Nachsorge beim Mammakarzinom

Der häufige und verständliche Wunsch der Patientinnen nach einer abgeschlossenen Primärtherapie ist der, eine intensive Nachsorge zu haben um möglichst früh einen Rückfall zu erkennen und damit die Prognose zu verbessern. Obwohl dieser Wunsch schwierig zu erfüllen ist, gibt es gute andere Gründe für eine (gewisse) Nachsorge. Der Artikel gibt einen kurzen Überblick über die empfohlene Nachsorge beim Mammakarzinom.

Après une prise en charge initiale réussie, le désir fréquent et compréhensible des patientes est d’avoir un suivi intense dans l’idée de découvrir une rechute le plus rapidement possible et ainsi d’améliorer le pronostic. Quoique ce désir soit difficilement réalisable, il existe d’autres bonnes raisons pour un (certain) suivi. Cet article donne un bref aperçu du suivi recommandé pour le cancer du sein.

Erfassen von Rückfällen

In verschiedensten Studien wurde versucht nachzuweisen, dass eine intensive Metastasensuche in der Nachsorge die Prognose oder die Lebensqualität verbessern kann. Leider konnte beides nicht nachgewiesen werden, auch nicht mit modernen Untersuchungsmethoden wie PET-CT (1, 2, 3). Durch ein früheres Auffinden von Metastasen zeigt sich ein so genannter «lead-time bias», d.h. die Patientinnen leben insgesamt im Anschluss nicht länger, sondern sind nur «länger krank». Was aber nachgewiesen werden konnte, mit einer intensiveren Nachsorge wird es deutlich teurer (4, 5). Ein anderer Vorteil könnte die stärkere Beruhigung der Patientinnen sein durch eine regelmässige und intensive Nachsorge. Aber auch hier zeigten verschiedene Studien, dass durch die häufigen, falsch-positiven Befunde, die dann weiter abgeklärt werden müssen, die Verunsicherung der Patientinnen steigt – ebenso wie deren Ängstlichkeit (6).
Laborchemische Tests wie z.B. Tumormarker sind nicht geeignet um Frührezidive zu erkennen und sollten ebenfalls nicht gemacht werden in der Nachsorge. Alle internationalen Guidelines wie zum Beispiel der ASCO oder ESMO empfehlen keine radiologischen, bildgebenden Untersuchungen zur Fernmetastasen-Suche ebenso wie keine laborchemischen Untersuchungen (7, 8). Hingegen soll bei Auftreten von neuen Symptomen niedrigschwellig weiter abgeklärt werden.
Im Gegensatz zur Fernmetastasen-Suche ist eine loko-regionäre Nachsorge zur Erkennung von Lokalrezidiven und Zweittumoren indiziert. In allen Guidelines wird empfohlen, dies einmal jährlich zu machen (6, 7, 8). Nach ca. 10 Jahren sollte dann aber die Frequenz individuell anhand des Alters und des Risikoprofils bestimmt werden, ob auf eine reine Vorsorge, zum Beispiel alle 2 Jahre, gewechselt werden kann. Notwendig wäre natürlich eine individualisierte und mehr risikoadaptierte Nachsorge, dafür gibt es bisher aber leider keine guten Untersuchungen. Die beste radiologische Methode für die Nachsorge sollte postoperativ individuell mit den Radiologen festgelegt werden. Nach einer brusterhaltenden Operation steht eine ipsi- und kontralaterale Mammografie im Vordergrund (eine alleinige Sonographie kann diese nicht ersetzen, sie ist komplementär), nach Rekonstruktionen bei Mastektomie eher die MR-Mammographie und/oder die Sonographie. Bei sehr hohem lokalem Rückfallrisiko kann zwischen den radiologischen Bildgebungen eine zusätzliche Sonographie sinnvoll sein.

Nebenwirkungen und Compliance (6)

Bei Frauen unter endokriner Therapie sollten Nebenwirkungen erfasst und behandelt werden, dies erhöht die Compliance wesentlich. Zu Beginn ist sicherlich auch eine Laborkontrolle unter endokriner Therapie einiger Routinewerte sinnvoll, wie zum Beispiel Leberwerte. Auch die Knochengesundheit muss beachtet werden, regelmässige Knochendichtemessungen und Erhebung des Vitamin D3- Wertes werden allseits empfohlen. Nach einem Ausgangsbefund der Osteodensitometrie wird eine 2-jährliche Kontrolle unter Aromatasehemmer-Therapie und/oder ovarieller Suppression empfohlen, je nach Befunden Einsatz von Bisphosphonaten oder Denosumab. In diese Nachsorge gehört auch das Lymphödem-Management, sowie das Erfassen und die Behandlung von Langzeit-Nebenwirkungen, z.B. von der adjuvanten Chemotherapie.
Bezüglich der Frequenz der klinischen Kontrollen wird in den meisten Guidelines empfohlen, in den ersten 2 Jahren 3-4-monatliche klinische Kontrollen durchzuführen, dann halbjährlich bis 5 Jahre und dann jährlich (7, 8). Hierfür gibt es keine klare Evidenz, ist sicherlich auch stark abhängig von individuellen Bedürfnissen und Problemen der Patientin und weiteren Faktoren wie Alter, Weg, Risikokonstellation etc.

Lifestyle und Survivorship

Die Diagnose Mammakarzinom ist ein einschneidendes Ereignis und hat oft vielerlei weitere psychosoziale Auswirkungen. Die psychologische Unterstützung in der Nachsorge ist dabei ein sehr wichtiger Faktor. Die meisten Frauen benötigen längerfristig keine psychologische Fachbetreuung, aber vom nachbetreuenden Arzt/Ärztin in regelmässigen Abständen die meist gute Prognose bestätigt zu bekommen, ist oft sehr hilfreich. Auch die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ist absolut zentral, wird teilweise auch von den Hausärzten übernommen, aber oft fehlt da der enge Kontakt. Dann gibt es viele weitere Aspekte, wie Behandlung von Ernährungsfragen, Anregung zu regelmässiger körperlicher Aktivität, Verhinderung oder Behandlung von Adipositas und vieles mehr. Für viele dieser wichtigen Faktoren ist das regelmässige Gespräch im Rahmen einer Nachsorge sehr hilfreich. Wir wundern uns häufig, wie lange diese Konsultationen in der Nachsorge bei weitgehend gesunden Frauen dauern, aber dies zeigt eben gerade, dass hier sehr viele Bedürfnisse und Fragen bei diesen «ehemaligen» Patientinnen und Patienten vorhanden sind. In einer regelmässigen klinischen Nachsorge können viele dieser Bedürfnisse aufgenommen und auch gelöst werden.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Prof. Dr. med. Thomas Ruhstaller

Leiter Medizinische Onkologie
Brustzentrum Ostschweiz
Schuppisstrasse 10
9016 St. Gallen

thomas.ruhstaller@bz-ost.ch

Der Autor hat im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Nach kurativ behandeltem Mammakarzinom hat eine regelmässige Nachsorge viele verschiedene Funktionen wie Behandeln von Langzeit-Nebenwirkungen der Therapie (Lymphödeme, Neuropathien, etc.), Erhöhung der Compliance einer möglichen endokrinen Therapie (inkl. Behandlung der Nebenwirkungen), Besprechung von Lifestyle-Faktoren wie körperlicher Aktivität, Ernährung und psychosozialer Probleme (Wiedereingliederung).
  • Radiologische Abklärungen sollten regelmässig nur loko-regionär zum Ausschluss eines Lokalrezidivs und eines Zweittumors durchgeführt werden.
  • Fernmetastasen-Suche sollte nur durchgeführt werden, wenn Sym­ptome auftreten.

Messages à retenir

  • Un suivi régulier après traitement curatif pour cancer du sein remplit un grand nombre de fonctions différentes: la prise en charge d’effets secondaires tardifs (lymphoedème ou neuropathies etc ) comme l’amélioration de la compliance en cas de traitement hormonal (y inclus le traitement des effets secondaires) ou encore la discussion de facteurs du style de vie comme l’activité physique, l’alimentation ou des problèmes psycho-sociaux (réintégration dans la vie professionnelle et sociale).
  • Des investigations radiologiques régulières devraient viser l’exclusion d’une récidive loco-régionale ou d’une deuxième tumeur primaire.
  • Une recherche de métastases à distance devrait seulement se faire en cas d’apparition de symptômes.

1. Pennant et al Health Tech. Assessment 14; 1-103 2010
2. Palli et al. JAMA 281:1586, 1999
3. Moschetti et al. Cochrane Data Syst Rev 2016
4. Kokko et al Br Canc Res. Tr. 93: 255 2005
5. Auguste et al Health Tech. Assessment 15; iii-iv,1-54 2010
6. Hayes et al N Engl J Med 2007;356:2505-13
7. American Cancer Society/American Society of Clinical Oncology Breast Cancer Survivorship Care Guideline, J Clin Oncol 2016, 611-635
8. ESMO Clinical Practical Guidelines, Annals of Oncology 30: 1194–1220, 2019

Therapie der absoluten uterinen Infertilität

Die absolute uterine Infertilität betrifft etwa 3 bis 5% aller Frauen und galt bisher als praktisch unheilbar. Diese Frauen konnten sich bisher auf legale Weise den Wunsch nach einem genetisch eigenen Kind nicht erfüllen, denn in der Schweiz ist die Leihmutterschaft verboten. Im Jahr 2014 konnte erstmals gezeigt werden, dass durch eine Uterustransplantation die absolute uterine Infertilität erfolgreich behandelt werden kann.

L’ infertilité utérine totale (all: absolute uterine Infertilität) frappe environ 3 à 5 % des femmes. Elle était considérée comme intraitable à ce jour. Ainsi en Suisse, les femmes touchées ne pouvaient espérer avoir légalement un enfant qui porte leurs gênes (car la loi interdit le recours à une mère porteuse). En 2014 pour la première fois, la possibilité de vaincre cette forme d’ infertilité par la transplantation de l’ utérus a pu être démontrée.

Die absolute uterine Infertilität betrifft 3 bis 5 % aller Frauen und war bis vor kurzem eine praktisch unheilbare Ursache der weiblichen Unfruchtbarkeit. Die Ursachen der uterinen Infertilität reichen von geringfügigen Fehlbildungen oder gutartigen Veränderungen des Cavum uteri, die mittels operativer Therapie (Dissektion, Resektion) beseitigt werden können, bis hin zum kompletten Fehlen des Uterus, sei es von Geburt an (kongenitale Aplasie) oder nach notwendiger Entfernung aus benigner oder maligner gynäkologisch-geburtshilflicher Indikation (1, 2).

Einzige Alternative zum «Fertilitätstourismus»

Die einzigen Möglichkeiten für Frauen mit absoluter uteriner Infertilität, Mütter zu werden bzw. sogar genetisch eigene Kinder zu bekommen, waren die Adoption bzw. für letzteres die Leihmutterschaft, die wiederum in der Schweiz nicht erlaubt ist. Die Kinderlosigkeit belastet die Psyche der betroffenen Frauen extrem (3). Vor dem Hintergrund der Gesetzgebung stellt die Uterustransplantation die einzig machbare und zukünftige Alternative zum sogenannten «Fertilitätstourismus» dar und ist eine Möglichkeit, die psychische Belastung der Patientinnen mit absoluter uteriner Infertilität zu mildern.
Die Arbeitsgruppe um Prof. Mats Brännström konnte im Jahr 2014 erstmals zeigen, dass durch eine Uterustransplantation die absolute uterine Infertilität erfolgreich behandelt werden kann (4). Die bisher veröffentlichten Ergebnisse der internationalen Arbeitsgruppen haben gezeigt, dass bei richtig ausgewählten Lebendspenderinnen und Empfängerinnen und nach intensiver Vorbereitung bisher keine besonderen Risiken und Komplikationen aufgetreten oder zu erwarten sind (5-7).
In mehr als 18 Zentren weltweit, werden aktuell Uterustransplantationen durchgeführt. Bislang sind weltweit über 70 Uterustransplantationen (Lebend- und post-mortem Spenden) durchgeführt worden, und mindestens 19 Kinder haben bislang das Licht der Welt erblickt (5, 8). Allerdings gibt es zahlreiche Hinweise von nicht veröffentlichten Daten, dass die Anzahl der durchgeführten Uterustransplantationen und geborenen Kindern höher sein könnte.
Am Universitätsspital Zürich unter der Leitung der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, der Klinik für Gynäkologie und der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie laufen die Planungen (experimentelle und klinische Vorarbeiten, technische Machbarkeit, psychosozialer und ethischer Hintergrund, klinisches Setting und Organisation) für die erste Uterustransplantation seit mehreren Jahren.

Die Lebendspende

Manche Arbeitsgruppen bevorzugen die Lebendspende wegen der besseren Planbarkeit des Eingriffes und der immunologischen Vorteile, insbesondere auch aufgrund der Möglichkeit der genaueren Anamnese (z. B. Zustand nach unkomplizierter Schwangerschaft und Spontangeburt) und der präoperativen Diagnostik der Spenderin (v. a. hinsichtlich Morphologie des Uterus und Gefässversorgung, mikrobieller Besiedlung der Vagina, Zytologie, HPV-Testung) (5). Voraussetzung für eine Lebendspende-Transplantation ist eine gesunde, möglichst Verwandte (Mutter, Schwester, Tante) oder sehr enge Bekannte (analog zur entsprechenden Gesetzgebung) die freiwillig und ohne Druck bereit ist, ihre Gebärmutter zu spenden und die die entsprechenden Einschlusskriterien erfüllt. Die in Frage kommenden Spenderinnen werden ausführlich und detailliert über die Organentnahme aufgeklärt, vor allem darüber, dass die Entfernung der Gebärmutter zum Zweck der Transplantation wesentlich länger dauert, als die Entfernung der Gebärmutter aus gesundheitlichen Gründen.

Postmortale Spende

Im Gegensatz zur Lebendspende, ist die postmortale Spende die weitaus häufigere Form der Organtransplantation in der westlichen Welt. Naheliegend wäre es diese auch für die Uterustransplantation durchzuführen. Das kann aber in zweierlei Hinsicht problematisch sein. Einerseits ist die Voraussetzung für eine Organspende in der Schweiz nur bei ausdrücklichem Wunsch der Spenderinnen oder ihren nächsten Angehörigen vorhanden, eine sogenannte erweiterte Zustimmungslösung. Dieser Wunsch ist sehr schwierig zu eruieren, da wir kaum davon ausgehen können, dass eine potentielle Spenderin überhaupt jemals von der Möglichkeit einer Uterusspende gehört hat und somit dafür oder dagegen stimmen könnte. Anderseits haben wir bis jetzt sehr wenig klinische Daten über die Toleranz der Gebärmutter gegenüber einer Ischämie und ihrer anschliessenden Reperfusion (9, 10). Nichtsdestotrotz ist die postmortale Spende für eine, im Gegensatz zu anderen Organtransplantationen wie Herz, Lunge, Leber und Niere, nicht lebensrettende oder -verlängernde Therapie ethisch einfacher zu vertreten. Die ersten zwei je publizierten Uterustransplantationen, die erste in Saudi-Arabien Anfangs Jahrhundert und die zweite in der Türkei gut 10 Jahre später, waren von einer verstorbenen Spenderin (11, 12). Das erste Transplantat musste nach 3 Monaten wegen einer Organthrombose wieder entfernt werden, die zweite Transplantation galt lange Zeit als erfolgslos, da die Patientin nie eine Schwangerschaft austragen konnte. Kürzlich wurde in den Medien über die ersehnte Geburt berichtet. 2018 konnte eine Arbeitsgruppe aus Brasilien erstmalig zeigen, dass ein gesundes Kind nach Transplantation einer Gebärmutter einer verstorbenen Spenderin geboren wurde (13). Seitdem folgen immer mehr Gruppen in den USA und Europa dieser Strategie. Diese verfolgen auch wir.

Die Operation

Eine Transplantation darf nur nach erfolgreicher in-vitro Fertilisation stattfinden. Die Entnahme findet im Rahmen einer Multiorganentnahme statt. Sie darf auf keine Weise die anderen soliden abdominellen Organe negativ beeinflussen und kann entweder vor oder nach der gewohnten Entnahme stattfinden (14, 15). Es wird empfohlen die Gebärmutter nach der Entnahme zu hysteroskopieren um allfällige Pathologien auszuschliessen. Die Transplantation wird über eine untere mediane Laparotomie durchgeführt. Die vaskuläre Versorgung erfolgt beidseits mit einer arteriellen Anastomose zwischen der A. iliaca interna der Spenderin und A. iliaca externa der Empfängerin. Der venöse Abfluss wird über die V. uterina und/oder V. utero-ovarica mit der V. iliaca externa gewährt (16). Diese zwei Schritte sind einer Nierentransplantation sehr ähnlich. Zum Schluss wird die Gebärmutter mit den Lig. rotundum, Lig. sacrouterinum und das prävesikale Peritoneum der Spenderin fixiert und die Vagina End-zu-End anastomosiert. Die Graftthrombose, entweder technischer oder infektiöser Natur ist die häufigste Komplikation (16, 17). Der Spitalaufenthalt beträgt bei diesen ansonsten gesunden Patientinnen eine Woche. Neuste Daten gehen von 90% Transplantatüberleben und Baby-Take-Home-Raten um 50% aus (17).

Immunsuppression

Das wahrscheinlich grösste Hindernis für die Akzeptanz dieser Therapie ist die Notwendigkeit einer Immunsuppression. Diese ist der Immunsuppression einer Nierentransplantation sehr ähnlich. Die meisten Arbeitsgruppen induzieren mit T-Zell-depletierenden Medikamenten (Antithymozytenglobulin) und erhalten die Immunsuppression im Verlauf mit Tacrolimus und einem Antimetabolit (Mycophenolat-Mofetil)(16). Letzteres muss vor einer geplanten Schwangerschaft und dem Embryotransfer auf jeden Fall sistiert oder gewechselt werden, da ein schwerwiegendes Risiko für Teratogenität besteht. Grosse Registerdaten zeigen bei immunsupprimierten Frauen nach Organtransplantation ansonsten aber nicht vermehrte Missbildungen oder Schwangerschaftskomplikationen (18-22). Einzigartig bei der Uterustransplantation ist die passagere Form der Transplantation. Das Ziel dieser Therapie ist das Austragen einer Schwangerschaft. D.h. nach erfolgreicher Geburt kann die Gebärmutter wieder entfernt werden und eine Immunsuppression ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr notwendig.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Olivier de Rougemont

Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

olivier.derougemont@usz.ch

Prof. Dr. med. Florin-Andrei Taran

Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren haben im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die erfolgreiche Behandlung der absoluten uterinen Infertilität mittels Uterustransplantation eröffnet neue spannende Horizonte in der modernen Frauenheilkunde und in der Transplantationsmedizin.
  • Sie bringt allerdings auch eine Reihe von neuen medizinischen und ethischen Herausforderungen mit sich, welche im Rahmen anderer Transplantationsvorgänge nicht vollständig geklärt worden sind.
  • Nichtsdestotrotz sind die Vorteile, die dadurch für unsere Patientinnen entstehen, bedeutend.

Messages à retenir

  • L’ infertilité utérine totale, traitée avec succès par le biais de la transplantation d’organe, ouvre de nouveaux horizons passionnants pour la gynécologie moderne et la médecine de transplantation
  • La transplantation de l’ utérus par contre s’ accompagne de toute une série de défis d’ ordre médical et éthique qui, dans la transplantation d’autres organes, n’ ont pas été clarifiés de manière exhaustive.
  • Néanmoins, cette nouvelle approche thérapeutique offre à nos patientes des avantages significatifs.

1. Brucker SY, Brannstrom M, Taran FA, Nadalin S, Konigsrainer A, Rall K, et al. Selecting living donors for uterus transplantation: lessons learned from two transplantations resulting in menstrual functionality and another attempt, aborted after organ retrieval. Arch Gynecol Obstet. 2018;297(3):675-84.
2. Kolle A, Taran FA, Rall K, Scholler D, Wallwiener D, Brucker SY. Neovagina creation methods and their potential impact on subsequent uterus transplantation: a review. BJOG. 2019;126(11):1328-35.
3. Brucker SY, Taran FA, Rall K, Scholler D, Dahm-Kahler P, Kvarnstrom N, et al. Experiences of a multistep process with medical and psychological interventions for patients with congenital uterine aplasia to achieve motherhood: the Gothenburg-Tubingen collaboration. Facts Views Vis Obgyn. 2019;11(2):121-6.
4. Brannstrom M, Johannesson L, Bokstrom H, Kvarnstrom N, Molne J, Dahm-Kahler P, et al. Livebirth after uterus transplantation. Lancet. 2015;385(9968):607–16.
5. Brucker SY ST, Taran F-A, Rall K, Schöller D, Hoopmann M, Henes M, Guthoff M, Heyne N, Zipfel S, Schäffeler N, Bösmüller H, Fend F, Rosenberger P, Heim E, Wiesing U, Nikolaou K, Fleischer S, Bakchoul T, Poets CF, Goelz R, Wiechers C, Kagan KO, Krämer B, Reisenauer C, Oberlechner E, Hübner S, Abele H, Dahm-Kähler P, Kvarnström N, Brännström M, Nadalin S, Wallwiener D, Königsrainer A. Living-Donor Uterus Transplantation: Pre-, Intra-, and Postoperative Parameters Relevant to Surgical Success, Pregnancy, and Obstetrics with Live Births. JCM. 2020;in press.
6. Johannesson L, Wallis K, Koon EC, McKenna GJ, Anthony T, Leffingwell SG, et al. Living uterus donation and transplantation: experience of interest and screening in a single center in the United States. Am J Obstet Gynecol. 2018;218(3):331 e1- e7.
7. Taran FA, Scholler D, Rall K, Nadalin S, Konigsrainer A, Henes M, et al. Screening and evaluation of potential recipients and donors for living donor uterus transplantation: results from a single-center observational study. Fertility and sterility. 2019;111(1):186-93.
8. Farrell RM, Johannesson L, Flyckt R, Richards EG, Testa G, Tzakis A, et al. Evolving ethical issues with advances in uterus transplantation. Am J Obstet Gynecol. 2020;222(6):584 e1- e5.
9. Dahm-Kahler P, Wranning C, Lundmark C, Enskog A, Molne J, Marcickiewicz J, et al. Transplantation of the uterus in sheep: methodology and early reperfusion events. The journal of obstetrics and gynaecology research. 2008;34(5):784–93
10. Diaz-Garcia C, Akhi SN, Martinez-Varea A, Brannstrom M. The effect of warm ischemia at uterus transplantation in a rat model. Acta obstetricia et gynecologica Scandinavica. 2013;92(2):152–9
11. Fageeh W, Raffa H, Jabbad H, Marzouki A. Transplantation of the human uterus. International journal of gynaecology and obstetrics: the official organ of the International Federation of Gynaecology and Obstetrics. 2002;76(3):245–51
12. Ozkan O, Akar ME, Erdogan O, Hadimioglu N, Yilmaz M, Gunseren F, et al. Preliminary results of the first human uterus transplantation from a multiorgan donor. Fertility and sterility. 2013;99(2):470–6
13. Ejzenberg D, Andraus W, Baratelli Carelli Mendes LR, Ducatti L, Song A, Tanigawa R, et al. Livebirth after uterus transplantation from a deceased donor in a recipient with uterine infertility. Lancet. 2019;392(10165):2697-704.
14. Gauthier T, Piver P, Pichon N, Bibes R, Guillaudeau A, Piccardo A, et al. Uterus retrieval process from brain dead donors. Fertility and sterility. 2014;102(2):476–82
15. Testa G, Anthony T, McKenna GJ, Koon EC, Wallis K, Klintmalm GB, et al. Deceased donor uterus retrieval: A novel technique and workflow. Am J Transplant. 2018;18(3):679-83.
16. Jones BP, Saso S, Bracewell-Milnes T, Thum MY, Nicopoullos J, Diaz-Garcia C, et al. Human uterine transplantation: a review of outcomes from the first 45 cases. BJOG. 2019;126(11):1310-9.
17. Testa G, McKenna GJ, Bayer J, Wall A, Fernandez H, Martinez E, et al. The Evolution of Transplantation From Saving Lives to Fertility Treatment: DUETS (Dallas UtErus Transplant Study). Ann Surg. 2020.
18. IV.10 Pregnancy in renal transplant recipients. Nephrology Dialysis Transplantation. 2002;17(90004):50–5.
19. Board JA, Lee HM, Draper DA, Hume DM. Pregnancy following kidney homotransplantation from a non-twin. Report of a case with concurrent administration of azathioprine and prednisone. Obstetrics and gynecology. 1967;29(3):318–23
20. Kallen B, Westgren M, Aberg A, Olausson PO. Pregnancy outcome after maternal organ transplantation in Sweden. BJOG. 2005;112(7):904-9.
21. Deshpande NA, James NT, Kucirka LM, Boyarsky BJ, Garonzik-Wang JM, Montgomery RA, et al. Pregnancy outcomes in kidney transplant recipients: a systematic review and meta-analysis. American journal of transplantation : official journal of the American Society of Transplantation and the American Society of Transplant Surgeons. 2011;11(11):2388–404
22. Padhan P. Pregnancy in recipients of solid-organ transplants. N Engl J Med. 2006;354(25):2726-7; author reply -7.

Ektope Schwangerschaft

Die ektope Schwangerschaft, auch Extrauteringravidität (EUG) genannt, ist eine Schwangerschaft ausserhalb der Gebärmutterhöhle. Geschätzt 2% aller festgestellten Schwangerschaften (1) sind EUGs und somit ein häufiges Krankheitsbild im klinischen Alltag. Eine sichere Diagnose ist nicht immer evident und die differentialdiagnostische Abtrennung zur gestörten oder noch nicht nachweisbaren intrauterinen Frühschwangerschaft kann schwierig sein. Wegen der potentiell lebensbedrohlichen intra-abdominellen Blutung im Falle einer Ruptur der hochvaskularisierten Struktur gehören die ektopen Schwangerschaften zu den herausforderndsten gynäkologischen Notfällen.

La grossesse extra-utérine (GEU, ou grossesse ectopique) est une grossesse implantée à l’extérieur de la cavité utérine. On estime que 2 % de toutes les grossesses diagnostiquées sont ectopiques (1) ce qui en fait un tableau clinique fréquent dans le quotidien du gynécologue. De poser le diagnostic correct n’est pas toujours évident et la distinction avec une grossesse intrautérine à évolution perturbée voire intrautérine précoce pas encore cliniquement visible peut s’avérer difficile. En raison du risque de rupture de ces structures hautement vascularisées avec hémorragie intra-abdominale menaçant la vie, la GEU fait partie des urgences gynécologiques les plus exigeantes.

Klinik und Diagnostik der EUG

Klinik

Die häufigste Lokalisation der ektopen Schwangerschaft ist der Eileiter (ca. 96%), selten befindet sie sich in der Zervix, interstitiell/cornual, im Bereich einer Sectionarbe, ovariell oder intraabdominell; eine extreme Rarität stellen die intramuralen-in der Uteruswand (nur 50 Fälle in der Literatur) und die heterotopen (gleichzeitiges Bestehen einer intrauterinen und einer ektopen Schwangerschaft) Schwangerschaften dar.
Die zwei Kardinalsymptome der EUG sind Unterbauchschmerzen und vaginale Blutung in der Frühschwangerschaft bzw. nach einer Amenorrhoe (2). Typischer Weise beginnen die Beschwerden ca. 6-8 Wochen nach der letzten Periode, bei den selteneren, nicht-tubaren EUGs kann diese Symptomatik auch etwas später auftreten.
Bezüglich der Unterbauchschmerzen gibt es kein spezifisches Schmerzmuster für die EUG, häufig befinden sich die Schmerzen diffus im Unterbauch, gelegentlich zu einer Seite lokalisiert. Sowohl das zeitliche Auftreten, die Stärke als auch der Schmerzcharakter können sehr unterschiedlich sein. Beim perakuten, starken Schmerz und kreislauf-instabiler Patientin mit positivem Schwangerschaftstest muss an eine rupturierte EUG gedacht werden.
Auch die vaginale Blutung folgt keinem für die EUG spezifischem Blutungsmuster. Sie kann schwach im Sinne eines Spottings sein oder einer übermensstarken Blutung entsprechen. Die Blutung ist häufiger intermittierend als kontinuierlich.
Die allgemeinen Schwangerschaftsbeschwerden (wie z.B. Übelkeit und Brustspannen) treten häufig später als erwartet auf; dies liegt an den tieferen Hormonwerten im Vergleich zu vitalen intrauterinen Schwangerschaften (gilt sowohl für bHCG als auch für Progesteron und Östrogen) (3).
Selten sind Patientinnen auch oligo- bis asymptomatisch.

Diagnostik

Die zwei Säulen der Diagnostik der EUG sind der transvaginale Ultraschall und die serielle Messung des Schwangerschaftshormons bHCG im Serum.

Ultraschall

Die Ultraschalluntersuchung bei potentiell schwangeren Patientinnen ist die Untersuchungsmethode der ersten Wahl, da dieses Verfahren (ohne Anwendung ionisierender Strahlen wie z.B. beim CT) problemlos für die Patientin und die Schwangerschaft angewendet werden kann. Für eine rasche Übersicht des ganzen Abdomens kann der transabdominelle Ultraschall verwendet werden, insbesondere dient diese Ultraschalluntersuchung dazu grössere Mengen freier Flüssigkeit im Rahmen einer Ruptur und Blutung in die freie Bauchhöhle zu entdecken. Für die detaillierte Untersuchung zur Diagnose und genaueren Lokalisation einer EUG verwendet man die transvaginale Sonografie.
Eine EUG gilt als sonografisch gesichert, wenn man einen extrauterinen, inhomogenen Adnexbefund mit Gestationssack und Embryonalstruktur mit messbarer Schädel-Steiss-Länge darstellen kann. Die Darstellung einer positiven embryonalen Herzaktion untermauert die sonografische Diagnose (4).
Eine EUG gilt sonografisch als wahrscheinlich, wenn man einen extrauterinen, inhomogenen Adnexbefund (sogenanntes «blob sign») sieht, welcher sich klar vom ipsilateralen Ovar abgrenzen lässt. Ebenso gilt die EUG als wahrscheinlich, wenn man einen inhomogenen Adnexbefund darstellt, der einen leeren Gestationssack enthält («bagel sign»). Die Sensitivität und Spezifität dieser Untersuchungen sind hoch (5). Gleichzeitig ist die Absenz einer intrauterinen Schwangerschaft bei positivem Schwangerschaftstest suggestiv für das Vorliegen einer EUG. Je nach Amenorrhoedauer sollte normalerweise zwischen der 4. – 6. SSW eine intrauterine Doppelringstruktur zu sehen sein, ab ca. 5+3 SSW ein Dottersack nachgewiesen werden und zwischen 6+0 und 6+3 SSW eine
beginnende Embryonalanlage im Uteruscavum zu sehen sein (6).
Die Doppler-Ultraschalluntersuchung kann bei der Visualisierung einer EUG hilfreich sein, da Trophoblastgewebe einen hohen systolischen Fluss anzeigt. Gelegentlich kann man das Flusssignal als sog. «ring of fire» um einen inhomogenen Adnexbefund darstellen.
Leider schliesst die Abwesenheit dieses Dopplerphänomens eine EUG nicht aus und gleichzeitig kann eine Corpus luteum des Ovars das «ring of fire» Phänomen imitieren (7).

Serielle bHCG-Messungen

Das schwangerschaftsspezifische Hormon «humanes Choriongonadotropin» beschreibt in der Frühschwangerschaft einen charakteristisch exponentiell verlaufenden Anstieg. Beim Vorliegen einer intakten intrauterinen Schwangerschaft kann man als Faustregel von mindestens einer Verdoppelung innerhalb von 48 Stunden ausgehen. Dieser exponentielle Anstieg ist in der Regel bis zum 41. Schwangerschaftstag nachweisbar, danach steigt das Hormon langsamer an.
Um zwischen beginnendem Abortgeschehen, intakter intrauteriner Frühschwangerschaft und ektoper Schwangerschaft zu unterscheiden, benötigt man in der Regel serielle Messungen des bHCGs, falls zum Untersuchungsdatum sonografisch keine intrauterine Schwangerschaft gesehen werden kann und Zeichen einer EUG nicht gesichert werden können (sowohl klinisch als auch sonografisch).
Eine Studie aus dem Jahr 2004 von Barnhart et al. hat gezeigt, dass aber auch bei einem langsameren, nicht exponentiellen Anstieg in der seriellen Messung, eine intakte intrauterine Schwangerschaft nachgewiesen werden konnte. Der niedrigste Anstieg betrug 53% innerhalb von 48h in dieser Studie (8). Eine Plateaubildung oder ein Abfall des Hormons spricht für eine ektope Schwangerschaft oder ein Abortgeschehen.
Ein häufig diskutierter Begriff ist die sogenannte «discriminatory zone» des bHCG. Dieser Begriff beschreibt den Hormonwert, ab dem beim Vorliegen einer intrauterinen Schwangerschaft in der sonografischen Untersuchung ein Gestationssack gesehen werden sollte (9).
Bei Verwendung der transvaginalen Sonografie liegt dieser Wert zwischen 1500 und 2000mU/ml. Wenn man bei der Diagnostik höhere Werte ansetzt, erhöht sich das Risiko einer unentdeckten ektopen Schwangerschaft, bei niedrigen cut-off Werten erhöht sich das Risiko mit einer evtl. eingeleiteten Abort-Therapie eine entstehende intrauterine Schwangerschaft zu unterbrechen.

Therapie der EUG

Bei der Therapie der EUG kann prinzipiell zwischen chirurgischer Therapie, medikamentöser Therapie und expektativem Verhalten unterschieden werden (10). Die chirurgische Therapie, meist im Sinne einer minimal-invasiven Laparoskopie ist bei der klinisch und sonografisch diagnostizierten EUG sicher und effektiv.
Je nach klinischer Situation der Patientin, intraoperativem Situs und Wunsch nach maximalem Fertilitätserhalt wird entweder eine Salpingotomie oder eine Salpingektomie durchgeführt. Mehrere Untersuchungen haben jedoch keinen sicheren Vorteil für die zukünftige Fertilität bei Salpingotomie vs. Salpingektomie gezeigt, insbesondere, wenn die kontralaterale Tube makroskopisch unauffällig aussieht. Jedoch besteht ein leicht erhöhtes Risiko der persistierenden ektopen Schwangerschaft nach Salpingotomie (4-15%) (11). Aus diesem Grund sind nach Operation die histologische Aufarbeitung des Präparates und serielle bHCG Kontrollen bis zur Negativität empfohlen.
Im Falle einer hämodynamisch instabilen Patientin sollte die operative Therapie mittels Lapartomie in Erwägung gezogen werden.
Die medikamentöse Behandlung der EUG besteht aus der systemischen Gabe von Methotrexat, entweder als i.m. Einmaldosis (i.d.R.50mg/m2) oder als wiederholte i.m. Gabe über 7 Tage (i.d.R.1mg/kg KG an Tag 1,3,5,7) (12). Methotrexat ist ein Folsäureantagonist, welcher auch als potentes Chemotherapeutikum eingesetzt wird und das Wachstum von schnell proliferierenden Zellen hemmt. Seit 1982 wird Methotrexat zur Behandlung der ektopen Schwangerschaft eingesetzt (13).
Die Bedingungen für eine medikamentöse Therapie sind: Keine klinischen Zeichen für Ruptur (Hämatoperitoneum, Abdominal-
schmerzen, Kreislaufinstabilität), bHCG <5000mlU/ml, keine fetale Herzaktion, Wunsch und Compliance der Patientin bzgl. Follow-up Untersuchungen.
Eine belgische single-center Studie von C. Beguin untersuchte 2019 die Erfolgsraten von Methotrexat bei der Behandlung der ektopen Schwangerschaften in Abhängigkeit vom prätherapeutischen bHCG Wert (14). Es konnte gezeigt werden, dass die Wirksamkeit für die Behandlung mit MTX ab einem gewissen bHCG-Wert (in der Studie war der cut-off Wert 2439IU/L), deutlich sinkt.
In der Studie war die Therapie bei einem prätherapeutischen Wert von < 2000 IU/L in 93% erfolgreich und in 7% erfolglos (sekundäre Operation notwendig). Bei den Werten zwischen 2000 und 3000 IU/L waren es 71% Erfolg und 29% Misserfolg, lag der Wert jedoch über 3000 IU/L führte die Behandlung nur noch in 12,5% zum Erfolg, 87,5% waren erfolglos.
Selbstverständlich können Frauen auch bei Werten über 3000 IU/L mit MTX behandelt werden, wenn sie vorgängig über diese Zahlen informiert werden.
In den letzten Jahren wurde versucht, die medikamentöse Therapie mit weiteren Medikamenten zu ergänzen. Das erfolgversprechendste Medikament ist der bekannte Progesteron-Rezeptorantagonist Mifepriston. Im Vergleich mit der alleinigen Therapie mit Methotrexat ergab die Kombination mit oralem Mifepriston in zwei randomisierten Studien eine leicht erhöhte Erfolgsrate für die kombinierte Therapie. Jedoch ergaben sich keine Daten bzgl. der zukünftigen Fertilität und die Patientinnenzahlen waren sehr klein (15,16). Hier werden weitere Studien erwartet, momentan ist die zusätzliche Gabe von Mifepriston kein etablierter Standard.
Das expektative Vorgehen kann bei Patientinnen angewendet werden, bei denen der bHCG Wert sehr niedig ist (< 1500lU/l) und im Verlauf nach 48 Stunden abfällt und welche klinisch und sonografisch kein Anhaltspunkt für eine Ruptur zeigen (17). Auch bei diesen Patientinnen ist eine genaue Aufklärung über die Risiken (z.B. Persistenz der EUG mit Gefahr der Ruptur und Schädigung der Tube) und eine gute Compliance für die wichtigen Nachkontrollen essentiell.

Psychische Folgen nach Diagnose und Behandlung der EUG

Die ektope Schwangerschaft kann eine lebensbedrohliche Erkrankung der Frau im fertilen Alter darstellen, gleichzeitig endet eine ektope Schwangerschaft praktisch nie mit der Geburt eines lebensfähigen Kindes. Die Diagnose aber auch die Therapie sind komplex und zum Teil sehr langwierig. Dies ruft bei den betroffenen Frauen eine extreme Stressreaktion hervor. Gefühle wie Traurigkeit über den Verlust der Schwangerschaft, Schock, Unverständnis, Schuld und Angst bezüglich der zukünftigen Fertilität sind häufig (18). In einer qualitativen Studie aus Irland wurden Frauen nach durchgemachter Diagnose und Therapie einer EUG (mit chirurgisch, medikamentösem und abwartendem Verhalten) interviewt.
Es zeigte sich, wie extrem die Enttäuschung bei Diagnosestellung ist (Verlust aller Hoffnung auf eine normale Schwangerschaft und ein gesundes Kind) und wie gross der Einfluss der ärztlichen Betreuung bei Diagnose und Therapie auf den Heilungs- und Verarbeitungsprozess ist.
Es ist von essentieller Bedeutung, die Verarbeitungsstrategien der einzelnen Patientinnen zu erkennen und zu bestärken. Nicht nur die Anerkennung des Verlustes der Schwangerschaft, sondern auch die Nachuntersuchungen und die Besprechung der zukünftigen Familienplanung mit Eingehen auf Risiko der erneuten EUG und evtl. reduzierter Fertilität, beeinflussen den Verlauf der Genesung und die Zufriedenheit der Frauen (19, 20).

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Nina Manz

Stadtspital Waid und Triemli
Frauenklinik
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

nina.manz@triemli.zuerich.ch

Die Autoren haben im Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Die ektope Schwangerschaft ist ein potentiell lebensbedrohliches Krankheitsbild, welches uns im Klinikalltag mit einer relativ hohen Häufigkeit begegnet.
  • Die Diagnose kann sehr schwierig und herausfordernd sein.
  • Frauen sind durch langwierige Diagnoseprozesse und Therapie psychisch stark belastet.
  • Die ärztliche Behandlung sollte ein follow-up Gespräch mit Erläuterung der nachfolgenden Fertilität und Besprechung des Risikos einer erneuten EUG beinhalten.

Messages à retenir

  • La grossesse extra-utérine (ou ectopique) est un tableau clinique potentiellement mortel que nous rencontrons relativement souvent dans notre activité clinique.
  • Le diagnostic est un défi qui peut s’avérer très difficile.
  • A cause de processus diagnostiques fastidieux et longs la femme peut vivre une souffrance psychique importante.
  • Dans le suivi, la prise en charge médicale devrait comporter un entretien de conseil au sujet de la fertilité ultérieure et du risque de récidive.

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tox.2008.11.055. Epub 2008 Dec 3. PMID: 19103279

Schilddrüsenknoten

Schilddrüsenerkrankungen sind im klinischen Alltag verbreitet. Patienten mit sicht- und tastbaren Schilddrüsenknoten oder einer veränderten Stoffwechsellage werden idealerweise frühzeitig in der hausärztlichen Praxis identifiziert und abgeklärt. Schilddrüseninzidentalome sollten ebenfalls systematisch aufgearbeitet werden. In diesem Artikel sind die wichtigsten Punkte der Diagnostik und Therapie, aber auch der Nachsorge von Schilddrüsenknoten zusammengefasst.

Die Diagnostik, die Patientenberatung und die Festlegung und Durchführung einer definitiven Therapie von Schilddrüsenknoten erfolgen im interdisziplinären Kontext. Evidenzbasierte Algorithmen beschleunigen die Diagnosefindung und ermöglichen eine effektive und ressourcenschonende Therapie. Die Bandbreite der möglichen Schilddrüsenknoten ist gross (Tab. 1). Bei der Behandlung von Schilddrüsenknoten kommen medikamentöse Therapien, Radiojodtherapie, Thermoablation und gezielte chirurgische Eingriffe zum Einsatz. Bei der Verlaufsbeobachtung und der Nachsorge sichert der enge Dialog zwischen Grundversorgern und spezialisierten Kollegen langfristig den Behandlungserfolg.

Basisdiagnostik bei der Erstdiagnose eines Schilddrüsenknotens

Die Basisabklärung von Schilddrüsenknoten umfasst eine detaillierte Anamnese, die körperliche Untersuchung, die laborchemische Kon­trolle der Schilddrüsenfunktion und die Sonographie. Die Abklärung erfolgt standardisiert und evidenzbasiert (Abb. 1). Die Fallvignetten 1-3 zeigen exemplarisch drei aktuelle Fälle, die uns zugewiesen wurden.

Anamnese

Eine genaue Anamnese gibt wertvolle Hinweise zur Wachstumsdynamik, zur Funktion und zum Risikoprofil von Schilddrüsenknoten. Patienten berichten bei langsam wachsenden Knoten häufig erst auf gezieltes Nachfragen von lokalen mechanischen Symptomen wie Räusperzwang, Dyspnoe oder Dysphagie. Diese Symptome können lageabhängig sein, ihre Ausprägung variiert individuell. Hypo- bzw. Hyperthyreosesymptome variieren ebenfalls und müssen spezifisch erfragt werden. Wichtige Informationen ergeben sich aus der Fami­lienanamnese bezüglich Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsener­krankungen und der Frage nach Ernährungsgewohnheiten und Noxen.
Anamnestisch wichtige Risikofaktoren für Malignität sind:

  • Bestrahlung von Kopf und Hals in der Anamnese
  • junges und fortgeschrittenes Alter
  • rasches Knotenwachstum, wenig schluckverschiebliche Knoten, zervikale Lymphknotenvergrösserung
  • neu aufgetretene Heiserkeit
  • männliches Geschlecht
  • positive Familienanamnese für Schilddrüsenmalignome

Körperliche Untersuchung

Die Tastbarkeit eines Knotens hängt von seiner Grösse, seiner Lage am Hals, der Physiognomie des Patienten und der Erfahrung des Untersuchers ab. Das frühzeitige Erkennen klinisch bedeutsamer Kompressionssymptome ist wichtig. Retrosternal gelegene Knoten können bei der körperlichen Untersuchung nicht zuverlässig erfasst werden.

Laborchemische Basisdiagnostik

Die Euthyreose wird durch TSH-Bestimmung gesichert. Die Kenntnis von TSH und fT3/fT4 ermöglicht die Einteilung in normale bzw. Unter- und Überfunktion und die Quantifizierung der Störung (subklinisch vs. manifest). Die Schilddrüsenfunktion variiert über die Lebenszeit (1). Ein Grossteil der Patienten mit Schilddrüsenknoten ist euthyreot. Ein synchron vorliegender Hyperparathyreoidismus sollte durch die Bestimmung des Serumkalziums ausgeschlossen werden.

Sonographie

Die Sonographie ist der Goldstandard in der bildmorphologischen Beurteilung von Schilddrüsenknoten und sollte immer erfolgen. Dabei werden die Grösse der Schilddrüsenlappen, die Echogenität des Parenchyms, die Knotencharakteristika (Grösse, Form und Randbildung, Lage, Echogenität, Vaskularisation und ggf. Elastizität) beschrieben und bilddokumentiert. Die Klassifizierung der Schilddrüsenknoten erfolgt standardisiert und ist gleichzeitig die Grundlage für die Indikationsstellung zur Feinnadelpunktion (2). Unscharf begrenzte Knoten, hypoechogene Knoten, Knoten, die die Schilddrüsenkapsel durchbrechen und/oder die Nachbarstrukturen infiltrieren, Mikrokalzifikationen, verstärkte Vaskularisation, pathologische Lymphknoten, PET-CT-Positivität sind wesentliche Indikatoren für Malignität. Die Sonographie umfasst auch die Beurteilung der Halslymphknoten und der Nebenschilddrüsen bei synchronem Hyperparathyreoidismus. Es erfolgt eine klinisch differenzierte Auswahl der zu punktierenden Knoten. Die Sonographie ist limitiert beim Erkennen von retrosternal gelegenen Schilddrüsenanteilen.

Spezielle Diagnostik bei der Erstdiagnose eines Schilddrüsenknotens

Weiterführende Laborchemie

Die Messung der Schilddrüsen-Antikörper ergänzt die Diagnostik zum Ausschluss einer Autoimmunthyreoiditis. Das seltene, medulläre Schilddrüsenkarzinom wird bei knotiger Schilddrüse durch die Calcitonin-Bestimmung ausgeschlossen.

Erweiterte Bildgebung Szintigraphie

Die Szintigraphie erlaubt eine «Funktionstopographie» der Schilddrüse. Sie ermöglicht bei vorliegendem Ultraschall eine Differenzierung zwischen hyper- und hypofunktionellen Knoten, die Unterscheidung zwischen fokaler und disseminierter Autonomie und das Erkennen von extrazervikalem Schilddrüsengewebe (3).
Die ideale Zuweisung zur Szintigraphie umfasst eine problemorientierte Anamnese, ein aktuelles TSH und aktuelle Ultraschallbilder.
Schilddrüsenknoten mit einem erhöhten Uptake in der Schilddrüsenszintigraphie sind selten maligne.

Schnittbildgebung

Eine Computertomographie des Halses und Thorax ohne jodhaltiges intravenöses Kontrastmittel oder eine Magnetresonanztomographie kommen bei der Beurteilung des oberen Mediastinums zum Einsatz. Die intrathorakale Knotenausdehnung und die Gefässversorgung können damit ergänzend beurteilt werden. Selten muss bei erforderlicher chirurgischer Therapie die Zervikotomie durch eine Sternotomie erweitert werden.

Feinnadelpunktion

Die ultraschallgesteuerte Feinnadelpunktion hat eine hohe Sensitivität und Spezifität, wenn sie von geübter Hand durchgeführt und mit grosser zytopathologischer Erfahrung beurteilt wird. Entscheidend ist die Gewinnung von repräsentativem Punktionsmaterial mit ausreichend Thyreozyten.
Bei der Beurteilung der Ergebnisse der Feinnadelpunktion sollte das Bethesda-System verwendet werden. Es dient der Risikoabschätzung einer potenziellen Malignität und ist eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Therapieplanung und auch bei der Festlegung des Opera­tionsausmasses (4). Wird eine Probe als nicht repräsentativ (Bethesda-Kategorie-I) eingestuft, erfolgt die Repunktion. Die Risikobewertung der sechs existierenden Bethesda-Kategorien wurde über die Zeit angepasst (5). Neue vergleichende Untersuchungen internatio­naler Registerstudien zeigen, dass die prognostische Aussagekraft der zytopathologischen Befunde immer wieder kritisch hinterfragt werden muss. Die Zytopathologie ist nur ein Element bei der interdisziplinären Entscheidungsfindung und der individuellen Therapieempfehlung (6). Sowohl bei der sonographischen als auch bei der zytopathologischen Risikostratifizierung bleibt der mittlere Bereich der Bereich mit der grössten Unschärfe. Gerade hier profitiert der Patient von einer interdisziplinären Beratung im Expertenteam.

Einsatz molekularpathologischer Zusatzuntersuchungen

Zur genaueren Differenzierung von Knoten mit intermediärem Risikoprofil können molekularpathologische Zusatzuntersuchungen erfolgen. Um bei der Planung der weiteren Therapie entscheidend zu sein, muss die Molekularpathologie zuverlässige prognostische Informationen liefern. Die Validierung, die Analyse des Nutzen-Risiko-Verhältnisses und die Kosteneffizienz der molekulargenetischen Untersuchungen stehen noch aus.

Therapieoptionen bei Schilddrüsenknoten

Nach Abschluss der Basisdiagnostik und der speziellen Diagnostik können folgende Therapiemöglichkeiten offenstehen:

  • Verlaufsbeobachtung mit klinischer, laborchemischer und sonographischer Kontrolle
  • Medikamentöse Therapie
  • Operation
  • Radiojodtherapie
  • Thermoablation

Patientenpräferenzen spielen bei der Festlegung der Therapie eine wesentliche Rolle. Von Patienten häufig genannte Aspekte bei der Entscheidungsfindung sind der Wunsch nach Unabhängigkeit von Medikamenten, keine langwierigen Verlaufsbeobachtungen, zügige Therapieentscheide, komplikationsarme klinische Verläufe, Rezidivfreiheit. Der Patient wird bei seiner informierten Entscheidung im interdisziplinären Team gestärkt.

Verlaufsbeobachtung mit Kontrolle

Asymptomatische Schilddrüsenknoten ohne Malignitätszeichen in einer euthyreoten Schilddrüse können klinisch, laborchemisch und sonographisch beobachtet werden.

Medikamentöse Therapie

Die thyreostatische Therapie mit Carbimazol (Néo-Mercazole®) kann initial oder auch überbrückend bei fokaler Autonomie zum Einsatz kommen. Propylthiouracil (Propycil®) wird nur in Reservefällen (z. B. Behandlung im ersten Trimenon der Schwangerschaft) und bei Unverträglichkeiten eingesetzt. Bei fokalen Autonomien ist die medikamentöse Therapie nicht kurativ, d.h. ein Absetzen der Behandlung führt zum Wiederauftreten der Schilddrüsenüberfunktion.

Die Operation

In der Schweiz werden jährlich etwa 3600 Operationen an der Schilddrüse vorgenommen. Die medizinische Praxis richtet sich nach europäischen und amerikanischen Leitlinien. Die häufigsten Indikationen zur Schilddrüsenresektion sind Kompressionssymptome, Malignitätsausschluss und Malignität sowie Schilddrüsenüberfunktion (7). Im Schilddrüsenzentrum, LUKS Luzern, wurden im Jahr 2019 150 primäre Operationen an der Schilddrüse durchgeführt; die meisten Operationen erfolgten bei Kompressionssymptomen (58/150). 50/150 Operationen wurden zum Ausschluss vermuteter Malignität vorgenommen und von diesen wurde der Malignitätsverdacht in 52% der Fälle bestätigt. Bei 10/150 Patienten war die Malignitätsdiagnose bereits präoperativ gesichert. Bei 32/150 Patienten bestand eine klinisch manifeste Hyperthyreose (Abb. 2).


Die chirurgische Strategie ist fallbezogen und individuell. Es erfolgt eine lappengetrennte Indikationsstellung. Die befunddominante Seite wird zuerst operiert. Alle Operationen erfolgen mit Lupenbrille. Der Einsatz des intraoperativen Neuromonitorings schützt den N. laryngeus recurrens (8). Einzeitige Operationen werden angestrebt. Der intraoperative Gefrierschnellschnitt kommt dabei zum Einsatz. Rezidive sind bei benignen und malignen Schilddrüsenerkrankungen zu vermeiden. Individualisierte, risikoadaptierte Operationen an erfahrenen Zentren mit hohem Operationsvolumen senken das Operationsrisiko für den einzelnen Patienten. Eingriffe durch «high-volume» endokrine Chirurgen haben ein besseres Outcome. Dies gilt sowohl für eingriffsspezifische Komplikationen (Nachblutung, postoperativer Hypoparathyreoidismus und N. recurrens-Läsionen) als auch für die 30-Tage-Morbidität (Infektionen, Operationsdauer und Spitalaufenthalt).

Die Radiojodtherapie

Bei autonomen Knoten kann die Radiojodtherapie bei manifester oder latenter Hyperthyreose zum Einsatz kommen. Faktoren, die bei der Beratung des Patienten für eine Radiojodtherapie sprechen, sind Voroperationen an der Schilddrüse und ein erhöhtes Operationsrisiko bei Begleiterkrankungen. Die wichtigsten Kontraindikationen sind eine Schwangerschaft und die Stillzeit. Vor jeder Radiojodtherapie soll auf Jod-Zufuhr verzichtet werden. Die Therapie wird individuell berechnet und hängt von der Grösse der Schilddrüse, dem Joduptake (wird durch eine geringe Menge Testdosis von Jod-131 ermittelt) und der angestrebten Zieldosis ab. Bei unifokaler und multifokaler Autonomie kommt ein funktionsoptimiertes Therapiekonzept zur Anwendung mit dem Ziel, die Hyperthyreose zu beseitigen, die Funktion der Schilddrüse jedoch zu erhalten. Neben der Normalisierung der Stoffwechsellage kann eine erfolgreiche Radiojodtherapie auch das Volumen des hyperaktiven Schilddrüsenknotens reduzieren.

Die Thermoablation

Die ablative Behandlung von unifokalen Autonomien durch Thermoablation mit monopolaren oder bipolaren Sonden stellt ein neueres, minimalinvasives Verfahren dar, das im ambulanten oder kurzstationären Setting durchgeführt wird. Der Vorteil der Methode liegt darin, dass das hyperfunktionelle Gewebe organerhaltend reduziert wird. Die Thermoablation kann zu einer Volumenreduktion von 65-80% führen. Die therapeutische Erfolgsrate in Bezug auf die Normalisierung der Schilddrüsenfunktion reicht von 50 bis fast 90% (9). Die Indikation zur Thermoablation wird in unserem Schilddrüsenzentrum interdisziplinär gemeinsam mit dem Patienten gestellt. Für die Qualitätssicherung werden die Patienten vor und nach dem Eingriff engmaschig kontrolliert (Sonographie, postinterventionelle Szintigraphie zur Beurteilung des Ablationserfolges, prä- und post­ablationelle phoniatrische Prüfung der Stimmbandfunktion).

Nachsorge und Qualitätssicherung

In der Nachsorge kommen ‒ in Analogie zur Basisabklärung von Schilddrüsenknoten ‒ die detaillierte Anamnese, die körperliche Untersuchung, die laborchemischen Kontrollen und die Sonographie erneut zum Einsatz. Das TSH-Monitoring nimmt in der Nachsorge einen wichtigen Stellenwert ein. Schwankende Compliance und Dosisanpassungen der Schilddrüsenhormonersatztherapie erfordern engmaschigere Laborkontrollen. Nach Anpassungen der medikamentösen Therapie erfolgt die TSH-Kontrolle in 4-6-wöchigem Abstand. Die angestrebten TSH-Werte variieren je nach Erkrankung, definitiver histologischer Diagnose und dem Therapieansprechen. Sie können sich zwischen Zielwerten im Normbereich, im unteren Normbereich und TSH-suppressiven Werten bewegen.
Durch eine regelmässige Nachsorge kann die Therapietreue der Patienten zuverlässig gewahrt bleiben. Rezidive können frühzeitig erkannt werden. Rezidivierende Erkrankungen bei Schilddrüsenknoten können sich klinisch, laborchemisch und sonographisch bemerkbar machen durch neu aufgetretene Kompressionssymptome, dysthyreote Symptome, sicht- und/oder tastbare Schilddrüsenknoten, zervikale Lymphadenopathie oder laborchemische Auffälligkeiten. Sie bedürfen in Analogie zur Erstdiagnose einer strukturierten Abklärung.
Eine systematische Qualitätssicherung in Datenbanken mit Benchmarking ist integraler Bestandteil der Patientenversorgung. In der Langzeitbetreuung wird klinisch, laborchemisch und sonographisch der therapeutische Erfolg dokumentiert.

Ausblick

Schilddrüsenknoten bleiben häufig. Schilddrüsenkarzinome haben weltweit eine steigende Inzidenz (10). Die Diagnose eines Schilddrüsenknotens unklarer Dignität und die damit verbundenen Verlaufsuntersuchungen sind für viele Patienten belastend. Die diagnostisch eindeutige und zeitnahe Abklärung kann auch für das Behandlungsteam eine Herausforderung sein. Der Patient und das Behandlungsteam profitieren von einer strukturierten und einheitlichen Diagnostik. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse verbessern die Diagnostik- und Therapieabfolge. Bei der individualisierten Therapieempfehlung wird die Kompetenz und Erfahrung der unterschiedlichen Fachdisziplinen gebündelt. Die enge Zusammenarbeit mit den Kollegen in der Praxis sichert für den Patienten auch langfristig den Therapierfolg.

Lukas Scheuble, 1
Dr. med. Stefan Fischli, 2,1
Dr. med. Maria del Sol Pérez Lago, 3,1
Dr. med. Walter Arnold, 4,1
PD Dr. med. Corinna Wicke, 1
Schilddrüsenzentrum1, Endokrinologie und Diabetologie2, Radiologie und Nuklearmedizin3, Pathologie4, Luzerner Kantonsspital, Luzern
Luzerner Kantonsspital, Spitalstrasse, 6000 Luzern 16

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

PD Dr. med. Corinna Wicke

Schilddrüsenzentrum
Luzerner Kantonsspital
Spitalstrasse
6000 Luzern 16

corinna.wicke@luks.ch

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenkonflikte deklariert.

  • Schilddrüsenknoten sind im Praxisalltag häufig – nur ein kleiner Anteil aller Knoten ist maligne.
  • Klar definierte Algorithmen beschleunigen die Diagnosefindung und die Therapieempfehlung.
  • Die sonographisch-gesteuerte Feinnadelpunktion erfasst das Malignitätspotential eines Knotens.
  • Jeder Patient wird über seine Behandlungsoptionen (Beobachtung, medikamentöse Therapie, Operation, Radiojodbehandlung oder Thermoablation) individuell beraten.
  • Eine konsequente Nachsorge optimiert den Behandlungserfolg.

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Hyperprolaktinämie in der hausärztlichen Praxis

In der folgenden Übersichtsarbeit soll auf Probleme rund um die Prolaktin-Erhöhung im Rahmen eines «Frage - Antwort» Spieles eingegangen werden.

Was ist Prolaktin, wo wird es produziert und kann es physiologischerweise erhöht sein?

Prolaktin (ein Polypeptidhormon) wird in den laktotrophen Zellen der Adenohypophyse gebildet und sezerniert. Neben der Rolle in der Schwangerschaft (Stimulation des Brustwachstums) und der Stillperiode (Stimulation der Milchproduktion in Östrogen-geprimter Brust) scheint Prolaktin noch diverse weitere Funktionen zu haben, welche aber noch nicht abschliessend geklärt sind. Eine Stimulation von Zellen des Immunsystems wird vermutet.
Prolaktin wird pulsatil sezerniert. In der Nacht ist die Sekretion maximal. Ein leichter Anstieg des Prolaktinspiegels wird auch nach dem Essen und bei sexueller Aktivität gefunden. Normwerte reichen (je nach Messmethode/Labor) meistens bis 20 µg/l.
In der Schwangerschaft (peak vor der Geburt) und während der Stillzeit ist Prolaktin immer erhöht (Abb. 1). Bei stillenden Frauen normalisiert sich das Prolaktin innert sechs Monaten, bei nicht stillenden Müttern innert sechs Wochen. Zudem kommt es zur Erhöhung bei Nippel Stimulation (aber nur bei laktierenden Frauen) und bei Leistungssport. «Stress» kann Prolaktin bis maximal 40 µg/l erhöhen.
Frauen haben meistens leicht höhere Werte, wahrscheinlich wegen der Stimulation der Prolaktin-Sekretion durch Östrogene. Prolaktinome machen oft auch Symptome, wenn sie nur Mikroadenome sind. Mikro- (nicht Makro-) prolaktinome treten viel häufiger bei Frauen als bei Männern auf.
Bei Werten über 200 µg/l handelt es sich in der Mehrheit um einen Prolaktin-produzierenden Tumor. Bei grösseren Tumoren ist der Prolaktinwert proportional höher (Abb. 2).

Was steuert Prolaktin?

Die Hauptsteuerung des Prolaktins erfolgt über die inhibierende Wirkung des Dopamins aus dem Hypothalamus. Aus diesem Grund kann es bei einer Inflammation wie einer lymphozytären Hypophysitis oder bei Zysten sowie bei Erkrankungen des Hypothalamus (wie z.B. Kraniopharyngeome) zu einer Erhöhung des Prolaktins kommen, da der Transport des Dopamins entlang dem Hypophysen-Stiel gehemmt ist (meistens Erhöhung bis zu Werten von 150 µg/l). Prolaktin wird zu 75% in der Leber metabolisiert und zu 25% in der Niere ausgeschieden.

Wann ist Prolaktin im Sinne einer Krankheit erhöht?

Am häufigsten bei laktotrophen Adenomen («Prolaktinome»: Mikro (< 10mm) und Makro (≥ 10mm) -prolaktinome). Bei Mikro­adenomen erreichen die Prolaktinwerte einen Wert bis zu 200 µg/l und Makroadenome bis 2 cm sezernieren (als grobe Regel) zwischen 200 bis zu 1000 µg/l, bei Makroadenomen grösser als 2 cm werden noch höhere Werte erreicht. Bei wenig differenzierten Adenomen werden tiefere Prolaktin-Werte erreicht – diese Adenome sprechen schlechter auf Dopamin-Agonisten an.
Es gibt keine Risikofaktoren, welche zur Entwicklung eines Prolaktinoms beitragen würden.
Prolaktinome sind die häufigsten Adenome der Hypophyse (40%). Nicht zu verpassen sind Prolaktinome im Rahmen eines MEN1.
Prolaktinome sind in der Mehrzahl gutartig, können aber durch ein invasives Wachstum zu Komplikationen führen. Ein Adenom ist als eine monoklonale Expansion einer einzelnen Zelle zu sehen. In der Mehrheit befinden sich in einem solchen Adenom nur laktotrophe Zellen, selten auch somatotrophe, corticotrophe oder thyreotrophe Zellen (Ko-Sekretion von GH>ACTH>TSH).

Diagnose

Wann soll ich Prolaktin messen?

Bei der Frau: Oligomenorrhoe oder Amenorrhoe (in 10 - 20% liegt eine Hyperprolaktinämie vor), Galaktorrhoe (insgesamt selten), Infertilität. Kopfschmerzen (meist frontal) und Sehstörungen können v.a. bei Makroprolaktinom vorkommen. Die Knochendichte kann abnehmen. Bei der Frau führt eine Erhöhung des Prolaktinspiegels zu einer Hemmung der GnRH Freisetzung. Aus diesem Grund kann GnRH die Gonadotropine LH und FSH nicht stimulieren und der Zyklus bleibt aus. Weiter bleibt der LH Peak und die Ovulation aus. Durch ein grosses Prolaktinom kann zusätzlich ein Kompressionseffekt auf die gonadotropen Zellen der Hypophyse entstehen.
Beim Mann: Hypogonadismus (Testosteronmangel manifestiert sich als erektile Dysfunktion sowie reduzierte Libido und später Abnahme der Sekundär-Behaarung), Gynäkomastie sowie Galaktorrhoe, Infertilität, Kopfschmerzen frontal, Sehstörungen.

Sollen noch weitere Laborparameter bestimmt werden?

Neben Bestätigung des erhöhten Prolaktin soll zusätzlich bei Frauen eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden, bei beiden Geschlechtern soll das TSH und das fT4 und fT3 bestimmt werden sowie Leber- und Nierenwerte. Zusätzlich die Gonadotropine LH & FSH mit Estradiol bei der Frau und Gesamttestosteron beim Mann. Dies jeweils am frühen Morgen. Folgende Hormonachsen sollen auch (frühmorgens) getestet werden: ACTH/Cortisol sowie Wachstumhormon und IGF1, um die gesamte hypophysäre Funktion biochemisch zu evaluieren.

Was findet sich im klinischen Status?

Beim Mann kann sich infolge Testosteronmangel eine Abnahme der Muskelmasse und später auch eine Abnahme der Sekundär-Behaarung zeigen.
Das Gesichtsfeld sollte bei beiden Geschlechtern immer geprüft werden (fingerperimetrisch).

Soll neben dem Labor immer auch noch eine Bildgebung erfolgen?

Ja, nach Ausschluss von sekundären Ursachen einer Hyperprolaktinämie wird ein dezidiertes MRI der Hypophyse mit Feinschnittprotokoll empfohlen. Bei Menschen mit einem Makroprolaktinom ist eine ophthalmologische Untersuchung (Goldmann Perimetrie) indiziert.

Kann Prolaktin zu tief sein?

Im Rahmen eines Panhypopituitarismus und bei wirksamer Therapie mit Dopamin-Agonisten kann Prolaktin unter den Referenzbereich fallen. Bei letzterem ist dies unter Umständen sogar gewünscht. Die Ursachen der Hyperprolaktinämie sind in der Tabelle 1 zusammengefasst, die Differentialdiagnose in Tabelle 2.

Welches sind die Medikamente, welche am häufigsten eine Erhöhung des Prolaktins verursachen?

Wichtig zu wissen: Diese Medikamente führen zu einer Erhöhung des Prolaktinspiegels, aber nicht zu einer Bildung von Adenomen.
a)Antipsychotische Medikamente: hier handelt es sich um Dopamin-Antagonisten. Die Erhöhung der Spiegel geht meistens bis 100 µg/l, ausser bei Risperidon – dort kann die Erhöhung bis 200 µg/l gehen. Eine Normalisierung geschieht meistens Tage nach Absetzen der auslösenden Substanz.
b)SSRI: nur milde Erhöhung, wenn überhaupt.

Prognose und Therapie

Wann sollte ein Prolaktinom behandelt werden?

Zwei Ziele der Behandlung
1. Symptombekämpfung: u.a. Behandlung des Hypogonadismus, Galaktorrhoe, Wiederherstellung der Fertilität, neurologische Symptome Kopfschmerzen, Sehstörungen. Durch Behandlung des Hypogonadismus kann Verminderung der Knochendichte vermieden werden.
2. Verkleinerung der Tumorgrösse: v.a. beim Makroprolaktinom gewünscht.
Eine Remission ist nach mehrjähriger Behandlung theoretisch auch möglich. Mikroprolaktinome ohne Symptome müssen nicht zwingend therapiert werden, insbesondere bei postmenopausalen Frauen. Mehr als 95% aller Mikroadenome zeigen kein Wachstum über mehrere Jahre. Eine Grössenzunahme ist nicht häufig. Eine regelmässige bildgeberische Nachkontrolle wird (einmal pro Jahr die ersten drei Jahre und danach alle zwei Jahre) durch Leitlinien empfohlen. Das Ansprechen auf die Therapie kann mittels Prolaktinwert bei einem Prolaktinom in 3- bis 6-monatigem Intervall sehr gut verfolgt werden. Am Universitätsspital Zürich machen wir eine Verlaufskontrolle mittels Schädel-MRI in 1 Jahr bei Mikroprolaktinom und in 6 Monaten bei einem Makroprolaktinom. Vor Absetzen der Dopaminagonisten-Therapie nach mehrjähriger Behandlung empfehlen wir auch ein Schädel-MRI.
Es empfiehlt sich, die Therapie zusammen mit einer endokrinologischen Fachperson durchzuführen, welche allenfalls die Befunde auch an einem neurochirurgischen/neuroradiologischen Board interdisziplinär bespricht.

Welche therapeutischen Massnahmen stehen heutzutage zu Verfügung?

Dopaminerge Substanzen sind Therapie der ersten Wahl sowohl bei Mikro- wie auch Makroprolaktinomen. Bei den meisten Adenomen kommt es mit der Dopaminagonisten-Therapie einerseits zu einer Schrumpfung des Tumors, eine Normalisierung des Prolaktinspiegels und im Verlauf zu einer Normalisierung der reproduktiven Funktion.
Dopaminerge Substanzen sind zum Beispiel Cabergolin, Bromocriptin und Quinagolide. Die Therapie mit Cabergolin ist zu bevorzugen, da sie am besten ertragen wird und am schnellsten zum Erfolg führt.
Sollte sich kein Therapieerfolg ergeben, muss schlussendlich doch mit Testosteron beziehungsweise selten bei einer Frau mit einem Östrogen-Präparat behandelt werden. Dies in Annahme, dass vor allem bei grösseren Prolaktinomen die gonadotropen Zellen destru­iert sind.
Bei Patienten mit Makroprolaktinomen soll neben der Normalisierung des Prolaktinwerts auch das Vermeiden von neurologischen Folgeschäden wie Kopfschmerzen, Rhinorrhoe und Kompression eines Hirnnerven angestrebt werden.
Sollte es zu (persistierender) hypophysärer Hyposekretion kommen, soll diese zusammen mit einer endokrinologischen Fachperson substituiert werden (insbesondere wichtig bei der Insuffizienz der corticotropen und thyreotropen Achse).

Welche Dopaminagonisten sind aktuell erhältlich?

Die erste Wahl ist immer Cabergolin aus Verträglichkeitsgründen (Cabaser®, Dostinex®, Einsatz: 1-2x/Woche, ist in 90% aller Fälle erfolgreich hinsichtlich Reduktion der Adenomgrösse und Sekretionsrate, Haupt-Nebenwirkung: Nausea, Schwindel, Hypotension – deshalb Einnahme abends). Danach kann entweder Bromocriptin (Parlodel®, Einsatz 2x/Tag, führt zu mehr Nausea) oder Quinagolide (Norprolac®, Einsatz 1-2x/Tag) verwendet werden.
Bei hohen Dosen Cabergolin soll in regelmässigen Abständen (optio­nal alle 2 Jahre) eine Echokardiographie durchgeführt werden (Gefahr der Klappenverdickung, bei Dosen > 2 mg/Woche).

Wir schnell wirken diese pharmakologischen Interventionen?

Nach 2-3 Wochen ist bereits ein Erfolg hinsichtlich Abfalls des Spiegels zu sehen. Nach 6-7 Wochen kommt es zu einer Schrumpfung der Adenomgrösse, v.a. im suprasellären Bereich bei Makroprolaktinome Essentiell zu wissen ist zudem, dass Dopaminagonisten zu einer Enthemmung führen können: Sexsucht, Spielsucht sowie Fress-Attacken bei einem von 7 Patienten. Eine genaue prätherapeutische Aufklärung ist unerlässlich!

Welche alternativen Behandlungsmethoden bestehen (chirurgisch)?

Gemäss einer kürzlich erschienenen Studie ist eine chirurgische Primärtherapie hinsichtlich längerfristiger Remission einer medikamentösen Variante nicht unterlegen. Aktuell wird aber gemäss Leitlinien immer noch ein Dopaminagonist als die erste Therapie der Wahl empfohlen.

Welche alternativen Behandlungsmethoden bestehen (nicht-chirurgisch)?

Ein radiotherapeutischer Approach soll bei Adenomen nur gewählt werden, welche nicht auf Cabergolin ansprechen und bei welchen eine Operation nicht durchgeführt werden kann oder falls nicht das gesamte Adenom in toto entfernt werden konnte und histologisch Hinweise für atypisches Prolaktinom vorliegen. Die Wirkung der Radiotherapie tritt langsam ein.

Welche Behandlungsmethoden bestehen bei Patienten unter Therapie mit Antipsychotika?

Sollte sich die Hyperprolaktinämie als asymptomatisch erweisen, kann mit einer Therapie zugewartet werden. Bei Symptomen (insbesondere Hypogonadismus oder Galaktorrhoe) soll versucht werden, einen Wechsel auf eine Substanz zu vollziehen, welche weniger dopamin-antagonistische Wirkung hat (z.B. Quetiapin, Apripriprazol oder Clozapin). Eine Zugabe eines Östrogen- oder Testosteronpräparates muss sorgfältig abgewogen werden. Ein Einsatz eines Dopamin-Agonisten soll nur zusammen mit einer psychiatrischen Fachperson unternommen werden, da die Gefahr einer Exazerbation der Psychopathologie besteht.

Bei einem Mikroprolaktinom: wie sieht die Strategie aus?

Ziel ist die Normalisierung des Prolaktinspiegels und die Verbesserung des Hypogonadismus. Eine Schrumpfung des Befundes spielt keine grosse Rolle. Wir starten üblicherweise mit Cabergolin (0.25 mg, 2x/Woche oder 0.5mg 1x/Woche, abends). Nach 4 Wochen sollte eine Laborkontrolle erfolgen hinsichtlich des Ansprechens. Bei Sinken/Normalisieren: Dosis belassen. Bei fehlendem Ansprechen: Eskalation der Dosis. Bei schlechtem Ertragen kann von Cabergolin auf Bromocriptin gewechselt werden. Bei fehlendem Ansprechen auch bei höheren Dosen (ca. 10% der Patienten) muss an eine transsphenoidale Exstirpation des Adenoms gedacht werden. Bei gutem Ansprechen soll mindestens 1 Jahr, besser länger behandelt werden.
Frühestens nach 1 Jahr soll über eine Reduktion der Dosis nachgedacht werden. Prolaktin sollte 3 Jahre normal gewesen sein, bevor über Absetzen gesprochen wird. Vor dem Absetzen sollte ein erneutes MRI erfolgen. 3 Monate nach Absetzen und dann jährlich sollte Prolaktin gemessen werden.
Als Faustregel gilt: je länger die Therapie erfolgt und umso kleiner der MRT Befund, desto höher ist die Chance auf dauerhafte Remission.

Bei einem Makroprolaktinom: wie sieht die Strategie aus?

Grundsätzlich ist die Strategie wie beim Mikroadenom: Cabergolin sollte unmittelbar gestartet werden. Ein erstes MRI sollte nach 6 - 12 Monaten wiederholt werden. Ziel ist eine Normalisierung des Prolaktin-Wertes. Durch den Schrumpfeffekt kann es zu Rhinoliquorrhoe kommen (Aufklärung des Patienten über red flags). Bei Adenomen bis 2cm kann gleich wie bei Mikroadenomen verfahren werden. Bei Adenomen > 2cm, welche nicht relevant schrumpfen oder das Prolaktin sich nicht normalisiert, soll unbeschränkt weiter medikamentös behandelt werden.

In der Schwangerschaft: wie wird bei einem Prolaktinom vorgegangen?

Wird eine Patientin unter einem Dopaminagonisten schwanger, sollten die Medikamente gestoppt werden. Bei Patientinnen, welche ein Mikroadenom haben und schwanger werden möchten, soll Prolaktin idealerweise präkonzeptionell normalisiert werden. Bei Patientinnen, welche ein Makroadenom haben und schwanger werden möchten, soll medikamentös (oder mittels Chirurgie) das Adenom verkleinert werden. Das ansteigende Estradiol in der Schwangerschaft kann zu einem Wachstum des Adenoms führen. Während der Schwangerschaft soll die Patientin klinisch nach­kontrolliert werden.
Bei fehlenden Beschwerden ist keine Prolaktinbestimmung während Schwangerschaft und Stillzeit erforderlich. Bei Kopfschmerzen und Visusstörung sollte primär eine Perimetrie durchgeführt werden. Bei Auffälligkeiten kann ein MRI Schädel auch während Schwangerschaft durchgeführt werden. Diese Patienten sollten primär durch Endokrinologen betreut werden, so dass die Indikation für eine Therapie mit einem Dopamin-Agonisten während der Schwangerschaft nach Abwägen des Risiko-Nutzen-Verhältnisses gestellt werden kann.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Roger Schneiter

Klinik für Endokrinologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

roger.schneiter@usz.ch

Dr. med. Gurpreet Anand

Klinik für Endokrinologie
Universitätsspital Zürich
Rämistrasse 100
8091 Zürich

Die Autoren haben in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenkonflikte deklariert.

  • In der Hausarztpraxis soll Prolaktin zur Ursachen-Abklärung bei Leitsymptomen wie Menstruationsstörung, Galaktorrhoe, Infertilität, Impotenz, erektiler Dysfunktion und Libido-Störung bestimmt werden.
  • Nicht jede Prolaktin-Erhöhung weist auf einen prolaktin-produzierenden Hypophysen-Tumor hin. Bei leichter bis moderater Hyperprolaktinämie ist die Differenzialdiagnose zum Prolaktinom sehr breit. Eine eingehende Anamnese inklusive Medikamentenanamnese ermöglicht eine gute Differenzierung zwischen den physiologischen und pathologischen Ursachen.
  • Beim erhöhten Prolaktin soll in einem ersten Schritt die Blutentnahme wiederholt werden: idealerweise am Morgen, nüchtern, in einer ruhigen Umgebung (nicht nach Sport oder Geschlechtsverkehr, keine akute Erkrankung).
  • Bestätigt sich die Erhöhung, soll in einem nächsten Schritt nach Ausschluss physiologischer Ursachen (z.B. Schwangerschaft, Stillen) und nach sorgfältiger Medikamentenanamnese nach pathologischen Ursachen gesucht werden.
  • Erst wenn gründliche Anamnese (u.a. Hinweise für Hypogonadismus, Infertilität) sowie Status zusammen mit dem wiederholt erhöhten Prolaktin und nach Ausschluss einer Hypothyreose auf ein Prolaktinom hinweisen, soll eine Bildgebung (MRI Schädel) erfolgen. Bei Prolaktinwerten > 200μg/L besteht mit grösster Wahrscheinlichkeit die Diagnose eines Prolaktinoms.
  • Die Therapie der Wahl bei Mikro- und Makroprolaktinomen bleiben die Dopamin-Agonisten.

1. Diagnosis and Treatment of Hyperprolactinemia: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. Shlomo Melmed, Felipe F. Casanueva, Andrew R. Hoffman, David L. Kleinberg, Victor M. Montori, Janet A. Schlechte, John A. H. Wass. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2011;96:273-288, doi.org/10.1210/jc.2010-1692.
2. Prolactinomas. Anne Klibanski. N Engl J Med 2010;362:1219-26.

PD-L1 Status: ein prädiktiver Biomarker in der Onkologie

Immuncheckpunkt-Inhibitoren (ICI) haben sich als wirksame Therapiemodalität bei Tumorerkrankungen etabliert. Am besten ist aktuell der Programmed cell death ligand 1 (PD-L1) Status des Tumors als prädiktiver Biomarker für ein Ansprechen auf PD-1/PD-L1 Inhibitoren validiert. In der Schweiz ist aktuell eine PD-L1 Testung allerdings nur für die Anwendung von Pembrolizumab und Atezolizumab in bestimmten Indikationen erforderlich.

Immuncheckpunkte wirken als Schlüsselregulatoren des Immunsystems. Es handelt sich um Oberflächenrezeptoren auf T-Lymphozyten, die durch spezifische Liganden aktiviert werden und bei Aktivierung die T-Zell-Funktion hemmen oder steigern können. Die Beseitigung einer Checkpunkt-vermittelten Immunhemmung kann als therapeutisches Wirkprinzip bei onkologischen Erkrankungen eingesetzt werden. In der klinischen Anwendung sind aktuell Inhibitoren gegen PD-1, PD-L1 und CTLA-4 (1).
Derzeit sind in der Schweiz sechs Inhibitoren des PD-1/PD-L1 Immuncheckpunkts zugelassen (PD-1 Inhibitoren: Nivolumab, Pembrolizumab, Cemiplimab; PD-L1 Inhibitoren: Atezolizumab, Avelumab, Durvalumab). Diese werden als Monotherapie oder in Kombination mit anderen Therapiemodalitäten wie Chemo- und Radiotherapie eingesetzt. Indikationen sind vor allem Erst- und Zweitlinientherapien bei soliden Tumoren in einem fortgeschrittenen Stadium. In klinischen Studien werden ICI aktuell in adjuvanten und neoadjuvanten Therapiekonzepten evaluiert.
Bei rund 20% der Patienten ist mit einem Ansprechen auf eine ICI Therapie zu rechnen. Verschiedene tumorbasierte prädiktive Biomarker (u.a. PD-L1 Expression, Tumor-infiltrierende T-Lymphozyten und andere Immunzelltypen in der Tumormikroumgebung, Veränderungen im Tumorzellgenom wie Mikrosatelliten-Instabilität, Tumormutationslast, und bestimmte Mutationen) sind mit einem Ansprechen bzw. einer Resistenz auf PD-1/PD-L1 Inhibitoren assoziiert (2). Der nachfolgende Beitrag fokussiert auf die dia­gnostischen Aspekte des PD-L1 Status.

Grundlagen

PD-L1 bildet zusammen mit seinem Rezeptor PD-1 einen hemmenden Immuncheckpunkt. PD-1 wird vor allem auf der Oberfläche von aktivierten T-Lymphozyten exprimiert. Die Bindung der Liganden PD-L1 oder PD-L2 an den PD-1 Rezeptor hemmt die Aktivität des Lymphozyten. Neben Immunzellen der Tumormikroumgebung (u.a. Makrophagen) können auch die Tumorzellen selbst PD-L1 exprimieren und so die anti-tumorale Aktivität von T-Lymphozyten unterdrücken. Durch gegen PD-1 oder PD-L1 gerichtete Antikörper lässt sich die immuninhibitorische Wirkung des PD-1/PD-L1 Immuncheckpunkts aufheben.

Methodische Aspekte der PD-L1 Immunfärbung

Der PD-L1 Status eines Tumors wird mittels immunhistochemischer Expressionsanalyse des PD-L1 Proteins ermittelt (Abb. 1). In klinischen Studien wurden vor allem vier kommerzielle PD-L1 Testkits verwendet: PD-L1 IHC 28-8 pharmDx (28-8), PD-L1 IHC 22C3 pharmDx (22C3), Ventana PD-L1 SP142 (SP142), und Ventana PD-L1 SP263 (SP263). Bei diesen Testkits handelt es sich um geschlossene Reagenzien-Systeme, die nur auf den Geräteplattformen der entsprechenden Hersteller eingesetzt werden können. Die in den Testkits verwendeten Primärantikörper (22C3, 28-8, SP142, SP263) sind allerdings auch als Einzelreagenzien verfügbar, so dass Pathologie-Institute mit diesen auch sog. Labor-entwickelte Tests (LDT) etablieren können. Weitere, häufig deutlich kostengünstigere PD-L1 Primärantiköper (u.a. E1L3N) stehen zur Verfügung, die bisher jedoch nur in wenigen klinischen Studien evaluiert wurden. Technisch kann eine PD-L1 Immunfärbung an Gewebeproben und zytologischem Probenmaterial durchgeführt werden. Bei jedem Färbedurchgang sollte ein positives Kontrollgewebe (bevorzugt Tonsillengewebe) als On-slide-Kontrolle zur internen Qualitätskontrolle mitgeführt werden. Für die Auswertung muss das Probenmaterial eine ausreichende Anzahl von Tumorzellen und/oder Immunzellen enthalten.

Auswertung (Scoring) des PD-L1 Status

Für die Beurteilung der PD-L1 Status wurden verschiedene Scoring-Systeme entwickelt (Tab. 1). Alle Scoring-Systeme basieren auf der Bestimmung relativer (prozentualer) Anteile gefärbter Zellen, bezogen auf die gesamte Tumorzellpopulation oder die Tumorfläche. Je nach Auswertescore wird die PD-L1 Positivität von Tumorzellen und/oder Immunzellen beurteilt. Bei der Beurteilung wird das Färbemuster, aber nicht die Intensität einer positiven Färbung berücksichtigt. In der klinischen Diagnostik werden je nach Studien- und Zulassungslage sowie geplanter ICI Therapie ein oder mehrere PD-L1 Scores für einen Tumortyp bestimmt und berichtet. PD-L1 Scores müssen einzeln und unabhängig voneinander ermittelt werden, ein Umrechnen ist aufgrund der unterschiedlichen Score-Definitionen nicht möglich. Auch wenn es Versuche gibt, den PD-L1 Status eines Tumors mittels digitaler Bildanalyse zu ermitteln, erfolgt die Auswertung nach wie vor ausschliesslich durch einen geschulten Pathologen.

Tumor Proportion Score

Der Tumor Proportion Score (TPS) entspricht dem relativen (prozentualen) Anteil der Tumorzellen mit PD-L1 Positivität. Als PD-L1 positiv werden Tumorzellen mit einer kompletten oder inkompletten PD-L1 Färbung der Tumorzellmembran beurteilt, unabhängig von der Färbeintensität.

Combined Positive Score

Der Combined Positive Score (CPS) berücksichtigt die PD-L1 Expression von Tumorzellen und tumorassoziierten Immunzellen (Makrophagen, Lymphozyten, dendritische Zellen). Zur Ermittlung des CPS wird in mehreren Gesichtsfeldern (bei 200-facher Vergrösserung) die Zahl der positiven Tumorzellen und Immunzellen bestimmt. Bei Tumorzellen gilt eine membranäre Anfärbung unabhängig von der Intensität als positiv, bei Immunzellen nur eine zytoplasmatische Anfärbung. Die Summe der PD-L1 positiven Zellen wird durch die Anzahl der Tumorzellen in den Gesichtsfeldern dividiert und der Quotient mit 100 multipliziert. Es entsteht ein dimensionsloser Wert, der dem CPS entspricht.

Immune Cell Score

Beim Immune Cell (IC)-Score wird der von PD-L1 positiven Immunzellen eingenommene Flächenanteil (intra- und unmittelbar peritumoral) in Beziehung zum gesamten Tumorareal beurteilt. Zum Tumorareal zählen die Tumorzellverbände selbst sowie das intratumorale und das unmittelbar peritumorale Stroma. Auszuwertende Immunzellen sind Lymphozyten, Makrophagen, dendritische Zellen und Granulozyten. Plasmazellen werden nicht berücksichtigt. Der PD-L1 positive Flächenanteil wird in 4 Score-Kategorien angegeben: IC 0: <1%, IC 1: >1 bis <5%, IC 2: > 5 bis < 10% und IC3 > 10%.

Inter-Assay-Variation der PD-L1 Testergebnisse

In zahlreichen Studien wurden kommerzielle PD-L1 Tests untereinander und mit LDT verglichen (3, 4). Als Beispiel sei die Blueprint-Studie genannt, in der NSCLC mit fünf verschiedenen kommerziellen PD-L1 Testkits (22C3, 28-8, SP142, SP263, 73-10) gefärbt und das Färbeergebnis mittels TPS und IC-Scoring verglichen wurden (5, 6). Für die PD-L1 Expression auf Tumorzellen ergab sich eine hohe Konkordanz der Testergebnisse, falls die Klone 28-8, 22C3, SP263 und 73-10 als Primärantikörper verwendet wurden. Hingegen war die Konkordanz deutlich geringer für die PD-L1 Expression auf Immunzellen. Eine kürzlich veröffentlichte Metaanalyse kommt zu der Schlussfolgerung, dass LDT und kommerzielle Testkits vergleichbare Ergebnisse liefern können, falls die Validierung des LDT mit geeigneten Referenzmaterialien erfolgt (4).

Qualitätssicherung

Wichtige qualitätssichernde Verfahren für die PD-L1 Testung sind die Standardisierung der Präanalytik, die Validierung von Färbeprotokollen, und die Verwendung von On-slide Kontrollen (Tonsillengewebe) zur internen Qualitätskontrolle. Besondere Bedeutung kommt der Teilnahme an Ringversuchen zur externen Qualitätssicherung zu. Die Beurteilung des PD-L1 Status unterliegt einer gewissen Interobserver-Variabilität (3). Gezielte Schulungen fördern die einheitliche Anwendung der verschiedenen Scoring-Systeme unter Berücksichtigung von tumortypspezifischen Besonderheiten.

Regulatorische Bedeutung des PD-L1 Status

Bei vielen Tumortypen besteht eine Korrelation zwischen PD-L1 Status und Ansprechen auf ICI. Aus regulatorischer Sicht ist eine PD-L1 Testung jedoch nur für einen Teil der in der Schweiz zugelassenen ICI in ausgewählten Indikationen erforderlich. Während Nivolumab, Durvalumab, Avelumab und Cemiplimab in den zugelassenen Indikationen unabhängig vom PD-L1 Status eingesetzt werden können, ist die Verwendung von Pembrolizumab (bei nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom (NSCLC) und bei Kopf-Hals-Karzinom (HNSCC)) und von Atezolizumab (bei NSCLC und triple-negativem Mammakarzinom) an ein bestimmtes PD-L1 Testergebnis gebunden (Tab. 2). Die für die jeweilige Indikation genannten PD-L1 Schwellenwerte wurden in Zulassungsstudien ermittelt und klinisch validiert (7-13).

Herausforderungen in der klinischen Routinediagnostik

Tumoren zeigen häufig eine heterogene PD-L1 Expression. Am besten ist diese bei NSCLC dokumentiert (14, 15). Aufgrund der intratumoralen Heterogenität ist die Repräsentativität des für die PD-L1 Testung verwendeten Probenmaterials besonders wichtig. Weiterhin ist die PD-L1 Expression eines Tumors vermutlich dynamisch und kann sich im Krankheitsverlauf sowie durch Therapieeffekte ändern.
Bei den in klinischen Studien verwendeten PD-L1 Tests handelt es mehrheitlich um geschlossene Testkits. Diese können nur auf der Immunfärbeplattform des jeweiligen Testlieferanten eingesetzt werden. Da Pathologie-Institute in der Regel nur ein oder zwei Geräteplattformen verwenden, ist ein Vorhalten aller verfügbaren PD-L1 Tests aus betriebsorganisatorischen und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.

Schlussfolgerungen

Bei verschiedenen onkologischen Erkrankungen haben sich Inhibitoren des PD-1/PD-L1 Immuncheckpunks als Therapieoption etabliert. Trotz vieler mit der Testung und Auswertung verbundenen Herausforderungen ist der Tumor PD-L1 Status aktuell der am häufigsten verwendete und am besten klinisch validierte Biomarker, um ein Ansprechen auf PD-1/PD-L1 ICI vorherzusagen.

Copyright bei Aerzteverlag medinfo AG

Dr. med. Diana Born

Institut für Pathologie
Kantonsspital St. Gallen
9007 St. Gallen

Prof. Dr. med. Wolfram Jochum

Institut für Pathologie
Kantonsspital St. Gallen
9007 St. Gallen

wolfram.jochum@kssg.ch

Die Autoren haben in direktem Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenkonflikte deklariert. WJ hat für Beratertätigkeit Honorare von MSD und Roche erhalten und von Roche und Astra Zeneca Unterstützung für Fortbildungen und Kongresse.

  • Der PD-L1 Status eines Tumors beschreibt die PD-L1 Proteinexpression der Tumorzellen und/oder der Immunzellen des Tumorstromas.
  • Die Analyse des PD-L1 Status erfolgt mittels Immunhistochemie. Zur Auswertung werden verschiedene Scoring-Systeme (TPS, CPS, IC Score) verwendet.
  • Ein positiver PD-L1 Status ist bei verschiedenen Tumortypen mit einem Ansprechen auf PD-1/PD-L1 Immuncheckpunkt-Inhibitoren assoziiert.
  • Die Verwendung von PD-1/PD-L1 Immuncheckpunkt-Inhibitoren ist in bestimmten Indikationen an einen positiven PD-L1 Status gebunden.

1. Vaddepally, R.K., Kharel, P., Pandey, R., Garje, R., and Chandra, A.B. (2020). Review of Indications of FDA-Approved Immune Checkpoint Inhibitors per NCCN Guidelines with the Level of Evidence. Cancers (Basel) 12, 738.
2. Havel, J.J., Chowell, D., and Chan, T.A. (2019). The evolving landscape of biomarkers for checkpoint inhibitor immunotherapy. Nat Rev Cancer 19, 133-150.
3. Buttner, R., Gosney, J.R., Skov, B.G., Adam, J., Motoi, N., Bloom, K.J., Dietel, M., Longshore, J.W., Lopez-Rios, F., Penault-Llorca, F., et al. (2017). Programmed Death-Ligand 1 Immunohistochemistry Testing: A Review of Analytical Assays and Clinical Implementation in Non-Small-Cell Lung Cancer. J Clin Oncol 35, 3867-3876.
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