Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Triplett-Therapie, Transplantation und Erhaltungstherapie bis zur Progression beim Multiplen Myelom

Quelle: P.G. Richardson et al., N Engl J Med 2022;387:132-47. DOI: 10.1056/NEJMoa2204925

Hintergrund

Bei Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (ndMM) ist die Wirkung einer zusätzlichen autologen Stammzelltransplantation (ASCT) zur Dreifachtherapie (Lenalidomid, Bortezomib und Dexamethason [RVD]), gefolgt von einer Lenalidomid-Erhaltungstherapie bis zum Fortschreiten der Erkrankung, unbekannt.

Methoden

In dieser Phase III Studie erhielten Erwachsene (18 bis 65 Jahre) mit symptomatischem Myelom einen Zyklus RVD. Diese Patienten wurden im Verhältnis 1:1 nach dem Zufallsprinzip entweder für zwei weitere RVD-Zyklen plus Stammzellmobilisierung, gefolgt von fünf weiteren RVD-Zyklen (RVD-Gruppe) oder für hoch­dosiertes Melphalan plus ASCT, gefolgt von zwei weiteren RVD-Zyklen (Transplantationsgruppe), zugeteilt. Beide Gruppen erhielten Lenalidomid bis zum Fortschreiten der Krankheit bzw. bis zu inakzeptablen Nebenwirkungen. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS).

Ergebnisse

Bei 357 Patienten in der RVD-Gruppe und 365 in der Transplantationsgruppe traten bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 76,0 Monaten 328 Fälle von Krankheitsprogression oder Tod auf; das Risiko war in der RVD-Gruppe um 53% höher als in der Transplantationsgruppe (Hazard Ratio, 1,53; 95% Konfidenzintervall [CI], 1,23 bis 1,91; P<0,001); das mediane PFS betrug 46,2 Monate und 67,5 Monate. Der Prozentsatz an Patienten mit partiellem oder besserem Ansprechen lag bei 95,0% in der Gruppe mit alleiniger RVD und bei 97,5% in der Transplantationsgruppe (P=0,55); 42,0% bzw. 46,8% hatten ein vollständiges oder besseres Ansprechen (P=0,99). Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse Grad 3 oder höher traten bei 78,2% bzw. 94,2% auf; die 5-Jahres-Überlebensrate (OS) betrug 79,2% bzw. 80,7% (Hazard Ratio für Tod, 1,10; 95% CI, 0,73 bis 1,65).

Schlussfolgerung

Bei Erwachsenen mit multiplem Myelom führte die RVD plus ASCT Therapie zu einem längeren PFS als die alleinige RVD Therapie. Ein Vorteil für das Gesamtüberleben wurde jedoch bisher nicht beobachtet.

Ibrutinib plus Bendamustin und Rituximab bei Patienten mit unbehandeltem Mantelzell-Lymphom

Quelle: M. L. Wang et al., N Engl J Med 2022;386:2482-94. DOI: 10.1056/NEJMoa2201817

Hintergrund

Der Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitor (BTKi) Ibrutinib könnte bei älteren Patienten mit unbehandeltem Mantelzell-Lymphom einen klinischen Nutzen haben, wenn er in Kombination mit Bendamustin und Rituximab gefolgt von einer Rituximab-Erhaltungstherapie verabreicht wird.

Methoden

Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter wurden nach dem Zufallsprinzip für die Behandlung mit Ibrutinib (560 mg, einmal täglich oral verabreicht bis zum Fortschreiten der Krankheit oder bis zu inakzeptablen toxischen Wirkungen) oder Placebo plus sechs Zyklen Bendamustin (90 mg pro Quadratmeter Körperoberfläche) und Rituximab (375 mg pro Quadratmeter) zugeteilt. Patienten mit objektivem Ansprechen (vollständiges oder teilweises Ansprechen) erhielten eine Rituximab Erhaltungstherapie alle 8 Wochen für bis zu 12 weitere Dosen. Der primäre Endpunkt war das von den Prüfärzten beurteilte progressionsfreie Überleben (PFS). Auch das Gesamtüberleben (OS) und die Sicherheit wurden bewertet.

Ergebnisse

Von den 523 Patienten wurden 261 nach dem Zufallsprinzip für die Behandlung mit Ibrutinib und 262 für die Behandlung mit Placebo ausgewählt. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 84,7 Monaten betrug das mediane PFS 80,6 Monate in der Ibrutinib-Gruppe und 52,9 Monate in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio für Krankheitsprogression oder Tod, 0,75; 95% Konfidenzintervall, 0,59 bis 0,96; P=0,01). Der Prozentsatz an Patienten mit komplettem Ansprechen betrug 65,5% in der Ibrutinib-Gruppe und 57,6% in der Placebo-Gruppe (P=0,06). Das OS war in beiden Gruppen ähnlich. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse Grad 3 oder 4 während der Behandlung betrug 81,5% in der Ibrutinib-Gruppe und 77,3% in der Placebo-Gruppe.

Schlussfolgerung

Die Ibrutinib Behandlung in Kombination mit einer Standard-Chemoimmuntherapie verlängert das PFS signifikant. Das Sicherheitsprofil der Kombinationstherapie stimmt mit den bekannten Profilen der einzelnen Medikamente überein.

Finanziert von Janssen Research and Development und Pharmacyclics; ClinicalTrials.gov-Nummer, NCT01776840

Prof. Dr. med. Christoph Renner

Onkozentrum Hirslanden Zürich und Onkozentrum Zürich
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich

Christoph.renner@hirslanden.ch

Aktive Immuntherapie für Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren

Patienten mit einem fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinom in der Kopf-Hals-Region (HNSCC), bei denen bereits eine palliative Chemotherapie durchgeführt wurde, haben eine schlechte Prognose. Auf moderne Therapien (z.B. mit Nivolumab oder Pembrolizumab) sprechen nicht mehr als rund 20% der Patienten an, und das mediane Gesamtüberleben liegt bei 6–7 Monaten. Daher besteht bei dieser Patientengruppe ein grosser Bedarf für wirksamere Therapien.

Neue Immuntherapie mit MVX-ONCO-1

In der Studie SAKK 11/16 wird bei Patienten mit fortgeschrittenen HNSCC die Immuntherapie mit MVX-ONCO-1 geprüft. Dabei handelt es sich um eine patientenspezifische, zellbasierte, aktive Immuntherapie, bei der die Immunantwort des Patienten auf die Tumorzellen stimuliert und verstärkt wird. MVX-ONCO-1 ist momentan noch nirgends zur Tumortherapie zugelassen, wurde aber bereits in Phase-I-Studien geprüft. MVX-ONCO-1 besteht aus zwei Komponenten:
1. Den abgetöteten Tumorzellen des Patienten, die als Antigen wirken (Vakzine).
2. Dem Immunmodulator GM-CSF (granulocyte-macrophage colony stimulating factor). Dieser wird von genetisch modifizierten Zellen, die sich in Mikrokapseln befinden, kontinuierlich abgegeben.

Praktischer Ablauf

Damit die Therapie mit MVX-ONCO-1 durchgeführt werden kann, müssen zunächst Tumorzellen des Patienten gesammelt werden, z.B. aus Biopsiematerial oder aus operativ entferntem Tumorgewebe. Eine Bestrahlung tötet diese Tumorzellen ab. Bei der Verabreichung von MVX-ONCO-1 werden dem Patienten unter Lokalanästhesie zwei 3 cm lange Mikrokapseln mit GM-CSF im Abstand von 1 cm unter die Haut implantiert (entweder am Arm oder am Oberschenkel). Zwischen die beiden Kapseln spritzt man subkutan die abgetöteten Tumorzellen. Die Kapseln werden eine Woche lang belassen und dann entfernt. Insgesamt dauert die Therapie 9 Wochen: Die ersten vier Implantationen erfolgen im Abstand von je einer Woche, anschliessend folgen zwei weitere Implantationen im Abstand von je 2 Wochen (Abb. 1). Die Nachbeobachtung dauert zehn Monate, danach werden die Patienten noch während maximal fünf Jahren in regelmässigen Abständen zur Wirkung der Immuntherapie befragt.

Warum gerade bei Kopf-Hals-Tumoren?

Es gibt vier wichtige Gründe, warum die Therapie mit MVX-ONCO-1 gerade bei Patienten mit einem fortgeschrittenen HNSCC geprüft wird:

1. Bei dieser Patientenpopulation besteht ein eindeutiger medizinischer Bedarf für bessere Therapien.
2. HNSCC wird als Tumor angesehen, der auf Immuntherapie potenziell anspricht.
3. Bei rezidivierenden, fortgeschrittenen HNSCC ist das Tumorgewebe in der Regel gut zugänglich. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um Tumorzellen für die MVX-ONCO-1-Therapie sammeln zu können.
4. MVX-ONCO-1 hat in Phase-I-Studien bei Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren vielversprechende Effekte gezeigt.

Ziele der Studie

Die Studie SAKK 11/16 wird mit insgesamt 21 Patienten an mehreren Zentren in der Schweiz durchgeführt. Alle Patienten erhalten MVX-ONCO-1. Das Ziel besteht darin, die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von MVX-ONCO-1 zu evaluieren. Der primäre Endpunkt ist das Gesamtüberleben nach 26 Wochen, zu den sekundären Endpunkten gehören unter anderem die
Zeitdauer bis zur nächsten Therapie, die Response-Rate zu verschiedenen Zeitpunkten, das progressionsfreie Überleben sowie die Nebenwirkungen.

Diese Studie wird unterstützt von:

  • Gateway for Cancer Research
  • Krebsliga Schweiz (KLS)
  • Rising Tide Foundation for Clinical Cancer Research (RTFCCR)

Seit Anfang Juni 2021 ist die MaxiVAX AG der «Legal Sponsor» der Studie.

Studienname: Personalized and cell-based antitumor immunization MVX-ONCO-1 in advanced head and neck squamous cell carcinoma. A single arm, open label, multicenter phase II trial

Teilnehmende Zentren: Hôpitaux Universitaires de Genève, CHUV – Centre hospitalier universitaire vaudois, Kantonsspital St. Gallen, UniversitätsSpital Zürich

Coordinating Investigator: Prof. Dr. med. Olivier Michielin, olivier.michielin@chuv.ch, CHUV – Centre hospitalier universitaire vaudois

Clinical Project Manager: Simone Wyss, simone.wyss@sakk.ch, SAKK Bern

Prof. Dr. med. Miklos Pless

Winterthur
SAKK Präsident

miklos.pless@ksw.ch

Management von Weichteilsarkomen – wenn die Evidenz fehlt

Die multidisziplinäre Behandlung von Weichteilsarkomen (Englisch, soft tissue sarcoma, STS) ist in verschiedenen Guide­lines festgehalten, so beispielsweise in den ESMO Guidelines 2021, in der deutschen S3-Leitlinie 2021 für STS und in Onkopedia 2019. Trotz vieler klarer Statements für das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei STS, bleiben viele Fragen unbeantwortet oder kontrovers. Prospektive Studien fehlen zu vielen der über 100 STS Subtypen, die in der 5. WHO-Klassifikation 2020 beschrieben sind. Biologisch unterschiedliche Sarkome gleichermassen zu behandeln ist problematisch. Die Inzidenz liegt auch bei den häufigsten STS Subtypen, wie den Lipo- und Leiomyosarkomen bei < 1/100’000/Jahr, womit die STS definitiv in die Kategorie der seltenen Tumore gehören.

Die Idee

Onkologische Konsensuskonferenzen zu kontroversen Standpunkten in Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Karzinomen, über welche international renommierte Experten abstimmen, haben in der Schweiz bereits eine lange Tradition. Weltweit bekannt sind die St. Galler Brustkrebskonferenz, heute «International Breast Cancer Conference (bcc)» genannt, die 2021 zum 17. Mal durch­geführt wurde und die «Advanced Prostate Cancer Consensus Conference (APCCC)», welche seit 2015 ausgetragen wird. Beide Konferenzen erreichen durch ihre Internationalität und den Konsensus-bildenden Austausch der Experten hohe Aufmerksamkeit.

Eine Konsensuskonferenz schien uns für STS umso nötiger, als das Erreichen einer genügenden Evidenz über prospektiv kontrollierte Studien an der Seltenheit der einzelnen STS-Subtypen immer wieder gescheitert ist. Und doch braucht es akzeptierte Vorgehensweisen im klinischen Alltag, verbindliche Therapiestandards und Qualitäts­indikatoren. Diese sollen die Grundlage bieten für Behandlungspfade, Verhandlungen mit den Krankenversicherern, für Argumente in der Politik und für die Planung klinischer Studien in internationaler Zusammenarbeit.

Im Oktober 2020 hatten wir die CSSS-Initiative an der EORTC Soft Tissue and Bone Sarcoma Group (STBSG) Halbjahresver­sammlung vorgeschlagen und dafür viel positives Echo erhalten. 2021 formulierten acht verschiedene interdisziplinäre Arbeitsgruppen in 22 Zoom-Sitzungen «Statements of Controversy» für STS, welche anschliessend von einer Kern-Expertengruppe in 220 Fragen umformuliert wurden. Diese Fragen wurden 62 internationalen Sarkom-Experten aus unterschiedlichen Disziplinen zur Abstimmung vorgelegt und anschliessend ausgewertet. Die Resultate der Umfrage haben wir am 20 und 21.5.22 in St. Gallen präsentiert und angeregt diskutiert. Die CSSS Diskussionsteilnehmer wurden eingeladen, über 62 Fragen erneut abzustimmen, um spezielle Diskussionspunkte zu vertiefen. Bei der ersten und der zweiten Umfrage gab es Fragen mit Einfachauswahl und solche, bei denen mehrere Antworten erlaubt waren. Zusätzlich war bei jeder Frage die Option «Enthaltung» möglich, wenn man sich in diesem Bereich nicht kompetent fühlte oder den Eindruck gewann, die Frage sei nicht eindeutig gestellt. Bei 33% oder mehr Enthaltungen wurde die Frage für die Auswertung gestrichen. Wir definierten in CSSS einen Konsensus bei ≥ 75% und einen klaren Konsensus bei ≥ 95% Übereinstimmung.

Wichtigste Erkenntnisse aus der Konsensus Konferenz (CSSS)

Auch in Zeiten der Pandemie ist ein internationaler Austausch über eine Zeitperiode von eineinhalb Jahren sehr effizient und kostengünstig gelungen. Zweiundsechzig europäische und schweizerische Sarkomspezialisten aller Disziplinen (Abb. 1 und 2) haben in acht Arbeitsgruppen (Abb. 3) folgende Themen diskutiert (Abb. 4).

1. Diagnostik

Sarkom-Pathologie und -Radiologie sind die beiden Grundpfeiler der STS Diagnostik. Sie komplementieren sich, was eine gute Kommunikation beider Disziplinen voraussetzt. Kriterien für das Grading von STS sind bereits aus dem Biopsiematerial (geführt durch eine zuvor veranlasste Bildgebung) von Bedeutung, bieten doch präoperative Therapien bei Hochrisiko-STS in mehrfacher Hinsicht Vorteile für einen kurativen Therapieansatz. Eine Standardisierung von Pathologieberichten mit integrierten Angaben zu den radiologischen Befunden wird gefordert. Gleiche Anforderungen werden an das postoperative Response Assessment gestellt. Ein klarer Konsens (100% Zustimmung) besteht darin, dass mesenchymale Tumoren mit ungewöhnlicher Morphologie, biologischem Verhalten oder molekularen Aberrationen zwingend von einem Referenz-Sarkom-Pathologen beurteilt werden müssen. Folgenden Kriterien, die ein Referenz-Pathologen erfüllen soll, wurde mehrheitlich zugestimmt: Vorhandensein von Qualitätskontrollen in der Diagnostik am Institut, regelmässige Teilnahme am interdisziplinären SarkomTumorboard, Zusammenarbeit mit validierten Laboren für die molekulare Diagnostik, regelmässiger Austausch mit Referenzpathologen, Kenntnisse zu den neuesten diagnostischen Techniken (Antikörper, molekulare Assays), regelmässige Durchführung von NGS, Ausbildung für mindestens 1 Jahr an einem Institut mit einem Referenz-Pathologen, wissenschaftliche und Ausbildungsfunktionen auf dem Gebiet der Sarkom-Pathologie, mehr als 100 STS Primärdiagnosen pro Jahr.

2. Perioperatives STS Management

Viel zu diskutieren gab das perioperative STS Management. Zwar gibt es Daten zur perioperativen Systemtherapie bei Hochrisiko-STS, es fehlt aber bis dato eine Studie mit einem Observationsarm ohne eine entsprechende Systemtherapie. Unklar ist die genaue Definition von «Hochrisiko-STS», hier werden Grösse, Tiefe und Grading als Risikoindikatoren verwendet, alternativ wird das SARCULATOR Tool, welches jedoch nur einen Teil der STS Subtypen berücksichtigt, zur Risikoberechnung herangezogen oder auch molekulare Signaturen. Weiterhin fehlen robuste Daten zur Dauer einer perioperativen Systemtherapie, zum besten Zeitpunkt derselben (prä- oder postoperativ), zu den am besten geeigneten Medikamenten. Die Wahl der Substanzen ist wiederum erschwert durch die zahlreichen STS-Subtypen. Als optimaler primärer Endpunkte für eine künftige Studie zur perioperativen Systemtherapie, wurden DFS und OS als etwa gleichwertig beurteilt.

Ähnlich gibt es zur perioperativen Radiotherapie (RT) offene Fragen. Bei den Sarkomen – wie auch bei einigen andern Tumoren – werden zunehmend Kurzprotokolle angewendet, deren Gleichwertigkeit in Studien zurzeit gerade validiert wird mit entsprechenden Modifikationen der Dosis. Auch wenn bei der RT eine präoperative Applikation bevorzugt wird, konnten Argumente für eine postoperative Radiotherapie formuliert werden, nämlich Sorge vor Wundheilungsstörungen oder einer Diskrepanz zwischen Grading von Biopsie und initialer Bildgebung.

3. Operatives Vorgehen

Die Planung einer kurativen Resektion erfolgt nach initialer Bildgebung und histologischer Aufarbeitung der obligaten prätherapeutischen Biopsie am interdisziplinären Sarkom-Tumorboard. Dabei werden vom Chirurgen die Wahrscheinlichkeit einer R0-Resektion eingeschätzt und die dafür unterstützenden Vortherapien besprochen. Für Sarkome im Retroperitonealraum ist aus anatomischen Gründen oft nur eine R1-Resektion möglich und wird entsprechend akzeptiert. In Ausnahmefällen kann bei Extremitätensarkomen eine geplante marginale Resektion durchgeführt werden, wenn dadurch ein relevanter Funktionsverlust verhindert werden kann.

Anlass zu vielen Diskussionen gab die Indikation für eine Re-Resektion im Falle von positiven Resektionsrändern mit oder ohne makroskopischen Tumorrest. Diese Situation wird vor allem nach ungeplanten Resektionen angetroffen (sogenannte «Whoops»- Resektionen), die durch Antizipation und erhöhte Aufmerksamkeit vor allem unter Allgemeinchirurgen ausserhalb von Sarkom-Netzwerken verhindert werden müssen.

Ein klarer Konsens konnte darüber erreicht werden, dass die Prinzipien der Sarkom-Chirurgie auch für die Disziplinen der Kopf-Hals Chirurgie, der Dermatologie und der gynäkologisch tätigen Chirurgen gelten sollen.

4. Oligometastasierung

Um über therapeutische Optionen (kurativ versus palliativ) bei Oligometastasierung diskutieren zu können, musste zunächst über die Definition «Oligometastasierung bei STS» abgestimmt werden. Die Kriterien, welche favorisiert werden, sind: Anzahl der Läsionen (knapp die Hälfte der Panelisten stimmten dafür), gefolgt von Anzahl der betroffenen Organe, das Intervall zur Primärdiagnose und die Wachstumsdynamik der Läsionen und schlussendlich eine Vorgeschichte von STS Metastasen beim Patienten. Ein Konsensus konnte erreicht werden bei synchron aufgetretenen Lungenmetastasen zum Zeitpunkt der STS-Diagnose, wo zunächst eine Verlaufsbildgebung durchgeführt werden soll, bevor eine lokale Therapie angeboten wird.

5. Fortgeschrittene STS Erkrankung

Die Molekularpathologie wird immer relevanter für Therapieentscheidungen beim fortgeschrittenen STS. War bis vor kurzem eine Anthrazyklin Monotherapie (ev. kombiniert mit Ifosfamid bei Therapiedruck) als Erstlinientherapie in der palliativen Situation akzeptiert, so werden zunehmend zielgerichtete Therapieansätze in der ersten und weiteren Therapielinien gemäss molekularem Profil gefordert. Die Verfügbarkeit solcher Medikamente, die dafür aber nicht zugelassen sind, stellen grosse Hürden dar. Hier ist die Politik gefragt und eine nationale und internationale Harmonisierung des Vorgehens.

Da randomisierte Studien bei kleinen Fallzahlen häufig nicht realisierbar sind, werden Registerdaten, Daten zur Lebensqualität und zu Patient Reported Outcome (PRO) zur Argumentation mit den regulatorischen Behörden benötigt. All diese Schritte und Massnahmen sind nur, wie in unserer Konsensus Konferenz angeregt, mit internationaler Zusammenarbeit möglich und über Therapieprotokolle, welche von akademischen Konsortien, wie beispielsweise der EORTC, entworfen werden.

Konklusion und Ausblick

Nicht überraschend, gab es nur bei wenigen Fragen einen Konsens, oder gar einen klaren Konsens. Der positive Zugewinn, den wir aus solchen Konsens-Voten für den klinischen Alltag ableiten wollen, ist beispielsweise eine Verhandlungsbasis mit den Krankenkassen für eine off-label Therapieempfehlung. Verbleibende kontroverse Standpunkte sollen in prospektiven Studien in internationaler Kollaboration untersucht und geklärt werden. Dafür eignet sich die EORTC unter deren Patronat die CSSS Initiative entstanden ist.
Eine interessante Übereinstimmung fand sich bei der Suche nach standespolitischen Kriterien für Sarkom-Spezialisten der diversen Disziplinen (Qualitätskriterien).

Auf allgemeinen Wunsch der Panelisten soll CSSS 2024 wiederholt werden.

Die Resultate der ersten und der zweiten CSSS Umfrage sollen in einem Peer-Reviewed Paper publiziert werden.

Wir danken an dieser Stelle den 62 Panelisten, welche tatkräftig zum Gelingen dieser ersten Conference on State of Science in Sarcoma (CSSS) beigetragen haben.

Dr. med. Silvia Hofer

Universitätsspital Zürich
Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Schmelzbergstrasse 12
8091 Zürich

silvia.hofer@usz.ch

PD Dr. med. Christian Rothermundt

Leitender Arzt / Leitung Ambulatorium St. Gallen & Rorschach
Kantonsspital St. Gallen
Klinik für Med. Onkologie/Hämatologie
Rorschacher Strasse 95
9007 St. Gallen

Formative Evaluation des Bundesgesetzes über die Registrierung von Krebserkrankungen (Krebsregistrierungsgesetz, KRG)

Befragung von Krebsbetroffenen

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) lässt das Krebsregistrierungsgesetz (KRG) extern evaluieren. Die Firma Infras Zürich hat dieses Mandat erhalten und führt die vierjährige Evaluation zwischen April 2020 und Mai 2024 durch. Im Zentrum stehen die Umsetzung des neuen Gesetzes und seine ersten Wirkungen. Die Ergebnisse dienen dem BAG als Grundlage für Optimierungs­entscheide in Bezug auf die Umsetzung und auf einen allfälligen Revisionsbedarf des KRG und der KRV.

Im Rahmen der Evaluation sind unter anderem eine Online-Befragung und Interviews mit von krebsbetroffenen Menschen zu Themen wie Information und Widerspruch zur Registrierung der Daten vorgesehen. Bitte informieren Sie betroffene Patientinnen und Patienten über diesen Aufruf zur Online-Befragung um diese Evaluation zu unterstützen. Teilnehmen können alle Personen, die nach dem 1.1.2020 an Krebs oder einer Vorstufe davon erkrankt sind. Auch gesetzliche Vertreterinnen oder gesetzliche Vertreter eines Kindes unter 16 Jahren können an der Befragung teilnehmen.

Mit der Umfrage-Teilnahme können Krebspatientinnen und -patienten einen wertvollen Beitrag leisten, damit die Krebsregistrierung künftig im Sinne der Betroffenen verbessert wird.

Bei Fragen zur Evaluation steht Ihnen die BAG-interne Projekt­leiterin der Evaluation, Frau Christine Heuer von der Fachstelle Evaluation und Forschung, gerne zur Verfügung:
Tel. 058 462 63 55, E-Mail: christine.heuer@bag.admin.ch

Hier geht’s zur Online-Umfrage: www.oncosuisse.ch/umfrage

Oncosuisse Netzwerkanlass zu Daten und Register: Kurzrückblick

Wo liegen die aktuellen Herausforderungen im Bereich Daten und Register in der Schweizer Onkologie? Welcher konkrete Handlungsbedarf ergibt sich in den Bereichen Datenerfassung, -Interoperabilität und -Linkage sowie im Datenschutz und der nachhaltigen Finanzierung von onkologischen Datensammlungen? Welche erarbeiteten Handlungsempfehlungen sind zu priorisieren?
Am Oncosuisse Netzwerk-Anlass vom 27.6.2022 in der Welle 7 in Bern wurden diese Fragen im Rahmen von acht separaten Workshops diskutiert und nach Antworten gesucht. Die über 100 Workshop-Teilnehmer:innen stammten primär aus den Bereichen Onkologie, Krebsregister, Datenwissenschaften, Pflege sowie aus nationalen und kantonalen Behörden (Bundesämter für Gesundheit, für Statistik sowie für Umwelt, Staatsekretariat für Wirtschaft, kantonale Gesundheitedirektionen sowie Kantonsärztliche Dienste und weitere). Nebst den Workshops wurden im Rahmen von Projektpräsentationen folgende Projekte vorgestellt:

  • Swiss Personalized Health Network SPHN, Thomas Geiger/Leiter Management Office
  • Swiss Personalized Oncology, Olivier Michielin/Co-Head SPO
  • SAKK SCORED Database, Charlotte Maddox/Head of Clinical Project Development
  • Cancer Registration Notification Scenario Project, Sabine Rohrmann & Katharina Stähelin, Co-Leiterinnen ASRT

Die Projektpräsentationen sind auf der Oncosuisse Webseite abrufbar:
(www.oncosuisse.ch/netzwerkanlass-4) und die Resultate der Workshops sind zur Zeit in der Nachbearbeitung. Ziel ist es, die in den Workshops entwickelten Handlungsempfehlungen im Rahmen des Masterplan 2030 von Oncosuisse zusammenzufassen und als Basis für einen zu schaffenden Schweizer Krebsplan zur Verfügung zu stellen. Wir werden Sie über die Fortschritte via Onco­suisse-Newsletter und hier im Heft informieren. Für Fragen wenden Sie sich an Michael Röthlisberger, Geschäftsführer Oncosuisse (info@oncosuisse.ch).

Un traitement ciblé pour les patients présentant la mutation KRAS G12C (1)

Des décennies de recherche ont désormais permis de mettre à la disposition des patients atteints d’ un cancer du poumon non à petites cellules présentant la mutation KRAS G12C un traitement ciblé efficace (1, 2). Dans le cadre de l’ étude pivot CodeBreaK 100, le sotorasib (Lumykras®), un inhibiteur hautement sélectif de KRAS G12C, a permis d’ obtenir une réponse rapide et durable chez les patients fortement prétraités (2). Le suivi à long terme de deux ans a également montré une efficacité et une tolérance prometteuses du traitement oral (3).

Hier finden Sie den ganzen Pharma-Sonderreport

Pharma-Sonderreport verantwortet von AMGEN Switzerland AG, Rotkreuz

Für eine Schweiz ohne HPV-assoziierte Krebserkrankungen

Seit Mitte Juni gibt es den Verein «HPV Alliance Schweiz». Die sechs Gründungsmitglieder wollen die Bevölkerung stärker für das Thema HPV sensibilisieren, Präventionsmassnahmen fördern und weitere Datengrundlagen schaffen. Ihr Vorhaben deckt sich mit dem Ziel der Weltgesundheitsorganisation, die erreichen will, dass niemand mehr an HPV-bedingtem Krebs erkrankt (1).

Gemäss Schätzungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) infizieren sich in der Schweiz 70–80% der sexuell aktiven Menschen mindestens einmal im Leben mit humanen Papillomaviren (HPV); etwa 5’000 von ihnen erhalten jährlich die Diagnose einer HPV-bedingten Krebsvorstufe. Mit jährlich rund 250 neuen Fällen bei Frauen im Alter zwischen 20 und 49 Jahren ist der Gebärmutterhalskrebs, die häufigste HPV-bedingte Krebserkrankung, die fünfthäufigste Krebserkrankung der Frauen in der Schweiz (2).

Handlungsbedarf für die Schweiz

In der Bevölkerung in der Schweiz ist der Begriff HPV weniger bekannt als in Europa. So wussten in einer Umfrage nur 48% der in der Schweiz Befragten, was HPV ist, im Vergleich zum europäischen Durchschnitt von 63% (3). Generell werden in der Schweiz Präventionsmassnahmen zur Verminderung von HPV-assoziierten Krebserkrankungen zu wenig genutzt:

  • Es existieren keine einheitlichen Impf- oder populationsbasierten Krebsführerkennungsprogramme.
  • Die Durchimpfungsraten bei Jugendlichen/jungen Erwachsenen sind mit 59% (Mädchen) und 17% (Jungen) weit unter dem definierten Ziel des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) von 80% (4).
  • Die Umsetzung der Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) zur Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs sind unzureichend (5); u.a. infolge fehlender nationaler Richtlinien.
  • Es fehlt eine übergeordnete und koordinierte Zusammenarbeit auf nationaler Ebene.

«HPV betrifft alle Menschen. Deshalb müssen die Massnahmen und Informationen breiter verankert werden – damit jede Person geschützt und informiert über ihre Sexualität bestimmen kann», sagt Barbara Berger, Präsidentin HPV Alliance Schweiz & Geschäftsleiterin Sexuelle Gesundheit Schweiz. Für ihre künftige Arbeit haben die Mitglieder der HPV Alliance Schweiz folgende Schwerpunkte erarbeitet: Sie wollen langfristig HPV-assoziierte Krebserkrankungen eliminieren, die HPV-Gesundheitskompetenz stärken, evidenzbasierte Präventionsmassnahmen fördern, die Datengrundlage verbessern und eine bisher fehlende nationale Koordination sicherstellen.

1. World Health Organization (WHO), 17. November 2020. Global strategy to
accelerate the elimination of cervical cancer as a public health problem.
Verfügbar unter: https://www.who.int/publications/i/item/9789240014107, zuletzt eingesehen: Juni 2022.
2. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Empfehlungen zur Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV), Februar 2008. Verfügbar unter:
https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/hpv.html, zuletzt eingesehen: Juli 2022.
3. Mücke C. Humanes Papillomavirus: Schweiz zeigt im europäischen Vergleich grosse Lücken in Wissen und Bewusstsein. Ars Medici 2019(9):332-335.
4. Bundesamt für Gesundheit BAG, Eidgenössische Kommission für Impffragen (EKIF). HPV-Impfung: ergänzende Impfempfehlung für Jungen und Männer im Alter von 11 bis 26 Jahre. Bulletin, 2015(10): 141-149.
5. Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG). Expertenbrief Nr. 50, 1. März 2018. Empfehlungen für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge. Verfügbar unter: https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Formulardaten/akt_50_D_Gebaermutterhals-krebsvorsorge_01.03.18.pdf