Bund bestätigt erstmals Ungleich- behandlung bei Off-Label-Vergütungen

Der Schlussbericht des Bundesamtes für Gesundheit zur Evaluation der Vergütung im Einzelfall zeigt die hohe Bedeutung der Artikel 71a–71d KVV für den raschen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten und bestätigt gleichzeitig, was zahlreiche Onkologen und die Krebsliga seit Jahren bemängeln: Die heutige Situation ist in der Praxis unbefriedigend. Es besteht eine stossende Ungleichbehandlung bei der Kostenübernahme von Off-Label-Medikamenten und der administrative Aufwand für alle beteiligten Akteure ist unverhältnismässig gross.

In kaum einem Fachgebiet werden Therapien so häufig ausserhalb ihrer zugelassenen Indikation eingesetzt wie in der Onkologie: Rund ein Drittel aller erwachsenen Krebsbetroffenen und fast alle Kinder mit Krebs werden in sogenannten Off-Label-Anwendungen behandelt. Mit der rasanten medizinischen Entwicklung und der personalisierten werden Off-Label-Behandlungen weiter stark zunehmen. Der Zugang zu diesen mehrheitlich lebensnotwendigen Therapien ist momentan abhängig davon, ob die obligatorische Grundversicherung der Krankenkasse die Kosten vergütet. Lehnt die Krankenkasse die Übernahme ab, gehen die Kosten, die sich auf mehrere 100 000 Franken belaufen können, aktuell zu Lasten der Patientinnen und Patienten und ihrer Familien – und sind für diese meist unbezahlbar.

Aktuelle gesetzliche Regelung ist veraltet

Sinnvolle Behandlungen dürfen nicht nur denjenigen Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen, welche diese selbst finanzieren können. Deshalb sind die geltenden Art. 71a-71d der Krankenversicherungsverordnung (KVV) im Grundsatz begrüssenswert. Darin ist geregelt, unter welchen Bedingungen Off-Label-Behandlungen über die obligatorische Grundversicherung vergütet werden müssen: Mittels Kostengutsprache kann im Einzelfall für Patientinnen und Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen ein nicht zugelassenes oder nicht auf der Spezialitätenliste aufgeführtes Medikament verschrieben werden – sofern ein hoher therapeutischer Nutzen zu erwarten und keine gleichwertige Alternative zugelassen ist. Letztendlich entscheidet dabei aber die Krankenversicherung, ob die Kosten übernommen werden. Die Mehrheit der Kostengutsprachegesuche wird gutgeheissen. Bei den restlichen, mehrheitlich komplexen Fällen, stellen Fachleute aus dem onkologischen Bereich unfaire Ungleichbehandlungen in Bezug auf die Vergütung fest. Hinzu kommt der grosse administrative Aufwand für alle beteiligten Akteure in der Gesuchstellung und deren Beurteilung. Zudem gelten die Artikel als überholt: Aufgrund der laufend zunehmenden Zahl der Kostengutsprachegesuche kann man längst nicht mehr von einer Ausnahmeregelung sprechen. Letztes Jahr stammte rund die Hälfte der 38 000 erfassten Gesuche um Kostengutsprache aus dem Bereich Onkologie.

Praxisorientierte Massnahmen müssen gesetzlich verankert werden

Die Krebsliga begrüsst deshalb, dass der umfassende Schlussbericht die heutige herausfordernde Situation gut aufzeigt und konkrete Empfehlungen zur Optimierung formuliert. Die Überarbeitung der Rechtsgrundlage, ein nationales Register inkl. digitaler Plattform zur Einreichung der Gesuche, die Erhöhung der Transparenz und eine zentrale Stelle für die Nutzenbeurteilung von komplexen Fällen lassen hoffen, dass sich die Zugangsgerechtigkeit in der Schweiz massgeblich verbessert. Für Krebspatientinnen und -patienten und ihre Angehörigen ist es zentral, dass die Vergütung und damit der Zugang zur lebensnotwendigen Behandlung fair, zeitgerecht und verbindlich geregelt ist.

Schlussbericht

Bundesamt für Gesundheit: Schlussprodukte der Evaluation der Vergütung von Arzneimitteln im Einzelfall nach den Artikeln 71a–71d KVV. https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/das-bag/publikationen/evaluationsberichte/evalber-kuv.html

Projekt «Empfehlungsliste»

Das Projekt unter der Leitung der Krebsliga Schweiz nimmt sich alten Medikamenten an, die nicht mehr patentgeschützt sind und die wissenschaftlich erwiesen einen therapeutischen Fortschritt im «Off-Label-Use» (Art. 71a KVV) versprechen. Bei gewissen Medikamenten akzeptieren die Krankenkassen die Vergütungsanträge in (fast) allen Fällen. Ziel ist es, eine Liste dieser Medikamente zu erstellen und einen vereinfachten Prozess für Vergütungsanträge zu entwickeln. Während der Arbeitssitzungen einigten sich die beteiligten Parteien auf eine Liste von Medikamenten. Diese Liste muss noch von den am Projekt teilnehmenden Krankenkassen formell validiert werden. Ein digitalisiertes Verfahren wird nun implementiert, um das Pilotprojekt Anfang 2021 starten zu können.

Franziska Lenz

Leiterin Politik und Public Affairs Krebsliga Schweiz

Preisverleihungssession

Die von Prof. Dr. med. Markus Manz und Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Wicki, Zürich, präsidierte Preisverleihungssession mit den Vorträgen der Preisträger fand wegen der COVID-19 Pandemie online statt. Von der Schweiz. Gesellschaften für Hämatologie (SGH), der Schweiz. Gesellschaft für medizinische Onkologie (SGMO), der Peter Anton und Anna Katharina Miescher Stiftung und der Jacques und Gloria Gossweiler Stiftung wurden insgesamt 6 Preise für abgeschlossene Arbeiten oder Projekte vergeben.

SGH/SGMO bestes Abstract & Award Session: Hämatologie & Onkologie

Hämostase, Transfusionsmedizin, Gefäss- und Labormedizin (SSH-Preis für Hämostase)

Der Preis ging an Dr. sc. Raja Prince Eladnani, Bern, für das Abstract «Targeting protein S using small interfering RNA is well tolerated and protects mice with hemophilia A from acute hemarthrosis»
Die Quintessenz der Arbeit von Dr. Prince Eladnani, Bern ist:

  • Ein kompletter Mangel an Protein S bringt die Homoeostase wieder ins Gleichgewicht und verhindert die akute und chronische Hämarthrose bei hämophilen Mäusen vollständig.
  • Gegen Protein S gerichtete Therapie unter Verwendung von
    GalNAc siRNA könnte ein wichtiger therapeutischer Ansatz für die Behandlung der Hämophilie sein.

Klinische Hämato-Onkologie (Lymphome, Myelom, Leukämie, Transplantation (SGH/SGMO Award für klinische Onkologie solider Tumore)

Der Preis ging an Dr. Claire Seydoux, Basel, für das Abstract
«Busulfan-Cyclophosphamide (BuCy) versus Cyclophosphamide-Busulfan (CyBu) as conditioning regimen before allogenic hematopoietic transplantation: a prospective randomized trial».
Dr. Seydouxs Arbeit führte zu den folgenden Schlussfolgerungen:
Geringere frühe Hepatotoxizität bei CyBu
– Niedrigere ALAT-Spiegel
– Geringere Frequenz von VOD Kriterien
– Tendenz zu geringer gradigen CTCAE Kriterien für Hepatotoxizität
Besseres Langzeit-Outcome mit CyBu
– geringere nicht-Rezidivmortalität
– Tendenz zu besserem Gesamtüberleben
– kein signifikanter Unterschied in der Rezidivinzidenz, sowie akuter und chronischer GvHD

Klinische Onkologie solider Tumore (SGMO Preis für klinische Onkologie solider Tumore)

Der Preis ging an PD Dr. med. Dr. phil. Sacha Rothschild, Basel, für das Abstract
«SAKK 16/14: Anti PD-L1 antibody durvalumab in addition to neoadjuvant chemo-therapy in patients with stage IIIA(N2) non-small cell lung cancer (NSCLC)»
Es handelte sich um die grösste Kohorte von Patienten mit resezierbarem Stadium IIA(N2) NSCLC, die präoperativ eine Immuncheckpoint-Therapie erhielten.
Die präoperative Zugabe von Durvalumab zur Standard­therapie mit Cisplatin/Docetaxel ist sicher, resultiert in einem ermutigenden 1-Jahres EFS-Rate, die historische Daten der alleinigen Chemotherapie übertrifft. Sie führt zu einer höheren pathologischen Ansprechrate nodalen Downstagings. Die exploratorischen Gewebs- und Biomarker-Analysen sind noch im Gange.
Die perioperative PD-L1 Inhibition zusätzlich zur neoadjuvanten Standardchemotherapie bildet das Rückgrat der nächsten Studie, die den zusätzlichen Nutzen der neoadjuvanten immunmodulatorischen Radiotherapie untersucht (SAKK16/18).

Experimentelle Hämatologie/Onkologie (SGH/SGMO Preis für experimentelle Hämatologie/Onkologie

Der Preis ging an Dr. Jan Stetka, Basel, für das Abstract
«Loss of Dnmt3a confers resistance to peg/FNα in JAK2-V617F mouse model»
Die Schlussfolgerungen aus den Untersuchungen von Jan Stetka waren
Peg-IFNα konnte ein hämatologisches Ansprechen in VF-Mäusen und VF,Dnmt3a-Mäusen induzieren
Die Anzahl von phänotypischen und funktio­nellen LT-HSC Zahlen wurde nicht gesenkt, sondern vielmehr durch peg-IFNαbei VF;Dnmt3a doppelt mutierten Mäusen erweitert.

  • Doppelt mutierte LT-HsCs waren vor IFN vermittelten DNA-Schäden geschützt.
  • LT-HSCs von VF;Dnmt3a doppelt mutierten Mäusen konnten bei sekundären und tertiären Transplantationen nicht erschöpft werden, was darauf hindeutet, dass Veränderungen durch die pegIFNα Therapie auf die LT-HSC im primären Wirt stabil an die Nachkommen vererbt wurden.
  • Die Daten deuten darauf hin, dass die Behandlung mit pegIFNα von Patienten, die die JAK2-V617F und DNMT3a Mutationen tragen, ungünstig sein kann.

Peter Anton und Anna Katharina Miescher Stiftung für die Forschung in Hämatologie


Der Preis im Wert von CHF 100 00.- wird alle 2 Jahre vergeben. Alle Gebiete der Hämatologie (Grundlagen-, klinische Hämatologie und Transfusion) sind eingeschlossen. Die Kandidaten müssen in der Schweiz arbeiten oder eine aktive Verbindung zu einer schweizerischen Institution haben, erläuterte Prof. Dr. med. Fotis Beris, Genf.

Der Gewinner des 2020/2021 Preises ist Prof. Steffen Böttcher, Zürich, für das Projekt «Hypomethylating agents in the treatment of TP53 mutant myeloid malignancies:  Elucidating the molecular mechanisms to improve clinical efficacy».


Fragen, die untersucht werden sollen sind: Sagen TP53-Mutationen HMA-induzierte Ansprechen bei myeloischen Malignomen voraus? Sagt der Typ der TP53-Mutation (missense vs. trucating) Ansprechen voraus? Ist die klinische Aktivität von HMAs, zwischen AML vs. MDS unterschiedlich? Gibt es einen funktionellen Unterschied zwischen Azacitidin und Decitabin? Was ist die mechanistische Grundlage für die HMA-Aktivität bei TP53-mutanter-AML? Können wir die thera­peutischen Strategien für TP53-mutante myeloische Malignome verbessern?

Jacques & Gloria Gossweiler Stiftung

Die Stiftung wurde 2006 ins Leben gerufen. Sie unterstützt Forschung auf den Gebieten Hämatologie, Neurologie, Impact Investments (vom Klimawandel bis zur Wasserknappheit, vom fehlenden Zugang zu Grundversorgung bis hin zu Bildung und erschwinglichem Wohnraum mit dem Ziel auch finanziell Gewinn zu machen) und wirtschaftliche und unternehmerische Themen in der Bildung, wie Marc Baumann, Bern, erklärte.
Es wurden 2 Forschungsprojekte ausgewählt:

Das Forschungsprojekt von PD Dr. med. Alexandre Theocharides, Zürich
«The role of protein degradation pathways in calreticulin-mutated myeloproliferative neoplasms»
Die Ziele des Projekts sind:
1. Aufklärung des Aktivierungsstatus von ERAD (Endoplasmic Reticulum Protein Degradation) und Autophagiepfaden Bewertung des proteasomalen und lysosomalen Durchsatzes in CALR-mutierten Zellen Expressionsanalyse von Autophagie-/ER-Phagie-Aktivierungsmarkern
2. Erforschung des therapeutischen Potenzials der dualen ERAD- und Autophagie-Hemmung

Das zweite von der Stiftung geförderte Projekt ist
«BioCAP- Platelet biotinylation for in vivo functional analysis in humans» von Prof. Dr. med. Lorenzo Alberio, Lausanne.

Die Ziele des Forschungsvorhaben von Prof. Alberio sind:

  • GMP-Protokoll zur Markierung von menschlichen Blutplättchen und Biotin zur Untersuchung ihres Verhaltens in vivo:
  • Lebensdauer
  • altersabhängige funktionelle Veränderungen, während sie in vivo zirkulieren
  • Die Auswirkungen unterschiedlicher Produktions- und Lagerungsstrategien von Thrombozyten konzentrieren sich auf das in-vivo-Überleben und die Funktion transfundierter Thrombozyten.

Abschliessend gratulierten die beiden Vorsitzenden den Preisträgern nochmals ganz herzlich und bedankten sich für die ausgezeichneten Referate.

Ein besonderer Dank ging an die Preisstifter für ihre grosszügigen Spenden.

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Pfizer Forschungspreis 2021

Auch dieses Jahr wurden wiederum hervorragende Arbeiten von jungen Schweizer Forschern auf den Gebieten Kardiovaskuläre Medizin, Urologie und Nephrologie, Infektionskrankheiten, Rheumatologie und Immunologie, Neurologische Wissenschaften und Erkrankungen des Nervensystemes, Onkologie und Pädiatrie vergeben.

Die Eröffnungsansprache hielt Frau Sabine Bruckner, Country Manager Pfizer. Durch den Abend führte Dr. med. Rahel Troxler, Präsidentin der Stiftung Pfizer Forschungspreis und Country Medical Director Switzerland.

Ziele der Tumor-Immunerkennung entschlüsseln

Die medizinische Krebsforschung konzentriert sich zunehmend auf die Entwicklung von Therapien, die spezifisch gegen Tumore gerichtet sind. Dies erfordert die Identifizierung von molekularen Merkmalen, die nur den Krebszellen, nicht aber den gesunden Zellen im Körper eigen sind. Fast alle Zellen im menschlichen Körper haben solche spezifische Strukturen auf ihrer Oberfläche, die so genannten humanen Leukozyten-Antigene, abgekürzt HLA-Peptide. Auch Tumorzellen haben diese Proteine auf ihrer Oberfläche und diese haben das Potenzial, Zielstrukturen für Krebsimmuntherapien zu sein.
Allerdings müssen solche potenziellen Targets zunächst auf den Tumorzellen identifiziert werden. Die Forschergruppe um Chloe Chong und Michal Bassani-Sternberg entwickelte ein Modell, das auf einer Vielzahl von tumorspezifischen Merkmalen aus immunologischen, genetischen und zellbiologischen Daten basiert. Der Fokus lag dabei insbesondere auf nicht-kodierenden genetischen Sequenzen. Zusätzlich wurden Ergebnisse aus Massenspektrometer-Analysen rechnerisch kombiniert.
Dieser neuartige Ansatz identifizierte Hunderte von HLA-Peptiden aus völlig unterschiedlichen genetischen Regionen des Genoms in einer Vielzahl von Tumorproben. Darüber hinaus entdeckten die beiden Lausanner Wissenschaftlerinnen identische, von den Patienten geteilte HLA-Peptide in den Tumorproben. Schliesslich wurde mit der neuen Methode ein immunogenes Peptid identifiziert, das mit Stammzellmarkern für das maligne Melanom assoziiert ist.
Die grosse Anzahl der neu entdeckten Antigene kann zur Entwicklung neuartiger Krebsimmuntherapien beitragen. Diese Ergebnisse, die auch anderen Forscherteams frei zur Verfügung stehen, werden bereits in laufende klinische Studien im Frühstadium am Universitätsspital Lausanne integriert.
Integrated proteogenomic deep sequencing and analytics accurately identify non-canonical peptides in tumor immunopeptidomes. Chloe Chong, Markus Müller, Hui Song Pak, Dermot Harnett, Florian Huber, Delphine Grun, Marion Leleu, Aymeric Auger, Marion Arnaud, Brian J. Stevenson, Justine Michaux, Ilija Bilic, Antje Hirsekorn, Lorenzo Calviello, Laia Simó-Riudalbas, Evarist Planet, Jan Lubiński, Marta Bryśkiewicz, Maciej Wiznerowicz, Ioannis Xenarios, Lin Zhang, Didier Trono, Alexandre Harari, Uwe Ohler, George Coukos, Michal Bassani-Sternberg. Nat Commun 2020; 11(1):1293.

Erfolgreicher Einsatz von Antikörpern gegen myeloische Leukämiezellen

Bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) kommt es durch veränderte leukämische Stammzellen zu einer unkontrollierten Vermehrung von unreifen Vorläuferzellen im Knochenmark, so dass immer mehr «defekte» und immer weniger gesunde Blutzellen entstehen. Leukämische Stammzellen sind oft resistent gegen die herkömmliche Chemotherapie und andere Therapien. Die Behandlungsmöglichkeiten, z. B. mit hypomethylierenden Substanzen als Standardtherapie, sind speziell auf ältere und gebrechliche Patienten beschränkt.
Der molekulare Hintergrund dieser Resistenzen ist wenig verstanden. Ein Grund für das Forscherteam um Carsten Riether, sich dieser Sache anzunehmen. Dieses stellte fest, dass bei der Behandlung von AML-Patienten mit hypomethylierenden Substanzen ein bestimmtes Molekül von den pathologischen Stammzellen verstärkt produziert wird. Dabei handelt es sich um den Liganden CD70. Dieser wird auf der Oberfläche von leukämischen Stammzellen exprimiert und fördert die Resistenz gegen die Krebsmedikamente. Wäre es möglich, diesen Liganden mit einem Antikörper zu blockieren und so den Behandlungserfolg zu verbessern? Genau dieses Ziel verfolgte der Berner Forscher. Mit einer Kombination aus hypomethylierenden Substanzen und dem Antikörper Cusatuzumab, der sich gegen CD70 richtet, konnten im Labor Zellen der myeloischen Leukämie eliminiert werden. Basierend auf diesen Ergebnissen wurden behandlungsnaive AML-Patienten in einer klinischen Phase-1-Studie mit einer Kombination aus Cusatuzumab und − danach − mit einer Standardtherapie behandelt. Die Leukämiezellen und die leukämischen Stammzellen wurden durch die Bekämpfung von CD70 mit Antikörpern signifikant reduziert und alle 12 untersuchten Patienten sprachen auf die Behandlung an.
Diese klinische Phase-1-Studie hat einen neuen Mechanismus der Therapieresistenz bei myeloischen Leukämiezellen entdeckt und gleichzeitig die Untersuchung einer gangbaren Behandlungsstrategie ermöglicht, die anschliessend in weiteren klinischen Studien mit einer grösseren Studienpopulation getestet werden muss.

Targeting CD70 with cusatuzumab eliminates acute myeloid leukemia stem cells in patients treated with hypomethylating agents.
Riether C, Pabst T, Höpner S, Bacher U, Hinterbrandner M, Banz Y, Müller R, Manz MG, Gharib WH, Francisco D, Bruggmann R, van Rompaey L, Moshir M, Delahaye T, Gandini D, Erzeel E, Hultberg A, Fung S, de Haard H, Leupin N, Ochsenbein AF. Nat Med. 2020 Sep;26(9):1459-1467

Prof. Dr. Dr. h.c. Walter F. Riesen

riesen@medinfo-verlag.ch

Indikationserweiterung: Hochwirksam Kombination mit Carfilzomib, Dexamethason und Daratumumab

Carfilzomib war bisher für die Behandlung des rezidivierten und refraktären multiplen Myeloms in Kombination entweder mit Lenalidomid und Dexamethason (KRd) oder nur mit Dexamethason (Kd) zugelassen (1). Basierend auf den Ergebnissen der randomisierten, multizentrischen, offenen Phase-III-Studie CANDOR ist neu die Zulassung für Carfilzomib in Kombination mit dem CD38-gerichteten Antikörper Daratumumab und Dexamethason (KdD) erteilt worden. Aktualisierte Daten der CANDOR-Studie (2) wurden bei der Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2020 präsentiert (3).

Hier finden Sie den ganzen Pharma-Sonderreport

Pharma-Sonderreport verantwortet von AMGEN Switzerland AG, Rotkreuz

Spätere Therapielinien bei Tumoren des Kopf-Hals-Bereichs

Trotz intensiver multimodaler Therapie kommt es bei ca. 30% der Patienten mit lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen des Kopf-Hals-Bereichs (LAHNSCC) zu Lokalrezidiven oder Fernmetastasierung (r/m HNSCC). In einigen Fällen besteht die Möglichkeit, die Patienten mit einer Salvage-Operation oder Re-Bestrahlung nochmals in kurativer Intention zu behandeln. Die Mehrheit der Patienten befindet sich jedoch in einer Palliativsituation.

Malgré un traitement multimodal intensif, une récidive locale ou une métastase à distance (HNSCC r/m) survient chez environ 30% des patients atteints d’un carcinome épidermoïde de la tête et du cou (LAHNSCC) localement avancé. Dans certains cas, il est possible de traiter à nouveau les patients par une chirurgie de sauvetage ou une ré-irradiation à visée curative. Cependant, la majorité des patients sont en situation de soins palliatifs.

Die CHECKMATE 141 (CM 141) war die erste randomisierte Phase 3 Studie für Patienten mit r/m HNSCC und Progredienz innerhalb sechs Monate nach einer cisplatinhaltigen Erstlinien-Chemotherapie. Auch Patienten, welche innerhalb von 6 Monaten nach einer kurativ intendierten, cisplatinhaltigen Radiochemotherapie progredient waren, konnten eingeschlossen werden. Es handelte sich dabei um eine intensiv vorbehandelte Population. Die Patienten wurden im Verhältnis 2: 1 entweder in den Arm mit Nivolumab (3 mg/kg alle 2 Wochen) oder in den Standardarm (SOC) mit Docetaxel, Methotrexat oder Cetuximab nach Wahl des behandelnden Arztes randomisiert. Der primäre Endpunkt war das Gesamtüberleben (1).
Nivolumab-Arm (N) war im primären Endpunkt sowie in verschiedenen sekundären Endpunkten dem SoC Arm überlegen. Das mediane Überleben war im Nivolumab-Arm mit 7.5 Monaten höher als im Kontrollarm mit 5.1 Monaten, was bei einer hazard ratio (HR) von 0.70 (CI 0.51–0.96) und mit einem p-Wert von < 0.01 statistisch signifikant war. Das Gesamtüberleben nach einem Jahr war im N mehr als doppelt so hoch als im SoC (36% vs. 16.6%) (Abb. 1). Das Ansprechen war im N (13.3%) ebenfalls höher als im SoC (5.8%).


In Bezug auf das progressionsfreie Überleben bestand kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen (2.0 vs. 2.3 Monate, HR 0.89 [CI 0.70-1.1], p 0.326). Die Patienten mit einer PD L-1 Expression von gleich oder mehr als 1% profitierten am meisten von einer Therapie mit Nivolumab. In dieser Gruppe betrug das mediane Überleben 8.7 Monate, verglichen mit 4.6 Monaten (HR 0.55, [95% CI, 0.36-0.83]) bei Patienten im Chemotherapie-Arm. Eine weitere Subgruppenanalyse zeigte, dass sowohl Patienten mit HPV-assoziierten als auch mit nicht HPV-assoziierten Tumoren von der Immuntherapie profitierten. In der späteren Subanalyse zeigte sich auch für die prognostisch sehr schlechte Population von Platin-resistenten Patienten eine Verbesserung des Gesamtüberlebens bei einer Therapie mit Nivolumab (2) (Abb. 2).
Aufgrund dieser Daten wurde Nivolumab im 2017 auch in der Schweiz als Therapie der Wahl für r/m HNSCC nach Progress nach einer platinhaltigen Therapie zugelassen. Zum Zeitpunkt der Zulassung war der Stellenwert von Checkpoint-Inhibitoren (CPI) in der Erstlinientherapie noch unbekannt, bzw. waren die entsprechenden Studien noch am Rekrutieren.


Seit der Publikation von Keynote 048-Studie im2019 und der Etablierung von Pembrolizumab als Monotherapie oder in Kombination mit der Chemotherapie in der Erstlinientherapie hat sich der Stellenwert von Nivolumab jedoch verändert (3). Nivolumab ist nun nur bei Patienten, die in der Erstlinientherapie Pembrolizumab nicht erhalten haben, eine Option. Das sind z.B. die Patienten mit einem CPS von < 1, bei denen es in der Erstlinientherapie kein Vorteil von P + C vs. E+C gibt und nach Extreme behandelt werden können. Die Patienten, die im Rahmen einer Studie im Standardarm Nach Extreme behandelt worden sind, gehören natürlich auch in diese Gruppe.

Keynote 040

Diese Phase 3 Studie hat ein ähnliches Design wie Checkmate141 gehabt (4). Die Patienten sind entweder in den Arm mit Pembrolizumab (P) oder in den Kontrollarm mit Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes (SoC) randomisiert worden. Der primäre Endpunkt was das Gesamtüberleben. Im P Arm betrug das Überleben 8.4 und im SoC 6.9 Monate, was mit einer HR von 0.80 (95%, CI 0.65-0.98) und p = 0.061 signifikant war. Der Benefit war somit kleiner als in der Check Mate 141 Studie. Einer der Gründe dafür dürften die besseren Eigenschaften der Population in der Kontrollgruppe in KN040 sein. Im Vergleich zur Kontrollgruppe in der CM141 waren die Patienten in der KN040 weniger vorbehandelt und erhielten häufiger Docetaxel, welches als die wirksamste der drei Substanzen im SoC Arm gilt. Dazu erhielten mehr Patienten aus dem Kontrollarm der KN040 Studie in späteren Linien eine Therapie mit einem Checkpointinhibitor (CPI).
In der Patientengruppe mit CPS>50 zeigte sich jedoch eine deutliche Verbesserung des Gesamtüberlebens. Im P war das mediane Überleben 11.6 Monate (95%CI 8.3-19.5) und im SoC 6.6 (95% CI 4.8-9.2).
Swissmedic hat für Pembrolizumab bei platin-resistenten Patienten im Januar 2021 eine Zulassung für die Patienten mit einem CPS>50 erteilt. Bezüglich des Stellenwerts seit der Etablierung von CPI in der Erstlinie ist die Situation ähnlich wie bei Nivolumab jedoch mit zusätzlicher Einschränkung bzgl. des CPS.
Neben Nivolumab und Pembrolizumab sind bei platin-resistenten r/m HNSCC auch weitere Checkpoint-Inhibitoren untersucht worden. Der selektive anti-PD-L1 mAk Durvalumab ist in dieser Population in mehreren Studien geprüft worden.
HAWK war eine Phase 2 Studie für die Patienten mit einer PD-L1 Expression von > 25% (5). Der primäre Endpunkt war das Ansprechen. Sekundäre Endpunkte waren das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben. Die Patienten erhielten Durvalumab 10 mg/kg jede zweite Woche für maximal ein Jahr. Die Ansprechrate war 16.2% (95%CI: 9.9–24.4). Bei Patienten mit HPV assoziierten Tumoren waren die Ansprechraten mit 29.4% (95% CI, 15.1-47.5) höher als bei nicht HPV-assoziierten HNSCC (10.9%, 95% CI, 4.5-21.3). Das progressionsfreie Überleben war 2.1 Monate (95% CI: 1.9–3.7). Das mediane Überleben betrug 7.1 Monate (95% CI: 4.9–9.9).
CONDOR war eine randomisierte Phase 2 Studie für die Patienten mit platin-resistenten Rezidiven und tiefer PD-L1 Expression. Der primäre Endpunkt war auch hier das Ansprechen. Die Patienten sind in drei Arme im Verhältnis (2:1:1) randomisiert worden: Kombination von Durvalumab und dem anti-CTLA-4 Antikörper Tremelimumab (D + T); Durvalumab (D) Monotherapie und Tremelimumab Monotherapie (T). Im D + T Arm war die Dosis von Durvalumab 20 mg/kg und von Tremelimumab 1 mg/kg; verabreicht jede 4. Woche für 4 Zyklen. Danach erhielten die Patienten Durvalumab Monotherapie 10 mg/kg jede 2. Woche. Im D Arm war die Dosis 10 mg/kg. Im T Arm betrug die Dosis von Tremelimumab initial 10 mg/kg jede 4. Woche für insgesamt 7 Dosen, und danach jede 12. Woche für 2 Dosen.
Die Ansprechraten waren 7.8% im D + T Arm, 9.2% im D Arm und 1.6% im T Arm. Der primäre Endpunkt wurde somit nicht erreicht. Die Verträglichkeit war in allen drei Armen vergleichbar mit Grad 3–4 Toxizität vom 15.8%, 12.3% und 16.9% (6).
EAGLE war eine randomisierte Phase 3 Studie, die untersucht hat, ob eine Kombination von Durvalumab (D) und Tremelimumab (T) zu einer synergistischen Wirkung bei Patienten mit platin-vorbehandelten r/m HNSCC führt. Die Resultate dieser Phase 3 Studie sind vor kurzem publiziert worden (7). Insgesamt 736 Patienten wurden in drei Arme 1:1:1 randomisiert. In einem Arm erhielten die Patienten Durvalumab Monotherapie (10 mg/kg jede 2. Woche), im zweiten Arm Durvalumab in Kombination mit Tremelimumab (D 20 mg/kg und T 1mg/kg jede 4. Woche) und im Kontrollarm eine Monotherapie (Taxane, Methotrexat oder 5-FU). Primärer Endpunkt ist das Gesamtüberleben für D vs. SoC und für D+T vs. SoC.
Es zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied im Gesamtüberleben weder für Durvalumab versus SoC (HR 0.88, 95%CI 0.72-1.08, p = 0.20) noch für die Kombination von D + T (HR 1.04 95%CI 0.85-1.26, p = 0.76) (Abb. 3).

Zusammenfassung: Therapieoptionen bei platin-resistenten r/m HNSCC

Seit der Etablierung von Pembrolizumab als Monotherapie oder Kombination mit Platin und 5FU in der Erstlinientherapie ist die Rolle von CPI in späteren Therapielinien eingeschränkt. Bei den Patienten, die in der Erstlinientherapie kein CPI erhielten, bleibt Nivolumab bei Progress Therapie der Wahl. Es kann sich z.B. um die Patienten handeln, die im Kontrollarm einer Studie behandelt worden sind; oder die Patienten mit Tumoren, die ein CPS< 1 haben und in der Erstlinie nach Extreme Schema behandelt werden. Bei CPI-naiven platinresistenen Patienten mit einem CPS> 50 ist neu in dieser Situation auch Pembrolizumab Monotherapie zugelassen.
Die Patienten, die während der kurativ intendierten Radiochemotherapie oder innerhalb von sechs Monate nach deren Abschluss ein Rezidiv erlitten haben, waren aus der KN 048 ausgeschlossen und haben in der CM141 von Nivolumab profitiert.
Somit besteht für die Patienten mit Progress nach Platin und CPI in der Erstlinientherapie für die späteren Therapielinien im Moment keine Standardbehandlung. Für die Patienten mit ECOG 0-1, die in der Erstlinie Pembrolizumab als Monotherapie erhalten haben, ist eine Behandlung nach Extreme Schema in der Zweitlinientherapie eine Option. Dazu kommen Taxane, 5FU, Capecitabine, Methotrexat, Cetuximab Monotherapie, Navelbine als Monosubstanzen oder Kombinationen in Frage.
Für sowohl platinsensitive wie auch platinresistente r/m HNSCC gilt jedoch, dass weitere Erkenntnisse bezüglich der prädiktiven Tumormarker dringend notwendig sind. Neben der Verlängerung des Überlebens ist eine Erhöhung des Ansprechens unbedingt nötig, um die Symptome, die bei diesen Patienten gravierend sein können, zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.

Klinische Studien und neue Therapieeinsätze bei platin-resistentem r/m HNSCC

SAKK 11/16 MVX-ONCO-1. In dieser Phase 2 Studie wird personalisierte Tumorvakzinierung bzw. zell-basierte, aktive Immuntherapie mit dem Medizinalprodukt MVX-ONCO-1 untersucht. Eine Metastase wird exzidiert, die Tumorzellen werden bestrahlt und anschliessend dem Patienten subkutan injiziert. Anschliessend werden die Kapseln (MVX-ONCO-1) mit genetisch modifizierten, GM-CSF-sezernierenden Zellen mehrmals subkutan platziert. Die immunmodulatorische Wirkung von GM-CSF stimuliert bzw. verstärkt die Immunantwort gegen die autologen bestrahlten Tumorzellen. Die Phase 1 Studie hat die Sicherheit der Methode geprüft und die Phase 2 Studie rekrutiert.
Die Kombination von Pembrolizumab und Lenvatinib bei verschiedenen Tumorentitäten wurde in einer Phase 1b/2 Basket-Studie mit insgesamt 137 Patienten untersucht. Davon waren 22 Patienten mit einem r/m HNSCC eingeschlossen. Andere Entitäten waren Nierenkarzinom, Endometriumkarzinom, Melanom, NSCLC und Urothelkarzinom.
Lenvatinib ist ein Multikinase-Inhibitor mit einer Wirkung auf vascular endothelial growth factor receptor (VEGFR). VEGF hat eine immunsuppressive Wirkung, welche durch die Stimulation von T-reg Lymphozyten und Verhinderung der Ausreifung von dendritischen Zellen erzielt wird. Die VGFR Inhibition durch Lenvatinib in Kombination mit Pembrolizumab soll zu einer verstärkten Tumorantwort führen. Von 22 Patienten mit HNSCC hat ein Patient eine komplette Remission erreicht, bei 9 Patienten zeigte sich ein partielles Ansprechen und bei 10 eine Krankheitsstabilisierung. Die häufigste Nebenwirkung war Hypothyroidismus (9).
Monalizumab ist ein first-in-class humanisierter IgG4 monokolonaler Antikörper, welcher NKG2A bindet. NKG2A ist auf den CD8+T-Zellen und NK Zellen exprimiert. Die Ergebnisse einer Phase Ib/II Studie mit Cetuximab in Kombination mit Monalizumab oder Placebo bei platin- und CPI-vorbehandelten Patienten sind am ESMO 2019 und am ASCO 2020 präsentiert worden. Die Ergebnisse zeigen die Ansprechraten von 27.5% und hohe Raten an klinischer Stabilisierung in der stark vorbehandelten Population. Medianes Überleben beträgt 8.5 Monate. Die Phase 3 Studie für die Patienten mit r/m HNSCC (Interlink-1) ist geplant (8, 10).
Eine Phase 1b/2a Studie mit der Kombination vom MEDIO457 mit Durvalumab bei HPV positiven r/m HNSCC wurde am ESMO2020 präsentiert. Es handelt sich um eine DNA Vakzine, welche aus drei Plasmiden, die HPV 16/18 Onkoproteine E6 und E7 exprimieren, besteht. Als molekulare Adjuvans fungiert IL-12. Im ersten Teil (run-in) wurden drei und in der anschliessender Kohorte 32 Patienten behandelt. Primäre Endpunkte waren Sicherheit und das objektive Ansprechen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit und Schmerzen an der Injektionsstelle. Das Ansprechen war 22%.

Seltene Tumore des Kopf-Hals-Bereichs

Nasopharynx-Ca (NPC)

Lokalisierte Stadien
Kurativ intendierte Standardtherapie des lokalisierten Nasopharynxkarzinoms (NPC) ist in frühen Stadien Radiotherapie und in lokal fortgeschrittenen Stadien (III und IVa) Radiochemotherapie mit Cisplatin 100 mg/m2 jede 3 Wochen. Der Stellenwert der neoadjuvanten Chemotherapie war lange unklar (11).
Die im Jahr 2020 publizierte Phase 3 Studie hat die Rolle der neoadjuvanten Chemotherapie als Teil der kurativ intendierten Behandlung von lokal fortgeschrittenen Stadien etabliert (12). Insgesamt480 Patienten mit lokal fortgeschrittenem NPC Stadium III und IVa wurden 1:1 randomisiert. Im Standardarm erhielten die Patienten eine Radiochemotherapie. Im Studienarm erhielten die Patienten vor der RCT zusätzlich drei Zyklen Induktionschemotherapie (IC) mit Cisplatin (80 mg/m2 d1) und Gemcitabine (1000 mg /m2 d1 + 8). Der primäre Endpunkt war rezidivfreies Überleben.
Im Studienarm haben 96.7% der Patienten die geplanten drei Induktionschemotherapiezyklen erhalten und 97.9% haben anschliessend konkomitierende RCT erhalten. Der Anteil von Patienten, die Cisplatindosis von mindestens 200 mg/m2 konkomitierend zu RT erhalten haben, war im IC Arm 79.9% und im Kontrollarm 95.8%.
Der Hauptendpunkt wurde erreicht. Die Resultate zeigten signifikante Verbesserung des rezidivfreien Überlebens (85.3% in IC vs. 76.5%; HR 0.51, 95%CI 0.34-0.77; p=0.001). Die objektive Ansprechrate nach 3 Zyklen IC war hoch (94.6%). Bei 13% der Patienten im Induktionsarm wurde Dosisreduktion vorgenommen, meistens aufgrund von hämatologischen Nebenwirkungen.
Nach drei Jahren waren 94.6 Patienten im Induktionsarm und 90.3 Patienten im Standardarm am Leben (HR 0.43 CI 0.24-0.77). Zu diesem Zeitpunkt waren 91.1% der Patienten im IC Arm und 84.4% im Kontrollarm am Leben ohne Fernmetastasen. Hingegen war der Anteil von Patienten, die nach drei Jahren am Leben und ohne Lokalrezidive waren, durch IC nicht verändert (91.8% vs. 91.0%) (Abb. 4).

Metastasiertes NPC
Bei metastasierendem NPC zeigte eine randomisierte Phase 3 Studie, dass das gleiche Schema (Cisplatin (80 mg/m2 d1 und Gemcitabine 1000 mg/m2 d1 und 8) einer Therapie mit Cisplatin und 5FU überlegen war (13). Der primäre Endpunkt, progressionsfreies Überleben, war im Cisplatin-Gemcitabine Arm signifikant länger als im Kontrollarm (7.0 Monate vs. 5.6 Monate, HR 0.55, CI 0.44-0.68, p < 0.0001) [You, 2020 #8024].
In der Zweitlinie werden Taxane, 5-FU, Capecitabine, Vinorelbine, Ifosfamid, Doxorubicin, Carboplatin, Oxaliplatin und Cetuximab eingesetzt, in Kombination oder als Monotherapie. Eine Standardtherapie existiert nicht. Immun-Checkpointinhibitoren zeigen in Basket-Studien versprechende Aktivität. Die Daten aus grösseren Studien werden erwartet.
Bei primär metastasiertem NPC verbessert RCT des Primärtumors zusätzlich zur palliativen Systemtherapie das Gesamtüberleben, wie eine randomisierte Phase 3 Studie zeigte. Die Patienten, bei welchen bereits bei der Diagnosestellung eines NPC Fernmetastasen vorhanden waren, wurden nach 3 Zyklen einer Chemotherapie mit Cisplatin und 5FU mit einer RCT behandelt. Der primäre Endpunkt, Verbesserung des Gesamtüberlebens, wurde erreicht. Nach 24 Monaten waren im Arm mit Chemotherapie/RCT
76.4% Patienten am Leben und im Arm ohne Radiotherapie 54.5%, was bei einem HR von 0.42 (95% CI, 0.23-0.77) und einem p = 0.004 signifikant war. Ebenfalls konnte das progressionsfreie Überleben verbessert werden (HR, 0.36; 95% CI, 0.23-0.57) (14).

Speicheldrüsenkarzinome

Systemtherapie hat in Behandlung von Speicheldrüsenkarzinomen eine Rolle vor allem in metastasierender Situation bzw. bei lokoregionären Rezidiven, die nicht mehr kurativ angegangen werden können. Die Chemotherapie hat eine limitierte Wirkung und längeres Ansprechen ist selten. Bei oligometastatischer Situation sollen Radiotherapie und Chirurgie im Rahmen von interdisziplinären Tumorboards diskutiert und eingesetzt werden.
Die gezielte Therapie hat einen Stellenwert vor allem bei Tumoren mit Her2-Amplifikation oder Überexpression, bzw. bei einer Expression von Androgenrezeptoren. Diese Eigenschaften sieht man am häufigsten in der Gruppe von Speichelgangkarzinomen (salivary duct cancer).
Bei Her2 exprimierenden Karzinomen zeigten die case reports bzw. kleine Serien bereits vor Jahren Wirksamkeit einer Therapie mit Trastuzumab als Monotherapie oder in Kombination mit Chemotherapie bei metastasierten Speicheldrüsekarzinomen.In den letzten Jahren wurden die Berichte publiziert, die Wirksamkeit von der dualen Her2-Blockade mit Trastuzumab und Pertuzumab bzw. deren Kombination mit Docetaxel gezeigt haben. Des Weiteren zeigten kleine Patientenserien die Wirksamkeit von Trastuzumab-Emtensine nach Progression unter Trastuzumab mit oder ohne Pertuzumab (15, 16, 17). Mehrere case reports haben ebenfalls das Ansprechen auf Androgenblokade gezeigt (18).
Adenoid-zystisches Karzinom (ACC) ist nach dem mukoepidermoid-Karzinom die zweithäufigste Gruppe und weist eine hohe Rate an Fernmetastasierung auf, die zum Teil spät (10-20 Jahre nach der Erstdiagnose) auftreten kann. Eine Standardtherapie in metastasierter Situation besteht nicht. Chemotherapie weist tiefe Ansprechraten auf. Resektion oder Radiotherapie der Lungenmetastasen wird häufig durchgeführt. Eine Phase 2 Studie mit Lenvatinib (24 mg po tgl.) bei 32 Patienten mit metastasiertem ACC und Progredienz nach mindestens einer Vortherapie zeigte ein partielles Ansprechen bei 5 Patienten (15.6%) und eine Krankheitsstabilisierung bei weiteren 24 Patienten (75%). Das mediane progressionsfreie Überleben war 17.5 Monate (19) (Abb. 5).


Eine weitere Studie bei mACC mit Axitinib vs. Placebo zeigte Verbesserung des progressionsfreien Überlebens, jedoch konnten auch Patienten, die nicht progredient waren, eingeschlossen werden, sodass die Daten schwierig zu interpretieren sind.
Sekretorisches Karzinom (mammary-analogue) (MASC) ist eine seltene Subgruppe von Speicheldrüsenkarzinomen bei welchen in praktisch allen Fällen eine ETV6 Translokation, meistens mit NTRK3, vorhanden ist. Für diese sehr seltene Krankheit bieten die NTRK Inhibitoren eine vielversprechende therapeutische Option. In der Studie im NEJM publizierten Studie mit verschiedenen Entitäten waren 11 Patienten mit MASC eingeschlossen. Zehn Patienten haben ein objektives Ansprechen gezeigt (20).

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Dr. med. (HR) Tamara Rordorf

Kantonsspital St. Gallen, Klinik für Hämatologie
und Onkologie und Brustzentrum
Rorschacherstrasse 95
9007 St. Gallen

Die Autorin deklariert Advisory board fees von BMS und MSD.

  • Nach der Etablierung von Pembrolizumab in der Erstlinientherapie des r/m HNSCC besteht in den weiteren Therapielinien kein Standard. In Frage kommen Taxane, Platine, Navelbine, Methotrexat, Cetuximab und weitere Substanzen als Monotherapie oder in Kombination (zb nach Extreme-Schema). Kombinationen mit Cetuximab und Taxanen haben in der Schweiz keine Zulassung
  • Bei lokal fortgeschrittenem Nasopharynx-Ca (Stadium III und IVa) ist neoadjuvante Chemotherapie mit drei Zyklen Cisplatin und Gemcitabine vor der definitiven Radiochemotherapie der Standard.
  • In der Behandlung des r/m adenoid-zystischen Karzinoms (ACC) haben die Studien mit Lenvatinib bzw. mit Axitinib eine Wirkung gezeigt.
  • Bei sekretorischem Karzinom (MASC), einer seltenen Subgruppe der Speicheldrüsekarzinome, sind im metastasierten Stadium NTRK Inhibitoren wirksam.

Messages à retenir

  • Après la mise en place du pembrolizumab dans le traitement de première intention du HNSCC r/m, il n’existe plus de norme dans les autres lignes thérapeutiques. Les taxanes, le platine, le navelbine, le méthotrexate, le cétuximab et d’autres substances peuvent être utilisées en monothérapie ou en combinaison (par exemple selon le régime Extreme). Les combinaisons avec le cétuximab et les taxanes ne sont pas autorisées en Suisse.
  • Dans le cas d’un cancer du nasopharynx localement avancé (stade III et IVa), la chimiothérapie néoadjuvante avec trois cycles de cisplatine et de gemcitabine avant la radiothérapie définitive est la norme.
  • Dans le traitement du carcinome kystique adénoïde (CCA) r/m, des essais sur le lenvatinib et l’axitinib, respectivement, ont montré leur efficacité.
  • Dans le carcinome sécrétoire (MASC), un rare sous-groupe de carcinomes des glandes salivaires, les inhibiteurs NTRK sont efficaces au stade métastatique.

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