Gastrointestinale Stromatumore

Gastrointestinale Stromatumore (GIST) sind seltene Tumore des Abdomens, an denen in der Schweiz ungefähr 80 Patienten jährlich erkranken. Seit 20 Jahren besteht grosses Interesse an GIST bei Onkologen und multidisziplinären Teams weltweit, weil mit der Aufklärung der pathogenetischen Mechnismen und der Verfügbarkeit zielgerichteter Therapien wirksame Behandlungen auch bei fortgeschrittener Erkrankung möglich sind, neben der kurativen Chirurgie lokalisierter GIST. Der sequentielle Einsatz der Tyrosinkinase-Inhibitoren Imatinib, Sunitinib und Regorafenib hat bei metastasierten Patienten das Gesamtüberleben von 18 auf mehr als 60 Monate verlängert. Neue Substanzen wie Ripretinib und Avapritinib werden diese Zahlen weiter erhöhen. Avapritinib erlaubt neu die Behandlung von GIST mit PDGFRA Exon 18 D842V Mutation, die bisher als resistent galt.

Les tumeurs stromales gastro-intestinales (GIST) sont des tumeurs rares de l’abdomen qui touchent environ 80 patients en Suisse chaque année. Depuis 20 ans, les GIST suscitent un grand intérêt parmi les oncologues et les équipes multidisciplinaires du monde entier, car l’élucidation des mécanismes pathogéniques et la disponibilité de thérapies ciblées ont rendu possible un traitement efficace même dans les maladies avancées, en plus de la chirurgie curative des GIST localisées. L’utilisation séquentielle des inhibiteurs de la tyrosine kinase imatinib, sunitinib et regorafenib a permis de prolonger la survie globale de 18 à plus de 60 mois chez les patients atteints de métastases. De nouveaux composés tels que le ripretinib et l’avapritinib vont encore augmenter ces chiffres. L’avapritinib permet désormais de traiter les GIST avec la mutation D842V de l’exon 18 du PDGFRA, qui était auparavant considérée comme résistante.

Klinik

Zwei Drittel der Patienten mit GIST werden erstmals wegen Symptomen wie Schluckstörungen, Völlegefühl, gastrointestinalen Blutungen oder Unterleibsschmerzen etc. diagnostiziert. Zunehmend werden GIST bei Routine-Kontrollen (z.B. Anämie) bzw. endoskopischen, radiologischen oder chirurgischen Untersuchungen und Behandlungen gefunden. Immer häufiger werden asymptomatische GIST < 2cm entdeckt, die molekular identisch mit grösseren GIST sind. Diese kleinen GIST müssen (endosonographisch) verfolgt, aber nur bei Grössenprogredienz zwingend reseziert werden (1, 2)

Pathologie und molekulare Biologie

Die pathologische Diagnose erfolgt anhand typischer morphologischer Merkmale und der Immunhistochemie. GIST werden als Spindelzelltyp (70%), Epitheloidzelltyp (20%) oder gemischtzelliger Typ (10%) klassifiziert und sind in 95% der Fälle positiv für CD117 («KIT»).Pathogenetisch sind für 85% aller GIST Mutationen in den Rezeptoren KIT und PDGFRA verantwortlich. Diese « gain-of-function » Mutationen (3) führen zu einer dauerhaften, onkogenen Aktivierung der defekten Rezeptoren KIT oder PDGFRA.(4) Die Mutationsanalyse sollte regelmässig erfolgen, da sie von prognostischer und prädiktiver Bedeutung ist. 10-15% sind sogenannte wild-type GIST und weisen keine dieser Mutationen auf, sondern u.a. BRAF-Mutationen, Mutationen der Gene für den Succinat Dehydrogenase Enzym Komplex (5, 6) auf oder andere (7). Die meisten GIST treten sporadisch auf, selten im Rahmen von Syndromen oder als Rarität familiär-vererbbar (6).
Wichtig für die Risikoabschätzung ist neben der Tumorgrösse und Lokalisation die Mitoserate (8), die als Mitosezahl/5mm2 der aktivsten Region angegeben wird (1).

Ausbreitungsdiagnostik und Erfolgsbeurteilung

Die Computertomographie (CT) gilt als Standard der Ausbreitungsdiagnostik, kann aber durch die Kernspintomographie und die Positronen-Emissionstomographie ersetzt beziehungsweise ergänzt werden. Das radiologische Stadium entscheidet wesentlich die initiale Therapiemodalität.
Bei fehlenden extraabdominalen Metastasen in der Erstdiagnostik und ausbleibender Progression können die Nachsorgeuntersuchungen oder Therapiekontrollen auf das Abdomen beschränkt werden. Die Erfolgsbeurteilung unter Therapie erfolgt sowohl anhand RECIST als auch der CHOI-Kriterien, die Änderungen der Tumorgrösse und der Dichte berücksichtigt. Unter Therapie mit TKI erfolgen Verlaufskontrollen im Abstand von 3 Monaten, bei Tumorblutung, oder -ruptur und Tumoren in ungünstiger Lokalisation, insbesondere zu Beginn auch engmaschiger.
Resezierte GIST werden risiko-adaptiert nachgesorgt. Tumore sehr geringen Risikos bedürfen keiner Nachsorge, Hochrisiko-GIST sollten in den ersten drei Jahren 2-4x pro Jahr ein abdominales CT oder MRT erhalten (1).

Resezierbare Erkrankung

Die komplette chirurgische Entfernung aller sichtbaren Tumoranteile gilt als kurative Standardbehandlung lokalisierter, resezierbarer GIST (1, 2).

Adjuvante Therapie

Das Risiko eines Rückfalls hängt von der Grösse und Lokalisation des Primärtumors und wesentlich von der Mitoserate ab (8). Die sogenannten «Contourmaps» (9) erlauben eine kontinuierlichere Risikoabschätzung, besonders hilfreich bei grenzwertigen und intermediären Risikogruppen. Wichtig ist die Identifizierung der Hoch-Risikogruppe (9, 10), für die eine adjuvante Behandlung mit Imatinib einen signifikanten Überlebensvorteil gezeigt hat (11). (Tabelle 1) Die Dauer der adjuvanten Therapie sollte mindestens drei Jahre, wenn nicht lebenslang betragen (1, 2, 12).

Metastasierte Erkrankung

Bei metastasierter Erkrankung erfolgt eine systemische Therapie mit den zugelassenen Tyrosinkinase-Inhibitoren Imatinib, Sunitinib und Regorafenib, die das mediane Gesamtüberleben dieser Patienten von vormals 18 auf mehr als 60 Monate erhöht haben (4).
In der Erstlinie wird Imatinib verabreicht, 400mg/Tag bei allen sensitiven Mutationen und 2x400mg/Tag im Falle einer Mutation KIT Exon 9. Die objektiven Ansprechraten betragen zwischen 35-75% je nach Mutation. Molekulare Techniken zeigen, dass bereits bei Initialdiagnose eine oder mehrere Sekundärmutationen vorliegen können, die im Verlauf bei den meisten Patienten das Therapieversagen verursachen (Abb. 1).
In der zweiten Therapielinie wird Sunitinib eingesetzt. Die Standarddosierung ist 50 mg/Tag über vier Wochen, mit anschliessender zweiwöchiger Therapiepause. Viele Patienten wechseln auf die alternative Dosierung von 37,5 mg/Tag wegen der besseren Verträglichkeit.
Bei einer erneuten Progression kommt Regorafenib zum Einsatz. Die wenigsten Patienten werden dauerhaft mit der zugelassenen Standard-Dosierung von 160 mg/Tag über 3 Wochen behandelt, gefolgt von einer Woche Pause, sondern mit reduzierten Dosen (13). Der sequentielle Einsatz von Imatinib, Sunitinib und Regorafenib führt zu medianen Überlebenszeiten von mindestens 5 Jahren (1, 2).

Pharmakokinetik

Allen Tyrosinkinaseinhibitoren ist gemeinsam, dass Unterschiede in der Pharmakokinetik eine individuelle Anpassung der Dosierung erfordern. Für Imatinib gibt es Hinweise, dass niedrige Plasmaspiegel mit schlechteren Ergebnissen einher gehen (14). Die Compliance spielt bei den GIST eine wesentliche Rolle beim Therapieerfolg.

Präoperative Therapie

GIST können aufgrund ihrer Grösse oder Tumorlokalisation, nicht immer einfach reseziert werden, weswegen ausgewählte Patienten mit Imatinib präoperativ behandelt werden, obwohl evidenz-basierte Daten hierzu fehlen. Die Entscheidung sollte immer in einem multidisziplinären Team getroffen werden. Bei hepatischen Metastasen und Therapieansprechen kann eine präoperative Therapie eine kurative Resektion ermöglichen (1, 2, 15).

Blutung und Tumorruptur

Gastrointestinale Stromatumore neigen sowohl zu intraabdominalen, als auch intraluminalen Blutungen, die eine multidisziplinäre Therapieentscheidung verlangen. Liegt eine auf Imatinib-sensitive Mutation vor, kann unter engmaschiger Überwachung eine präoperative Therapie mit Imatinib erfolgen, worunter es häufig zu einer raschen Tumorkontrolle kommt. Lebensbedrohliche Blutungen erfordern ein rasches chirurgisches oder interventionelles Handeln.
Die spontane oder intraoperative Tumorruptur in den Bauchraum oder intraperitoneal verschlechtert die Prognose und ist mit einer metastasierten Erkrankung gleichzusetzen, weswegen selbst bei ansonsten erfolgreicher Resektion eine dauerhafte adjuvante Therapie erforderlich ist (1, 2, 15).

Neue Substanzen

Vor wenigen Tagen hat Avapritinib die Zulassung der amerikanischen FDA für die Behandlung aller PDGFRA Mutationen erhalten, inklusive der bisher primär resistenten PDGFRA Exon 18 D842V Mutation. Tumore mit Sekundärmutationen in KIT Exon 13 V654A und KIT Exon 14 T670I sprechen nicht auf Avapritinib an, aber auf Sunitinib. Bei allen anderen Mutationen hat Avapritinib (Blu-285) in der vierten Linie zu einer objektiven Tumorreduktion bei 22% der Patienten geführt (16).
Ripretinib (DCC-2618) ist eine weitere Substanz, die in einer kleineren Studie bei vorbehandelten Patienten, hohe Wirksamkeit gezeigt hat (17). Beide Substanzen sind in der Schweiz noch nicht zugelassen, werden aber aktuell in Studien eingesetzt und untersucht.

Immuntherapie und Liquid Biopsy

Die Immuntherapie mittels Checkpoint-Inhibitoren (18) in der Monotherapie spielt zur Zeit keine Rolle, was sich aber sicher ändern wird (19, 20).
GIST können mittels «Liquid Biopsy» diagnostiert bzw. nachverfolgt werden, aktuell aber nur im Rahmen von Studien oder Forschungsfragen (21).

Fazit

Gastrointestinale Stromatumore sollten in einem multidisziplinären Team stadiengerecht behandelt werden. Das Zusammenspiel aller Disziplinen sichert den langfristigen Behandlungserfolg. Das Stadium und der molekulare Mutationsstatus bestimmen das Vorgehen und die Prognose. Die Tyrosinkinase-Inhibitoren Imatinib, Sunitinib, Regorafenib und die neueren Substanzen haben die Prognose der erkrankten Patienten erheblich verbessert und ermöglichen heute auch die erfolgreiche Behandlung der bisher als primär resistent geltenden PDGFRA Exon 18 D842V Mutation. Patienten finden Information bei der GIST-Gruppe Schweiz (www.gist.ch).

Dr. med. Michael Montemurro

Oncologie médicale
CHUV Centre Hospitalier Universitaire Vaudois
Rue du Bugnon 46
1011 Lausanne

Michael.montemurro@chuv.ch

Aufwandsentschädigungen und Kongresszuschüsse von Bayer, Lilly, PharmaMar, Pfizer, Roche, Servier.

  • GIST werden multidisziplinär behandelt
  • Lokalisierte GIST werden kurativ chirurgisch reseziert.
  • Hochrisiko-GIST* werden adjuvant nachbehandelt (*Grösse, Lokalisation, Mitoserate)
  • Die Mutationsanalyse hat hohe therapeutische Relevanz
  • Bei metastasierten Patienten haben die TKIs das Überleben deutlich verlängert.

Messages à retenir

  • Les GIST sont traitées de manière multidisciplinaire
  • Les GIST localisées sont réséquées chirurgicalement de manière curative.
  • Les GIST* à haut risque sont traités de manière adjuvante (*taille, localisation, taux de mitose)
  • L’analyse des mutations a une grande pertinence thérapeutique
  • Chez les patients métastatiques, les inhibiteurs de la tyrosinkinase ont prolongé de manière significative la survie.

1 Casali PG, Abecassis N, Aro HT, Bauer S, Biagini R, Bielack S, et al. Gastrointestinal stromal tumours: ESMO-EURACAN Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Annals of oncology : official journal of the European Society for Medical Oncology. 2018;29(Suppl 4):iv267.
2. Etherington MS, DeMatteo RP. Tailored management of primary gastrointestinal stromal tumors. Cancer. 2019.
3. Hirota S. Gain-of-Function Mutations of c-kit in Human Gastrointestinal Stromal
Tumors. Science. 1998;279(5350):577-80.
4. Cioffi A, Maki RG. GI Stromal Tumors: 15 Years of Lessons From a Rare Cancer. Journal of clinical oncology : official journal of the American Society of Clinical
Oncology. 2015;33(16):1849-54.
5. Boikos SA, Pappo AS, Killian JK, LaQuaglia MP, Weldon CB, George S, et al.
Molecular Subtypes of KIT/PDGFRA Wild-Type Gastrointestinal Stromal Tumors:
A Report From the National Institutes of Health Gastrointestinal Stromal Tumor
Clinic. JAMA oncology. 2016;2(7):922-8.
6. Neppala P, Banerjee S, Fanta PT, Yerba M, Porras KA, Burgoyne AM, et al. Current management of succinate dehydrogenase-deficient gastrointestinal stromal tumors. Cancer metastasis reviews. 2019;38(3):525-35.
7. Nannini M, Urbini M, Astolfi A, Biasco G, Pantaleo MA. The progressive fragmentation of the KIT/PDGFRA wild-type (WT) gastrointestinal stromal tumors (GIST).
Journal of translational medicine. 2017;15(1):113.
8. Joensuu H, Eriksson M, Hall KS, Hartmann JT, Pink D, Schutte J, et al. Risk factors for gastrointestinal stromal tumor recurrence in patients treated with adjuvant imatinib. Cancer. 2014;120(15):2325-33.
9. Joensuu H, Vehtari A, Riihimaki J, Nishida T, Steigen SE, Brabec P, et al. Risk of
recurrence of gastrointestinal stromal tumour after surgery: an analysis of pooled population-based cohorts. The Lancet Oncology. 2012;13(3):265-74.
10. Rutkowski P, Bylina E, Wozniak A, Nowecki ZI, Osuch C, Matlok M, et al. Validation of the Joensuu risk criteria for primary resectable gastrointestinal stromal tumour – the impact of tumour rupture on patient outcomes. European journal of surgical
oncology : the journal of the European Society of Surgical Oncology and the British Association of Surgical Oncology. 2011;37(10):890-6.
11. Joensuu H, Eriksson M, Sundby Hall K, Reichardt A, Hartmann JT, Pink D, et al. Adjuvant Imatinib for High-Risk GI Stromal Tumor: Analysis of a Randomized Trial. Journal of clinical oncology : official journal of the American Society of Clinical
Oncology. 2016;34(3):244-50.
12. Joensuu H, Eriksson M, Sundby Hall K, Hartmann JT, Pink D, Schutte J, et al.
One vs three years of adjuvant imatinib for operable gastrointestinal stromal tumor: a randomized trial. Jama. 2012;307(12):1265-72.
13. Nannini M, Nigro MC, Vincenzi B, Fumagalli E, Grignani G, D’Ambrosio L, et al. Personalization of regorafenib treatment in metastatic gastrointestinal stromal
tumours in real-life clinical practice. Therapeutic advances in medical oncology. 2017;9(12):731-9.
14. Demetri GD, Wang Y, Wehrle E, Racine A, Nikolova Z, Blanke CD, et al. Imatinib plasma levels are correlated with clinical benefit in patients with unresectable/
metastatic gastrointestinal stromal tumors. Journal of clinical oncology: official
journal of the American Society of Clinical Oncology. 2009;27(19):3141-7.
15. Hohenberger P, Montemurro M, Raut CP, Rutkowski P. Gastrointestinal Stromal
Tumors. Visceral medicine. 2018;34(5):376-9.
16. Heinrich MC, Jones RL, Mehren Mv, Bauer S, Kang Y-K, Schoffski P, et al. Clinical activity of avapritinib in ≥ fourth-line (4L+) and PDGFRA Exon 18 gastrointestinal stromal tumors (GIST). JCO. 2019;37(15_suppl):11022-.
17. George S, Heinrich MC, Abdul Razak AR, Chi P, Gordon MS, Ganjoo KN, et al. Mutation profile of drug resistant gastrointestinal stromal tumor (GIST) patients (pts) enrolled in the phase 1 study of DCC-2618. JCO. 2018;36(15_suppl):11511-.
18. Toulmonde M, Penel N, Adam J, Chevreau C, Blay JY, Le Cesne A, et al. Use of PD-1 Targeting, Macrophage Infiltration, and IDO Pathway Activation in Sarcomas: A Phase 2 Clinical Trial. JAMA oncology. 2018;4(1):93-7.
19. Pantaleo MA, Tarantino G, Agostinelli C, Urbini M, Nannini M, Saponara M, et al. Immune microenvironment profiling of gastrointestinal stromal tumors (GIST) shows gene expression patterns associated to immune checkpoint inhibitors response. Oncoimmunology. 2019;8(9):e1617588.
20. Vitiello GA, Bowler TG, Liu M, Medina BD, Zhang JQ, Param NJ, et al. Differential immune profiles distinguish the mutational subtypes of gastrointestinal stromal tumor. The Journal of clinical investigation. 2019;129(5):1863-77.
21. Jilg S, Rassner M, Maier J, Waldeck S, Kehl V, Follo M, et al. Circulating cKIT and PDGFRA DNA indicates disease activity in Gastrointestinal Stromal Tumor (GIST). International journal of cancer. 2019;145(8):2292-303.

Personalisierte Medizin in der Onkologie

Die heutige Personalisierte Medizin verschiebt den Fokus weg von der Krankheit hin zum Individuum: Der Patient wird in seiner privaten molekulargenetischen Signatur, deren Auswirkungen und seinem individuellen Verhalten und Lebensumständen erfasst und danach möglichst präzise behandelt. Die Chancen und Risiken dieser Entwicklung sind offen und zunehmend in der öffentlichen Diskussion.

La médecine personnalisée d’  aujourd’ hui déplace l’ attention de la maladie vers l’ individu : Le patient est saisi dans sa signature génétique moléculaire privée, ses effets et son comportement individuel et ses conditions de vie, puis traité de la manière la plus précise possible. Les opportunités et les risques de cette évolution sont ouverts et de plus en plus présents dans le débat public.

Einleitung

Von jeher versucht die Medizin, eine auf den individuellen Patienten ausgerichtete «personalisierte Medizin» mit dem zu der jeweiligen Zeit verfügbaren Wissen und Können anzuwenden. Dabei ist das aktuell vorherrschende Medizin-Modell abhängig vom Einfluss der zeitgleich dominierenden Ergebnisse der Wissenschaften. War in der 1. Hälfte des letzten Jahrhunderts die Psychoanalyse gross en vogue, so verhalf dies der psychosomatisch orientierten Medizin zu einem beachtlichen Aufschwung und in Erweiterung durch die soziologischen und naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zum Model der bio-psycho-sozialen Medizin. Die Entdeckung und Entwicklung der Narkose, das erfolgreiche Konzept der Sterilität und antiinfektiösen Therapien, die Entdeckung der Blutgruppen und damit Etablierung der Transfusionsmedizin, sowie die apparative Bildgebung wiederum, haben der modernen operativ, pharmakologisch und technisch dominierten Medizin in der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts zu eindrücklichen Höhenflügen verholfen.
Nun befinden wir uns seit der Entschlüsselung des genetischen Codes in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts in der Zeit der biochemisch, molekulargenetisch und immunologisch dominierten Medizin – neuerdings ergänzt mit den grossen Versprechungen der intelligenten «Big Data» Analysen und künstlichen Intelligenz. Da ist nun potentiell jeder Mensch permanent Objekt und Subjekt in seiner Totalität, mit seiner ganz individuellen, vollständigen, molekulargenetischen Signatur und seinem Verhalten in Gesundheit und Krankheit. Wir sind erst gerade daran, die weitreichenden Chancen und Risiken dieser Entwicklung zu erfassen und verstehen. Eine breite öffentliche Diskussion ist nun notwendig, damit die einerseits – wohl zu Recht – grossen Chancen und andererseits die nicht zu unterschätzenden Risiken für den verletzlichen gläsernen Patienten verstanden werden. Das Bundesamt für Gesundheit hat ein eigenes Merkblatt zur Begrifflichkeit der Personalisierten Medizin verfasst, was die Bedeutung dieser Entwicklung für die hiesige Öffentlichkeit klar unterstreicht. In den USA hat sich in letzter Zeit der Begriff «Precision Medicine» vermehrt etabliert gegenüber von «Personalized Medicine», da hier mehr zum Ausdruck kommt, dass es sich um eine genau auf eine für den Patienten passende Zielstruktur gerichtete Medizin handelt. Es soll nicht übersehen werden, dass dieser Begriff auch bewusst manipulativ medial eingesetzt wird, um die teilweise exorbitant hohen Preise und Kosten neuer Therapien zu rechtfertigen.

Definitionen zu personalisierter Medizin und Gesundheit

1. Bundesamt für Gesundheit (BAG)

«Die personalisierte Medizin (auch Präzisionsmedizin oder individualisierte Medizin genannt) umfasst im Allgemeinen diagnostische, präventive und therapeutische Massnahmen, die auf ein Individuum optimal zugeschnitten sind. Die Person wird untersucht, insbesondere um genetische Merkmale zu bestimmen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen fliessen anschliessend in den Entscheidungsprozess für Therapie- und Präventionsmassnahmen zur Behandlung jener Person ein. Von solch massgeschneiderten Behandlungen erhofft man sich wirksamere Therapien und weniger Nebenwirkungen. Langfristig sollen sie somit auch positiv auf die Kostenentwicklung wirken.
Das Konzept der Personalisierten Gesundheit geht über dasjenige der Personalisierten Medizin hinaus und spielt insbesondere für die Prävention eine wichtige Rolle. Für die Personalisierte Gesundheit stehen nicht nur die Patientinnen und Patienten im Fokus, sondern auch gesunde Personen. Es werden neben Informationen zur «Biologie» der Person weitere gesundheitsbezogene Daten aus unterschiedlichen Quellen berücksichtigt.»

2. USA National Cancer Institut (NCI-Dictionnary)

«Personalized Medicine: A form of medicine that uses information about a person’ s genes, proteins, and environment to prevent, diagnose, and treat disease. In cancer, personalized medicine uses specific information about a person’ s tumor to help diagnose, plan treatment, find out how well treatment is working, or make a prognosis. Examples of personalized medicine include using targeted therapies to treat specific types of cancer cells, such as HER2-positive breast cancer cells, or using tumor marker testing to help diagnose cancer. Also called precision medicine.»

Die personalisierte Medizin und die moderne Onkologie

Die onkologische Hämatologie und Onkologie haben sich als klare medizinische Frontdisziplin dieser rasanten Entwicklung in den letzten 3 Jahrzehnten etabliert und sind somit mit vielen neuen offenen Fragen jeweils als Erste konfrontiert. Schon alleine durch die heute immer rascher verfügbare und auch zunehmend bezahlbare Entschlüsselung der molekulargenetischen Signatur der individuellen Tumorerkrankung unterscheiden wir von Monat zu Monat neue Untergruppen von bisher als einheitlich verstandenen Tumorentitäten. So haben wir es bereits heute mit über 1000 Untergruppen von Malignomen zu tun; letztlich ist jeder Tumor eines individuellen Patienten sogar einzigartig in seinem Muster von Mutationen und weiteren genetischen und epigenetischen Veränderungen. Diese genetischen Signaturen verändern sich dann noch weiter im Verlauf der Erkrankung mit den vielen Generationen an weiteren fehlerhaften Zellteilungen und sind vom Primärtumor zu der verschiedenen Metastase dazu noch weiter variabel. Auch die Therapien verändern die genetischen Informationen zusätzlich und können die malignen Zellen mit insbesondere die Resistenz unterstützenden Mutationen selektionieren. Für die therapeutische Nutzung dieser Daten ist es entscheidend, für den jeweiligen Patienten herauszufinden, welche der vielen genetischen Veränderungen den Krankheitsprozess bestimmen («driver mutations») und welche nicht («passenger mutations»), um die dafür wirksame, hochpräzise Therapie für das aktuelle Krankheitsstadium des jeweiligen Patienten zu entwickeln und einzusetzen.

Hohe Erwartungen an Big Data

Das heutige Konzept der «Personalisierten Medizin» ist also im «Management» der einzelnen Patienten mit sehr grossen komplexen Datenmengen konfrontiert, die weit über die Erfahrung des einzelnen Arztes oder eines lokalen Spezialisten Teams hinausgehen. Der unmittelbare Austausch dieser Daten unter den Experten in grossen nationalen und internationalen Netzwerken erlaubt es grundsätzlich, die Ergebnisse bisheriger und neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahrenszeit zu erfassen, zu vergleichen und auszuwerten. Damit wird der Nutzen der neuen Erkenntnisse enorm gesteigert und die jeweils beste diagnostische und therapeutische Vorgehensweise für den aktuellen und den nächsten individuellen Patienten wird damit viel schneller verfügbar. Der Weg dahin ist aber lang und teuer und hat noch viele ethische sowie politische Hürden zu nehmen (wie z.B. Datenschutz, Versicherungsrecht und grenzüberschreitende Nutzung).
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat mit dem Swiss Personalized Health Network (SPHN) die Infrastrukturen geschaffen, um die vielen Gesundheitsdaten in der Schweiz für die Forschung und letztlich die Patientinnen und Patienten nutzbar zu machen. Das vom Forum Genforschung betriebene Themenportal «Personalisierte Gesundheit» und das Dialogprojekt «Mensch nach Mass» der Stiftung Science et Cit. sind weitere Aktivitäten, die von der SAMW mitgetragen werden. In einem eigenen Positionspapier überprüft die SAMW zudem den Nutzen und die Risiken des medizinischen Fortschritts für die nachhaltige Entwicklung des Gesundheitssystems insgesamt. Bei allen Erwartungen, welche die Personalisierte Medizin weckt, ist es auch eine Aufgabe der SAMW und anderer nationaler und internationaler unabhängiger Organisationen, diese im Kontext eines nachhaltigen Gesundheitssystems kritisch zu hinterfragen.

Beispiele der «Personalisierten Onkologie»

Das wohl berühmteste und auch erste Beispiel zielgerichteter Therapie stammt aus der Onkologie, nämlich die Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie (CML). Es konnte gezeigt werden, dass sie durch eine einzigartige pathognomonische Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 22 verursacht wird, welche zytogenetisch und molekularbiologisch nachgewiesen werden kann. Aus dieser Translokation entsteht ein neues Protein mit einer veränderten Funktion, das BCR-ABL-Eiweiss, welches ein ungebremstes Wachstum und damit die Leukämie auslöst. Diese Funktion kann durch neue Krebsmedikamente, sogenannte Kinase-Inhibitoren wie Imatinib, geblockt werden – mit dramatischer Verbesserung des Überlebens von CML-Patienten. BCR-ABL ist in der CML somit ein diagnostischer Biomarker, wie auch ein prädiktiver Test – er sagt die Wirkung von Kinase-Inhibitoren voraus.
Eine weitere onkologische Erkrankung, bei der zielgerichtete Therapien das Überleben deutlich verlängern konnten, ist das maligne Melanom. Es konnte gezeigt werden, dass rund 60% der metastasierten Melanome der Haut eine Punktmutation im BRAF-Gen aufweisen. BRAF-Kinase- Inhibitoren (wie Vemurafenib, Dabrafenib oder Encorafenib) sind in dieser Situation sehr gut wirksam; allerdings entwickelt sich meist rasch eine Resistenz, was die Gabe weiterer Medikamente bedingt.
Als Beispiel wie heute die personalisierte Onkologie praktiziert wird, sei hier das Nichtkleinzellige Lungenkarzinom NSCLC angeführt.
Hatten wir noch vor 20 Jahren im Wesentlichen die Nichtkleinzelligen Lungenkarzinome unterschieden in die Plattenepithel- und Adeno-Karzinome, so unterschieden wir heute circa 20 molekulargenetisch verschiedene Typen und diese Zahl nimmt laufend zu. So wurde kürzlich Dacomitinib (Vizimpro) als Monotherapie zur Erstlinienbehandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit aktivierenden Exon 19 Deletionen oder Exon 21 (L858R) Substitutionsmutationen des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) zugelassen. Das mediane Überleben zeigte für Dacomitinib einen signifikanten Vorteil gegenüber dem Vergleichsarm (Gefitinib) mit 34.1 Monaten gegenüber 26.8 Monaten. Ein aktueller Behandlungsalgorithmus für Patienten mit NSCLC und nachweisbaren bekannten Driver-Mutationen ist in Abbildung 1 angeführt.

Trotz den rasanten und sehr kostspieligen Fortschritten in der Onkologie und onkologischen Hämatologie muss festgehalten werden, dass die bisherige konventionelle Chemotherapie und Radiotherapie keineswegs ausgedient haben. In vielen Situationen ergänzen sich die verschiedenen bewährten und neuen Therapieformen und bei noch vielen Patienten haben wir noch keine zielgerichteten Therapien verfügbar oder sie sind noch nicht ausreichend oder nur kurzfristig wirksam.
Es ist aber auch legitim, die bereits absehbaren enormen Erfolge insbesondere auch der Immuntherapien z.B. in der jetzt möglichen kurativen Behandlung der Patienten mit metastasierendem malignen Melanom oder mit bisher therapie-refraktären akuten Leukämien oder Lymphomen und anderen mehr zu erwähnen. Wir stehen hier wirklich erst am Anfang eines weiten Weges.
In einer breit angelegten Studie in den USA wurde kürzlich untersucht, wie viele der 94 157 zielgerichteten behandelten Patienten im Zeitraum 2006-2018 profitiert haben (Abb. 2) und wie das Ansprechen («response rate») und die Dauer des Ansprechens («Duration of Response») aussieht (Abb. 3; Marquart 2018).

Ausblick

Es wird entscheidend sein, dass der Nutzen der personalisierten Medizin als Resultat der weitgehend von der Öffentlichkeit getragenen Billionen schweren Grundlagen- und Klinischen Forschung der breiten Bevölkerung auch umfassend und zu fairen Bedingungen zu Gute kommt. Die bisherige zu einseitige Kommerzialisierung des medizinischen Fortschritts – insbesondere durch die zu grosszügige Monopolisierung durch privatisierte Patente aus der öffentlichen Forschung – muss den heutigen Realitäten wieder gerecht werden und die Preise der innovativen Medikamente in ein nachvollziehbares, transparentes und faires Verhältnis von Aufwand und Ertrag gesetzt werden. Eine freie Preissetzung neuer Medikamente, wie es die USA zulässt, ist nicht mehr haltbar in solidarisch getragenen Gesundheitssystemen wie in Europa.
Wir als Experten der Medizin sind nun mitten im Aufbruch dieser medizinischen Revolution, welche in sehr raschem Tempo voranschreitet, enorm gefordert. Die therapeutischen, diagnostischen und präventiven Optionen der nahen Zukunft sind noch kaum absehbar gross und haben enorme Konsequenzen für die ganze Gesellschaft. Die Inzidenz und Prävalenz der Erkrankungen sind in raschem Wandel mit grossen wirtschaftlichen und demographischen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Die Möglichkeiten ins Genom des Menschen, insbesondere auch in die Keimbahn einzugreifen, wie z.B. durch die CRISPR-Cas9 Methoden, sind gerade erst in der Initialphase der öffentlichen Diskussion – ebenso wie die Optionen der Verschmelzung von Mensch und Technik im «Transhumanismus», wo der einzelne Mensch durch technische Implantate «verbessert» werden soll.

Prof. Daniel Scheidegger, bis Ende 2019 Präsident der SAMW schreibt:

«Alle Gesundheitsfachleute müssen sich heute mit diesen neuen Trends auseinandersetzen. Da die Medizin sich in Zukunft nur noch multi- und interprofessionell weiterentwickeln kann, sind die Inhalte nicht nur auf alle Berufsgruppen ausgerichtet, sondern auch interprofessionell entstanden. Die Personalisierte Medizin wird in den nächsten Jahren rasant an Bedeutung gewinnen. Ob sich die grossen Hoffnungen bewahrheiten, wird die Zukunft zeigen».

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

Rosengartenstrasse 1d
9000 St. Gallen

thomas.cerny@kssg.ch

Der Autor hat in Zusammenhang mit diesem Artikel keine Interessenskonflikte deklariert.

  • Der Begriff «Personalisierte Medizin» wird heute in der Onkologie/Hämatologie gleichbedeutend mit molekulargenetisch basierter
    Präzisionsmedizin («Precision Medicine») gebraucht.
  • Im weiteren Sinn werden auch das individuelle Verhalten und die aktuellen Lebensumstände als Teil der Personalisierten Medizin einbezogen.
  • Die Personalisierte Gesundheit fokussiert auf Prävention und damit ebenso auf die gesunde Bevölkerung und Risikogruppen.
  • Fortlaufende Analysen von Big Data werden als Schlüssel für den erhofften Erfolg der personalisierten Medizin und Gesundheit gesehen.

Messages à retenir

  • Le terme « médecine personnalisée » est utilisé aujourd’ hui en oncologie/hématologie comme synonyme de médecine de haute précision
    à base de génétique moléculaire (« Precision Medicine »).
  • Dans un sens plus large, les comportements individuels et les conditions de vie actuelles sont également inclus dans le cadre de la médecine personnalisée
  • La santé personnalisée se concentre sur la prévention et donc aussi sur la population en bonne santé et les groupes à risque
  • Les analyses en cours du Big Data sont considérées comme la clé du succès espéré de la médecine et de la santé personnalisées

1. «Personalisierte Medizin» der SAMW: www.samw.ch unter Publikationen
2. Faktenblatt Personalisierte Medizin des BAG: unter www.bag.admin.ch eingeben: Faktenblatt Personalisierte Medizin
3. Swiss Personalized Health Network (SPHN) Initiative: www.sphn.ch
4. Onkopedia Leitlinien: www.onkopedia.com
5. Marquart J, Chen EY, Prasad V. Estimation of the percentage of US patients with cancer who benefit from genome-driven oncology JAMA Oncol. 2018;4:1093-1098

Therapie des Mammakarzinoms

Am diesjährigen San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS 2019) kamen die eindrucksvollsten Daten aus zwei Studien zum metastasierten HER2 positiven Mammakarzinom, die zusätzlich zu den Standardregimen mit Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 neue Hoffnung geben. Bei der Therapie des Hormonrezeptor-positiven, metastasierten Mammakarzinoms gehören die CDK 4/6 Inhibitoren zum neuen Standard. Neben der guten Verträglichkeit sind sie den Standard-Chemotherapien bezüglich progressionsfreiem Überleben (PFS) sogar überlegen. Die Immuntherapie hat sich beim triple negativen Mammakarzinom (TNBC) weiter etabliert. Nach den letztjährigen Daten der IMpassion130 Studie in der Metastasierung, könnten sie auch in der Neoadjuvans zum Standard werden, wie die präsentierten Daten zur pathologischen Komplettremission (pCR) zeigen konnten.

Le San Antonio Breast Cancer Symposium (SABCS 2019) de cette année a présenté les données très impressionnantes de 2 études sur le cancer du sein métastatisé HER-2-positif. Elles ajoutent un espoir supplémentaire aux résultats obtenus avec les régimes standard avec Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1. Pour les cancers métastatisés récepteurs-positifs, les inhibiteurs CDK 4/6 font désormais partie du nouveau standard thérapeutique. Ils sont bien tolérés et dépassent même les chimiothérapies standards dans la survie sans progression (PFS). Pour les cancers triple négatifs (TNBC) l’immunothérapie s’établit de plus en plus. D’après les données de l’étude IMpassion130 (présentées il y a une année) pour les tumeurs métastatisées et de celles présentées actuellement (taux de rémissions histologiques complètes (pCR) amélioré), l’immunothérapie ne tardera pas à devenir le standard dans la situation néo-adjuvante.

Das Hormonrezeptor-positive Mammakarzinom

Verlängerte adjuvante endokrine Therapie mit Letrozol

Auch dieses Jahr wurden die Empfehlungen zur Dauer der endokrinen Therapie mit Aromatasehemmer (5 Jahre oder 10 Jahre) diskutiert.
Dr. Mamounas von der NRG Oncology Gruppe präsentierte die 10-Jahres Daten der NRG Oncology/NSABP B-42 Studie. Nachdem am SABCS 2016 noch kein signifikanter Vorteil auf das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei verlängerter Letrozol Gabe gezeigt werden konnte, ist das DFS nach 10 Jahren nun signifikant (HR 0.84). Die Subgruppenanalyse zeigte den positiven Effekt auf das DFS insbesondere bei nodal positiven Patientinnen. Weiterhin statistisch nicht signifikant verbessert ist das Gesamtüberleben.
Daher bleibt die Entscheidung zur Verlängerung der endokrinen Standardtherapie mit AI weiterhin eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung. Hierbei sollten die Faktoren wie Tumorcharakteristika, Alter, Nodalstatus, Komorbiditäten, Informationen zur Knochendichte, Verträglichkeit von AI in den ersten 5 Jahren einbezogen werden.
Betreffend Sicherheit kam es nicht zu einer signifikanten Erhöhung osteoporotischer Frakturen oder arteriell-thrombotischer Ereignisse.

Die Rolle der CDK 4/6 Inhibitoren in der (Neo-) Adjuvans

Basierend auf den Daten der PALOMA 3, MONALEESA 3 und MONARCH 2 Studie mit CDK 4/6 Inhibitoren (1, 2, 3) mit hervorragenden Resultaten in Bezug auf das krankheitsfreie und Gesamtüberleben, werden die Substanzen nun in mehreren Phase III Studien in der Adjuvans evaluiert (z.B. NATALEE, PALLAS und PENELOPE-B).
Der Frage, wie durch Einsatz dieser Substanzen die Chemotherapie weiter deeskaliert werden kann, stellte sich J Gavilà vom Valencia Institut of Oncology. Er präsentierte die Daten der SOLTI-1402 CORALLEEN Phase II Studie zur neoadjuvanten Therapie mit Ribociclib plus Letrozol versus Chemotherapie bei den durch PAM50 definierten Luminal B Mammakarzinomen. Die Gruppe der Hormonrezeptor-positiven, HER2 negativen Mammakarzinome ist klinisch und biologisch sehr heterogen. Der PAM50 luminale Subtyp B macht ca. 30-40% aus und wird bis heute grösstenteils mit einer Chemotherapie behandelt (4). In der Studie wurden postmenopausale Frauen 1:1 randomisiert, entweder zum neoadjuvanten Standardregime AC-T (Adriblastin und Cyclophosphamid gefolgt von Paclitaxel) versus Letrozol und Ribociclib über 6 Monate gefolgt von der operativen Therapie. Dabei wurde der Risk of Recurrence Score (ROR score), berechnet aus Subtyp, Proliferation (Ki-67) und Tumorgrösse bei Behandlungsbeginn, nach 14 Tagen sowie vor der operativen Therapie analysiert. Es konnte gezeigt werden, dass unter neoadjuvanter Therapie mit Ribociclib und Letrozol bei Hochrisiko Luminal-B Mammakarzinomen zum Zeitpunkt der Chirurgie hohe Raten an ROR score low erzielt wurden. Dies wird durch die Chemotherapie ebenso erreicht, jedoch bei höherer Toxizität.

Wieviel Chemotherapie braucht es beim Luminal B/ HER2 negativen, nodal negativen frühen Mammakarzinom und für wen?

Die Veröffentlichung der Daten aus der TAILORx Studie änderte die Praxis zur Entscheidungsfindung betreffend adjuvanter Chemotherapie anhand der prognostischen Information aus dem Recurrence Score (RS) (5). Frauen mit einem niedrigen RS von zwischen 0-10 profitieren nicht von einer Chemotherapie. Bei hohem RS > 25 besteht ein klarer Vorteil für die adjuvante Chemotherapie. Neue Daten aus der TAILORx Studie zeigen, dass auch bei intermediärem RS zwischen 11 und 25 auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet werden kann. Allerdings steht die Subgruppe der prämenopausalen Patientinnen mit intermediärem RS und einem Alter ≤ 50 Jahre immer wieder in Diskussion, da hier ein kleiner Vorteil durch die zusätzliche Chemotherapie gezeigt werden konnte. Ob der Benefit allein durch die zusätzliche Chemotherapie bedingt ist oder durch die chemotherapie-induzierte Menopause, konnte bisher nicht abschliessend geklärt werden und wurde am SABCS 2019 erneut durch Dr. Sparano diskutiert. Die Daten aus der TEXT/SOFT Studie unterstützen die These bezüglich der chemotherapie-induzierten Menopause. Prämenopausale Frauen aus der TAILORx Studie erhielten überwiegend Tamoxifen und die TEXT/SOFT Studie konnte bei prämenopausalen Frauen einen signifikanten Vorteil der ovariellen Funktionssuppression (OFS) in Kombination mit Aromatasehemmer zeigen (6, 7). Die Kombination von klinischem Risiko (CR), basierend auf Tumorgrösse und Grading, und genomischem Risiko (RS) führt zu einer besseren prognostischen Präzision betreffend Rückfall (8).
Abbildung 1 liefert eine mögliche Strategie zum Therapieentscheid bei prämenopausalen Patientinnen.

Das HER2 positive Mammakarzinom

Adjuvante Therapie des frühen HER2 positiven Mammakarzinoms

In der adjuvanten Therapie des HER2 positiven, operablen Mammakarzinoms wurde in der APHINITY Studie zwischen Trastuzumab + Pertuzumab (n = 2400) versus Trastuzumab + Placebo (n = 2405) randomisiert, wobei sich nach gut 3 Jahren Nachbeobachtung in Bezug auf das invasive Krankheit-freie Überleben (IDFS) ein statistisch signifikanter Vorteil für die duale HER2-Blockade zeigte (9). Dieser Vorteil war bei den Hormonrezeptor-negativen- sowie den nodal positiven Mammakarzinomen am bedeutendsten, was zur limitierten Zulassung der dualen Antikörperblockade beim Hochrisiko-HER2 positiven Mammakarzinom in der Adjuvans führte.
Martine Piccard vom Jules Bordet Institut in Brüssel präsentierte am SABCS 2019 die Interim Gesamtüberleben Analyse der APHINITY Studie nach 6 Jahren Nachbeobachtung. In der APHINITY Studie wurde die Wirksamkeit der dualen Blockade beim HER2- positiven Mammakarzinom als adjuvante Therapie für insgesamt 12 Monate untersucht. Dabei zeigte sich nun mit längerem Follow-up nicht nur für die ER-negativen HER2-positiven Karzinome mit pN+, wie initial im 2017 berichtet wurde, sondern auch für die ER-positiven HER2-positiven Karzinome ein signifikanter Vorteil der dualen Blockade in Bezug auf das IDFS mit einem absoluten Vorteil von 4.5% (95% CI). Betreffend Sicherheit wurden auch unter dualer Antikörperblockade weniger als 1% kardiale Ereignisse verzeichnet. Obwohl weniger Todesfälle in der Pertuzumab-Gruppe verzeichnet wurden, waren die Daten zum Gesamtüberleben aber noch unreif und werden für 2022 erwartet.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass – wenn immer möglich – Patientinnen mit frühen HER2 positiven Mammakarzinom, wenn nodal positiv oder T2, neoadjuvant behandelt werden sollten. Einerseits, um ein Downstaging zwecks weniger radikaler Chirurgie zu erreichen, andrerseits um das Risiko optimal zu stratifizieren. Patientinnen ohne komplettes Ansprechen haben eine schlechtere Prognose, profitieren aber von einer Eskalation der anti-HER2-gerichteten Therapie nach der neoadjuvanten Behandlung mit T-DM1 anstelle von Trastuzumab (10). Pertuzumab soll in neoadjuvanten Regimes auch ausserhalb von Studien immer enthalten sein, wobei der Nutzen von Pertuzumab bei nodal negativen Patientinnen unklar ist. Ein potenzieller Nutzen besteht in der Erhöhung der pathologischen Komplettremissionsrate (pCR), was die Notwendigkeit von adjuvantem T-DM1 reduzieren könnte. Eine Übersicht zum aktuellen Behandlungsstandard des frühen, HER2 positiven Mammakarzinoms gibt die Abbildung 2.

Das metastasierte HER2 positive Mammakarzinom

Einer der Hot Topics, die HER2CLIMB-Studie, wurde durch Rashmi K. Murthy vom MD Anderson Cancer Center in Texas präsentiert. Beim metastasierten, HER2 positiven Mammakarzinom nach Vortherapie mit Trastuzumab, Pertuzumab und T-DM1 liegt kein weiteres Standardregime mit vergleichbarer Wirksamkeit vor. Zudem entwickelt die Hälfte der HER2 positiven metastasierten Mammakarzinom-Patientinnen Hirnmetastasen.
Tucatinib ist ein oraler Tyrosinkinase-Inhibitor, ähnlich dem seit längerem zugelassenen Lapatinib, zeigt aber eine viel spezifischere Hemmung von HER2. Die Studie randomisierte 2:1 Tucatinib (n = 410) versus Placebo (n = 202) in Kombination mit Trastuzumab und Capecitabine bei Patientinnen mit oder ohne Hirnmetastasen. Dabei lag die Ansprechrate mit 41% fast doppelt so hoch wie im Placebo Arm mit 23%. Der Vorteil auf das PFS war auch unter der Subgruppe mit Hirnmetastasen konsistent und signifikant. Der Tyrosinkinase-Inhibitor ist hoch selektiv für die Kinase-Domäne des HER2 mit minimaler Hemmung von EGFR (HER1) und zeigt zudem eine bessere Verträglichkeit verglichen mit Neratinib oder Lapatinib betreffend Diarrhoe, eine der Hauptnebenwirkungen von Tyrosinkinaseinhibitoren. Es ist die erste randomisierte Studie, die unter den Teilnehmerinnen mit HER2 positivem, metastasiertem Mammakarzinom auch Patientinnen mit unbehandelten, vortherapierten oder progredienten Hirnmetastasen einschloss. Somit könnte die Kombinationstherapie bei dieser Population zum neuen Behandlungsstandard werden.
Ian Krop, MD vom Dana-Faber Cancer Institut Boston präsentierte die DESTINY-BREAST01 Phase II-Studie (n = 243). Diese kann den Behandlungsstandard in der Metastasierung von HER2 positiven Mammakarzinom Patientinnen zukünftig entscheidend beeinflussen. Hierbei wurde bei T-DM1 vortherapierten Patientinnen mit Trastuzumab-Deruxtecan (DS-8201) therapiert. Behandelte oder stabile Hirnmetastasen waren zum Studieneinschluss erlaubt. Dabei handelt es sich wie bei T-DM1 um einen neuartigen Antikörper-Medikamenten-Konjugat, bestehend aus Trastzumab, dem Topoisomerase-Inhibitor Deruxtecan und einem spaltbaren Linker. Die Studienpopulation war mit im Mittel 6 Vortherapielinien stark vortherapiert, was die mediane Gesamtansprechrate von 60.9% umso eindrucksvoller macht. Die Zahlen zum ereignisfreien Überleben (median 16.4 Monate) und Gesamtüberleben müssen aufgrund der Phase II Studie mit Vorsicht interpretiert werden. Zudem sind die Daten in einem nicht randomisierten Studiendesign erhoben und noch unreif, um Angaben zum Gesamtüberleben zu machen.
Das Nebenwirkungsprofil zeigte leichte gastrointestinale Beschwerden und hämatologische Nebenwirkungen. Die kardiale Toxizität ist mit Trastuzumab oder T-DM1 vergleichbar. Ein Risiko stellt die interstitielle Pneumonitis oder Interstitial Lung Disease (ILD) dar, an der in dieser Studie 4 Patientinnen (1.1%) verstarben. Notwendig ist eine gezielte Patientenaufklärung über die Symptome sowie ein sofortiges Sistieren des Medikamentes mit zeitgleichem Beginn von Steroiden.
Es laufen mehrere Phase III Studien zu Trastuzumab-Deruxtecan, worauf wir auf die DESTINY-BREAST04 Studie im Speziellen hinweisen möchten. Hierbei wird bei vortherapierten, metastasierten Patientinnen mit HER2 low (Immun-Histochemie: HER2 1 +, 2 + / ISH negativ) zwischen Trastuzumab-Deruxtecan versuschemotherapy of physicians choice 2:1 randomisiert. Das Universitätsspital Zürich wird ab Januar 2020 Patientinnen in die Studie aufnehmen können.

Immuntherapie im Vormarsch beim triple negativen Mammakarzinom (TNBC)

Die Prognose ist bei diesem aggressiven Subtyp bekannterweise schlecht, mit möglicherweise frühzeitiger Metastasierung und rascher Resistenzentwicklung gegenüber Chemotherapeutika. Die Chemotherapie des frühen Mammakarzinoms wurde in den letzten Jahren, basierend auf den Standardregimes, immer mehr eskaliert, um die Rate an pathologischer Komplettremission (pCR) und somit das Outcome zu verbessern (11, 12). Neben den Standardregimes wurde in vorhergehenden Studien durch die Eskalation mit Bevacizumab und Carboplatin zwar eine Erhöhung der pCR Rate erreicht, jedoch ohne Verbesserung des ereignisfreien Überlebens (EFS). Zunehmend wird beim TNBC die Immuninfiltration untersucht. Durch die Blockade der Immunsystem-«Bremsen» PD-L1 und PD1 kann ein dauerhaftes Ansprechen ermöglicht werden. In der metastasierten Situation konnte in der IMpassion130 Studie ein verbessertes PFS unter Hinzunahme des PD-L1 Antikörpers Atezolizumab zu nab-Paclitaxel bei PD-L1 positiven TNBC gezeigt werden (13). Metastasierte Tumorzellen scheinen jedoch immunologisch inerter zu sein. Beim primären Karzinom ist die Anzahl tumor-infiltrierender Lymphozyten (TILs) höher. Ebenso die Expression von PD-L1 (14). Dies stellt die Rationale für neoadjuvante Studiendesigns mit Checkpoint-Inhibitoren dar.
Prof. Dr. med. Peter Schmid vom Barts Cancer Institute London präsentierte die Daten zur KEYNOTE-522 Phase III Studie. Dabei wurden die Patientinnen mit Stadium IIA-IIIB 2:1 randomisiert. Das Standardregime war Carboplatin mit Paclitaxel, gefolgt von Doxo- oder Epirubicin mit Cyclophosphamid. Zusätzlich erhielten die Patientinnen durchgehend Pembrolizumab oder Placebo. Nach der Operation wurde im Pembrolizumab-Arm dieses Regime adjuvant während 1-9 Zyklen weitergeführt versus Placebo. In der Pembrolizumab-Gruppe zeigte sich sowohl eine verbesserte pCR Rate (64.8 vs.51.2%) als auch ein Trend zu verbessertem ereignisfreien Überleben (EFS). Die Wirksamkeit ist umso besser, je grösser die Tumorlast und der nodale Befall sind (13). Mehr Therapie bedeutet auch mehr Nebenwirkungen. Unter der Hinzunahme der Immuntherapie kommt es zu vermehrtem Auftreten von immunvermittelten Nebenwirkungen wie Hypo- und Hyperthyreose, Hautreaktionen, Nebenniereninsuffizienz, Pneumonitis, Kolitis. Dies muss bei kurativer Therapieabsicht sicher kritisch betrachtet werden. Insbesondere bei Patientinnen mit sonst relativ guter Prognose (nodale negative und kleine Tumore).

Dr. med. Denise Vorburger

Brustzentrum
Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstr. 10
8091 Zürich

denise.vorburger@usz.ch

PD Dr. med. Konstantin Dedes

Brustzentrum
Klinik für Gynäkologie
Universitätsspital Zürich
Frauenklinikstr. 10
8091 Zürich

Die Autoren haben keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel deklariert.

  • Die verlängerte Therapie mit einem Aromatasehemmer über 10 Jahre kann bei den nodal positiven Patientinnen empfohlen werden, bleibt aber weiterhin eine Abwägung von Nutzen und Risiko bei bisher fehlendem Vorteil für das Gesamtüberleben.
  • Beim HER2 positiven frühen Mammakarzinom entscheidet das klinische Stadium (cT und cN) sowohl über die Sequenz der Primärbehandlung (Operation oder Chemo zuerst), als auch über die Eskalation oder Deeskalation der Chemoimmuntherapie.
  • Beim metastasierten HER2 positiven Mammakarzinom zeigen zwei neue Substanzen (Tucatinib und Trastuzumab-Deruxtecan) bei schwer vortherapierten Patientinnen eine hohe Ansprechrate einschliesslich derer mit cerebraler Metastasierung.
  • Die Immuntherapie könnte beim triple negativen Mammakarzinom künftig als Neoadjuvans Einzug halten und lässt bei diesem aggressiven Subtyp durch die höheren pCR Raten, insbesondere bei nodal positiven Karzinomen, auf eine verbesserte Prognose hoffen.

Messages à retenir

  • Le traitement avec un inhibiteur de l’aromatase prolongé sur 10 ans peut être proposé pour les cancers nodal-positifs. Vu qu’à l’heure actuelle un avantage sur la survie globale manque, l’indication sera toujours posée au cas par cas en pesant individuellement les bienfaits et les risques.
  • En cas de cancer précoce HER2-positif, c’est le stade clinique (cT et cN) qui est déterminant soit pour la séquence de la thérapie primaire (opération. ou chimio d’abord), soit pour l’escalation voire la désescalation de la chimio-immunothérapie.
  • En cas de cancer métastatisé HER2-positif lourdement prétraité, deux nouvelles substances (Tucatinib und Trastuzumab-Deruxtecan) montrent un taux de réponse élevé, en particulier chez les patientes avec métastases cérébrales.
  • L’immunothérapie pourrait faire son entrée comme traitement néo-adjuvant pour les cancers triple négatifs. Dans ce sousgroupe agressif, l’espoir d’une amélioration du pronostic est permis du fait d’un taux plus important de rémissions complètes histologiques (pCR), surtout en cas de tumeurs nodal-positives.

1. Turner C. N., M.D., Slamon D. J, M.D., Ro J., M.D. et al. N Engl J Med 2018;
379:1926-1936
2. Im S-A., M.D., Lu Y-S, M.D., Ph.D., Bardia A., M.D. et al. N Engl J Med 2019; 381:307-316
3. Sledge G., M.D., Toi M., Neven P. et al. ESMO 2019 Congress
4. Cejalvo JM, Pascual T, Fernandez-Martinez A et al. Cancer Treat Rev 67 (2018) 63-70
5. Sparano J.A., MD, Gray R.J., PhD, Makower D.F., MD et al. N Engl J Med 2018; 379:111-121
6. Pagani O, MD, Regan M.M., Sc.D, Walley B.A., MD et al, N Engl J Med 2014; 371:107-118
7. Francis P.A., MD, Pagani O, MD, Fleming G.F. MD et al. N Engl J Med 2018; 379:122-137
8. Sparano J.A. MD, Gray R.J., PhD., Ravdin P.M., MD et al. N Engl J Med 2019; 380:2395-2405
9. Von Minckwitz, M.D., Procter, Ph.D., de Azumbuja M.D. et al. N Engl J Med 2017;377:122-131
10. Von Minckwitz, M.D., Huang, M.D., Ph.D., Mano, M.D., Ph.D. et al N Engl J Med 2019; 380:617-628
11. Cortazar P, Zhang L, Untch M et al. Lancet 2014; 384:164-72
12. Prowell T.M. MD and Pazdur R. MD N Engl J Med 2012; 366:2438-2441
13. Schmid P, MD, PhD, Adams S, MD, Rugo H, MD et al. N Engl J Med 2018; 379:2108-2121
14. Szekely B, Bossuyt v, Li X et al. Annals of Oncology 29: 2232-2239, 2018

Erleada® (Apalutamid)

Erleada® (Apalutamid)

Wirkmechanismus

Erleada (Apalutamid) ist ein oraler nicht-steroidaler selektiver Androgenrezeptor (AR)-Inhibitor, der direkt an die Liganden-bindende Domäne des AR bindet. Erleada verhindert die nukleäre Translokation des AR, hemmt die DNA-Bindung und damit die AR-vermittelte Transkription. Erleada zeigt keine agonistische Aktivität am Androgenrezeptor. Die Behandlung mit Apalutamid hemmt die Proliferation der Tumorzellen und steigert die Apoptose, wodurch es zu einer ausgeprägten antitumoralen Aktivität kommt. Ein Hauptmetabolit, N-Desmethylapalutamid zeigte in vitro ein Drittel der Aktivität von Apalutamid. Erleada verstärkt somit insbesondere die durch ADA vermittelte antiandrogene Wirkung (Abb. 1).

Klinische Wirksamkeit

In einer multizentrischen, doppelblinden klinischen Studie (ARN-509-003), der sog. «Spartan-Studie», wurden insgesamt 1207 Studienteilnehmer mit nmCRPC 2:1 randomisiert und erhielten entweder (n=806) Apalutamid oral in einer Dosis von 240 mg einmal täglich in Kombination mit einer Androgendeprivationstherapie (ADT) (medikamentöse Kastration oder vorherige chirurgische Kastration) oder (n=401) Placebo mit ADT. Eine Steroidsubsitution war nicht vorgesehen. Alle eingeschlossenen Patienten wiesen eine Verdopplungszeit des prostataspezifischen Antigens (PSADT) von ≤ 10 Monaten auf. Daher wurde bei ihnen ein hohes Risiko für eine unmittelbar drohende Metastasierung und Tod aufgrund von Prostatakrebs angenommen. Alle nicht chirurgisch kastrierten Studienteilnehmer erhielten während der Studie eine fortlaufende ADT. Die PSA-Ergebnisse waren verblindet und wurden nicht als Grund für einen Behandlungsabbruch verwendet. Die Studienteilnehmer in beiden Armen setzten die Behandlung bis zum Fortschreiten der Erkrankung, dem Beginn einer neuen Behandlung, nicht akzeptabler Toxizität oder Studienabbruch fort.
Das mediane Alter betrug 74 Jahre (Bereich 48-97); 26% der Studienteilnehmer waren > 80 Jahre alt. Die Verteilung der Ethnien war: 66% kaukasisch, 5,6% schwarz, 12% asiatisch und 0,2% andere. 77% der Studienteilnehmer in beiden Behandlungsarmen hatten zuvor eine Operation oder eine Bestrahlung der Prostata. Die Mehrheit der Studienteilnehmer hatte einen Gleason-Score von >7 (81%). 15% Prozent hatten bei Studieneintritt Beckenlymphknoten von < 2 cm. 73% der Studienteilnehmer hatten zuvor eine Behandlung mit einem Antiandrogen der ersten Generation, 69% mit Bicalutamid und 10% mit Flutamid, erhalten. Alle in die Studie eingeschlossenen Patienten waren nicht metastasiert, beurteilt anhand der verblindeten zentralen Bildgebungsauswertung und hatten einen ECOG PS (Performance-Status der Eastern Cooperative Oncology Group) von 0 oder 1 bei Studieneintritt.
Primärer Endpunkt war metastasenfreies Überleben («metastasis-free survival», MFS), definiert als Zeit von der Randomisierung bis zum Zeitpunkt des ersten Nachweises von BICR-bestätigten Fernmetastasen in Knochen oder Weichteilen oder bis zum Tod jeglicher Ursache, je nachdem, was zuerst eintrat. Die Behandlung mit Erleada verbesserte das metastasenfreie Überleben signifikant. Erleada verminderte das relative Risiko für Fernmetastasen oder Tod im Vergleich zu Placebo um 70% (HR = 0,30; 95%-KI: 0,24; 0,36; p < 0,0001). Das mediane MFS betrug 41 Monate unter Erleada und 16 Monate unter Placebo (siehe Abb. 2). Unter Erleada wurde eine konsistente Verbesserung des MFS für alle vordefinierten Subgruppen beobachtet, wie Alter, ethnische Zugehörigkeit, Region, Lymphknotenstatus, Anzahl der früheren Hormontherapien, PSA-Wert bei Baseline, PSA-Verdopplungszeit, ECOG-Status bei Baseline und Anwendung von osteoprotektiven Wirkstoffen.

Sicherheit und Nebenwirkungen

Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind Ermüdung (30%), Hautausschlag (24% davon 5% Grad 3 oder 4), Gewichtsverlust (16%), Arthralgie (16%) und Sturz (16%). Zu weiteren wichtigen Nebenwirkungen gehören Frakturen (12%) und Hypothyreose (8%). Bei den milden Nebenwirkungen traten Verwirrtheit, Hypothyreose und mentale Veränderungen gehäuft auf. Die therapieassoziierte Mortalität lag unter Apalutamid bei 1,2%, im Kontrollarm bei 0,3%. Die Abbruchrate aufgrund von Nebenwirkungen lag im Apalutamid-Arm bei 10.6% versus 7% im Placebo-Arm. Folgendes ist besonders zu beachten:

  • Der mit Erleada assoziierte Hautausschlag wurde am häufigsten als makulös oder makulo-papulös beschrieben. Die mediane Zeit bis zum Auftreten von Hautauschlägen betrug median 82 Tage (1 bis 994 Tage). Bei 81% der Patienten bildete sich der Ausschlag nach median 60 Tagen wieder zurück. Zu den zur Therapie verwendeten Arzneimitteln gehörten topische Kortikosteroide, systemische Kortikosteroide und orale Antihistaminika.
  • Wegen der höheren Rate von Patienten mit Verwirrtheit, Fallneigung und Frakturen. sollten gefährdete Patienten nur ausnahmsweise und mit entsprechender Vorsicht für eine Therapie mit Apalutamid evaluiert werden.
  • Krampfanfälle traten bei 0,2% der Patienten auf, die Erleada im Rahmen klinischer Studien erhielten. Erleada wird bei Patienten mit Krampfanfällen in der Anamnese oder einer entsprechenden Prädisposition, wie unter anderem vorliegende Hirnverletzung, Schlaganfall innerhalb des letzten Jahres, primäre Hirntumoren oder Hirnmetastasen, nicht empfohlen.
  • Patienten mit einer klinisch relevanten kardiovaskulären Erkrankung in den vergangenen 6 Monaten, sowie mit klinisch relevanten ventrikulären Arrhythmien waren von den klinischen Studien ausgeschlossen. Daher ist die Sicherheit von Apalutamid bei diesen Patienten nicht erwiesen. Wenn Erleada verordnet wird, sollten Patienten mit einer klinisch relevanten kardiovaskulären Erkrankung hinsichtlich Risikofaktoren wie Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie oder andere kardio-metabolische Störungen überwacht werden.
  • Da eine Androgendeprivationstherapie das QT-Intervall verlängern kann, sollte die gleichzeitige Anwendung von Erleada mit Arzneimitteln, die bekanntermassen das QT-Intervall verlängern, oder mit Arzneimitteln, die Torsade-de-Pointes verursachen können, sehr vorsichtig abgewogen werden.
  • Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln: Apalutamid ist ein potenter Enzyminduktor und steigert die Synthese vieler Enzyme und Transporter. Deshalb werden Interaktionen mit vielen häufig verwendeten Arzneimitteln erwartet, die Substrate von Enzymen oder Transportern sind. Die Verringerung der Plasmakonzentration kann beträchtlich sein und zum Verlust oder einer Reduktion der klinischen Wirksamkeit führen. Es besteht auch das Risiko der erhöhten Bildung von aktiven Metaboliten.
  • Bei der Behandlung von Patienten, die nicht chirurgisch kastriert sind, soll die medizinische Kastration mit einem Gonadotropin-freisetzenden Hormonanalogon (GnRHa) fortgeführt werden.
    Es wird empfohlen, dass Patienten mit Apalutamid von einem Arzt mit Erfahrung in der Behandlung des Prostatakarzinoms initiiert und überwacht werden.

Kommentar:

Nach jahrzehntelangem Desinteresse der Pharmafirmen am Prostatakarzinom, folgen sich nun in hoher Kadenz gleich mehrere hochwirksame Medikamente als Ergänzung zur etablierten Hormonblockade mit LHRH-Medikamenten bei Patienten mit hormonsensitivem Prostatakarzinom. Das Ziel, die Krankheitsprogression gegenüber einer bisher etablierten Androgen deprivierenden Therapie (ADT) weiter hinauszuzögern und das Gesamtüberleben durch eine maximale Androgenblockade zu verlängern, wird damit klar erreicht. Die positiven Daten aus diesen sehr grossen Studien mit neuen oder erweiterten Indikationen sind letztlich vergleichbar. Nun haben wir also neben dem bewährten Abirateron (Zytiga) auch Apalutamid (Erleada), Enzalutamid (Xtandi) und bald auch Darolutamid zur Verfügung, um die Androgenblockade zu optimieren und die bisherigen weniger wirksamen ADT der nicht-steroidalen Anti-Androgene wie Bicalutamid, Nilutamid oder Flutamid weiter zu verdrängen. Ein direkter studienmässiger Vergleich dieser Medikamente liegt bisher nicht vor.
Neu und bemerkenswert in dieser pivotalen Spartan-Zulassungs-Studie für Apalutamid ist der primäre Endpunkt «metastasenfreies Überleben», der so zum ersten Mal zur Anwendung kommt und in einem begleitenden Kommentar im NEJM besprochen wurde. Es ist zu erwarten, dass wir diesem Endpunkt als Variante von PFS vermehrt begegnen werden. Er erklärt sich aus der besonderen Situation beim Prostatakarzinom, da mit dem PSA-Wert ein sensitiver Laborparameter zur Überwachung des Therapieansprechens zur Verfügung steht. Bei vielen Patienten steigt der PSA-Wert an, ohne dass bildgebend bereits Metastasen lokalisiert werden können. Diese Zulassungsstudie prüfte nun erstmals als primärer Endpunkt, ob der durch den PSA-Anstieg bereits dokumentierte rein labormässige Progress bis zur nächsten Stufe einer bildgebend dokumentierten Progression durch die Therapie mit Apalutamid verzögert werden kann als «metastasenfreies Überleben». Die Antwort fiel hier signifikant positiv aus. Die Zulassungsbehörden akzeptieren also neben dem progressionsfreien jetzt auch das metastasenfreie Überleben als Endpunkt.
Ein Jahr nach der Publikation der «Spartan-Studie» im NEJM wurden auch die Daten der analogen Phase-3 TITAN-Studie vorgestellt, welche jedoch nicht Hochrisko-Patienten, welche noch metastasenfrei waren, untersuchte, sondern Patienten mit bereits nachgewiesenen Metastasen. Apalutamid plus ADT führte hier bei 1052 Patienten, 1:1 randomisiert, im Vergleich zu Placebo plus ADT zu einer signifikanten Verlängerung des OS bei einer Reduktion des Mortalitätsrisikos um 33 Prozent (HR=0,67; 95 % CI, 0,51-0,89; P=0,0053). In beiden Studienarmen wurde das mediane OS noch nicht erreicht. Die Kombination aus Apalutamid plus ADT resultierte ausserdem in einer signifikanten Verbesserung des rPFS mit einer Reduzierung der radiologischen Progression oder der Mortalität um 52 Prozent im Vergleich zu Placebo plus ADT (HR=0,48; 95 % CI, 0,39-0,60; P<0,0001). Das mediane rPFS betrug 22,1 Monate bei dem Placebo-ADT-Arm und wurde im Apalutamid-ADT-Arm noch nicht erreicht. Die Zwei-Jahres-OS-Raten nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 22,7 Monaten betrugen 82% bei Apalutamid plus ADT im Vergleich zu 74% beim Placebo-ADT-Arm. Damit kann eine baldige Indikationserweiterung für Patienten mit bereits metastasierendem hormonsensitivem Prostatakarzinom für Apalutamid erwartet werden.
Dass hier noch weitere Substanzen am Horizont sind, zeigt die grosse randomisierte SAKK 08/16 Studie mit Darolutamid (einem weiteren Androgen-Rezeptor-Antagonist der 2. Generation) nun als Erhaltungstherapie bei hormonrefraktären metastasierenden Patienten eingesetzt, welche nach einer Antigenrezeptortherapie und anschliessender Taxan-Therapie nicht progredient sind. Diese Studie rekrutiert seit 2017 in der Schweiz und Italien und steht für geeignete Patienten offen.
Noch völlig offen ist die generelle Frage, inwieweit die maximale Androgenblockade eine dementielle Entwicklung auslösen oder beschleunigen könnte. Langzeitdaten aus den grossen prospektiven Studien werden wohl erst in einigen Jahren verlässliche Daten dazu liefern können.

Prof. em. Dr. med.Thomas Cerny

Rosengartenstrasse 1d
9000 St. Gallen

thomas.cerny@kssg.ch

Der Autor hat keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit diesem Beitrag deklariert.

Wichtigste Referenzen:
https://compendium.ch/product/1423449-erleada-filmtabl-60-mg/MProHussain MR,
https://www.ema.europa.eu/en/documents/product-information/erleada-epar-product-information_de.pdf
Fizazi K, Saad F et al.: Enzalutamide in men with nonmetastatic, castration-resistant prostate cancer. N Engl J Med 378:2465-2474, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1800536
Smith MR, Saad F, Chowdhury S et al.: Apalutamide treatment and metastasis-free survival in prostate cancer. N Engl J Med 378:1408-1418, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1715546

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Fizazi K, Shore N, Tammela TL et al.: Darolutamide in Nonmetastatic, Castration-Resistant Prostate Cancer. N Engl J Med 2019, Feb 14. DOI: 10.1056/NEJMoa1815671
Julia A. Beaver, M.D., Paul G. Kluetz, M.D., and Richard Pazdur, M.D. Metastasis-free Survival — A New End Point in Prostate Cancer Trials. N Engl J Med 378;26 nejm.org June 28, 2018

«Nur Teilen bringt uns weiter»

Prof. Dr. med. Roger von Moos, Chefarzt in Onkologie/Hämatologie im Kantonsspital Graubünden und Präsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK), setzt auf ein klinisches Register, das Krebsbehandlungen verbessern soll, und auf eine gute zwischenmenschliche Vernetzung.

Prof. Dr. med. Roger von Moos, über welche Eigenschaften verfügt ein guter Netzwerker?

Er muss erstens wissen, dass er nicht alles weiss. Zweitens benötigt er den Willen weiterzukommen. Und drittens muss er verinnerlicht haben, dass er nicht alles alleine machen kann.

Halten Sie sich für einen guten Netzwerker?

Es ist eine Fähigkeit, die mir nachgesagt wird.

Was macht Sie in Ihrer eigenen Beurteilung zu einem guten Netzwerker?

Ich verfüge über ein breites Interesse und eine schnelle Auffassungsgabe. Das ermöglicht mir, einen Gedanken in einem Gespräch rasch weiterzuentwickeln. Ich arbeite motivierend mit anderen zusammen und ich teile am Ende den Erfolg – ich will ja, dass es zu einer wiederholten Zusammenarbeit kommen kann. Und dann bin ich davon überzeugt, dass Netzwerken nicht aus einem Geben und Nehmen besteht, sondern, dass das Ziel etwas Neues, Drittes sein soll.

Als Präsident der SAKK knüpfen Sie gerade ein digitales Netzwerk: das klinische Register «Swiss Real World Data Regi-stry» (RWD) und den Onconavigator. Wie funktioniert dieser?

Mit dem klinischen Register und dem Onconavigator wollen wir basierend auf dem molekularen Profil für Krebspatienten Behandlungsalgorithmen entwickeln und randomisiert untersuchen. Dazu sammeln wir individuelle Daten zu Patienten, Molekülen und zur Tumorbehandlung. Die Resultate der Behandlungen wollen wir in ihrer Wirksamkeit und Verträglichkeit testen, damit sie uns evidenzbasiert in der Krebsbehandlung weiterbringen.

Wie würden Sie Ihrem 13-jährigen Sohn den Onconavigator erklären?

Hmmm. Vielleicht so: Wenn wir jemanden behandeln, der an Krebs erkrankt ist, sammeln wir drei Arten von Informationen: Daten zum Menschen, zur Krebserkrankung und zu den Bausteinen der Krankheit. Aus diesen drei Daten versuchen wir mit Hilfe von künstlicher Intelligenz etwas Neues herauszufinden, das seine Behandlung oder die anderer erkrankten Menschen verbessert.

Was ist der Leitgedanke hinter dem Onconavigator?

Heute stütze ich mich – wie die anderen Onkologinnen und Onko-logen in anderen Krebszentren auch – während einer Therapie auf meine persönlichen Erfahrungen. Sie gründet auf der Behandlung weniger Patienten, was nur einen kleinen Überblick ermöglicht. Funktioniert eine Behandlung bei Patienten anderer Onkologen nicht, erfahre ich das nicht. Die Idee des Onconavigators besteht nun darin, dass uns ein gut geknüpftes, digitales Netzwerk ein kollektives Lernen ermöglicht und uns zu Gunsten der Patienten zu grösseren Erfolgsraten führt.

Wie geht der Onconavigator konkret vor?

Zukünftig sollen schweizweit möglichst viele Krankheits- und Molekulardaten in unser klinisches Register eingespiesen und an eine Behandlung angeschlossen werden. Die Resultate werden ebenfalls eingegeben. Wenn wir diesen Loop genügend oft wiederholen, soll das System des Onconavigators in der Lage sein, herauszufiltern, welche Therapiearten in einer solchen Situation die besten sind. Wenn herauskommt, dass ein Medikament in 20 ähnlichen Fällen nicht funktioniert hat, müssen wir nicht unbedingt unseren Hirnschmalz ein 21. Mal anwenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Behandlung funktioniert, liegt dann unter 1 Prozent.

Was macht die Maschine besser als der Mensch?

Wir Onkologen sind in unserem Denken sehr ein- oder zweidimensional. Bereits in drei Dimensionen zu denken bereitet dem menschlichen Hirn erwiesenermassen erhebliche Mühe. Eine Tumorerkrankung aber funktioniert mehrdimensional. Da ist uns die Maschine überlegen. Sie verarbeitet grössere Daten, erfasst und teilt auch Einzelfälle und schafft hoffentlich mehr Sicherheiten.

Von wem stammt die Ideen und von wem wird das klinische Register getragen?

Die Idee stammt von Dieter Köberle, dem Leiter der medizinischen Klinik des St. Claraspitals in Basel. Geleitet wird das klinische Register, das wir «Swiss Real World Data Registry» (RWD) nennen, von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Klinische Krebsforschung (SAKK) in Zusammenarbeit mit dem Swiss Personalized Health Network. Hier wiederum ist Prof Olivier Michelin vom CHUV im Lead.

Mit welchen Daten starten Sie das klinische Register «Swiss Real World Data Registry»?

In einem ersten Schritt kann jede Patientin und jeder Patient in einem der 20 SAKK-Zentren und ihren regionalen Netzwerken teilnehmen. Und dann wird als erstes bereits bestehendes, externes Register das Alpine Tumor Immunology Registry (Alpine TIR) Register in die «Swiss Real World Data Registry» (RWD) eingegliedert. Das Alpine TIR wurde unter Zuhilfenahme der Biostatistiken der SAKK aufgebaut und mit einer qualitativ hoch stehenden Datenbanken unterfüttert. Bereits wurden die Daten von rund 400 Patienten erfasst. Diese werden wir überführen.

In der Schweiz existieren viele kleine klinische Krebsregister. Ist das klinische Register RWD und der Onconavigator für diese offen?

Prinzipiell ist unsere Plattform für alle offen, die etwas zur Verbesserung von Krebsbehandlungen mittragen wollen. Nur: Zum Teil sind die klinischen Register in einer Qualität, in der sie nicht in etwas Gescheites überführt werden können.

Woran liegt das?

Viele Register werden mit beschränkten Ressourcen und viel Enthusiasmus gestartet. Und dann geht mit den Jahren das Eine oder Andere aus. Was bleibt, ist Datenmüll. Die Einträge in einer Excel-Tabelle sind zwar gut gemeint, haben aber kaum die Qualität, ins RWD aufgenommen und in den Onconavigator eingespiesen zu werden.

Was heisst: Zurück auf Platz Null?

Ja, da muss man einen harten Strich machen und neu anfangen.

Was unternehmen Sie, um mit Ihrem Register nicht ebenfalls nach einem euphorischen Anfang nur Datenmüll herzustellen?

Weil wir das Phänomen kennen, tun wir alles, um es zu vermeiden. Was uns zuversichtlich stimmt: Wir betreiben als SAKK seit 50 Jahren sehr erfolgreich klinische Forschung und wissen, wie man eine Datenbank herstellt und komplexe klinische Forschungsprojekte durchzieht. Wir können dabei über ein ausgezeichnetes Netzwerk aus Kollegen zurückgreifen, die von unserem Vorhaben überzeugt sind und engagiert mitziehen. Und dann, ganz wichtig, ziehen wir das Projekt wie eine klinische Studie durch. Mit definierten Meilensteinen und einem klaren Ziel. Denn der Onconavigator soll nicht irgendwelche Daten sammeln. Er ist für die Anwendung ausgerichtet. Die Zeit der Jäger und Sammler sollte überwunden sein. Wir wollen unsere Daten nicht in einem Tiefgefrierer verstauen, damit wir irgendwann ein Hirschschnitzel herausnehmen können; vielmehr planen wir ein organisiertes Festessen.

Wie wird RWD und der Onconavigator finanziert?

SAKK Studien werden in der Regel zu einem Drittel von staatlichen Geldern, zu einem Drittel aus Stiftungen und zu einem Drittel von der Pharmaindustrie unterstützt. Ich gehe davon aus, dass die Verteilung bei diesem Projekt schliesslich und endlich in einem ähnlichen Rahmen sein wird.

Eine der Schwachstellen bei der Erstellung von Registern ist der Mensch. Vertippt hat man sich schnell. Wie stellen Sie die Datenqualität sicher?

Wenn ein Assistenzarzt abends nach sechs Uhr noch Daten eintippen muss, wird die erforderte Qualität kaum gewährleistet sein. Grössere Zentren werden deshalb auf Study Nurses zurückgreifen – wie das bei der Codierung bereits heute der Fall ist. Kleinere Zentren können für unser Register niemanden anheuern. Sie können auf Flying Data Managers der SAKK zurückgreifen, die die Daten in einem Zentrum professionell eingeben werden. Das Ziel ist aber, dass es zwischen den Klinik-Informationssystemen der Spitäler und SecuTrial von SAKK eine Schnittstelle gibt, mit welcher die Daten in unser Warehouse übergeführt werden können.

Computerprogramme sind in unterschiedlichen Systemsprachen geschrieben. Wie vermeiden Sie Verständigungsschwierigkeiten?

Kein Zentrum hat Lust, die Daten zweimal zu erfassen. Was man für das Krebsregister eingibt, wird auch für RWD verwendbar sein. Zudem haben wir mit anderen Steakholders intensive Gespräche geführt. Etwa mit den Schweizerischen Vertrauensärzten bei denen es auch Off-Label-Use geht. Oder mit Krankenkassen, die über Kostendaten verfügen, aber nicht wie wir über Outcome-Daten.

Wie stellen Sie sicher, dass keine Schnittstellenprobleme entstehen?

Die Daten sind in unserem Register nicht proprietär abgelegt, sondern in einem Warehouse. Ohne Schnittstellen, mit denen man sich immer wieder Ärger einhandelt.

Nicht jede Institution verfolgt dieselben Fragestellungen. Wie definierten Sie die richtigen?

Die SAKK verfügt über Richtlinien, wie Projekte eingegeben werden müssen und mit welchen Mechanismen sie beurteilt werden. Hier können wir auf bestehendes Wissen zurückgreifen.

Unterschiedliche Sprachen, die ungemeine Grösse des Projekts: Ihr anspruchsvolles Vorhaben erinnert im ungünstigen Fall an den Turmbau zu Babel.

Die Synchronisierung der technischen Sprache ist lösbar. Da sind wir gut unterwegs. Die andere Frage war, ob alle Treiber des Projekts dieselbe Sprache sprechen, also das Gleiche meinen. Mittlerweile, im Januar 2020, ist das der Fall. Alle Beteiligten haben verstanden, was der andere will. Aber klar: Ein Scheitern lässt sich nicht ausschliessen.

Was unternehmen Sie, damit sich bei Uneinigkeiten nicht die grössten Zentren durchsetzen – sondern die für das Projekt besten Ideen?

Wir funktionieren eher wie der Ständerat als wie der Nationalrat: Eine Mehrheit von Kleinen kann im Stöckli eine Minderheit von Grossen sozusagen Schachmatt setzen: Die Vernunft siegt. Denn die SAKK als wichtige Treiberin funktioniert ausgesprochen so, dass nicht nur jemand bestimmt, wo es langgeht. Deshalb gibt es die SAKK wahrscheinlich auch schon so lange so erfolgreich. Sie ist neutral. Sie wird nicht als Partei gesehen. Jede der 20 teilnehmenden Organisationen besitzt die SAKK zu einem Zwanzigstel.

Wie verhindern Sie, dass Partikularinteressen über die besten Lösungen siegen?

Anfänglich war das tatsächlich eine Schwierigkeit. Das bedingte viele Gespräche und eine grosse Überzeugungskraft. Heute kann ich nicht ohne Stolz sagen: Die Partikularinteressen sind maximal verkleinert worden.

Wie fällt das Interesse der Patienten am Onconavigator aus?

In der Regel nehmen an einer klinischen Studie zwischen drei bis 18 Prozent der Patienten teil. Entscheidend ist oftmals, wie überzeugt ein Onkologe von der Studie ist. Wenn der Arzt an eine Studie glaubt und der Patient einen Nutzen sieht – für sich oder bei einem Nächsten, bei dem eine Erkrankung diagnostiziert werden könnte – desto eher macht der Patient mit. Ich beispielsweise habe nur einen einzigen Patienten, der beim Onconavigator nicht mitmachen will.

Wirkt der Onconavigator als ein Katalysator, der mehr Patienten dazu bewegt, an klinischen Studien teilzunehmen?

Das ist eine der grossen Hoffnungen, die wir hegen.

Auf wen wirkt der Onconavigator motivierender: Auf den Arzt oder auf den Patienten?

Am Anfang steht die Überzeugung desjenigen, der die Arbeit macht. Also der Arzt. Was Patienten zu einer Teilnahme motivieren kann, ist der Mehrwert, der durch das klinische Projekt für ihn entsteht. Etwa die erhöhte Qualitätskontrolle. Andererseits muss der Patient spüren, dass wir in der Krebsforschung nur dann Fortschritte erzielen, wenn man bereit ist, Informationen zu teilen. In der heutigen Welt von Kleinstgruppen von Patienten können wir es uns finanziell gar nicht mehr leisten, für alle Kleinstgruppen klinische Studien durchzuführen.

Was hält Patienten von einer Teilnahme fern?

Die Furcht, seine Daten zu teilen. Obschon die Gefahr, dass die Daten in fremde oder gar falsche Hände gelangen könnten, beim RWD und Onconavigator entscheidend viel kleiner ist, als wenn wir im Alltag durchs Internet surfen.

Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Die Patienten fühlen sich durch die Erkrankung verletzlicher. Dadurch sind sie sich bewusster, was für Informationen sie im Netz hinterlassen. Ein Beispiel: Google weiss wahrscheinlich, dass jemand Lungenkrebs hat, bevor er es von mir hört. Warum? Ganz einfach: Der Erkrankte spürt Symptome auf seiner Brust, gibt diese bei Google ein, sucht einen Pneumologen auf, der ihm sagt, dass etwas in ihm wächst. Auch das googelt der besorgte Mensch, und schon weiss «Dr. Google», was noch kein Onkologe gesagt hat. Um es klar zu sagen: Wir schützen die Daten deutlich besser als sie im Internet geschützt sind, wo sie jeder kaufen kann. Das verstehen die meisten Patienten gut.

Wie sichern Sie den Schutz der Patientendaten?

Wir nutzen dieselbe Codierung wie das nationale Krebsregister, in dem alle Krebserkrankungen der Schweiz einheitlich registriert werden.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie aus?

Wir tauschen keine Daten aber Informationen.

Was heisst das konkret?

Wir werden keine Quelldaten übergeben. Was wir aber juristisch prüfen, ist die Weitergabe von aggregierten Daten. Im Gegenzug wollen wir ein Molekül beforschen, das unsere Patienten weiterbringen könnte, wenn wir bei einer Neuindikation positive Wirkungen ausweisen.

Krebs macht nicht vor einer Landesgrenze halt:
Weshalb ziehen Sie ein schweizweites Register auf und nicht ein internationales mit sehr viel mehr Daten?

Eine Initiative muss lokal, regional und national angeschoben werden, aber so offengehalten sein, dass sie den internationalen Austausch erlaubt. Unsere Datenbank RWD ist so gestaltet, dass die Integration anderer Daten kein Problem darstellt.

Die Halbwertszeit digitaler Entwicklungen ist kurz. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass der Onconavigator nicht schon in wenigen Jahren überholt sein wird?

Da unsere Daten in einem Warehouse abgelegt sind, macht sie das beliebig kombinierbar.

Welche Erkenntnisse beförderte die NSK-Kurztagung vom November zum Thema «klinische Register»?

Die Kurztagung führte zu interessanten Gesprächen. Mitunter wissen wir dank der Tagung mehr im Bereich der Qualitätssicherung. Dank der Tagung werden wir verschiedene Dinge diesbezüglich einer Überprüfung unterziehen und optimal weiterentwickeln können.

Was würde den Aufbau Ihres klinischen Registers massiv erleichtern?

Wenn jedes Spital ein digitales Warehouse hätte und niemand mehr die Daten analog erfassen müsste. Ich hoffe, dass wir in der Schweiz bis 2030 soweit sein werden. Leider dauert es so lange, weil jedes Spital autonom funktioniert. Ich bin alles andere als ein Zentralist, aber im Gesundheitswesen würden klare Richtlinien und Anforderungen an Klinikinformationssysteme und Datenformate helfen, die Nachteile des Föderalismus in diesem Bereich zu beschränken.

Wann muss Onconavigator den Realismus-Check bestehen?

Nach 2000 Datensätzen werden wir überprüfen, ob der Algorithmus funktioniert. Danach gehen wir in eine randomierte Studie, was nichts anderes heisst als: Best educated guess des Onkologen versus Vorschlag der Maschine. Mit der Hoffnung, dass das progressionsfreie Überleben um 25% verbessert werden kann.

Was macht Sie zuversichtlich, dass der Onconavigator funktioniert?

Ich vertraue auf die einzelnen Onkologen, die mit ihren Patienten an einem Tisch sitzen und sich zum Projekt bekennen. Und gleichzeitig bin ich positiv überrascht, wie viele Menschen bereit sind, bei diesem Projekt zusammenzuarbeiten, obschon sie Einzelinteressen verfolgen könnten.

Sehen Sie auch Möglichkeiten, dass das klinische Register und der Onconavigator in ein paar Jahren in einem internationalen Netzwerk aufgeht?

Ja.

Was haben Sie aufgrund Ihrer Arbeit für den Onconavigator über das Menschsein gelernt?

Die Motivation ist die Grundlage, um ein Ziel zu erreichen.

Peter Ackermann

«ASCO-GI Symposium 2020» San Francisco

Zwischen dem 22. und 24. Januar 2020 fand das jährliche Symposium der ASCO zu den gastrointestinalen Tumoren statt. Kongressthema war «Accelerating Personalized Care». Das Symposium wurde durch 3500 internationale Teilnehmer in San Francisco besucht. Wie auch in den letzten Jahren wurden parallel dazu die Virtual Meeting Präsentationen in persönlicher Atmosphäre auf dem Uetliberg über Zürich verfolgt und interdisziplinär diskutiert. Die nachfolgende Zusammenfassung der wichtigsten Abstracts basiert auf der Einschätzung ihrer klinischen Relevanz und folgt in der Listung gemäss der Einteilung des Symposiums:

Tumore des Oesophagus und des Magens

Die Rolle einer Erhaltungstherapie mit einem Checkpoint Inhibitor bei Karzinomen des Magens und des gastroösophagealen Übergangs wurde in der Javelin Gastric 100-Studie untersucht. In dieser internationalen Phase III-Studie wurden bislang unbehandelte, lokal inoperable oder metastasierte Her-2-negative Magenkarzinome bzw. Karzinome des gastroösophagealen Übergangs mit einer mindestens stabilen Tumorsituation nach einer 12-wöchigen Induktionsphase mit einem FOLFOX/XELOX-Regime randomisiert zw. einer Erhaltungstherapie mit Avelumab bzw. Fortführung des bisherigen Chemotherapie-Regimes. Primärer Endpunkt dieser Studie war das Gesamtüberleben für die Gesamtpopulation sowie für die PD-L1-positive Subgruppe. Eine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch eine Erhaltungstherapie mit Avelumab konnte nicht gezeigt werden (medianes OS mit Avelumab 10.4 Monate vs. 10.9 Monate mit Chemotherapie, HR 0.91; 2 Jahres OS: Avelumab 22.1% vs 15.5% mit Chemotherapie). Auch in der Subgruppe der PD-L1 positiven (cutoff ≥ 1% der Tumorzellen), die ca. 12% der Studienpopulation umfasste, fand sich keine Verbesserung des Gesamtüberlebens durch eine Erhaltungstherapie mit Avelumab. In den sekundären Endpunkten PFS und ORR zeigte sich ebenso keine sign. Verbesserung, jedoch eine längere duration of response durch Avelumab.
In der EXPEL-Studie wurde der Nutzen einer extensiven, peritonealen Lavage mit 10 Liter Kochsalzlösung gegenüber dem Standard einer Lavage mit < 2 Liter nach kurativ intendierter Gastrektomie beim Magenkarzinom untersucht. Der primäre Endpunkt dieser Phase III- Studie war das Gesamtüberleben. Hierbei zeigte sich im Gesamtüberleben nach 3 Jahren kein Unterschied (3 J OS: Lavage 23.1%, Standard 23.3%, HR 1.09). Auch die sekundären Endpunkte DFS und peritoneale Rezidivrate waren nicht unterschiedlich. Dieses rein mechanistische Vorgehen einer ausgiebigen Lavage nach Gastrektomie hat sich nicht als nützlich erwiesen und kann somit nicht empfohlen werden.

Eine Phase III-Studie untersuchte die Wirksamkeit einer Eskalation der Strahlendosis bei der definitiven kombinierten Radio-/Chemotherapie des Oesophaguskarzinoms. Die 2002 publizierte INT 0123 RTOG-Studie, welche eine Standarddosis von 50.4 Gy gegenüber einer höheren Strahlendosis von 64.8 Gy untersuchte, konnte keine Verbesserung der lokalen Kontrolle oder des Gesamtüberlebens zeigen. In der holländischen ARTDECO-Studie wurde die Frage erneut untersucht. Lokal fortgeschrittene Oesophaguskarzinome (T2-4a, N0-3, M0) wurden entweder mit der Standarddosis von 50.4 Gy oder im experimentellen Arm mit 61.6 Gy bestrahlt. Es erfolgte eine 3D-konformale Bestrahlungstechnik, hauptsächlich IMRT/VMAT, radiosensibilisierend wurden 6 Gaben einer wöchentlichen Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel verabreicht. Primäres Studienziel war die Verbesserung der lokalen Kontrolle. Die lokale Tumorkontrolle nach 3 Jahren betrug 71% im Standardarm und 73% im experimentellen Arm und war somit nicht signifikant unterschiedlich. Auch nach Aufschlüsselung gemäss histologischem Subtyp ergab sich kein Benefit durch die höhere Strahlendosis. Im Therapiearm mit 61.6 Gy waren die G3 und G4 Toxizitäten leicht erhöht (75% vs. 66%), ebenso fand man eine leicht erhöhte therapieassoziierte Mortalität. Somit bleibt die empfohlene Standarddosis der definitiven Radio-/Chemotherapie des inoperablen Oesophaguskarzinoms 50.4 Gy.

Tumore der Bauchspeicheldrüse, Gallenwege und Leber

In einer randomisierten Phase II-Studie wurden 50 nicht vorbehandelte Patienten mit BRCA 1/2 oder mit PALB2-mutierten Pankreaskarzinom in eine wöchentliche Chemotherapie mit Cisplatin (25 mg/m2) und Gemcitabin (600 mg/m2) alleine oder mit dem PARP-Inhibitor Veliparib randomisiert. 47 Patienten hatten eine BRCA-Keimbahnmutation, die meisten davon eine BRCA-2-Mutation. Die RECIST-Remissionsraten lagen bei 65% und 74%, das mPFS bei 10.1 bzw. und bzw. 9.7 Monaten. Die mediane Überlebenszeit betrug 16 Monaten. Die Erkenntnis aus dieser relativ kleinen Studie ist folgende: Der Einsatz einer platinhaltigen Chemotherapie bei frühzeitiger Diagnose einer BRCA 1/2-, oder einer PALB2-Mutation ist wirksam. Der ergänzende Nutzen eines PARP-Inhibitors erscheint gesamthaft klein zu sein. Die geringe Zahl an BRCA1/2-Mutationen rechtfertigt jedoch eine routinemässige Untersuchung aller Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom nicht.
Die IMbrave150-Studie ist eine internationale Phase III-Studie bei Patienten mit fortgeschrittenem HCC und erhaltener Leberfunktion (Child A). Randomisiert wurde in Sorafenib oder in eine Kombinationstherapie mit Atezolizumab und Bevacizumab. Erste Resultate dieser Studie wurden bereits am ESMO Asia Meeting im Herbst 2019 vorgestellt. In dieser Studie konnte erstmalig eine Überlegenheit einer Immun-Kombinationstherapie gegenüber Sorafenib festgestellt werden. Obgleich die Ergebnisse noch früh sind (mediane Nachbeobachtungszeit 8 Monate), zeigt sich eine stat. Überlegenheit beim gesamt- als auch beim progressionsfreien Überleben. Ergänzt wurden die Ergebnisse durch umfangreiche PRO- und Lebensqualitätsanalysen, die die klinische Überlegenheit der Kombinationstherapien weiter unterstützen.

Tumore von Kolon und Rektum

In der vorzeitig abgebrochenen Phase III-Studie JCOG1007 study (iPACS) wurde erstmals randomisiert untersucht, ob Patienten mit synchron aufgetretenen nicht resezierbaren Metastasen eines kolorektalen Karzinoms von einer Resektion des Primarius, vor Einleitung einer palliativen Chemotherapie, profitieren. Bisher gab es dazu retrospektive Analysen, die eine Prognoseverbesserung nach einer Resektion des Primärtumors suggerierten. Das mediane OS lag in beiden Gruppen bei 26 Monate. Es kam zu drei Todesfällen aufgrund von postoperativen Komplikationen. In dieser Studie konnte klar gezeigt werden, dass bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom, die bezüglich des Primärtumors asymptomatisch sind, die primäre Tumorresektion kein Vorteil bringt. Weitere Resultate zu diesem Thema werden aus einer deutschen Phase III-Studie erwartet.
Die BEACON CRC-Studie war eine randomisierte, dreiarmige Phase III-Studie (vgl. Vollpublikation Kopetz S et al. N Engl J Med 2019; 381:1632-43), welche bei Patienten mit BRAF V600E-Mutationen in der Zweitlinienbehandlung eine zielgerichtete Therapie mit einem Triplet (Encorafenib+Binimetinib + Cetuximab) oder die Doublette (Encorafenib + Cetuximab) gegenüber einer Chemotherapie mit Irinotecan oder FOLFIRI-Schema + Cetuximab untersuchte.
Es konnte zusammengefasst gezeigt werden, dass die beiden zielgerichteten Therapien zu einer signifikanten Verbesserung des OS und des Tumoransprechens führt.
Neben einem Update der Studienhauptresultate wurden Ergebnisse zur Lebensqualität vorgestellt.
Die Lebensqualität wurde in verschiedenen Messungen untersucht. Hierbei zeigte sich eine signifikant längere Zeit bis zur Verschlechterung in den beiden Armen mit zielgerichteter Therapie – ein weiteres wichtiges Argument für den Einsatz von Präzisionsmedizin bei Patienten mit BRAF-mutiertem Kolorektalkarzinom.
Ein Update zur Phase 2 CheckMate 142-Studie wurde bei Patienten mit metastasiertem mikrosatelliteninstabilem (MSI) Kolorektalkarzinom vorgestellt. In der Erstlinientherapie wurde Nivolumab (3 mg/kg) und Ipilimumab (1 mg/kg) eingesetzt. Die ORR lag bei 60%. Die Remissionen waren lange anhaltend. 16% der Patienten hatten Grad 3-4 Nebenwirkungen. Eindrucksvolle Resultate für eine Immunkombinationstherapie in der Erstlinie.

Dr. med. Melanie Löffler

St. Claraspital
Kleinriehenstrasse 30
4058 Basel

Dr. med. Catherine Schill

St. Claraspital
Kleinriehenstrasse 30
4058 Basel

Prof. Dr. med. Dieter Köberle

St. Claraspital AG
Tumorzentrum
Kleinriehenstrasse 30
4058 Basel

tumorzentrum@claraspital.ch