert (29 Patienten) wurden und/oder ein MRI (8 Patienten) erhielten. Diese vielversprechenden Ergebnisse konnten in weiteren Studien, auch mit anderen pulsed-field Ablationssystemen sowohl in ­Patienten mit paroxysmalem als auch persistierendem Vorhofflimmern reproduziert werden (12, 13).

Aktuelle Anwendung und Daten

In Europa ist aktuell ein pulsed-field Ablationssystem zugelassen und wird in grossen Zentren für Elektrophysiologie bereits routinemässig angewandt. Aus dieser klinischen Anwendung heraus wurden vor kurzem die Ergebnisse des MANIFEST-PF Registers publiziert (14). Darin wurden 1’758 Patienten in 24 europäischen Zentren mit pulsed-field Ablation behandelt. In 99.9% konnten die Pulmonalvenen akut isoliert werden mit 0% oesophagealen Komplikationen, 0% Pulmonalvenenstenosen und 0% dauerhaften Nervus phrenikus Paralysen. In 0.5% kam es zu transienten Paresen des Nervus phrenikus mit Erholung in allen Patienten innerhalb von einem Tag. Die durchschnittliche Eingriffsdauer lag mit 65 Minuten in einem ähnlichen Bereich wie wir sie von der Radiofrequenz- und Kryoablation kennen. Am ESC Kongress dieses Jahres wurden auch erste Daten des Registers vorgestellt mit 1 Jahres Erfolgs­raten, welche vergleichbar zu der Radiofrequenz- und Kryoablation waren. Somit zeigt sich in den bisher publizierten Daten ein sehr gutes Sicherheitsprofil der pulsed-field Ablation bei zu thermalen Energien vergleichbarer Langzeit-Effektivität und Eingriffsdauer.

Ausblick

Aktuell werden mehrere, grosse randomisierte Studien, welche verschiedene pulsed-field Ablationssysteme mit Radiofrequenz- und Kryoablation in Patienten mit Vorhofflimmern vergleichen, durchgeführt. Abbildung 3 zeigt ausgewählte pulsed-field Ablationskatheter von verschiedenen Herstellern und unterschiedlichen Designs. Erwähnenswert ist die «Single Shot Champion» Studie (NCT05534581), welche pulsed-field Ablation mit Cryoballon-Ablation in Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern vergleicht und in der Schweiz am Inselspital Bern und Universitätsspital Basel durchgeführt wird. Aufgrund der Vielzahl der aktuell laufenden Studien, gehen wir davon aus, dass wir in den nächsten Jahren Daten von mehreren tausend Patienten aus randomisierten Studien zu verschiedenen pulsed-field Ablationssystemen erhalten werden. Dies wird dazu führen, dass weitere pulsed-field Ablationssysteme mit verschiedenen Katheterdesigns für Patienten mit Vorhofflimmern zugelassen werden.
Zusätzlich werden zurzeit auch kleinere Studien bei Patienten mit ventrikulären Arrhythmien durchgeführt. Für ventrikuläre Arrhythmien gibt es jedoch noch keine offiziell zugelassenen ­Systeme.

Zusammenfassung

Die Elektroporation mittels pulsed-field Ablation ist eine nicht-thermale Energieform zur PVI bei Patienten mit Vorhofflimmern. Die bisher vorliegenden Daten zeigen ein sehr gutes Sicherheitsprofil bei vergleichbarer Effektivität zu Radiofrequenz- und Kryoablation. Aktuell ist ein pulsed-field Ablationssystem in Europa zugelassen und es werden mehrere, grosse randomisierte Studien durchgeführt, welche unterschiedliche pulsed-field Ablationssysteme untersuchen.

Zweitabdruck aus «der informierte Arzt» 11-2022

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Philipp Krisai

Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Basel, Cardiovascular Research
Institute Basel, Universitätsspital Basel

Prof. Dr. med. Michael Kühne

Klinik für Kardiologie, Universitätsspital Basel, Cardiovascular Research
Institute Basel, Universitätsspital Basel

Die Autoren haben keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

1. Haïssaguerre M, Jaïs P, Shah DC, Takahashi A, Hocini M, Quiniou G, Garrigue S, Le Mouroux A, Le Métayer P, Clémenty J. Spontaneous initiation of atrial fibrillation by ectopic beats originating in the pulmonary veins. N Engl J Med. 1998;339:659–666.
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Postpartale Hypertonie und das vierte Trimester

Das sogenannte vierte Trimester ist eine wichtige Phase der Schwangerschaft, die einen interdisziplinären medizinischen Ansatz erfordert. Die postpartale Hypertonie (PPHT) ist eine wichtige Erkrankung, die häufig ihren Ursprung schon in der Schwangerschaft hat, sich jedoch auch erst nach der Geburt manifestieren kann und bis zu 10% aller Schwangerschaften betrifft. Die PPHT wird durch eine Reihe von Ursachen begünstigt, die vor, während oder nach der Schwangerschaft auftreten können. Die PPHT ist eine der häufigsten Ursachen für Rehospitalisationen nach der Entbindung und stellt daher ein wichtiges Ziel für die Senkung der mütterlichen Mortalität und Morbidität dar. Nur 40 % der Frauen nehmen an den geplanten Gesundheitsuntersuchungen nach der Geburt teil, was zum Teil auf die Belastungen im Leben mit einem Neugeborenen, Schlaf­mangel, mangelndes Verständnis der Wichtigkeit der Untersuchungen und psychische Probleme zurückzuführen ist. Langfristig kann sich dies negativ auf die Gesundheit der Mütter auswirken, insbesondere im Falle einer anhaltend ungenügend kontrollierten oder persistierenden Hypertonie. Korrekte Diagnose, Überwachung, Behandlung und ein Patientinnen-freundliches Behandlungskonzept für die Zeit nach der Entlassung sind der Schlüssel zur Sicherung der künftigen kardiovaskulären Gesundheit dieser Frauen. In diesem Artikel beschreiben wir die Ursachen, die frühzeitige klinische und labortechnische Beurteilung und poststationäre Behandlungskonzepte der PPHT.

The so-called fourth trimester is an important phase of pregnancy that requires an interdisciplinary medical approach. Postpartum hypertension (PPHT) is an important disease that often originates during pregnancy, but may also manifest after birth, affecting up to 10% of all pregnancies. PPHT manifests from various etiologies that can occur before, during or after pregnancy. PPHT is one of the most common causes of re-hospitalization after delivery and therefore represents an important target for reducing maternal mortality and morbidity. Only 40% of women attend scheduled postpartum health checkups, due in part to the stresses of living with a newborn, sleep deprivation, lack of understanding of its importance, and mental health issues. This can have a long-term negative impact on maternal health, especially in the case of persistent inadequately controlled or persistent hypertension. Correct diagnosis, monitoring, treatment, and a patient-friendly approach to postdischarge care are key to ensuring the future cardiovascular health of these women. In this article, we describe the causes, early clinical and laboratory assessment, and postdischarge treatment concepts of PPHT.
Key Words: postpartale Hypertonie, viertes Trimester, hypertensive Störungen in der Schwangerschaft, kardiovaskuläre Gesundheit

Die postpartale Hypertonie (PPHT) ist definiert als erhöhter Blutdruck (systolischer Druck ≥ 140mmHg und/oder diastolischer Blutdruck von ≥ 90mmHg) nach der Entbindung. Die PPHT, die häufig aus den «hypertensive diseases of pregnancy» (HDP) hervorgeht, betrifft etwa 10 % aller Schwangerschaften und erfordert ein tieferes Verständnis und eine spezifische Behandlungsstrategie (1, 2). Wenn sie nicht angemessen behandelt wird, ist die PPHT kurzfristig eine der Hauptursachen für eine erneute Hospitalisierung nach der Entbindung (3). Langfristig haben diese Frauen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen wie Bluthochdruck, ischämische Herzkrankheiten und Schlaganfälle. Leider ist die tatsächliche Inzidenz der postpartalen Hypertonie nicht bekannt, da die Blutdruckerhöhung häufig asymptomatisch ist und unerkannt bleibt, die Mütter keine Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, oder in manchen Fällen eine gestresste Mutter wichtige Symptome nicht korrekt wahrnimmt. Auch sind nicht immer entsprechende Programme zur Nachbehandlung vorhanden. In den National Institute for Health and Care Excellence (NICE)-Leitlinien wird eine strenge Kontrolle dieser Patientinnen empfohlen, was jedoch aufgrund der oben genannten Faktoren nicht immer eingehalten wird (4).

Blutdruck während der Schwangerschaft

Die Hämodynamik und damit auch der Blutdruck haben während der Schwangerschaft normale Schwankungen, die es zu kennen gilt. Das Blutvolumen nimmt während der Schwangerschaft um rund 40% zu, wobei der schnellste Anstieg im ersten Trimester zu verzeichnen ist. Auch das Herzzeitvolumen nimmt während der Schwangerschaft um bis zu 50% zu, wobei es im ersten Trimester stetig ansteigt und im fünften Monat einen Höchstwert erreicht. Im Allgemeinen sinkt der Blutdruck trotz des Anstiegs des Herzzeitvolumens im ersten Trimester um 5-10mmHg und sinkt dann bis zur Mitte der Schwangerschaft aufgrund der Progesteron-vermittelten Entspannung der glatten Muskulatur (5). Bei der Erstbewertung des Blutdrucks in der Schwangerschaft sollten die Blutdruckmessungen mit den Werten vor der Schwangerschaft verglichen werden, da bereits physiologische Veränderungen stattgefunden haben. Im dritten Trimester ist ein allmählicher Anstieg des Blutdrucks zu beobachten, der dann im Allgemeinen 3-6 Tage nach der Entbindung seinen Höhepunkt erreicht und dann wieder abfällt.

Ursachen für postpartale Hypertonie

In den meisten Fällen wird die postpartale Hypertonie durch eine zugrundeliegende HDP verursacht, aber es gibt auch immer wieder Patientinnen mit späten Präeklampsien oder auch Patientinnen mit einer unkomplizierten Schwangerschaft und erst postpartal erhöhten Blutdruckwerten. Die HDP umfassen fünf Situationen: chronische Hypertonie, Schwangerschaftshypertonie oder schwangerschaftsinduzierte Hypertonie, Präeklampsie, HELLP-Syndrom und Eklampsie (6). Neben der klassischen PPHT, die durch HDP verursacht wird, können Frauen eine vorübergehende postpartale Hypertonie haben, die z.B. durch Schmerzen, intravenöse Flüssigkeitszufuhr, generalisierte Ödeme aufgrund der Schwangerschaft und nichtsteroidale entzündungshemmende Medikamente ausgelöst wird. Sehr wichtig ist es späte Manifestationen einer Präeklampsie nicht zu verpassen.
All diese unterschiedlichen klinischen Situationen können zu einem anhaltend erhöhten Blutdruck nach der Geburt führen und erfordern eine besondere Überwachung auf der Entbindungsstation, eine geeignete Behandlung während der Stillzeit und eine gut geplante Überwachung nach der Entlassung, da die Normalisierung des Blutdrucks sich rasch einstellen kann und ggf. eingesetzte antihypertensive Medikamente schrittweise reduziert werden müssen.

Messung des Blutdrucks

Bei allen Frauen sollte spätestens 6 Stunden nach der Geburt der Blutdruck gemessen werden. Bei Frauen, die wiederholt Blutdruckwerte ≥ 140/90 oder einmal > 160/100mmHg haben, ist eine besondere Überwachung erforderlich (4, 6). Der Blutdruck sollte mindestens drei- bis viermal pro Tag mit einem automatischen Blutdruckmessgerät gemessen werden. Jede Messreihe sollte aus 3-5 Blutdruckmessungen im Abstand von mindestens 1 Minute bestehen. Die Messungen sollten mit einem kalibrierten und validierten Oberarm Blutdruckmess­gerät in Höhe des Herzens durchgeführt werden. Obwohl Messungen im Krankenhaus nie die ideale Umgebung für Blutdruckmessungen sind, können und sollten einige der bekannten Störfaktoren minimiert werden. Wir schlagen vor, dass die Messungen nach Möglichkeit mit der Patientin allein im Zimmer durchgeführt werden, ohne dass sie redet, stillt oder ihr Baby hält. Automatisierte und unbeobachtete Messungen können dabei die Häufigkeit einer Weisskittelkomponente weiter reduzieren Auf diese Weise erhalten die behandelnden Ärzte genauere Messungen, um korrekte therapeutische Entscheidungen treffen zu können. Wenn die Diagnose einer postpartalen Hypertonie unklar ist, sollte eine 24-Stunden-Blutdruckmessung im Krankenhaus in Betracht gezogen werden.

Klinische und labortechnische Erstuntersuchung

Bei unklarer Ätiologie der PPHT empfehlen wir, falls vorhanden, die Histologie der Plazenta und die anschliessende Klassifizierung nach Amsterdam anzuschauen. Obwohl diese Klassifizierung komplex ist und im Zusammenhang mit dem Gestationsalter, der klinischen Vorgeschichte und dem Gewicht des Neugeborenen interpretiert werden muss, hat sie sich als wertvoll erwiesen (7). Die Informationen können dazu beitragen, die Ursache der PPHT zu klären, was Auswirkungen auf das Management in der aktuellen postpartalen Phase und bei zukünftigen Schwangerschaften haben kann.

Wir empfehlen ausserdem, vor der Entlassung das poststationäre Management der Patientin durch eine Überweisung an einen entsprechend erfahrenen Gynäkologen, Internisten oder Kardiologen zu organisieren. Bei dieser Konsultation sollte eine Anamnese erhoben werden, die sich auf das vorbestehende Präeklampsierisiko, die kardiovaskuläre und renale Vorgeschichte, kardiovaskuläre Risikofaktoren, die Familienanamnese und den aktuellen und ggf. früheren Schwangerschaftsverlauf konzentriert. Zu den zu erhebenden kardiovaskulären Risikofaktoren gehören: Rauchen, Adipositas, Diabetes, Dyslipidämie, Autoimmun- und rheumatoide Erkrankungen, Ernährung, Aktivitätsniveau und ggf. weitere Faktoren wie Umwelteinflüsse.

Eine körperliche Untersuchung mit Fokus auf dem kardiovaskulären, pulmonalen und neurologischen Status sollte durchgeführt werden. Bei Sehstörungen oder Kopfschmerzen, die nicht mit einem erhöhten Blutdruck korrelieren, wird auch eine neurologische Untersuchung empfohlen, um postdurale Kopfschmerzen (nach Periduralanästhesie) und ein posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom auszuschliessen (8).

Die Laboruntersuchung umfasst mindestens ein hämatologisches Panel, Leber- und Nierenfunktion sowie Elektrolyte, Urinanalyse mit Albumin/Kreatinin-Quotient und Protein/Kreatinin-Quotient (9). In unserer Institution erfolgt diese Erstuntersuchung im Hinblick auf die PPHT und die Transition in die ambulante Behandlung noch im stationären Setting, damit in diesem Rahmen mit den Frauen die verschiedenen Möglichkeiten des poststationären Managements inkl. Telemonitoring und telemedizinischer Betreuung diskutiert werden können.

Antihypertensive Behandlung

Sobald eine postpartale Hypertonie diagnostiziert wurde, ist eine medizinische Behandlung angezeigt und sollte nicht aufgeschoben werden (6). Dazu gehören das Absetzen von NSAR, die Beurteilung und konsequente Behandlung von Schmerzen und das Absetzen unnötiger intravenöser Flüssigkeiten (6). Die Patientinnen sollten beruhigt und darüber aufgeklärt werden, dass die eingesetzten Medi­kamente für Mutter und Kind sicher sind.

In Fällen, in denen Patientinnen während der Schwangerschaft blutdrucksenkende Medikamente wie Labetalol oder Methyldopa eingenommen haben, empfehlen wir, diese auf ein länger wirksames Medikament umzustellen (6). Leider gibt es nur wenige Daten zur blutdrucksenkenden Therapie bei PPHT und die Behandlung beruht weitgehend auf klinischen Erfahrungen. Im Allgemeinen ist es weniger wahrscheinlich, dass Medikamente mit hoher Proteinbindung und geringer Lipidlöslichkeit in relevanten Mengen in der Muttermilch vorhanden sind (4). Wir empfehlen bei Albuminurie, Proteinurie und/oder erhöhtem diastolischen Blutdruck mit Enalapril zu beginnen (9). Im Setting der Präeklampsie zeigte Enalapril in einer Pilotstudie einen kardioprotektiven Effekt (10, 11).

Metoprolol kann in Kombination mit Enalapril oder allein verwendet werden. Nifedipin sollte als Mittel der dritten Wahl oder als Notfallmedikament in Betracht gezogen werden, wenn die Blutdruckwerte ≥ 160/100mmHg sind oder wenn die maximale Dosierung von Enalapril und Metoprolol nicht ausreicht. Bei Frauen mit afrikanischer Herkunft sollte Nifedipin frühzeitig und als Basistherapie in Betracht gezogen werden, wenn der Blutdruck auf Enalapril oder Metoprolol nicht adäquat anspricht, da diese beiden pharmakologischen Klassen bei Frauen mit diesem Hintergrund einen geringeren Nutzen haben können. Mögliche Medikamente in der postpartalen Phase mit einem vertretbaren Sicherheitsprofil sind in Tabelle 1 aufgeführt (4, 6).

Nach der Entlassung/ambulante Behandlung der postpartalen Hypertonie

In der unmittelbaren postpartalen Periode ist der Blutdruck sehr dynamisch. Bei einigen Frauen steigt der Blutdruck unerwartet an, bei anderen normalisiert er sich schnell. In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass der Blutdruck entweder nicht angemessen oder übermässig behandelt wird.

Um eine optimale Transition von der stationären zur ambulanten Be­handlung zu ermöglichen, empfehlen wir, dass Frauen mit PPHT innerhalb einer Woche Kontakt mit ihrem nachbehandelnden Arzt aufnehmen. Im Allgemeinen kann in den nächsten Wochen die Medikation schrittweise reduziert und im günstigsten Fall abgesetzt werden. Üblicherweise bietet sich an zuerst den Betablocker schrittweise zu reduzieren und zu beenden und in einem weiteren Schritt das Enalapril zu reduzieren und wenn möglich zu stoppen. Durch dieses schrittweise Vorgehen erhält die Patientin eine längere Exposition des ACE-Hemmers, was aufgrund einer postulierten kardio-renalen Schutzwirkung von Vorteil sein kann (10).

Die medizinischen Kontakte, die eine Woche nach der Entlassung stattfinden sollten, können persönlich wahrgenommen werden. Alternativ können telemedizinische Methoden und Telemonitoring für das poststationäre Management verwendet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn vor der Entlassung eine gute Kommunikation mit der Patientin und ein Verständnis für Warnzeichen des Bluthochdrucks erreicht werden kann (Abb. 1). Essentiell in diesem Fall sind technisch korrekte Heimblutdruckmessungen, um eine optimale Datengrundlage für Behandlungsentscheide zu haben. Hier empfehlen wir die Patientin entsprechend zu instruieren. Je nach Institution stehen auch Gesundheits-Applikationen zur Verfügung, die die Patientin anleiten, standardisierte Messungen durchzuführen. Aus unserer Erfahrung heraus kann durch den Einsatz von telemedizinischen Methoden die Anzahl von physischen Konsultationen im Spital minimiert werden.

Für Patientinnen mit grenzwertigen Blutdruckwerten, bei denen das Risiko besteht, dass sie eine postpartale Hypertonie entwickeln, empfehlen wir, diese mit einem Rezept für ein Oberarm-Blutdruckmess­gerät und ggf. für Medikamente (Einnahme jedoch nur nach Rücksprache mit einem Arzt) zu entlassen. Gefährdet sind insbesondere Frauen, die während der Schwangerschaft eine Präeklampsie oder schwangerschaftsinduzierte Hypertonie hatten und direkt nach der Geburt wieder normotensive Werte aufweisen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass grenzwertige Blutdruckwerte im Krankenhaus oft nicht wahrgenommen werden.

Drei Monate nach der Geburt empfehlen wir eine 24h-Blutdruckmessung, um zu dokumentieren, ob sich der Blutdruck wieder normalisiert hat, oder ob eine Hypertonie persistiert. Zu diesem Zeitpunkt sollte auch der Albumin-Kreatinin-Quotient im Urin bestimmt werden, um eine anhaltende Albuminurie zu überprüfen und eine Leberwerte Kontrolle, falls diese nach Geburt erhöht waren (4).

Wenn die postpartale Hypertonie 3 Monate nach der Entbindung persistiert, empfehlen wir eine Wiederholung der ambulanten 24-Stunden-Blutdruckmessung nach 6 Monaten. Sollte die Hypertonie sechs Monate nach der Geburt weiterhin vorhanden sein, so besteht bei der Patientin der Verdacht auf eine essenzielle oder sekundäre Hypertonie, und sekundäre Ursachen der Hypertonie sollten ausgeschlossen und die Medikation entsprechend umgestellt werden, sobald die Mutter nicht mehr stillt. Insbesondere auf die Abklärung von sekundären Hypertonieursachen sollte ein Hauptaugenmerk gelegt werden, da diese gemäss den NICE-Leitlinien häufig unter­diagnostiziert werden (4).

Patientinnen mit einer Perstistenz einer Albuminurie nach 6 Monaten sollten durch einen Neurologen mitbeurteilt werden.

Die COVID-19-Pandemie hat uns in unserem Behandlungsmanagement zu neuen Wegen gezwungen. Schon vor Beginn der Pandemie boten wir an unserer Institution den Patientinnen mit PPHT zunehmend an, klassische physische Konsultationen in der Hypertoniesprechstunde durch den Einsatz eines standardisierten, virtuellen Behandlungskonzeptes mit Telemonitoring und Telekonsultationen maximal zu reduzieren. Die ersten Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung dieses virtuellen Behandlungsmanagements stimmen uns sehr positiv bei einer hohen Praktikabilität und Patientenakzeptanz (noch unpublizierte Daten). Unterstützt werden virtuelle Behandlungskonzepte der arteriellen Hypertonie auch durch aktuelle Empfehlungen verschiedener Fachgesellschaften, wobei es essentiell ist, dass durch die virtuelle Behandlung die Behandlungsqualität nicht leidet (12).

Änderung des Lebensstils in der Postpartum-Phase

Parallel zur Überwachung und medikamentösen Behandlung sollten Frauen im Wochenbett über einen gesunden Lebensstil und dessen positive Auswirkungen im Wochenbett aufgeklärt werden. Schlafen, wann immer es möglich ist, einschliesslich Nickerchen, wenn das Baby schläft, 10.000 Schritte Bewegung pro Tag und eine natriumarme und ballaststoffreiche Ernährung werden generell empfohlen. Das American College of Obstetricians and Gynecologists (ACOG) ermutigt Frauen im vierten Trimester jede verfügbare zusätzliche nicht-medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um diese komplexe Phase zu bewältigen. Dazu gehört z.B. die Unterstützung durch Hebammen, Schlaf-Doulas, Familie und Freunde (13).

Zukünftige Schwangerschaften und kardiovaskuläres Risiko

Der dreimonatige Kontrolltermin ist ein guter Zeitpunkt, um mit den Patientinnen über die PPHT und den Krankheitsverlauf zu sprechen. Die Patientinnen sollten über Ursachen der PPHT und die möglichen Auswirkungen auf das kardiovaskuläre Risiko aufgeklärt werden. Insbesondere über das erhöhte Risiko einer arteriellen Hypertonie sollte gesprochen werden, da 1 Jahr nach der Geburt rund 40% der Frauen eine essentielle Hypertonie entwickeln, selbst wenn sich die Werte initial schnell wieder auf einen normalen Blutdruck eingestellt haben (14). Insofern gilt es regelmässig und langfristig ein besonderes Augenmerk auf die kardiovaskulären Risikofaktoren und insbesondere die Blutdruckwerte zu haben.

Im Falle einer erneuten Schwangerschaft wird die frühzeitige Einnahme von Aspirin empfohlen, um das Risiko einer frühen Präeklampsie zu verringern.

Abkürzungen:
HDP hypertensive diseases of pregnancy, HELLP haemolysis, elevated liver enzyme levels, low platelet count, PPHT postpartale Hypertonie, ACOG American College of Obstetricians and Gynecologists

Zweitabdruck aus «info@gynäkologie» 05-2022

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Thenral Socrates

Oberärztin Medizinische Poliklinik
Medizinische Poliklinik, Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

thenral.socrates@usb.ch

Dr. med. Thilo Burkard

Stv. Chefarzt medizinische Poliklinik
und Leiter Hypertoniesprechstunde
Universitätsspital Basel
Petersgraben 4
4031 Basel

thilo.burkard@usb.ch

Dr. Socrates und Dr. Burkard haben von Roche Diagnostics einen Research Grant und Materialsupport (Laborkits) zur Unterstützung des Basel Postpartum Hypertension Registers erhalten

1. Giorgione V, Ridder A, Kalafat E, Khalil A, Thilaganathan B. Incidence of postpartum hypertension within 2 years of a pregnancy complicated by pre-eclampsia:
a systematic review and meta-analysis. Bjog. 2021;128(3):495-503.
2. Gestational Hypertension and Preeclampsia: ACOG Practice Bulletin, Number 222. Obstet Gynecol. 2020;135(6):e237-e60.
3. Clapp MA, Little SE, Zheng J, Robinson JN. A multi-state analysis of postpartum readmissions in the United States. Am J Obstet Gynecol. 2016;215(1):113.e1-.e10.
4. Webster K, Fishburn S, Maresh M, Findlay SC, Chappell LC. Diagnosis and
management of hypertension in pregnancy: summary of updated NICE guidance. Bmj. 2019;366:l5119.
5. Klein HH, Pich S. [Cardiovascular changes during pregnancy]. Herz. 2003;28(3):173-4.
6. Bramham K, Nelson-Piercy C, Brown MJ, Chappell LC. Postpartum management of hypertension. BMJ : British Medical Journal. 2013;346:f894.
7. Redline RW, Ravishankar S, Bagby CM, Saab ST, Zarei S. Four major patterns of placental injury: a stepwise guide for understanding and implementing the 2016 Amsterdam consensus. Mod Pathol. 2021;34(6):1074-92.
8. Sudulagunta SR, Sodalagunta MB, Kumbhat M, Settikere Nataraju A. Posterior
reversible encephalopathy syndrome(PRES). Oxf Med Case Reports. 2017;2017(4):omx011.
9. Schlembach D, Stepan H, Groten T. S2k Leitlinie: Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen: Diagnostik und Therapie. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. 2019.
10. Ormesher L, Higson S, Luckie M, Roberts SA, Glossop H, Trafford A, et al. Postnatal Enalapril to Improve Cardiovascular Function Following Preterm Preeclampsia (PICk-UP):: A Randomized Double-Blind Placebo-Controlled Feasibility Trial. Hypertension. 2020;76(6):1828-37.
11. Staff AC, Dechend R. Will Postnatal Renin-Angiotensin System Blockade Improve
Long-Term Maternal Cardiovascular Health After Preeclampsia? Hypertension. 2020;76(6):1704-6.
12. Khan NA, Stergiou GS, Omboni S, Kario K, Renna N, Chapman N, et al. Virtual management of hypertension: lessons from the COVID-19 pandemic-International Society of Hypertension position paper endorsed by World Hypertension League and European Society of Hypertension. J Hypertens. 2022.
13. ACOG Committee Opinion No. 736: Optimizing Postpartum Care. Obstet Gynecol. 2018;131(5):e140-e50.
14. Melchiorre K, Sutherland GR, Liberati M, Thilaganathan B. Preeclampsia is
associated with persistent postpartum cardiovascular impairment. Hypertension. 2011;58(4):709-15.

Neue Empfehlung zu Diagnostik und Therapie bei der PAVK bei Diabetes mellitus

Im Mai 2022 wurde in der Zeitschrift «Die Diabetologie» ein neues Positionspapier zur Diagnostik + Therapie der PAVK bei Menschen mit Diabetes mellitus (DM) publiziert (1). Dieser Artikel mehrerer Deutscher Fachgesellschaften ist für Kardiologen und Internisten äusserst lesenswert.

Wir geben einige wichtige Statements für die Praxis wieder: Die Zahl der Patienten mit PAVK und Diabetes mellitus nimmt stetig zu. Bei einer kritischen Extremitäten-Ischämie besteht eine Diabetes Wahrscheinlichkeit von 50%. Beim Diabetes schreiten Gefäss­läsionen schneller voran. So ist das Risiko für eine PAVK 2 bis 4mal erhöht. Nach dem Nikotin ist der Diabetes der zweithäufigste Risikofaktor. Es besteht in dieser Population ein erhöhtes Amputationsrisiko. Daher ist das rechtzeitige Erkennen der PAVK so wichtig; ebenso die leitliniengerechte Therapie zur Senkung der kardiovaskulären Ereignisrate. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche und eine rasche Revaskularisation sind bei kritischer Extremitäten-Ischämie entscheidend. Erschwerend kommt hinzu, dass nur jeder Vierte Symptome hat; dies wegen der begleitenden sensiblen Polyneuropathie. Die Claudicatio tritt nur bei 10% aller PAVK-Patienten auf. Oft besteht eine maskierte PAVK wegen einer zusätzlichen Neuropathie, Dyspnoe oder Arthrose. Eine kritische Ischämie – Stadium III+IV nach Fontaine – kann rasch auftreten; auch ohne vorgängige Claudicatio (2, 3).

Zur Diagnostik beim Internisten resp. Kardiologen bedarf es primär einer klinischen Untersuchung mit Erfassung von Puls­status und Kapillarpuls sowie im Seitenvergleich qualitativ Hautfarbe und -temperatur und einer Knöchel-Arm-Index-Bestimmung oder -Zehenverschlussdruckmessung (ABI; TBI). Die ABI-Messung mit dem niedrigsten Knöchelarteriendruck ist wichtig zum Nachweis einer PAVK und zur Risikostratifizierung! Ein ABI-Wert in Ruhe <0,9 gilt als Beweis für das Vorliegen einer PAVK. Ein Angiologe muss konsultiert werden, wenn ein ABI <0,7, systolische Zehendrucke <40mmHg, systolische Knöcheldrucke <70mmHg ermittelt werden. Auch bei einem ABI >1,3 (Mediasklerose) bedarf es einer angiologischen Abklärung mit farbkodierter Duplexsono­graphie mit Pulskurvenanalyse, Pulsoszillographie der Digitalarterien und einer transkutanen Sauerstoffdruckmessung. Bildgebende Verfahren wie zum Beispiel die CT- oder MR-Angiografie sollen nur dann vorgenommen werden, wenn sich daraus therapeutische Konsequenzen ergeben.

Die konservative Therapie besteht neben dem allgemeinen kardiovaskulären Risikofaktorenmanagement (Nikotinstopp, Gewichts­reduktion, Bz-, BD- und Lipidmanagement) bei der «Schaufensterkrankheit» aus einem strukturiertem Gehtraining – Gehen bis an/in die Schmerzgrenze. Bei symp­tomatischer PAVK aus einem Thrombocytenaggregationshemmer. Hier wird Clopidogrel 75mg Aspirin 100mg vorgezogen. Bei einem hohen Risiko für ein ischämisches Ereignis intensivierte Gerinnungsstrategie: Rivaroxaban 2×2,5mg +Aspirin 100mg; auch nach einer peripheren Gefässintervention oder bei einer zusätzlicher CHK oder Carotisstenose. Cave: erhöhtes Blutungs­risiko (HR=1,7). Bei einer Hypertonie RAAS-Blockade mit einem ACE-Hemmer oder ARB. Cave BD <120mmHg systolisch. Zur Senkung des Amputations­risikos und der Mortalität sollte eine Statintherapie mit der für den Patienten jeweils maximal tolerablen Dosierung gewählt werden. In Reserve zusätzlich Ezetimibe resp. PCSK9-H. LDL-Ziel <1,4mmol/l. Als antidiabetische Medikation:
1. Wahl Metformin und ein SGLT2-Hemmer oder ein GLP1-Agonist. In Reserve ein Basalinsulin nach Bedarf.

Auf die heutige moderne interventionelle Therapie mit PTA, DEB und DES ab Fontaine Stadium II und hohem individuellem Leidensdruck und je nach betroffenem Gefässabschnitt wird im Artikel eingehend eingegangen. Diese angiologische Therapie mit einer Revaskularisation ist essentiell zur Amputationsprävention! Diskutiert wird auch die kritische Extremitäten Ischämie, die Nachsorge nach Gefässeingriffen und die chirurgische Revaskularisation. Prinzipiell gilt, dass endovaskuläre Optionen Vorrang vor chirurgischen Revaskularisationen haben. Je weiter peripher die Intervention erfolgt, desto schlechter werden die Langzeitergebnisse.

Da die PAVK-Prognose relevant ist bezüglich MACE (Stroke, MI, cv-Tod) und MALE (major adverse limb events) und oft maskiert auftritt, ist ein ABI-Screening im Liegen nach 10 Min. Ruhe bei
folgenden Situationen notwendig:

  • Claudicatio Patienten
  • Nicht heilende Wunden an US/Füssen
  • Asymptomatische Patienten > 65 Jahre
  • Asymptomatische Patienten < 65 Jahre mit + Familienanamnese
  • Patienten mit anderen Atherosklerosemanifestationen (KHK, Carotis, ……)
  • Zur Vorsorgeuntersuchung >55 Jahre oder auch schon früher bei entsprechenden cvRF
Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

1. Die Diabetologie 2022;18: 402–411.
2. Die Diabetologie 2022;18:549-560.
3. CardioUpdate 2022: Hot Topic Angiologie

Klare Vorteile einer Single Pill in der kardiovaskulären Therapie

Seit bald zwanzig Jahren wird über den Einsatz von Single Pills (SP/Polypills) diskutiert. Im Jahre 2022 sind weitere bedeutende Studien zu diesem Thema erschienen. Zusammenfassend verbessert eine Einzeltablette mit verschiedenen Wirkstoffen (u.a. BD-Senker, Statin, Aspirin) die Adhärenz resp. die Compliance (Therapietreue), dadurch kommt es u.a. zu einer Verbesserung der kardiovaskulären Risikofaktoren Blutdruck und LDL. Diese und zusätzliche pleiotrope und vaskuläre Effekte führen zu einer deutlichen Verbesserung des Outcomes mit Senkung der kardiovaskulären (cv) Ereignisse und der Mortalität. Auch die Folgekosten werden durch diese Therapie-Strategie deutlich gesenkt. Der Einsatz von SP ist daher wirtschaftlich und zweckmässig.

Aktuell gibt es bei uns im Alltag verschiedene Kombinations­tabletten bei der Behandlung der Hypertonie. Diese werden auch gemäss Leitlinien primär empfohlen. Nur 50% aller Hypertoniker erreichen den geforderten Ziel-BD. Dabei erhalten leider nur ca. 1/3 eine Kombinationstherapie als SP. Es gibt in der Schweiz nur wenige Antihypertensiva z.B. in Kombination mit Atorvastatin als SP. Bekannt ist auch die Kombination eines Statins mit Ezetimib. Da diese Substanzen als Generika zur Verfügung stehen, ist eine SP nicht wesentlich teurer. Die Adhärenz der Patienten wird leider deutlich überschätzt. Nach einem Myokardinfarkt nehmen weniger als 50% das für die sekundäre cv-Prävention verschriebene Multimedikamentenregime konsequent ein. Daher sollte eine oder mehrere SP in Zukunft der Normalfall sein.

Neuere Studien belegen klar den Nutzen mit obigen Resultaten (1-8). In der START- und START 2.0-Studie (1, 2) wurden Krankenversicherungsdaten bei 29’668 Herzkreislauf-Patienten (Hypertoniker) in Deutschland retrospektiv analysiert. Die Real Life Daten ergeben, dass die Gesamtmortalität, verschiedene cv-Ereignisse und die Hospitalisationsrate durch sieben Kombinationen von SP mit Antihypertensivas, Lipidsenkenden Medikamenten und auch Aspirin signifikant reduziert wurde, verglichen mit der Gabe von losen Einzelsubstanzen. Die Zeit bis zum ersten Ereignis wurde verlängert. Die Therapietreue war signifikant besser und die Gesamtkosten waren deutlich tiefer.

In der spanischen Studie NEPTUNO (3) wurden Daten elektronischer Krankengeschichten, ebenfalls retrospektiv, in der Sekundärprävention wegen atherosklerotischen, kardiovaskulären Erkrankungen analysiert. Durch eine Kombinationstablette von Aspirin 100mg, Atorvastatin 20 oder 40mg und Ramipril 2,5/5/10mg wurden die cv-Ereignisse über zwei Jahre um 15% vermindert verglichen mit der Gabe von Monosubstanzen. Auch traten diese später auf. Die Risikofaktoren BD und LDL waren bei guter Therapietreue besser eingestellt.

In der SECURE Study (4), der ersten prospektiven europäischen Interventions-Studie, ergaben sich eindrucksvolle Resultate in der Sekundärprävention nach einem Myokardinfarkt vor max. 6 Monaten und einem weiteren cv-Risikofaktor. Diese wurde am ESC 2022 in Barcelona vorgestellt. Verglichen wurde eine Single Pill mit drei Wirkstoffen vs. der Einnahme dieser drei Wirkstoffe als Einzelsubstanzen: Aspirin 100mg, Atorvastatin 20 oder 40mg und Ramipril in aufsteigender Dosierung 2,5-10mg bei insgesamt 2499 Patienten (Durschnitt 76 Jahre, 31% Frauen). Der primäre Endpunkt (nicht tödlicher Myokardinfarkt, nicht tödlicher Schlaganfall, cv-Tod und Notfallrevaskularisationen) wurde um 24% über 3 Jahre gesenkt. Der härteste Endpunkt: der cv-Tod um 33%. Es werden bei gleichem BD und LDL in beiden Gruppen zusätzliche pleiotrope Effekte der Statine und vaskuläre Effekte von Aspirin und Ramipril vermutet. Bei einer längeren Nachbeobachtung wäre der Unterschied wahrscheinlich noch grösser.

In einer Arbeit aus Italien (5) bei arterieller Hypertonie konnten die kardiovaskulären Ereignisse und die Gesamtmortalität in fünf verschiedenen Ländern auf drei Kontinenten über 10 Jahre deutlich gesenkt werden.
In der PolyIran Studie (6) konnte mit einer niedrig dosierten Fixkombination von 4 Wirkstoffen bei Menschen älter als 50 Jahre meist ohne bekannte Herzkreislauferkrankungen über 5 Jahre im ländlichen Iran die Ereignisrate um 1/3 gesenkt werden. Lebensstilintervention vs. Lebensstilintervention und Polypill. In der Primärprävention und bei hoher Compliance relative Risikoreduktion sogar um 40%.

Die TIPS-3 Studie von S. Yusuf et al. zeigte in der Primärprävention, dass eine kombinierte Behandlung mit einer SP plus Aspirin zu einer geringeren Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse führte als Placebo bei Teilnehmern ohne Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die ein mittleres kardiovaskuläres Risiko hatten (7). Die primärpräventive Wirkung hatte gemäss HOPE-3 Studie bei intermediärem cv Risiko und einem Alter >55 Jahren vor allem die Lipidsenkung (8).

Somit zeigen uns diese Publikationen, dass eine Single Pill im Praxisalltag ein sehr hilfreiches und einfaches Instrument ist, um die Adhärenz des Patienten/der Patientin deutlich zu verbessern und dadurch Outcome und Folgekosten positiv zu beeinflussen. Es ist zu hoffen, dass weitere Wirkstoff-Kombinationen in verschiedenen Dosierungen als Single Pill, neben den bereits vorhandenen Kombinationen in der Hypertoniebehandlung, in der Primär- und Sekundär-Prävention zum Wohle unserer Patienten auch in der Schweiz auf den Markt kommen und von uns Ärzten vermehrt gezielt und richtig eingesetzt werden. Es bedarf einem Konzeptwechsel von vielen Einzeltabletten auf eine oder mehrere SP. Durch verschiedene Dosierungen und Kombinationen ist auch eine individualisierte Medizin möglich. Eine Medibox kann für die Therapietreue und damit ein besseres Outcome ebenfalls behilflich sein.

Dr. med. Urs N. Dürst

Zelglistrasse 17
8127 Forch

u.n.duerst@ggaweb.ch

1. Wilke T. et al.: Effects of Single Pill Combinations compared to identical Multi Pill Therapy on Outcomes in Hypertension, Dyslipidemia and Secondary Cardiovascular Prevention: The Start-Study; Integrated Blood Pressure Control 2022:15-21
2. Weisser B. et al.: Single pill treatment in daily practice is associated with improved clinical outcomes and all-cause mortality in cardiovascular diseases: results from the START project. Poster presented at the ESC Congress 2022, 26. August 2022, Barcelona
3. González-Juanatey JR. et al.: The CNIC-Polypill reduces recurrent major cardiovascular events in real-life secondary prevention patients in Spain: The NEPTUNO study; Int J Cardiol 2022; 361:116-123
4. Castellano J.M. et al.: Polypill Strategy in Secondary Cardiovascular Prevention; NEJM 2022;387:967-977
5. Borghi C. et al.: International Journal of Cardiology Cardiovascular Risk and Prevention 2021; 10:200102
6. Roshandel G et al.: Effectiveness of polypill for primary and secondary prevention of cardiovascular diseases (PolyIran): a pragmatic, cluster-randomised trial. Lancet 2019; 394:672-83
7. Yusuf S. et al.: Polypill with or without Aspirin in Persons without Cardiovascular Disease NEJM 2021;384: 216-228
8. Yusuf S. et al.: Cholesterol Lowering in Intermediate-Risk Persons without Cardiovascular Disease. NEJM 2016; 374: 2021-2031.

Neue Lipidsenker – ob und wann?

Erhöhte Blutfette sind ein wichtiger, modifizierbarer Risikofaktor für Atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ASCVD). Unter neun modifizierbaren Risikofaktoren, die für mehr als 90% aller Erst-Myokardinfarkte verant­wortlich sind, stehen die Blutfette mit 50% der an der Bevölkerung zurechenbaren Risiken an erster Stelle, stellte Dr. Konstantinos Koskinas, Bern, eingangs fest. LDL-Cholesterin spielt eine kausale Rolle in der Atherosklerose, wie mit klinischen pharmakologischen Studien, Beobachtungsstudien und Mendel’schen Randomisierungsstudien gezeigt werden konnte. Diese Studien haben auch eindrücklich gezeigt, dass je tiefer das LDL-Cholesterin ist, desto niedriger das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis ist, und dass es kein unteres Limit für die Sicherheit gibt.

Diese Evidenz stammt vor allem aus Studien mit Statinen, der Referent zeigte aber, dass sie auch für Nicht-Statin-Medikationen gilt, z.B. für Ezetimibe. Gemäss den Lipid-Guidelines von 2019 richtet sich der Zielwert für LDL-Cholesterin nach dem kardiovaskulären Risiko des Patienten: für tiefes Risiko wird ein LDL-Zielwert von 3.0mmol<7l empfohlen, für moderates Risiko ein Zielwert von 2.6mmol<7l, für hohes Risiko ein solcher von 1.8mmol/l und für sehr hohes Risiko einen Wert von 1.4mmol<7l und jeweils ein mindestens fünfzigprozentige Senkung des LDL-Cholesterins. Die Evidenz dazu stammt aus der CTT-Meta-Analyse, hochintensive Therapie vs. Standardtherapie (LDL-C 1.71vs. 1.32, HR 0.71), der IMPROVE-IT Studie, Ezetimibe + Statin vs. Statin (LDL-C 1.8 vs. 1.4mmol<7l, HR 0.94), der FOURIER- Studie, Evolocumab+ Statin vs. Statin (LDL-C 2.37 vs. 0.78, HR 0.85) und ODYSSEY OUTCOMES, Alirocumab + Statin vs. Statin (LDL-C 2.37 vs. 1.37, HR 0.85).

Es gibt aber noch unerfüllte Bedürfnisse in Bezug auf die LDL-Senkung: im EURASPIRE-IV Survey wiesen 80.7% der Patienten nach einem Herzinfarkt einen LDL-C-Wert >1.8mmol/l auf, im EUROASPIRE V Survey waren es immer noch 71% und in der SWISS SPUM Kohorte 62.5%. Gründe dafür sind neben der fehlenden Adhärenz der Patienten, die therapeutische Trägheit der Ärzte. Der Referent konnte in einer Studie zeigen, dass nur 50% der Patienten eine hochintensive Statintherapie bei Spitalentlassung und nach einem Jahr erhalten.

Risikomanagement: Welcher Score für welche Patienten?

Bei einer nationalen Umfrage in den USA wurde festgestellt, dass die Ärzte den Risikoalgorithmus kennen, aber nur eine Minderheit ihn in der Praxis nutzt, stellte Prof. Dr. David Nanchen, Lausanne, eingangs fest. Ärzte verwenden Risikoalgorithmen auch selten zur Verschreibung von Statinen, wie eine Untersuchung in England zeigte: ein QRISK2-Score wurde bei 80% aller Konsultationen aufgenommen, Statintherapie wurde bei 25% aller Konsultationen verschreiben und 7.5% aller Konsultationen hatten sowohl einen QRISK2-Score und ein folgender Statinbeginn.

Prof. Nanchen präsentierte die Fallvignette einer 59jährigen Frau. Sie hatte keine vorbestehende kardiovaskuläre Krankheit, einen BMI von 27kg/m2, Bewegungsmangel, der systolische Blutdruck war 130mmHg in 2021 und 134mmHg Ende 2022. Sie ist Raucherin und hat keine beitragende Familienanamnese. LDL-Cholesterin war 4.8mmol/l in 2021 und 4.7mmol/l Ende 2022, HDL-c 1.4 bzw. 1.5mmol/l, Triglyceride 1.5 bzw. 1.7mmol/l, die eGFR betrug 75ml/min. Der Referent stellte die Frage nach dem koronaren Risiko in den nächsten 10 Jahren. 44% der Teilnehmer sprachen sich für 11% aus, 33% für 6% und 11% für 17% und ebenfalls 11% für ein Risiko von 22%. Das richtige Resultat war ein 6% Risiko. Die nächste Frage galt der Statintherapie. 50% antworteten mit eher ja, nach Teilung der Entscheidung mit der Patientin, 33% eher nein, nicht unmittelbar, aber nach Überprüfung und 17% antworteten mit nein, nicht vor der nächsten Kontrolle in einem Jahr.

Der Nutzen der Behandlung hängt vom kardiovaskulären Risiko ab

Der Referent zeigte das Beispiel einer Intervention, die das relative Risiko um 25% senkt. Das absolute Risiko beträgt 40% vor der Behandlung und 30% danach. Die Differenz des absoluten Risikos beträgt 10% = 0.1. Die Number Needed to Treat = 1/absolute Risikodifferenz, d.h. 10. Bei 5% absolutem Risiko und gleicher Senkung von 25% kommt man auf ein absolutes Risiko von 4%. die absolute Risikodifferenz beträgt in diesem Fall 1% = 0.01 und die NNT entsprechend 1/absolute Risikodifferenz = 100. 60% der kardiovaskulären Todesfälle sind über 75jährig.
Das kardiovaskuläre Risiko nimmt mit dem Alter zu. Das Risiko nimmt aber auch entsprechend der präexistierenden Krankheiten zu. Sehr hohes Risiko: Vorgeschichte für Herz-Kreislaufkrank­heiten → Sekundärprävention (Atherosklerose mit Blutgerinnsel), Diabetes mit Organschäden oder chronische Niereninsuffizienz (CCl <30ml/min) →Kardiovaskuläre Risiko-Äquivalente. (Atherosklerose?) Hohes Risiko: Familiäre Hypercholesterinämie Diabetes (ohne Organschaden), Niereninsuffizienz (CCl <60ml/min) → Primärprävention (Atherosklerose? normale Koronararterien?).

Kardiovaskuläre Risiko-Scores

Mittel zur Abschätzung des Risikos für kardiovaskuläre Krankheit über 10 Jahre.

Traditionelle Risikofaktoren, historisches: 1998 Framingham Score, 2002 PROCAM Score, 2003 SCORE Algorithmus, 2007 QRISK in UK, 2013 Pooled Cohort Equation (PCE): AHA/ACC Guidelines, 2019 Life CVD, ESC Guidelines, 2021 SCORE2, SCORE OP.

Nach dem AGLA Risikorechner (www.agla.ch), der auf dem PROCAM Score beruht, weist die Patientin in der Fallvignette ein Risiko von 6.8% auf (niedriges Risiko). In der Abschätzung nach ESC SCORE2-OP wären es 6.2%.

Der Referent trat anschliessend auf die Begriffe Sensitivität, Spezifität und Diskriminierung ein (Wahrscheinlichkeit, dass die Scores Personen mit höherem Risiko unterscheiden). Ein Vergleich verschiedener Scores in einer Sensitivitäts-Spezifitätsanalyse zeigte für den FRS-CHD 0.69, den FRS CVD 0.71, ATPII-FRS-CHD 0.71, RRS 0.70 und AHA/ACC 0.71 an, also alle Socres mit ungefähr der gleichen Diskriminationspower. Niedrige Sensitivität bedeutet, dass ein Patient, der einen Herzinfarkt erleiden wird, nicht erkannt wird. Hohe falsch negative Rate. Eine niedrige Spezifität bedeutet, dass derjenige, der identifiziert wird, kein kardiovaskuläres Ereignis in den nächsten 10 Jahren erleiden wird. Die hohe falsch positive Rate führt zu Überbehandlung, Nebenwirkungen und finanzieller Last. Ein Vergleich der Scores von AGLA/PROCAM, ESC/SCORE und AHA/ASCVD ergab 35%, 20% und 28%. Ungefähr 30% der Patienten mit akutem Koronarsyndrom hätten für eine niedrige Präventionskategorie qualifiziert (niedrige Sensitivität). Eine Untersuchung aus dem Jahre 2015 (DeFilippis et al. Ann Intern Med 2015; 164:266-275) verglich die Guidelines der AHA/ACC und drei ältere Framingham-basierte Risikowerte. Es zeigte sich, dass diese Richtlinien kardiovaskuläre Ereignisse um 37% bis 154% bei Männern und 8% bis 67% bei Frauen überschätzten.

Ein Vergleich von SCORE1 und SCORE2 in der CoLaus-Studie zeigte, dass die vorhergesagten 10 Jahres-Risiken mit SCORE 1 bei Frauen und Männern mit hohem Risiko doppelt so hoch wie die beobachteten waren. Mit SCORE2 berechnete, vorhergesagte Risiken waren bei Frauen etwas höher als die beobachteten, bei Männern gab es mit SCORE2 eine recht gute Übereinstimmung.

Zurückkommend auf die Patientenvignette ergibt sich nach den AGLA Guidelines ein niedriges Risiko und ein LDL-C <2.6mmol/l kann in Betracht gezogen werden. Die Risikostratifizierung gemäss dem Alter würde bei unter 50jährigen ein Risiko von 2.5 bis <7.5%, bei 50-69jährigen (unser Fall , LDL-c 4.7mmol/l) 6% (5-10%) ergeben. Bei ≥70jährigen würde das Risiko 7.5% bis <15% betragen. Dies bedeutet hohes Risiko und eine Behandlung des Risikofaktors sollte unter Berücksichtigung der Risiko Modifier, des lebenslangen Risikos, des Behandlungsnutzens und der Präferenzen der Patientin in Betracht gezogen werden (Klasse IIa).

Der Referent präsentierte anschliessend Entscheidungshilfen für die Statintherapie in der Primärprävention (Nanchen D et al Revue Médicale Suisse 2016): Unter der Annahme, dass die Patienten keine Medikamente einnehmen, hätten sie beispielsweise ein Risiko von 8%, d.h. 8 Personen von 100 würden einen Herzinfarkt erleiden. Bei Behandlung mit einem Statin mittlerer Dosierung würden 6 Personen einen Herzinfarkt erleiden, 92 Personen hätten keinen Herzinfarkt und 2 Personen würden einen Herzinfarkt dank des Medikaments vermeiden, so der Referent.

Schlussfolgerungen

Primärprävention der kardiovaskulären Krankheit in der Schweiz:

  • SCORE2 und SCORE2-OP scheinen gut kalibriert zu sein.
  • Im Vergleich zu AGLA, erhöhen die ESC-Guidelines von 2021 die Wählbarkeit vo Patienten für Statine nicht.
  • Die 2021 ESC-Guidelines erhöhen jedoch die Intensität der in der Primärprävention eingesetzten lipidsenkenden
    Medikamente.

Quelle: AGLA Update Meeting, online, 1. November, 2022

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch