Kongressausgabe ASCO / EHA 2025

Hier finden Sie das PDF der ASCO/EHA-Kongresszeitung

Editorial ASCO

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

kaum ist der ASCO 2025 vorbei, beginnt wie jedes Jahr das Sortieren und Einordnen der Flut an Daten, Diskussionen und Eindrücken. Auch in diesem Jahr war der Kongress ein Spiegelbild der modernen Onkologie: voller Aufbruchsstimmung, teils revolutionären Therapieansätzen – aber zugleich durchzogen von Zweifeln, wo Daten noch nicht die Versprechen einlösen.

Es ist beeindruckend zu sehen, wie sich die Grenzen zwischen lokal begrenzter und metastasierter Erkrankung weiter verwischen. Molekulare Tests, Liquid Biopsies und immer präzisere Therapien rücken mehr und mehr ins Zentrum unserer Arbeit. Gleichzeitig gibt es auch dieses Jahr ­Ergebnisse, die uns ernüchtern und uns mahnen, nicht jeder vermeint­lichen Innovation vorschnell zu folgen.

Was mich persönlich nachdenklich stimmt: Die Schweiz ist bei vielen ­grossen internationalen Studien nicht so präsent, wie es ihrem Potential entspräche. Mehrere Kolleginnen und Kollegen sprechen das in ihren Interviews offen an. Sicher tragen dazu auch die begrenzte finanzielle
Unterstützung durch staatliche Stellen sowie die zwar berechtigte, aber teils sehr rigide Beurteilung durch Swissmedic bei. Hier muss Abhilfe geschaffen werden, wenn wir nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken wollen. ­Natürlich liegt es auch an uns allen, unsere Expertise und hervor­ragende Infrastruktur noch aktiver einzubringen, damit wir wissenschaftlich und klinisch nicht zu Zuschauern degradiert werden.

Die vorliegenden Interviews in dieser Kongressausgabe von info@ONCO-SUISSE geben Ihnen persönliche Einblicke, Highlights, aber auch kritische Stimmen. Sie zeigen die ganze Spannweite des ASCO – von bahnbrechenden Resultaten bis zu Momenten der Ernüchterung. Und sie laden ein, gemeinsam weiterzudenken: Welche dieser neuen Erkenntnisse werden tatsächlich unsere Praxis verändern? Und welche noch nicht? Und was sind die nächsten Fragen, die wir angehen müssen?

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre dieser Ausgabe – und ­viele ­anregende Diskussionen im Kollegenkreis. Denn der ASCO hat erneut bewiesen: Die Zukunft der Onkologie entsteht nicht allein in Daten, sondern vor allem im Dialog darüber.

Herzliche Grüsse
Prof.  Dr. med. Roger von Moos

Editorial EHA
Bahnbrechende Therapieansätze prägen die Zukunft der Hämatologie

Der diesjährige 30. EHA-Kongress fand vom 12. bis 15. Juni in Mailand statt und markierte ein bedeutendes Jubiläum unserer wissenschaftlichen Gemeinschaft. Erneut war die Möglichkeit einer hybriden Teilnahme gegeben, wodurch ein Grossteil der Hämatologen/-innen sowohl virtuell als auch vor Ort an den hochkarätigen Präsentationen teilnehmen konnte. Die Vortragsräume waren durchweg gut gefüllt und lebhafte Diskussionen prägten das wissenschaftliche Programm. Die wissenschaftliche Qualität erreichte auch in diesem Jahr wieder ein beeindruckendes Niveau, wobei sich der Kongress ganz im Zeichen neuer bahnbrechender Therapieansätze präsentierte.
Besonders hervorzuheben sind erneut die wegweisenden Fortschritte in der personalisierten Medizin und der Immuntherapie. Wir erlauben uns, einige besonders relevante Höhepunkte aus dem Bereich der malignen Hämatologie hervorzuheben:

Innovative Ansätze bei malignen Neoplasien
Die Entwicklung neuer Immune Checkpoint Ziele steht im Zentrum aktueller Forschungsbemühungen. Besonders vielversprechend erscheinen präklinische Daten zu SLAMF6-Blockade bei AML, die starke T-Zellantworten auslösen könnte, ohne dass Stammzellen geschädigt werden. Dieser Ansatz könnte eine neue Ära der immuntherapeutischen Behandlung bei AML einläuten.

Immuntoxine, CAR-T, Bispezifische Antikörper und neue Kombinationsstrategien
Beeindruckend waren auch die Ergebnisse der Phase-III-Studie POLARGO, in der das Sterberisiko durch Polatuzumab Vedotin kombiniert mit R-GemOx bei rezidiviertem/refraktärem DLBCL um 40% gesenkt werden konnte. Diese Kombination könnte sich als neue Standardtherapie für diese Patientengruppe etablieren und konkurrenziert mit der STARGLO Studie, die Glofitamab kombiniert mit GemOx als neuen möglichen Standard etabliert hat.Im Bereich der innovativen Immuntherapien zeigten sich Fortschritte durch die Kombination von zwei bispezifischen Antikörpern. Die Phase-2-Studie mit Talquetamab plus Teclistamab bei rezidiviertem/refraktärem Myelom (RedirecTT-1) erreichte eine Gesamtsprechrate von etwa 79%, insbesondere bei extramedullärer Erkrankung. Diese Daten unterstreichen das Potenzial bispezifischer Antikörper in der Myelomtherapie.

Revolutionär erscheint die neue duale CD19/CD20 CAR-T-Therapie (JNJ-4496), deren erste Daten eine 100%ige Gesamtansprechrate (ORR), 80%ige Komplettremissionsrate (CR) bei gleichzeitig geringen toxischen Ereignissen zeigen. Diese Entwicklung könnte die CAR-T-Therapie auf ein neues Niveau heben.

Durchbrüche bei seltenen und myeloproliferativen Neoplasien
Besonders erwähnenswert ist die grösste Kohortenstudie mit mehr als 300 Patienten, die eine differenzierte Risikoeinteilung mit MPL-Mutation bei essentieller Thrombozythämie etablierte. Diese Erkenntnisse werden die Therapieentscheidungen bei ET-Patienten grundlegend verändern.

Der First-in-class Antikörper INCA33989, der ausschliesslich an mutiertes Calreticulin bindet, zeigte in der Phase-1-Studie vielversprechende Aktivität bei Resistenz oder Intoleranz gegen andere ET-Therapien bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Diese zielgerichtete Therapie eröffnet neue Perspektiven für MPN-Patienten.

Fortschritte in der AML-Behandlung
Die Entwicklung oraler Therapien macht bedeutende Fortschritte. Die Phase-1/2-Studie mit oralem Decitabine plus Venetoclax zeigte Wirksamkeit, die mit herkömmlichen intravenösen Regimen vergleichbar ist. Dies könnte die Lebensqualität unserer AML-Patienten erheblich verbessern.
Vielversprechend sind auch die Kombinationsdaten von Menin-Inhibitoren mit Azacitidin /Venetoclax und 7+3, die positive frühe Signale zeigen und einen neuen therapeutischen Ansatz bei bestimmten AML-Subtypen darstellen könnten.

Transplantation und unterstützende Therapie
Im Bereich der allogenen Stammzelltransplantation konnte gezeigt werden, dass Post-transplant Cyclophosphamid plus Cyclosporin bei Graft-versus-Host-Reaktion Methotrexat bei nicht verwandten Spendern übertrifft. Diese Erkenntnisse werden die Standardprotokolle in der Transplantationsmedizin beeinflussen.

Besonders praxisrelevant ist die Entwicklung einer einfachen 10-Minuten-Frailty-Skala für HCT-Patienten, die Morbidität und Überleben vorhersagt und direkte Anwendung im Klinikalltag ermöglicht.

Künstliche Intelligenz und digitale Gesundheit
Der Kongress widmete sich auch intensiv dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Hämatologie. Präsentationen zu Ghost-Cytometry bei CML und der MyMPNVoice-App für MPN-Patienten zeigten das Potenzial digitaler Technologien auf. Ghost-Cytometry ermöglicht dabei eine Zelltrennung basierend auf der Morphologie des Zytoplasmas, welches mit einem einfarbigen Fluorophor markiert ist – ein innovativer Ansatz zur Verbesserung der Diagnostik.

Gleichzeitig wurde die Betonung der Patienteneinbindung und Mitbestimmung in der Forschung als wesentlicher Baustein für eine patienten-orientierte Medizin hervorgehoben.

Ausblick
Der 30. EHA-Kongress in Mailand hat eindrücklich gezeigt, dass wir uns an einem Wendepunkt in der hämatologischen Therapie befinden. Die präsentierten bahnbrechenden Ansätze – von neuen Immune Checkpoint Zielen über innovative CAR-T-Therapien bis hin zu oralen Behandlungsoptionen – werden unser therapeutisches Vorgehen in den kommenden Jahren grundlegend verändern.
Wir hoffen, mit diesen aus unserer Sicht äusserst relevanten Entwicklungen Ihr Interesse am EHA-Kongress und somit auch am vorliegenden Heft geweckt zu haben. Zudem wünschen wir Ihnen viel Freude bei der Lektüre und sind überzeugt, dass viele Kolleginnen und Kollegen bereits gespannt auf den nächsten EHA-Kongress 2026 blicken.

Mit freundlichen Grüssen
Prof. Dr. med. Christoph Renner

Ausgewählte Studien zu soliden Tumoren

Endokrine Therapie und Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Mortalität bei postmenopausalen Brustkrebsüberlebenden

Es gibt zunehmende Bedenken hinsichtlich der kardiovaskulären Sicherheit im Zusammenhang mit der Anwendung endokriner Therapien bei Frauen mit Brustkrebs. Kürzlich wurde das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse und die Mortalität im Zusammenhang mit der Anwendung endokriner Therapien bei postmenopausalen Frauen mit Brustkrebs im Frühstadium untersucht.

Methoden

Es wurden postmenopausale Frauen eingeschlossen, bei denen zwischen 2005 und 2013 ein Hormonrezeptor-positiver Brustkrebs im Stadium I–III diagnostiziert wurde (n = 8 495). Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt: Anwenderinnen von Aromatasehemmern, Anwenderinnen von Tamoxifen und Nicht-Anwenderinnen einer endokrinen Therapie innerhalb von 12 Monaten nach der Brustkrebsdiagnose. Mit Hilfe von Likelihood-Ratio-Tests wurde untersucht, ob der Zusammenhang zwischen der Anwendung endokriner Therapien und den Ergebnissen in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Mortalität in Abhängigkeit vom Body-Mass-Index (BMI) sowie von einer Vorgeschichte mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor der Brustkrebsdiagnose variiert.

Ergebnisse

Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 7.5 Jahren hatten Frauen, die Aromatasehemmer einnahmen, ein geringeres Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) (HR = 0.84, 95 % CI: 0.73–0.97) sowie für Herzinsuffizienz
(HR = 0.81, 95 % CI: 0.66–0.99) als Frauen, die keine endokrine Therapie erhielten. Ein Zusammenhang zwischen der Anwendung von Tamoxifen und dem Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde nicht festgestellt. Die Anwendung von Aromatasehemmern war im Vergleich zur Nichtanwendung einer endokrinen Therapie mit einem geringeren Risiko für die Gesamtmortalität, die kardiovaskuläre Mortalität und die nichtkardiovaskuläre Mortalität verbunden. Die Einnahme von Tamoxifen war mit einem geringeren Risiko für Gesamtmortalität und nicht-kardiovaskuläre Mortalität verbunden als keine endokrine Therapie. Dieser Zusammenhang wurde durch den BMI modifiziert (p für Interaktion <0.05).

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine endokrine Therapie bei postmenopausalen Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs im Frühstadium das Gesamtmortalitätsrisiko senkt, ohne das kardiovaskuläre Risiko zu erhöhen.

Quelle
Huang Y et al. Endocrine therapy and risk of cardiovascular disease and mortality in postmenopausal breast cancer survivors. Journal of the National Cancer Institute, 2025; djaf063, https://doi.org/10.1093/jnci/djaf063

Fokale Therapie mit hochintensivem fokussiertem ­Ultraschall bei Prostatakrebs: 3-Jahres-Ergebnisse aus einer prospektiven Studie

Um die onkologischen und funktionellen Ergebnisse des fokalen hochintensiven fokussierten Ultraschalls (HIFU) bei der Behandlung des lokal begrenzten Prostatakarzinoms (PCa) zu evaluieren, wurde eine dreijährige, prospektive Studie mit regelmässigen Sättigungsbiopsien nach Ablation durchgeführt.

Patienten und Methoden

Für die Teilnahme kamen Männer mit zwei oder weniger Läsionen der Grade Group (GG) ≤ 3 PCa in Frage. Weitere Kriterien waren ein prostataspezifisches Antigen (PSA) von ≤ 15 ng/ml, ein klinisches Stadium T1c-T2 und eine Lebenserwartung von mindestens 10 Jahren. Der primäre Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS), definiert als das Fehlen von klinisch signifikantem Prostatakarzinom (csPCa) innerhalb oder ausserhalb des Feldes bei der im Protokoll vorgeschriebenen Sättigungsbiopsie, das Fehlen einer Ganzkörper- oder systemischen Salvage-Behandlung, von PCa-Metastasen oder von PCa-bedingtem Tod. Die Ergebnisse werden anhand von zwei unterschiedlichen Definitionen von csPCa berichtet: (i) Vorhandensein von GG ≥ 2 und (ii) GG ≥ 3 oder Kernbefall von ≥ 6 mm. Sekundäre Endpunkte waren funktionelle Outcome-Messungen, die von den Patienten selbst berichtet wurden und sich auf die Harn-, Sexual- und Darmfunktion bezogen.

Ergebnisse

Insgesamt wurden 91 Patienten eingeschlossen: sechs (7 %) mit GG1 und 85 (93 %) mit GG ≥ 2. Insgesamt 83 (91 %) unterzogen sich mindestens einer Nachbiopsie. Die Teilnahme an Biopsien nach 6, 12 und 36 Monaten betrug 84 %, 67 % bzw. 51 %. Die FFS zu diesen Zeitpunkten für alle PCa mit GG ≥ 2 betrug 79 % (95 % CI: 80–88 %), 57 % (95 % CI: 48–69 %) bzw. 44 % (95 % CI: 34–56 %). Bei Verwendung der zweiten Definition betrug die FFS 88 % (95 % CI: 81–95 %), 70 % (95 % CI: 61–81 %) bzw. 65 % (95 % CI: 55–77 %). Das krebsspezifische 3-Jahres-Überleben lag bei 100 %, die Metastasen-Freiheit bei 99 %. Sowohl die Magnetresonanztomographie (MRT) mit einem negativen prädiktiven Wert von bis zu 89 % (95 % CI: 84–93 %) als auch die relative Abnahme des PSA-Wertes (p = 0.4) erwiesen sich als unzureichend für die Erkennung von Resterkrankungen. Die Urin- und Stuhluntersuchung kehrten innerhalb von drei Monaten zu den Ausgangswerten der Fragebögen zurück. Insgesamt 17 (21 %) Patienten berichteten über eine signifikante Verschlechterung der Erektionsfähigkeit. Es wurde eine signifikante Abnahme der PCa-bezogenen Ängste beobachtet.

Schlussfolgerungen

Die fokale HIFU-Behandlung des lokalisierten PCa zeigt ausgezeichnete funktionelle Ergebnisse, wobei die Hälfte der Patienten nach drei Jahren krebsfrei war. In 81 % der Fälle konnte eine Behandlung der gesamten Drüse vermieden werden. Frühe Nachsorgebiopsien sind entscheidend, um die Behandlungsmodalität zum richtigen Zeitpunkt zu ändern oder fortzusetzen. Der Nutzen von MRT und PSA bei der Erkennung eines PCa-Rezidivs ist hingegen ungewiss.

Quelle
Kaufmann B et al. Focal therapy with high-intensity focused ultrasound for prostate cancer: 3-year outcomes from a prospective trial. BJU Int 2024 Apr;133(4):413-424. doi: 10.1111/bju.16213. Epub 2023 Nov 14.

Bewertung der onkologischen 5-Jahres-Ergebnisse nach ­primärer partieller Kryoablation der Drüse (PPGCA) bei Prostatakrebs mit mittlerem Risiko.

Das Ziel einer kürzlich publizierten Untersuchung war die Bewertung der onkologischen 5-Jahres-Ergebnisse nach primärer partieller Kryoablation der Drüse (PPGCA) bei Prostatakrebs mit mittlerem Risiko.

Methoden

Von den 476 Männern, die sich einer PPGCA unterzogen und in die prospektive Studie zu onkologischen und funktionellen Ergebnissen aufgenommen wurden, hatten 313 ein mit der Magnetresonanztomographie (MRT) konkordantes Prostatakarzinom mit mittlerem Risiko, ohne Gleason-Gradgruppe ≥ 2, ohne grobe extra­kapsuläre Ausdehnung oder extreme apikale Erkrankung auf der multiparametrischen MRT vor der Behandlung. Das prostataspezifische Antigen (PSA) wurde alle sechs Monate kontrolliert. Eine multiparametrische MRT erfolgte nach sechs bis zwölf, 24, 42 und 60 Monaten. Protokollbiopsien wurden nach sechs bis zwölf Monaten sowie nach 24 Monaten durchgeführt und zeigten geringe Raten klinisch signifikanten Prostatakarzinoms (csPCa), definiert als eine Erkrankung der Gleason-Gradgruppe ≥ 2. Nach einer Zwischenanalyse wurden diese Biopsien eingestellt. Als versagensfrei galt, wer keine prostatakrebsspezifische Mortalität, keine metastasierte Erkrankung und keine Notwendigkeit zur ganzdrüsigen Therapie zeigte.

Ergebnisse

Bei 33 Patienten (10.5 %) wurde ein csPCa festgestellt. Insgesamt 91 Männer hatten eine Nachbeobachtungszeit von ≥4.5 Jahren, wobei während der Überwachung durchschnittlich 8.9 Tests des prostataspezifischen Antigens (PSA), 3.4 MRTs und 2.0 Prostatabiopsien durchgeführt wurden. Kein Patient wurde aus der Nachbeobachtung ausgeschlossen. Nach 5 Jahren betrugen die Raten der Rezidivfreiheit für In-Field-, Out-of-Field- und allgemeine csPCa 86 % (95 % CI: 78–96 %), 85 % (95 % CI: 63–94 %) bzw. 70 % (95 % CI: 57–84 %). Die 5-Jahres-Versagensfreiheit lag bei 89 % (95 % CI: 83–95 %). Es traten keine prostatakrebsbedingten Todesfälle auf. Ein Patient (1 %) entwickelte eine metastatische Erkrankung. Eine Salvage-Behandlung der gesamten Drüse und eine Salvage-Fokaltherapie wurden jeweils bei 15 Patienten (16.5 %) durchgeführt. Nur 3 von 91 in Frage kommenden Patienten (3.3 %) hielten das 5-Jahres-Überwachungsprotokoll nicht ein.

Schlussfolgerung

Es wurden sehr ermutigende mittelfristige onkologische Ergebnisse nach PPGCA bei sehr hoher Compliance mit einem strengen prospektiven Protokoll zur Identifizierung rezidivierender csPCa beobachtet.

Quelle
Lepor H et al. Five-year Oncologic Outcomes Following Primary Partial Gland Cryo-ablation Prospective Cohort Study of Men With Intermediate-risk Prostate Cancer. Urology 2025:196:189-195. doi: 10.1016/j.urology.2024.10.039. Epub 2024 Oct 22.

Prof. Dr. med. Beat Thürlimann

Brustzentrum, Kantonsspital St. Gallen
Rorschacher Strasse 95
9007 St.Gallen

Ausgewählte Studien aus der Hämato-Onkologie

Mit diesem Journal Watch möchte ich vier Arbeiten hervorheben, die sich mit dem Einsatz von Machine Learning in der malignen Hämatologie und Onkologie beschäftigen. Es eröffnen sich uns hier viele neue Möglichkeiten, die es sinnvoll zu nutzen gilt.

Deep Learning erkennt akute myeloische Leukämie

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist definiert als eine Infiltration des Knochenmarks, des Blutes oder eines anderen Gewebes mit blastären Zellen in einer Anzahl von > 20 %. Diese Zellen können der myeloischen Reihe zugeordnet werden. Das Nucleophosmin-1-Gen kodiert für ein Protein, dessen mutierte Form anders gelagert ist und für den Proliferationsvorteil der Leukämiezellen verantwortlich ist. NPM1-mutierte AML gehört zu den prognostisch günstigen Leukämien, weshalb eine rasche Identifikation dieser Mutation für Therapieentscheidungen hilfreich ist.

Zur Identifikation der Mutation werden gentechnische Methoden angewandt. Mittels quantitativer PCR kann NPM1 auch zur Diagnostik residueller Krankheit nach der Behandlung hinzugezogen werden.

In der vorliegenden Studie wurden Knochenmarksproben mit einem Machine-Learning-Algorithmus untersucht und das Vorhandensein einer NPM1-Mutation anhand morphologischer Eigenschaften vorausgesagt.

Die Vorhersage einer NPM1-Mutation war mit bisher nicht bekannten Mustern von kondensiertem Chromatin und perinukleärer Aufhellung in den Blasten assoziiert, während prominente Nukleoli mit einem normalen NPM1-Status verbunden waren.

Die Machine-Learning-gestützte Bildverarbeitung zeigte eine hohe area under the receiver operating characteristic (AUROC) von 0.9699 bei der Vorhersage einer NPM1-Mutation.

Quelle
Eckardt, JN., Middeke, J.M., Riechert, S. et al. Deep learning detects acute myeloid leukemia and predicts NPM1 mutation status from bone marrow smears. Leukemia 36, 111–118 (2022). https://doi.org/10.1038/s41375-021-01408-w

Klinische Entscheidungsfindung mit Künstlicher Intelligenz

Bekannterweise sind klinische Entscheidungen in der Krebsmedizin nicht einfach. Multimodale Daten (Radiologie, Pathologie, Klinik) müssen integriert werden und mit der Expertise mehrerer Domänen verwoben werden. Die Autoren dieser Studie setzten autonome Artificial-Intelligence (AI)-Agenten auf Basis von GPT-4 ein, um mithilfe multimodaler präzisionsonkologischer Verfahren personalisierte Entscheidungsprozesse zu unterstützen (künstliches Tumorboard). Das System verwendete Daten zur Mikrosatelliten-Instabilität, KRAS- und BRAF-Mutationen aus histopathologischen Präparaten, MedSAM für die radiologische Bildanalyse und webbasierte Suchalgorithmen wie OncoKB, PubMed und Google. Angewendet auf 20 komplexe Patientenfälle waren die AI-Agenten in der Lage, in 87.5 % der Fälle die richtigen Methoden anzuwenden, in 91 % der Fälle die richtige klinische Schlussfolgerung zu ziehen und in 75.5 % der Fälle die entsprechenden onkologischen Leitlinien heranzuziehen.

Im Vergleich zur alleinigen Anwendung von GPT-4 verbesserten die AI-Agenten die Entscheidungspräzision von 30.3 % auf 87.2 %. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Integration von Large Language Models mit präzisen onkologischen Ergebnissen und Suchalgorithmen die Möglichkeiten von AI-getriebenen Onkologie-Supportsystemen erheblich verbessert.

Quelle
Ferber, D., El Nahhas, O.S.M., Wölflein, G. et al. Development and validation of an autonomous artificial intelligence agent for clinical decision-making in oncology. Nat Cancer (2025). https://doi.org/10.1038/s43018-025-00991-6

Vorhersage des Gesamtüberlebens mit Machine Learning

Bei myeloproliferativen Neoplasien, insbesondere bei fortgeschrittener Myelofibrose, ist die allogene Stammzelltransplantation der einzige kurative Ansatz. Eine optimale Planung der Therapie im Krankheitsverlauf ist essenziell. Futilität ist definiert als eine Schwelle, unter welcher auf eine Therapie verzichtet werden soll, um wenig erfolgreiche Therapien zu vermeiden. Die prognostische Klassifikation von Patienten bleibt schwierig. In diesem Projekt wurden Daten von 5183 Patienten, die zwischen 2005 und 2020 behandelt wurden, eingeschlossen.

Es wurden verschiedene Machine-Learning-Modelle getestet, um das Gesamtüberleben vorherzusagen. Die Kohorte wurde in ein Trainings- und ein Validations-Dataset aufgeteilt. Das beste Modell war ein Random-Survival-Forest-Modell unter Verwendung von zehn Variablen: Alter, Komorbiditätsindex, Allgemeinzustand, Blasten im Blut, Hämoglobin, Leukozyten, Throm­bozyten, Art des Stammzellspenders, Intensität der Vorbereitungschemotherapie und Art der Graft-versus-Host-Krankheitsprophylaxe.

Die Güte der Vorhersage wurde mit Cox-Regressionsmodellen und anderen Machine-Learning-Modellen verglichen. Aufgrund statistischer Kriterien war das Random Survival Forest-Modell das beste und identifizierte 25 % der Patienten einer Hochrisikogruppe mit einer Mortalität von ca. 40 % ein Jahr nach der Behandlung. Das Modell ist über eine Webanwendung abrufbar (https://gemfin.click/ebmt).

Quelle
Hernández-Boluda JC, Mosquera-Orgueira A, Gras L, et al. Use of machine learning techniques to predict poor survival after hematopoietic cell transplantation for myelofibrosis. Blood. 2025 Jun 26;145(26):3139-3152. doi: 10.1182/blood.2024027287.

KI erkennt altersabhängige Risikomuster bei AML

Patienten mit akuter myeloischer Leukämie werden anhand genetischer Veränderungen gemäss den Kriterien des European Leukemia Net (ELN) in unterschiedliche Risikogruppen eingeteilt. Für diese Einteilung werden ausschliesslich genetische Veränderungen berücksichtigt, nicht jedoch andere Charakteristika wie das Alter.

In diese Studie wurden Daten von 3062 Patienten mit AML, darunter Erwachsene und Kinder mehrerer Kohorten, einbezogen. Jüngere Patienten wiesen überwiegend Mutationen in Signalpfaden auf, während bei älteren Patienten, wie bekannt, Mutationen in epigenetischen Regulatoren, Spliceosom-Genen sowie in TP53 nachgewiesen wurden. Mithilfe von Machine-Learning-Modellen wurde das Erreichen einer kompletten Remission und das Überleben nach zwei Jahren vorhergesagt. Die Fläche unter der Prädiktionskurve betrug 0.801 bzw. 0.791 für die beiden Behandlungsergebnisse. Die Autoren verwendeten eine Technik, um den Beitrag aller Variablen für verschiedene Altersgruppen (Säuglinge, Kinder, junge Erwachsene, Erwachsene, ältere Personen und alte Menschen) zu definieren.

Der grösste Beitrag kam von Veränderungen in NPM1, CEBPA, inv(16) und t(8;21) mit günstigem Risiko sowie von Veränderungen in TP53, RUNX1, ASXL1, del(5q), -7 und -17 mit ungünstigem Risiko. Die FLT3-ITD-Mutation hatte eine unklarere Rolle, da sie mit gutem Ansprechen, aber ungünstigem Überleben assoziiert war. Das Alter modifizierte die Wertigkeit genetischer Veränderungen. Mutationen in Genen, die üblicherweise im höheren Alter auftreten (TP53, ASXL1 oder del(5q)), waren prognostisch noch ungünstiger, wenn sie bei jungen Patienten identifiziert wurden.

Quelle
Eckardt JN, Hahn W, Ries RE, et al. Age-stratified machine learning identifies divergent prognostic significance of molecular alterations in AML. Hemasphere. 2025 May 7;9(5):e70132. doi: 10.1002/hem3.70132

Prof. Dr. med. Jakob Passweg

Klinik für Hämatologie
Hämatologische Diagnostik Labormedizin
Universitätsspital Basel und Blutspendezentrum beider Basel SRK
Petersgraben 4
4031 Basel

jakob.passweg@usb.ch

AACR (American Association of Cancer Research) 2025

Im Rahmen des AACR Annual Meetings 2025 in Chicago wurden aktuelle Daten zu Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC) bei soliden Tumoren vorgestellt. Die Ziele der Sitzung bestanden darin, das Wissen über aktuelle und aufkommende ADCs für das gesamte Spektrum solider Tumoren zu erweitern, die Fähigkeit zu verbessern, Patienten mit Brust-, Lungen-, gynäkologischen, Blasen-, gastrointestinalen und weiteren Krebsarten für eine mögliche ADC-Therapie zu identifizieren, sowie Strategien zu vermitteln, um ADCs sicher und wirksam in die klinischen Behandlungspläne zu integrieren.

ADC-Grundlagen

Dr. Funda Meric-Bernstam (University of Texas, Houston) präsentierte Grundlagen zu Aufbau, Wirkmechanismus, Forschung und klinischer Anwendung von ADCs. Zugelassene ADCs für solide Tumoren sind: Trastuzumab Emtansin und Trastuzumab Deruxtecan (HER2), SacituzumabA Govitecan (TROP2), Tisolumab Vedotin (Tissue Factor), Mirvetuximab Soravtansin (Folat-Rezeptor alpha), Enfortumab Vedotin sowie Enfortumab Vedotin + Pembrolizumab (Nectin-4) und Datopotamab Deruxtecan (TROP2) für unterschiedliche Indikationen.

Der Wirkmechanismus von ADCs umfasst mehrere Prinzipien: Einerseits wird eine Antitumoraktivität durch FC-vermittelte Stimulation von Immunzellen und durch Unterbrechung der Rezeptordimerisierung erzielt. Andererseits werden die meisten ADCs nach Bindung an Tumorzellen internalisiert, die Wirkstofffracht wird aus Endosomen und Lysosomen freigesetzt und führt zum Zelltod. Membrandurchdringende Wirkstoffkomponenten können auch benachbarte Zellen abtöten, was als Bystander-Effekt bezeichnet wird.

Eine Übersicht zu Charakteristika der ADC-Zielstrukturen zeigt Tab. 1.

Targets für zugelassene Wirkstoffe: HER2, TROP2, Nectin-4, TF und FRalpha

Die Trends in der Entwicklung von ADCs über vier Jahrzehnte hinweg zeigen eine Vielfalt von Ansätzen mit eindeutig herausragenden Nutzlastklassen. In den 1980er Jahren dominierten Vinca-Alkaloide und DNA-schädigende Substanzen. In den 1990er Jahren kamen Calicheamicin-basierte ADCs hinzu. Danach folgten Auristatin- und Maytansinoid-basierte ADCs. Zwischen 2015 und 2020 dominierten PBD-basierte ADCs. Aktuell befinden sich vor allem Camptothecin-ADCs in klinischer Entwicklung. Weitere Payload-Klassen werden ebenfalls untersucht, haben aber noch nicht zur Zulassung geführt.

Herausforderungen bei der Entwicklung von ADCs

Herausforderungen bei der ADC-Entwicklung umfassen:
• Optimierung von klinischem Monitoring, Dosierung und Zeitplan,
• Verständnis der Linkerstabilität,
• Entwicklung von Fernüberwachungs-Tools,
• Pharmakogenomik-Testungen,
• retrospektive und prospektive Studien zu ADC-Sequenzen,
• klinische Studien zu dualen Wirkstoffen, Radionukliden, immunstimulierenden Molekülen und proteinabbauenden Substanzen,
• Kombinationstherapien,
• Erforschung von Resistenzmechanismen,
• genauere Charakterisierung der Tumorbiologie,
• computergestützte Pathologie und Zielquantifizierung.

ADCs gelten als modulare Plattform: Die Antikörper-Komponente kann bispezifisch, trispezifisch oder maskiert sein. Linker können spaltbar oder ortsspezifisch sein, die Payload duale Wirkstoffe, immunstimulierende Substanzen oder Radionuklide enthalten.

Zukünftige Entwicklungen

Innovationen in jeder der ADC-Komponenten können zu weiteren Verbesserungen in der Krebstherapie führen. Dabei spielt die Toxizität eine wichtige Rolle. Entsprechende Strategien sind: Behandlungsdauer, fraktionierte Dosierung, Dosisanpassung nach Therapieansprechen, spaltbare und/oder chemisch labile Linker. Höhere Potenz des Wirkstoffs, Membranpermeabilität. Dosisfindungsstudien

ADCs bei Brustkrebs

Prof. Sara A. Hurvitz, Seattle, Washington, präsentierte aktuelle Erkenntnisse, praktische Möglichkeiten zur klinischen Integration und anschauliche Fallbeispiele. Sie stellte den Fall einer 56-jährigen Frau mit metastasiertem Mammakarzinom vor, die ihr zur Beratung überwiesen wurde. Die Patientin hatte vor acht Jahren einen ER+/PR+/HER2 1+ Brustkrebs Stadium IIA links. Nach einer Chemotherapie, einer modifizierten radikalen Mastektomie, einer Bestrahlung sowie einer antihormonellen Therapie mit Tamoxifen (2 Jahre) und Letrozol (2 Jahre) kam es vor drei Jahren zur Entwicklung von Lungenmetastasen (ER+/PR+/HER2 0). Die Erstlinientherapie mit Ribociclib/Fulvestrant führte nach 18 Monaten zu einem Progress in der Leber. Eine Zweitlinientherapie mit Everolimus/Exemestan scheiterte nach 10 Monaten an weiterem Progress in Knochen und Lunge, begleitet von Kurzatmigkeit und Husten.

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der HER2-Expression bei Brustkrebs

Während bei nicht amplifiziertem ERBB2 bisher keine Wirksamkeit einer HER2-Blockade nachweisbar war, eröffnet der Einsatz neuer ADCs neue Therapieansätze. In der DESTINY-Breast04-Studie zeigte Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) bei vorbehandelten Patientinnen mit metastasiertem HER2-positivem Brustkrebs eine anhaltende antitumorale Aktivität und einen signifikanten Vorteil beim progressionsfreien Überleben (PFS) gegenüber einer vom Arzt gewählten Chemotherapie. Diese Vorteile wurden sowohl bei HER2-low als auch bei HER2-ultralow Tumoren beobachtet. Die Destiny-Breast06-Studie bestätigte T-DXd als Standardtherapie nach mindestens einer endokrinen Therapie bei Patientinnen mit HER2-low und HER2-ultralow HR+ metastasiertem Brustkrebs (mBC).

In der EMILIA-Studie konnte Trastuzumab Emtansin das PFS und das Gesamtüberleben im Vergleich zu Lapatinib plus Capecitabin verbessern, bei gleichzeitig geringerer Toxizität. Diese Patientinnen hatten zuvor bereits Trastuzumab und Taxane erhalten. In der Destiny-Breast03-Studie wurde das Fortschreiten der Erkrankung bei mit Trastuzumab und Taxanen vorbehandelten Patientinnen, die Trastuzumab Deruxtecan erhielten, deutlich seltener beobachtet als bei Patientinnen, die Trastuzumab Emtansin erhielten. Allerdings war Trastuzumab Deruxtecan mit einem erhöhten Risiko für interstitielle Lungenerkrankungen und Pneumonitis assoziiert.

DESTINY-BREAST12 zeigte, dass T-DXd auch bei Patientinnen mit Hirnmetastasen eine signifikante und anhaltende intrakranielle und systemische Wirksamkeit erzielte. T-DXd wird aktuell als Erstlinientherapie für HER2-Rezeptor-positive Pa-tientinnen eingesetzt. Für die Zukunft erwähnte Prof. Hurvitz drei laufende Studien:

• DESTINY-Breast09, eine randomisierte, offene Phase-III-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Palbociclib plus ti-HER2+ endokriner Therapie bei hormonpositivem, HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs.
• DEMETHER, eine multizentrische, einarmige Phase-II-Studie zur Erhaltungstherapie mit Trastuzumab und Pertuzumab nach Induktion mit Trastuzumab Deruxtecan bei Patientinnen mit HER2-positivem, lokal rezidivierendem oder metastasiertem Brustkrebs.
• HER2CLIMB-05, eine Phase-III-Studie mit Tucatinib oder Placebo in Kombination mit Trastuzumab und Pertuzumab als Erhaltungstherapie bei HER2+ metastasiertem Mammakarzinom.

Anschliessend ging Prof. Hurvitz auf die Herausforderungen bei HER2-low und HER2-ultralow mBC ein. In DESTINY-Breast06 wurde ein längeres PFS von Trastuzumab Deruxtecan gegenüber Chemotherapie bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem, HER2-low oder ultralow mBC gezeigt, die zuvor mindestens eine endokrine Therapie erhalten hatten. Daraus ergibt sich T-DXd als neue Erstlinientherapie bei vorbehandeltem HER2-low oder ultralow metastasiertem Brustkrebs.

Fokus auf HER2-low und -ultralow

Der College of American Pathologists aktualisierte das Protokoll zur HER2-Biomarker-Bestimmung beim Mammakarzinom. Dabei wurden Bewertung und Berichterstattung zur HER2-Statusbestimmung überarbeitet und standardisierte Kommentare eingeführt, die insbesondere die klinische Relevanz betonen.

In der DESTINY-Breast04-Studie konnte bei Patientinnen mit HER2-low metastasiertem Brustkrebs mit Trastuzumab Deruxtecan im Vergleich zur Chemotherapie ein signifikant längeres PFS und OS erzielt werden. Auch DESTINY-Breast06 zeigte einen PFS-Vorteil bei Patientinnen mit HR-positivem HER2-low oder ultralow metastasiertem Brustkrebs. Dabei wurden keine neuen Sicherheitssignale identifiziert.

Weitere Studien bestätigten diese Ergebnisse: BEGONIA, eine Phase-Ib/II-Studie mit Datopotamab Deruxtecan (Dato-DXd) plus Durvalumab als Erstlinientherapie bei nicht resezierbarem, lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem triple-negativem Brustkrebs (TNBC), zeigte hohe und anhaltende Ansprechraten bei akzeptabler Sicherheit. Destiny-Breast08 untersuchte T-DXd in Kombination mit Capecitabin oder Capivasertib und zeigte erste Hinweise auf antitumorale Aktivität bei Patientinnen mit HER2-low metastasiertem Brustkrebs.

Erkennung und Umgang mit T-DXd-bezogenen ILDs: die fünf «S» Regel

Besonders hervorgehoben wurde der Umgang mit T-DXd-assoziierten interstitiellen Lungenerkrankungen anhand der sogenannten «5-S-Regel»: Screen, Scan, Survey, Suspend treatment, Steroids.

In der Phase-III-Studie ASCENT verbesserte Sacituzumab Govitecan das mediane PFS und Gesamtüberleben in allen Trop-2-Quartilen. Die TROPiCS-02-Phase-II-Studie bei Patientinnen mit vorbehandeltem, endokrin resistentem, Hormonrezeptor-positivem und HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs zeigte ebenfalls einen signifikanten PFS-Vorteil gegenüber einer Chemotherapie.

Datopotamab Deruxtecan bestätigte in der TROPION-Breast01-Studie bei vorbehandeltem, operablem, HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs eine signifikante Verbesserung des PFS und zeigte ein günstiges und gut kontrollierbares Sicherheitsprofil im Vergleich zur Chemotherapie. Diese Ergebnisse unterstützen den Einsatz von Dato-DXd als neue Behandlungsoption für Patientinnen mit inoperablem oder metastasiertem Brustkrebs, die eine oder zwei vorangegangene Chemotherapien erhalten haben.

Insgesamt zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Die Rolle von ADCs bei Brustkrebs verschiebt sich zunehmend in Richtung einer früheren Therapielinie.

ADCs bei Lungenkrebs

Prof. Dr. Stephen V. Liu, Georgetown University, Washington, Columbia, stellte den aktuellen Stand der Wissenschaft und klinische Implikationen von ADCs bei Lungenkrebs vor. Anhand eines Fallbeispiels präsentierte er einen 52-jährigen Patienten mit einer 10-jährigen Raucheranamnese und diagnostiziertem metastasiertem Lungenadenokarzinom mit Leber- und Knochenmetastasen. Ein NGS-Test ergab keine therapierbaren Mutationen, der PD-L1-Score betrug 10 %. Eine Behandlung mit Carboplatin, Pemetrexed und Pembrolizumab führte zunächst zu einer teilweisen Remission, nach sieben Wochen kam es jedoch zum Progress.

HER2 ADC Therapie bei NSCLC, HER2 Veränderungen und Screening bei NSCLC

Die HER2-gerichtete ADC-Therapie bei NSCLC wurde thematisiert. HER2 ist bei einem relevanten Anteil von Lungenadenokarzinomen überexprimiert, amplifiziert oder mutiert. Die prognostische Bedeutung dieser Veränderungen ist jedoch unklar, da keine klare Korrelation zwischen Überexpression, Amplifikation und Mutation besteht. Es wurde betont, dass Studienkohorten strikt nach der spezifischen HER2-Veränderung definiert werden müssen. Die meisten HER2-aktivierenden Mutationen beim NSCLC sind Exon-20-Insertionen (ca. 90 %), daneben existieren Punktmutationen in der Kinase- oder Non-Kinase-Domäne.

In der Studie DESTINY-Lung01 zeigte Trastuzumab Deruxtecan (T-DXd) bei vorbehandelten Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem HER2-mutierten NSCLC eine anhaltende Antitumor-Aktivität.

Zielgerichtet auf TROP2

Auch für TROP2 liegen zunehmend Daten vor. Die EVOKE-01-Studie verglich Sacituzumab Govitecan mit Docetaxel bei vorbehandeltem, fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC. Trotz nicht erreichter statistischer Signifikanz zeigte sich unter Sacituzumab Govitecan eine klinisch relevante Verbesserung des Gesamtüberlebens (OS), insbesondere bei Patienten, die nicht auf eine vorherige PD-L1-haltige Therapie angesprochen hatten. Das Sicherheitsprofil entsprach dem bekannten Muster ohne neue Signale.

Weitere ADCs für Lungenkrebs in Sicht

Weitere ADCs für Lungenkrebs werden aktuell untersucht. In der LUMINOSITY-Studie zeigte Telisotuzumab Vedotin als Monotherapie bei vorbehandeltem NSCLC mit c-Met-Überexpression und EGFR-Wildtyp ein überzeugendes und anhaltendes Ansprechen, vor allem bei hoher c-Met-Expression. Das Sicherheitsprofil war akzeptabel.

ADCs bei gastrointestinalen, gynäkologischen, urothelialen und anderen soliden Tumoren

Dr. Kathleen N. Moore (Stephenson Cancer Center, Oklahoma) präsentierte neue Daten zur Anwendung von ADCs bei verschiedenen Tumoren. An einem Fallbeispiel stellte sie eine 64-jährige Patientin mit metastasiertem serös-papillärem Uteruskarzinom vor. Die Patientin wies eine intraperitoneale Ausbreitung, Lymphknotenmetastasen und Lungenmetastasen auf. Bei HER2-positivem Tumor (HER2/CEP17-Verhältnis ≥2) wurde sie mit Paclitaxel, Carboplatin und Trastuzumab behandelt, erzielte eine komplette Remission und erhielt anschliessend 18 Monate Erhaltungstherapie mit Trastuzumab. Bei Rezidiv erfolgte eine erneute Therapiebesprechung. Insgesamt befinden sich aktuell fast 190 ADCs in der Entwicklung für gynäkologische Tumoren. In der Phase-III-Studie MIRASOL führte Mirvetuximab gegenüber Chemotherapie zu einer 35 %igen Verbesserung des PFS, einer 33 %igen Verbesserung des OS und einer Verdopplung der Ansprechrate (42 % vs. 16 %, p < 0,0001). Weitere laufende Studien untersuchen ADCs gegen Folatrezeptor alpha, darunter Raludotatug Deruxtecan, welches bei stark vorbehandelten Patientinnen mit Ovarialkarzinom auch ohne Vorselektion für CDH6 eine akzeptable Sicherheit und ermutigende Wirksamkeit zeigte.
Rinatabart Sesutecan, ein weiterer FRα-gerichteter ADC, zeigte in der Phase-1/2-Studie RAINFOL-01 eine objektive Ansprechrate von 55.6 % bei stark vorbehandelten Ovarialkarzinom-Patientinnen, unabhängig vom FRα-Expressionsniveau.

Ausrichtung auf TROP2 bei gynäkologischem Krebs

Die laufende Phase-3-Studie ENGOT-en23/GOG-3095/ MK-2870-005 untersucht Sacituzumab Tirumotecan versus Chemotherapie bei Patientinnen mit Endometriumkarzinom nach vorheriger Chemotherapie oder Immuntherapie.

Weitere Target-Ansätze umfassen B7H4, ein transmembranöses Protein, das bei etwa 90 % der Endometriumkarzinome exprimiert wird, wobei bei 30 % eine starke Färbung in mehr als 50 % der Tumorzellen festgestellt wurde.

In der TOPIC-03-Studie zeigte Sacituzumab Govitecan bei stark vorbehandelten Endometriumkarzinom-Patientinnen eine vielversprechende Wirksamkeit und beherrschbare Toxizität.

In der laufenden REJOICE-Ovarian01-Studie erzielte Raludotatug Deruxtecan bei Patientinnen mit platinresistentem Ovarialkarzinom eine bestätigte objektive Ansprechrate von 48.6 %.

In der geplanten Phase-3-Studie DESTINY-Ovarian01 soll Trastuzumab Deruxtecan (Enhertu) in Kombination mit Bevacizumab gegenüber Bevacizumab allein als Erstlinien-Erhaltungstherapie bei HER2-exprimierenden Tumoren geprüft werden.

ADCs bei Blasenkrebs

In der Phase-III-Studie EV-302 senkte Enfortumab Vedotin plus Pembrolizumab bei zuvor unbehandeltem lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom das Mortalitätsrisiko um 53 % und verlängerte das PFS um 55 % im Vergleich zur Chemotherapie. In DESTINY-PanTumor02 zeigte Trastuzumab Deruxtecan klinisch signifikante Vorteile bei HER2-exprimierenden Tumoren, insbesondere bei IHC3+ Tumoren, unabhängig davon, ob die Patienten durch lokale oder zentrale Tests identifiziert wurden. In der Phase-III-Studie TROPICS-04 führte Sacituzumab Govitecan bei vorbehandeltem metastasiertem Urothelkarzinom zwar nicht zu einer signifikanten Verbesserung von OS oder PFS gegenüber Taxanen oder Vinflunin, wies aber eine höhere objektive Ansprechrate auf. Das Sicherheitsprofil war konsistent mit bisherigen Studien, frühe Toxizitäten beeinträchtigten jedoch den klinischen Gesamterfolg.

ADCs bei gastrointestinalen Tumoren

Bei Magenkrebs zeigte Trastuzumab Deruxtecan in der DESTINY-Gastric01-Studie eine statistisch signifikante Verbesserung gegenüber Standardtherapie. Vorläufige Daten legen auch einen möglichen Nutzen bei HER2-low Magenkarzinomen nahe. Die starke räumliche und zeitliche Heterogenität der HER2-Expression erschwert jedoch die Patientenidentifikation. Eine hohe Übereinstimmung (64 %) zwischen HER2-Positivität und ERBB2-Genamplifikation wurde festgestellt. Weitere Genamplifikationen wie MET, EGFR und FGFR2 in zirkulierender Tumor-DNA waren mit einer geringeren ORR assoziiert.

DESTINY-CRC01 belegte eine signifikante Überlebensverlängerung bei HER2-positivem, metastasiertem Kolorektalkarzinom nach Versagen der Standardtherapien. In DESTINY-CRC02 wurde eine Einzeldosis von 5.4 mg/kg als optimal definiert, auch für Patienten mit RAS-Mutationen oder nach Vorbehandlung.

In DESTINY-PanTumor02 profitierten vorbehandelte Patienten mit HER2-exprimierenden Tumoren, insbesondere bei IHC3+, deutlich von T-DXd, das ein bekanntes Sicherheitsprofil (inklusive ILD) aufwies.

Fazit

Die in diesem Symposium präsentierten Ergebnisse zeigen, dass in der Entwicklung von ADCs grosse Fortschritte erzielt wurden. In den kommenden Jahren ist mit weiteren innovativen therapeutischen Verbesserungen bei zahlreichen soliden Tumoren zu rechnen.

Vorhersage und Simulationen des Tumorwachstums

Beim AACR fand ein Symposium statt, bei dem unter anderem Aspekte der Tumorgrössenentwicklung diskutiert wurden. Zwar gab es keine spezifische Session zur Modellierung der Tumorgrösse, jedoch wurden Themen behandelt, die sich mit der Vorhersage und Simulation des Tumorwachstums befassen. In der Plenary Session «Opportunities in Predictive Oncology» präsentierte Prof. Christina Curtis von der Stanford University ihre Arbeit zur Entwicklung von «digitalen Zwillingen» von Tumoren. Digitale Tumorzwillinge sind virtuelle Modelle von Tumoren, die auf Basis realer Patientendaten wie Bildgebungsdaten, molekularen Daten und klinischen Informationen erstellt werden. Sie ermöglichen eine präzisere Vorhersage des Tumorverhaltens und helfen bei der Auswahl optimaler Therapieansätze. Prof. Curtis betonte die Bedeutung gross angelegter Datenanalysen und entsprechender Technologien, um den Verlauf von Tumorerkrankungen besser vorhersagen zu können. Solche Ansätze sind entscheidend für die Entwicklung präziserer und personalisierter Behandlungsstrategien.

Lorlatinib – eine neue Behandlungsoption beim NSCLC

Die im Folgenden beschriebenen Präsentationen befassten sich mit Lorlatinib (Lorviqua®), einem Drittgenerations-ALK-Inhibitor, der sich als wichtige neue Behandlung bei ALK-positivem NSCLC erwiesen hat.

• Abstract 5947: Efficacy and safety of Lorlatinib in first-line and later-line treatment for Chinese patients: a real-world study with retrospective and prospective bidirectional cohorts: Lorlatinib zeigte bei einer chinesischen Population mit ALK-positivem fortgeschrittenem NSCLC eine starke Wirksamkeit, wobei das mediane PFS sowohl in der Erstlinien- als auch in der Zweitlinienbehandlung noch nicht erreicht wurde. Hyperlipidämie, eine bekannte Nebenwirkung von Lorlatinib, trat häufig auf, insbesondere bei Patienten mit Hirnmetastasen. Eine lipidsenkende Therapie normalisierte die Lipidwerte.

• Abstract 4720: Evaluation of Lorlatinib Efficacy Using Plasma DNA: Diese multizentrische prospektive Studie untersuchte die Wirksamkeit von Lorlatinib bei Patienten mit ALK-rearrangiertem NSCLC, die zuvor mit Alectinib behandelt wurden. Durch die Analyse zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) wurden prädiktive Marker und Resistenzmechanismen identifiziert. Die Ergebnisse zeigten, dass TP53-Mutationen mit einer verkürzten progressionsfreien Überlebenszeit (PFS) assoziiert waren. Zudem wurden persistierende ALK-Fusionen und neue Rearrangements beobachtet, die mit einer reduzierten Wirksamkeit von Lorlatinib korrelierten. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung von ctDNA-Analysen zur Vorhersage des Behandlungserfolgs und zur Identifikation von Resistenzmechanismen.

• Abstract 5947: Efficacy and Safety of Lorlatinib in First-Line and Later-Line Treatment: In dieser retrospektiven und prospektiven Studie wurden 63 Patienten mit ALK-positivem fortgeschrittenem NSCLC untersucht, die Lorlatinib entweder als Erstlinien- oder als spätere Therapie erhielten. Die objektive Ansprechrate (ORR) betrug in der Erstlinienbehandlung 85.7 % und in der späteren Behandlung 26.7 %. Die mediane PFS wurde in beiden Gruppen noch nicht erreicht. Ein häufig beobachteter Nebeneffekt war Hyperlipidämie, insbesondere bei Patienten mit Hirnmetastasen. Die Studie betont die Wirksamkeit von Lorlatinib und die Notwendigkeit eines Managements der Nebenwirkungen.

• Abstract 6794: Elucidating Mechanisms of Cancer Cell Persistence to Lorlatinib: Diese präklinische Studie analysierte die Mechanismen der Persistenz von Krebszellen gegenüber Lorlatinib bei ALK-positivem NSCLC. Durch genomische Analysen von Zelllinien und patientenabgeleiteten Xenograft-Modellen wurden MAPK-Signalwege und stammzellähnliche Zellpopulationen identifiziert, die zur Resistenzentwicklung beitragen könnten. Die Ergebnisse deuten auf potenzielle therapeutische Ziele hin, um die Wirksamkeit von Lorlatinib zu verbessern.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Neue Therapieansätze für Gliome mit IDH1/2 Mutation

Am Media Round Table von SERVIER (Suisse) S.A. gab Prof. Dr. Michael Weller vom Universitätsspital Zürich einen umfassenden Überblick über aktuelle Entwicklungen bei diffusen Gliomen niedrigen Grades. Im Fokus standen die molekulare Klassifikation, neue Erkenntnisse zur Tumorbiologie – insbesondere bei IDH-mutierten Gliomen – sowie die Rolle innovativer zielgerichteter Therapien wie Vorasidenib im Kontext der INDIGO-Studie.

Aktuelles zu «Low-Grade»- ­Gliomen: von der ­Epidemiologie über die Diagnostik bis hin zu ­neuen Erkenntnissen

Prof. Dr. Michael Weller

«Diffuse Gliome des adulten Typs sind die häufigste Form von primären Hirntumoren. 7.4 % (0.29 pro 100 000) sind Oligodendrogliome und 11.2 % (0.44 pro 100 000) sind Astrozytome. Etwa 18.6 % der diffusen Gliome weisen eine IDH-Mutation auf. Pro Jahr werden 60 bis 70 mIDH-Gliome neu diagnostiziert», so der Referent.

Die molekulare Klassifikation von Gliomen bei Erwachsenen unterscheidet gemäss den Leitlinien der European Association of Neuro-Oncology (EANO) Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q-Ko-Deletion, Astrozytom, IDH-mutiert, WHO-Grad 2 oder 3, Astrozytom, IDH-mutiert, WHO-Grad 4, Glioblastom, IDH-Wildtyp, WHO-Grad 4, H3-G34-mutiertes diffuses hemisphärisches Gliom, WHO-Grad 4 sowie diffuses Mittellinien-Gliom H3K27M-mutiert, WHO-Grad 4.

Mechanismus der Onkogenese bei mIDH-Gliomen

IDH1 und IDH2 sind homodimere Enzyme, die die Umwandlung von Isocitrat in α-Ketoglutarat (α-KG) katalysieren und dabei reduziertes NADPH aus NADP+ produzieren. Mutationen in den entsprechenden Genen wurden bei einer Vielzahl von Krebsarten beim Menschen gefunden, am häufigsten bei Gliomen, akuter myeloischer Leukämie (AML), Chondrosarkomen und intrahepatischen Cholangiokarzinomen. Das mutierte Protein verliert seine normale enzymatische Aktivität, erhält jedoch die Fähigkeit, das mIDH-Onkoprotein zu produzieren. Dadurch wird der Spiegel von Ketoglutarat vermindert und 2-HG (2-Hydroxyglutarat) angereichert. 2-HG hemmt eine Vielzahl von α-Ketoglutarat-abhängigen Dioxygenasen. Es kommt zu einer epigenetischen Fehlregulation, Blockierung der zellulären Differenzierung und pathologischen Selbsterneuerung stammzellartiger Vorläuferzellen. Dies führt zu einer gestörten Reparatur von ss- und ds-DNA. Darüber hinaus kommt es zur Hochregulation des PI3K/mTOR-Signalwegs. 2-HG trägt zur immunsuppressiven Mikroumgebung von Gliomen bei.

Die Patienten sehen sich zahlreichen Symptomen gegenüber, die ihre Lebensqualität und die ihrer Angehörigen beeinträchtigen

Dazu gehören Kopfschmerzen, Sehstörungen, kognitive Dysfunktionen (Persönlichkeitsveränderungen, Einschränkungen des Kurzzeitgedächtnisses), epileptische Anfälle, sensorische Störungen, Schwäche, Dysphasie, räumliche Wahrnehmungsstörungen und Müdigkeit. Die Komplexität des Krankheitsverlaufs, der Symptome und der Behandlungen wirkt sich emotional auf die Patienten, ihre Betreuungspersonen und ihre Familien aus.

Ein typischer Krankheitsverlauf beginnt damit, dass sich der Patient mit Symptomen vorstellt oder ein Zufallsbefund erfolgt. Es folgt eine MRT, bei der inoperable Patienten, Patienten, bei denen nur eine minimalinvasive Biopsie möglich ist, und Patienten, bei denen eine Operation (Resektion + Biopsie) möglich ist, unterschieden werden. Nach der molekularen Testung und der Histologie erfolgt eine postoperative Risikobewertung und die Entscheidung über die Therapie. Es wird zwischen «Watch and Wait» und RT + CT mit Überwachung und Nachsorge entschieden. Falls es zur Progression kommt, besteht die Therapiewahl zwischen einer zweiten Operation, RT + CT, einer klinischen Studie, einer zielgerichteten Therapie oder einer palliativen Versorgung.

Vorasidenib ist ein oraler Inhibitor der mutierten IDH1- und IDH2-Enzyme

Vorasidenib wurde speziell für eine gute Gängigkeit ins Gehirn entwickelt. Es reduzierte den 2-HG-Spiegel im Tumor um über 90 % bei einem resezierten, nicht kontrastmittelanreichernden diffusen Gliom Grad 2/3.Die Reduktion des 2-HG-Spiegels war mit einer niedrigeren Tumorzellproliferation, der Umkehr der mit IDH1/2-Mutationen assoziierten Genexpressionsprogramme, einem erhöhten Level an 5-Hydroxy-Methylcytosin in der DNA und einer Zunahme der tumorinfiltrierenden Lymphozyten assoziiert.

INDIGO (INvestigating vorasiDenIb in GliOma)

INDIGO war eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die ein Crossover nach Krankheitsprogression ermöglichte. Die Studienpopulation war ≥ 12 Jahre alt und wies ein IDH1/2-mutiertes Grad-2-Oligodendrogliom oder Astrozytom gemäss WHO-Klassifikation 2016 auf. Die Patienten waren lediglich durch eine Operation vorbehandelt. Sie wurden im 28-Tage-Zyklus oral mit 40 mg/Tag Vorasidenib (N = 158) oder Placebo (N = 163) behandelt. Das Entblinden und Crossover (n = 331) wurde durch eine zentral bestätigte radiografische Krankheitsprogression ermöglicht.

Der primäre Endpunkt war das PFS: die Zeit von der Randomisierung bis zur ersten bildgebend nachgewiesenen Krankheitsprogression (beurteilt durch das BIRC) oder der Tod aufgrund jeglicher Ursache.
Ein wichtiger sekundärer Endpunkt war die TTNI (Time to Next Intervention). Dies ist die Zeit von der Randomisierung bis zum Beginn der ersten nachfolgenden Krebstherapie oder Tod aufgrund jeglicher Ursache.

Das Resultat für den primären Endpunkt (PFS) ist in der Abb. 1 dargestellt (Mellinghoff IK, et al., N Engl J Med. 2023; 389: 589–601). Die Behandlung mit Vorasidenib hatte keinen Einfluss auf die HRQoL (FACT-Br-Bewertung), und die Neurokognition blieb erhalten. Explorative Analysen bei Patienten mit ≥ 1 Anfall in der Baseline- und Behandlungsphase ergaben für Placebo: 4 Anfälle pro Monat, für Vorasidenib: 1.5 Anfälle pro Monat.

Vorasidenib hat ein günstiges Sicherheitsprofil

Eine Behandlungsunterbrechung aufgrund therapiebedingter Nebenwirkungen (TEAE) war unter Vorasidenib in 29.9 % (n = 50) der Fälle erforderlich, unter Placebo in 22.7 % (n = 37).

Eine Dosisreduktion aufgrund von TEAEs erfolgte unter Vorasidenib bei 10.8 % (n = 18) der Patienten, unter Placebo bei 3.1 % (n = 5). Ein Behandlungsabbruch aufgrund von TEAEs musste unter Vorasidenib bei 3.6 % (n = 6) der Patienten vorgenommen werden, unter Placebo bei 1.2 % (n = 2). Es gab keine tödlichen TEAEs.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

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Von SAKK zu Swiss Cancer Institute: Ein neuer Name für eine starke Zukunft

Das Schweizer Krebsforschungsinstitut – früher bekannt als SAKK – präsentiert stolz seinen neuen Namen und sein neues, ­markantes Erscheinungsbild. Diese Veränderung markiert einen neuen Abschnitt für die nationale Organisation für klinische Krebsforschung in der Schweiz und unterstreicht unsere dynamische Entwicklung und unsere überzeugende Vision für die Zukunft.

Als Forschungseinrichtung von nationaler Bedeutung, die offiziell vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) anerkannt ist, engagieren wir uns weiterhin voll und ganz für unab-hängige, praxisorientierte klinische Krebsforschung. Das Swiss Cancer Institute basiert auf Neugier, Verantwortung und Wertschätzung und ist tief in der Schweiz verwurzelt – und weltweit vernetzt.

Gemeinsam die Zukunft der Krebsforschung ­gestalten

Wir halten uns an die höchsten Standards in der klinischen Forschung und pflegen eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb eines starken Netzwerks führender Schweizer Spitäler. Unser konsequentes Engagement für eine nachhaltige Finanzierung ist unerlässlich, um langfristige Fortschritte in der Onkologie zu sichern – damit Patienten heute und morgen schneller Zugang zu den bestmöglichen Therapien erhalten.

Modern, mutig und zukunftsorientiert

Unsere neue Markenidentität spiegelt wider, wer wir sind und wofür wir stehen – ein modernes, innovatives Forschungsinstitut mit einem klaren Ziel. Sie stärkt unsere Präsenz in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und verbessert unsere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit.